MEDIZIN 3 Erbliche Krebserkrankungen Punkte cme Nils Rahner, Verena Steinke ZUSAMMENFASSUNG Einleitung: Anlageträger für ein erbliches Tumorsyndrom haben ein hohes Risiko, im jungen Lebensalter und auch synchron und sequenziell an Tumoren aus dem betreffenden Spektrum zu erkranken. Für viele erbliche Krebserkrankungen sind die genetischen Ursachen bekannt. Etwa 5 Prozent aller Krebserkrankungen sind erblich. Methode: Selektive Literaturauswahl sowie Verwendung evidenzbasierter Leitlinien und Empfehlungen. Ergebnisse: Für viele erbliche Krebserkrankungen existieren klinische Verdachts- oder Diagnosekriterien, die eine weiterführende molekulargenetische Diagnostik rechtfertigen. Diese Kriterien lassen sich mit einer gezielten Patientenund Familienanamnese durch einen in der Allgemeinversorgung tätigen Arzt leicht abfragen. Die Identifizierung der ursächlichen Keimbahnmutation in einer Familie ermöglicht die Sicherung der Diagnose bei den Erkrankten und die prädiktive Diagnostik bei gesunden Familienangehörigen. Diskussion: Anlageträger für eine erbliche Krebserkrankung benötigen eine intensive Betreuung im Rahmen spezieller Früherkennungsprogramme, die meist nur in spezialisierten Zentren gewährleistet ist. Im Hinblick auf eine gezielte und sinnvolle molekulargenetische Diagnostik ist es notwendig, dass der betreuende Arzt das Risiko erkennt und den Patienten einer humangenetischen Beratung zuführt. Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 706–14 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0706 Schlüsselwörter: Tumorsyndrom, monogen erbliche Erkrankungen, molekulargenetische Diagnostik, humangenetische Beratung, Früherkennung E rbliche Krebserkrankungen kommen in allen medizinischen Fachgebieten vor. Sie machen zwar nur etwa 5 Prozent aller Krebserkrankungen aus (1), es ist jedoch wichtig, diese Patienten zu erkennen, da sie – anders als Patienten mit sporadischen Krebserkrankungen – eine spezielle und langfristige Betreuung benötigen. Jeder Arzt wird im Laufe seiner Tätigkeit auf solche Patienten treffen. Auch die Betreuung und Information der Angehörigen, die ebenfalls ein erhöhtes Krebsrisiko haben können, muss sichergestellt werden. Sowohl der Arzt des jeweiligen Fachgebietes als auch ein Humangenetiker haben daher die Aufgabe, den Patienten ausführlich über das Krankheitsbild, die Risiken für den Patienten selbst und weitere Familienangehörige sowie die spezifischen Früherkennungsuntersuchungen aufzuklären (2). Bei Verdacht auf eine erbliche Krebserkrankung sollte immer ein spezialisiertes Zentrum eingeschaltet werden. Durch diesen Artikel soll der Leser insbesondere die folgenden Lernziele zu erblichen Krebserkrankungen erreichen: die wesentlichen klinischen Merkmale einiger wichtiger Tumorsyndrome kennenlernen die Unterschiede zwischen erblich und nicht erblich bedingten Tumorerkrankungen verstehen Hinweise auf das Vorliegen einer erblichen Krebserkrankung erkennen und wissen, wann eine weiterführende Diagnostik sinnvoll ist. Als methodische Grundlage des Beitrags erfolgte eine selektive Literaturrecherche primär in den Datenbanken GeneReviews (www.genetests.org) und Orphanet (www.orpha.net), zu einzelnen Themen wurden zusätzlich gezielt Artikel über Medline (via Pubmed) gesucht. Teilnahme nur im Internet möglich: aerzteblatt.de/cme Ursachen erblicher Tumorsyndrome Institut für Humangenetik, Uniniversitätsklinikum Bonn: Dr. med. Rahner, Dr. med. Steinke Von einem erblichen Tumorsyndrom spricht man, wenn eine Person aufgrund einer ererbten Mutation ein erhöhtes Risiko für die Entstehung bestimmter Tumoren hat, die auch schon in jüngerem Lebensalter auftreten können. Bei Erbliche Krebserkrankungen Die Betreuung von Patienten mit erblichen Krebserkrankungen erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem jeweiligen Fachgebiet und der Humangenetik in spezialisierten Zentren. 706 Jg. 105 Heft 41 10. Oktober 2008 Deutsches Ärzteblatt MEDIZIN den meisten bekannten erblichen Tumorsyndromen ist das erhöhte Krebsrisiko durch eine Mutation einer einzelnen Erbanlage (Gen) bedingt (monogen erbliche Erkrankungen). Die betreffenden Gene haben in der Regel eine Funktion bei der Kontrolle des Zellzyklus oder bei der Reparatur von DNA-Schäden. Auch sporadisch auftretende, das heißt nicht erblich bedingte Tumoren, werden durch eine Anhäufung von Mutationen in diesen Genen verursacht. Allerdings sind die genetischen Veränderungen bei sporadischen Tumoren in den Zellen des betreffenden Gewebes neu entstanden (somatische Mutationen) und finden sich nicht in den übrigen Körperzellen. Bei erblichen Tumorerkrankungen liegt meist eine „Keimbahnmutation“ vor, die über die Ei- oder Samenzelle in die Zygote gelangt ist. Sie findet sich folglich in jeder Körperzelle des späteren Menschen. Damit ist in jeder Zelle bereits der erste Schritt zur Krebsentstehung getan. Das erklärt, warum Patienten mit einem erblichen Tumorsyndrom häufiger und oft in jüngeren Jahren erkranken. Zur malignen Entartung kommt es dann, wenn in einzelnen Körperzellen im Laufe der Zellteilungen weitere somatische Mutationen in Genen hinzutreten, die bei der Krebsentstehung eine Rolle spielen (Grafik 1) (3). Die meisten erblichen Tumorsyndrome folgen dem autosomal-dominanten Erbgang, bei dem erstgradig Verwandte (Eltern, Kinder und Geschwister) eines Betroffenen ein Risiko von 50 Prozent haben, ebenfalls die ursächliche Mutation zu tragen (Grafik 2). Für jedes erbliche Tumorsyndrom ist ein bestimmtes Spektrum an Tumoren charakteristisch. Es ist eine ganze Reihe von Genen bekannt, deren Veränderung ein erbliches Tumorsyndrom bedingen kann (Tabelle 1). Vermutlich gibt es noch weitere, bisher nicht entdeckte ursächliche Gene. Da Krebserkrankungen in der Bevölkerung sehr häufig sind und die Mutationssuche aufwändig ist, muss die Indikation zur molekulargenetischen Analyse sorgfältig abgewogen werden (4). Es wurden daher für jede Krebsform klinische Kriterien für eine genetische Untersuchung entwickelt. Hinweise auf erbliche Tumorsyndrome in der Anamnese TABELLE 1 Erbliche Tumorsyndrome mit erhöhtem Malignomrisiko Erbliches Tumorsyndrom Gen Häufigkeit*1 Engeres Tumorspektrum Autosomal-dominater Erbgang Erblicher Darmkrebs ohne Polyposis (HNPCC) MSH2 MLH1 MSH6 PMS2 ca. 1:500*2 Kolon-, Endometrium-, Magen-, Dünndarm-, Urothelkarzinom u. a. Familiärer Brust- und Eierstockkrebs BRCA1 BRCA2 1:500 bis 1:1 000 Mamma-, Ovarial- und Prostatakarzinom Neurofibromatose Typ 1 NF1 1:3 000 Neurofibrom, Optikusgliom, Neurofibrosarkom Familiäres Retinoblastom RB1 1:15 000 bis 1: 20 000 oft beidseitiges Retinoblastom im Kindesalter, später Sekundärtumoren Multiple endokrine Neoplasie Typ 2 (MEN2a) RET 1: 30 000 medulläres Schilddrüsenkarzinom, Phäochromozytom, Hyperparathyreoidismus Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) APC 1:33 000 > 100 Kolonadenome, Tumoren im oberen Gastrointestinaltrakt, Desmoide Von-Hippel-LindauErkrankung VHL 1:36 000 klarzelliges Nierenzellkarzinom und andere, meist gutartige Tumoren Li-Fraumeni-Syndrom TP53 selten*3 besonders breites Tumorspektrum, u. a. Sarkome, Mammakarzinom, Gehirntumoren, Leukämien Autosomal-rezessiver Erbgang MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) MUTYH keine Angaben Kolonkarzinom, Kolonadenome Ataxia teleangiectatica ATM 1:40 000 bis 1:100 000 Non-Hodgkin-Lymphom, Leukämien Fanconi-Anämie FANC A-H 1:100 000 Hämatologische Neoplasien *1Die Häufigkeitsangaben beziehen sich auf die Zahl der Anlageträger in der Allgemeinbevölkerung. *2Etwa 2–3 % aller Dickdarmkrebserkrankungen, hieraus Abschätzung der Häufigkeit *3Weltweit weniger als 400 Familien beschrieben Quelle: www.GeneReviews.org Bei manchen erblichen Tumorsyndromen ist die Diagnose aufgrund des endoskopischen Befundes möglich, zum Beispiel in den typischen Fällen der familiären adenomatösen Polyposis. Vielfach ist das Erkennen jedoch schwieriger. Die folgenden Besonderheiten können auf ein erbliches Tumorsyndrom hinweisen: Auftre- ten mehrerer Tumoren bei einem Patienten, sei es synchron oder sequenziell, bilaterales Auftreten, ungewöhnlich frühes Erkrankungsalter, Erkrankung von weiteren Familienangehörigen. In diesen Fällen ist es sinnvoll, den Patienten und seine Familienangehörigen für eine genauere Einschätzung einem Humangenetiker vorzustellen, der dann gegebenenfalls eine weiterführende Diagnostik einleiten und individuell ange- Definition der somatischen Mutationen Mutationen in einzelnen Körperzellen, nicht aber in den Keimzellen. Die Mutationen haben nur Auswirkungen auf die betreffenden Körperzellen und werden daher nicht weitervererbt. Definition der Keimbahnmutationen Die Mutationen betreffen Eizellen oder Spermien und werden durch die Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben. Sie können über die Keimbahn an die Nachkommen vererbt werden. Jg. 105 Heft 41 10. Oktober 2008 Deutsches Ärzteblatt 707 MEDIZIN Prädiktive Diagnostik und Früherkennung GRAFIK 1 Schematische Darstellung zur Krebsentstehung. Sporadische Tumoren entstehen durch eine Anhäufung somatischer Mutationen im Laufe der Zellteilungen aus ursprünglich „normalen“ Körperzellen. Bei Anlageträgern für ein erbliches Tumorsyndrom liegt in jeder Körperzelle bereits eine Mutation vor (Keimbahnmutation), der Weg zur Tumorzelle ist somit verkürzt. Zur Krebsentstehung müssen im Laufe der Zellteilungen jedoch auch hier weitere somatische Mutationen hinzukommen. Das Schema verkürzt diesen langwierigen Mehrschrittprozess auf nur wenige Zellgenerationen. Modifiziert nach: Cavenee WK und White RL: Anhäufung genetischer Defekte bei Krebs. In: Spektrum der Wissenschaft 5/1995, 41 KASTEN 1 Klinische Diagnosekriterien für HNPCC, alle Kriterien müssen zutreffen*1 mindestens drei Familienangehörige mit histologisch gesichertem kolorektalem Karzinom oder einem Karzinom des Endometriums, Dünndarms, Ureters oder Nierenbeckens, davon einer mit den beiden anderen erstgradig verwandt; familiäre adenomatöse Polyposis muss ausgeschlossen sein wenigstens zwei aufeinander folgende Generationen betroffen bei mindestens einem Patienten Diagnosestellung vor dem Alter von 50 Jahren *1nach den Amsterdam-II-Kriterien (9) passte Empfehlungen für Vorsorge- beziehungsweise Früherkennungsuntersuchungen geben kann. Die gezielten Untersuchungen können der Krebsfrüherkennung und gegebenenfalls der Entfernung von Krebsvorstufen dienen und damit die Prognose verbessern. Eine Liste humangenetischer Beratungsstellen findet sich auf der Homepage des Berufsverbandes Deutscher Humangenetiker e.V. (www.bvdh.de). Erbgänge und ihre Wiederholungsrisiken autosomal-dominant (Wiederholungsrisiko für direkte Nachkommen [Kinder] 50 Prozent) autosomal-rezessiv (Wiederholungsrisiko für Geschwister 25 Prozent) 708 Die Identifizierung der ursächlichen Mutation bei einem Tumorpatienten eröffnet seinen Familienangehörigen die Möglichkeit einer sicheren prädiktiven, das heißt vorhersagenden Diagnostik. Dies bedeutet, dass die gefährdeten Familienangehörigen („Risikopersonen“) untersucht werden können, ob sie die Mutation und damit das erhöhte Krebsrisiko geerbt haben oder nicht (Anlageträger beziehungsweise Nicht-Anlageträger). Mit dem Ziel, die Prognose der Betroffenen maßgeblich zu verbessern, werden Anlageträger für das betreffende Tumorsyndrom einem spezifischen Früherkennungsprogramm zugeführt. NichtAnlageträger dagegen können aus der intensivierten Krebsvorsorge entlassen werden. Große prospektive Studien zur Effektivität der bestehenden Früherkennungsprogramme laufen derzeit noch, es gibt jedoch schon erste Hinweise für einen Nutzen der intensivierten Untersuchungen (5, 6). Wenn in einer Familie keine zugrunde liegende Mutation identifiziert werden kann, ist eine prädiktive Testung von Familienangehörigen nicht möglich. Im Folgenden wird beispielhaft auf einige typische erbliche Tumorsyndrome eingegangen. Auswahlkriterien waren ein hohes Malignomrisiko und die Verfügbarkeit eines Früherkennungsprogrammes, das eine effektive Behandlung der Tumoren ermöglicht. Zusätzlich wird auf das relativ seltene Li-Fraumeni-Syndrom eingegangen, da es für mehrere erbliche Tumorsyndrome eine wichtige Differenzialdiagnose darstellt. Erblicher Dickdarmkrebs ohne Polyposis Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen an Dickdarmkrebs in Deutschland wird für Männer auf über 37 000 und für Frauen auf etwa 36 000 veranschlagt (7). Bei etwa 3 Prozent der Fälle – also bei fast 2 200 Erkrankungen – liegt eines der erblichen Dispositionssyndrome für Darmkrebs vor (Synonym: „hereditary non polyposis colorectal cancer“/HNPCC/Lynch-Syndrom). HNPCC ist die häufigste Ursache erblich bedingter kolorektaler Karzinome. Charakteristisch für das autosomal-dominant vererbte Syndrom ist das frühe Auftreten von vorzugsweise rechtsseitig lokalisierten kolorektalen Karzinomen, oft synchron und sequenziell auftretend, Karzinomen in Endometrium, Nierenbecken/ ableitenden Harnwegen, Dünndarm sowie in Magen, Ovarien, Gallengängen, Gehirn und Haut (8, 9). Die Penetranz der Erkrankung, das heißt die Wahrscheinlichkeit eines Anlageträgers, im Laufe seines Lebens einen Verdachtsmomente für das Vorliegen erblicher Tumorsyndrome gehäuftes Auftreten von Tumoren bei einer Person beziehungsweise in einer Familie bilaterales Auftreten von Tumoren frühes Erkrankungsalter, erhöhte Neigung zu Tumoren aus einem bestimmten Tumorspektrum Jg. 105 Heft 41 10. Oktober 2008 Deutsches Ärzteblatt MEDIZIN bösartigen Tumor zu entwickeln, liegt bei etwa 80 bis 90 Prozent (8). Etwa jede 500. Person der Allgemeinbevölkerung ist Anlageträger für HNPCC (10). Die Diagnose HNPCC wird klinisch gestellt, wenn in der Familie die so genannten Amsterdam-II-Kriterien (Kasten 1) (9) erfüllt sind. Da jedoch viele Familien aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl und der unvollständigen Penetranz der Erkrankung diese strengen Kriterien nicht erfüllen können, wurden zusätzlich die revidierten Bethesda-Richtlinien formuliert (11). Diese Merkmale können Hinweise für das Vorliegen von HNPCC geben, sind jedoch nicht beweisend. Für die praktische Anwendung können hieraus vereinfachte klinische Verdachtsmomente abgeleitet werden, die Indikation für eine molekularpathologische Untersuchung auf HNPCC sind (Kasten 2). Bisher sind vier der bei HNPCC veränderten Erbanlagen bekannt (MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2). Diese Gene tragen Informationen für Proteine, die für die Reparatur von Fehlern bei der Vervielfältigung der DNA wichtig sind (Mismatch-Reparatur-Gene) (Grafik 3). Hinweise für einen DNA-Reparaturdefekt gibt die Untersuchung des Tumorgewebes, die den ersten diagnostischen Schritt darstellt. Hierzu stehen zwei Verfahren zur Verfügung (immunhistochemische Färbung und Untersuchung auf Mikrosatelliten-Instabilität). Bei auffälligem Tumorbefund ist eine Veränderung in einem der genannten Gene wahrscheinlich, sodass eine Mutationssuche sinnvoll ist. Allerdings kann derzeit nicht in allen Fällen die zugrunde liegende Mutation gefunden werden; deshalb wird vermutet, dass noch weitere, bisher nicht identifizierte Gene an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind. Findet sich im Tumorgewebe hingegen kein Hinweis auf einen DNA-Reparaturdefekt, dann ist die Mutationssuche nicht sinnvoll. Wegen des hohen Krebsrisikos wird HNPCC-Patienten ein systematisches Früherkennungsprogramm empfohlen (Tabelle 2) (13). Solange bei einer Risikoperson die familiäre Keimbahnmutation nicht ausgeschlossen ist, sollte sie sich dem gleichen Früherkennungsprogramm unterziehen. Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) ist typischerweise durch das Auftreten von Hunderten bis Tausenden von adenomatösen Polypen im gesamten Kolon charakterisiert. Das Adenomwachstum beginnt meist im zweiten Lebensjahrzehnt im Rektosigmoid. Unbehan- Prädiktive (vorhersagende) Diagnostik Untersuchung einer gesunden Person auf die Anlageträgerschaft für eine Erkrankung Ermittlung des Erkrankungsrisikos Jg. 105 Heft 41 10. Oktober 2008 Deutsches Ärzteblatt TABELLE 2 Krebs-Früherkennungsuntersuchungen bei HNPCC entsprechend dem Studienprotokoll des Verbundprojektes der Deutschen Krebshilfe „Familiärer Darmkrebs“ Beginn Untersuchung Häufigkeit ab dem 25. Lebensjahr (bei sehr jungen Erkrankten in der Familie gegebenenfalls früher, nämlich 5 Jahre vor dem frühesten Erkrankungsalter in der Familie) körperliche Untersuchung einmal jährlich ab dem 35. Lebensjahr Ultraschalluntersuchung des Bauches einmal jährlich komplette Darmspiegelung einmal jährlich gynäkologische Untersuchung auf Gebärmutterschleimhaut- und Eierstockkrebs (transvaginale Sonografie) einmal jährlich Magenspiegelung einmal jährlich KASTEN 2 Indikationen zur weiterführenden molekularpathologischen Diagnostik hinsichtlich HNPCC*1 Eine weiterführende genetische Diagnostik hinsichtlich HNPCC sollte durchgeführt werden bei – Patienten mit Darmkrebs vor dem 50. Lebensjahr – Patienten mit zwei oder mehr HNPCC-assoziierten Tumoren in der Anamnese – Patienten mit Darmkrebs, die mindestens einen erstgradig Verwandten mit einem HNPCC-assoziieren Tumor vor dem 50. Lebensjahr haben – Patienten mit Darmkrebs, die mindestens zwei Verwandte mit einem HNPCC-assoziieren Tumor haben – Patienten mit kolorektalen Adenomen vor dem 40. Lebensjahr ohne Hinweis für eine Polyposis-Erkrankung – Personen, die einen erstgradigen Verwandten haben, auf den eines der ersten fünf Kriterien zutrifft *1modifiziert nach den Bethesda- und revidierten Bethesda-Kriterien (11, 12) delt sterben die Patienten durchschnittlich im Alter von 40 Jahren an Krebs. Neben der klassischen FAP existiert auch eine mildere Verlaufsform der Erkrankung (attenuierte FAP, AFAP). Hierbei entwickeln die Patienten meist weniger als 100 Adenome, und sie entstehen in der Regel 10 bis 15 Jahre später als bei der klassischen FAP. Die Adenome sind häufig im proximalen Kolon lokalisiert. Bei einem Teil der Patienten werden auch extrakolonische Tumoren beobachtet, vor allem Adenome im Magen- Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf HNPCC/Lynch-Syndrom bei Betroffenen Mikrosatellitenanalyse und immunhistochemische Untersuchung des Tumorgewebes hinsichtlich HNPCC-typischer Auffälligkeiten Mutationssuche anhand einer Blutprobe bei auffälligem Tumorgewebebefund 709 MEDIZIN wechselerkrankungen (DGVS) ab dem 10. Lebensjahr jährlich einer Rektosigmoideoskopie unterzogen werden (15). Die Entscheidung zur Operation muss in Abhängigkeit vom klinischen Befund getroffen werden. Nach Kolektomie mit Belassung des Rektums beträgt das Risiko der Entstehung eines Rektumstumpfkarzinoms etwa 13 Prozent nach 25 Jahren (16). Es konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass das Risiko von FAP-Patienten, durch ein kolorektales Karzinom zu sterben, durch ein intensives Früherkennungsprogramm und prophylaktische Kolektomie deutlich gesenkt werden konnte (6). GRAFIK 2 MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) Familie mit Verdacht auf autosomal-dominant erblichen Brust- und Eierstockkrebs. Römische Zahlen geben die Generationen (I–III), arabische die Personen (1–7) in den Generationen an. Quadrate symbolisieren männliche Personen, Kreise weibliche Personen. Unter Berücksichtigung der unvollständigen Penetranz der Erkrankung und des Lebensalters wurde für jedes Familienmitglied mithilfe des Computerprogramms Cyrillic 2.1 das Risiko errechnet, Anlageträger für erblichen Brust- und Eierstockkrebs zu sein (Heterozygotenrisiko/H-R). Unter der Voraussetzung, dass es sich um die erbliche Form von Brust- und Eierstockkrebs handelt, sind die Personen II:2 und II:4 obligate Anlageträger für die Erkrankung, da ihre Töchter (III:4 und III:7) von der Erkrankung betroffen sind. fundus, Osteome in Kiefer- und langen Röhrenknochen sowie Desmoidtumoren (in circa 13 Prozent der Fälle). Pathognomonisch für die Erkrankung ist die charakteristische „kongenitale Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels (CHRPE)“, die bei ungefähr 85 Prozent der Patienten vorliegt, das Sehen jedoch nicht beeinträchtigt. Die Häufigkeit der Erkrankung in der Allgemeinbevölkerung liegt bei 1 : 33 000, die Penetranz beträgt nahezu 100 Prozent. Die FAP wird durch eine Keimbahnmutation im Tumorsuppressorgen APC verursacht. 11 bis 25 Prozent der Fälle gehen auf eine bei dem Patienten neu entstandene Mutation zurück (14). Risikopersonen für eine FAP sollten entsprechend den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoff- Differenzialdiagnosen bei adenomatösen Polyposis-Erkrankungen Klassische familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis (AFAP) MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) 710 Die MAP ist klinisch mit der attenuierten FAP vergleichbar. Die Krankheit wird durch Keimbahnmutationen im MUTYH-Gen verursacht und ist eines der wenigen Tumorsyndrome, das autosomal-rezessiv vererbt wird. Entsprechend findet sich bei den Patienten jeweils eine Keimbahnmutation in der mütterlichen und in der väterlichen Kopie des MUTYH-Gens. An das Vorliegen einer MAP sollte gedacht werden, wenn bei Einzelpatienten oder in Geschwisterschaften, deren Eltern gesund sind, ein kolorektales Karzinom in jungen Jahren diagnostiziert wird und/oder mindestens 15 bis 20 Dickdarmadenome vorliegen. Extrakolonische Manifestationen sind bisher nur selten beschrieben (17). Erblicher Brust- und Eierstockkrebs In Deutschland erkrankt nach Schätzungen des Epidemiologischen Krebsregisters NRW ungefähr jede zwölfte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs (18). Der Verdacht auf eine erbliche Erkrankung ist begründet, wenn Frauen bereits sehr jung erkrankt sind oder mehrere Tumoren (beidseitiger Brust- oder Eierstockkrebs, Brustund Eierstockkrebs) bekommen oder sich in einer Familie mehrere Erkrankte finden. Für die klinische Praxis gibt es operationalisierte Kriterien (Kasten 3). Ursächlich für den erblichen Brust- und Eierstockkrebs sind hauptsächlich Veränderungen in den Genen BRCA1 und BRCA2. Etwa 5 Prozent der Brustkrebserkrankungen beruhen auf Mutationen in einem der beiden Gene (19). Es sind in jüngster Zeit weitere Gene identifiziert worden, in denen bislang jedoch nur in Einzelfällen für erblichen Brustkrebs ursächliche Mutationen nachgewiesen werden konnten. Trägerinnen einer Mutation in BRCA1 oder BRCA2 haben ein Risiko von bis zu 80 Prozent, im Laufe des Lebens an Brustkrebs, und von 20 bis 40 Prozent, an Eierstockkrebs zu erkran- FAP und Risikoreduzierung Durch ein intensives Früherkennungsprogramm und prophylaktische Kolektomie kann das Risiko von FAP-Patienten gesenkt werden, an einem kolorektalen Karzinom zu sterben. Jg. 105 Heft 41 10. Oktober 2008 Deutsches Ärzteblatt MEDIZIN ken (20, 21). In der Regel erkranken männliche Anlageträger nicht, können aber die Mutation an ihre Nachkommen weitergeben. Männliche Träger einer BRCA1Mutation haben allerdings ein erhöhtes Risiko für ein Prostatakarzinom, Männer mit einer BRCA2-Mutation ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs. Nur bei etwa 50 Prozent der Familien, bei denen der Verdacht auf erblichen Brust- und Eierstockkrebs besteht, lässt sich eine ursächliche Mutation im BRCA1oder BRCA2-Gen nachweisen. Wenn das Vorliegen von erblichem Brust- und Eierstockkrebs in einer Familie durch den Mutationsnachweis gesichert oder aufgrund des Stammbaumes sehr wahrscheinlich ist, werden den Risikopersonen in der Familie engmaschige Früherkennungsuntersuchungen empfohlen, um Krebserkrankungen möglichst im Frühstadium zu entdecken. Manche Frauen wünschen zur Krebsprophylaxe eine beidseitige Ovarektomie oder gar Mastektomie. Für die Früherkennung wurde aufgrund der Daten aus der von der Deutschen Krebshilfe geförderten multizentrischen Studie „Familiärer Brust- und Eierstockkrebs“ ein Rahmenprogramm formuliert, das auch in die S-3-Leitlinien zur Brustkrebsfrüherkennung eingegangen ist (19). Für die Durchführung der Früherkennungsuntersuchungen empfiehlt sich die Vorstellung in einem der Zentren für erblichen Brust- und Eierstockkrebs (www.krebshilfe.de/bruskrebszentren.html). GRAFIK 3 Beispiel für einen Mutationsnachweis im MSH2-Gen im Rahmen einer molekulargenetischen Diagnostik (direkte Sequenzierung in Lymphozyten-DNA). In der oberen Abbildung ist die unveränderte Sequenz dargestellt; in der unteren Abbildung zeigt sich ein Basenaustausch (C > T) im Sinne einer Keimbahnmutation in einer Genkopie. Multiple endokrine Neoplasie Typ 2 (MEN2) Die MEN2 kommt in drei Unterformen vor (22). Kennzeichnend für den Typ 2a ist das gehäufte Auftreten von medullären Schilddrüsenkarzinomen (C-Zell-Karzinomen), Phäochromozytomen und Hyperparathyreoidismus. Beim Typ 2b können medulläre Schilddrüsenkarzinome bereits im frühen Kindesalter auftreten, hinzukommen können Phäochromozytome sowie Schleimhautneurome der Lippen und der Zunge. Die Betroffenen zeigen meist einen marfanoiden Habitus und typische faziale Auffälligkeiten mit einem langen Gesicht, groben Gesichtszügen und prominenten Lippen. Bei der dritten Unterform der MEN2, dem familiären medullären Schilddrüsenkarzinom, besteht ausschließlich ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von medullären Schilddrüsenkarzinomen. Für alle drei Unterformen sind Mutationen im RETProtoonkogen verantwortlich. Art und Lage der Mutation im Gen entscheiden, welche Form der MEN2 resultiert. Medulläre Schilddrüsenkarzinome treten in der Früherkennungsprogramm bei Risikopersonen für erblichen Brust- und Eierstockkrebs regelmäßige Selbstuntersuchung, halbjährliche Tastuntersuchung der Brust Brustsonografie (halbjährlich) jährliche Mammografie der Brust jährliches MRT der Brust Jg. 105 Heft 41 10. Oktober 2008 Deutsches Ärzteblatt Bevölkerung relativ selten auf. Da nach bisherigen Schätzungen etwa 25 bis 33 Prozent im Rahmen einer MEN2 entstehen (23), stellt bereits die Diagnose eines medullären Schilddrüsenkarzinoms die Indikation zur molekulargenetischen Untersuchung bezüglich einer MEN2 dar. Aufgrund des hohen Tumorrisikos bei Mutationsträgern wird in der Regel eine prophylaktische Entfernung der Schilddrüse empfohlen. Wann diese durchgeführt wird, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Mutation in der Familie vorliegt. Bei Trägern einer Mutation für eine MEN2b wird wegen des sehr jungen Erkrankungsalters meistens schon im Kleinkindesalter eine Schilddrüsenentfernung empfohlen. Bezüglich der weiteren assoziierten Multiple Endokrine Neoplasie (MEN) Typ 2 Leittumor ist das medulläre Schilddrüsenkarzinom (C-Zell-Karzinom). Zum engeren Tumorspektrum gehören Phäochromozytome und ein Hyperparathyreoidismus. 711 MEDIZIN KASTEN 3 Einschlusskriterien für eine Mutationssuche in den Genen BRCA1 und BRCA2 Eine Mutationssuche in den Genen BRCA1 und BRCA2 sollte erwogen werden bei folgenden Familienkonstellationen: – mindestens drei an Brustkrebs erkrankte Frauen in der gleichen Linie einer Familie – mindestens zwei an Brustkrebs erkrankte Frauen (eine unter 51 Jahre) in der gleichen Linie einer Familie – mindestens jeweils eine an Brust- und an Eierstockkrebs erkrankte Frau in der gleichen Linie einer Familie – mindestens zwei Frauen in der gleichen Linie einer Familie, mit der Diagnose Eierstockkrebs – ein Mann, der an Brustkrebs erkrankt ist und eine weitere an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankte Person in der gleichen Linie einer Familie Unabhängig von der Familienanamnese sollte eine Mutationssuche bei den folgenden Konstellationen erwogen werden: – mindestens eine Frau, die sowohl an Brust- als auch an Eierstockkrebs erkrankt ist – eine Frau, die an beidseitigem Brustkrebs erkrankte, wobei der erste Brustkrebs vor dem 51. Lebensjahr aufgetreten ist – eine Frau, die zum Zeitpunkt ihrer Brustkrebserkrankung jünger als 36 Jahre war *1entsprechend der S-3-Leitlinie zur Brustkrebs-Früherkennung (19) somatische Mutationen verändert sein kann. Das resultierende Protein (p53) hat eine zentrale Rolle bei der Kontrolle des Zellzyklus. Das Risiko für Träger einer TP53Mutation, im Laufe des Lebens an Krebs zu erkranken, wird in der Literatur mit 85 Prozent angegeben (24). Die Betroffenen erkranken häufig mehrfach an Krebs in verschiedenen Organen. Da das Tumorspektrum sehr breit ist, gibt es für dieses Syndrom derzeit kein gezieltes Früherkennungsprogramm. Für Frauen besteht die Möglichkeit einer prophylaktischen Mastektomie, um das hohe Risiko für Brustkrebs zu senken (25). Fazit Für HNPCC, FAP, MEN2a sowie erblichen Brust- und Eierstockkrebs zeigen die bisher vorliegenden Ergebnisdaten einen Nutzen der bestehenden Früherkennungsprogramme für die Anlageträger. Es ist daher wichtig, diese Personen frühzeitig zu erkennen und einem entsprechenden Vorsorgeprogramm zuzuführen. Diese Aufgabe fällt im Wesentlichen den in der Allgemeinversorgung tätigen Ärzten zu. Für die weitere Betreuung ist die Anbindung der Betroffenen an ein spezialisiertes Zentrum sinnvoll, in dem Erfahrung mit diesen nicht alltäglichen Krankheitsbildern besteht. Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht. Manuskriptdaten eingereicht: 2. 6. 2008, revidierte Fassung angenommen: 29. 7. 2008 LITERATUR Erkrankungen sollten regelmäßige klinische Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden. Li-Fraumeni-Syndrom Charakteristisch für das Li-Fraumeni-Syndrom ist das hohe Risiko für das Auftreten bösartiger Tumoren bereits im Kindes- und frühen Erwachsenenalter. Bei den Tumoren handelt es sich in erster Linie um Brustkrebs, Sarkome und Hirntumore, bei Kindern vorwiegend um Leukämien und Karzinome der Niere und der Nebennierenrinde. Allerdings ist auch für zahlreiche weitere Tumoren ein erhöhtes Risiko im Zusammenhang mit dem Li-FraumeniSyndrom beschrieben worden (unter anderem für Melanome, Kolon- und Pankreaskarzinome). Verantwortlich für das hohe Krebsrisiko sind in den meisten Familien Keimbahnmutationen im TP53-Tumorsuppressor-Gen, das auch in sporadischen Tumoren durch Indikation für die Diagnostik auf MEN Typ 2 Indikation für eine molekulargenetische Diagnostik hinsichtlich einer MEN Typ 2 ist bereits die Diagnose eines medullären Schilddrüsenkarzinoms bei einem Patienten. 712 1. Harper P: Practical Genetic Counselling. Hodder Arnold, London, Sixth Edition, 2004, 331. 2. Richtlinien zur Diagnostik der genetischen Disposition für Krebserkrankungen. Dtsch Arztebl 1998; 95(22): A 1396. 3. Knudson AG: Two genetic hits (more or less) to cancer. Nat Rev Cancer 2001; 1: 157–62. 4. Aretz S, Propping P, Nöthen MM: Indikationen zur molekulargenetischen Diagnostik bei erblichen Krankheiten. Dtsch Arztebl 2006; 103(9): A 550–8. 5. Brekelmans CT, Seynaeve C, Bartels CC et al.: Effectiveness of breast cancer surveillance in BRCA1/2 gene mutation carriers and women with high familial risk. J Clin Oncol. 2001; 19: 924–30. 6. Vasen HF, Möslein G, Alonso A et al.: Guidelines for the clinical management of familial adenomatous polyposis (FAP). Gut 2008; 57: 704–13. 7. Krebs in Deutschland 2003–2004. Häufigkeiten und Trends. 6. überarbeitete Auflage. Robert Koch-Institut (Hrsg.) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg.). Berlin, 2008. Li-Fraumeni-Syndrom Zum engeren Tumorspektrum des Li-FraumeniSyndroms gehören Brustkrebs, Sarkome und Hirntumoren, bei Kindern vorwiegend Leukämien und Karzinome der Niere und der Nebennierenrinde. Jg. 105 Heft 41 10. Oktober 2008 Deutsches Ärzteblatt MEDIZIN 8. Lynch HT, de la Chapelle A: Hereditary colorectal cancer. N Engl J Med 2003; 348: 919–32. 9. Vasen HF, Watson P, Mecklin JP, Lynch HT: New clinical criteria for hereditary nonpolyposis colorectal cancer (HNPCC, Lynch syndrome) proposed by the International Collaborative group on HNPCC. Gastroenterology 1999; 116: 1453–6. 10. Lamberti C, Mangold E, Pagenstecher C et al.: Frequency of hereditary non-polyposis colorectal cancer among unselected patients with colorectal cancer in Germany. Digestion. 2006; 74: 58–67. 11. Umar A, Boland CR, Terdiman JP et al.: Revised Bethesda Guidelines for hereditary nonpolyposis colorectal cancer (Lynch syndrome) and microsatellite instability. J Natl Cancer Inst 2004; 96: 261–8. 12. Rodriguez-Bigas MA, Boland CR, Hamilton SR et al.: A National Cancer Institute Workshop on Hereditary Nonpolyposis Colorectal Cancer Syndrome: meeting highlights and Bethesda guidelines. 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SUMMARY Hereditary Cancer Syndromes Introduction: Persons carrying mutations for hereditary cancer syndromes are at high risk for the development of tumors at an early age, as well as the synchronous or metachronous development of multiple tumors of the corresponding tumor spectrum. The genetic causes of many hereditary cancer syndromes have already been identified. About 5% of all cancers are part of a hereditary cancer syndrome. Methods: Selective literature review, including evidence-based guidelines and recommendations. Results: Clinical criteria are currently available according to which many hereditary cancer syndromes can be diagnosed or suspected and which point the way to further molecular genetic analysis. A physician can easily determine whether these criteria are met by directed questioning about the patient's personal and family medical history. The identification of the causative germ line mutation in the family allows confirmation of the diagnosis in the affected individual and opens up the option of predictive testing in healthy relatives. Discussion: Mutation carriers for hereditary cancer syndromes need long-term medical surveillance in a specialized center. It is important that these persons should be identified in the primary care setting and then referred for genetic counseling if molecular genetic testing is to be performed in a targeted, rational manner. Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 706–14 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0706 Key words: cancer syndromes, monogenic diseases, molecular genetic diagnostics, genetic counseling, surveillance @ The English version of this article is available online: www.aerzteblatt-international.de Kasuistik unter: www.aerzteblatt.de/cme/0811 18. Volker Krieg: Epidemiologie des Brustkrebses, Symposion zum Mammakarzinom. www.krebsregister.nrw.de 19. 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Unter www.aerzteblatt.de/cme muss hierfür in der Rubrik „Meine Daten“ oder bei der Registrierung die EFN in das entsprechende Feld eingegeben werden. Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis. Wichtiger Hinweis Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das Internet möglich: www.aerzteblatt.de/cme. Einsendeschluss ist der 21. November 2008 Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden. Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 49/2008 an dieser Stelle veröffentlicht. Die cme-Einheit „Notfälle in der Geburtshilfe – Peripartale Blutungen “ (Heft 37/2008) kann noch bis zum 24. Oktober 2008 bearbeitet werden. Für Heft 45/2008 ist das Thema „Therapie depressiver Erkrankungen“ vorgesehen. Lösungen zur cme-Einheit in Heft 33/2008: Baum E, Peters G: Leitliniengerechte Diagnostik und Therapie der Osteoporose 1b, 2e, 3a, 4c, 5a, 6b, 7d, 8a, 9a, 10e 713 MEDIZIN Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort Frage Nr. 1 Frage Nr. 6 Bei welchem der folgenden Patienten sind weitere Untersuchungen im Hinblick auf HNPCC indiziert? a) Patient mit einem kolorektalen Karzinom im Alter von 45 Jahren b) Patient mit zwei Dickdarmadenomen im Alter von 63 Jahren c) Patient mit einem kolorektalen Karzinom im Alter von 53 Jahren sowie einem Großvater mit einem kolorektalen Karzinom im Alter von 74 Jahren d) Patient mit Osteomen in der Mandibula im Alter von 66 Jahren und einem malignen Melanom im Alter von 83 Jahren e) Patient mit einem kolorektalen Karzinom im Alter von 53 Jahren und einem Bronchialkarzinom im Alter von 58 Jahren Welcher der folgenden Tumoren gehört zum typischen Tumorspektrum der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2? a) Kolonkarzinom b) Plasmozytom c) C-Zell-Karzinom der Schilddrüse d) Ovarialkarzinom e) Follikuläres Schilddrüsenkarzinom Frage Nr. 7 Welche der folgenden erblichen Krebserkrankungen folgt dem autosomal-rezessiven Erbgang? a) MEN2a b) HNPCC c) Attenuierte FAP (AFAP) d) MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) e) Erblicher Brust- und Eierstockkrebs Worüber kann die prädiktive Diagnostik beim Li-Fraumeni-Syndrom für die getesteten Familienmitglieder Auskunft geben? a) Das Alter, in dem beim Getesteten eine Krebserkrankung auftreten wird b) Ob eine Teilnahme an dem gut evaluierten Früherkennungsprogramm für den Getesten sinnvoll ist c) Ob der Getestete die krankheitsverursachende Mutation und damit das erhöhte Krebsrisiko geerbt hat d) Ob die getestete Person in ihrem Leben an Krebs erkranken wird e) In welchem Organ bei der betreffenden Person eine Krebserkrankung auftreten wird Frage Nr. 3 Frage Nr. 8 Welche erbliche Krebserkrankung ist häufig mit einer kongenitalen Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels (CHRPE) assoziiert? a) MEN2a b) HNPCC c) Typische FAP d) MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) e) Erblicher Brust- und Eierstockkrebs Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine Frau aus der Allgemeinbevölkerung, Anlageträgerin für den familiären Brust- und Eierstockkrebs zu sein? a) 1 : 5 – 1 : 10 b) 1 : 50 – 1 : 100 c) 1 : 500 – 1 : 1 000 d) 1 : 5000 – 1 : 10 000 e) etwa 1 : 1 000 000 Frage Nr. 4 Frage Nr. 9 Frage Nr. 2 Vor welchem Alter ist das Auftreten von Dickdarmkrebs hinweisend für erblichen Darmkrebs, unabhängig von der Familienanamnese? a) 90 Jahre b) 80 Jahre c) 70 Jahre d) 60 Jahre e) 50 Jahre Wie hoch ist das prozentuale Risiko für Geschwister von Patienten mit einer MUTYH-assoziierten Polyposis (MAP), ebenfalls von der Erkrankung betroffen zu sein? a) 5 Prozent b) 10 Prozent c) 15 Prozent d) 25 Prozent e) 50 Prozent Frage Nr. 5 Welche der folgenden Untersuchungen gehört zum jährlichen Früherkennungsprogramm für eine gesunde 45-jährige HNPCC-Anlageträgerin? a) Komplette Koloskopie b) Kapselendoskopie c) C3-Atemtest d) Computertomografie-Abdomen e) Bestimmung des Tumormarkers CA-125 714 Frage Nr. 10 Welcher Befund spricht für das Vorliegen eines erblichen Tumorsyndroms? a) Eine ALL bei einem 5-jährigen Kind b) Zwei Basaliome bei einem 60-jährigen Landarbeiter c) Ein kolorektales Adenom bei einem 68-jährigen Patienten d) Brustkrebs bei einer 25-jährigen Patientin e) Lungenkrebs bei einem 70-jährigen Raucher Jg. 105 Heft 41 10. Oktober 2008 Deutsches Ärzteblatt