“Was ist ein Satz?” (beliebter Titel von Aufsätzen und Büchern, in

Werbung
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
1
“Was ist ein Satz?”
(beliebter Titel von Aufsätzen und Büchern,
in denen Hunderte von Satz-Definitionen gesammelt
und gegeneinander abgewogen werden,
und vom jeweiligen Autor jeweils einer anderen
die Krone aufgesetzt wird)
Versuche zu antworten
aus den Erkenntnissen heraus, dass Sätze was bedeuten,
was bezwecken, und von eigenartiger Bauform sind
• “Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit.”
(Ludwig W.)
• “Der Satz ist das Mittel dazu, die nämliche Verbindung der
nämlichen Vorstellungen [die sich in der Seele des Sprechenden
vollzogen hat] in der Seele des Hörenden zu erzeugen.”
(Hermann Paul)
• “The sentence is the largest unit of grammatical description.”
(apokryph,
sinngemäß oft Leonard Bloomfield zugeschrieben,
für den ein Satz genaugenommen das war:
“an independent linguistic form, not included by virtue of any
grammatical construction in any larger linguistic form”.)
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
2
Der Satz im deutschen, englischen, ... Alltagsverständnis
Umfrageergebnisse:
• Sätze sind (schriftsprachliche) Einheiten, an deren Anfang
ein Grossbuchstabe stehen muss und an deren Ende bestimmte Satzzeichen stehen (Punkt, Fragezeichen, Ausrufezeichen, evtl. Doppelpunkt, Strichpunkt).
• Sätze sind (lautsprachliche) Einheiten, vor und nach denen
ausgedehntere Sprechpausen gemacht werden können,
ohne dass dieses durch Pausieren als besonders auffällig
empfunden würde, und die durch bestimmte einheitliche
Tonverlaufsmuster gekennzeichnet sind.
Das heisst: Sätze haben einen Anfang und ein Ende, die in
Laut und Schrift markiert werden — anders, vielleicht deutlicher als die Grenzen von anderen sprachlichen Einheiten.
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
3
Der Satz im deutschen Wörterbuch
Satz, der
1.
in sich abgeschlossene, nach bestimmten Regeln der
Intonation (bzw. Orthographie), Grammatik, Stilistik und
Logik im allgemeinen aus mehreren Wörtern zusammengefügte sinnvolle sprachliche Einheit
2.
wissenschaftlicher Lehrsatz
3.
das Setzen eines zum Druck bestimmten Manuskripts in
Lettern und Zeilen durch den Setzer oder auf fotomechanischem Wege
4.
Niederschlag, Rückstand von festen Bestandteilen, der
sich aus einer Flüssigkeit abgesetzt hat
5.
festgesetzter Geldbetrag, Tarif
6.
in sich geschlossener Teil eines mehrteiligen Musikwerkes
7.
in sich geschlossener Teil eines mehrteiligen sportlichen
Wettkampfes, bes. beim Tennis
8.
mehrere zusammengehörige Gegenstände derselben Art
(bei Maßangaben)
9.
Sprung
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
4
Gemeinsamer Nenner zumindest von Nr. 1, 2, 6, 7, 8 und
eventuell 9:
Ein Satz ist ein in sich relativ abgeschlossener und in
seinem Aufbau wohl-geregelter Teil eines (in seinem
Aufbau weniger wohl-geregelten) größeren Ganzen,
der aus ihrerseits in sich nicht bzw. weniger abgeschlossenen Teilen besteht.
Aus welchen Teilen (Sprach-)Sätze aufgebaut sind und welchen
Regeln dieser formale Aufbau folgt, sind empirische und in
manchen Hinsichten offene Fragen, deren methodische Beantwortung ein zentrale Aufgabe der Sprachwissenschaft ist.
(Eine Einführung wie diese kann diese Antworten deshalb auch
nicht geben: sie führt eigentlich nur ein ins erste Fragen.)
Und damit das nie vergessen wird: Das empirische Betätigungsfeld der Sprachwissenschaft sind die menschlichen
Sprachen in ihrer Gesamtheit, in denen sich die Einheit der
menschlichen Sprachfähigkeit in ihrer Vielfalt äussert. Derzeit sind noch an die 6-7000 als Muttersprachen in Gebrauch;
über nicht wenige davon wissen wir nur schlecht Bescheid,
wenn überhaupt. Wieviele es davon in der Menschheitsgeschichte insgesamt gegeben hat, wissen wir nicht, denn
viele haben kein Zeugnis hinterlassen. Wie wenige von den
jetzt noch gesprochenen Sprachen in näherer Zukunft noch
gesprochen werden, können wir in etwa sagen: ziemlich
wenige, denn so an die zwei Drittel werden in hundert Jahren
nicht mehr (muttersprachlich) gesprochen werden.
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
Wollte man erst dann anfangen, Sprachwissenschaft und
namentlich Syntax zu treiben, wenn einfürallemal und überallezweifelerhaben geklärt ist, was ein Satz ist (in jeder der
menschlichen Sprachen — denn möglicherweise gibt’s da
kleinere oder auch größere diesbezügliche Unterschiede),
müsste man damit lang warten, und käme vielleicht nie dazu.
5
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
6
Der groben formalen Charakterisierung von Sätzen sollte man
noch eine funktionale Charakterisierung an die Seite geben
(auch in der Annahme, dass sich bei Menschenwerk sowie bei
den Werken der Evolution Formen und Funktionen irgendwie
entsprechen, ungefähr wie bei Schraubenziehern und anderen
Werkzeugen oder Giraffen und ihren langen Hälsen):
Ein Satz ist etwas, womit man etwas tun kann
(was man anderweitig nicht oder nicht so gut tun kann).
Und was?
Antwort: Einen Sprechakt ausführen.
Vielleicht nicht jeden x-beliebigen Sprechakt, aber beispielsweise Sprechakte der folgenden Art:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
eine Person oder ein Fahrzeug taufen
jemanden zu einer Strafe verurteilen oder auch freisprechen
jemandem zustimmen oder widersprechen
das Wetter vorhersagen (zumindest pauschal)
jemandem ein Kompliment machen
jemandem die Uhrzeit sagen
jemandem ein Versprechen geben
jemandem eine Frage stellen
jemandem eine Anweisung bzw. einen Befehl geben
eine Bitte äussern
ein Verbot aussprechen
über einen Gegenstand (Person, Ding, Abstraktum) eine
Aussage machen bzw. eine Feststellung treffen
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
•
•
•
7
eine Lüge begehen
einem Wunsch Ausdruck geben
seiner Freude, Überraschung, seinem Ärger Ausdruck geben
bitte fortsetzen
(Wer bei Füllen dieser Seite Hilfe braucht, kann etwa lesen:
John L. Austin, How to Do Things with Words (1962) — das
Buch eines Philosophen, das aber auch dem Linguisten was sagt.)
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
Ist ein Satz auch gut geeignet, folgendes zu tun?
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
eine Geschichte, ein Märchen, einen Roman, einen Witz,
eine Anekdote erzählen
ein Erlebnis erzählen
einen Vorfall berichten
ein Fussballspiel kommentieren
beweisen, dass die Winkelsumme eines Dreiecks gleich
zwei rechten Winkeln ist (in der EuklidischenGeometrie)
jemanden davon überzeugen, dass der Abendstern der
Morgenstern ist
eine Unterhaltung führen
sich auf jemanden oder etwas beziehen und diesen
Referenten so identifizieren, dass der Hörer weiss, wer
oder was gemeint ist
einen Umstand (des Ortes, der Zeit, der Art und Weise,
des Grundes oder Zweckes) einer Handlung oder eines
anderen Ereignisses angeben
um Hilfe schreien
jemandem rufen
jemanden beleidigen
seinem Schmerz Ausdruck geben, wenn man versehentlich mit dem Finger eine heisse Herdplatte berührt
dem Telefonpartner zu verstehen geben, dass man noch
am Apparat ist
sich räuspern
8
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
•
9
Schrauben eindrehen und ziehen
bitte fortsetzen
Für die erste Gruppe der oben erwähnten Handlungen (eine
Geschichte erzählen usw.) wird man sich am besten komplexerer sprachlicher Formen bedienen, nämlich eines ganzen
(aus mehreren Sätzen bestehenden) Textes oder Diskurses, als
beim Äussern einer Bitte, eines Wunsches, einer Feststellung,
einer Lüge usw., was man mit einem Satz gut machen kann.
Für die zweite Gruppe von Handlungen (Referieren auf Personen/Dinge/Ereignisse, Ereignis-Umstände angeben) wird
man gut mit weniger kompexen Einheiten als Sätzen auskommen, mit Phrasen (im grammatischen Sinn) nämlich.
Für die dritte Gruppe von Handlungen gibt’s typischerweise
Äusserungsformen von ganz eigener Art. (Wobei man sich
streiten kann, ob diese Formen eine eigene Art von Sätzen
sind bzw. eine Art von Satz-Wert haben.)
Schraubenziehen und sowas erledigt man am besten nichtsprachlich.
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
10
Beispiele:
• eine Aussage machen bzw. eine Behauptung aufstellen
bzw. eine Feststellung treffen:
Scipio zerstörte Karthago. Der Abendstern ist der Morgenstern.
Es regnet. Mir graut vor dir. Gestern wurde gestreikt.
Trifft Scipio Hannibal. (nur am Anfang einer bestimmten Art
von Text: Witz) Morgen fuhr Aschenbach nach Venedig. (nur
in einer bestimmten Art von Text: Fiktion)
• Vermutungen ausdrücken
Scipio soll Karthago zerstört haben. Er wird krank sein. Sie
haben wohl wieder verloren. Ich vermute, dass sie wieder
verloren haben.
• Voraussagen machen
Morgen wird/soll es regnen.
• Fragen stellen
Ist Meier krank? Wo ist Meier? Warum so traurig?
Meier ist krank, oder/gell/mh? (eher: Bestätigung suchen?)
• Befehle, Anweisungen geben, auffordern
Halt! Kommen Sie morgen wieder. Lass das! Vor Gebrauch
schütteln. Hilf mir mal einer! Dass du bloß pünktlich bist!
Rauchen verboten
• einem Wunsch Ausdruck geben
Wenn es endlich regnete! Der Herr sei mit Euch.
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
11
• seiner Freude, Überraschung, Ärger Ausdruck geben
Oh! Wie ruhig es hier ist! Mir reicht’s! Meier (und) ein
Heiratsschwindler?! Ausgerechnet “Scipio” haben sie ihn
getauft!
• bestreiten, widersprechen, leugnen
Scipio ist harmlos. Ich war es nicht.
• jemanden/etwas taufen
Ich taufe dich hiermit auf den Namen “Scipio”.
• zwei Leute verheiraten
Ich erkläre euch hiermit zu Mann und Frau.
• jemanden rufen
Sepp( )!
• jemanden beleidigen
Esel! Sie Esel! Sie sind ein Esel.
• sich auf etwas/jemanden beziehen und den Referenten geeignet identifizieren, worüber etwas ausgesagt werden soll er;
Scipio; ein römischer Feldherr; der Mann, der zu sagen
pflegte “ceterum censeo Carthaginem esse delendam”;
die Zerstörung Karthagos durch Scipio (sich auf ein Ereignis
beziehen; vergleiche mit Feststellung: Scipio zerstörte Karthago)
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
12
Die Idee ist natürlich, dass der Satz (bzw. Sätze aller Art) die
Bauform, die er hat, letztlich deshalb hat, weil homo sapiens
loquens damit auf zweckmäßige Art und Weise ganz bestimmte Zwecktätigkeiten ausüben kann.
Ein Satz ist — der Form nach — ein in sich relativ abgeschlossener und in seinem Aufbau wohl-geregelter Teil
eines (in seinem Aufbau weniger wohl-geregelten) größeren Ganzen, der aus ihrerseits in sich nicht bzw. weniger
abgeschlossenen Teilen besteht (also eine Einheit mittlerer, aber irgendwie besonderer Komplexität), womit —
dem Zweck nach — Vorstellungen und Empfindungen
ausgedrückt und dieser Ausdruck in Sprechakten bestimmter Art zur Ausführung kommt.
Zumindest hoffen wir, dass in diesem Fall die Form der Funktion angemessen ist. Es könnte natürlich auch sein, dass die
sprachlichen Formen, mit denen wir Heutigen diese Funktionen
zu erfüllen suchen, ein Zufallsprodukt der Entwicklung sind:
vielleicht gab es ja Sprechergemeinschaften, die sich sehr viel
zweckmäßigere Formen gebildet hatten, aber sie sind im Kampf
mit den Elementen und ihren Nachbarn untergegangen. Wenn
die Formen, von Sätzen und anderen sprachlichen Einheiten, die
sich durchgesetzt haben, allzu unzweckmäßig wären, wären sie
sicher im Lauf der zur Verfügung stehenden Zeit wenigstens ein
wenig optimiert worden.
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
Übrigens:
Der grammatische Terminus Satz ist die Verdeutschung von
lateinisch suppositio, einem Terminus der Grammatik sowie
der Logik, zu ponere ‘stellen, setzen, legen’ gehörig.
(vgl. auch Vorsatz, Satzung, Gesetz, gesetzt den Fall)
Englisch sentence ist auch lateinischen Ursprungs, sententia
‘Meinung, Maxime’, was eigentlich sentientia hätte sein
sollen, denn es gehört zum Verbum sent re ‘fühlen, der
Ansicht sein’.
Selber nachforschen:
Woher kommt diese ganze grammatische Terminologie der
Alltagssprache? Also Wörter für Einheiten wie Laut, Silbe,
Wort, Satz, Text, Diskurs (vgl. bairisch dischkriern).
13
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
14
Höhere Einheiten
Über komplexere Einheiten als SATZ kommt im folgenden so
gut wie nichts mehr. Man möge annehmen, Absätze, Kapiteln,
Texte oder Diskurse seien Folgen von Sätzen, die thematisch
mehr oder weniger kohärent, in ihrem Zusammenhang formal
aber weniger strikt geregelt sind als Sätze intern.
Aus Obengesagtem (Bloomfield!) folgt, dass die obere Grenze
dessen, was unter die Einheit SATZ fällt, erst mit der Beschreibung der Satzbau-Regularitäten ermittelt und nicht schon vorher definitorisch festgestellt wird. Vor und unabhängig von
solchen Beschreibungen macht es wenig Sinn zu streiten, ob
etwa die Beispiele auf folgender Seite einzelne (möglicherweise intern komplexe) Sätze sind oder Folgen von mehreren
Sätzen (also etwa schon kleine Texte), deren Zusammenhänge
zwischen in einen anderen Beschreibungsbereich als den der
Syntax fallen (in den der Text-Grammatik).
Auch wenn wir mit der Beschreibung von Satzstrukturen noch
nicht gerade weit fortgeschritten sind, sei jede(r) eingeladen,
sich im Detail zu überlegen, woran es liegen könnte, dass man
bei manchen dieser Beispiele vermutlich zum Schluss kommen
dürfte, dass sie aus einem (wenn auch komplexen) Satz bestehen, bei anderen vielleicht nicht — auch wenn’s thematisch
immer um das gleiche geht: zwei Sachverhalte in kausalem
Zusammmenhang (Verletzung, Auswechslung) mit jeweils
dem gleichen Beteiligten (Spieler namens Holzkopf).
Überlegen Sie als Teil dieser Aufgabe auch, worauf etwaige
Unterschiede zwischen den Strich-Varianten von (b), (d), (e),
(f), auf folgender Seite unten, zurückzuführen sein könnten.
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
(g)
(h)
15
Holzkopf war verletzt. Aus diesem Grund wurde er bei
Halbzeit ausgewechselt.
Holzkopf war verletzt; deshalb wurde der Pechvogel bei
Halbzeit ausgewechselt.
Holzkopf war verletzt und wurde bei Halbzeit
ausgewechselt.
Holzkopf wurde bei Halbzeit ausgewechselt, weil er
verletzt war.
Holzkopf wurde bei Halbzeit ausgewechselt, denn er war
verletzt.
Holzkopf wurde bei Halbzeit ausgewechselt, er war
nämlich verletzt.
Holzkopf wurde wegen Verletzung bei Halbzeit
ausgewechselt.
Holzkopf wurde bei Halbzeit verletzt ausgewechselt.
(b´) Der Pechvogel war verletzt; deshalb wurde Holzkopf bei
Halbzeit ausgewechselt.
(d´) Der Pechvogel wurde bei Halbzeit ausgewechselt, weil
Holzkopf verletzt war.
(e´) Der Pechvogel wurde bei Halbzeit ausgewechselt, denn
Holzkopf war verletzt.
(f´) Der Pechvogel wurde bei Halbzeit ausgewechselt;
Holzkopf war nämlich verletzt.
Anhaltspunkt: Bezieht man sich mit der Pechvogel und dem
Eigennamen Holzkopf bei (b´), (d´), (e´), (f´) immer auf den
gleichen Spieler?
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
16
Worin besteht Satz-Struktur?
Antwort: Das gilt es rauszufinden
— ein mühsames Geschäft, aber der Lerner weiss, worauf es
ankommen kann.
Mit Sätzen kann man Handlungen ausführen.
Sätze kann man (=kompetente Sprecher der betreffenden
Sprache) auch umformen, so dass Entsprechungen zwischen
Sätzen zur Ausführung verschiedener Handlungen bewahrt
bleiben.
z.B.
Ja-Nein-Fragen aus Aussagen
Sie isst es.
Isst sie es?
\zi…."/Is.t´s\
\"/Ist.si….´s\
Sieglinde isst es.
Isst Sieglinde es?
\zi…."glIn.d´."/Is.t´s\
\"/Ist.si…."glIn.d´.´s\
Sieglinde oder eine ihrer jüngeren Schwestern isst ein
Estragonschnitzel mit Pommes.
_____________________________________________
____________________________________________?
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
“Passiv” aus “Aktiv”
(ungefähr gleichbedeutend, wohl mit unterschiedlicher
Gewichtung der Satzteile oder in unterschiedlichen Zusammenhängen, wo einmal “sie” einmal “das” Thema ist)
Sie isst das jeden Tag.
Das wird jeden Tag von ihr gegessen.
(*Jeder Tag wird das von ihr gegessen.)
Sie hat das Schnitzel mit Pommes gegessen.
___________________________________
17
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
18
Was “wissen” (intuitiv, stillschweigend) kompetente Sprecher,
wenn sie Sätze dergestalt umformen und Entsprechungen erkennen können?
Über welche Art von Regeln verfügen sie?
(Dass es solche Regeln gibt, ist eine plausible Annahme, denn
wie wäre es sonst zu verstehen, dass man x-beliebige, nie zuvor
gebrauchte oder gehörte Sätze automatisch richtig umformen
kann?)
Auf welche Arten von Einheiten beziehen sich diese Regeln?
Welche Beziehungen zwischen Einheiten werden berührt
(beibehalten oder verändert)?
(Struktur = Einheiten und Beziehungen zwischen ihnen)
erste Vermutung:
• lautliche Einheiten (Merkmale, Segmente, Silben, Füße)
• Reihenfolge
d.h., wenn das zutreffend wäre:
Satz-Strukturen wären eher einfach,
eigentlich nichts zusätzliches zu dem, was wir für die
Beschreibung der Grammatik der Laute ohnehin brauchen.
Aber ist das zutreffend?
Kann man auf diese Weise allgemeine Regeln für SatzUmformungen formulieren?
(d.h. nicht separate Regeln für jeden Einzelfall)
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
19
Man kann, und sogar sehr präzise,
aber eben nicht allgemein, sondern Satz für Satz:
\zi…."/Is.t´s\
\"/Ist.si….´s\
Sie isst es.
Isst sie es?
Regeln der Fragebildung mit Bezug auf Lautsegmente und ihre
Reihenfolge:
1. Laut
2. Laut
3. Laut
4. Laut
5. Laut
6. Laut
7. Laut
8. Laut
→
→
→
→
→
→
→
→
5.
6.
1.
2.
3.
4.
7. (bleibt)
8. (bleibt)
Regeln der Fragebildung mit Bezug auf Silben und ihre
Reihenfolge:
1. Silbe
→ 2.
2. Silbe plus Ansatz-Konsonant der 3. Silbe → 1.
3. Silbe minus Ansatz-Konsonant
→ 3. (bleibt)
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
20
Andere “Regeln” braucht es natürlich für
Sieglinde isst es.
Isst Sieglinde es?
\zi…."glIn.d´."/Is.t´s\
\"/Ist.si…."glIn.d´.´s\
usw., für jeden einzelnen Satz.
Also:
Um Regeln der Satz-Umformung in allgemeiner Weise
formulieren zu können, muss man sich auf andere als rein
lautliche Einheiten beziehen können, und vielleicht auch auf
andere Beziehungen zwischen Einheiten als solchen der
(unmittelbaren) Folge.
Heisst das aber auch dieses?
Lautliche Einheiten und ihre Reihenfolge spielen überhaupt
keine Rolle für die Satz-Struktur.
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
21
Satzbau und lautliches bzw. strukturelles Gewicht
Englisch:
Partikel-Verben mit nominalen und pronominalen Objekten
VERB OBJEKT PARTIKEL
→ VERB PARTIKEL OBJEKT
Put your glasses on!
Put them on!
Put on your glasses!
*Put on them!
Let the postman in!
Let him in!
Let in the postman!
*Let in him!
☞ Nomen: schwergewichtiger, betont, auch am Satzende;
Pronomen: leichtgewichtiger, unbetont, nicht am Satzende.
Englisch:
Sententiale und nominale Subjekte
SUBJEKT VERB OBJEKT
→ it VERB OBJEKT SUBJEKT
That it snowed in July surprised everybody.
It surprised everybody that it snowed in July.
The snow surprised everybody.
*It surprised everybody the snow.
☞ Subjekt ein Satz: länger, lieber ganz am Ende;
Subjekt eine Nominalphrase: kürzer, nur vor dem Verb.
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
22
Zusatz-Übung
Versuchen Sie Motive für die Anordnung der Teile in Ausdrücken
wie den folgenden zu finden — welche offenbar einigermaßen fest ist
(deshalb auch die Termini “irreversible Binomiale” oder “freezes”):
man kann sie umdrehen, aber dann klingt es nicht so ganz richtig
(???Maus und Katz, bambim, dabra ka abra).
Katz und Maus
Kind und Kegel
ich und du
mir nichts, dir nichts
ab und zu
plus oder minus
[das Spiel] Deutschland gegen Moldawien
Form und Funktion
zu Wasser und zu Land
schwarzweiss
Vater und Mutter
Mutter und Tochter
Oma und Opa
meine sehr verehrten Damen und Herren
Männlein und Weiblein
wie der Vater, so der Sohn
Daimler-Benz
mit Haut und Haar
links und rechts
dieses und jenes
Berg und Tal
Himmel und Hölle
vom Scheitel bis zur Sohle
ja und nein
Pro und Contra
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
Pfeil und Bogen
Fisch und Chips
Speis und Trank
Maul- und Klauenseuche
Nord-Süd
Ost-West
Wasser und Brot
Geld oder Leben
durch dick und dünn
drunter und drüber
hüben und drüben
Tuten und Blasen
ein und aus
ohne wenn und aber
bei Wind und Wetter
[Hamlet:] Sein oder nicht sein? ...
[Caesar:] Veni, vidi, vici.
Ali Baba und die 40 Räuber
zickzack
ticktack
bimbam
Hickhack
Singsang
Klingklang
Mischmasch
abra ka dabra
holter di polter
simsalabim
Pingpong
hie und da
nie und nimmer
jetzt und in alle Ewigkeit, Amen
23
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
Lektürehinweise (ist aber nicht ganz leichte Kost):
Malkiel, Yakov (1959). Studies in irreversible binomials. Lingua 8:
113-160. Reprinted in Malkiel, Essays on Linguistic Themes, 311355. Oxford: Blackwell, 1968.
Cooper, William E. & John R. Ross (1975). World order. In R. E.
Grossman, L. J. San, & T. J. Vance (eds.), Papers from the Parasession on Functionalism, 63-111. Chicago: Chicago Linguistic
Society,
24
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
25
Worauf man sich (u.a.) jedenfalls beziehen können möchte,
statt oder zusätzlich zur Lautstruktur:
•
Morpheme (kleinste bedeutungstragende Formen),
bestimmte Arten/Klassen von Morphemen
(z.B. Stamm, Affix)
•
eng zusammengehörige Folgen von Morphemen (=Wörter),
bestimmte Arten/Klassen von Wörtern (z.B. Verb, Nomen,
Pronomen, Artikel, Adjektiv, Konjunktion)
•
eng zusammengehörige Folgen von Wörtern (=Phrasen),
bestimmte Arten/Klassen von Phrasen
(z.B. Nominal-, Verbalphrase)
•
eng zusammengehörige Folgen von Phrasen (=clauses),
bestimmte Arten/Klassen von clauses [Teilsatz]
•
Beziehungen von Morphemen zueinander im Wort,
Beziehungen von Wörtern zueinander in der Phrase,
Beziehungen von Phrasen zueinander im (Teil-)Satz
(z.B. die Beziehungen SUBJEKT und (DIREKTES) OBJEKT),
Beziehungen von Teil-Sätzen im Satz.
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
26
Auf das Beispiel der Umformung von Aussagen in Ja-NeinFragen im Deutschen bezogen:
• Das Verb, das für Kongruenz mit dem Subjekt in Person und
Numerus sowie für Tempus und Modus markiert ist (also ein
Wort, bestehend aus Stamm und Suffix, iss-t, bzw. ess- mit
Änderung des Vokals des Stamms in der Kombination mit -t)
kommt an den Satz-Anfang — wie auch immer der AussageSatz selber gebaut ist, woran sich ansonsten nichts ändert.
• Auf der letzten betonen Silbe (.isst., bzw. .lin., bzw. .pom.)
steigt die Tonhöhe, anstatt wie im Aussage-Satz zu fallen
(.isst., .pom.).
Aufgabe für zuhause:
Wie sind Aussage-Sätze im Deutschen ihrerseits gebaut? Das
ist ein weites Feld, aber in Grundzügen ...
Plank, WS 03/04, EinfLing, M&S 2
27
... und die Umformung von Aktiv- in Passiv-Sätze im Deutschen:
• Das direkte Objekt des Aktiv-Satzes (eine ganze Nominalphrase, wie einfach oder komplex auch immer: das [ist auch
nicht ganz einfach, denn das Wort besteht aus den Morphemen
d- und -as]; das Schnitzel mit Pommes) wird Subjekt des
Passiv-Satzes.
• Das Subjekt des Aktiv-Satzes (wieder eine ganze Nominalphrase, hier aber ziemlich kurz: sie) wird entweder weggelassen oder von dem Wort von begleitet (eine Präposition, die
Einfluss auf die Nominalphrase nimmt, der sie engstens verbunden vorangeht, nicht nur in Passiv-Sätzen: diese Nominalphrase bzw. jedes ihrer für Kasus flektierbaren Wort-Bestandteile, steht in einem bestimmten Kasus, dem Dativ, deshalb
ihr).
• Das Verb des Aktiv-Satzes nimmt die Form des Partizip II an
(ge-, gefolgt von (g)ess-, gefolgt von -en, Stamm ist ess-, die
anderen Morpheme sind ein Präfix und ein Suffix bzw. zusammen ein Zirkumfix) und wird um das Wort werden ergänzt, ein
Auxiliar (“Hilfsverb”), das seinerseits die “richtige” Form annimmt (Kongruenz in Person und Numerus mit dem Subjekt,
dem des Passivs; Modus und Tempus wie im Aktiv-Satz —
gefragt ist also die 3. Person Singular Indikativ Praesens von
werden: wird).
Aufgabe für zuhause:
Wie erklären sich Form und Stellung der verbalen Wörter beim
Passiv von hat ... gegessen?
Herunterladen