MSc in Erziehungswissenschaft HS 2008 Universität Fribourg-CH Aufwachsen in der Risikogesellschaft Weshalb sind wir eine „Risikogesellschaft“ und mit welchen Konzepten konnotieren Sie den Begriff? Einführung: Zwischen Devianz und Normalität 22.09.2008 Prof. Dr. Margrit Stamm Risikobegriff Ideales-Ich vs reales Ich Zwischen alltagssprachlichem Gebrauch und wissenschaftlichem Konzept; z.Z. kein Begriff des Risikos verfügbar, der wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Fend (2001, S. 415): „Das Kind lebt sich und die Welt“ – „Der Jugendliche erlebt sich und die Welt.“ Perspektiven der Betrachtung Luhmann: Es gibt keinen Sachverhalt ‘Risiko’, bei dem es nur darauf ankommt, ihn zu entdecken und dann zu erforschen. Erst Kontext und Kommunikation konstituieren das, was man dem Begriff zuordnet. Risiken = Selbstzurechnung (subjektbedingt) Gefahren = Bedrohung (subjektunabhängig) Der subjektive Risikobegriff der Jugendlichen ist nicht identisch mit dem der pädagogisch-erzieherischen Umwelt. INNEN AUSSEN REAL WAHRES SELBST PRÄSENTIERENDES SELBST So bin ich eigentlich. So zeige ich mich euch. IDEAL IDEALES SELBST So möchte ich gerne sein. Seinsweisen des Selbst SOZIALES WUNSCH-SELBST So sollt ihr von mir denken. Risikoentwicklungen und ihre Sozialgeschichte Kompliziertes und ungeklärtes Verhältnis von Natur (=Anlage; -> Endogene Vorgaben) Gesellschaft (=Umwelt; -> Exogene Prägungen ) Person (=-> personale Handlungsspielräume) Frage nach Resilienz und Vulnerabilität Untersuchung der Normalentwicklung zu Beginn des 20. Jhts.: Anatomie der normalen Entwicklung -> Pathologie der Entwicklung Leidensgeschichte auf der Folie des dualen Weltbildes des Christentums: Himmlisches vs Teuflisches (=Inkarnation des Bösen) Start der wissenschaftlichen Untersuchung mit Lombrosos biologischer Ursachentheorie (‚Physiognomie der Devianz‘) Problembearbeitung war deshalb die frühzeitige Erkennung (nicht Behandlung) des genetisch falsch programmierten Menschen Differenzierte Entwicklung der Psychiatrie im 20. Jht. Entwicklungsaufgaben und Krisen Devianz vs Normalität Deviantes Verhalten wird heute wieder stärker an die Normalentwicklung gebunden: „Keiner ist ‚verdammt‘; keiner ist ‚gefeit‘.“ Risikowege werden nicht von Menschen anderer Art eingeschlagen, sondern entstehen aus den Prozessen heraus, die alle beeinflussen: Jedes Kind, jeder Jugendliche kann ‚beschädigt‘ werden. Auch bei genetischen Auffälligkeiten kann eine Entwicklung gelingen. ‚Deviante‘ Entwicklungen haben einen Sinn. Entwicklungsaufgabe Identität Identifikation Krise Identitätskrise, Depersonalisation Rollenkonfusion Selbstwert Narzisstische Krisen Individualität Ablösungskrisen Intimität Beziehungskrisen Selbstbehauptung Rivalitätskrisen Gemeinsamer Nenner: Alle Krisen benennen eine Störung der Bewältigung zentraler Entwicklungsaufgaben des Jugendalters