IN SPHÄREN WECHSELNDER GEFÜHLE

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IN SPHÄREN
WECHSELNDER
GEFÜHLE
Solistin: Hyeyoon Park . VIOLINE
19:30 Uhr Sonntag, 3. Februar 2013
Theodor-Heuss-Saal
Konzert- und Kongresszentrum Harmonie . Heilbronn
Dirigent: Peter Braschkat
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PROGRAMM
IN SPHÄREN
WECHSELNDER GEFÜHLE
3. Februar 2013
Mit freundlicher Unterstützung der
Schiedmayer Celesta GmbH, heutzutage
weltweit einziger Hersteller der Celesta.
Wolfgang Amadeus Mozart
(1756 – 1791)
Maurerische Trauermusik KV 477 (479a)
Adagio
Dmitri Schostakowitsch
(1906 – 1975)
Violinkonzert Nr. 1 a-Moll op. 77
I. Nocturne. Moderato
II. Scherzo. Allegro
III. Passacaglia. Andante – Cadenza
IV. Burlesque. Allegro con brio
PAUSE .......................................................................................................
Ludwig van Beethoven
(1770 – 1827)
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92
I. Poco sostenuto – Vivace
II.Allegretto
III. Presto – Assai meno presto
IV. Allegro con brio
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SOLISTIN
Hyeyoon Park, Violine
Die 20-jährige Südkoreanerin ist eine der international gefragtesten Geigerinnen ihrer Generation.
Hyeyoon Park erhielt ihren ersten Geigenunterricht mit vier Jahren und wurde bereits zwei
Jahre später als Jungstudentin an der „Korean
National University of Arts“ aufgenommen.
Im Alter von 14 Jahren wechselte sie an die
„Hochschule für Musik Hanns Eisler“ Berlin.
Aufbaustudien und Meisterkurse absolvierte
sie bei Christian Tetzlaff, Gidon Kremer, Ivry
Gitlis, Zakhar Bron und Thomas Brandis. Im
Alter von neun Jahren debütierte sie mit dem
Seoul Philharmonic Orchestra. Seitdem spielt sie
regelmäßig mit renommierten Orchestern unter bedeutenden Dirigenten. Park unternimmt
große Tourneen und gastiert bei internationalen
Musikfestivals.
Die junge Geigerin gewann eine ungewöhnlich hohe Zahl von Preisen und Auszeichnungen. Entscheidend für ihren kometenhaften Aufstieg war, dass sie 2009, also mit
17 Jahren, den 1. Preis sowie zwei Sonderpreise beim 58. Internationalen Musikwettbewerb der ARD gewann. Damit ist sie die jüngste Preisträgerin in der Geschichte des
Wettbewerbs. Ihr außergewöhnliches Können ist auf Tonträgern dokumentiert. Ständig
werden Konzerte mit Hyeyoon Park von Funk und Fernsehen ausgestrahlt.
Sie spielt eine Violine von Lorenzo Storini (Cremona 1781) aus dem Besitz der Deutschen
Stiftung Musikleben.
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ZUR RASCHEN ORIENTIERUNG
Verehrte Konzertbesucher,
drei musikalische Meisterwerke sollen Sie heute „in Sphären wechselnder Gefühle“
versetzen. Von ritueller Totenklage bis zu überschwänglicher Lebensfreude, von
rasanten Holzbläserkapriolen bis zu bedrohlichen Kontrabassklängen, von gregorianischen Choralzitaten bis zu jüdischer „Freilach“-Ausgelassenheit spannt sich der
Ausdrucksgehalt der drei Kompositionen; religiöse, politische und folkloristische
Musik des 18., 19. und 20. Jahrhunderts umfasst unser heutiges Konzertprogramm –
wir wünschen Ihnen aufregende Hörerlebnisse!
Wolfgang Amadeus Mozart (* 1756 Salzburg, † 1791 Wien): Schon bald nachdem
Mozart 1782 nach Wien gekommen war, nahm er Kontakt zu den Freimaurern auf
und trat 1784 einer Loge bei. In diesem Zusammenhang entstanden auch einige Kompositionen. Am bedeutendsten ist wohl die Maurerische Trauermusik, die Mozart
1785 für eine Trauerfeier schrieb. Das dreiteilige Adagio zitiert im Mittelabschnitt eine
gregorianische Choralmelodie und endet mit einem tröstlichen C-Dur-Akkord, der freimaurerischen Tonart des Lichts.
Dmitri Schostakowitsch (* 1906 St. Petersburg, † 1975 Moskau): Der bedeutendste
russische Sinfoniker des 20. Jahrhunderts teilte seine nach dem 2. Weltkrieg entstandenen
Werke in zwei Kategorien ein: Einfache, zugängliche Musik, die sich in Übereinstimmung
mit den Richtlinien des Kreml befand, und komplexe, persönliche Kompositionen, die an
seinen eigenen künstlerischen Standards gemessen werden sollten. Das 1. Violinkonzert
fällt zweifellos in die zweite Kategorie; Schostakowitsch hielt es sieben Jahre unter Verschluss und wagte die Uraufführung mit David Oistrach als Solisten erst nach Stalins Tod.
Zwei langsame Sätze (der erste, ein stimmungsvolles Notturno, und der dritte, eine ernste
Passacaglia) wechseln sich ab mit zwei schnellen Sätzen (Scherzo und Finale). Zwischen
den Zeilen erfährt man viel über Schostakowitschs Seelenzustand und bekommt eine Ahnung davon, was es bedeutet, Künstler in einem totalitären Staat zu sein.
Ludwig van Beethoven (* 1770 Bonn, † 1827 Wien): Seine neun Sinfonien sind seit 200
Jahren ein zentraler Bestandteil der abendländischen Kultur, mit seiner 7. Sinfonie gelang
ihm einer seiner größten Triumphe zu Lebzeiten. Von Richard Wagner als „Apotheose des
Tanzes“ bezeichnet ist sie weit mehr als das: Ein tönender Kosmos, in dem folkloristische
Ausgelassenheit ebenso ihren Platz hat wie das Echo der Befreiungskriege. Als populärster
Satz hat sich seit der Uraufführung das an zweiter Stelle stehende Allegretto behauptet,
ein trauermarschähnliches Mysterium zwischen zwei rätselhaften Quartsextakkorden.
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Mozart und die Freimaurer
Wolfgang Amadeus Mozarts „Maurerische Trauermusik“ ist eine Komposition, die
viele Geheimnisse und Rätsel in sich trägt. Das liegt in der Natur der Sache, denn
dieses fesselnde Adagio ist eng mit Mozarts Zugehörigkeit zum Geheimbund der Freimaurer verknüpft.
Mozart trat den Freimaurern im Dezember 1784 bei. Er war wohl Freimaurer mit Leib
und Seele und steuerte zahlreiche Kompositionen für Zeremonien bei: Lieder, Männerchöre (Frauen waren in den Logen nicht zugelassen) und Kantaten, darunter Mozarts
letzte vollendete Komposition, die „kleine Freymaurer-Kantate“ „Laut verkünde unsre
Freude“ KV 623, deren Uraufführung am 18. November 1791, einen halben Monat
vor seinem Tod, Mozart noch selbst leitete. Auch die Zauberflöte steckt voller freimaurerischer Symbole, was nicht weiter verwundert, denn ihr Textdichter, Produzent und
erster Papageno, Emanuel Schikaneder, war selbst ebenfalls Freimaurer.
Wiener
Freimaurerloge
„Zur gekrönten
Hoffnung“
Gemälde, um 1785
(Historisches Museum
der Stadt Wien)
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Totenfeier für den „Rosenkavalier“
Als Mozarts größtes freimaurerisches Werk, abgesehen von der Zauberflöte, die ja nicht direkt der
Logenwelt zuzuordnen ist, gilt die „Maurerische
Trauermusik“, mit der wir den heutigen Abend eröffnen. Mozart schrieb dieses Adagio für eine Trauerfeier der Loge „Zur gekrönten Hoffnung“ anlässlich des Todes zweier adeliger Logenbrüder, Herzog
Georg August von Mecklenburg-Strelitz und Graf
Franz Esterházy, die am 17. November 1785 stattfand. Esterházy wurde übrigens „Quin-Quin“ genannt, war ein Liebling der aristokratischen Wiener
Damenwelt und wurde von Richard Strauss unsterblich gemacht: Octavian, die Titelfigur in seiner Oper
„Der Rosenkavalier“, wird nämlich dort Quinquin
gerufen und hat den Grafen Esterházy zum Vorbild. Rätselhaft ist Mozarts Eintrag in sein eigenhändig geführtes „Verzeichnüß aller meiner Werke“:
Unter der Datierung „im Monath Jully 1785“ schreibt Mozart: „Maurerische Trauer
Musik bey dem Todfalle der Brbr: Meklenburg und Esterhazy“. Da die Brüder aber
erst Anfang November starben, muss Mozart sich in der Datierung getäuscht haben.
In der neuen Mozartausgabe erhielt die Trauermusik daher eine neue Werknummer:
KV 479a statt KV 477.
Merkwürdig ist auch die Orchesterbesetzung. Ursprünglich umfasste das Orchester
der Trauermusik neben den Streichern noch zwei Oboen, eine Klarinette und zwei
Hörner, dazu das Lieblingsinstrument aus Mozarts Wiener Zeit, das Bassetthorn, eine
Art Tenorklarinette in F. Mozart schrieb für das Bassetthorn einige wertvolle Kammermusiken, setzte es aber auch immer wieder im Orchester ein, wenn es um religiöse
Inhalte ging: Im Requiem trägt es wesentlich zur dunklen Orchesterfarbe bei und in
der „Zauberflöte“ wird es mit Sarastro und seinen Priestern assoziiert. Mozart änderte
später seine Instrumentierung noch in zwei bemerkenswerten Aspekten: Er fügte eine
Stimme für das zur damaligen Zeit äußerst ungebräuchliche Kontrafagott ein und
ergänzte die Bläser durch zwei weitere Bassetthörner. Letzteres hatte wahrscheinlich
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nicht nur klangliche, sondern auch zahlensymbolische Gründe: Im Ganzen wirken nun
drei Bassetthörner mit, und die Zahl Drei ist die „heilige Zahl“ der Freimaurer – es gibt
zum Beispiel drei Grade der Freimaurerei, drei Säulen freimaurerischer Ideale und drei
bewegliche und drei unbewegliche Kleinodien. Auch in der Zauberflöte spielt die Zahl
Drei eine große Rolle: Drei Damen, drei Knaben, drei Priester, drei Sklaven, drei Tempel, drei Prüfungen – sogar musikalisch begegnet man der Dreiheit immer wieder: Die
Ouvertüre beginnt mit drei mächtigen Akkorden (Dreiklängen), und die Haupttonart
ist natürlich Es-Dur, die Tonart mit drei -Vorzeichen.
Bassetthorn, um 1790
Auch die Trauermusik gliedert sich klar in drei Großabschnitte mit jeweils drei -Vorzeichen: Zwei c-Moll-Teile umrahmen einen Mittelteil in Es-Dur. In diesen Mittelteil
baut Mozart einen gregorianischen Gesang ein, den sogenannten „tonus peregrinus“, der mit den Lamentationen der Karwoche verwandt ist. Mozarts Freund Michael
Haydn hatte ihn 1771 in seinem Requiem verwendet, und auch Mozart sollte 1791
in seinem eigenen Requiem wieder auf diese Melodie zurückgreifen. Da der „tonus
peregrinus“ im Miserere des Requiems und in der Karwoche gesungen wird, ist sein
Symbolgehalt in einer Totenfeier durchaus passend. Und noch ein symbolträchtiger
Moment begegnet uns in der Maurerischen Trauermusik, nämlich ganz am Ende des
abschließenden c-Moll-Teils: Hier erklingt im Schlussakkord als höchste Note eine Durterz e in der 1. Oboe. Die Konvention, ein Moll-Stück mit einem Dur-Akkord (hier
C-Dur, die freimaurerische Tonart des Lichts) aufhören zu lassen, indem man die sogenannte „picardische Terz“ verwendete, kam im Barock bereits aus der Mode. Die
Wirkung des C-Dur-Akkords am Ende des Mozart-Adagios ist unbeschreiblich anrührend; der Musikwissenschaftler H. C. Robbins Landon vergleicht ihn mit der „Muttergottes auf einem mittelalterlichen Bild, die ihren Mantel über die Trostsuchenden ausbreitet“, und er fügt an: „Mit der Zuversicht, die sie im C-Dur Schlussakkord vermittelt,
offenbart die Maurerische Trauermusik Mozarts innerstes Wesen, seine Menschlichkeit
und seine – im wahrsten Sinn des Wortes – Leidenschaft.“
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Seiltanz zwischen Systemkritik und Konformismus
Schostakowitsch und Stalin
Wir haben also gesehen, dass Mozarts
kleines, knapp fünf Minuten langes Meisterwerk einige Geheimnisse birgt und sicher
noch längst nicht alle preisgegeben hat. Das
trifft in ungleich größerem Maße noch auf
Dmitri Schostakowitschs 1. Violinkonzert zu,
das Sie im Anschluss hören können. Wie Mozarts Trauermusik unter zwei verschiedenen
Nummern im Köchelverzeichnis geführt wird
(KV 477 und KV 479a), so wird Schostakowitschs Konzert in manchen Ausgaben als
„op. 77“ und in anderen als „op. 99“ bezeichnet. Der Grund ist allerdings nicht wie
bei Mozart eine kleine Unaufmerksamkeit
bei der privaten Buchführung des Komponisten, eine läppische Erinnerungstrübung
beim nachträglichen Eintragen, sondern Teil eines Versteckspiels, das Schostakowitsch
des Öfteren in Lebensgefahr gebracht hatte – wie überhaupt der Seiltanz dieses Komponisten zwischen subversiver Systemkritik und scheinbar parteikonformem Sowjetkünstlertum zum Spannendsten gehört, das man sich vorstellen kann.
Dmitri Schostakowitsch wurde 1906 in St. Petersburg geboren und machte bereits als
19-Jähriger Furore, als ihn seine 1. Sinfonie schlagartig weltbekannt machte. Dieser
Geniestreich war seine Abschlussarbeit am Petersburger Konservatorium, und in den
folgenden Jahren rissen seine Erfolge nicht ab. Seine 2. und 3. Sinfonie, aber auch die
Opern „Die Nase“ und „Lady Macbeth von Mzensk“ machten ihn außerordentlich
populär. In diesen Werken perfektionierte Schostakowitsch eine Kompositionsweise,
die vordergründig das stalinistische Regime pries, aber zwischen den Zeilen häufig
Kritik, Hohn und Spott durchscheinen ließ. Kritiker und Publikum feierten ihn gleichermaßen, und seine Position in der russischen Kulturwelt schien unangreifbar. All das
änderte sich schlagartig am 16. Januar 1936.
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An diesem Tag besuchte Josef Stalin eine Aufführung von Schostakowitschs Oper
„Lady Macbeth“ im Moskauer Bolschoi-Theater. Was er sah, gefiel ihm ganz und gar
nicht. Noch während der Vorstellung erhob er sich wortlos und verließ das Theater,
ohne mit dem ebenfalls anwesenden Schostakowitsch zu sprechen. Drei Wochen
später erschien in der „Prawda“ ein nicht signierter (und folglich höchstwahrscheinlich von Stalin selbst stammender) Artikel mit dem Titel „Chaos statt Musik“, in dem
mit der Oper abgerechnet wurde: Sie sei ein Ausdruck „linksradikaler Zügellosigkeit“
und „kleinbürgerlichen Neuerertums“, kurz, ein Ausdruck des von Stalin zutiefst verdammten „Formalismus“. Die Konsequenzen dieses Artikels vollzogen sich mit großer
Geschwindigkeit und Drastik: Alle Aufführungen der Oper wurden sofort gestoppt,
alle Kritiker, die die Oper vorher gelobt hatten, verrissen sie nun um die Wette – und
Schostakowitsch schlief mehrere Monate in seinen Kleidern, einen kleinen Koffer fertig
gepackt unter seinem Bett, weil er sich sicher war, des Nachts vom Geheimdienst abgeholt zu werden. „Das Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich mein
Leben lang gemartert haben. Viele Seiten meiner Musik sprechen davon.“, schrieb er
viele Jahre später. Schostakowitsch wurde nicht abgeholt – allerdings quälten ihn von
diesem Zeitpunkt an Depressionen und Suizidgedanken.
In der Folge musste Schostakowitsch noch vorsichtiger sein. Seine noch nicht veröffentlichte 4. Sinfonie hielt er zurück und versah seine fünfte mit dem Vermerk „Praktische Antwort eines Sowjetkünstlers auf gerechtfertigte Kritik“. Besonders in den
Kriegsjahren schuf Schostakowitsch mit der 7., 8. und 9. Sinfonie auch eine beeindruckende Gruppe von „Kriegssinfonien“. Allerdings stieß er auch hierbei das Regime
öfters vor den Kopf, am heftigsten Stalin im Zusammenhang mit seiner neunten Sinfonie. Diese war zwar schon im Frühjahr 1944 begonnen, aber als sich der Sieg über
Hitlerdeutschland abzeichnete, drängte Stalin immer stärker darauf, dass Schostakowitsch sie zu einer triumphalen „Siegessinfonie“ nach dem Vorbild von Beethovens
Neunter mache, mit großem orchestralen Aufwand und der Verwendung von Solisten
und Chören. Schostakowitsch schrieb tollkühner Weise seine kleinstbesetzte und
intimste Sinfonie, ohne Gesang und mit Witz und doppelbödigem Sarkasmus statt
staatstragender Apotheose. Stalin war tief gekränkt, aber aus irgendeinem Grund
kam Schostakowitsch auch dieses Mal wieder ungeschoren davon. Dennoch: Das
Klima wurde rauer. 1946 entwickelte Andrei Alexandrowitsch Schdanow, ein führendes Mitglied des Politbüros der KPdSU, die „Zwei-Lager-Theorie“, die im Prinzip aussagte, dass die Welt in ein imperialistisches, antidemokratisches (der Westen) und ein
antiimperialistisches, demokratisches Lager (der Osten) zerfalle. Sowjetkünstler hätten
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die vordringlichste Aufgabe, die Parteilinie in diesem Lagerkampf zu unterstützen.
Anfang 1948 entstand aus dieser Schdanow-Doktrin die sogenannte FormalismusKampagne. Komponisten wie Prokofieff oder Khatschaturian, aber auch Schostakowitsch wurden des Formalismus bezichtigt und ihre Werke mit einem Aufführungsverbot belegt. Zu dieser Zeit hatte Schostakowitsch bereits wieder die Arbeit an einem
wichtigen sinfonischen Werk begonnen. Es war keine Sinfonie (seine Zehnte sollte er
erst nach Stalins Tod schreiben – sie wurde zu seiner Abrechnung mit dem Diktator),
sondern sein erstes Violinkonzert.
Der Interpret in der Shakespeare-Rolle
David Oistrach, der Widmungsträger des Konzerts
Die Geschichte dieser Komposition ist
eng mit dem berühmten russischen Geiger David Oistrach verknüpft. Schostakowitsch war mit ihm befreundet; die
beiden hatten bereits 1935 zusammen
an einer Konzerttournee durch die Türkei
teilgenommen. Beim Prager Frühlingsfest
von 1947 traten sie mit Schostakowitschs
2. Klaviertrio zum ersten Mal gemeinsam
auf. Oistrachs Spiel wurde allgemein als
ein Höhepunkt des Festivals bezeichnet.
Auch Schostakowitsch war beeindruckt
und begann sofort mit der Komposition
eines Violinkonzerts, das er Oistrach widmen wollte. Aber es war ihm von Anfang
an klar, dass man für einen brillanten und zutiefst ernsthaften Musiker wie Oistrach
kein konventionelles Virtuosenkonzert schreiben konnte. „Vom Charakter her ist mein
erstes Violinkonzert eher eine Sinfonie für Violine und Orchester“, erklärte er. Und
Oistrach bemerkte: „Das Konzert stellt den Interpreten vor ausgesprochen interessante
Probleme; einen Interpreten, der im übrigen eine prägnante Shakespeare-Rolle spielt,
die von ihm vollständige emotionale und intellektuelle Hingabe verlangt und ihm reichlich Gelegenheit bietet, nicht nur seine Virtuosität unter Beweis zu stellen, sondern vor
allem seine tiefsten Gefühle, Gedanken und Stimmungen zu offenbaren.“
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Schostakowitsch hat nach den boshaften Attacken, denen er in den Formalismus-Debatten ausgesetzt war, klar erkannt, dass eben diese tiefen und komplexen Gefühle,
Gedanken und Stimmungen, die das Konzert ausdrückt, nicht geeignet waren, beim
Politbüro Gefallen zu finden. Er hielt das Konzert klugerweise zurück, bis sich nach
Stalins Tod 1953 ein politischer Stimmungsumschwung in der Sowjetunion ergab.
Erst 1955 kam es zur Uraufführung: Sieben Jahre hatte das Konzert in der Schublade gelegen, nun erklang es im berühmten Saal des Marinskij-Theaters in Leningrad
und wurde mit stürmischer Begeisterung aufgenommen. Jewgenji Mrawinsky dirigierte, den Solopart spielte natürlich David Oistrach. Wie vorsichtig Schostakowitsch
immer noch war, erkennt man daran, dass er dem Werk eine neue Opuszahl gab –
op. 99, so als handle es sich um ein eben erst komponiertes Werk.
Schostakowitschs Konzert ist, ungewöhnlich für ein Solokonzert, viersätzig und beginnt mit einem traumhaften Notturno, einem der stimmungsvollsten Sätze in Schostakowitschs gesamten Werk. Sein Ausdrucksgehalt ist schwer zu greifen; er wurde
sowohl mit Elgars Cellokonzert als auch mit dem Arioso „Ach Golgatha“ aus Bachs
Matthäus-Passion verglichen. Äußerst kunstvoll entwickelt sich die Musik aus klanglicher Tiefe (Celli und Kontrabässe, G-Saite der Solovioline) in geradezu astronomische
Höhen (hohe Geigen, Celesta und Flageolett der Harfe) und mündet plötzlich in ein
tiefes glockenhaftes Pianissimo von Tuba, Tamtam, Harfe und Kontrabasspizzicato.
Welch ein Kontrast zum 2. Satz, der „Scherzo“ überschrieben ist! Es ist ein grimmiger
Scherz, den Schostakowitsch uns hier präsentiert: In rasendem Tempo treibt die Solovioline ein groteskes Unisono aus Flöte und Bassklarinette vor sich her, dann sind
es Oboe und Kontrafagott, die ihrerseits dem Solisten die Sporen geben. Der diabolische Ritt wird von pfeifenden Glissandi der Sologeige angefeuert, und dann mischt
sich der Komponist höchstpersönlich in das dämonische Geschehen: Die Holzbläser
intonieren die Tonfolge dis-e-cis-h, eine Abwandlung des Monogramms „D-Sch“
(in Tönen: d-es-c-h), mit denen Schostakowitsch seine Anfangsbuchstaben (in deutscher Umschrift und Notenbezeichnung!) häufig in seinen Partituren verewigte. Dadurch, dass die ersten drei Töne um einen Halbton erhöht wurden, stimmt die Intervallstruktur nicht, und die große Sekunde zwischen den letzten beiden Tönen cis
und h erschwert das hörende Erkennen der Signatur. Und dann explodiert die Musik
förmlich und entlädt sich in einem hysterischen Gassenhauer mit Xylophonsolo, Tamburin und primitiver Begleitmotorik. Der Musikwissenschaftler Gerd Rienäcker schreibt
dazu: „Was es wirklich mit dem Gassenhauer, mit dem jähen Umschlagen der Musik
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vom Erhaben-Tragischen ins Triviale, auch mit der kreischenden Fröhlichkeit des Finales
auf sich hatte, entschlüsselte sich mir erst spät: Ich hörte den Aufschrei im Gassenhauer, und in der kreischenden Fröhlichkeit vernahm ich jüdische Gesänge, von denen
Schostakowitsch gesagt haben soll, in ihnen wohnten Lachen und Weinen unmittelbar beieinander.“ Und Schostakowitsch bemerkte in Bezug auf die russische Tradition
der Burleske einmal, die Doppelbödigkeit des derben und überlauten Lachens helfe,
die ständige Angst zu besiegen.
Der berühmteste Satz des Konzerts ist freilich der dritte Satz. Angeblich hat Schostakowitsch ihn während einer Konferenz im Zentralkomitee niedergeschrieben: in Form
einer Passacaglia, eines langsamen Tanzes, den Bach und Händel wegen seiner düsteren Feierlichkeit liebten. Schostakowitsch verwendete diese alte Form, um so etwas
wie eine Tribüne zu schaffen, auf der er selbst eine glutvolle Rede hält – aber an wen?
An Stalin selbst? Es gibt musikalische Hinweise, die darauf hindeuten: Der Satz beginnt mit einer Variante der Hauptmelodie aus Schostakowitschs 7. Sinfonie, von der
er später gesagt hat, sie stehe für Stalin. Die Hörner spielen dazu den rhythmischen
Puls, der das berühmte Schicksalsmotiv aus Beethovens fünfter Sinfonie trägt. „So
pocht das Schicksal an die Pforte“, soll Beethoven über dieses Motiv gesagt haben,
und Schostakowitsch verband diese Reminiszenz bewusst und vorsätzlich mit einer
Reminiszenz an Stalin: Ein mehr als vielsagender Hinweis.
Beginn der Passacaglia
mit der Verbindung
von „Stalinthema“ in
Violoncello und Kontrabass und dem Schicksalsmotiv in den Hörnern
(„Corni“)
Die Passacaglia und das Finale werden verbunden durch eine riesenhafte Kadenz der
Solovioline, der einzigen Kadenz dieses Konzerts. Für Schostakowitsch war die Geige
ein monologisches Instrument, dessen Gesang er mit kunstvoller Rede verglich. Die
Kadenz macht diesen „rhetorischen“ Anspruch besonders deutlich; Schostakowitschs
Biograf Solomon Wolkow schrieb: „Die Kadenz geht ans Herz; dieser Violinmonolog
erinnert an ein Bild aus Anna Achmatowas „Requiem“: „mein gequälter Mund, mit
dem ein Hundertmillionenvolk schreit.“ Konsequenterweise erscheint auch in der
Kadenz das DSCH-Signum, dieses Mal in der „richtigen“ Intervallstruktur, aber um
einen Halbton erniedrigt als „cis-d-h-b“ – der Symbolgehalt ist unmissverständlich.
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Ausschnitt aus der Kadenz
mit Schostakowitschs
„erniedrigtem“
Monogramm in der
Oberstimme der
vierstimmigen Akkorde
Der Wirbelsturm des burlesken Satzes, mit dem Schostakowitsch sein Konzert beschließt, ist wieder ein Totentanz mit grellen Effekten und halsbrecherischer Virtuosität. Dieses Finale fordert dem Interpreten geradezu übermenschliche Anstrengungen
ab. Wieder gibt es scheinbar Triviales zu hören, aber auch das Passacaglia-Thema wird
nochmals zitiert. In der Presto-Stretta der letzten Takte ist kein Halten mehr; Solist und
Begleitorchester rasen Hals über Kopf in den Fortissimo-Schluss. Das Konzert ist einer
der Höhepunkte des Violinrepertoires, doch man hört es nicht allzu häufig – nicht
zuletzt wegen der enormen physischen Anforderungen, die es an die Beteiligten stellt.
Zentraler Werkzyklus des 19. Jahrhunderts
Ludwig van Beethovens Sinfonien
Ludwig van Beethovens neun Sinfonien sind ein Gesamtwerk, das an Bedeutsamkeit und ungebrochener Faszination bis auf den heutigen Tag seinesgleichen sucht.
In diesen Werken verbindet sich der kompositionstechnische Stand des 18. Jahrhunderts mit Beethovens eigenen Avantgardismen, die weit ins 19. Jahrhundert voraus
weisen. Als Dreißigjähriger schrieb Beethoven seinen sinfonischen Erstling, ein Vierteljahrhundert später war der Zyklus mit der „Neunten“ vollendet. Beethoven arbeitete übrigens noch wenige Wochen vor seinem Tod an einer zehnten Sinfonie, deren
erster Satz so weit gediehen ist, dass eine aufführbare Version erstellt werden konnte.
Im Vergleich mit Beethovens kompositorischen Vorbildern ist zu erkennen, dass die
Zeit der Serienproduktion nun zu Ende war. Haydn hatte noch über hundert Sinfonien komponiert, Mozart knapp fünfzig, aber Beethoven schrieb neun eigenständige,
für sich stehende Meisterwerke mit individueller Aussage. Die heute Abend auf dem
Programm stehende 7. Sinfonie widerlegt die Vorstellung vom musikalischen Werk
als Manifestation von Beethovens Gemütszustand. Die Sinfonie vermittelt, im Ganzen
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Ihr Wohlfühlcafé hinter dem Rathaus
gesehen, einen positiven, schwungvollen
und überaus energiegeladenen Eindruck.
Entstanden ist sie jedoch in einer Lebensphase Beethovens, in der er niederschmetternde
Schicksalsschläge
verkraften
musste: Neben Geldsorgen machten ihm
Krankheiten und zunehmende Taubheit zu
schaffen. Um 1812 erlebte er mit der geheimnisvollen „Unsterblichen Geliebten“
zudem eine letzte leidenschaftliche Liebesbeziehung, der keine Dauer beschieden
war; Beethoven begrub damit wohl auch
seine Hoffnung nach familiärer Geborgenheit. In einer Tagebuchaufzeichnung aus
diesem Jahr lesen wir: „Ergebenheit, innigste Ergebenheit in dein Schicksal, […] Du darfst nicht Mensch seyn, für dich nicht,
nur für andre; für dich gibt’s kein Glück mehr als in dir selbst in deiner Kunst – o Gott!
gib mir Kraft, mich zu besiegen, mich darf ja nichts an das Leben fesseln.“ Im Mai
1813 schreibt Beethoven: „o Gott, Gott sieh‘ auf den unglücklichen B. herab, laß es
nicht länger so dauern – “.
Wie gesagt, diese düsteren Gedanken machen keinesfalls die Grundstimmung der
Siebten aus. Das hat auch Beethoven selbst erkannt, wenn er im Januar 1815 in einem
Brief an Nikolaus von Zmeskall „die große Symphonie in A als eins der glücklichsten
Produkte meiner schwachen Kräfte“ bezeichnete. Und auch finanziell geriet sie ihm
zum großen Erfolg. Ihre Uraufführung fand am 8. Dezember 1813 im Rahmen einer
„Großen Akademie“ statt, die zugleich als Wohltätigkeitskonzert „zum Besten der
bei Hanau invalide gewordenen österreichischen und bayerischen Krieger“ bezeichnet
war. Eine weitere Uraufführung des Abends war Beethovens berüchtigtes Schlachtengemälde „Wellingtons Sieg“ op. 91. Alles, was im damaligen Wien Rang und Namen
hatte, wirkte mit. Die Begeisterung der 5000 Zuhörer war gewaltig und bezog sich
ausdrücklich auch auf die neue Sinfonie, die sofort zu einem Lieblingsstück des Publikums wurde. Der 2. Satz gefiel so gut, dass er bei der Uraufführung und bei späteren
Akademien stets wiederholt werden musste. Und immer wieder sind es der Rhythmus
und die motorische Energie, die auch heute noch das Publikum elektrisieren. Betrachten wir noch kurz die vier Sätze im Einzelnen:
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Der erste Satz wird eröffnet durch eine langsame Einleitung „Poco sostenuto“, mit
62 Takten die längste Beethovens. Schon der Beginn fasziniert durch eine völlig neuartige Klangkonzeption: Zwischen vier Forte-Schlägen des Orchesters spannen die Bläser
eine melodische Linie im Piano, die nach einem weiteren Diminuendo in einen Abschnitt
mündet, der von staccato gespielten Tonleitern und Repetitionen der Streicher geprägt
ist. Diese scheinbar „minderwertigen“ musikalischen Materialien setzen sich immer
mehr durch, bis die Entwicklung auf einem einzigen Ton – dem e – stehen bleibt: Nun
ist die Musik mangels einer melodischen Komponente nur noch reiner Rhythmus, und
dies ist auch die Nahtstelle zum Hauptteil des ersten Satzes „Vivace“. Der in der Flöte
44fach repetierte Schlüsselton e‘‘‘ mündet in das tänzerisch gelöste und entspannte
Hauptthema im Sechsachteltakt. Die insistierenden Tonwiederholungen lösen einen unwiderstehlichen Sog aus, von dem schließlich das ganze Orchester ergriffen wird – das
Hauptthema erscheint jetzt machtvoll, fast stampfend. Wie Beethoven mit dieser Energie und diesem Rhythmus 400 Takte lang spielt, ist grandios und meisterhaft und entbehrt auch nicht eines gesunden Humors, etwa wenn er zu Beginn der Reprise den raketenhaften Auftakt erst einmal ins Leere laufen lässt, um dann mit größter Wucht und
Unterstützung der Trompeten und Pauken eine noch vehementere Wirkung zu erzielen.
Die Steigerung in der Coda ist dann erst recht atemberaubend: Ein langes Crescendo
über einem „Basso ostinato“ von Bratsche, Cello und Kontrabass wird allmählich kombiniert mit der Tonwiederholung „e“ in Korrespondenz zur langsamen Einleitung und
mündet – endlich! – in den Grundrhythmus, der vom gesamten Orchester gleichzeitig
aufgenommen wird, um den Satz ungebremst und machtvoll zu beenden.
Das folgende Allegretto ist wahrscheinlich der bekannteste Satz der Sinfonie. Die außerordentliche Wirkung dieses oft als Trauermarsch bezeichneten Satzes geht zunächst von
seinem sonderbaren Anfang und Schluss aus, die nach strenger Tonsatz-Theorie regelwidrig sind: Der eröffnende Quartsextakkord darf nur als Durchgangsakkord verwendet
werden; häufig findet man ihn in Solokonzerten, um die Kadenz anzukündigen, sozusagen als musikalischen Doppelpunkt. Das Trauermarschartige des folgenden vierfach
gesteigerten Klagegesangs resultiert aus dem ostinaten, gemessen schreitenden Rhythmus, der eine ungeheure Suggestivkraft ausübt. Auch im langsamen Satz, der als klarer
Kontrast zu den energiegeladenen Ecksätzen angelegt ist, ist es also der Rhythmus,
der die Atmosphäre bestimmt. Viele Musikwissenschaftler haben hier einen Zusammenhang mit der Litaneiformel „Sancta Maria, ora pro nobis“ konstatiert. Ein kurzes Doppelfugato und ein wiederholter Maggioreteil in A-Dur unterbrechen den Trauermarsch;
am Ende steht wieder der fahle Quartsextakkord.
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Litaneiformel „Sancta Maria“
als Textierung des Allegretto?
Mit polterndem Kontrast bricht der Beginn des Scherzos „Presto“ herein. Seine freudige
Grundstimmung wirkt etwas aufgesetzt und gehetzt, oft erschöpft sich der Schwung
in ziellosen Wiederholungen, die etwas Unschlüssiges haben. Die übliche dreiteilige
Scherzoform ist hier zur Fünfteiligkeit erweitert: Das Trio „Assai meno presto“ mit seiner Bordunbegleitung, in dem Beethoven laut Abbé Stadler einen niederösterreichischen Wallfahrergesang zitiert, erscheint zweimal, und wenn der Hauptteil zum dritten
Mal erklungen ist, kündigt es sich ein drittes Mal an – doch der „Irrtum“ wird rasch
erkannt: Das Motiv wandelt sich nach Moll, und im Fortissimo lässt Beethoven mit fünf
Orchesterschlägen den Satz schnellstmöglich enden. Robert Schumann fand dazu das
treffende Bild: „Man sieht den Komponisten ordentlich die Feder wegwerfen.“
Trotz des großen Erfolges beim Publikum waren komponierende Zeitgenossen interessanterweise entrüstet über die Sinfonie, und das lag hauptsächlich am Finale. Carl Maria von Weber soll angeblich nach einer Aufführung Beethoven „reif fürs Irrenhaus“
erklärt haben, und Robert Schumanns Schwiegervater Friedrich Wieck war der Meinung, „daß diese Sinfonie nur im unglücklichen – im trunkenen Zustande komponiert
sein könne, namentlich der erste und letzte Satz.“ Beethoven treibt in diesem „Allegro
con brio“ den Tanzcharakter seiner Sinfonie mit Ingrimm auf die Spitze, zu einer zügellosen Ausgelassenheit, die sich nicht am gehobenen Tanz orientiert, sondern am
Volksbrauchtum. Nicht zuletzt diesem Satz verdankt die Sinfonie die berühmte Bemerkung Richard Wagners, die im Zusammenhang mit ihr zwangsläufig zitiert werden
muss: „Diese Symphonie ist die Apotheose des Tanzes selbst: sie ist der Tanz nach seinem höchsten Wesen, die seligste That der in Tönen gleichsam idealisch verkörperten
Leibesbewegung.“ Aber ist das noch Tanz, was Beethoven dem Hörer da zumutet?
Wenn wir uns in diesem Satz an der puren Energieentladung erfreuen und uns von der
zügellosen Ausgelassenheit ergreifen lassen, sollte uns die zeitgenössische Kritik nachdenklich stimmen: „Nur wenige heitere Sonnenblicke“ wusste der Rezensent in einer
1817 erschienenen Besprechung in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ auszumachen – offensichtlich erlebte man diesen Satz nicht als Ausdruck der Befreiung,
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sondern eher als Auseinandersetzung mit den Kriegserlebnissen der Jahre zuvor. Und
berühmt wurde die gegen Richard Wagner gerichtete Behauptung von Arnold Schmitz
aus dem Jahre 1927, bei der 7. Sinfonie handle es sich nicht um eine Apotheose des
Tanzes, sondern um eine des Marsches. Marsch und Chaos passt zwar nicht unmittelbar
zusammen, aber auch für diese Dialektik waren Beethovens Zeitgenossen inzwischen
sensibilisiert. Der Rezensent der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ schreibt zusammenfassend über seine Eindrücke: „So toll und tobend es auch darin hergeht, so verwirrt
und zerstreut alles auf den ersten Anblick aussieht, so viele Ordnung herrscht doch in
dem Ganzen, so eng sind die anscheinend heterogensten Ideen verbunden, mit so vieler
Kunsterfahrung und das Gemeine verschmähender Genialität ist das einzelne aufgefaßt,
durchgeführt und zusammengereiht.“
Verehrte Konzertbesucher, ein weiteres Meisterwerk Beethovens steht bei unserem
nächsten Konzert am 17. März auf dem Programm: Mitglieder der Familie Manz spielen an diesem Abend mit dem HSO das reizvolle Tripelkonzert für Violine, Violoncello,
Klavier und Orchester. Sebastian Manz, ARD-Preisträger und Soloklarinettist des RSO
Stuttgart, ist der Solist in Carl Maria von Webers Concertino und Werke von Witold
Lutosławski, Georges Bizet und Max Bruch runden den Abend ab. Wir würden uns
freuen, Sie auch bei diesem Konzert wieder begrüßen zu können!
Impressum:
Herausgeber:
Heilbronner Sinfonie Orchester e.V.
Ehrenvorsitzender:
Hans A. Hey
Vorstand:
Harald Friese, 1. Vorsitzender
Kurt Schaber, 2. Vorsitzender
Geschäftsstelle:
Anne Weidler
Richard-Wagner-Straße 37
74074 Heilbronn
Telefon 07131-20 52 53
Telefax 07131-57 91 57
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Redaktion:
Harald Friese
Hans A. Hey
Anne Weidler
Text:
Claus Kühner
Gestaltung, Layout und Satz:
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Konzertreihe 2012/2013
FASZINATION
RICHARD WAGNER
Höhepunkte aus
„Lohengrin“ und dem
„Fliegenden Holländer“
Hyuna Ko . SOPRAN
Clemens Bieber . TENOR
Vereinigte Klöttschen-Chöre
Chorleitung: Esther Klöttschen-Rau
WELT DES KLAVIERS
OPPITZ-ZYKLUS
11. November 2012
Claude Debussy
Claude Debussy
Maurice Ravel
Claude Debussy
Maurice Ravel
Maurice Ravel
Sarabande
Danse
Klavierkonzert für die linke Hand
L‘isle joyeuse
Klavierkonzert G-Dur
Boléro
Gerhard Oppitz . KLAVIER
WEIHNACHTSKONZERT
„HARFENFESTIVAL“
Weihnachten mit zauberhaften
Harfenkonzerten, gespielt von
vier Harfenistinnen, und mit
musikalischen Geschenken von:
Johanna Kohl, Frauke Roland, Nora Sander,
Sophia Marie Schmidt . HARFE
Franz von Suppé
Nikolai Rimsky-Korsakow
Juanitamarsch
Polonaise aus „Die Weihnacht“, Hummelflug
und Tanz der Gaukler aus „Schneeflöckchen“
IN SPHÄREN WECHSELNDER GEFÜHLE
Wolfgang Amadeus Mozart
Dmitri Schostakowitsch
Ludwig van Beethoven
Maurerische Trauermusik KV 477
Violinkonzert Nr. 1 a-Moll op.77
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92
Hyeyoon Park . VIOLINE
EINE MUSIKALISCHE
FAMILIE
Witold Lutosławski
Ludwig van Beethoven
Carl Maria von Weber
Georges Bizet
Max Bruch
Kleine Suite
Tripelkonzert C-Dur op. 56
Concertino für Klarinette und Orchester
Jeux d‘enfants
Konzert für zwei Klaviere und Orchester as-Moll
Sebastian Manz . KLARINETTE
Wolfgang Manz . KLAVIER
Julia Goldstein . KLAVIER
Larissa Manz . VIOLINE
Dominik Manz . CELLO
ORPHEUS
BRITANNICUS
Benjamin Britten
Benjamin Britten
Benjamin Britten
Edward Elgar
Soirées musicales über Themen von Rossini
Klavierkonzert op. 13
„The Young Person‘s Guide to the Orchestra“
Pomp and Circumstance, Nr. 4 und Nr. 1
Daniel Röhm . KLAVIER
Sprecher: Ekkehard Pluta
21. Oktober 2012
9. Dezember 2012
3. Februar 2013
17. März 2013
21. April 2013
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