426 Matthes, Mailmann-Mühlberger: Die Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie Dtsth. med. Wschr., 88. Jg. Aus der Universitäts-Kinderklinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. Ph. Bamberger) Die Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie und ihre Behandlung mit Horrnonen1 Von A, Matthes und E. Mailmann-Mühlberger kindesalter charakteristische Form kleiner epileptischer Anfälle mit einem pathognomonischen elektroenzephalographischen Befund (Hess und Neuhaus, Gibbs und Gibbs; Bamberger und Matthes; Janz und (Luminal®) und/oder Primidon (Mylepsin®) - bei gleichzeitig bestehendem Grand-Mal teilweise mit Diphenyihydantoin (Zentropil®) - behandelt worden war. Beide Gruppen wurden nach der Klinikentlassung in unserer Ambulanz für Anfallkranke in vier- bis Matthes). Abgesehen von der Altersbezogenheit achtwöchigen Abständen nachuntersucht. Die Kata- nimmt sie aus zwei Gründen eine Sonderstellung ein: 1. Die Mehrzahl der Patienten hat eine ausgedehnte organische Hirnläsion und bleibt in der psychomotorisdien Entwicklung zurück; 2. Anfälle und elektro- mnesendauer schwankt zwischen einem und fünf Jahren und beträgt bei der Hormongruppe A durch- enzephalographisdie Störung sind gegenüber den üblichen Antiepileptika weitgehend therapieresistent. Seit der 1958 von Sorel inaugurierten Hormonbehandlung mit ACTH hat sich hinsichtlich der Behandlungsmöglicthkeit dieser Epilepsieform ein entscheidender Wandel vollzogen, der in den bisher im internationalen Schrifttum mitgeteilten Erfahrungen seinen Niederschlag fand (Stamps und Mitarbeiter; Dufresne und Martin; Gastaut und Mitarbeiter; Hansted und Mitarbeiter; Koch und Grützner; Trojaborg und Plum; Fukujama und Mitarbeiter; Christiaens und Mitarbeiter; Pauli und Mitarbeiter; Bower und Jeavons; Dumermuth; Haneke; Stoleke und Pache; Dobbs und Mitarbeiter; Scheffner und Doose). Freilich sind die Behandlungsziffern bei den meisten Autoren noch begrenzt. Die Angaben über die Behandlungsergebnisse bewegen sich zwischen den Extremen: spektakuläre Heilungen und weitgehende Mißerfolge, wobei die Hauptdiskrepanzen siri auf das Ergebnis der neuen Therapie hinsichtlich der psythomotorischen Weiterentwicklung der Kinder erstrecken. Es fehlt bisher vor allem der Vergleich einer repräsentativen hormonbehandelten Gruppe mit einer unbehandelten bzw. mit den üblichen Antiepileptika behandelten Kontrollgruppe. Unsere eigenen Untersuchungen erstrecken sich auf ein Kollektiv von 104 Kindern mit Propulsiv-PetitMal-Epilepsie der Heidelberger Kinderklinik aus den Jahren 1956-1961. Bei 70 Patienten dieses Kollektivs (Gruppe A) haben wir eine Hormonbehandlung mit ACTH und/oder Dexamethason (Millicorten®) durchgeführt. Das Lebensalter bei Therapiebeginu schwankte zwischen zwei Monaten und vier Jahren; 800/o der Patienten waren Säuglinge. Diese Gruppe haben wir mit einer nach den gleichen Gesichtspunkten untersuchten Kontrollgruppe von 34 Kindern mit Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie derselben Altersstufe (Gruppe B) verglichen, die nur mit Phenobarbital Die Arbeit wurde mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführt. schnittlich l'/2 Jahre, bei der Gruppe B drei Jahre. Insgesamt wurden 955 EEG-Untersuchungen meist im Wach- und Schlafzustand durchgeführt, das heißt durchschnittlich neun EEG-Untersuchungen pro Pa- tient. Damit ist in allen Fällen auch eine wertvolle elektroenzephalographische Verlaufskontrolle gewährleistet. Klinische Betunde Alle 104 Kinder hatten zum Zeitpunkt der klinischen Beobachtung und Behandlung charakteristische Propulsiv-Petit-Mal-Anfälle, das heißt blitzartige oder kurze tonische, in der Regel in Serien nach dem Erwachen auftretende Zuckungen mit propulsiver Bewegungsrichtung. Bei Säuglingen kommt es dabei meist zum Anheben oder Vorwärtsbeugen von Kopf und Rumpf, Auseinanderwerfen der Arme und Anziehen der Beine (sogenannte Salaamkrämpfe), bei älteren Kindern zu einer ruckartigen Nickbewegung des Kopfes (sogenannte Nickkrämpfe). Wie bei anderen Epilepsieformen mit kleinen Anfällen bestanden enge Beziehungen zu großen Krampf anfällen. Während bei 48 Patienten des Gesamtkollektivs nur Propulsivanfälle beobachtet wurden, waren bei den restlichen 56 Fällen in irgendeiner Phase der Erkrankung auch Grand-Mal oder fokale Anfälle aufgetreten: Mit Neugeborenenkrämpfen setzte die Erkrankung 18mal ein, 20mal mit Grand-Mal nach der Neugeborenenperiode, und zwar 5mal ohne erkennbare Begleitkrankheit, 7mal mit fieberhaftem Infekt und 8mal als Initialsymptom einer Meningitis oder Enzephalitis. Bei 24 Patienten waren die Propulsivanfälle mit Grand-Mal kombiniert, bei weiteren 15 kam es nach Aussetzen der kleinen Anfälle zu großen. Mit einem Verhältnis von Knaben zu Mädchen von 66: 38 werden die Ergebnisse anderer Autoren bestätigt, die bei dieser Epilepsieform stets ein Uberwiegen des männlichen Geschlechts zeigten. Auch die Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Die Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie (Blitz-, Nick- und Salaamkrämpfe) ist eine für das Säuglings- und Klein- Matthes, Malimann-Mühlberger: Die Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie Nr. 9, 1. März 1963 427 Wie Tabelle 2 zeigt, konnte bei 57°/o aller Fälle ein grob pathologischer neurologischer Befund erhoben werden. Im Vordergrund standen generalisierte Störungen aus dem Formenkreis der infantilen Zerebralparesen, wobei der hohe Prozentsatz der hypotonataktischen Formen (sogenannter astatisch-atonischer Symptomenkomplex) besonders auffällig ist. Extrapyramidale Störungen und Halbseitenbefunde traten demgegenüber zurück. Zahl der Fülle 25 20 15 10 5 Alter >4 Jahre ¿ci, (çi, Monate Tab. 2. Neurologische Befunde bei 104 Propulsiv-Petit-MalEpilepsien Ge- - GruppeA Gruppe B Abb. 1. Alter beim ersten Propulsiv-Petit-Mal-Anfall 104 Fälle. Altersverteilung beim ersten Anfall (Abbildung 1) mit einem Erkrankungsgipfel um den sechsten Lebensmonat entspricht den Befunden früherer Untersucher (Zeliweger; Dumermuth; Bamberger und Matthes). Aus Tabelle 1 geht hervor, daß die Propulsiv-PetitMal-Epilepsie ein polyätiologisches Krankheitsbild ist. In 95°/o der Fälle gelang uns der Nachweis eines residualen oder noch progredienten organischen Hirnprozesses, auf dessen Boden sich die Epilepsie entwickelte. Unter den pränatalen Hirnschädigungen waren acht genauer definierbar (drei tuberöse Hirnsklerosen, zwei konnatale Toxoplasmosen, zwei metabolische Störungen [M. Fölling] und ein Mongolismus). Tab. 1. Ätiologische Faktoren bei 104 Propulsiv-Petit-Mal Epilepsien Gruppe Gruppe A pränataler Hirnschaden perinataler Hirnschaden postnataler Hirrischaden organische Hirnläsion unklarer Ätiologie kein Anhalt für organische Hirnläsion. familiäre Epilepsiebelastung familiäre Belastung mit Gelegenheitskrämpfen B Ge'I, des samt- Gesamt. kollek- kollektiv tivs 25 O/ 8 26 31 17 21 4 25 24 0/0 1 4 5 4,8°/o 7 3 10 9,6°/o 2 7 9 8,7°/o 19 7 20 9 11 30 /o des Gruppe Gruppe samt- GesamtA B kollek- kollektivs tiv /o 16,2°/o neurologisch unauffällig pathologischer Befund Tetraspastik und Rigor Hypoton-ataktische Störung Hemiplegie und Monoplegie extrapyramidale Störung 29 41 21 12 5 3 16 18 8 7 2 1 45 59 29 43°/o 57°/o 28°/o 19 7 4 18°/o 7°/a 40/0 Bei 18°/o der Patienten lagen pathologische ophthalmologische Befunde vor, dié mit dem hirnorganischen Grundprozeß in Verbindung zu bringen waren. Im einzelnen handelte es sich neunmal um eine einfache Optikusatrophie, fünfmal um chorioretinitische Herde, dreimal um Netzhauttumoren bei tuberöser Hirnsklerose und zweimal um eine Katarakt. Bei allen Patienten wurden Schädelleeraufnahmen meist auch stereoskopisch durchgeführt. Der häufigste Befund war eine in 21°/o der Fälle bestehende Mikrozephalie, 5mal zeigten sich intrazerebrale Verkalkungen infolge Toxoplasmose, tuberöser Hirnsklerose oder unklarer Ätiologie. Einer 18mal festgestellten Plagiozephalie (meist Brachyzephalus) maßen wir keine wesentliche pathologische Bedeutung bei. Die Befunde der bei 72 Patienten vorgenommenen Luftenzephalographie sind in Tabelle 3 zusammengestellt. Bei den restlichen 32 Fällen wurde die Tab. 3. Luftenzephalographische Befunde bei 72 PropulsivPetit-Mal-Epilepsien Ge- Unter den postnatalen Läsionen lag eine klinisch gesicherte Enzephalitis (10mal) ursächlich an erster Stelle. Bei den perinatalen Hirnschäden spielt das Geburtstrauma die Hauptrolle. In 24°/o der Fälle war eine organische Hirnläsion neurologisch oder luftenzephalographisdi gesichert, für ihre Ursache konnten wir jedoch weder anamnestisch noch klinisch Anhaltspunkte gewinnen. Die Höhe der familiären Epilepsiebelastung mit rund 10°/o entspricht derjenigen anderer Epilepsieformen. des Gruppe Gruppe samt- GesamtB kollek- kollekA tivs tiv normal pathologisch doppelseitige Ventrikelerweiterung komplexe Veränderungen des Ventrikelsytems und der Subarachnoidalräume einseitige Ventrikelerweiterung pathologische Subarachnoidalfüllung Fehlbildungen (Cavum Vergae, Balkenmangel, Porenzephalie) 51 2 18 69 4°/o 6°/o 17 4 21 29°/a 17 7 24 33°/o 7 5 12 17°/o 5 2 7 10°/o 5 - 5 7°/a 1 3 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ') (O O) Matthes, Malimann-Mühlberger: Die Propulsiv-Petit-Mal-Epildpsie Durchführung dieser Untersuchung von den Eltern verweigert. Die Bedeutung des organischen Hirnschadens für die Propulsiv-Petit-Mal Epilepsie geht aus Tabelle 3 klar hervor; sie zeigt jedoch auch, daß sich *eder in bezug auf die Lokalisation noch das Ausmaß der Strukturveränderungen ein gemeinsamer Nenner finden läßt. Aus der Gruppe A verstarben 4 Patienten im Alter von 6 Monaten, 10 Monaten, 14 Monaten und 2 Jah- ren an interkurrenten Infekten mit Hyperpyrexie, hiervon der 6 Monate alte Säugling während der Initialkur mit ACTH an einer allgemeinen Sepsis. Aus Gruppe B verstarben 2 Patienten im Alter von 2 und 6 Jahren an Pneunonie. Eine Obduktion konnte in keinem Fall durchgefÛhrt werden. Durchführung der Hormontheraple Die Hormonbehandlung wurde bei allen 70 Kindern klinisch eingeleitet und nach einem festen Behandlungsschema durchgeführt, das, nach den Berich- Dtsch. med. Wsdir., 88. Jg. 4-9 mg täglich unter Antibiotikaschutz erfolgte. Ließ sich auf diese Weise der Initialerfoig halten, erweiterten wir das hormonfreie Intervall nach drei Monaten für die Dauer von weiteren drei Monaten auf 20 Tage und setzten dann die Hormontherapie ab. Bei Rezidiven führten wir eine zweite gegebenenfalls eine dritte klinische Kur nach dem anfangs geschilderten Schema durch. Komplikationen Bei 28 Patienten (400/o) verlief die Hormonbehand- lung ohne Nebenerscheinungen. Am häufigsten (26 Patienten) beobachteten wir die wohl als Ausdruck einer Mineralocorticoidwirkung anzusehenden Störungen des Mineralhaushaltes mit initialen Wassereinlagerungen und meist anschließenden Gewichtsstürzen. Das Allgemeinbefinden der Patienten war hierdurch nicht wesentlich beeinträchtigt. In 14 Fällenkam es iu leichten interkurrenten Infekten (7mal Enteritis), bei 10 Patienten zu bedrohlichen Infekten ten anderer Autoren und eigenen Erfahrungen entwickelt wurde und uns als das sicherst wirksame erschien. Innerhalb von 3 Tagen steigerten wir auf eine Dauerdosis von 4-9 mg Millicorten oral täglich. Gleichzeitig gaben wir Penicillin als Infektschutz und Barbiturate oder Mylepsin (4-8 Lumina- (einmal Enteritis). Ein Patient aus dieser Gruppe starb trotz intensiver antibiotischer Therapie an letten® oder zwei- bis dreimal 1/2 Tablette Mylepsin täglich) als Grand-Mal-Schutz. Der Eintritt des The- Komplikationen gesehen. rapieeffektes war am sichersten am Elektroenzephalogramm abzulesen, das wir bei den ersten Be- trächtlichen Risiko belastet und sollte Kinderkliniken und größeren Kinderabteilungen mit entsprechender Erfahrung vorbehalten bleiben. Eine ambulante längerdauernde Kur halten wir nicht für vertretbar. handlungsfällen täglich, später in drei- bis fünftägigen Abständen ableiteten. Mit der Normalisierung" des Elektroenzephalogramms war in der Regel eine Reduktion oder ein völliges Verschwinden der Propulsiv-Petit-Mal-Anfälle gekoppelt. Nach Normalisierung" des Elektroenzephalogramms führten wir die Hormontherapie noch 8 Tage fort und setzten dann innerhalb von 3 bis 5 Tagen Millicorten ganz ab. Die antiepileptische Behandlung wurde weitergeführt. War nach insgesamt vierwöchiger Hormontherapie keine Veränderung des Elektroenzephalogramms oder der Anfaliszahl eingetreten, betrachteten wir den Fall als Versager. Bei den ersten 41 Patienten hatten wir anstelle von Millicorten Depot-ACTI-I intramuskulär in einer Do- einer allgemeinen Sepsis infolge Abwehrmangel. Bei der intermittierenden Hormonstoßtherapie von 3-4 Tagen, mit der oft der Initialeffekt gehalten werden konnte, haben wir keine nennenswerten Die Hormontherapie ist hiernach mit einem be- Ergebnisse der Hormonbehandlung Anfälle Erfahrungsgemäß ist die Anfalisbeobachtung in bezug auf die Zahl kleiner Anfälle in einer Klinik schlechter als im häuslichen Milieu, sofern die Angehörigen den Anfallsablauf kennen. Zur Verringerung dieser Fehlérquelle haben wir daher die Kinder zunächst einige Tage ohne Therapie beobachtet und bei der Beurteilung des Therapieeffektes auch die Angaben der Angehörigen nach Klinikentlassung einbezogen. sis vor von 40-80 JE täglich angewandt, bei den Als Initialeffekt der Hormontherapie zeigten sich bei Gruppe A (70 Fälle) folgende Ergebnisse: völli- restlich 29 Fällen nur Millicorten nach oben geschildertem Schema, da die Applikation wesentlich ein- (47,2°/o), facher ist. Da die Wirkungsgleichheit beider Hormoné bei Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie nach der Literatur und unseren eigenen Erfahrungen bisher ges Verschwinden der Anfälle bei 33 Patienten Anfallsverminderung bei 17 Patienten (24,2°/o), Therapieversager bei 20 (28,6°/o). Der Eintritt des Initialeffektes lag bei 13 Fällen innerhalb der ersten drei Behandlungstage; bei 30 nicht gesichert ist, schlossen wir bei den MillicortenVersagern eine ACTH-Kur an, die in 2 Fällen noch Patienten zwischen dem vierten und zehnten Tag und zum Erfolg führte. Monaten. Bei 19 (38°/o) der positiv beeinflußten Patienten kam es zu einem Rezidiv, das auf eine zweite Kur wieder ansprach. Zwei Säuglinge hatten trotz konventioneller antiepileptischer Therapie unter der Hormonbehandlung Die Weiterbehandlung gestaltete sich bei den erfolgreichen Fällen so, daß unter Beibehaltung des Grand-Mal-Schutzes nach jeweils 10 hormonfreien Tagen ambulant ein viertägiger Millicorten-Stoß mit bei den restlichen zwischen zehn Tagen und zwei Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 428 Matthes, Malimann-Mühlberger: Die Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie Nr. 9, 1, März 1963 A 100 - B A 8 A B 429 men, die nach den Untersuchungen von Janz und Matthes, Gibbs und Mitarbeitern in der überwiegen- 90 80 - den Mehrzahl der Fälle zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr spontan verschwinden. 70 Elektroenzephalogramm 60 50 - Die der Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie in 95°/o aller Fälle zugrunde liegende elektrophysiologische Störung ist die Hypsarrhythmie (Abbildung 3), ein bei Säuglingen im Wach- und Schlafzustand nachweisbares Gemisch generalisierter, irregulärer, hochge- 40 20 10vor Therapiebeginn L mit o1effekf = Häufig Proputsivanfijlle EJ spannter Aktivität mit multilokulär eingestreuten polymorphen Krampfpotentialen oder -potentialKatamnesenergebnis Anfallsfreihejf = Selten Propulsivonfälle Abb. 2. Initiales und katamnestisthes Behandlungsergebnis hinsithtlidi der Anfallhäufigkeit. Hormongruppe A = 70 Patienten, Kontrollgruppe B = 34 Patienten. erstmals längerdauernde tonische Anfälle, die wir als Abortiv-Grand-Mal auffaßten. In Abbildung 2 sind die Therapieergebnisse der Hormongruppe A mit denen der nichthormonbehandelten Gruppe B verglichen. Es zeigt sich die eindeutige Uberlegenheit der Hormonbehandlung. Die Angleichung der Erfolgsgruppen bei Katamnesenende hängt mit dem biologischen Verhalten der Propulsivanfälle zusam- gruppen. Als atypische Hypsarrhythmie bezeichnen wir erstens das bei Kleinkindern übliche, mehr paroxysmale Verhalten der beschriebenen Störung (Abbildung 4), zweitens eine konstante Seitenbevorzugung. Dieses charakteristische und leicht diagnostizierbare elektroenzephalographische Bild verschwand bei 32°/o der Patienten innerhalb von 14 Tagen, bei weiteren 200/o innerhalb der ersten 6 Wochen nach Be- ginn der Hormontlierapie. An seine Stelle trat entweder ein epileptogener oder unspezifischer Residualfokus (Abbildung 5) oder eine generalisierte unspezifische Störung, oft in Form einer abnormen Rhythmisierung der Grundaktivität (Abbildung 6), oder eine altersgemäße Kurve (Abbildung 7). links präzentral redits links temporal redits A links parietal redits links okzipital redits OyVI lsec Abb. 3. Typische Hypsarrhythmie bei 6 Monate altem Säugling. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 30 - Matthes, Mailmann-Mühlberger: Die Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie. 430 Dtsch. med. Wsdir., 88. J0. links prazentral redits links temporal redits links Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. parietal redits links okzipital redits r' 50?V I j Abb. 4. Atypische Hypsarrhythmie bei 21/2 Jahre altem Kind. Relativ gut organisierte Krampfaktivität von strekkenweise paroxysmalem Charakter. lsec links präzentral redits links temporal redits links parietal redits r links okzipital redits 50 ?V TI Abb.5a lsec I Abb.5b I Abb. 5. 1 Jahr 3 Monate altes Mädchen. a. Vor der Hormonbehandlung: Hypsarrhythmie mit zum Teil deutlicher Synchronisierungstendenz. b. 14 Tage nach Beginn der Hormonbehandlung: Rückbildung der Hypsarrhythmie auf einen epileptogenen Restfokus redits frontal bis parietal. Nr. 9, 1. März 1963 Matthes, Mailmann-Mühlberger: Die Propulsiv-Petit-MaI-Epilepsie 431 links präzentral redits r links temporal redits parietal redits links okzipital redits T 50 yV J. I Abb.6a isec Abb.6b I -- Abb. 6. a. Hypsarrhythmie im Alter von 3 Monaten. b. Normalisierung' (abnorm rhythmische Kurve) nach 2 Jahren ohne Hormontherapie. links präzentral -- -- ---- I A f'- & redits links temporal redits links parietal redits L 41A links okzipital redits SOyVIT I ADD. Ía Isec Abb. 7 b Abb. 7 c I Abb. 7. 14 Monate altes Kind, a. Vor der Hormontherapie: Hypsarrhythmie. b. Acht Tage nach Beginn der Hormonbehandlung: allgemein verlangsamte Grundaktivität mit okzipitalen spikewaves. c. Zwölf Tage nach Beginn der Hormonbehandlung: Normalisierung der Kurve. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. links Matthes, Malimann-Mühlberger: Die Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie Zwei Beobachtungen weisen darauf hin, daß es sich bei der Hypsarrhythmie um eine sekundäre Generalisierung einer herdförmigen Störung handelt: 1. Bei mehreren Säuglingen konnten wir elektroenzephalographisch die Entwiddung einer Hypsarrhythmie aus einem umschriebenen Fokus sowie die therapeutisch erreichte Rückbildung auf den gleichen Fokus verfolgen; 2. in den meisten Fällen ent- sprach der Rest- bzw. Primärfokus einer luftenzephalographisch oder neurologisch nachweisbaren organischen Hirnläsion. Bei 26 Patienten (37°/o) kam es innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten zu einem Hypsarrhythmierezidiv, das in der Regel dem Wiederauftreten von Propulsiv-Petit-Mal-Anfällen korreliert war. Durch eine zweite, eventuell eine dritte Kur konnten jedoch auch die Rezidive beherrscht werden. % 700 - A B A B A B 9080- Dtsch. med. Wsdir., 88. Jg. entwickelt; die restlichen 75°/o waren bereits bei Anfallsbeginn sicher retardiert, was mit dem hohen Pro- zentsatz prä- und perinataler Hirnsdiädigungen gut übereinstimmt Der initiale Therapieeffekt mit ACTH oder Millicorten in bezug auf die Psychomotorik war äußerst gering. Nur bei 5 Kindern trat eine wesentliche Besserung ein, in allen übrigefi Fällen blieb der Zustand unverändert, von vorübergehenden Schwankungen der Stimmungslage und der allgemeinen Lebhaftigkeit abgesehen. Im Gegensatz zu dem Verhalten von Anfällen und elektroenzephalographischen Störungen zeigte der psychomotorische Entwicklungsstand bei Katamnesenende keine Änderung des Bildes (Abbildung 9). A 100 - B A B so 80 70 - 70 - 60- 60 50 - 50 - 40 - 40 - 30 - 2010- o vor Therapiebeginn In itialeffek = Typische Hypsarhythmïe L! 0H11 30 - 20- Katamnesenergebn/s 10 - I'll''''' = Spezifischer Fokus = Atypische Hypsorhythmie 11 = Normal und unspezifisch verandert I Sehr aufschlußreich ist der Vergleich der Hormongruppe mit der Kontrollgruppe (Abbildung 8).Die Angleichung der elektroenzephalographischen Befunde gegen Ende des Kleinkindesalters weist darauf hin, daß es sich bei der Hypsarrhythmie um eine altersgebundene, elektrophysiologische, epileptische Reaktions- oder Generalisierungsform handelt, deren spontanes Verschwinden weitgehend dem spontanen Rückgang der Propulsiv-Petit-Mal-Anfälle parallel geht. Psydiomotorik Uber den psychomotorischen Entwicklungsstand der Patienten bei Therapiebeginn orientiert Abbildung 9. Sie zeigt, daß nur 37°/o der Kinder zu diesem Zeitpunkt psychomotorisch unauffällig oder leicht retardiert waren, während bei 630/o eine schwere psychomotorische Entwicklungsverzögerung festgestellt wurde. Bis zum Einsetzen der Propulsiv-PetitMal-Anfälle hatten sich 25°/o der Patienten normal Katamnesenergebnis vor Thercxpiebeginn Abb. 8. Initiales und katamnestisches Behandlungsergebnis hinsichtlich des Elektroenzephalogramms Hormongruppe A = 70 Patienten, Kontrollgruppe B = 34 Patienten. I = altersgemäß = leicht retardiert 111111F = erheblich retardiert = idiotisch Abb. 9. Behandlungsergebnis hinsichtlich der Psychomotorik. Hormongruppe A 70 Patienten, Kontrollgruppe B 34 Patienten. Die ,,unbehandelt&' Kontrollgruppe B bietet im Vergleich keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich des psychomotorischen Entwidclungsstandes zu Beginn und am Ende der Beobachtung. Von den 52 Patienten, die in irgendeiner Hinsicht positiv beeinflußt werden konnten (Tabelle 4), war der Erfolg 30mal vorübergehender Natur, das heißt innerhalb von drei Monaten kam es zu einem Rückfall in die Ausgangssituation. Durch intermittierende Stoßbehandlung, eine zweite oder eine dritte Kur konnte in fast allen Fällen das primäre Therapieergebnis wieder erreicht werden. Wir haben den Therapieeffekt statistisch zu verschiedenen klinischen Daten in Beziehung gesetzt, Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 432 Matthes, Malimann-Mühlberger: Die Propulsiv..Petit-MaI-Epilepsie Tab, 4. Gesamtergebnis der Hormontherapie nadi der ersten Kur bei 70 Kindern mit Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie Therapieergebnis kein therapeutischer Effekt Besserung in irgendeiner Hinsicht nur Anfälle gebessert nur EEG gebessert nur Psythomotorik gebessert Anfälle und EEG gebessert Anfälle u. Psychomotorik gebessert BEG und Psyctiomotorik gebessert EEG, Anfälle und Psychomotorik gebessert /e der Zahl der Patienten Gruppe A 18 26 0/ 52 74 0/0 4 22 0/ 6 0/0 27 39 0/ 16 1,4°/o 4 6 0/ um die Frage zu klären, ob in dieser Richtung bebestimmte Abhängigkeiten bestehen. Die Analyse hatte folgende Ergebnisse: Ubereinstimmend mit Dumermuth sowie Fukuyama und Mitarbeitern hatte die Erkrankungsdauer bis zum Einsetzen der Hormonbehandlung keinen statistisch signifikanten Einfluß auf das Gesamtergebnis der Therapie. Andere Autoren (Pache und Weinmann; Scheffner und Doose; Trojaborg und Plum) sahen bei Frühbehandlung wesentlich bessere Erfolge. Hinsichtlich der Beeinflussung der Anfälle zeigte sich keine Abhängigkeit vom Ausgangs-Elektroenzephalogramm. Dumermuth machte die Erfahrung, daß die typischen Hypsarrhythmien etwás besser reagierten als die atypischen. Während der neurologische Befund keine Rolle für das Therapieergebnis spielte, ergab sich ein etwas schlechteres Ansprechen der pränatal geschädigten Kinder gegenüber den später eingetretenen Lä- 433 mit durchschnittlich neun elektroenzephalographischen Untersuchungen pro Patient gewährleistet. Das angewandte Behandlungsschema - hochdosierte. Initialkur mit anschließender intermittierender Stoßbehandlung - halten wir nach eigenen Erfahrungen und den Ergebnissen anderer Autoren für am sichersten wirksam. Die nicht seltenen Komplikationen der Hormontherapie sowie die wichtige elektroenzephalographisdie Kontrolle des Therapieeffektes erfordern eine klinische Durchführung der Initialkur, während die intermittierende Stoßbehandlung ambulant fortgesetzt werden kann. Bei 740/o der hrmonbehandelten Patienten konnte ein therapeutischer Effekt erzielt werden. Am häufigsten (40°/o) wurden die Anfälle zusammen mit den elektroenzephalographischen Veränderungen beeinflußt, während die bei einem, großen Prozentsatz der Fälle vorliegende psychomotorische Retardierung nur schlecht ansprach. Die Rezidivneigung innerhalb der ersten drei Monate nach der Initialkur ist groß, so daß oft eine zweite oder dritte klinische Kur erforderlich wurde. Die Prü- fung der Abhängigkeit des Therapieeffektes ergab ein besseres Ansprechen der psychomotorisch nicht oder nur leicht retardierten Kinder, während Erkrankungsdauer, Elektroenzephalogramm-Form, neurologischer Befund und Ätiologie keinen wesentlichen Einfluß auf das Behandlungsergebuis ausüben. Signifikante Unterschiede zwischen ACTH und Millicorten fanden sich nicht, so daß wir die einfache, oral durchführbare Glucocorticoidtherapie vorziehen. Aus dem Vergleich der Hormongruppe mit der konservativ-antiepileptisch behandelten Kontrollgruppe von 34 Kindern ergibt sich die eindeutige tlberlegenheit der Hormontherapie; in bezug auf die Gesamt- sionen. prognose zeigen allerdings beide Gruppen keine Auf den psychomotorischen Entwicklungsstand zeigte sich ein wesentlich besserer Effekt in der Gruppe der nicht oder nur leicht retardierten Kinder (16°/o Versager) als in der Gruppe der schwer retardierten und idiotischen Patienten (33°/o Versager). Auch Trojaborg und Plum, Dobbs und Mitarbeiter sowie Sorel und Dusaucy-Bauloye haben diese Be- mus diese Raffung erfolgt. obachtung gemacht. Für die sorgfältige Durchführung der schwierigen elektroenzephalographischen Untersuchungen bei den zum Teil debil-erethischen Säuglingen und Kleinkindern möchten wir den drei Assistentinnen unserer BEG-Abteilung, Schwester Luise Matzkuhn, Frl. Baunach und Frau Geißler, ganz besonders danken. Zusammenfassung Unsere Untersuchung erstreckt sich auf 104 Säuglinge und Kleinkinder mit Propulsiv-Petit-Mal-Epi- lepsie (Blitz-, Nick- und Salaamkrämpfe) aus den Jahren 1956 bis 1961. 70 Patienten wurden mit ACTH und/oder Dexamethason (Millicortert®) behandelt und 1 bis 3 Jahre lang weiter verfolgt. Eine ausreichende elektroenzephalographische Verlaufskontrolle war wesentlichen Unterschiede. Hieraus kann geschlossen werden, daß durch die Hormonbehandlung mit ACTH oder Glucocorticoiden der biologisch eng mit der Hirnreifung zusammenhängende Heilungsprozeß der Propulsiv-Petit-Mal-Epilepsie von durchschnittlich 3 bis 4 Jahren auf wenige Wochen verkürzt wird. Es ist bisher noch ungeklärt, über welchen MechanisLiteratur Fukuyama, Y., M. Najakata, Bamberger, Ph., A. Matthes: Anfälle im Kindesalter (Basel 1959). Bower, B. D., P. M. Jeavous: Arch. Dis. Childh. 36 (1961), 23. Christiaens, L., G. Fontaine, J. Ratel, P. Dehaene: Pediatrie 15 (1960), 87. Dobbs, J. M., J. D. Clements, H. W. 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