Prof. Dr. Dieter Burdorf Protokoll zur

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Universität Leipzig
Vorlesung: Einführung in die Literaturtheorie WS 2012/13
Leitung: Prof. Dr. Dieter Burdorf
Protokoll zur Vorlesung vom 19.11.2012
Zur Thematik: Die Hermeneutik des Friedrich Schleiermachers unter Berücksichtigung der
Problematik des Verstehens.
Der Begriff des „Verstehens“
Die Vorlesung begann als Wiederholung damit, anhand des „Metzler Lexikons“ den Begriff des
Verstehens zu definieren. Unter Verstehen wird der geistige Vorgang bezeichnet, bei dem einzelne
oder zusammenhängende Zeichen (Äußerungen, Handlungen) für ein wahrnehmendes Subjekt
zugänglich werden. Hierbei wurde anhand einer Skizzierung an der Tafel der Vorgang des
„Verstehens“ deutlich gemacht. Voraussetzung hierfür ist immer ein Subjekt mit vorhandenen
Wissensstrukturen und ein wahrgenommenes Objekt (Zeichen, Handlungen, Äußerungen). Das hier
beschriebene Subjekt will das Objekt verstehen und führt eine Bedeutungszuschreibung durch, sowie
eine Veränderung der Wissensstruktur um sich dem Objekt zu nähern. Auf der anderen Seite kann sich
das Objekt durch Assimilation des Wahrgenommenen dem Subjekt annähern und durch dir jeweiligen
Annäherungen kommt es zum „ Verstehen“. (Siehe Grafik im Anhang)
Bei Nichtverstehen sind Subjekt und Objekt voneinander getrennt und ein Missverstehen ist ein Indiz
dafür, dass etwas nicht funktioniert, es Reibungspunkte gibt. Dennoch kann bei einem Missverstehen
davon ausgegangen werden, dass es den Versuch der Annäherung gibt.
Hermeneutik
Der Begriff der Hermeneutik kommt aus dem Griechischen und bedeutet im Allgemeinen die Kunst
und Theorie der Auslegung von Texten, sowie das Verstehen von Sinnzusammenhängen in Texten.
Hermeneutik des Friedrich Schleiermachers
Friedrich Schleiermachern lebte von 1768-1834 und ist als Theologe und Philosoph bekannt
geworden, wobei ihm Theologie als wichtiger erschien. Er studierte protestantische Theologie in Halle
und war später selbst 3 Jahr in Halle Professor. In Zusammenarbeit mit Friedrich Schlegel entwickelte
Friedrich Schleiermacher das Projekt einer Platonübersetzung, welches zu seinem Lebensprojekt
wurde. Er übersetzte in ca. 20 Jahren fast alle Werke des antiken Philosophen Platon.
In der Hermeneutik werden verschiedene Formen unterschieden, zum einen die theologische
Hermeneutik, die philosophische Hermeneutik und die juristische Hermeneutik.
Schleiermacher war ein Vertreter der theologischen Hermeneutik und transedierte diese in eine
allgemeine Hermeneutik. Kern der allg. Hermeneutik war es, 2 Aspekte miteinander zu verbinden:
-die grammatische Interpretation (die Wortsphäre in eigener und fremder Sprache ermitteln, sowie
sprachliche Zusammenhänge ermitteln zu können)
-die psychologische Interpretation (Elemente der Komposition, des Stils; individuelle
Elemente sollen herausgearbeitet werden)
Hierbei ist zu bemerken, dass Friedrich Schleiermacher 1810 den Begriff der technischen
Interpretation ausgewechselt hat, hin zu einer psychologischen Interpreation.
Dies zeigt, dass es 2 Seiten der Interpretation nach Schleiermachern gibt, welche aber
zusammenwirken und ineinandergreifen sollen. Damit wird angestrebt, einen unmittelbaren Leser zu
bewirken, der sich nach Schleiermacher in die Stimmung des Autors versetzen kann. Der Leser soll
den Autor besser verstehen, als dieser sich selbst verstanden hat. Diese Thematik hat Friedrich
Schleiermacher immer mehr ausgebaut, hin zu einer Maximierung des Wissens, wobei der Interpret
(Hermeneut) ein näherungsweise komplettes Wissen über den Autor erreichen soll. In diesem
Zusammenhang nannte Schleiermacher das divinatorische Verfahren. Dies besagt, man solle sich
mithilfe der göttlichen Inspiration in den Autor besser hineinversetzen und somit die
Schaffensprozesse des Textes besser verstehe zu können. Die Maxime von Schleiermacher ist hier
zudem nicht zu vergessen, dass das Verstehen sich von selbst ergibt, man auf Missverstehen aufbauen
und die eigenen Interpretationsprozesse durch denken sollte.
Schleiermachers „Akademierede“ von 1829 über den Begriff der Hermeneutik
In seiner Akademierede von 1829 beschreibt Schleiermacher die Tatsache, dass in jedem Genre der
Leser mit hermeneutischen Aufgaben konfrontiert wird und sich mit den Problemen der Genres
vertraut machen muss. Zudem sagt er, dass Verstehen schon bei den einfachsten Gesprächen losgehe
und Regeln dafür entwickelt werden müssen. Somit lassen sich die hermeneutischen Aufgaben nicht
nur auf schriftliche Texte beschränken, sondern auch auf mündliche Kommunikation ausweiten.
Schleiermacher betont die Auffassung in seiner Rede, das Fremde zu verstehen suchen, mit dem Ziel,
dass fremdes und eigenes angenähert werden sollten.
Zudem befasst er sich implizit mit den hermeneutischen Aufgaben in Gesprächen, indem er sagt, dass
die hermeneutische Grundführung auf Gespräche unter Freunden zurückgeführt werden sollte, um das
Verstehen untereinander zu erreichen. Schleiermacher betont hierbei die psychologische
Interpretation, in den Kopf des Gegenübers zu sehen und Mimik sowie Gestik richtig als Indizien zu
deuten. Dies entfällt jedoch bei schriftlichen Texten.
Bei schriftlichen Texten wird das Verstehen immer schwerer, sodass Operationen zur Annäherung an
den Text komplexer werden.
Schleiermacher sieht die Hermeneutik als eine Disziplin, die für jeden Menschen dazugehört, da es das
Interesse eines jeden Menschen ist, alle verstehen zu wollen und dies auch zu müssen. Von der
Hermeneutik in Alltagssituationen lassen sich nach Schleiermachers Auffassung Methoden ableiten
für die philologische und allgemeine Hermeneutik.
Friedrich Schleiermachers Werke zur Hermeneutik lassen sich zusammenstellen durch Vorlesungen,
Entwürfe und Mitschriften, die von seinen Hörern vorgenommen wurden, denn Schleiermacher selbst
hat seine Theorie der Hermeneutik nie selbst veröffentlicht. Eines der wichtigsten Werke hierbei ist
das „Hermeneutikbuch“ welches von einen Schüler Schleiermachers veröffentlicht wurde.
Anhang zum Verstehensprozess
Abbildung des Tafelbildes:
Veränderung der Wissensstruktur
Assimilation des Wahrgenommenen
Subjekt (mit vorhandenen Wissensstrukturen) will verstehen
wahrgenommenes Objekt(Zeichen,
Handlungen, Äußerungen)
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