Carl Orff 1895 10. Juli: Carl Orff wird in München als Sohn eines Offiziers geboren. 1900 Orff erhält Unterricht für Klavier, Orgel und Cello. 1911 Orff schreibt rund 50 Lieder zu Texten von Heinrich Heine, Friedrich Hölderlin und anderen Klassikern. 1912 Komposition des ersten größeren Chorwerkes nach Friedrich Nietzsches "Also sprach Zarathustra". 1913 Nach einer japanischen Sage schreibt Orff die Oper "Gisei". bis 1914 Studium an der Akademie der Tonkunst in München. 1914 Kurzfristiger Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg. 1915-1919 Kapellmeister an den Münchener Kammerspielen, am Nationaltheater Mannheim und am Landestheater Darmstadt. 1924 Mitbegründer der "Günther-Schule", die eine neue Verbindung von Bewegung und Musik anstrebt. Leitung der Abteilung für tänzerische Musikerziehung an der "Günther-Schule". 1930-1935 Veröffentlichung seiner pädagogischen Arbeiten im musikalischen "Schulwerk für Kinder". 1935 Veröffentlichung von "Das Paradiesgärtlein", ein Ballett nach Lautensätzen des 15. Jahrhunderts. 1936 Komposition des "Kinderreigen" für die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Berlin. 1937 Uraufführung der Bühnenkomposition "Carmina Burana" in Frankfurt/Main. Die Texte dieser weltlichen Gesänge für Soli und Chor mit Begleitung von Instrumenten sind der Benediktbeurer Handschrift aus dem 13. Jahrhundert entnommen. Nach der Uraufführung zog Orff fast sein ganzes, bis dahin entstandenes Werk zurück: "Carmina Burana" sollte das "Opus 1" sein. 1939 Orffs Märchenoper "Der Mond" wird in München uraufgeführt. 1941 Uraufführung der Bühnentrilogie "Orpheus", "Klage der Ariadne" und "Tanz der Spröden" in Gera. 1943-1949 "Die Kluge" (1943), "Catulli Carmina" (1943), "Die Bernauerin" (1947), "Antigone" (1949) werden uraufgeführt. Orff betont, daß seine Vertonungen antiker Tragödien keine Opern seien: "Das Wichtigste, was ich getan habe, ist - glaube ich - dies: ich habe die Musik wieder mit Sprache versöhnt und mehr noch. Musik ist für mich die `Musik' der Griechen, als Einheit von Klang, Sprache und Bewegung." 1950-1960 Leitung einer Meisterklasse für musikalische und dramatische Komposition an der staatlichen Hochschule für Musik in München. 1952 Orff verfaßt eine musikalische Untermalung von Shakespeares "Sommernachtstraum". 1955 und 1957 Auszeichnung mit dem Ehrendoktor der Universität Tübingen und der Universität München. 1956 Mitglied des Ordens "Pour le merite" für Kunst und Wissenschaft. 1959 Uraufführung des Bühnenwerkes "Ödipus, der Tyrann" in Stuttgart. 1961 Übernahme der Leitung des neugegründeten Orff-Institutes an der Akademie "Mozarteum" in Salzburg. Orffs Weihnachtsspiel "Ludus de nato infante mirificus" wird in Stuttgart uraufgeführt. 1972 Komposition des "Gruß der Jugend" zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in München. 1982 29. März: Carl Orff stirbt im Alter von 86 Jahren in München. (at/iz) Carmina Burana von Carl Orff Der 1885 in München geborene Orff setzt mit den 1935/36 entstandenen "Carmina Burana" den eigentlichen Beginn seines Schaffens an: "Alles, was ich bisher geschrieben und was Sie leider gedruckt haben, können Sie nun einstampfen! mit den "Carmina Burana" beginnen meine gesammelten Werke...". Hier ist sein Stil, nämlich die Verbindung von Sprache, Tanz und Musik unter Hinzuziehung des Orff-Instrumentariums (Schlagzeug) als Erweiterung des Orchesters, erstmals voll ausgeprägt. Diese Elemente würden schon 1924 durch die Gründung einer Schule für Gymnastik, Tanz und Musik mit Dorothee Günther manifestiert und in Orffs "Schulwerk" (1930-35) niedergelegt. Die "Carmina Burana" sind der erste Teil einer Trilogie ("Catulli Carmina" 1943 und "Trionfo di Afrodite" 1951). Neben der konzertanten schuf Orff eine Fassung mit reduziertem Instrumentarium (2 Klaviere, Pauken und Schlagzeug) sowie eine weitere mit Bühnenbild und Ballett (szenisch). Die Texte stellen eine Auswahl an mittellateinischen und mittelhochdeutschen Dichtungen aus der Benediktbeurer Handschrift ("Codex Buranus") des 13. Jahrhunderts dar, der größten überlieferten Sammlung mittelalterlicher Lyrik. Orff bringt die Texte ohne festen Handlungsablauf als Folge von Bildern in eine sinnvolle Reihung und erreicht so in seiner Kantate ein geschlossenes Ganzes. Die drei Teile (Frühlingsreigen-, Zech- und Liebeslieder) werden von einem Chorsatz "O Fortuna" umrahmt, einem groß angelegten Stück über das Schicksalsrad der Fortuna. Variierend und mit wechselnder Dynamik reihen sich die Wechselfälle des Lebens. Teil 1 (Primo vere / Uf dem Anger) enthält vorwiegend Chorpartien (Wiedererwachen der Natur, Begrüßung des Frühlings) sowie instrumentale Reigentänze. Teil II (In Taberna) bleibt den Männerstimmen vorbehalten (Solo und Chor). Als karikierendes Stück fällt besonders "Olim lacus colueram", das Lied des gebratenen Schwans: In ein sparsames instrumentales Gitter (Fagott in Hochlage, Piccolo-Flöte, Trompeten und Bratschen) setzt der falsettierende Tenor eine klagende Kantilene. Der III. Teil (Cour d'Amour/ Blanziflor et Helena) setzt durch die Transparenz seiner Bilder einen scharfen Kontrast. Zart und leise figurieren in "Amor volat undique" Solosopran und Knabenchor eine Miniaturszene. In "Circa mea pectora" wird lateinischer Text (Solostimme) mit mittelhochdeutschem Text (prägnanter Chor-Refrain) kombiniert. "Veni, Veni, Venias", das einzige nicht strophische Lied der Carmina, nimmt in seiner Klangtechnik die Eigenart der "Catulli Carmina" vorweg, indem ein Doppelchor quasi a cappella über eine Grundierung von 2 Klavieren und Schlagwerk schwebt. Mit der Wiederholung des Anfangsstückes "O Fortuna" schließt sich der Kreis der Bilder gleich dem rollenden Rad des Glücks. Die auffallende, das ganze Werk durchziehende Einfachheit in Harmonik und Tonsatz steht in starkem Kontrast zum großen Instrumentarium. "Was indessen heute als äußerliche Monumentalität, als Diskrepanz zwischen technischen Mitteln und ästhetischem Zweck erscheint, galt als angemessene Darstellungsform einer Musik, die Sprache ... durch Insistenz der rhythmischen Deklamation an ein menschliches Grundempfinden vermitteln möchte, ohne selbstständige Formansprüche zu erheben" (H. Danuser, 1984). Beate Sturm