9.Vorlesung EP WS2008/9 I. Mechanik 5. Mechanische Eigenschaften von Stoffen a) Deformation von Festkörpern b) Hydrostatik, Aerostatik c) Oberflächenspannung und Kapillarität 6. Hydro- und Aerodynamik a) Kontinuitäts- und Bernoulli-Gleichung b) Viskosität Versuche: Messung der Oberflächenspannung Büroklammer auf Wasser Druck in Seifenblasen Kapillaren Bernoulli (Druckänderung bei Änderung des Rohrdurchmessers) Abdecken eines Hauses Turbulente und laminare Strömungen Magnuseffekt in Wasser EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler c) Oberflä Oberflächenspannung u. Kapillaritä Kapillarität Grenzflächen zwischen flüssig, fest und gasförmig Epot Beobachtung: Oberfläche einer Flüssigkeit an Gas verhält sich wie eine elastische Haut. r Beispiele: Wassertropfen, Seifenblase Kraft F zwischen zwei Molekülen F → r ← F F=0 Moleküle einer Flüssigkeit ziehen sich an ! Kohäsion = Anziehung zwischen den Molekülen einer Flüssigkeit - Im Inneren einer Flüssigkeit hat jedes Molekül viele Nachbarn (keine resultierende Anziehung, geringe Energie) - An der Oberfläche zum Gas gibt es weniger Nachbarn, d.h. es muß Arbeit geleistet werden um die Oberfläche zu vergrößern, d.h. um Moleküle an die Oberfläche zu bringen. EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler c) Oberflä Oberflächenspannung Oberflächenspannung: Bei der Vergrößerung einer Flüssigkeitsoberfläche um ∆A muß Arbeit ∆W verrichtet werden. Oberflächenspannung σ= ∆W ∆A J m2 Beispiel: Benötigte Arbeit ∆W beim Herausziehen einer Lamelle, siehe Bilder rechts u unten. Vernachlässigung von Schwerkraft und resultierender Hubarbeit. ∆W ≡ F⋅ ∆s = σ⋅ ∆A = σ⋅ (2L⋅ ∆s) σ = F / 2L In diesem Fall bildet sich eine Oberfläche ∆A auf beiden Seiten, deshalb Randlänge = 2 Bügellänge L. F Querschnitt des Bügels mit beidseitigen Flüssigkeitsoberflächen. Oberflächenspannung σ = am Rand angreifende Kraft Länge des Randes N m (alternative Definition) Versuch Messung der Oberflächenspannung mit Lamelle EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler σ: eine Konstante, in begrenztem Bereich der äusseren Spannung (wie bei E,G,K), abhängig von Temperatur, evtl. gelösten Stoffen und von Umgebung (Außenmedium) Beispiele: Wasser : 7.29 . 10-2 J/m2 Benzol : 2.90 . 10-2 J/m2 Quecksilber : 47.1 . 10-2 J/m2 Tenside verringern die Oberflächenspannung drastisch. Ungestörte Oberflächen nehmen immer die kleinstmögliche Gesamtfläche ein (Minimalflächen). Wenn keine äußeren Kräfte wirken → Kugelgestalt, weil Kugel bei gegebenem Volumen die kleinste Oberfläche hat. EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler ∆h Versuch Büroklammer EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Versuch mit Seifenblasen Innendruck einer Seifenblase mit Kugelradius r als Folge der Oberflächenspannung σ : ∆p = pinnen – paussen = 2 σ / r Verbindet man verschieden große Seifenblasen, dann schluckt die große die kleine EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Kapillaren Grenzflächen zwischen fest und flüssig: Abhängig davon, ob die Anziehungskraft (Adhäsion) zwischen Flüssigkeits- und Festkörpermolekülen oder die Kohäsion der Flüssigkeitsmoleküle stärker ist. Bei vollständiger Benetzung ist ϕ=0 Bei Kapillaren führt unterschiedliche Adhäsion entweder zu Kapillar-Attraktion Bsp.: Glas - Wasser oder Kapillar- Depression Bsp.: Glas - Quecksilber EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Kapillaren Steighöhe: 2σ h= r ⋅ ρ Flüss ⋅ g (Herleitung: Glaskapillare vollständig benetzt F0= Randlänge σ = 2πr σ FG=(V ρ) g = π r² h ρ g F0=FG → 2r σ= r² h ρ g → obige Formel) EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler 6. HydroHydro- und Aerodynamik 6. Hydro- und Aerodynamik: (Strömung von Fluiden, also flüssigen und gasförmigen Substanzen) blaue Linien im linken Bild • Bahnen von Partikeln der Flüssigkeit • Dichte der Linien ist ein Maß für die Geschwindigkeit •Strömungsfeld charakterisiert durch Geschwindigkeitsverteilung im Raum •stationär = nicht zeitabhängig • (zunächst ohne Reibung, Viskosität) EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler a) Kontinuitätsgleichung Volumenstrom und Kontinuitätsgleichung : Volumenstrom durch eine Fläche Ai I = ∆V ∆t Kontinuitätsgleichung (für inkompressibles, ideales Fluid) I = ∆V ∆t = A i ⋅ v i = const. → v1/v2 = A2/A1 Die Strömungsgeschwindigkeit nimmt an einer Engstelle zu, Ursache der Beschleunigung ? EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler b) Bernoulli -Gleichung Energiebilanz an der Engstelle: Beschleunigung ← Kraft auf Strecke (Arbeit) ← Druckdifferenz (p2 > p1) Aus Energieerhaltung: kinetischer Energie + Stempelarbeit p∆V= const. folgt (ρ ⋅ v 2 2) + p = const = Gesamtdruc k Bernoulli Gleichung Staudruck (dynamischer Druck) + Stempeldruck (statischer Druck) = const. Ändert sich außer dem Rohrdurchmesser auch noch die Höhe h über dem Boden (ansteigendes oder abfallendes Rohr), so muß zusätzlich der Schweredruck berücksichtigt werden: (ρ ⋅ gh ) + (ρ ⋅ v 2 2) + p = const. EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler (Detaillierte Herleitung der Bernoulli-Gleichung Ekin= ½ ∆M ·v1² < ½ ∆M ·v2² , weil wegen der Kontinuitätsgleichung v1/v2 = A2 /A1. Energie-Erhaltung: ½ ∆M ·v2² - ½ ∆M ·v1² = Arbeit durch Druck 1444442444443 F1· ∆x1 – F2· ∆x2 =p1·A1· ∆x1 – p2·A2·∆x2=p1·∆V – p2·∆V ½ ∆M ·v²2 + p2·∆V = ½ ∆M·v²1+p1·∆V = const. (d.h. überall). Geteilt durch ∆V: ρ ⋅ v 2 + p = const. 2 EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Folgen der Bernoulli-Gl.: Hydrodynamisches Paradoxon: In Bereichen mit hoher Strömungsgeschwindigkeit herrscht ein reduzierter statischer Druck Bunsenbrenner Haus im Sturm Innendruck > stat. Druck oben Zerstäuber Tragfläche EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Weitere Beispiele für die Verringerung des statischen Drucks in Regionen hoher Geschwindigkeit: Die Gebiete zusammengedrängter Stromlinien (Unterdruck) ziehen An den Seiten der Scheibe (→Drehmoment im mittleren Bild) Beispiel: fallende Blätter EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler „Magnus-Effekt“ bei Umströmung eines rotierenden Körpers Wegen Adhäsion an der Kugeloberfläche führt Kugel eine Wasserschicht mit sich herum*. (*Superposition der Geschwindigkeiten, s. z.B. Bergmann-Schäfer Bd I) Dadurch ist Strömungsgeschwindigkeit des Wassers rechts größer als links. Der gleiche Effekt tritt bei rotierenden Bällen in Luft auf. EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler b) Viskosität Strömung viskoser Flüssigkeiten und Gase Kohäsionskräfte behindern die Bewegung der Teilchen in einem Fluid (→innere Reibung). Wir betrachten zunächst laminare Strömung. Flüssigkeitsschichten gleiten aneinander vorbei und üben eine Schubspannung auf die benachbarten Schichten aus. Ist die Adhäsion zur Wand größer als die Kohäsion, so haftet die an die Wand angrenzende Schicht (v=0). Andernfalls bewegt sie sich reibend an der Wand (→äußere Reibung). Die innere Reibungskraft ist proportional zum GeschwindigkeitsGradienten ∆v/∆z: Reibungskraft FR = −η ⋅ A ⋅ ∆v ∆z Materialkonstante η =„Viskosität“ EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler η in [Pa · s] (Pascalsekunde) = Ns m2 Zahlenwerte für η bei 20°C in Einheiten [Pa · s]: Stoff Öl Wasser Luft Blut η ~1 10-3 2·10-5 4,4·10-3 Flüssigkeiten mit η unabhängig von ∆v/∆ ∆z heißen Newtonsche Flüssigkeiten. Blut ist eine nicht-Newtonsche Flüssigkeit (oben ist der Mittelwert seiner Viskosität eingetragen). Eine Druckdifferenz ∆p= p1-p2 = FR/A ist nötig, um konstanten Volumenstrom I = ∆V/∆t z.B. durch ein Rohr zu erreichen. Für Newtonsche Flüssigkeiten und laminare Stoffe (unverwirbelt) gilt ∆ p = Rs I p1 p2 mit Rs= Konstante = Strömungswiderstand, der von Rohrgeometrie und Viskosität abhängt. Damit ergibt sich ein Druckgefälle beim Durchströmen eines Rohrsystems, siehe Bild u Versuch: EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Bei gleichmäßiger Strömung muss die Reibungskraft durch eine Druckdifferenz ausgeglichen werden. Es folgt ein linearer Druckabfall im Rohr: I = ∆V/∆ ∆t = 1 ∆p Rs Bei hohen Geschwindigkeiten v> vk geht die laminare Strömung in eine turbulente über vk≈ 1000 η/ρr mit r = Rohrradius. Rs steigt dramatisch (etwa prop. v2) EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Strömung nach Hagen-Poiseuille Strömt ein viskoses Fluid durch ein Rohr (Ader), so bildet sich eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung aus u(r) ~ (R-r)2 d.h. Strömungswiderstand RS = (8ηL/πR4) Der gesamte Volumenstrom ist •proportional zur Druckdifferenz •umgekehrt proportional zur Viskosität •und umgekehrt proportional zur Rohrlänge •proportional zur vierten Potenz des Radius EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Folgen der R4 Abhängigkeit des Volumenstroms Bei Verengung des Rohrs entweder starke Stromreduzierung oder zur Kompensation starke Druckerhöhung notwendig ... EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Blutkreislauf •Blutkreislauf ist parallel angelegt, Lunge und Körper aber in Serie •Gesamtquerschnittsfläche der Kapillaren ist ca. 1000-fach größer als in der Aorta, also die Geschwindigkeit entsprechen kleiner Druck Gesamt-Querschnitt •Druckabfall erfolgt in den Kapillaren mit kleinem Radius mittlere Geschwindigkeit Arterien Kapillaren Venen EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler •Druckabfall erfolgt in den Kapillaren mit kleinem Radius •um Hagen Poiseuille zu entschärfen, reduziert sich die Viskosität des Bluts in den Kapillaren (Fahraeus-Lindquist Effekt) Arterien, Venen Kapillaren Ordnung der roten Blutkörperchen reduziert Strömungswiderstand ~ dv dz = Druck Rote Blutkörperchen in einer Glaskapillare von 10 µm Durchmesser EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Bemerkung zum Blutkreislauf beim Menschen Typische Drucke im Blutkreislauf: im Lungenkreislauf p = 10 bis 20 Torr im Körperkreislauf p = 70 bis 140 Torr Blutvolumen gepumpt: ca. 5 Liter/Minute Aortadurchmesser ca. 2,5 cm. Gesamtquerschnitt der verzweigten Blutgefäße (Kapillaren) entspricht dem Tausendfachen des Querschnitts in der Aorta. Deshalb ist die Geschwindigkeit in den Kapillaren ein Tausendstel der Geschwindigkeit in der Aorta (Kontinuitätsgleichung). Die Geschwindigkeit in den Kapillaren ist 0,3 mm/sek. Kleiner Radius in den Kapillaren ergibt sehr hohen Widerstand, d.h. der Druckabfall erfolgt im Wesentlichen in den dünnen Blutgefäßen. Blutverteilung im Körper kann über die Radiusänderung der Adern gesteuert werden. Beim gesunden Körper ist die Blutströmung im allgemeinen laminar (Ausnahme Herzklappen). Beim kranken Körper werden durch Ablagerungen an den Blutgefäßen turbulente Strömungen auftreten, die hörbar werden. Im Körperkreislauf variiert der Blutdruck zwischen der Systole (Kontraktion des Herzens) mit ca. 140 Torr und der Diastole mit 80 Torr (Rückbewegung im Herzen). Die Aorta ist elastisch und gleicht Druckschwankungen, die von der Pumpe Herz erzeugt werden, aus. EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Blutdruckmessung •Druck in einer großen Arterie ist etwa gleich dem in der Aorta •Abdrücken des Blutflusses mit Manschette bis kein Puls mehr spürbar •Druckablassen bis Turbulenzgeräusche hörbar (systolischer Druck) •Ablassen bis Turbulenzgeräusche verschwinden, das Blut zirkuliert jetzt laminar (diastolischer Druck) EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Viskositätsmessung Kugelfallviskosimeter: Stokes’sche Reibung bremst ~ η r v Schwerkraft (-Auftrieb) beschleunigt ~ ρ r3 Konstante Sinkgeschwindigkeit, wenn beide Kräfte sich kompensieren, ist proportional zum Quadrat des Radius h Medizin: Messung der Blutsenkung (Sinkgeschwindigkeit der im Blutplasma suspendierten roten Blutkörperchen), durch Agglomeration bei Infektionen reduziert alternative Meßmethoden: Kapillarviskosimeter (s. nächste Seite), Rotationsviskosimeter EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler