08.07.2013 Definition Störungen des Sozialverhaltens SSV= Muster dissozialen, aggressiven od. aufsässigen Verhaltens mit Verletzungen altersentsprechender sozialer Erwartungen. >6Monate Oft gleichzeitig schwierige psychosoziale Umstände Ev. mit Symptomen einer emotionalen Störung (Angst, Depression) gemeinsam ICD-10 DSM IV Leitsymptome •Deutliches Maß an Ungehorsam, Streiten od. Tyrannisieren Ort des Auftretens + Komorbidität Code •Ungewöhnlich häufige od. schwere Wutausbrüche F 90.1 Name Alter bei Beginn Code Name Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens Conduct Disorder 312.81 or • Childhood-onset Störung des Sozialverhaltens 312.82 or • Adolescent-onset F 91.0 • auf familiären Rahmen beschränkt 312.89 • Unspecified onset F 91.1 • bei fehlenden sozialen Bindungen F 91.2 • bei vorhandenen soz. Bindungen F 91.3 • mit oppositionellem Verhalten 313.81 Oppositional Defiant Disorder kombinierte SSV und der Emotionen 312.8 or 312.9 (CD + 2. Diagnose) •Grausamkeit gegenüber anderen Menschen od. Tieren •Erhebliche Destruktivität gegenüber Eigentum •Zündeln •Stehlen •Häufiges Lügen •Schuleschwänzen F 92.0 • SSV mit depressiver Störung F 92.8 • sonstige •Weglaufen von zu Hause Epidemiologie USA: ODD-CD-ASPD GB: ♂: 6-16 % ♂: 6,9 % (5-10a)- 8,1 % (11-16a) ♀: 2-9 % ♀: 2,8 % (5-10a)- 5,1 % (11-16a) 80% der Jungen mit SSV hatten zuvor F91.3 40-60% der Jungen mit F91.3 entwickeln SSV 35% ~ 50% der Jungen mit SSV entwickeln ASPS D: (KiGGS: SDQ: Verhaltensauffälligkeiten): ♂: 18,4 % (3-6a)- 15,7 % (14-17a) 60-90% der Erwachsenen mit ASPS hatten zuvor SSV ♀: 13,1 % (3-6a)- 11,9 % (14-17a) Epidemiolog. Untersuchung Rhein-Neckarkreis: (n=3981, 4. Klasse Grundschule): 6-13% SSV: ♂:♀ = 5:1 Hölling et al. 2007, NICE 2006, Siminoff et al. 1997, Carlson et al. 1997, Biederman et al. 1999, Wrowley & Riggs 1995, Young et al. 1995, Haffner et al., 2001 Moffitt et al., 2008 1 08.07.2013 DSM 5: Disruptive Mood Dysregulation Disorder A. Charakterisiert durch schwere Wutausbrüche bei gewöhnlichen Stressoren 1. Die Ausbrüche manifestieren sind verbal oder im Verhalten, durch Beschimpfungen, oder physische Gewalt gegen Menschen oder Dinge. 2. Die Reaktion ist in Intensität oder Dauer der Situation oder Provokation deutlich unangemessen DSM 5 Disruptive Mood Dysregulation Disorder D. Dauer: min. 12 Monate, kein symptomfreies intervall länger als 3 Monate. E. Wutausbrüche u./od. negative Stimmung in min. 2 Settings, davon min., in einem Setting schwer ausgeprägt 3. Die Reaktion ist nicht konsistent mit dem Entwicklungsniveau B. Frequenz: Die Wutausbrüche kommen dreimal oder häufiger in einer Woche vor. F. Alter: min. 6 Jahre G. Beginn vor dem 10. Lj. C. Stimmung zwischen den Wutausbrüchen: 1. Die Stimmung ist fast jeden Tag zwischen den Wutausbrüchen persistierend negativ ( gereizt, wütend u./od. raurig) 2. Die negative Stimmung ist durch andere beobachtbar (z.B. Eltern Lehrer, peers). H. Im vergangenen Jahr nie eine abgegrenzte Periode mit abnorm gestiegerter Stimmungslage länger als einen Tag CU traits DSM 5: Callous and Unemotional Specifier Fehlendes Schuldgefühl 1. Erfüllt SSV Kriterien Fehlende Empathie 2. 2 od. mehr durchgängig f. min. 12 Monate in min. 2 Settings, Informationen aus mehreren Quellem Kaltes Benutzen anderer für eigene Zwecke Fehlen von Reue und Schuld (außer bei Angst vor Bestrafung) Stabil von Kindheit bis ins Erwachsenenalter Fehlen von Empathie Prädiktor für Psychopathie und Delinquenz im Erwachsenenalter: Gleichgültigkeit bzgl. Performanz Mehr Kapitalverbrechen, längere Gefängnisstrafen Oberflächlicher od. fehlender Affekt Frick & White, 2008, Lynam et al., 2007, Enebrink et al., 2005, Pardini & Fite, 2010 Frick & Moffitt, 2010, www.dsm5.org CU traits Diagnostik I Defizite in Prozessierung negativer emotionaler Stimuli Symptomatik Defizite in der Erkennung von Angst und Stress bei anderen Interview mit Kind/ Jugendlicher u. Eltern (getrennt u. zusammen) Weniger sensibel bzgl. Bestrafungsreizen Kind: Familienbeziehungen, peer-Beziehungen, Freizeitverhalten, (Computerspiele), Delinquenz, Substanzkonsum, sex. Entw., Selbstbild Eltern: Umgang mit Problemen, Stress, soz. Integration, Erziehungsmethoden, Umgang mit Aggression Erwarten sich ein positiveres Ergebnis in aggressiven Situationen Furchtlosigkeit, „thrill-seeking“ Weniger ängstlich Störungsspezifische Entwicklungsgeschichte: Entw., Pränatale u. Geburtsanamnese (Alk, Drogen, Infektionen, Medikamente, Hypoxie, Streß in der SS), Med. Vorgeschichte (Anfallsleiden, Unfälle), körperl./ sex. Mißbrauch, Adoptionen, Schullaufbahn Frick & White, 2008 2 08.07.2013 Diagnostik II Ätiologie Psych. Komorbidität Kognitive Defizite HKS, Drogen, Depression, Angst, Suizidalität, Paranoia Aggression in Psychose, deviantes Verhalten Aggression (proaktiv) b. ASPD Rahmenbedingungen: Familienanamnese (Modelle, Mißbrauch, Psych. Störungen in Familie, Umweltbedingungen, Schule) Apparative Labor- und Testdiagnostik Standardfragebogen bzgl. Verhalten (Eltern Lehrer, Kind/ Jugendlicher) Psychopathie Vulnerabilität f. Aggression Trauma Testdiagnostik: IQ, Sprache, Teilleistungsstörungen Körperl. U. neurolog. Untersuchungen b. Verdacht (Substanzkonsum, Mißbrauch, neurlog. Auffälligkeiten) Drogenscreening b. Verdacht od. Anamnese Aggression (reaktiv) b. BPD Entbehrlich: Emotionale Dysregulation Apparative Diagnostik ohne anamnestische Hinweise Projektiv-psycholog. Diagnostik Psychosoziale Risikofaktoren f. Aggression, pränatal Aggression durch Trauma getriggered, PTSD Siever 2008 Phineas Gage (1848): Gehirn & Aggression Trennung der Eltern vor Geburt Geringes Einkommen der Herkunftsfamilie Mutter: häufiges antisoziales Verhalten in der Jugendzeit Geburt d. Kindes vor dem 21. Lj. kein high-school Abschluß Rauchen während der Schwangerschaft Tremblay et al. 2004 Damasio 1994 HOT or COLD Aggression HOT or COLD Aggression Hans Steiner (2005) Hans Steiner (2005) HOT COLD RADI PIP –Reactive –Planned –Affective –Instrumental –Defensive –Proactive –Impulsive HOT COLD stärkerer Einfluß des stärkerer Einfluß Hypothalamus und des höherer kortikaler limbischen Systems Strukturen Impulsivität: eher serotonerges System Beteiligung dopaminerger Strukturen Nelson & Trainor 2007 3 08.07.2013 Ätiologie: Neurotransmitter Neuroanatomie der Aggression Schädigung des frontalen Cortex: HOT ↑ Läsion, Tumor od. Epilepsie d. Temporallappens: aggressives Verhalten •Serotonin •Dopamin fMRT: •GABA •Noradrenalin Aktivität im frontalen Cortex ↓: b. Menschen mit HOT ↑ •Stickstoffmonoxid •Oxytocin / Vasopressin •Steroide (Testosteron, Östrogene) Höhere Aktivierung im PFC: weniger hohe Aggressionsscores Gesteigerte Aktivität der Amygdala beim Betrachten wütender Gesichtsausdrücke b. Menschen mit HOT ABER: reduzierte Amygdala Aktivität b. COLD Siever 2008, Nelson & Trainor 2007 …und jetzt kommt noch die Umwelt dazu… Protektive Faktoren Hoher IQ Geringe MAOA Aktivität + Kindesmißhandlung „ruhiges“ Temperament Fähigkeit gut mit anderen in Kontakt zu kommen Gute schulische Arbeitshaltung Außerschulische Kompetenzen Gute Beziehung zu min. einem Elternteil od. anderem wichtigem Erwachsenen SSV Prosoziale peers Effekt von Kindesmißhandlung auf aggressives Verhalten: signifkant stärker bei Kindern mit geringer MAOA Aktivität: Mehr antisoziales Verhalten Schulatmosphäre, die Wert auf Erfolg, Verantwortung und Selbstdisziplin legt -> Risk-Resilience-Modell Mehr Störungen des Sozialverhaltens Kein klarer Alleinauslöser: Mischung protektiver- und Risikofaktoren Mehr Verurteilungen für Gewalttaten Caspi et al. 2003 Medikamentöse Behandlung Beste Evidenz zur Zeit für –Risperidon und Eltern dissozialer Kinder zeigen häufiger: Mangel an klaren Alltagsregeln – (abends zu Hause sein, Hausaufgaben, Mithilfe) –Valproat Inkonsistente Bestrafungsregeln KEINE Zulassung für ein Medikament zur Behandlung von F90.1, F91.x oder F92 kaum nicht-aggressive Strafen In RCT waren alle atypischen & konventionellen Neuroleptika Placebo überlegen rigorose Ankündigung von Strafmaßnahmen – (time-out; "abarbeiten", Entzug von Privilegien) – (keine Diskussion über Kompromisse) Connor et al 2006, Tcheremissine et Lieving 2006, Ruths et Steiner 2004, Tcheremissine et al 2004, Steiner et al 2003, Humble et Berk 2003, McDougle et al 2003, Bassarath 2003, Gérardin et al 2002 4 08.07.2013 Familienzentrierte Interventionen „PMT“= parent management training Grundkonzept: CU: klinisch relevant? CU traits: relativ furchtlos, geringere Reaktion auf Bestrafungen – Verhaltensprobleme werden durch maladaptive ElternKind Interaktionen entwickelt und aufrechterhalten Elterntraining: Muster der Eltern- Kind Interaktion verändert- mehr prosoziales statt erzwungenes Verhalten innerhalb d. Familie CU traits: anderes Ansprechen auf Therapie – Klare und konsistente Regeln – Positive Verstärkung – Milde Konsequenzen – Kompromißbereitschaft Geringeres Ansprechen auf Elterninterventionen: – Gleiches Ansprechen auf Verwendung positiver Verstärker und Förderung prosozialen Verhaltens – Geringeres Ansprechen auf negative Verstärker Pardini, 2006 , Hawse & Dadds, 2005, Waschbusch et al., 2007 Das Antiaggressivitätstraining (AAT®) • Konfrontationsstrategie AAT® Elemente: Lebenslinienarbeit • Kennenlernen der Opfersicht: Empathiefähigkeit steigern. • Katamnesestudie (Rau 2006): Reduktion straffälligen Verhaltens. „Großes Interview“ „Heißer Stuhl“ Opferbriefe Körpersprache 5