PROPÄDEUTISCHE Ü BUN GEN ZUM GRU NDKURS ZIVILRECHT I WINTERSEMESTER 2015/16 JURISTISCHE FAKULTÄT LEHRSTUHL FÜR BÜR GERLICH ES RECHT, INTERNATIONALES PRIVATRECHT UND RECHTSVE RGLEICHUNG PROF. DR . STEPHAN LORENZ F ALL 2 – L ÖSUNG D ER EHEMALIGE J URASTUDENT Vorbemerkung: Dieser Fall soll lediglich einen Überblick über den Aufbau eines vertraglichen Primäranspruchs geben, weshalb auch inhaltlich vorgegriffen werden muss. Fragen der Geschäftsfähigkeit, des Zug-um-Zug Prinzips und der Verjährung werden erst zu einem späteren Zeitpunkt in der Vorlesung besprochen. Weiter dient der Fall der Einübung des Gutachtenstils, weshalb dieser in aller Breite – jedoch nicht repräsentativ für eine Klausur – dargestellt wird. V ARIANTE A A. Anspruch entstanden ....................................................................................................... 1 I. Einigung ................................................................................................................... 2 1. Angebot ............................................................................................................... 2 a) Beschluss zum Verkauf des Lehrbuches ........................................................... 2 b) Absichtsbekundung gegenüber K .................................................................... 2 c) Bekundung der K ............................................................................................ 2 d) Erklärung des V, für € 10,– verkaufen zu wollen ............................................... 2 2. Annahme ............................................................................................................. 2 3. Zwischenergebnis ................................................................................................ 3 II. Rechtshindernde Einwendungen – Unwirksamkeit nach § 105 Abs. 1 BGB ......................................................................................................................... 3 B. Ergebnis – Schlussfolgerung ............................................................................................ 3 K könnte von V das Buch verlangen, wenn sie einen Anspruch gegen V auf Übergabe und Übereignung des Lehrbuchs zum Allgemeinen Teil des BGB Zug-um-Zug gegen Bezahlung von € 10,– hat. Ein solcher könnte sich aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen K und V ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB über das Buch zustande gekommen ist, diesem keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen sowie der Anspruch nicht erloschen und auch durchsetzbar ist. A. Anspruch entstanden Der Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB müsste zunächst entstanden sein. Ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags. VERONIKA EICHHORN AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG I. Einigung K und V müssten einen Kaufvertrag geschlossen haben. Ein Kaufvertrag kommt durch eine Einigung zustande, die hier in Form zweier auf Abschluss eines Kaufvertrags gerichteter, übereinstimmender und gültiger Willenserklärungen vorliegen könnte, nämlich in Form eines Angebots und einer Annahme (vgl. §§ 145, 147 BGB). 1. Angebot Es müsste ein Angebot vorliegen. Ein auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichtetes Angebot muss als notwendigen Inhalt (sog. essentialia negotii) die Parteien des Kaufvertrags, den Kaufgegenstand und den Kaufpreis enthalten und dem Vertragspartner zugegangen sein. a) Beschluss zum Verkauf des Lehrbuches Als V beschloss, das Lehrbuch zum AT des BGB zu verkaufen, stand noch nicht fest, an wen und zu welchem Preis er es verkaufen wollte. Deshalb stellt der Beschluss, das Lehrbuch zu verkaufen noch kein Angebot dar. b) Absichtsbekundung gegenüber K Auch als V der K von seiner Absicht erzählte, das Lehrbuch verkaufen zu wollen, war nicht klar, ob V das Lehrbuch auch ihr anbieten würde. Jedenfalls wurde der Kaufpreis nicht genannt. Dieser war auch nicht mittels Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB bestimmbar. Folglich stellt auch die Absichtsbekundung gegenüber K noch kein Angebot dar. c) Bekundung der K Mit der Bekundung der K, dass sie Interesse habe, das Buch zu erwerben, waren zwar Vertragsparteien und Kaufgegenstand bestimmt, jedoch fehlt es auch hier an der Bestimmung bzw. Bestimmbarkeit des Kaufpreises. Daher stellt auch die Bekundung der K gegenüber V noch kein Angebot dar. d) Erklärung des V, für € 10,– verkaufen zu wollen In der Erklärung des V, das Buch für € 10,– an K verkaufen zu wollen, sind hingegen alle wesentlichen Vertragsbestandteile – Vertragsparteien, Kaufgegenstand und Kaufpreis – genau bezeichnet (die sog. essentialia negotii). Damit ist diese von V abgegebene Äußerung als Angebot i.S.d. § 145 BGB anzusehen. Dieses von V abgegebene Angebot ist K auch zugegangen, so dass ein wirksames Angebot 1 des V vorliegt. 2. Annahme Damit ein Kaufvertrag über das Buch zum Preis von € 10,– zustande gekommen ist, müsste K das Angebot des V angenommen haben. Annahme ist die Erklärung des vorbehaltlosen Einverständnisses mit dem Angebot. In der vorbehaltlosen Erklärung der K, mit dem von V genannten Preis einverstanden zu sein, liegt die Annahme des von V unterbreiteten Angebots. 1 Das Thema Wirksamkeit von Willenserklärungen und Zugang wird in Einheit 3 eingeführt und daher an dieser Stelle noch ausgeklammert. SEITE 2 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG Diese von K abgegebene Annahmeerklärung ist dem V auch rechtzeitig 2 i.S.v. § 147 Abs. 1 S. 1 BGB zugegangen, so dass eine wirksame Annahme der K vorliegt. 3. Zwischenergebnis V und K haben sich durch Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB) auf den Abschluss eines Kaufvertrags über das Lehrbuch zum Preis von € 10,– geeinigt. II. Rechtshindernde Einwendungen – Unwirksamkeit nach § 105 Abs. 1 BGB 3 Dieser Kaufvertrag könnte aber gem. § 105 Abs. 1 Geschäftsunfähigkeit des V von Anfang an unwirksam sein. BGB wegen Geschäftsunfähig ist gem. § 104 Nr. 2 BGB unter anderem, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Da V unerkannt geisteskrank ist, ist er gem. § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig. Die von ihm abgegebene Willenserklärung ist mithin gem. § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Somit fehlt es an einem wirksamen Angebot des V. Mangels zweier gültiger Willenserklärungen ist der zwischen K und V geschlossen Kaufvertrag unwirksam. Der Anspruch der K gegen V auf Übergabe und Übereignung des Buches aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist nicht entstanden. B. Ergebnis – Schlussfolgerung Nachdem K keinen Anspruch gegen V auf Übergabe und Übereignung des Lehrbuches aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB hat, kann sie es nicht verlangen. 2 Zur Rechtzeitigkeit der Annahme und ihrer Rechtsfolge siehe Einheit 3 besprochen. Hinweis: Das Thema Geschäftsfähigkeit wird in der Vorlesung im Teil BGB AT (§ 7) besprochen und dient hier nur zur Erläuterung des Anspruchsaufbaus. 3 SEITE 3 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG SEITE 4 VON 11 V ARIANTE B A. Anspruch entstanden ....................................................................................................... 4 I. Einigung ................................................................................................................... 4 II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse ........................................ 4 III. Zwischenergebnis ...................................................................................................... 5 B. Anspruch erloschen (rechtsvernichtende Einwendung) ...................................................... 5 I. Bewirken der geschuldeten Leistung gem. § 929 S. 1 BGB ........................................... 5 1. Übereignung ........................................................................................................ 5 a) Einigung ........................................................................................................ 5 b) Übergabe einer beweglichen Sache ................................................................. 5 c) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe (+) ......................................................... 5 d) Verfügungsberechtigung der K (+), § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB .............................. 5 e) 2. Zwischenergebnis........................................................................................... 5 Zwischenergebnis ................................................................................................ 6 II. an den Gläubiger V .................................................................................................... 6 III. Zwischenergebnis ...................................................................................................... 6 C. Ergebnis ......................................................................................................................... 6 V könnte von K erneut Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 10,– Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Buches verlangen, wenn er einen Anspruch aus Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 2 BGB hat. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen K und V ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB über das Buch zustande gekommen ist, diesem keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen, sowie der Anspruch nicht erloschen und auch durchsetzbar ist. A. Anspruch entstanden Der Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB müsste zunächst entstanden sein. Ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs. 2 BGB entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags. I. Einigung V und K haben sich durch Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB) auf den Abschluss eines Kaufvertrags über das Lehrbuch zum Preis von € 10,– geeinigt (vgl. oben). II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse Anhaltspunkte, welche der Wirksamkeit des Vertrags entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Dem geschlossenen Kaufvertrag stehen damit keine sog. rechtshindernden Einwendungen entgegen. AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG III. Zwischenergebnis Folglich haben V und K einen wirksamen Kaufvertrag über das Buch zum Preis von € 10,– geschlossen. Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs. 2 BGB ist entstanden. B. Anspruch erloschen (rechtsvernichtende Einwendung) Der aus dem Kaufvertrag resultierende Anspruch des V gegen K auf Zahlung des Kaufpreises dürfte nicht erloschen sein. Hier könnte der Anspruch durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen sein. 4 Die Erfüllung eines schuldrechtlichen Anspruchs setzt nach § 362 Abs. 1 BGB voraus, dass die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. I. Bewirken der geschuldeten Leistung gem. § 929 S. 1 BGB Die geschuldete Leistung müsste bewirkt worden sein. Die nach § 433 Abs. 2 BGB geschuldete Leistung, der Kaufpreis i.H.v. € 10,– , könnte durch Übereignung gem. § 929 S. 1 BGB bewirkt worden sein. Nach § 929 S. 1 BGB ist zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache erforderlich, dass der Verfügungsberechtigte die Sache dem Erwerber übergibt und beide im Zeitpunkt der Übergabe darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. 1. Übereignung a) Einigung Eine Einigung besteht aus zwei übereinstimmenden und gültigen Willenserklärungen. Indem K dem V einen 10-Euro-Schein gibt und V diesen nimmt, haben sich beide konkludent darüber geeinigt, dass das Eigentum an dem Geldschein von K auf V übergehen soll. Diese Erklärungen sind dem jeweils anderen auch zugegangen und damit wirksam. b) Übergabe einer beweglichen Sache Ein Geldschein ist eine bewegliche Sache. Eine Übergabe setzt voraus, dass K den Besitz an dem Geldschein vollständig aufgibt und V den Besitz (§ 854 BGB) auf Veranlassung der K erworben hat (Realakt). Dies ist hier der Fall. c) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe (+) d) Verfügungsberechtigung der K (+) Nachdem K Besitzerin des 10-Euro-Scheines ist (§ 854 BGB) wird die Eigentümerstellung der K zumindest gem. § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB vermutet. K war somit verfügungsbefugt. e) Zwischenergebnis Somit hat K dem V den 10-Euro-Schein wirksam übereignet. 4 Hinweis: Die Erfüllung gem. §§ 362 ff. BGB wird in der Vorlesung im Teil Schuldrecht AT (§ 6/A) besprochen und dient hier nur zur Erläuterung des Anspruchsaufbaus. SEITE 5 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG 2. Zwischenergebnis Damit hat K die geschuldete Leistung bewirkt. II. an den Gläubiger V Die geschuldete Leistung wurde auch an den Gläubiger V bewirkt. III. Zwischenergebnis Der Anspruch des V gegen K auf Zahlung des Kaufpreises ist damit in voller Höhe erloschen. C. Ergebnis V hat keinen Anspruch mehr gegen K auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 10,– aus § 433 Abs. 2 BGB und kann damit nicht erneut Zahlung des Kaufpreises verlangen. SEITE 6 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG SEITE 7 VON 11 V ARIANTE C A. Anspruch entstanden ....................................................................................................... 7 I. Einigung ................................................................................................................... 7 II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse ........................................ 7 III. Zwischenergebnis ...................................................................................................... 8 B. Anspruch erloschen ......................................................................................................... 8 C. Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden) ............................... 8 I. Gegenseitiger Vertrag ................................................................................................ 8 II. Keine Vorleistungspflicht ........................................................................................... 8 III. Nicht-Bewirken der Gegenleistungspflicht ................................................................... 8 IV. Geltendmachung der Einrede ...................................................................................... 9 V. Zwischenergebnis ...................................................................................................... 9 D. Ergebnis – Schlussfolgerung ............................................................................................ 9 K könnte das Buch sofort von V verlangen, wenn sie einen Anspruch gegen V auf Übergabe und Übereignung des Lehrbuchs zum Allgemeinen Teil des BGB hat. Ein solcher könnte sich aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen K und V ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB über das Buch zustande gekommen ist, diesem keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen, sowie der Anspruch nicht erloschen und auch durchsetzbar ist. A. Anspruch entstanden 5 Der Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB müsste zunächst entstanden sein. Ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags. I. Einigung V und K haben sich durch Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB) auf den Abschluss eines Kaufvertrags über das Lehrbuch zum Preis von € 10,– geeinigt (vgl. oben). II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse Anhaltspunkte, welche der Wirksamkeit des Vertrags entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Dem geschlossenen Kaufvertrag stehen damit keine sog. rechtshindernden Einwendungen entgegen. 5 Wie Variante B. AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG III. Zwischenergebnis Folglich haben V und K einen wirksamen Kaufvertrag über das Buch zum Preis von € 10,– geschlossen. Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Buches aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist entstanden. B. Anspruch erloschen Rechtsvernichtende Einwendungen des V sind nicht ersichtlich. Der aus dem Kaufvertrag resultierende Anspruch der K auf Übergabe und Übereignung des Buches ist noch nicht erloschen. C. Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden) Diesen Anspruch auf Übergabe und Übereignung müsste K jedoch durchsetzen können. Das ist dann der Fall, wenn V keine sog. rechtshemmende Einwendung (Einrede) geltend machen kann. Hier könnte V dazu berechtigt sein, seine Leistung nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB zu verweigern. 6 Die dilatorische (= aufschiebende) Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Kaufvertrag ein gegenseitiger Vertrag, V nicht vorleistungspflichtig und die Gegenleistung noch nicht bewirkt worden ist. Weiter muss die Einrede geltend gemacht werden. I. Gegenseitiger Vertrag Der Kaufvertrag müsste ein gegenseitiger Vertrag i.S.d. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB sein. Gegenseitige Verträge stellen eine Leistung und eine Gegenleistung in ein Austauschverhältnis, d.h. jede Vertragspartei betrachtet die Leistung der jeweils anderen Partei als Gegenleistung für die eigene Leistung (do ut es). Bei einem Kaufvertrag verpflichtet sich der Käufer nur deshalb zu einer Preiszahlung, damit der Verkäufer die Übergabe und Übereignung der Kaufsache verspricht. Damit stehen die Pflicht des Verkäufers zur Übergabe und Übereignung der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 S. 1) und die Kaufpreiszahlungspflicht des Käufers (§ 433 Abs. 2 BGB) in einem Austauschverhältnis. Ein Kaufvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag. II. Keine Vorleistungspflicht V könnte sich nicht auf die Einrede aus § 320 Abs. 1 S. 1 BGB berufen, wenn er vorleistungspflichtig ist. Da V und K weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Abrede getroffen haben, ist V nicht vorleistungspflichtig gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB. III. Nicht-Bewirken der Gegenleistungspflicht Weiter könnte sich V nicht auf die Einrede aus § 320 Abs. 1 S. 1 BGB berufen, wenn die Gegenleistung bereits bewirkt worden ist. 6 Hinweis: Das Zug-um-Zug Prinzip – die Einrede des nicht erfüllten Vertrags – wird in der Vorlesung im Teil Schuldrecht AT (§ 5/A/I) besprochen. Aufgrund der Klausurrelevanz wird dies jedoch schon früher in den Fällen gelehrt und muss auch beherrscht werden. SEITE 8 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG K hatte kein Geld dabei. Nachdem weder sie noch ein Dritter den Kaufpreis bezahlt haben, ist die Gegenleistung i.S.d. § 433 Abs. 2 BGB noch nicht bewirkt. IV. Geltendmachung der Einrede Weiter müsste V die Einrede auch geltend gemacht haben. In der Erklärung, K das Buch nur gegen Bezahlung der 10,– überlassen zu wollen, liegt die Geltendmachung der Einrede des nicht erfüllten Vertrags, (§§ 133, 157 BGB). V. Zwischenergebnis V hat folglich die Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam erhoben. Diese hat jedoch nur die Wirkung, dass K die Leistung nur Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 10,– verlangen kann (vgl. § 322 Abs. 1 BGB entspr.) D. Ergebnis – Schlussfolgerung K kann von V die Übergabe und Übereignung des Buches aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB sofort verlangen, allerdings nur Zug-um-Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises i.H.v. von € 10,–. SEITE 9 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG SEITE 10 VON 11 V ARIANTE D A. Anspruch entstanden ..................................................................................................... 10 B. Anspruch erloschen ....................................................................................................... 10 C. Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden) ............................. 10 I. Anspruch i.S.d. § 194 Abs. 1 BGB ............................................................................. 11 II. Verjährung im konkreten Fall ................................................................................... 11 III. Zwischenergebnis .................................................................................................... 11 D. Ergebnis ....................................................................................................................... 11 V könnte von K noch Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 10,– verlangen, wenn er einen Anspruch aus Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 2 BGB hat. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen K und V ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB über das Buch zustande gekommen ist, diesem keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen, sowie der Anspruch nicht erloschen und auch durchsetzbar ist. A. Anspruch entstanden Der Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB müsste zunächst entstanden sein. Ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs. 2 BGB entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags. V und K haben einen wirksamen Kaufvertrag über das Buch zum Preis von € 10,– geschlossen. Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs. 2 BGB ist entstanden (s.o.). 7 B. Anspruch erloschen Rechtsvernichtende Einwendungen der K sind nicht ersichtlich. 8 Der aus dem Kaufvertrag resultierende Anspruch des V gegen K auf Kaufpreiszahlung ist noch nicht erloschen. C. Anspruch durchsetzbar (Rechtshemmende Einwendungen – Einreden) Die Durchsetzung des Anspruchs des V gegen K aus § 433 Abs. 2 BGB könnte aber gehemmt sein. Nachdem bereits 5 Jahre vergangen sind, kommt die peremptorische (= dauerhafte) Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB in Betracht. Möglicherweise kann sich K auf Verjährung des von V geltend gemachten Anspruchs berufen und deshalb gem. § 214 Abs. 1 BGB die Erbringung der, von ihr aufgrund des mit V geschlossenen Kaufvertrags, geschuldeten Leistung verweigern. 9 Das setzt voraus, dass der Anspruch aus § 433 Abs. 2 7 S.o. Variante C. K hat anders als in Variante B noch nicht bezahlt. 9 Hinweis: Der Bearbeitervermerk gibt hier vor, dass die Verjährung bereits eingetreten ist. Streng genommen hätte auch C/I nicht mehr geprüft werden müssen. Es sollte lediglich § 214 Abs. 1 BGB gefunden und richtig verortet werden. Die Verjährung wird in der Vorlesung im Teil BGB AT (§§ 22, 23) besprochen und dient hier nur zur Erläuterung des Anspruchsaufbaus. 8 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16 FALL 2 – LÖ SUNG BGB grundsätzlich der Verjährung unterliegt und im konkreten Fall verjährt ist. I. Anspruch i.S.d. § 194 Abs. 1 BGB Der Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB müsste grundsätzlich der Verjährung unterliegen. Der Verjährung unterliegt nur ein Anspruch i.S.d. § 194 Abs. 1 BGB, also Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Verkäufer ist nach § 433 Abs. 2 BGB berechtigt, vom Käufer die Zahlung vereinbarten Kaufpreises, mithin ein Tun, zu verlangen. Der Anspruch § 433 Abs. 2 BG ist damit ein Anspruch i.S.d. § 194 Abs. 1 BGB. das Der des aus Der Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB unterliegt damit grundsätzlich der Verjährung. II. Verjährung im konkreten Fall Der Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB müsste im konkreten Fall verjährt sein. Voraussetzung dafür ist gem. § 214 Abs. 1 BGB der Eintritt der Verjährung des Anspruchs des V. Nachdem die Verjährung bereits eingetreten ist, kann sich K auf Verjährung des von V geltend gemachten Anspruchs berufen und deshalb die Erbringung der, von ihr aufgrund des mit V geschlossenen Kaufvertrags, geschuldeten Leistung verweigern. III. Zwischenergebnis Die Durchsetzung des Anspruchs des V gegen K auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB ist dauerhaft gehemmt. D. Ergebnis Folglich kann V von K die Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 10,– nicht mehr verlangen. SEITE 11 VON 11