1.6 Die komplexen Zahlen - Mathematik, TU Dortmund

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1.6
Die komplexen Zahlen
Definition und Satz 1.6.1. Die komplexen Zahlen C sind formale Ausdrücke
der Gestalt a + bi mit a, b ∈ R und i ein Symbol. Es gilt hierbei a + bi = a0 + b0 i
⇐⇒ a = a0 und b = b0 .
Auf C werden Addition und Multiplikation wie folgt definiert:
• (a + bi) + (a0 + b0 i) := (a + a0 ) + (b + b0 )i;
• (a + bi) · (a0 + b0 i) := (aa0 − bb0 ) + (ab0 + ba0 )i.
Statt a + 0i schreibt man auch a, statt 0 + bi auch bi. Damit gilt i2 = −1.
(C, +, ·) ist ein kommutativer Ring mit 0C = 0, 1C = 1, −(a + bi) = (−a) +
(−b)i = −a − bi.
Für z = a + bi ∈ C nennt man a den Realteil von z, a = Re(z), und b den
Imaginärteil von z, b = Im(z).
Falls z = a + bi ∈ C, z 6= 0, so besitzt z ein Inverses bzgl. der Multiplikation:
z −1 =
a2
−b
a
+ 2
i.
2
+b
a + b2
Insbesondere gilt C∗ = C \ {0}, also ist C ein Körper der R als Unterkörper
enthält: R = {a + bi ∈ C | b = 0}.
Bemerkung. Man kann C auch definieren als R × R mit Addition (a, b) +
(a0 , b0 ) = (a + a0 , b + b0 ), (a, b)(a0 , b0 ) = (aa0 − bb0 , ab0 + ba0 ). Damit gilt
1C = (1, 0) und i = (0, 1), und R kann man identifizieren mit {(a, 0) | a ∈ R}.
Die komplexen Zahlen kann man darstellen in der Gaußschen (oder komplexen)
Zahlenebene:
Im
reiϕ = r(cos ϕ + i sin ϕ)
•
3
2
r
1
−3
−2
−1
0
....
................
ϕ........
..
.
.
.
1
2
3
4
−1
1
5
•6 + 2i
6
7
Re
Definition und Satz 1.6.2. Die zu z = x + yi ∈ C konjugiert komplexe
oder konjugierte Zahl z ∈ C ist definiert durch z = x − yi. Die Abbildung
C → C : z → z heißt (komplexe) Konjugation. Es gilt ∀z, w ∈ C:
• z + w = z + w;
• z · w = z · w.
Inbesondere ist C → C : z → z ein Ringisomorphismus.
Definition und
p Satz 1.6.3. Der Betrag |z| von z = x + yi ∈ C ist definiert
durch |z| := x2 + y 2 . Es gilt (z, w ∈ C):
(1) |z| ≥ 0;
(2) |z| = 0 ⇐⇒ z = 0;
(3) zz = |z|2 ;
(4) |zw| = |z| · |w|;
(5) |z + w| ≤ |z| + |w| (Dreiecksungleichung );
(6) z 6= 0 =⇒ z −1 =
z
.
|z|2
Definition und Satz 1.6.4. Jedes z ∈ C∗ kann geschrieben werden als
z = r(cos ϕ + i sin ϕ)
mit eindeutig bestimmten r ∈ R>0 , ϕ ∈ [0, 2π). (r, ϕ) heißen die Polarkoordinaten von z, ϕ = Arg(z) heißt Argument von z, r = |z| ist der Betrag von
z.
Für die Multiplikation gilt: z = r(cos ϕ + i sin ϕ), z 0 = r0 (cos ϕ0 + i sin ϕ0 ) =⇒
zz 0 = rr0 cos(ϕ + ϕ0 ) + i sin(ϕ + ϕ0 ) , d.h. Beträge werden multipliziert, Winkel
(Argumente) addiert.
Beispiel. ω := 21 +
also ϕ = π3 .
√
−3
,
2
|ω| = 1, ω = cos ϕ + i sin ϕ mit cos ϕ = 12 , sin ϕ =
Damit: ω 3 = −1, ω 6 = 1.
An Hand der Reihen
x
e =
∞
X
xn
n=0
2
n!
,
√
3
,
2
cos x =
∞
X
nx
(−1)
n=0
sin x =
∞
X
(−1)n
n=0
2n
2n!
,
x2n+1
(2n + 1)!
kann man durch Einsetzen von x := iϕ formal zeigen: eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ (dass
dies auch analytisch Sinn macht wird in der Funktionentheorie gezeigt).
Satz 1.6.5. (Satz von Euler) Sei z ∈ C, |z| = r ∈ R≥0 , Arg(z) = ϕ ∈ [0, 2π).
Dann gilt
z = r(cos ϕ + i sin ϕ) = reiϕ .
0
0
Bemerkung. Mit der üblichen Formel ez+z = ez ez lassen sich nun umgekehrt
leicht die trigonometrischen Formeln für cos(ϕ ± ψ), sin(ϕ ± ψ) etc. auf rein
algebraische Weise herleiten:
ei(ϕ+ψ) = cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ) nach Euler. Aber auch
ei(ϕ+ψ) = eiϕ+iψ = eiϕ · eiψ
= (cos ϕ + i sin ϕ)(cos ψ + i sin ψ)
= (cos ϕ cos ψ − sin ϕ sin ψ) + i(cos ϕ sin ψ + sin ϕ cos ψ)
und durch Vergleichen von Real- und Imaginärteil erhält man so
cos(ϕ + ψ) = cos ϕ cos ψ − sin ϕ sin ψ
sin(ϕ + ψ) = cos ϕ sin ψ + sin ϕ cos ψ
Definition und Satz 1.6.6. Sei n ∈ N,
2π
2π
+ i sin
.
ωn := cos
n
n
Die Zahlen ωnk , 0 ≤ k ≤ n − 1 sind genau die Zahlen in C, die die Gleichung
z n = 1 erfüllen. Sie heißen n-te Einheitswurzeln.
Für 0 6= w = r(cos ϕ + i sin ϕ), r ∈ R>0 , ϕ ∈ [0, 2π), gibt es genau n Zahlen in
C, die z n = w erfüllen. Diese sind
ϕ √ ϕ
+ i sin
· ωnk , 0 ≤ k ≤ n − 1 .
ck := n r cos
n
n
Ohne Beweis nennen wir den folgenden wichtigen Satz:
3
Satz 1.6.7. (Fundamentalsatz der Algebra) Sei f (X) = an X n + an−1 X n−1 +
. . . + a1 X + a0 ∈ C[X] ein Polynom mit an 6= 0. Dann gibt es bis auf die
Reihenfolge eindeutig bestimmte c1 , . . . , cn ∈ C mit
f (X) = an (X − c1 )(X − c2 ) . . . (X − cn ) .
Beispiel. Faktorisieren
von X 4 +√1 über C:
√
X 4 + 1 = (X + 22 (1 + i))(X + 22 (1 − i))(X −
4
√
2
(1
2
√
+ i))(X −
2
(1
2
− i)).
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