Kapitel 4 Die Konstruktion der reellen Zahlen

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Kapitel 4
Die Konstruktion der reellen Zahlen
Wir wollen in diesem Kapitel die am Anfang verschobene Konstruktion der reellen Zahlen nachholen und zeigen, dass diese eindeutig dadurch charakterisiert sind, dass R ein
vollständig angeordneter Körper ist.
4.1 Existenz
4.1.1 Bemerkung. Hat man die reellen Zahlen als vollständig angeordneten Körper zur
Verfügung – was ja noch nicht der Fall ist, so wissen wir aus Beispiel 3.3.4, dass sich jedes
x ∈ R als Grenzwert einer Folge bestehend aus rationalen Zahlen darstellen lässt. Diese
Folgen sind gemäß Proposition 3.5.4 auch Cauchy-Folgen.
Da R ein vollständig metrischer Raum ist, konvergiert andererseits jede Cauchy-Folge
bestehend aus rationalen Zahlen gegen ein x ∈ R. Dabei konvergieren offenbar zwei solche
Folgen genau dann gegen dieselbe reelle Zahl, wenn die Differenzenfolge eine Nullfolge
ist.
Die Überlegung in Bemerkung 4.1.1 legt es nahe, einen vollständig angeordneten Körper
als Menge von rationalen Cauchy-Folgen zu konstruieren, wobei zwei solche Folgen
identifiziert werden, wenn ihre Differenzenfolge eine Nullfolge ist.
Ein Problem dabei ist, dass wir die Begriffe Cauchy-Folge bzw. konvergente Folge in
Definition 3.5.1 bzw. Definition 3.2.2 mit Hilfe der reellen Zahlen definiert haben, da
in (3.9) bzw. (3.3) die > 0 aus den reellen Zahlen sind. Wie wir in Bemerkung 3.5.2
gesehen haben, können wir diese > 0 auch aus Q wählen, und erhalten denselben Begriff
von Cauchy-Folge bzw. von konvergenter Folge.
Eine weitere Obstruktion ist die Tatsache, dass wir Konvergenztheorie immer von Folgen
in metrischen Räumen betrieben haben. Die Metrik hat definitionsgemäß aber Werte in
R. Diesem Problem können wir dadurch begegnen, dass wir den Begriff des metrischen
Raumes hX, di leicht dadurch verändern, dass wir annehmen, dass d nur Werte in Q hat;
siehe Definition 3.1.1 und Bemerkung 3.1.2. Ein solcher metrischer Raum ist klarerweise
hQ, di, wobei d(x, y) = |x − y|.
120
4 Die Konstruktion der reellen Zahlen
Eine Folge (xn )n∈N in einem solchen metrischen Raum X heißt dann konvergent gegen
x ∈ X, wenn
∀ ∈ Q, > 0 ∃N ∈ N : d(xn , x) < für alle n ≥ N ,
und sie heißt Cauchy-Folge, wenn
∀ ∈ Q, > 0 ∃N ∈ N : d(xn , xm ) < für alle m, n ≥ N .
Fasst man eine Q-wertige Metrik wieder als R-wertig auf, so wissen wir aus Bemerkung
3.5.2, dass diese Konvergenzbegriffe mit den schon bekannten übereinstimmen.
Die Konstruktion eines vollständig angeordneten Körpers erfolgt nun in einigen Schritten.
Schritt 1: Sei X die Menge aller rationalen Cauchy-Folgen, und sei ∼⊆ X × X die
Relation
(rn )n∈N ∼ (sn )n∈N :⇔ lim (rn − sn ) = 0 .
n→∞
Diese Relation ist eine Äquivalenzrelation. Dabei ist Reflexivität und Symmetrie
klar. Um die Transitivität nachzuweisen, seien (rn )n∈N ∼ (sn )n∈N und (sn )n∈N ∼ (tn )n∈N
gegeben. Es ist limn→∞ (rn − sn ) = limn→∞ (sn − tn ) = 0, und somit gilt für die Summe
dieser Folgen limn→∞ (rn − tn ) = 0. Also ist (rn )n∈N ∼ (tn )n∈N .
Es sei bemerkt, dass wir die verwendeten Regeln für Folgen in Q-wertigen metrischen Räumen nicht hergeleitet haben, obwohl wir sie hier und im Folgenden des
öfteren verwenden. Das zu tun ist aber nur eine Abschreibübung für die Ergebnisse
aus Proposition 3.5.3, Lemma 3.3.1 und Satz 3.3.5, indem wir immer dann, wenn
von R die Rede ist, diese durch Q ersetzen.
Schritt 2: Unser Ziel soll sein, X/∼ zu einem vollständig angeordneten Körper zu machen.
Dazu brauchen wir Operationen, die wir zunächst auf X definieren:
(rn )n∈N + (sn )n∈N := (rn + sn )n∈N ,
−(rn )n∈N := (−rn )n∈N ,
(rn )n∈N · (sn )n∈N := (rn · sn )n∈N .
Mit (rn )n∈N , (sn )n∈N sind auch (rn )n∈N + (sn )n∈N , −(rn )n∈N und (rn )n∈N · (sn )n∈N CauchyFolgen. Um das etwa für die Multiplikation zu zeigen, sei C ∈ Q, C > 0, sodass
|rn |, |sn | ≤ C, n ∈ N (siehe Proposition 3.5.3), und rechne
|rn sn − rm sm | ≤ |rn sn − rn sm | + |rn sm − rm sm | ≤ C|sn − sm | + C|rn − rm | .
Dieser Ausdruck ist kleiner als ein vorgegebenes rationales > 0, wenn man N so
groß wählt, dass |sn − sm |, |rn − rm | < 2C
für m, n ≥ N.
Schritt 3: Da die Verknüpfungen + und · gliedweise definiert sind, folgt aus den Rechenregeln auf Q, dass für + und · das Kommutativgesetz, das Assoziativgesetz und das
Distributivgesetz gelten. Klarerweise gilt auch
(rn )n∈N + (0)n∈N = (rn )n∈N , −(rn )n∈N + (rn )n∈N = (0)n∈N ,
4.1 Existenz
121
(rn )n∈N · (1)n∈N = (rn )n∈N .
Wir können aber X nicht zu einem Körper machen, denn zu (rn )n∈N , (0)n∈N können
wir im Allgemeinen kein multiplikativ Inverses finden.
Schritt 4: Die Äquivalenzrelation ∼ lässt sich nun mit Hilfe obiger Verknüpfungen
charakterisieren:
(rn )n∈N ∼ (sn )n∈N ⇔ (rn )n∈N + (−(sn )n∈N ) ist Nullfolge ,
und
(rn )n∈N ist Nullfolge ⇔ (rn )n∈N ∼ (0)n∈N .
Daraus schließen wir, dass oben eingeführte Operationen mit ∼ verträglich sind:
Aus (rn )n∈N ∼ (rn0 )n∈N und (sn )n∈N ∼ (s0n )n∈N folgt (rn )n∈N + (sn )n∈N ∼ (rn0 )n∈N + (s0n )n∈N ,
−(rn )n∈N ∼ −(rn0 )n∈N sowie (rn )n∈N · (sn )n∈N ∼ (rn0 )n∈N · (s0n )n∈N . Letztere Relation etwa
erhält man aus
(rn )n∈N · (sn )n∈N + (−(rn0 )n∈N · (s0n )n∈N ) = rn (sn − s0n ) + s0n (rn − rn0 ) n∈N ∼ (0)n∈N ,
da mit (sn − s0n )n∈N und (rn − rn0 )n∈N auch rn (sn − s0n ) + s0n (rn − rn0 )
Schritt 5: Setzt man1
n∈N
Nullfolgen sind.
P = {(rn )n∈N ∈ X : ∃δ ∈ Q, δ > 0, rn ≥ δ für fast alle n ∈ N} ,
und −P = {(−rn )n∈N ∈ X : (rn )n∈N ∈ P}, so gehört jede Folge (rn )n∈N ∈ X zu genau
einer der drei Teilmengen P, [(0)n∈N ]∼ , −P. Ist (rn )n∈N ∼ (ρn )n∈N , so gehört (ρn )n∈N
zur selben Teilmenge.
Beweis. Da nicht gleichzeitig −rn ≥ δ und rn ≥ δ für fast alle n ∈ N sein kann,
folgt −P ∩ P = ∅. Aus (rn )n∈N ∼ (0)n∈N folgt rn → 0. Also unterschreitet |rn | jedes
vorgegebene δ > 0, wenn nur n hinreichend groß ist. (rn )n∈N kann damit weder in P
noch in −P liegen.
Seien (rn )n∈N , (ρn )n∈N ∈ X äquivalent, aber beide nicht äquivalent zu (0)n∈N . Also
sind beide keine Nullfolgen. Für (rn )n∈N bedeutet das
∃δ ∈ Q, δ > 0 : ∀N ∈ N ∃ : m(N) ≥ N : |rm(N) | ≥ δ .
(4.1)
Sei N ∈ N, sodass |rn −rm | < 4δ , |ρn −rn | < 4δ , m, n ≥ N. Aus der Dreiecksungleichung
folgt unmittelbar |ρn − rm | < 2δ und weiter
δ
δ
|rn | ≥ |rm | − |rn − rm | > |rm | − , |ρn | ≥ |rm | − |ρn − rm | > |rm | − .
4
2
1
Fast alle bedeutet hier „alle bis auf endlich viele“.
(4.2)
122
4 Die Konstruktion der reellen Zahlen
Wählt man hier m = m(N) wie in (4.1), so folgt wegen |rm | ≥ δ aus |rn − rm | <
|ρn − rm | < 2δ , dass
sgn(rn ) = sgn(rm ) = sgn(ρn ) .
δ
4
und
Aus (4.2) folgt |rn |, |ρn | ≥ 2δ . Also liegen (rn )n∈N und (ρn )n∈N gemeinsam in P bzw.
−P je nach dem Vorzeichen von rm .
q
Schritt 6: Man sieht auch ganz leicht, dass aus (rn )n∈N , (sn )n∈N ∈ P folgt, dass (rn )n∈N +
(sn )n∈N , (rn )n∈N · (sn )n∈N ∈ P.
Schritt 7: Nun betrachten wir X/∼ und definieren
[(rn )n∈N ]∼ + [(sn )n∈N ]∼ := [(rn )n∈N + (sn )n∈N ]∼ ,
[(rn )n∈N ]∼ · [(sn )n∈N ]∼ := [(rn )n∈N · (sn )n∈N ]∼ ,
−[(rn )n∈N ]∼ = [−(rn )n∈N ]∼ ,
P/∼ = {[(rn )n∈N ]∼ : (rn )n∈N ∈ P} .
Wegen Schritt 4 sind die Verknüpfungen wohldefiniert, und wegen Schritt 5 sind
P/∼, [(0)n∈N ]∼ , −P/∼ paarweise disjunkte Mengen, deren Vereinigung X/∼ ist.
Nun übertragen sich das Kommutativgesetz, das Assoziativgesetz und das Distributivgesetz für + und · . Die Restklasse [(0)n∈N ]∼ ist das additiv neutrale Element, und
[(1)n∈N ]∼ ist das multiplikativ neutrale Element. Weiters ist −[(rn )n∈N ]∼ das additiv
Inverse von [(rn )n∈N ]∼ .
Was X/∼ noch fehlt, ein Körper zu sein, ist die Existenz einer multiplikativ Inversen.
Dazu sei [(rn )n∈N ]∼ , [(0)n∈N ]∼ .
Wegen Schritt 5 gilt |rn | ≥ δ für ein rationales δ > 0 und alle n ∈ N mit n ≥ N. Also
erhalten wir für m, n ≥ N
1 − 1 ≤ |rn − rm | ,
rn rm δ2
und sehen, dass (qn )n∈N mit qn = r1n für n ≥ N, und qn = 0 für n < N, eine CauchyFolge ist. Zudem gilt [(rn )n∈N ]∼ · [(qn )n∈N ]∼ = [(1)n∈N ]∼ .
Schließlich ist hX/∼, +, ·, P/∼i wegen Schritt 6 sogar ein angeordneter Körper. Wir
bemerken noch, dass wegen Schritt 5 für die Ordnung ≤ auf X/∼ gilt, dass
[(rn )n∈N ]∼ < [(sn )n∈N ]∼ ⇔ rn + δ ≤ sn , n ≥ N ,
für ein δ > 0 und ein N ∈ N. Insbesondere folgt aus rn ≤ sn , n ≥ N für ein N ∈ N,
dass [(rn )n∈N ]∼ ≤ [(sn )n∈N ]∼ .
Schritt 8: Die Abbildung r 7→ [(r)n∈N ]∼ von Q nach X/∼ ist offenbar nicht identisch
gleich [(0)n∈N ]∼ und mit der Addition und Multiplikation verträglich. Somit ist
dies die eindeutige Abbildung φ : Q → X/∼ aus Proposition 2.7.8, die für jeden
angeordneten Körper existiert. Wegen Proposition 2.7.8 ist diese Abbildung auch
injektiv und mit −, < und ≤ verträglich.
4.1 Existenz
123
Schritt 9: hX/∼, +, ·, P/∼i ist ein archimedisch angeordneter Körper, denn für jedes
[(rn )n∈N ]∼ ∈ X/∼, ist (rn )n∈N eine Cauchy-Folge und daher beschränkt. Da Q archimedisch angeordnet ist, gibt es ein N ∈ N, sodass rn ≤ N, n ∈ N. Das bedingt
aber [(rn )n∈N ]∼ ≤ [(N)]∼ < [(N + 1)]∼ , womit [(rn )n∈N ]∼ keine obere Schranke von
{[(k)n∈N ]∼ : k ∈ N} sein kann.
Schritt 10: Nun wollen wir zeigen, dass unser Körper vollständig angeordnet ist. Dazu
sei A ⊆ X/∼ eine nach oben beschränkte, nicht leere Menge. Wegen dem vorherigen
Punkt gilt somit A ≤ [(N+ )]∼ für ein festes N+ ∈ N. Wegen A , ∅ existiert ebenfalls
nach dem vorherigen Punkt auch ein N− ∈ Z, sodass [(N− )]∼ keine obere Schranke
von A ist.
Für j ∈ N sei 1j! Z die Menge aller rationalen Zahlen der Form
q = j!. Weiters sei
1
D j = {r ∈ Z : A ≤ [(r)n∈N ]∼ } ,
j!
womit
1
1
Z \ D j = {r ∈ Z : ∃a ∈ A, [(r)n∈N ]∼ < a} .
j!
j!
Aus 1j! Z ⊆
1
Z
( j+1)!
p
q
mit p ∈ Z und
folgt
D j ⊆ D j+1 und
1
1
Z \ Dj ⊆
Z \ D j+1 .
j!
( j + 1)!
(4.3)
Man erkennt sofort, dass N+ ∈ D j und N− ∈ 1j! Z \ D j für alle j ∈ N. Insbesondere
gilt D j , ∅ und N− < r für alle r ∈ D j , weil aus N− ≥ r für ein r ∈ D j auch N− ∈ D j
folgen würde. Somit ist ( j!)(D j − N− ) + 1 eine nicht leere Teilmenge von N und hat
somit ein Minimum. Also existiert auch das Minimum x j von D j .
Die Zahl y j := x j − 1j! liegt dann aber in 1j! Z \ D j und ist sogar das Maximum von
1
Z \ D j , da sich aus r ∈ 1j! Z mit r > y j offenbar r ≥ x j und damit r ∈ D j ergibt. Aus
j!
(4.3) erhalten wir dann
y j ≤ y j+1 = x j+1 −
1
< x j+1 ≤ x j ,
( j + 1)!
woraus
0 ≤ xm − xn < xm − yn ≤ xm − ym =
und
1
m!
1
m!
∈ X, wobei (xn )n∈N ∼ (yn )n∈N , und
0 ≤ yn − ym < xn − ym ≤ xm − ym =
für alle m < n folgt. Also gilt (xn )n∈N , (yn )n∈N
somit [(xn )n∈N ]∼ = [(yn )n∈N ]∼ =: s.
Dabei gilt A ≤ s, denn anderenfalls gäbe es ein a ∈ A mit s < a und gemäß Satz
2.8.3 weiter ein r ∈ Q mit s < [(r)n∈N ]∼ < a. Für j0 ∈ N mit r ∈ j10 ! Z – ein solches
124
4 Die Konstruktion der reellen Zahlen
gibt es offenbar – gilt r ∈ 1j! Z \ D j und somit r ≤ y j für alle j ≥ j0 . Es folgt der
Widerspruch [(r)n∈N ]∼ ≤ [(yn )n∈N ]∼ = s.
Nun ist s sogar die kleinste obere Schranke von A, da aus A ≤ b < s wieder mit
Satz 2.8.3 die Existenz eines r ∈ Q mit A ≤ b < [(r)n∈N ]∼ < s folgte. Für j0 ∈ N mit
r ∈ j10 ! Z gilt r ∈ D j und somit x j ≤ r für alle j ≥ j0 . Das ergibt aber den Widerspruch
s = [(xn )n∈N ]∼ ≤ [(r)n∈N ]∼ .
Also können wir uns nun sicher sein, dass es vollständig angeordnete Körper gibt.
4.2 Eindeutigkeit
4.2.1 Satz. Ist hK, +, ·, Pi ein vollständig angeordneter Körper und hX/∼, +, ·, P/∼i der
soeben konstruierte Körper, dann gibt es eine eindeutige Abbildung ω : X/∼ → K,
die nicht identisch gleich 0K und mit Addition und Multiplikation verträglich ist. Diese
Abbildung ist dann auch bijektiv, mit − und mit der Ordnung < (und daher auch mit ≤)
verträglich.
Beweis. Nach Proposition 2.7.8 gibt es eine verknüpfungs- und ordnungstreue, injektive
Abbildung φ : Q → K. Wegen Bemerkung 3.5.2 sind die Bilder von Nullfolgen bzw.
Cauchy-Folgen wieder Nullfolgen bzw. Cauchy-Folgen.
Ist [(rn )n∈N ]∼ ∈ X/∼, so definieren wir
ω([(rn )n∈N ]∼ ) := lim φ(rn ) .
n→∞
Man beachte, dass der Grenzwert existiert, da K wegen Satz 3.5.8 ein vollständig angeordneter Körper ist, und dass der Grenzwert nicht von der Wahl des Repräsentanten (rn )n∈N
der Restklasse [(rn )n∈N ]∼ abhängt. Ist nämlich (rn )n∈N ∼ (sn )n∈N , so folgt
lim φ(rn ) = lim φ(sn ) + lim φ(rn − sn ) = lim φ(sn ) .
n→∞
n→∞
n→∞
n→∞
ω ist injektiv, da
[(rn )n∈N ]∼ = [(sn )n∈N ]∼ ⇔ lim (rn − sn ) = 0 ⇔ lim φ(rn − sn ) = 0
n→∞
n→∞
⇔ lim φ(rn ) = lim φ(sn ) .
n→∞
n→∞
Die Surjektivität folgt aus der Tatsache, dass jede Zahl aus K durch eine Folge rationaler
Zahlen approximiert werden kann; vgl. Beispiel 3.3.4. Die Verträglichkeit mit + folgt aus
(siehe Satz 3.3.5)
ω([(rn )n∈N ]∼ + [(sn )n∈N ]∼ ) = lim φ(rn + sn ) = lim φ(rn ) + lim φ(sn )
n→∞
n→∞
n→∞
= ω([(rn )n∈N ]∼ ) + ω([(sn )n∈N ]∼ ) ,
4.2 Eindeutigkeit
125
und die für − sowie · zeigt man genauso. Um die Verträglichkeit mit der Ordnung zu
zeigen, sei bemerkt, dass wegen Lemma 3.3.1 und Satz 2.8.3
ω([(rn )n∈N ]∼ ) ∈ P ⇔ lim φ(rn ) > 0 ⇔ ∃δ > 0, φ(rn ) ≥ δ für alle n ≥ N .
n→∞
Da φ ordnungstreu ist, bedeutet das aber genau [(rn )n∈N ]∼ ∈ P/∼.
Sei ψ : X/∼ → K eine weitere, mit + und · verträgliche Abbildung mit ψ . 0K . Aus
ψ(x) · ψ([(1)n∈N ]∼ ) = ψ(x · [(1)n∈N ]∼ ) = ψ(x) für ein x ∈ X/∼ mit ψ(x) , 0K folgt
ψ([(1)n∈N ]∼ ) = 1K . Insbesondere ist die Abbildung r 7→ ψ([(r)n∈N ]∼ ) auf Q nicht identisch
gleich 0K und offenbar mit + und · verträglich.
Die Eindeutigkeitsaussage in Proposition 2.7.8 impliziert ψ([(r)n∈N ]∼ ) = φ(r) für alle
r ∈ Q, woraus wegen ψ(a) + ψ(−a) = ψ([(0)n∈N ]∼ ) = 0K und somit ψ(−a) = −ψ(a) für
jedes a ∈ X/∼ auch die Verträglichkeit mit − folgt. Für a , [(0)n∈N ]∼ gilt ψ(a) · ψ(a−1 ) =
ψ(a · a−1 ) = 1K , also ψ(a) , 0K .
Für [(rn )n∈N ]∼ ∈ X/∼ folgt aus [(rn )n∈N ]∼ > [(0)n∈N ]∼ wegen Satz 2.9.5
∃[(sn )n∈N ]∼ ∈ X/∼, [(sn )n∈N ]∼ , [(0)n∈N ]∼ : [(sn )n∈N ]2∼ = [(rn )n∈N ]∼ .
Weil ψ([(sn )n∈N ]∼ ) , 0K äquivalent zu [(sn )n∈N ]∼ , [(0)n∈N ]∼ ist, folgt daraus ψ([(rn )n∈N ]∼ ) =
ψ([(sn )n∈N ]∼ )2 > 0K . Somit ist ψ mit < und daher auch mit ≤ verträglich.
Wäre nun ψ(x) < ω(x) für ein x ∈ X/∼, und sind r, ρ ∈ Q gemäß Satz 2.8.3 so gewählt,
dass ψ(x) < φ(r) < φ(ρ) < ω(x), so erhielten wir
x < [(r)n∈N ]∼ und [(ρ)n∈N ]∼ < x ,
(4.4)
da aus x ≥ [(r)n∈N ]∼ ( x ≤ [(ρ)n∈N ]∼ ) wegen der Ordnungstreue von ψ ( ω ) die
Beziehung ψ(x) ≥ ψ([(r)n∈N ]∼ ) = φ(r) ( ω(x) ≤ ω([(ρ)n∈N ]∼ ) = φ(ρ) ) folgt. (4.4)
impliziert ρ < r, wogegen φ(r) < φ(ρ) die Ungleichung r < ρ nach sich zieht.
Da man genauso aus ψ(x) > ω(x) einen Widerspruch erhält, muss ψ = ω.
q
Somit haben wir die Existenz und die Eindeutigkeit eines vollständig angeordneten Körpers
und damit auch Satz 2.9.3 bewiesen.
4.2.2 Bemerkung. Die in diesem Abschnitt angegebene Vorgangsweise aus Q die reellen Zahlen zu konstruieren, lässt sich auch anwenden, um zu zeigen, dass es zu jedem
metrischen Raum hX, di einen vollständigen metrischen Raum hX̂, d̂i gibt, sodass hX, di
isometrisch und dicht in hX̂, d̂i enthalten ist.
In der Tat nimmt man auch hier die Menge X aller Cauchy-Folgen in hX, di, betrachtet
genauso die Äquivalenzrelation ∼, die zwei Folgen (xn )n∈N und (yn )n∈N identifiziert, falls
(d(xn , yn ))n∈N eine Nullfolge ist, und beweist, dass X/∼ versehen mit einer geeigneten
Metrik der gesuchte metrische Raum ist.
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