Vorlesung Quanten I - TU Bergakademie Freiberg

Werbung
6. Hilbertraum und lineare Operatoren (mathematische Grundlagen QM)
6.1 Hilbertraum
Raum = mathematisches Konstrukt: Vektorraum
a) Der lineare komplexe Raum ist die Menge von mathematischen Objekten mit
folgenden Eigenschaften:
1. ψ und φ seien Elemente der Menge, dann ist ψ±φ auch ein Element.
2. Es existiert ein Element 0 (Nullelement) mit ψ+0=ψ, ψ-ψ=0.
3. Wenn ψ Element der Menge ist, dann ist auch λψ (λ= komplexe Zahl) Element.
David Hilbert
* 23. Januar 1862 Königsberg
† 14. Februar 1943 Göttingen
44
Beispiele für Realisierungen
I. Menge der komplexen 3D Vektoren a=(ax,ay,az) mit ax=Re ax + i Im ax
a, b seien Vektoren, dann ist a±b=(ax±bx,ay±by,az±bz) ebenfalls ein Vektor
a + (0,0,0)=a Nullvektor (0,0,0)
λa=(λax,λay,λaz) ist ebenfalls ein Vektor
λax = Multiplikation zweier komplexer Zahlen
II. Menge der Wellenfunktionen (Zustandsfunktionen) aus der Lösung der Schrödingergl.
ψ(r,t) und φ(r,t) seien Lösungen der Schrödingergleichung, dann ist auch ψ±φ Lsg.
Funktion identisch Null ist Lsg. der Schrödingergleichung
λψ(r,t) ist auch eine Lösung
III. weitere mathematische Mengen (z.B. Matrizen)
45
b) der Hilbertraum der Physiker
Der Hilbertraum ist ein linearer komplexer Raum, für den zusätzlich ein Skalarprodukt
mit folgenden Eigenschaften definiert ist:
1. (ψ,φ) = a
= komplexe Zahl (Mathematik: a ist endlich)
2. (ψ, λφ) = λ(ψ,φ)
λ = komplexe Zahl
3. (φ,ψ) = (ψ,φ)* = a*
=> (λψ,φ) = (φ,λψ)* = [λ(φ,ψ)]* = λ*(φ,ψ)* = λ*(ψ,φ)
●
(ψ,φ1±φ2) = (ψ,φ1) ± (ψ,φ2)
=> (ψ1±ψ2,φ) = (ψ1,φ) ± (ψ2,φ)
●
(ψ,ψ) ≥ 0 und reell, endlich
(ψ,ψ) = 0 falls ψ = 0
●
Def. der Norm („Länge“):
●
ψ, φ sind orthonormal, falls
 , =
0 ≠
1 =
  ,=∥∥
46
c) der Hilbertraum (der Mathematiker)
zusätzliche Forderung nach Vollständigkeit
für Mathematik sehr wichtige Forderung, aber
jeder komplexe Vektorraum kann vervollständigt werden
●
z.B., Vervollständigung der rationalen Zahlen durch irrationale Zahlen
Grenzwerte müssen im Raum enthalten sein
N
z.B. Menge der reellen Polynome vom Grad N,
bilden einen linearen Raum, Skalarprodukt
f N  x=∑ a n x
n
n=0
2
 f N , f M ≝ ∫ f n⋅f m dx
0
3
Es ist
5
∞
x
x
n
sin x=x−   ⋯ =∑ a n x
3! 5!
n=0
sin = Grenzwert eines reellen Polynoms für N -> ∞
Mathematisch strenge Definition eines Hilbertraum:
Ein linearer komplexer Raum, der vollständig bezüglich der durch das Skalarprodukt
47
induzierten Metrik ist, in dem also jede Cauchy-Folge konvergiert, heißt Hilbertraum.
Basis im Hilbertraum
Es gibt Sätze von Elementen des Hilbertraumes, i=1, 2,..., die orthonormiert
i ,  j =ij
und vollständig sind. Die Vollständigkeit bedeutet, dass jedes Element als
Linearkombination der Basis ausgedrückt werden kann.
=∑ a i i
i
Alle weiteren Eigenschaften lassen sich aus den Definitionen des Skalarproduktes
herleiten.
z.B. erhält man die Entwicklungskoeffizienten ai aus:
i , =i , ∑ a j  j =∑ i , a j  j =∑ a j i ,  j =∑ a j ij =a i
j
j
j
j
48
Beispiele für Realisierungen:

*
*
*
a
 , b=a x b x a y b ya z b z
komplexe Vektoren mit
●
∥a∥= ∣a x∣2 ∣a y∣2 ∣a z∣2
reelle Vektoren mit Skalarprodukt
Die Lösungen der Schrödingergleichung (Wellenfunktionen)
sind Elemente eines Hilbertraumes mit dem Skalarprodukt (Metrik)
 , =⟨∣⟩=∫ *  r ,t  r , t  d 3 r
 , =∫   d r =∫   d r = ,
*
3
*
*
3
*
 ,  =∫ *   d 3 r =∫ *  d 3 r
Paul Adrien Maurice Dirac
* 8. August 1902 Bristol
† 20. Oktober 1984 Tallahassee
Nobelpreis Physik 1933
  , =∫  *  d 3 r =∫ * *  d 3 r =*∫ *  d 3 r
 , 1 ±2 =∫ * 1 ±2  d 3 r =∫ * 1 d 3 r ±∫ * 2 d 3 r = ,1 ± ,2 
Dirac Schreibweise für das Skalarprodukt <ψ|φ>
bra = <ψ|
ket=|φ>
engl. bracket= Klammer
49
Vergleich N-dimensionaler Vektorraum mit Hilbertraum
Vektorraum
a
{en}
ei·ej=δij
a = ∑ a i ei
Vektor
Basis
Orthonormierung
Entwicklung
ai = ei·a
a·b = b·a
Hilbertraum
ψ
{φn}
<φi | φj> = δij
ψ=∑ ai φi
ai = <φi | ψ>
Symmetrie Skalarprodukt
<φ | ψ> = < ψ | φ>*
Die Elemente des Hilbertraumes für die Quantenmechanik sind normierbare Funktionen,
die Dimension des Hilbertraumes ist unendlich.
Die Basis im Hilbertraum ist durch ein geeignetes vollständiges orthonormales System
von Funktionen gegeben.
50
6.2. Mathematische Eigenschaften
1. Schwarz'sche Ungleichung
∣ ,∣∥∥∥∥=   ,  ,
Beweis: siehe Übung
2
2
2
(reelle Vektoren ∥a∥=  a x a y a z = Länge des Vektors a)
∣a⋅b∣=∣a⋅b⋅cos ∣a⋅b
∣cos ∣≤1
b

a
2. Dreiecksungleichung
∥∥∥∥∥∥
Beweis: siehe Übung
reelle Vektoren
∥a∥ = Länge a
a b
b
a
51
6.3. Lineare Operatoren im Hilbertraum
Def: Ein Operator bildet ein Element des Hilbertraumes auf ein anderes ab.
A=
●
Matrix im Raum der 3D Vektoren

   
a xx a xy a xz b x
cx
a yx a yy a yz b y = c y
a zx a zy a zz b z
cz
x 1, y  2, z 3
3
∑ aij b j=ci
j=1
Einstein:
a ij b j =ci Summation über
doppelten Index
(Einsteinsche
Summenkonvention)
∂ =
●
∂x
●
Translationsoperator
T   x , y , z =  xa , yb , zc
Operator muss nicht explizit bekannt sein, nur seine Wirkung.
Inversionsoperator P  r = −r 
●
52
Def: ein Operator A heißt linear, falls gilt:
A1 1 2 2 =1 A1 2 A2
Gegenbeispiel:
2
Multiplikation mit ∥∥
A = , 
A = ,  
im Allgemeinen ist AB≠ B A
z.B. A = px, B = x
Def: Die Verknüpfung der Operatoren A und B in folgender Form:
AB – BA =[A,B] = C (anderer Operator) heißt Kommutator.
[ x , p x ]=i ℏ
[ x , p y ]=0
[ x , x]=0
[ p x , p x ]=0
53
Def: Inverser Operator („rückgängig machen“)
B ist zu A invers, falls AB = BA = 1 gilt.
B = A-1
(Schreibweise nicht 1/A , px-1 -> Integration)
AA-1 = 1
∂
z.B.
∂x

 
∂
∂x
−1
= Integration
Def: Adjungierter Operator
B heißt adjungierter Operator zu A, falls gilt
 , A= B  ,= A*  ,
*
*
*
*
B= A
*
*
1 A1 2 A2  =1 A12 A2
*
*
*
 AB =B A
 , A  B = A*  , B = B * A*  , 
 , AB= AB *  ,
*
*
*
 AB =B A
**
A =A
Hausaufgabe
54
Def: selbstadjungierter (hermitescher) Operator
Operator A heißt selbstadjungiert, falls A* = A.
Alle physikalisch sinnvollen Operatoren sind selbstadjungiert.
Def: Unitäre Operatoren
Def: Operatur U heißt unitär, falls gilt
U* = U-1
UU* = U*U = 1
Das Skalarprodukt ist bei einer unitären Transformation invariant.
(ändert sich nicht, wenn auf Elemente des Hilbertraumes angewandt)
(Uψ,Uφ) = (ψ,φ)
(U*Uψ,φ) = (ψ,φ)
Beweis
Beispiel: Translationsoperator Tψ(x) = ψ(x+a)
der Ort x wird um a verschoben
∞
 , = ∫ dx *  x  x
−∞
∞
T  , T = ∫ dx   xa xa 
−∞
∞
*
= ∫ dy   y y
−∞
*
y = x a
dy = dx
55
Fourier-Transformation
F[ψ(x)] = ψ(k)
(Fφ,Fψ) = (φ,ψ)
Norm bleibt erhalten
Beispiele für selbstadjungierter Operatoren:
1)
 , x =∫ d 3 r *  r  x  r 
=∫ d r  x  r  r 
3
*
= x  ,
Ortsoperator ist ein selbstadjungierter Operator (y, z ebenfalls)
-> r ist ein selbstadjungierter Operator
partielle Integration
2)
∫ dx f  x dxd g x=
⟨∣ p x ⟩= ,
ℏ ∂
ℏ
=∫ d 3 r * r  ∂   r =
i ∂x
i ∂x
=∫ dy dz *  x , y , z   x , y , z ∣xx =∞
−∫ d 3 r
=−∞


ℏ ∂ *
 r  r 
i ∂x
= f  x g  x∣ −∫ dx


d
f x g  x
dx
0, falls ψ* und/oder φ im ∞ verschwindet.


*


ℏ ∂
ℏ ∂
=∫ d 3 r
 r   r =
 ,  =⟨ p x ∣⟩
i ∂x
i ∂x
56
px =
ℏ ∂
i ∂x
ist ein selbstadjungierter Operator (py,pz ebenfalls)
ℏ
 p = grad
i
ist ein selbst adjungierter Operator
Bemerkung
ψ, φ seien ebene Wellen, z. B.
≠0 für r  ∞

,

r =e
i k1⋅r
r =e
i k2⋅r
ℏ ∂
 ℏ

 =∫ d 3 r e−i k ⋅r ∂ ei k ⋅r
i ∂x
i ∂x
1
2
 ℏ

=∫ d 3 r e−i k ⋅r i k 2x e i k ⋅r
i
1
x
=ℏ k 2
∫ d r e
3
2
−i  k1− k2 ⋅r
x
3
3
=ℏ k 2 2    k1 − k2 
57


ℏ ∂
3
 , =∫ d r
i ∂x

ℏ ∂
i k ⋅r
e
i ∂x
1
=∫ d r  ℏ k
3
x
1
=ℏ k 1 ∫ d r e
x
3
e

*
i k1⋅r
−i k1⋅r
e

*
e
e
i k2⋅
r
i k2⋅r
i k2⋅r
=ℏ k 1 ∫ d r e
x
3
−i  k1 − k2 ⋅r
=ℏ k 2x 2 3 3  k1 − k2 
  k− k' =
3
0 für k1≠ k2
≠0 für k1= k2
  , p x  = p x  ,  
px ist selbstadjungiert
Völlig analog lässt sich dies für py und pz zeigen, so dass die Komponenten
des Impulsoperators selbstadjungiert sind.
-> p ist selbstadjungiert
58
6.4 Eigenwerte und Erwartungswerte von hermiteschen Operatoren
Messgrößen werden durch selbstadjungierte Operatoren dargestellt.
Die Lösung der Eigenwertgleichung für einen Operator A liefert die Eigenwerte an
und Eigenvektoren φn.
A n=a n n
Wenn A ein hermitescher Operator (ψ,Aψ)=(Aψ,ψ) ist gilt:
⟨ n∣ A n ⟩=⟨ n∣a n n ⟩=a n ⟨ n∣n ⟩
⟨ A n∣n ⟩=⟨ a n n∣
*
n ⟩= n ⟨
a n∣n ⟩
 a n =a *n
Die Eigenwerte hermitescher Operatoren sind immer reelle Zahlen.
Charles Hermite
* 24. Dezember 1822 Dieuze (Lothringen)
† 14. Januar 1901 Paris
59
http://turnbull.mcs.st-and.ac.uk/history/PictDisplay/Hermite.html
Die Eigenvektoren hermitescher Operatoren bilden eine Basis im Hilbertraum.
⟨m∣ A n ⟩=⟨ m∣a n n ⟩=a n ⟨m∣n ⟩
⟨ A m∣n ⟩=⟨a m m∣ n ⟩=a *m ⟨m∣n ⟩=a m ⟨m∣n ⟩
Aus der Differenz dieser beiden Gleichungen ergibt sich für hermitesche Operatoren:
0=a n −a m  ⟨m∣n ⟩
Daraus folgt für verschiedene Eigenwerte an≠am, das die Eigenfunktionen zu
verschiedenen Eigenwerte zueinander orthogonal sind (Skalarprodukt ist Null).
Falls zu einem Eigenwert mehrere Eigenfunktionen existieren (Entartung), lassen sich
immer Linearkombinationen dieser Eigenfunktionen bilden, die orthogonal sind
(Gram-Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren).
Durch Normierung der Eigenfunktionen erhalten wir eine orthonormierte Basis im
Hilbertraum, mit der sich alle Zustände ausdrücken lassen.
60
Im Hilbertraum der komplexen Vektoren ist die Matrix A hermitesch, falls
für alle Elemente gilt aik=aki*. In diesem Fall besitzt A nur reelle Eigenwerte.
Für komplex konjugiert und transponiert wird statt * oft † geschrieben. A*=A†
 b , b=b⋅b=∑ b*i bi
b=b1, b2, ... , bn 
A b=c
 b , c =∑ b*i c i
∑ a ik bk =c i
k
*
*

b , A b= b , c = ∑ b i ∑ aik b k = ∑ ∑ b i a ik b k
i
k
i
k
*



 A b , b= c , b=∑ ∑ a ik b k  bi =∑ ∑ a *ik b*k bi
i
k
i
k
= ∑ ∑ a*ki b*i b k
i
*
 aik =a ki
k
Spezialfall: reelle Matrix muss symmetrisch sein, damit alle Eigenwerte reell sind.
61
6.5 Erwartungswerte hermitescher Operatoren
Ein hermitescher Operator A habe bekannte Eigenwerte und Eigenfunktionen.
A n =a n n
Ein beliebiger Zustand eines physikalischen Systemes kann als Linearkombination in der
Basis der Eigenfunktionen von A dargestellt werden.
=∑ ci i =∑ ci ∣i ⟩
i
i
Der Erwartungswert für die Messung der physikalischen Größe A in diesem Zustand ist:
⟨ A ⟩=  ,
A =⟨∣ A  ⟩=⟨ ∣ A ∑ ci i ⟩ =∑ c i ⟨ ∣ A i ⟩=∑ c i ⟨ ∣a i i ⟩=∑ c i a i ⟨∣i ⟩=
i
i
i
*
i
*
*
=∑ a i c i ⟨ ∑ c j  j∣i ⟩=∑ ∑ c j a i c i ⟨  j∣i ⟩=∑ ∑ c j a i c i ij =∑ a i c i
i
j
i
j
i
j
i
c i =∑ a i ∣c i∣2
i
Es ergibt sich der Messwert ai mit der Wahrscheinlichkeiten |ci|2.
62
6.6 Hermitesche Operatoren und Messung
Jede physikalische Messgröße kann durch einen hermiteschen (selbstadjungierten)
Operator dargestellt werden.
Die Eigenwerte dieses Operators sind immer reelle Zahlen und entsprechen den
möglichen Messwerten der physikalischen Größe.
Die Eigenfunktionen jedes hermiteschen Operators bilden eine Basis im Hilbertraum,
so dass jeder beliebige Zustand als Linearkombination der Basiszustände ausgedrückt
werden kann.
Die Messung einer physikalischen Größe im Zustand ψ liefert immer einen Eigenwert,
der mit der Wahrscheinlichkeit |ci|2 auftritt. Die Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus
dem Anteil von ψ für den entsprechenden Eigenzustand (Basiszustand).
Ist das System in einem Eigenzustand wird der entsprechende Eigenwert als
Messwert ohne Schwankung (Unschärfe = 0) gemessen.
63
Herunterladen