1 Anwendung: Lineare Differenzengleichungen mit konstanten Koeffizienten 1.1 Wiederholung homogenes Gleichungssystem: y1,t = a11 y1,t−1 + a12 y2,t−1 + · · · + a1n yn,t−1 (1) y2,t = a21 y1,t−1 + a22 y2,t−1 + · · · + a2n yn,t−1 .. . (2) yn,t = an1 y1,t−1 + an2 y2,t−1 + · · · + ann yn,t−1 (4) yt = Ayt−1 (5) (3) oder mit yt = y1,t y2,t .. . , A= yn,t a11 a12 · · · a1n a21 a22 · · · .. .. .. . . . a2n .. . an1 an2 · · · ann (6) Lösung, wenn A diagonalisierbar ist: yt = At y0 = XΛt X −1 y0 λt 0 · · · 1 0 λt · · · 2 = X . . .. . . . .. 0 0 ··· = (x1 , x2 , . . . , xn )Λt c 0 c1 c1 λt1 c c λt 0 2 2 2 . =X . .. . .. . . t t λn cn cn λn = c1 x1 λt1 + c2 x2 λt2 + · · · + cn xn λtn , (7) (8) (9) mit c = X −1 y0 , und x1 , . . . , xn sind die Eigenvektoren von A zu den Eigenwerten λ1 , . . . , λ n . 1 1.2 Ein Beispiel mit komplexen Eigenwerten Betrachte das System y1t = y2t 1 2 1 2 1 2 − 12 y1,t−1 . (10) y2,t−1 Die Eigenwerte der Matrix A in (10) sind √ √ 1 ± 1 − 4 · 12 1 ± −1 1±i 1 1 λ1/2 = = = = ±i . 2 2 2 2 2 (11) Der Betrag der Eigenwerte ist √( ) ( )2 2 1 1 1 R = |λ1 | = |λ2 | = + = √ < 1, 2 2 2 (12) also ist das System asymptotisch stabil. Um die Lösung explizit anzugeben, geht man zur Polarkoordinatendarstellung der Eigenwerte über (siehe Anhang); es ergibt sich nach (83) ( θ = arccos 1/2 √ 1/ 2 ) 1 π = arccos √ = , 4 2 (13) und somit 1 ( π π) π π) 1 ( √ √ , λ2 = . cos + i sin cos − i sin λ1 = 4 4 4 4 2 2 Nach den Formeln von de Moivre (99) ist dann ( ( )t ( )t ( 1 1 π ) π ) π π t t λ1 = √ cos t + i sin t , λ1 = √ cos t − i sin t . 4 4 4 4 2 2 (14) (15) Eigenvektoren: Zu den Eigenwerten λ1 = (1 + i)/2 und λ2 = (1 − i)/2 sind die Eigenvektoren z.B. x1 = X = (x1 , x2 ) = 1 1 i −i , 1 i und x2 = 1 −i . (16) −1 −i −1 1 1 1/i = (17) 2i 2 −i 1 1 −1/i 2 1 1 i/i 1 1 −i = = . (18) 2 2 1 −i/i2 1 i X −1 = 2 Für die Potenzen von A ergibt sich At = XΛt X −1 ( )t 1 1 √ = 2 2 ( )t 1 1 √ = 2 2 ( )t 1 1 √ = 2 2 1 1 i −i cos π t 4 + i sin π t 4 0 1 −i cos π4 t − i sin π4 t 1 i cos π4 t + i sin π4 t cos π4 t − i sin π4 t 1 −i π π π π i cos 4 t − sin 4 t −i cos 4 t − sin 4 t 1 i )t ( π π π π cos 4 t sin 4 t 2 cos 4 t 2 sin 4 t = √1 . π π π π 2 −2 sin 4 t 2 cos 4 t − sin 4 t cos 4 t 0 Die Gleichung yt = Ayt−1 mit den Anfangswerten y0 = (y1,0 , y2,0 )′ hat dann die Lösung ( )t π π y cos 4 t + y2,0 sin 4 t 1 1,0 . yt = At y0 = √ (19) π π 2 y2,0 cos 4 t − y1,0 sin 4 t Für die Anfangswerte y0 = (y1,0 , y2,0 )′ = (0.1, 0.2)′ wird die Lösung in den Abbildungen 1 und 2 illustriert. 1.3 Inhomogenes System yt = Ayt−1 + b (20) A sei diagonalisierbar. Ist I − A invertierbar (kein Eigenwert von A gleich 1), so ist der Gleichgewichtspunkt (yt = yt−1 ) durch y = (I − A)−1 b gegeben. Die Lösung ist dann 3 0.15 y1t y2t 0.1 y1t, y2t 0.05 0 −0.05 −0.1 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 t Abbildung 1: Lösung von (10) mit y0 = (y1,0 , y2,0 ) = (0.1, 0.2)′ . mit einem Startwert y0 y1 = Ay0 + b y2 = Ay1 + b = A(Ay0 + b) + b = A2 y0 + (I + A)b .. . (21) yt = At y0 + (I + A + A2 + · · · + At−1 )b = At y0 + (I − At )(I − A)−1 b = (I − A)−1 b + At (y0 − (I − A)−1 b) = y + At (y0 − y) = y + XΛt X −1 (y0 − y) = y + c1 x1 λt1 + c2 x2 λt2 + · · · + cn xn λtn , 4 (22) 0.06 (y1,1,y2,1) 0.04 0.02 y2,t 0 −0.02 −0.04 (y1,4,y2,4), usw. −0.06 (y1,2,y2,2) (y ,y ) 1,3 2,3 −0.08 −0.04 −0.02 0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.1 0.12 0.14 y1,t Abbildung 2: Lösung von (10) mit y0 = (y1,0 , y2,0 ) = (0.1, 0.2)′ . 5 0.16 wobei Vektor (c1 , . . . , cn )′ sich aus dem Gleichungssystem X(c1 , . . . , cn )′ = (y0 − y) ergibt. Die durch (22) gegebene allgemeine Lösung des Systems (20) ergibt sich also als die Summe einer speziellen Lösung (y) plus die allgemeine Lösung des homogenen Systems (“allgemeine Lösung” heißt hier, dass aus (22) durch entsprechende Wahl der Konstanten c1 , . . . , cn eine Lösung für jeden Startwert generiert wird). Dies gilt auch allgemeiner (z.B. für nichtkonstante Inhomogenitäten in (20)). In (20) gilt wieder lim yt = y = (I − A)−1 b für alle Startwerte y0 t→∞ (23) genau dann, wenn alle Eigenwerte von A dem Betrage nach kleiner sind als 1 (dies auch für nichtdiagonalisierbare A). 1.4 Differenzengleichungen höherer Ordnung Gleichung n–ter Ordnung: yt = a1 yt−1 + a2 yt−2 + · · · + an yt−n (24) mit Startwerten y0 , y1 , . . . , yn−1 . Eine Möglichkeit besteht darin, die Gleichung höherer Ordnung in eine Gleichung erster Ordnung zu überführen und mit Methoden des vorangegangenen Abschnitts zu untersuchen. Z.B. für n = 2, setze Yt = Yt = yt , A= yt−1 yt yt−1 a1 a2 1 dann ist = AYt−1 = , a1 a2 1 (25) 0 0 yt−1 , (26) yt−2 d.h. yt = a1 yt−1 + a2 yt−2 und die Identität yt−1 = yt−1 . Die Gleichung (24) mit n = 2 ist also asymptotisch stabil, wenn die Matrix A in (25) stabil ist (alle Eigenwerte |λi | < 1). Charakteristische Gleichung der Koeffizientenmatrix: A2 = a1 a2 1 0 , λ − a1 −a2 = λ2 − a1 λ − a2 . |λI − A| = λ −1 6 (27) Im allgemeinen Fall ist die Vektorform von (24) gegeben durch Yt = AYt−1 , mit yt y t−1 yt−2 .. . yt−n+1 , A= a1 a2 a3 · · · an−1 an 1 0 0 ··· 0 0 .. . 1 .. . 0 .. . ··· ··· 0 .. . 0 0 0 ··· 1 Die charakteristische Gleichung der Matrix a1 a2 a3 · · · 1 0 0 ··· An = 0 1 0 ··· . . . .. .. .. · · · 0 0 (28) 0 ··· 0 0 . .. . 0 (29) an−1 an 0 0 .. . 1 0 0 .. . 0 (30) ist Dn := det(λI − An ) = λn − a1 λn−1 − a2 λn−2 − · · · − an−1 λ − an n ∑ n = λ − ai λn−i = 0. (31) (32) i=1 Die Identität ist klar für D1 . Via Induktion folgt dann durch Entwicklung von Dn nach 7 der letzten Spalte Dn = det λ − a1 −a2 −a3 · · · −an−1 −an −1 λ 0 ··· 0 0 0 .. . −1 .. . λ .. . ··· 0 .. . 0 .. . 0 0 0 ··· −1 λ ··· n+1 = λDn−1 + (−1) (−an ) det −1 λ 0 −1 0 .. . 0 .. . 0 0 0 ··· λ ··· (33) 0 0 −1 · · · 0 .. . . .. . . . 0 · · · −1 = λDn−1 + (−1)n+1 (−an )(−1)n−1 ( ) n−1 ∑ = λ λn−1 − λn−1−i ai − an (34) (35) (36) i=1 = λ − n n ∑ λn−i ai . (37) i=1 Sind alle Nullstellen der Gleichung (31) verschieden, so ist die Lösung von (24) gegeben durch yt = c1 λt1 + c2 λt2 + · · · + cn λtn , (38) wobei die ci s aus den n Anfangswerten y0 , y1 , . . . , yn−1 folgen, d.h. den Gleichungen (38) für t = 0, 1, . . . , n − 1 mit vorgegebener linker Seite, 1 1 ··· y0 y λ λ2 · · · 1 1 y 2 = λ2 λ22 · · · 1 . . .. .. .. . ··· yn−1 λn−1 λn−1 ··· 1 2 d.h. als Lösung des Systems c1 1 λn c2 c3 . (39) λ2n . .. . . . λnn−1 cn Sind alle Nullstellen λ1 , λ2 , . . . , λn verschieden, so hat dieses System eine eindeutige Lösung, denn die Vandermondesche Determinante Vn (also die Determinante der Koef- 8 fizientenmatrix dieses linearen Gleichungssystems) ist 1 ··· 1 1 λ λ · · · λ 2 n 1 ∏ Vn := λ21 (λj − λi ). λ22 · · · λ2n = . .. .. i<j≤n .. . ··· . n−1 n−1 λ1 λ2 · · · λnn−1 Zum Beispiel für n = 2 und für n = 3 1 1 V2 = λ1 λ2 = λ2 − λ1 , 1 1 1 V3 = λ1 λ2 λ3 = (λ3 − λ2 )(λ3 − λ1 )(λ2 − λ1 ). 2 2 2 λ1 λ2 λ3 (40) (41) (42) Der allgemeine Fall folgt dann mittels Induktion: Entwicklung nach der letzten Spalte von Vn zeigt, dass Vn als Polynom (n − 1)–ten Grades in λn aufgefasst werden kann: Vn = an−1 λn−1 + an−2 λn−2 + · · · + a1 λn + a0 . n n (43) Aufgrund der Eigenschaften der Determinante hat dieses Polynom genau die Nullstellen λ1 , λ2 , . . . , λn−1 , denn falls λn einen von diesen Werten annimmt, hat die Determinante zwei identische Spalten und es gilt Vn = 0. Also ist Vn = an−1 n−1 ∏ (λn − λi ). (44) i=1 Der Koeffizient an−1 von λn−1 in (43) ergibt sich aber durch Streichung der letzten Zeile n und Spalte in Vn und ist daher aufgrund der Induktionsvoraussetzung 1 ··· 1 1 λ λ2 · · · λn−1 1 ∏ (λj − λi ). an−1 = λ21 λ22 · · · λ2n−1 = Vn−1 = . . . i<j≤n−1 .. .. .. ··· n−2 n−2 n−2 λ1 λ2 · · · λn−1 9 (45) Also ist insgesamt Vn = An−1 n−1 ∏ ∏ i=1 i<j≤n−1 (λn − λi ) = (λj − λi ) n−1 ∏ ∏ i=1 i<j≤n (λn − λi ) = (λj − λi ). (46) Beispiele: 1. Für die Gleichung yt = 1, 4yt−1 − 0, 48yt−2 mit den Anfangswerten y0 = 1 und y1 = 0, 95 ist die Lösung yt = 1, 75 · (0, 8)t − 0, 75 · (0, 6)t . (47) Siehe Abbildung 3. 2. Für die Gleichung yt = yt−1 − 0, 89yt−2 mit den Anfangswerten y0 = 1 und y1 = 0, 53 ist die Lösung √ yt = ( 0, 89)t [cos(1, 0122 · t) + 0, 0375 sin(1, 0122 · t)]. (48) Siehe Abbildung 4. In diesem Beispiel konvergiert yt etwas langsamer gegen den Gleichgewichtswert y = 0 als im vorangegangenen Beispiel, d.h. die zum Startzeitpunkt bestehenden Abweichungen vom Ruhepunkt klingen langsamer ab, da √ t 0.89 = 0.9434t schneller gegen 0 konvergiert als 0.8t . Die Schwingungskomponente in (48), c1 cos(θt) + c2 sin(θt), (49) kann auch in einer leicht modifizierten Form angegeben werden, die einfacher zu interpretieren ist: Es ist c1 cos(θt) + c2 sin(θt) = Re{(c1 − ic2 )(cos(θt) + i sin(θt))} = A · Re{(cos φ − i sin φ)(cos(θt) + i sin(θt))} = A[cos φ cos(θt) + sin φ sin(θt)] (89) = A cos(θt − φ), 10 (50) 1 0.9 0.8 0.7 y t 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0 5 10 15 20 25 30 35 t Abbildung 3: Lösung von yt = 1, 4yt−1 − 0, 48yt−2 mit y0 = 1 und y1 = 0, 95. mit A = |c1 − ic2 | = √ c21 + c22 und φ = arccos(c1 /A) (wenn c2 > 0) bzw. φ = − arccos(c1 /A) (wenn c2 < 0). Dem Ausdruck (50) ist zu entnehmen, dass es sich um eine Schwingung mit Amplitude (maximaler Ausschlag) A, Periode 2π θ √ und Phasenverschiebungswinkel φ handelt. Im obigen Beispiel ist z.B. A = 1 + 0.03752 = 1.0007 und φ = − arccos(1/A) = −0.0375, so dass die Lösung (48) auch als √ yt = 1.0007( 0, 89)t cos(1, 0122 · t + 0.0375) geschrieben werden kann. 11 (51) 0.8 0.6 0.4 0.2 y t 0 −0.2 −0.4 −0.6 −0.8 −1 0 10 20 30 40 50 60 70 80 t Abbildung 4: Lösung von yt = yt−1 − 0, 89yt−2 mit y0 = 1 und y1 = 0, 53. 2 Anhang: Polynome und komplexe Zahlen • Eine Funktion der Gestalt f (x) = an xn + an−1 xn−1 + · · · + a1 x + a0 (52) mit reellen Koeffizienten a0 , a1 , . . . , an und an ̸= 0 heißt reelles Polynom n-ten Grades. an ist der Leitkoeffizient. Sind alle ak = 0, k = 0, . . . , n, so ist f das Nullpolynom. • Eine Zahl α ist eine Nullstelle von f , wenn f (α) = 0. • Für n = 2, also quadratische Funktione, kann man die Nullstellen mit Hilfe der 12 pq–Formel in geschlossener Form angeben (sei der Einfachheit halber an = a2 = 1): x2 + px + q = 0 ( p )2 ( p )2 x2 + px + +q− = 0 2 2 ( ( p )2 p )2 x+ = −q 2 2 √( ) p p 2 − q. x = − ± 2 2 (53) • Die Nullstellen des quadratischen Polynoms (53) sind aber nur reell, wenn p2 > 4q. • Für die quadratische Gleichung x2 + x + 4 = 0 z.B. ergibt die pq–Formel die Lösungen x1/2 1 =− ± 2 √ √ √ 1 −1 ± 1 − 16 −1 ± −15 −4= = , 4 2 2 (54) d.h., die Gleichung hat keine reellen Lösungen. • Man führt daher die imaginäre Einheit i mit i2 = −1 (i = √ −1) ein. • Es gilt i2 = −1, i3 = i · i2 = −i, i5 = i4 · i = i, i4 = (i2 )2 = (−1)2 = 1 i6 = i2 = −1, . . . • Dann hat die obige quadratische Gleichung die komplexen Lösungen √ √ √ √ 1 −15 1 −1 15 1 15 − ± =− ± =− ±i . 2 2 2 2 2 2 (55) (56) (57) • Eine komplexe Zahl ist allgemein von der Form z = x + iy mit x, y ∈ R. Die reellen Zahlen x und y heißen Real– und Imaginärteil von z, und werden mit Re z und Im z bezeichnet. • z heißt rein imaginär, wenn z = iy, y ∈ R. • Den Körper der komplexen Zahlen bezeichnen wir mit C. 13 • Algebraische Operationen sind unter Berücksichtigung der Regel i2 = −1 dann wie gewohnt definiert. Sei z = x + iy und w = u + iv. – Addition: z + w = (x + u) + i(y + v), (58) d.h., x + u und y + v sind Real– und Imaginärteil der Zahl z + w. – Multiplikation: z · w = (x + iy)(u + iv) = xu + i2 yv + i(uy + xv) = xu − yv + i(uy + xv). (59) (60) – Division: z x + iy (x + iy)(u − iv) = = w u + iv (u + iv)(u − iv) xu + vy + i(uy − xv) = u2 + v 2 uy − xv xu + vy + i . = u2 + v 2 u2 + v 2 (61) (62) (63) • Konjugation: Für z = x + iy ist z = x − iy die zu z konjugiert komplexe Zahl. Die Lösungen obiger quadratischer Gleichung bilden also ein paar konjugiert komplexer Zahlen. • Es gilt: z+w = z+w (64) z·w = z·w (65) z = z genau dann, wenn z ∈ R z · z = x2 + y 2 (66) (67) • Der Betrag der kompexen Zahl z ist |z| = |x + iy| = 14 √ z·z = √ x2 + y 2 . (68) • Der Betrag ist also eine reelle Zahl. Wie für reelle Zahlen gilt für zwei komplexe Zahlen z und w, |zw| = |z||w|, |z + w| ≤ |z| + |w|. (69) • Beispiele: Stellen Sie die folgenden komplexen Zahlen in der Form x + iy dar: (a) 1 1−i 1−i 1 1 = = = −i 1+i (1 + i)(1 − i) 2 2 2 (70) 3 + 4i (3 + 4i)(2 + i) 6 + 4i2 + i(3 + 8) 2 11 = = = +i 2−i (2 + i)(2 − i) 5 5 5 (71) (b) (c) 1+i (1 + i)2 2i + 1 + i2 = = = i. (72) 1−i (1 − i)(1 + i) 2 √ √ (d) i: Der Ansatz i = a + ib führt auf i = (a + ib)2 = a2 − b2 + 2iab, woraus a2 − b2 = 0 und 2ab = 1 folgt, also a = b = ± √12 . Also √ 1 i = ± √ (1 + i). 2 (73) • Wir kommen zurück zu den Nullstellen von Polynomen. • Ist z1 eine (reelle oder komplexe) Nullstelle von f , d.h., es gilt f (z1 ) = 0, so lässt sich der Faktor z − z1 abspalten, d.h., f (z) = (z − z1 )q(z), (74) wobei q ein Polynom vom Grade n − 1 = Grad f − 1 ist. • Nach dem Fundamentalsatz der Algebra hat jedes Polynom n–ten Grades genau n (im allgemeinen komplexe) Nullstellen (Vielfachheiten eingerechnet). Wir können also n–mal einen Linearfaktor abspalten, f (z) = an (z − z1 )k1 (z − z2 )k2 · · · (z − zs )ks , (75) wenn Polynom f die s verschiedenen Nullstellen z1 , z2 , . . . , zs jeweils mit den Viel∑ fachheiten k1 , k2 , . . . , ks hat, mit k1 + k2 + · · · + ks = si=1 ki = n. (zi ist eine ki –fache Nullstelle von f .) 15 • Beispiel: Das Polynom f (z) = 3z 3 − 3z 2 − 15z − 9 = 3(z − 3)(z + 1)2 (76) hat die 2–fache Nullstelle −1 und die einfache Nullstelle 3. An der quadratischen Gleichubg z 2 + pz + q = 0 mit den Lösungen √ p2 − 4q p z1/2 = − ± 2 2 (77) ist zu erkennen, dass komplexe Nullstellen immer in konjugiert komplexen Paaren auftreten. Das ist auch allgemein der Fall; d.h. ist z1 = x + iy eine Nullstelle des reellen Polynoms P (z) = an z n + an−1 z n−1 + · · · + a1 z + a0 , (78) so ist auch z 1 = x − iy eine Nullstelle, denn 0 = P (z1 ) = an z1n + an−1 z1n−1 + · · · + a1 z1 + a0 (79) (64) = an z1n + an−1 z1n−1 + · · · + a1 z1 + a0 (80) (65) an z n1 + an−1 z n−1 + · · · + a1 z 1 + a0 1 (81) (66) an z n1 + an−1 z n−1 + · · · + a1 z 1 + a0 = P (z 1 ), 1 (82) = = wobei in der letzten Gleichung (66) gemeinsam mit ai ∈ R für i = 0, . . . , n verwendet wurde. 2.1 2.1.1 Polarkoordinaten komplexer Zahlen Trigonometrische Funktionen Ein Punkt P auf dem Einheitskreis ist durch Angabe der Länge θ des Bogens vom Punkt (1, 0) zu P auf dem Kreis eindeutig bestimmt (Bogenmaß). Jedem Winkel entspricht ein Punkt auf dem Einheitskreis, und wir definieren sin θ als die Ordinate und cos θ als die Abzisse dieses Punktes (vgl. Abbildung 5). Da der Umfang des Einheitskreises gleich 2π ist, ist die Länge des Bogens von (1, 0) zu 16 1.5 (0,1) 1 (a,b) = P c=1 0.5 b θ (−1,0) 0 a (1,0) −0.5 −1 (0,−1) −1.5 −1.5 −1 −0.5 Abbildung 5: sin θ = 0 0.5 b c = b, cos θ = 1 a c 1.5 = a. (0, 1), (−1, 0), (0, −1) und (1, 0) gleich π2 , π, 32 π und 2π, also z.B. sin(π/2) = 1, sin(π) = 0, sin(3π/2) = −1, sin(2π) = 0, cos(π/2) = 0, cos(π) = −1, cos(3π/2) = 0, cos(2π) = 1. Offenbar ist sin π4 = cos π4 , und wegen sin2 θ + cos2 θ = 1 (a2 + b2 = c2 = 1 in Abbildung 5) ist sin π π 1 = cos = √ ≈ 0.7071. 4 4 2 17 (83) sinus und cosinus 1 sin cos 0.8 0.6 sin(x), cos(x) 0.4 0.2 0 −0.2 −0.4 −0.6 −0.8 −1 −2pi −pi 0 pi/2 pi 3pi/2 2pi 3pi 4pi x Abbildung 6: sin und cos. Bogenmaßwerte größer 2π (mehrfaches Umlaufen) und negative Werte (Umlaufen in umgekehrter Richtung) sind sinnvoll, und daher kann man Funktionen sin : R → [−1, 1] (84) cos : R → [−1, 1] (85) definieren, mit der Periode 2π, d.h. sin(x + 2kπ) = sin x und cos(x + 2kπ) = cos x für k ∈ Z. Es ist cos(x) = cos(−x), sin(x) = − sin(−x). 18 (86) Additionstheoreme: sin(x + y) = sin(x) cos(y) + sin(y) cos(x) (87) sin(x − y) = sin(x) cos(y) − sin(y) cos(x) (88) cos(x + y) = cos(x) cos(y) − sin(x) sin(y) (89) cos(x − y) = cos(x) cos(y) + sin(x) sin(y) (90) Aus (87) und (89) folgen z.B. sin(2x) = 2 sin(x) cos(x) (91) cos(2x) = cos2 (x) − sin2 (x). (92) Umkehrfunktionen Die Funktion cos : [0, π] → [−1, 1] ist streng monoton. Die Umkehrfunktion ist arccos : [−1, 1] → [0, π], (93) siehe Abbildung 7. 2.1.2 Polarkoordinaten komplexer Zahlen: Jede komplexe Zahl z ̸= 0 hat eine Darstellung z = x + iy = R(cos θ + i sin θ) mit R = |z| = √ x2 + y 2 , θ ∈ [−π, π]. (94) (95) Das Paar (R, θ) heißt Polarkoordinaten für z. Diese Darstellung kann wie folgt konstruiert werden: Sei z = x + iy und (zunächst) y ≥ 0. Setzt man z x y = +i =: ξ + iη, |z| |z| |z| (96) θ = arccos ξ (97) so ist ξ 2 + η 2 = 1. Mit 19 arccos pi pi/2 −1 0 1 Abbildung 7: Die Umkehrfunktion des Cosinus. ist dann θ ∈ [0, π] (vgl. Abbildung 7), cos θ = ξ, sin θ ≥ 0 und wegen ξ 2 + η 2 = 1 und η ≥ 0 ist auch sin θ = η, also ξ + iη = cos θ + i sin θ. Ist y < 0, so wählt man θ = − arccos ξ und wegen (86) ist dann ξ +iη = cos θ+i sin θ. (Alternativ setzt man wie zuvor θ = arccos ξ und ξ + iη = cos θ − i sin θ.) Zur Veranschaulichung kann die komplexe Zahlenebene verwendet werden (vgl. Abbildung 8). Die komplexe Zahl z = x + iy wird durch den Punkt (x, y) dargestellt. Reellen Zahlen entsprechen die Punkte auf der x–Achse (reelle Achse), rein imaginären √ Zahlen entsprechen jene auf der y–Achse (imaginäre Achse). |z| = R = x2 + y 2 ist der Abstand des Punktes z = (x, y) vom Punkt (0,0). Beispiele: √ √ √ 1. z = 1 + i 3: R = 1 + 3 = 2, θ = arccos(1/2) = π/3, also 1 + i 3 = 2(cos(π/3) + i sin(π/3)). 2. z = 3 2 + √ i323: R= √( ) 3 2 2 + 9·3 4 ( = 3, θ = arccos 20 3/2 3 ) = arccos(1/2) = π/3, also Im(z)=y p R = x2 + y 2 (x,y) = z = x+iy iy θ x Re(z)=x Abbildung 8: Die komplexe Zahlenebene. Die komplexe √ Zahl z = x + iy wird durch den Punkt (x, y) dargestellt. Der Betrag |z| ist R = x2 + y 2 . Es ist sin θ = y/R und cos θ = x/R, also z = x + iy = R(cos θ + i sin θ). 3 2 √ ( ) + i 3 2 3 = 3 cos π3 + i sin π3 . ( √ ) (√ ) √ √ 3. z = 4( 3 + i): R = 16 · 3 + 16 = 8, θ = arccos 4 8 3 = arccos 23 = π6 , also √ ( ) ( ) 4( 3 + i) = 8(cos π6 + i sin π6 ). 21 Formeln von de Moivre Aus (91) und (92) folgt für z = x + iy = R(cos θ + i sin θ) z 2 = R2 (cos θ + i sin θ)2 = R2 (cos2 θ + i2 sin2 θ + 2i sin θ cos θ) (98) = R2 (cos2 θ − sin2 θ + 2i sin θ cos θ) = R2 (cos(2θ) + i sin(2θ)). Allgemein ist für jede komplexe Zahl z z n = (x + iy)n = Rn (cos(nθ) + i sin(nθ)). (99) Gleichung (99) kann aus (98) via Induktion hergeleitet werden, denn wenn (99) für z n−1 gilt, dann ist zn = Rn (cos θ + i sin θ)n = Rn (cos θ + i sin θ)n−1 (cos θ + i sin θ) = Rn (cos((n − 1)θ) + i sin((n − 1)θ))(cos θ + i sin θ) = Rn {cos((n − 1)θ) cos θ − sin((n − 1)θ) sin θ +i[sin((n − 1)θ) cos θ + cos((n − 1)θ) sin θ]} (87)&(89) = Rn (cos(nθ) + i sin(nθ)). 22