2. Chemische Synthese von Peptiden Heute ist die chemische Synthese von Peptiden und Proteinen mit Molekulargewichten von 3.000 – 10.000 Da möglich. Zwei Entwicklungen machten dieses im Wesentlichen möglich: - Kupplungsausbeuten von > 99,5% - Razemisierungsfreiheit der Kupplung Heute werden Peptide und Peptidomimetika auf zwei Wegen synthetisch hergestellt: 1) Flüssigphasenchemie 2) Festphasenchemie Beide Methoden beruhen auf einer ausgeklügelten Schutzgruppenchemie. So müssen die Seitenketten der Aminosäure permanent geschützt werden. Die αAminogruppe wird temporär geschützt und die Carbonsäurefunktion wird zur Kupplung aktiviert. 2.1 Die Nα-Schutzgruppe Für die Kupplung muss die Aminogruppe der Aminosäure geschützt werden, da sonst nach Aktivierung der Säure die Aminosäure mit sich selber reagieren würde. Nach der Kupplung muss diese Schutzgruppe schnell und mild abspaltbar sein, damit eine weitere Kupplung erfolgen kann. Die Synthese von Peptiden wird somit vom C- zum N-Terminus durchgeführt. Als temporäre α-Aminoschutzgruppe sind heute zwei Urethan-Schutzgruppen gebräuchlich. 1) tert-Butoxycarbonyl (Boc) abspaltbar mit H+ 2) Fluorenylmethoxycarbonyl (Fmoc) abspaltbar mit sek. Aminen 1 Die Fmoc-Schutzgruppe wird unter Bildung einer Carbanion-Zwischenstufe nach einem E1cb-Mechanismus abgespalten. Die Boc-Schutzgruppe eliminiert nach E1 über eine Carbokation-Zwischenstufe (Abb. 1). Abb. 1 Entschützung der Boc-Schutzgruppe (links) nach E1 und der Fmoc-Schutzgruppe (rechts) nach E1cb (aus R. Brückner, Reaktionsmechanismen). 2 2.2 Die Schutzgruppen der Seitenketten Die Schutzgruppen der Seitenketten müssen orthogonal sein. Diese Schutzgruppen müssen während der Entschützung der Nα-Schutzgruppen (Boc oder Fmoc) stabil, am Ende der Synthese aber abspaltbar sein. 2.2.1 Ser, Thr und Tyr Für die Boc- und Fmoc-Synthesestrategie schützt man die OH-Gruppen meist als Ether. Im Fall der Boc-Chemie wird das Peptid am Ende mit HF entschützt und vom Harz abgespalten. Im Fall eines Fmoc-Syntheseprotokolls wird zum Schluss mit Trifluoressigsäure TFA (90%) abgespalten. Im Boc-Syntheseprotokoll werden daher Schutzgruppen verwendet, die bedingt säurestabil sind. Sie überleben die temporäre Entschützung der Boc-Schutzgruppe mit TFA, werden aber mit HF abgespalten. Es wird die Benzoyl-(Bz)-Schutzgruppe eingesetzt. Im Fmoc-Syntheseprotokoll wird der tert-Butylether verwendet. Dieser ist während der temporären Entschützung mit Piperidin stabil, wird aber am Ende mit TFA gespalten. Für die Aminosäure Tyr wechselt man oft auf die 2,6-Dichlorbenzylschutzgruppe. 2.2.2 Asp und Glu Hier werden im Fall der Boc-Chemie die Benzylester (Bn) verwendet. Für die FmocChemie kommt der tert-Butylester zum Einsatz. O O O H2 N COOH O H2 N COOH 2.2.3 Lys Die ε-Aminogruppe von Lysin muss unbedingt geschützt werden. Im Boc-Syntheseprotokoll wird hierzu die Fmoc-Gruppe verwendet. Alternativ kann die 2-Chlorbenzyloxycarbonylschutzgruppe (2ClZ) eingesetzt werden. Diese ist labiler als die klassische Z- Schutzgruppe (Z = Benzyloxycarbonylschutzgruppe). 3 H N H2N COOH O Cl H N H2N O COOH O O Wird Fmoc-Chemie betrieben, so verwendet man meistens die Boc-Schutzgruppe. 2.2.4 Arg Die Guanidiniumgruppe muß mit ihrem pKa-Wert von 12.5 nicht unbedingt geschützt werden. Allerdings ist dann die Löslichkeit schlecht. Praktisch werden meistens Benzolsulfonylschutzgruppen verwendet. Innerhalb der Boc-Chemie ist die 4-Toluolsulfonyl (Tos) und die Mesitylen-2-sulfonyl-Gruppe (Mts) beliebt. NH NH H2N COOH O N S H O N H H2N COOH Tos O N S H O N H Mts Betreibt man Fmoc-Chemie, so wird die Mtr-Schutzgruppe oder die PmcSchutzgruppe verwendet. NH H2N COOH N H NH O S O Mtr NH H2N COOH Pmc OCH3 N H NH O S O O Die Säureempfindlichkeit dieser Schutzgruppen nimmt in der Reihe wie folgt ab: Pmc > Mtr >> Mts > Tos 2.2.5 His Im Fall des Histidins wird entweder Nτ oder Nπ geschützt. So kann das Nτ einfach Tosyl geschützt werden. Im Boc-Syntheseprotokoll wird hingegen meistens die 2,4Dinitrophenylschutzgruppe (DNP) eingesetzt. Im Fall der Fmoc-Strategie wird Nτ 4 häufig Boc oder einfach Trityl (Tr) geschützt. Für Nτ wird häufig die BOM- (= Benzyloxymethyl) oder die Bum-Schutzgruppe (= tert-Butoxymethyl) verwendet. Die Verwendung von Nπ Schutzgruppen reduziert das Razemisierungsrisiko. H2N COOH H2N N H N N H N Nτ H2N H2N COOH COOH N N Nπ H2 N COOH COOH Tr N N N NO2 HSCH2CH2OH HO N H S O His NO2 BOM NO2 DNP NO2 O His Bum 2.2.6 Asn und Gln Diese Seitengruppen werden meist ungeschützt gelassen. Allerdings kann es zu Dehydratisierung kommen was dann Nitrile ergibt. 2.2.7 Trp und Met Diese Seitenketten werden in der Regel nicht geschützt. 2.2.8 Cys Es handelt sich um eine sehr problematische Aminosäure, deren Schützung unbedingt erforderlich ist. Für Boc-Chemie bietet sich die AcetamidomethylSchutzgruppe (Acm) an. Sie ist ebenfalls kompatibel mit der Fmoc-Chemie. Die AcmSchutzgruppe wird mit Hg2+- oder Ag+-Salzen gespalten. Auch die mit Säure abspaltbare Tr-Gruppe wird für Cys gerne verwendet. 5 H2N COOH H2N S COOH S O N H Tr Acm 2.3 Acylierungen Um eine Peptidbindung bilden zu können, muss die Carboxylatfunktion aktiviert werden. Die unterschiedlichen Carboxylatderivate weisen eine unterschiedliche Resonanzstabilisierung auf, welche die Reaktivität herabsetzt. Das Carboxylat mit ca. 30 kcal/mol, das Amid 22 kcal/mol und der Ester 14 kcal/mol sind relativ unreaktiv. Anhydrid und Säurechlorid haben kaum Resonanzstabilisierung und sind aus diesem Grund sehr reaktiv. Ziel der Carbonsäureaktivierung muss es also sein, Derivate zu erzeugen, in denen die Resonanzstabilisierung nur minimal ist O O O < NH2 O < OR O < O O O < Cl Reaktivität nimmt zu Der Angriff des Nukleophils ergibt eine Tetraederzwischenstufe, in der die Resonanzstabilisierung nicht mehr existiert. Je größer der Verlust an Resonanzenergie, umso höher liegt der Übergangszustand der Reaktion und umso unreaktiver ist das Derivat (später Übergangszustand). Die Grundlagen der nukleophilen Substitution am Carboxylat Kohlenstoff sollten im Lehrbuch (z. B. im R. Brückner Reaktionsmechanismen) nachgelesen werden. 6 Abb. 2 Energieprofil (mit Mesomeriestabilisierung) zur Bildung der Tetraederzwischenstufe aus einem Carbonsäurederivat. Ein weiterer Punkt, der die Reaktivität beeinflusst, ist die Stabilisierung der tetraedrischen Zwischenstufe. Je stärker die Stabilisierung, umso energetisch tiefer liegt der Übergangszustand und umso schneller ist die Reaktion. Da die tetraedrischen Zwischenprodukte oft negativ geladen sind, was sich im Übergangszustand partiell bereits bemerkbar macht, wirken sich sehr elektronenziehende Substituenten (z. B das Cl im Säurechlorid) stabilisierend und damit ratenbestimmend aus. Auch der anomere Effekt stabilisiert die Tetraederzwischenstufe sehr stark. Der anomere Effekt ist in Strukturelementen Het-C-Het (Het = Heteroatom) bedeutsam. Es handelt sich um eine n-σ* Wechselwirkung (Abb. 3). Abb. 3 Anomerer Effekt. 7 Carbonsäuren werden für die Amidbindungsbildung daher zunächst in reaktive Substanzen überführt. Sehr bekannt sind die Anhydride, die Pentafluorphenylester (A), Thioester (B, aktiviert wegen der geringen Neigung des Schwefels Doppelbindungen zu bilden), Imidazolide (C) und natürlich die Aktivierung mit Hilfe des Steglich-Reagenzes Dimethylaminopyridin (D, DMAP). Beim Steglich-Reagenz würde eine Resonanz zu einer doppelt positiv geladenen Teilstruktur führen was energetisch sehr ungünstig ist O F F O F O O O O S N N N N F A F B C N D N Eine bekannte Methode zur Aktivierung von Carbonsäuren bietet das MukaiyamaVerfahren (Schema 1). Hier entsteht über Meisenheimer-analoge Zwischenstufen (nukleophile aromatische Substitution) ein Aktivester, der leicht mit Nukleophilen reagiert. Die Aktivierung findet hier in situ statt. Schema 1 Carbonsäureaktivierung mit dem Mukaiyama-Reagenz. Der Mechanismus der Carbonsäureaktivierung soll am Beispiel der Imidazolide dargestellt werden (Schema 2). Hier wird ausgehend von der Carbonsäure mit Carbonyldiimidazol das Imidazolid erzeugt. 8 Schema 2 Carbonsäureaktivierung über ein Imidazolid. Man informiere sich über den Mechanismus der Bildung von Säurechloriden mit Thionylchlorid und Oxalyldichlorid, sowie mit der Frage warum DMF die Bildung eines Säurechlorids aus einer Carbonsäure und Thionylchlorid katalysiert. 2.4 Kupplungsmethoden 2.4.1 Aktivierung mit DCC In der Peptidchemie wird nur selten ein stabiles aktiviertes Carbonsäurederivat eingesetzt. Meist wird die Nα- und Seitenketten-geschützte Aminosäure direkt in situ vor der Kupplung aktiviert. Hierzu wird häufig ganz klassisch ein Gemisch aus DCC + HOBt eingesetzt. DCC aktiviert die Carbonsäure unter Bildung eines sehr reaktiven Acylisoharnstoffs. Dieser regiert mit dem HOBt zu einem Reaktivester, in dem ein sehr großer Teil der anfänglichen Reaktivität konserviert ist (Schema 3). Dieser Reaktivester reagiert dann mit der Nukleophil, z. B mit der freien Aminogruppe einer zweiten Aminosäure. Eine direkte Umsetzung des Acylisoharnstoffs ist wenig ratsam, 9 da die Reaktivität so hoch ist, das Razemisierung eintritt. Außerdem erfolgt ein, wenn auch langsamer [1,3]-Acylshift, der zu einem unreaktiven Acylharnstoff führt (Schema 3E). Schema 3 Carbonsäureaktivierung mit DCC. Alternativ zum DCC wird häufig Diisopropylcarbodiimid (DIPCDI) verwendet, da der sich hier bildende Harnstoff löslicher ist und leichter abgetrennt werden kann. HOBt beschleunigt die Reaktion, unterdrückt die Razemisierung und hilft das die Asn und Gln Seitengruppen nicht dehydratisieren. Mit Hilfe von DCC lassen sich also die Aminosäuren in situ in relativ stabile Aktivester überführen wie: Pentafluorphenyl(Schema 3C) oder eben HOBt-Ester (Schema 3D). Diese Aktivester sind so stabil, dass sie isoliert und chromatographiert werden können. 2.4.2 Aktivierung mit BOP Sehr modern und beliebt ist neben der DCC-Methode, die Kupplung mit einem Gemisch aus HBTU/HOBt oder BOP (BOP = Benzotriazolyloxytris[dimethylamino]10 phosphoniumhexafluorophosphat), auch bekannt als Castros-Reagenz. Wichtig ist, dass das Gegenion sehr wenig nukleophil ist, deshalb das PF6-. N O P N N N N PF6 N O C N N N N PF6 BOP HBTU Das BOP-Reagenz ist stabil, nicht hygroskopisch und sehr gut löslich in organischen Lösungsmitteln. Generell ist das BOP-Reagenz wesentliche effizienter als die Kombination DCC/HOBt. Ein Hexamethylphosphorsäuretriamid Nachteil entsteht, ist, das dass während wegen seiner der Reaktion Carcinogenität gefürchtet wird. Das neue Reagenz PyBop schafft hier Abhilfe. Dieses Reagenz besitzt statt Methylgruppen, Pyrrolidineinheiten. PF6 N P O N N N N PyBOP Br N P N N PF6 PyBroP Br N P N N PF6 BroP Andere neue Reagenzien enthalten überhaupt keine Oxybenzotriazole mehr. Hierzu gehören BroP oder auch PyBroP. Diese Reagenzien kuppeln vor allem sekundäre Amine wie N-Methylaminosäuren sehr effizient. Weitere Reagenzien, die sehr beliebt sind, sind HBTU (HBTU = 2-(1H-benzotriazol1-yL)-1,1,3,3-tetramethyluroniumhexafluorophosphat) oder auch einfach die Carbonsäurechloride oder -fluoride. Besonders aktiv ist das neue Reagenz HATU. 11 N N C O N N N N PF6 F N O F N N O F OH F HATU Die Synthese der Kupplungsreagenzien ist beispielhaft für BOP in Schema 4 gezeigt. Schema 4 Synthese des BOP-Reagenz. Manchmal ist es nötig, während der Peptidsynthese gezielt eine Aminogruppe einer Lys-Seitenkette freizusetzen, um z. B eine Zyklisierung einzuleiten. Hierzu benötigt man eine weitere orthogonale Schutzgruppe. In der Regel wird hierfür die Allyloxycarbonylgruppe (Alloc) verwendet. P1HN O NHP2 P1HN Bu3SnH PdCl2(PPh3)2 O NHP2 O NH O H2N 2.5 Festphasensynthese Bei der Festphasensynthese wird das Peptid an einem Polymer, einem festen Träger, hergestellt. Durch die Immobilisierung können die verwendeten Reagenzien sehr schnell ausgewaschen werden. Ferner können Sie in großem Überschuss zugesetzt werden, wodurch die Kupplungsausbeuten deutlich gesteigert werden können. Die Immobilisierung erlaubt es die Peptidsynthese zu automatisieren. So 12 gibt es heute kommerzielle Peptidsynthesegeräte mit denen Peptide bis zu einer Länge von 100 Aminosäuren (praktisch 50 Aminosäuren) hergestellt werden können. Bei der Peptidsynthese wird an der festen Phase eine repetitive Sequenz aus Kupplung, Entschützung der temporären Schutzgruppe und erneuter Kuppelung durchgeführt (Abb. 4). Abb. 4 Typische Reaktionssequenz zum Aufbau eines Peptids an der festen Phase. 13 Besondere Beachtung muss dem Harz-Polymer und dem Linker geschenkt werden. Der Linker ist das Bindeglied zwischen dem polymeren Träger und dem Peptid. Dieser Linker muss am Ende, ebenso wie die permanenten Schutzgruppen, spaltbar sein, um das Peptid freizusetzen. Im Fall der Boc-Chemie muss die Spaltung demnach mit HF und im Fall der Fmoc-Chemie mit ca. 80%-iger TFA realisierbar sein. Der Linker legt fest, ob nach der Abspaltung eine C-terminale Carbonsäure oder eine andere Gruppe wie z.B. ein Amid erhalten wird. Im Fall des Harzes, also des Polymers, sind die Quell-Eigenschaften bedeutsam sowie die Beladung und die Inertheit gegenüber den Reagenzien. Das Harz muss gut quellen, damit die Reagenzien leicht an die Synthesestelle gelangen können. Man muss sich das Polymer als ein eng geknüpftes Maschennetzwerk vorstellen, in dem das Peptid hergestellt wird. 2.5.1 Die feste Phase In der Regel handelt es sich um Polystyrol, das mit 1% m-Divinylbenzol versetzt (crosslinking) wurde. Die Funktionalisierung geschieht meist über eine Chlormethylierung. Zwischen die Chlormethylgruppe und die erste Aminosäure wird meist ein Linker gesetzt, der die Abspaltung des fertigen Peptides vom Harz am Ende der Synthese erlaubt. Die wichtigsten Harze sind: A) Wang-Harze nennt man Harze, die einen Wang-Linker zwischen dem Polystyrol und dem Peptid besitzen. Diese Harze werden im Rahmen der FmocPeptidsynthese eingesetzt und erlauben die Synthese von C-terminalen Carbonsäuren. Wang-Harze enthalten einen p-Alkoxybenzylesterlinker. Man erhält die Wang-Harze durch Umsetzung der Chlormethylpolystyrole mit 4- Hydroxybenzylalkohol. Die Abspaltung des fertigen Peptids erfolgt mit TFA. B) Rink-Harze (4-(2’,4’-Dimethoxyphenylhydroxymethyl-phenoxy-Harze) sind entweder als Amid- oder Säure-Harze erhältlich. Das Amid-Harz liefert C-terminale Amide und wird für die Fmoc-Synthese eingesetzt. Das Rink-Säure-Harz ermöglicht Peptidsynthese nach der Boc-Strategie. Es liefert C-terminale Carbonsäuren. 14 Der Rink-Säure-Linker ist, ebenso wie der Chlortrityl-Linker, so säurelabil, dass die Peptide z. B. mit verdünnter TFA vollgeschützt vom Harz abgespalten werden können. Diese Fragmente können dann in der Fragmentkondensation eingesetzt werden. O OH O O O O NHFmoc Wang-Linker Rink-Amid-Linker OH Rink-Säure-Linker Cl Merrifield-Harz Cl Cl NH2 MBHA-Amid-Linker Chlortrityl-Harz O NO2 NH PAM-Linker O Oxim-Linker N OH C) OH MBHA- und PAM-Harze: Die MBHA = p-Methylbenzhydrylamin- oder PAM = Phenalacetamidomethyl-Harze werden ebenso wie das klassische Merrifield-Harz im Rahmen der Boc-Peptidsynthese verwendet. Die Abspaltung der fertigen Peptide erfolgt am Ende mit HF. Mit den MBHA-Harzen werden Peptidamide erhalten. Die PAM-Harze liefern die Carbonsäuren. Will man mit Hilfe der Boc-Strategie voll geschützte Peptide herstellen, so kann dieses mit Oxim-Harzen erreicht werden. Hier findet die Spaltung mit NH3 oder H2N-NH2 statt. 15 Neben diesen Linkern, die mit unterschiedlich starken Säuren die Abspaltung des Peptides ermöglichen, gibt es eine große Auswahl anderer Linker, die eine völlig orthogonale Abspaltung mit z. B. Licht (Nitrobenzyl-Harze) oder Pd(0) (Allyl-Harze) ermöglichen. O HN HN O Nitrobenzyl-Linker Br Allyl-Linker NO2 Br Abb. 5 Abspaltung eines Peptids im vollgeschützten Zustand. Die Synthese erfolgte nach dem Fmoc-Protokoll an einem Sasrin-Harz, welches dem Wang-Harz sehr ähnlich ist. 2.5.2 Die Entschützung • Man kann das Peptid mitsamt den Seitenketten-Schutzgruppen abspalten, wenn z. B. eine spätere Fragmentkondensation geplant ist. 16 • Möglich ist auch, zunächst wenige orthogonale Schutzgruppen am Peptid abzuspalten, um z. B. zunächst eine Cyclisierung am Harz durchzuführen. • In den meisten Fällen wird man wohl das Peptid komplett am Harz entschützen und dann auch gleich vom Harz abspalten. Die komplette Entschützung und gleichzeitige Abspaltung vom Harz erreicht man im Fall der Boc-Strategie mit flüssigem HF, Trifluormethansulfonsäure (TFMSA) in TFA oder HBr in HOAc. Im Fall der Fmoc-Strategie wird TFA (ca. 80%ig) in CH2Cl2 verwendet. Für die HF-Abspaltung wird eine spezielle Ausrüstung benötigt. In der Regel werden Abfangreagenzien (scavanger) zugesetzt, um reaktive Intermediate abzufangen, die das Peptid schädigen könnten. Hier kommen Anisol, Ethandithiol, Dimethylsulfid, u. a. zum Einsatz. Schema 5 Beispiel für die Synthese eines zyklischen Peptids direkt am Harz. 17 In Schema 5 ist beispielhaft die Synthese eines zyklischen Peptids an der festen Phase gezeigt. Das Peptid wird mit Hilfe der Boc-Strategie an einem Oxim-Harz synthetisiert. Eine Asparaginsäure und ein Lysin-Rest werden Fmoc geschützt. Diese Schutzgruppen werden nach der kompletten Peptidsynthese selektiv entschützt. Dann erfolgt die Cyclisierung mit dem Reagenz BOP direkt am Harz. Ganz zum Schluss wird vollständig entschützt und vom Harz abgespalten. 2.6 Synthese von langen Peptiden und Proteinen Zur Synthese sehr langer Peptide oder von Proteinen mit unnatürlichen Aminosäuren existieren derzeit 4 Methoden: 1. Fragmentkondensation 2. Ligationen (native chemical ligation) 3. Int-/Ent-Systeme 4. Einbau unnatürlicher Aminosäuren in Proteine 2.6.1 Fragmentkondensation Durch die normale Peptidsynthese sind Peptide mit einer Länge von 30 – 40 Aminosäuren herstellbar. Längere Peptide neigen am Harz zur Aggregation, was die Syntheseausbeute sehr deutlich reduziert. Man erhält dann uneinheitliche Produkte. Die Kupplungsausbeute lässt sich mit Hilfe von Detektoren (Abspaltung der FmocGruppe) oder mit Hilfe von Ninhydrin-Tests überwachen. Bei der Segmentkondensation werden die Peptide vollständig geschützt isoliert. Dann werden die zwei Fragmente gekuppelt. Die Limitierungen liegen in zu schlechten Ausbeuten auch bedingt durch eine geringe Löslichkeit. Razemisierung der aktiven Aminosäure ist ebenfalls ein Problem. 2.6.2 Ligation von ungeschützten Peptidsegmenten Eine typische funktionelle Proteindomäne enthält 130 ± 40 Aminosäuren. Nur 70 lassen sich heute am Harz routinemäßig kuppeln und schon das erfordert viel Erfahrung. Chemische Ligation ermöglicht es zwei ungeschützte Peptidsegmente zu kuppeln. Man benötigt allerdings einen N-terminalen Cysteinrest an der Kupplungsstelle. 18 Man synthesitsiert zunächst ein Peptid mit einem C-terminalen Thioester. Das zweite Fragment enthält N-terminal ein Cystein. Werden beide Fragmente zusammengegeben, so setzt ein Thiolaustausch ein, in dessen Folge im Gleichgewicht auch das Thioester verknüpfte Produkt entsteht. Eine schnelle Umlagerung führt zum Trapping des Intermediats unter Ausbildung einer Peptidbindung. Es gibt mittlerweile auch Methoden, die es ermöglichen Peptide zu legieren ohne dass ein Cys-Rest anwesend sein muss. Ein Problem ist immer die Synthese des Thioesters vom Fragment 1. Hier wird zumeist das Peptid durch Boc-Chemie assembliert, welches per Thioester mit dem Harz verbunden ist. Dann wird das Peptid schrittweise aufgebaut und am Ende abgespalten. Der Thioester „überlebt“ diese Schritte gut. Problematischer ist die Synthese der Thioester basierend auf der Fmoc-Chemie, da der Thioester den regelmäßigen Fmoc-Abspaltungen nicht standhält. Meist wird zunächst das Peptid hergestellt, welches dann mit Benzylbromid den in die Ligation einsetzbaren Thioester ergibt. Fmoc-Chemie muss unbedingt angewendet werden, wenn zum Beispiel glykosylierte Peptide legiert werden sollen. Hier helfen die Säure und Base stabilen „SafetyCatch“-Linker von J. Ellman. Das Peptid wird am „Safety-Catch“-Linker mittels FmocChemie assembliert. Die letzte Aminosäure ist Boc geschützt. Das ist wichtig, da diese erst nach der Thioesterbildung entschützt werden kann. Das Harz wird dann mit ICH2CN behandelt und so der Linker aktiviert. Die Abspaltung vom Harz unter Ausbildung des Thioesters erfolgt mit Thiobenzylalkohol. Dann werden alle Schutzgruppen mit TFA abgespalten und das Peptid gereinigt. Die Ligation wird per HPLC verfolgt. Die endgültige Charakterisierung erfolgt durch MS (ESI-MS). 2.6.3 Int-/Ent-Systeme † 2.6.4 Einbau unnatürlicher Aminosäuren in Proteine† † Dieser Abschnitt wird zu einem späteren Zeitpunkt fertig gestellt. 19