10.Vorlesung EP WS2008/9 I. Mechanik 6. Hydro- und Aerodynamik a) Kontinuitäts- und Bernoulli-Gleichung b) Viskosität Fortsetzung: Hagen-Poisenille 7. Schwingungen Versuche: Pendel mit zwei Längen Sandpendel ohne/mit Dämpfung erzwungene Schwingung mit ω < ω0, ω = ω0, ω > ω0 („Texastower“) Glas zersingen „Tacoma Bridge“ Film EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Strömung nach Hagen-Poiseuille Strömt ein viskoses Fluid durch ein Rohr (Ader), so bildet sich eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung aus u(r) ~ (R-r)2 d.h. Strömungswiderstand RS = (8ηL/πR4) Der gesamte Volumenstrom ist •proportional zur Druckdifferenz •umgekehrt proportional zur Viskosität •und umgekehrt proportional zur Rohrlänge •proportional zur vierten Potenz des Radius EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Folgen der R4 Abhängigkeit des Volumenstroms Bei Verengung des Rohrs entweder starke Stromreduzierung oder zur Kompensation starke Druckerhöhung notwendig ... EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Blutkreislauf •Blutkreislauf ist parallel angelegt, Lunge und Körper aber in Serie •Gesamtquerschnittsfläche der Kapillaren ist ca. 1000-fach größer als in der Aorta, also die Geschwindigkeit entsprechen kleiner Druck Gesamt-Querschnitt •Druckabfall erfolgt in den Kapillaren mit kleinem Radius mittlere Geschwindigkeit Arterien Kapillaren Venen EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler •Druckabfall erfolgt in den Kapillaren mit kleinem Radius •um Hagen Poiseuille zu entschärfen, reduziert sich die Viskosität des Bluts in den Kapillaren (Fahraeus-Lindquist Effekt) Arterien, Venen Kapillaren Ordnung der roten Blutkörperchen reduziert Strömungswiderstand ~ dv dz = Druck Rote Blutkörperchen in einer Glaskapillare von 10 µm Durchmesser EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Bemerkung zum Blutkreislauf beim Menschen Typische Drucke im Blutkreislauf: im Lungenkreislauf p = 10 bis 20 Torr im Körperkreislauf p = 70 bis 140 Torr Blutvolumen gepumpt: ca. 5 Liter/Minute Aortadurchmesser ca. 2,5 cm. Gesamtquerschnitt der verzweigten Blutgefäße (Kapillaren) entspricht dem Tausendfachen des Querschnitts in der Aorta. Deshalb ist die Geschwindigkeit in den Kapillaren ein Tausendstel der Geschwindigkeit in der Aorta (Kontinuitätsgleichung). Die Geschwindigkeit in den Kapillaren ist 0,3 mm/sek. Kleiner Radius in den Kapillaren ergibt sehr hohen Widerstand, d.h. der Druckabfall erfolgt im Wesentlichen in den dünnen Blutgefäßen. Blutverteilung im Körper kann über die Radiusänderung der Adern gesteuert werden. Beim gesunden Körper ist die Blutströmung im allgemeinen laminar (Ausnahme Herzklappen). Beim kranken Körper werden durch Ablagerungen an den Blutgefäßen turbulente Strömungen auftreten, die hörbar werden. Im Körperkreislauf variiert der Blutdruck zwischen der Systole (Kontraktion des Herzens) mit ca. 140 Torr und der Diastole mit 80 Torr (Rückbewegung im Herzen). Die Aorta ist elastisch und gleicht Druckschwankungen, die von der Pumpe Herz erzeugt werden, aus. EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Blutdruckmessung •Druck in einer großen Arterie ist etwa gleich dem in der Aorta •Abdrücken des Blutflusses mit Manschette bis kein Puls mehr spürbar •Druckablassen bis Turbulenzgeräusche hörbar (systolischer Druck) •Ablassen bis Turbulenzgeräusche verschwinden, das Blut zirkuliert jetzt laminar (diastolischer Druck) EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Viskositätsmessung Kugelfallviskosimeter: Stokes’sche Reibung bremst ~ η r v Schwerkraft (-Auftrieb) beschleunigt ~ ρ r3 Konstante Sinkgeschwindigkeit, wenn beide Kräfte sich kompensieren, ist proportional zum Quadrat des Radius h Medizin: Messung der Blutsenkung (Sinkgeschwindigkeit der im Blutplasma suspendierten roten Blutkörperchen), durch Agglomeration bei Infektionen reduziert alternative Meßmethoden: Kapillarviskosimeter (s. nächste Seite), Rotationsviskosimeter EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler 7. Schwingungen Schwingungen Schwingung: räumlich und zeitlich wiederkehrender (=periodischer) Vorgang Zu besprechen: •ungedämpfte freie Schwingung •gedämpfte freie Schwingung •erzwungene gedämpfte Schwingung Ungedämpfte freie Schwingungen Beispiel Federpendel (a) in Ruhe (b) gespannt: Auslenkung x Rückstellkraft der Feder a) b) FR = −Dx (c) losgelassen c) Bewegung erfolgt nach den bekannten Gesetzen: M a = −Dx (2. Newtonsches Axiom) EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Hier werden wir mal differenzieren: a= dv dt ; dx d 2x v= ergibt a = 2 dt dt (mit unseren Differenzen ∆ könnten wir auch schreiben: a= ∆v ; ∆t ∆x ∆ ∆x ∆t v= ergibt a = ∆t ∆t Mit diesen Ableitungen erhalten wir aus dem 2. Newtonschen Axiom eine neue Gleichung: (*) d 2x M 2 + Dx = 0 dt ist eine Differentialgleichung. Die Lösung muß eine Funktion x(t) sein, deren 2. Ableitung proportional zur Funktion selber ist. EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Lösungsansatz: (**) x( t ) = A0 cos(ω 0 t + ϕ 0 ) (Sinusfunktion wäre auch möglich.) „harmonische Schwingung“ x(t) ≡ momentane Auslenkung A0 = maximale Auslenkung = maximale Amplitude φ(t): = ω0t + φ0=Phase der Schwingung, wobei Anfangsphase φ0 beliebig. dϕ = ω0 dt = Kreisfrequenz ω0 1 → f0 = = 2π T ist Frequenz der Schwingung. T ist die Periode der Schwingung EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Setzen wir (**) in (*) ein und verwenden, dass d(sin(ω 0 t) = ω 0 cos(ω 0 t) dt ist, so erhalten wir: -Mω02 cos(ω0t + ϕ0) + D cos(ω0t + ϕ0) = 0. ω0 = d(cos(ω 0 t) = −ω 0 sin(ω 0 t) und dt Daraus folgt: D M Maximalamplitude A0 ist beliebig und hängt nur von der Anfangsbedingung ab. Graphische Darstellung der Lösung: x(t) =A0 cos(ωt + φ0) = A0 cos(φ(t)) Wenn die Kraft auf einen Körper proportional zur Auslenkung aus der Ruhelage ist, vollführt er eine harmonische Schwingung. EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Anderes Beispiel: Schwerependel Idealfall „mathematisches Pendel“: Punktmasse m, Faden masselos (sonst: „physikalisches Pendel“) Die Schwerkraft FG= mg wird zerlegt in F´ (wird durch Fadenspannung FFaden kompensiert) und Ftangential = =sin α·mg ≈ α · mg (kleine Auslenkung). Diese bewirkt eine Beschleunigung d2x/dt2 = ℓ·d2α/dt2: m·ℓ·d2α/dt2 = α·m·g d2α/dt = (g/ℓ)·α Lösung: α = α0 ·cos ωt (Newton II), F´ = -FFaden Einsetzen in obige Differenzialgleichung ergibt: ω= Bogenstrecke dx = ℓ·α, d2x d 2α = l⋅ 2 dt 2 dt g l l hängt also g nicht von der Masse ab, nur von der Fadenlänge. Die Schwingungsdauer T = 2π/ω =2π EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Gedämpfte Schwingung Zusätzlich zur Rückstellkraft (-D·x) wirkt eine Reibungskraft (-γ·v=- γ·dx/dt) z.B. Stokesche Reibung bei Schwingung in Flüssigkeit oder Gas. Kräftegleichung (Differentialgleichung) d 2 x dx M 2 + γ + Dx = 0 dt dt Ansatz: x(t) = A0e-δt cos(ω t + φ0) Diese Funktion erfüllt die Gleichung und ergibt δ=γ/(2M) und ω = D − δ 2 = ω02 − δ 2 M Im Vergleich mit der ungedämpften Schwingung (s.o., ω = ω0 = D / M ist die Schwingung langsamer und nimmt exponentiell ab. Versuch Sandpendel mit Styroporplatte ) „Einhüllende“ e-δt mit „Dämpfungsfaktor“ δ EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Starke Dämpfung Obige Lösung gilt für schwache Dämpfung (ω0 > δ). Bei stärkerer Dämpfung schwingt das System nicht mehr, sondern „kriecht“ zum Nullpunkt. Kriechfall Anwendungen des aperiodischen Grenzfalls: Stoßdämpfer, Anzeigegeräte D − δ2 < 0 m D − δ2 = 0 m D − δ 2 > 0 (gedämpfte m Schwingung) EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Erzwungene (gedämpfte) Schwingung Treibende periodische Kraft mit Kreisfrequenz ω x1(t) x1(t) x(t) x(t) Bewegungsgleichung: d 2 x dx M 2 + γ + Dx = F1 ⋅ cos(ωt ) dt dt EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Lösung x(t) = A2·cos(ωt – φ2) für t >> Einschwingzeit Nach Einschwingvorgang verblüffend einfach: • Schwingung mit anregender Frequenz ω • Amplitude und Phase abhängig von relativer Anregungsfrequenz (und Dämpfung) Phasenverschiebung φ2 gegenüber der Auslenkung der Anregung 2γω tan ϕ2 = 2 ω0 − ω 2 Maximale Auslenkung kleine Dämpfung große Dämpfung EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Das Phänomen Resonanz Bei erzwungenen Schwingungen reichen kleine Kräfte aus, um mit der Zeit sehr große Amplituden zu erzeugen. Voraussetzung: Antriebsfrequenz ganz nahe an Resonanzfrequenz ω0 und schwache Dämpfung. → Auto mit kaputten Stoßdämpfern (siehe Diagramm auf voriger Seite) (d.h. Schwingung läuft der Kraft um 90° = π/2 hinterher) EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Zusammenfassung: Resonanz Eine äußere, sich periodisch mit der Kreisfrequenz ω ändernde Kraft wirkt auf das schwingende System ein. Es kommt zu einer erzwungenen Schwingung. Nach der Einschwingzeit gilt für die Auslenkung x(t) = A · cos (ωt-φ) wobei die Maximalamplitude A und die Phasenverschiebung (zwischen der äußeren Kraft F(t) = F0 · cos ωt und x(t)) von der Erregerfrequenz ω abhängen. Es sei ω0 die Eigenfrequenz des frei schwingenden Systems. Die Amplitude A der erzwungenen Schwingung ist maximal bei der Erregerfrequenz ω = ω02 − 2γ 2 , ω ≈ω0 bei schwacher Dämpfung (γ<< ω0 ) EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Bei dieser „Resonanzfrequenz“ wird das System genau im richtigen Takt angestoßen und die Schwingung aufgeschaukelt. Versuch: Zersingen eines Glases EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler Überlagerung von Schwingungen ähnlicher Frequenz führt zu Amplitudenmodulationen bzw. Schwebungen 5 Perioden 5.5 Perioden EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler EP WS 2008/09 Dünnweber/Faessler