Lernen: Themen der Vorlesung I II Geschichte und Gegenstand der Lernpsychologie Habituation III Klassisches Konditionieren I – Grundlegende Phänomene, Prinzipien, Anwendungsbeispiele IV Klassisches Konditionieren II – Komplexitäten und mathematische Erklärungsmodelle V Klassisches Konditionieren III – Evaluative Konditionierung VI Operante Konditionierung I – Grundlegende Phänomene, Prinzipien, Anwendungsbeispiele VII Operante Konditionierung II – Verstärkerpläne VIII Operante Konditionierung III – Vermeidung, Bestrafung, Löschung IX Operante Konditionierung IV – Theorien X Relation von operanter und klassischer Konditionierung 1 Übersicht • Das Standardparadigma der klassischen Konditionierung nach Pavlov • Grundlegende Phänomene beim klass. Konditionieren - Zeitliche Parameter bei der klass. Konditionierung - Akquisition, Extinktion, Spontanerholung - Exzitatorische und inhibitorische Konditionierung - Generalisierung und Diskrimination • Anwendungsbeispiele 2 Klassische Konditionierung • Ivan Pavlov – Entdeckung bei der Untersuchung von Reflexen (bzgl. Verdauungsprozessen) – Überformung der Reflexe durch Erfahrung, Kopplung reflexhafter Reaktionen an neue Reize • Terminologie und Prozedere – Kontrollphase • Unkonditionierter Stimulus (US, z.B. Futter) löst unkonditionierte Reaktion aus (UR, z.B. Speichelfluß) • Neutraler Stimulus (NS; z.B. Glocke) löst Orientierungsreaktion aus (OR) Ivan Pavlov (1849-1936), Nobelpreis 1904 – Konditionierungsphase • NS wird gepaart mit US • US löst aus: UR – Ergebnis • NS wird zum konditionierten Stimulus (CS, conditioned stimulus) und löst konditionierte Reaktion aus (CR, Speichelfluß) 3 Abbildung 4.1: Die Versuchsanordnung, mit der Pawlow die Konditionierung des Speichelflusses beim Versuchstier messen konnte. Über ein Röhrchen wurde der Speichel aus dem Maul des Hundes geleitet und seine Menge wurde automatisch gemessen (nach Yerkes & Morgulis, 1909). 4 © James E. Mazur, Lernen und Gedächtnis, Pearson Studium Verlag 2004. 5 Klassische Konditionierung • Weitere Beispiele – Lidschlußreflex • Langsamer Aufbau, kurzes Zeitintervall ist optimal – Konditionierte emotionale Reaktion (CER, conditioned suppression) • Schneller Aufbau, langes Zeitintervall – Elektrogalvanische Hautreaktion (SCR, skin conductance response) • Physiologischer Indikator für emotionale Reaktionen • Leicht konditionierbar, semantische Stimuli als CS (Dawson & Schell, 1982) – Geschmacksaversion • Geschmack = CS, Gift = US, Übelkeit = UR, Vermeidung = CR • Einmalige CS-US-Paarung reicht aus; funktioniert auch bei sehr langem Interstimulusintervall 6 Abbildung 4.3: Eine Versuchsanordnung zur Konditionierung des Lidschlussreflexes. Der Potentiometer misst die Bewegungen des Augenlids des Kaninchens als Reaktion auf ein wenig Luft, die aufs Auge geblasen wird, oder auf einen konditionierten Stimulus (nach Domjan & Burkhard, 1982). 7 © James E. Mazur, Lernen und Gedächtnis, Pearson Studium Verlag 2004. 8 Verhaltenshäufigkeit unter CS Unterdrückungsindex (Q): (V.-häufigkeit unter CS) + (V.-häufigkeit unter CS) [keine Unterdrückung: Q = .5, perfekte Unterdrückung: Q = .0] 9 Grundlegende Phänomene • Zeitliche Parameter – – – – – Standard-Paarung (kurzer zeitlicher Abstand) Verzögerte Konditionierung Simultane Konditionierung Zeitliche Konditionierung Rückwärtsgerichtete Konditionierung • Akquisition – Geschwindigkeit des Erwerbs und Stärke der CR abhängig von der Stärke des US und von der Salienz des CS • Extinktion – Verstreichen von Zeit allein reduziert die Stärke der CS-CR Verbindung nicht – Löschung erfolgt nur, wenn CS ohne US auftritt • Spontanerholung – – – – Erneutes Einsetzen der CR zu Beginn einer Sitzung Disinhibition Schneller Wiedererwerb Erklärung: Wettkampf zwischen inhibitorischer und exzitatorischer Konditionierung (Konorski, 1948) 10 11 Abbildung 4.6: Idealisierte Darstellung der Veränderungen der Stärke einer CR während eines Akquisitionstages und vier Extinktionstagen. Akquisition Tag 1 Tag 2 Tag 3 Extinktion Tag 4 Tag 5 Durchgänge 12 © James E. Mazur, Lernen und Gedächtnis, Pearson Studium Verlag 2004. Grundlegende Phänomene • Inhibitorische Konditionierung, konditionierte Hemmung (conditioned inhibition) – CS-: CS kündigt das Ausbleiben des US an • Kombination des CS- mit einem bereits etablierten CS+ während der Extinktion • CS+/CS- ohne US, CS+ allein mit US (conditioned inhibition training) – Maße der Inhibition • Summation – CS- reduziert CR auf etablierten CS+ • Retardation – Verzögerter Aufbau einer CR auf den CS-, wenn dieser anschließend zum CS+ wird 13 Grundlegende Phänomene • Generalisierung und Diskrimination – Generalisierung der CR auf dem CS ähnliche Stimuli – Semantische vs. graphemische Generalisierung bei Kindern (Razran, 1949) – Diskrimination: Simultane Konditionierung mit CS+ und CS– Experimentelle Neurose: Konflikt zwischen inhibitorischer und exzitatorischer Konditionierung 14 Abbildung 4.7: Ein typischer Generalsierungsgradient. Kaninchen in einem Experiment zur Konditionierung des Lidschlusses durchliefen mehrere hundert Durchgänge, bei denen ein 1200-Hertz-Ton und ein Elektroschock kombiniert wurden. Die Kurve zeigt die Ergebnisse eines folgenden Generalisierungstests, bei dem der 1200-Hertz-Ton und vier andere Töne präsentiert wurden, ohne dass der US folgte (nach J. W. Moore, 1972). 60 40 20 0 400 800 1200 1600 2000 Teststimulus (Hz) 15 © James E. Mazur, Lernen und Gedächtnis, Pearson Studium Verlag 2004. 16 17 Anwendungsbeispiele • Entstehung und Therapie von Phobien – Furcht vs. Angst – Flooding – Systematische Desensibilisierung (Wolpe, 1958) • Aversive Gegenkonditionierung – Abhängigkeit als Defizit der Verhaltenskontrolle, reizgesteuertes Verhalten ohne Beachtung der Konsequenzen – Kopplung der „Versuchungsreize“ mit aversiven Konsequenzen – Vermeidungsverhalten • Entstehung globaler Nahrungsmittelaversionen bei der Chemotherapie und ihre Vermeidung – Chemotherapie bewirkt Übelkeit, die automatisch mit vorher genossenen Speisen assoziiert wird (kondit. Geschmacksaversion) – Einführung eines markanten Geschmacks-CS verhindert Transfer auf normale Speise 18 Watson & Raynor (1920) 19 20 Abbildung 4.9: Der prozentuale Anteil der Klienten von Voegtlin, die nach einer aversiven Gegenkonditionierung wegen Alkoholismus unterschiedlich lange völlig abstinent bleiben konnten (nach Lemere & Voegtlin, 1950). t 60 40 20 0 5 1 10 2 Jahre nach der aversiven Gegenkonditionierung 21 © James E. Mazur, Lernen und Gedächtnis, Pearson Studium Verlag 2004. Literatur Mazur, J. E. (20066). Lernen und Verhalten (Kap. 4). München: Pearson Studium. Schwartz, B., Wasserman, E. A. & Robbins, S. J. (20025). Psychology of learning and behavior (Kap. 3+4).New York, Norton & Co. 22