Vorkurs Mathematik Kiel, Oktober 2009 Inhaltsverzeichnis §1 §2 §3 §4 §5 §6 §7 §8 §9 §10 §11 §12 §13 §14 §15 §16 §1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Potenzen und Wurzeln . . . . . . . . . . . Mengen und Funktionen . . . . . . . . . . Kompositionen und Umkehrfunktionen . . Polynome und rationale Funktionen . . . . Exponential und Logarithmus Funktionen Trigonometrische Funktionen . . . . . . . Die Hyperbelfunktionen . . . . . . . . . . Gleichungen und Ungleichungen . . . . . . Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . Die komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . Aussagenlogik . . . . . . . . . . . . . . . . Direkte und indirekte Beweise . . . . . . . Die vollständige Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 6 9 15 21 24 28 38 41 46 51 60 63 67 71 Einleitung Im 1. Semester des Mathematikstudiums werden die aus der Schule bekannten Begriffe und Ergebnisse der Analysis und der Linearen Algebra neu behandelt, und die Resultate werden sauber aus Grundannahmen, den Axiomen, abgeleitet. Diese logische Strenge macht erfahrungsgemäß vielen Studienanfängern Schwierigkeiten, da - anders als in der Schule - die Rechenfertigkeiten weniger im Vordergrund stehen als die saubere Grundlegung der Begriffe (wie etwa Stetigkeit oder Differenzierbarkeit) und die logisch klaren Beweise der Sätze (wie etwa des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechung). Die Rechentechniken fallen dabei nebenbei ab: an dieser Stelle wird auf diese aus der Schule bekannten Fähigkeiten implizit zurückgegriffen, da sie nur kurz (erneut) eingeübt werden. Der Vorkurs soll zur Erleichterung des Übergangs Schule-Universität daher dazu dienen - Rechentechniken (Brüche, Potenzen, Wurzeln, Logarithmen, die trigonometrischen Funktionen) zu wiederholen 1 §2 Vorkurs Mathematik 2009 - den sicheren Umgang mit Gleichungen und Ungleichungen einzuüben - wichtige Beweisprinzipien der Mathematik zu behandeln (direkter und indirekter Beweis, Beweis durch vollständige Induktion). In diesem Vorkurs sollten Sie also nur Dinge lernen, die Sie zumindest schon einmal gewusst haben (sollten). Während wir inhaltlich im Rahmen der Schulmathematik bleiben werden, wird der Stoff aber schon etwas abstrakter als in der Schule üblich behandelt. Wir werden zwar keine systematische Theorie betreiben, das wird dann in den Vorlesungen gemacht, aber doch mehr auf Begründungen und Warum Fragen“ ” eingehen als in der Schule. Wir werden die folgenden Themengebiete behandeln: 1. Grundrechenarten, also Bruchrechnung, Potenzrechnung und so weiter. 2. Mengen und Funktionen. Funktionen sollten Ihnen vertraut sein, Mengen wahrscheinlich weniger. Der Mengenbegriff ist für die Hochschulmathematik zentral, und daher gehen wir etwas weitergehend darauf ein. 3. Die komplexen Zahlen. 4. Die Grundfunktionen, also Polynome, rationale Funktionen, Potenz- und Logarithmusfunktionen sowie die trigonometrischen Funktionen. 5. Ableitungen. 6. Integrale. 7. Grundlegende Beweistechniken, beispielsweise die vollständige Induktion. §2 Zahlen In Laufe der Schulzeit haben Sie folgenden grundlegenden Zahlbereiche kennengelernt: N = {0, 1, 2, 3, . . .}, die natürlichen Zahlen, Z = {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . .}, die ganzen Zahlen, Q, die rationalen Zahlen also Brüche ganzer Zahlen, R, die reellen Zahlen, also alle Dezimalbrüche auch mit unendlich vielen Nachkommastellen, C, die komplexen Zahlen. 2 §2 Vorkurs Mathematik 2009 Ob Null als natürliche Zahl betrachtet wird oder nicht wird leider nicht ganz einheitlich gehandhabt. Oft bezeichnet N nur die natürlichen Zahlen ab Eins, also 1, 2, 3, . . ., und dann schreibt man N0 für unsere natürlichen Zahlen“. Die reellen Zahlen als unendliche ” Dezimalbrüche zu betrachten, ist die in der Schule favorisierte Sichtweise. Im Studium wird dann ein anderer Standpunkt bevorzugt, der für einen systematischen Aufbau der Theorie geeigneter ist. Die komplexen Zahlen kennen Sie vielleicht nicht aus der Schule, dies ist aber nicht weiter tragisch. Wir werden die komplexen Zahlen später noch behandeln aber zuerst kommen die reellen Zahlen dran. Zu je zwei reellen Zahlen x, y hat man eine Summe x + y und ein Produkt x · y. Addition und Multiplikation sind die beiden Grundrechenarten. Dagegen werden Subtraktion und Division nicht als eigenständige Rechenoperationen betrachtet sondern nur als Schreibweisen x − y, x , y ist die reelle Zahl mit (x − y) + y = x, x ist die reelle Zahl mit · y = x, y letzteres natürlich nur für y 6= 0. Die Schreibweise ist wie üblich, also Punkt vor ” Strich“, Multiplikationszeichen können weggelassen werden, der Gebrauch von Klammern, und so weiter. Bereits hier gibt es einige erstaunlich weit verbreitete Fehler, die Sie tunlichst vermeiden sollten: • a + b · c bedeutet die Summe von a mit dem Produkt aus b und c“ und nicht ” etwa das Produkt von c mit der Summe aus a und b“. Dieser Fehler ergibt sich ” oft durch allzu unbedachtes Taschenrechnerdenken“. ” • Es heißt a · (−b) = a(−b) = −ab und nicht etwa a · −b. Eine der traditionell ergiebigsten Fehlerquellen ist die Bruchrechnung. Wir wollen uns kurz einmal die zuständigen Rechenregeln klarmachen, bevor wir dann zu Beispielen und Aufgaben kommen. Beginnen wir mit dem Produkt, also was ist (x/y)·(u/v)? Hierbei sollen x, y, u, v reelle Zahlen mit y, v 6= 0 sein. Dass das Ergebnis gleich (xu)/(yv) ist wissen Sie höchstwahrscheinlich, aber warum ist dies der Fall? Wir starten mit einem Zahlbeispiel (2/7) · (3/5) und gehen das heuristische Tortenargument“ durch, ” also wieviel sind drei Fünftel von zwei Siebteln einer Torte? Hierzu denken wir uns die Torte in 5 · 7 = 35 Stücke aufgeteilt. Zwei Siebtel der Torte sind dann 2 · 5 = 10 der 35 Stücke. Ein Fünftel davon sind 2 Stücke und drei Fünftel sind damit 3 · 2 = 6 der 35 Stücke, also der 6/35te Teil der Torte. Das ist zwar irgendwo überzeugend, aber man möchte natürlich nicht für jede Multiplikation einen solchen Aufwand treiben. Stattdessen wird alles in eine Formel gepackt x u xu · = y v yv (x, y, u, v ∈ R, y, v 6= 0). Wie kann man das beweisen? Das obige Argument ist nur ein Beispiel aber kein Beweis, zumal die Argumentation im Beispiel sich höchstens auf Brüche natürlicher Zahlen 3 §2 Vorkurs Mathematik 2009 übertragen läßt. Wir erinnern uns an die Definition der rechten Seite, der Quotient (xu)/(yv) ist die reelle Zahl, deren Produkt mit yv gleich xu ist. Um die Gleichheit einzusehen, müssen wir uns nur klarmachen das die linke Seite der Gleichung eine solche reelle Zahl ist. Zunächst ist dabei x/y diejenige reelle Zahl mit (x/y) · y = x und ebenso ist u/v die Zahl mit (u/v) · v = u. Multiplizieren wir diese beiden Gleichungen so ergibt sich x x u ·y = x y =⇒ · · (yv) = xu, u ·v = u y v v und dies wollten wir auch so haben. Dies ist bereits ein Beweis dieser Formel. Es ist normal wenn Sie dies verwirrend finden ohne genau sagen zu können welche Stelle unklar ist, Beweise solcher selbstverständlichen Formeln rufen meist diese Gefühle hervor. Aus der Produktformel folgt nun leicht auch die Formel für die Division von Brüchen. Seien hierzu x, y, u, v ∈ R mit y, u, v 6= 0 gegeben. Wir wissen, oder behaupten, x xv y u = . yu v Erneut muss nur geprüft werden, dass die rechte Seite der Gleichung das richtige tut, dass ihr Produkt mit u/v also gleich x/y ist. Probieren wir das einfach mal aus xv u xuv x · = = , yu v yuv y und wieder haben wir eine Formel bewiesen. Aufgaben x ax = . y y x y x Aufgabe 2: Zeigen Sie: Für alle x, y, a ∈ R mit a, y 6= 0 gilt = . a ay Wir kommen jetzt zur Addition von Brüchen. Wir beginnen wieder wie in der frühesten Schulzeit mit Tortenüberlegungen“. Nehmen wir zuerst das Beispiel 2/7 + 3/7. Hier ” ist eigentlich alles klar, zwei von sieben Stücken plus drei von sieben Stücken sind insgesamt fünf von sieben Stücken. Die zugehörige Formel ist Aufgabe 1: Zeigen Sie: Für alle a, x, y ∈ R mit y 6= 0 gilt a · x y x+y + = z z z gültig für alle reellen Zahlen x, y, z mit z 6= 0. Um dies im obigen Stil zu begründen, muss man sich nur klarmachen das die linke Seite mal z gleich x + y ist. Dies ist kein großes Problem x y y x + · z = · z + · z = x + y. z z z z 4 §2 Vorkurs Mathematik 2009 Die Addition von Brüchen mit gleichem Nenner ist also völlig unproblematisch. Der allgemeine Fall, also Brüche mit verschiedenen Nenner, läßt sich hierauf zurückführen x u xv yu xv + yu + = + = . y v yv yv yv Bei Brüchen ganzer Zahlen kann man jetzt eventuell noch auskürzen, anstelle des Produkts yv nimmt man daher für ganze Zahlen y, v ∈ Z oft auch den kleinsten gemeinsamen Vielfachen von y und v. Dies ist aber nur ein rechnerisches Detail. Rechnen wir mal ein paar Beispiele, und beginnen ruhig mit einem Zahlenbeispiel, nämlich S =1+ 1 1 1 1 1 − + − + . 2 3 5 6 15 Das Produkt aller Nenner zu bilden führt zu unnötig großen Zahlen, daher nehmen wir als Hauptnenner den kgV(2, 3, 5, 6, 15) = 30. Die Summe S wird dann zu S= 30 15 10 6 5 2 38 19 + − + − + = = . 30 30 30 30 30 30 30 15 An dieser Stelle können wir jetzt auf einen Unterschied zur üblichen Schulnotation verweisen. Der Bruch 19/15 ist tatsächlich das Endergebnis, meistens verzichtet man auf die Angabe der Dezimaldarstellung 19/15 = 1, 26. Ebenfalls nicht üblich ist es 19 4 =1 15 15 zu schreiben, diese gemischte Bruchschreibweise“ wird außerhalb der Schule eigentlich ” nicht benutzt. Nehmen wir nun ein zweites Beispiel, den Bruch a 1−a a−1 a + − a+1 a a a+1 . Dabei sei a ∈ R eine reelle Zahl für die das alles Sinn macht. Um dies zu rechnen, werden zuerst in Zähler und Nenner jeweils die Addition durchgeführt, und anschließend die Formel für Quotienten von Brüchen verwendet. a 1−a a−1 a + − a+1 a a a+1 = a·a+(a+1)·(1−a) (1−a)a (a−1)·(a+1)−a·a a·(1+a) = Aufgaben 1 + 32 Aufgabe 3: Berechnen Sie . 2 − 54 Aufgabe 4: Vereinfachen Sie b 2 − a2 . b−a 5 1 a(1−a) −1 a(1+a) =− 1+a a+1 = . 1−a a−1 §3 Vorkurs Mathematik 2009 1−n n(n + 3) Aufgabe 5: Vereinfachen Sie . n+1 √ 1 1−x Aufgabe 6: Vereinfachen Sie · √ − 1 − x2 . 2 1 − x2 q3 − 1 Aufgabe 7: Vereinfachen Sie . q−1 1+ §3 Potenzen und Wurzeln Die n-te Potenz an einer reellen Zahl a ∈ R ist das n-fache Produkt von a mit sich selbst, wobei n ∈ N ist, also an = a . . · a} . | · .{z n mal 0 Das 0-fache Produkt wird dabei als a = 1 interpretiert. Wenn b = an ist, ist b der Potenzwert, a die Basis und n der Exponent. Für a, b ∈ R, n, m ∈ N gelten die Rechenregeln an · bn = (a · b)n , an · am = an+m , an /bn = (a/b)n (b 6= 0), an /am = an−m (a 6= 0), (an )m = an·m , a−n := a1n (a 6= 0). Die letzte dieser Formeln ist dabei eine Definition, was häufig durch das Symbol :=“ ” angedeutet wird. Ganz streng genommen wird diese Definition bereits in der darüber stehenden Formel verwendet, da die Differenz n−m ja auch negativ sein kann. All diese Formeln folgen sofort aus der Definition der Potenz an . Berechnen wir beispielsweise an · am , so haben wir zuerst ein n-faches Produkt von a mit sich selbst multipliziert mit einem m-fachen solchen Produkt und dies ist insgesamt ein (n+m)-faches Produkt von m a mit sich selbst. Im allgemeinen ist a(n ) 6= (an )m , zum Beispiel ist (23 )4 = 212 = 4096 während 4 2(3 ) = 281 = 2417851639229258349412352 sehr viel größer ist. Die Umkehrung des Potenzierens ist die Wurzelbildung. Diese unterliegt allerdings einer kleinen Einschränkung, aus Potenzwert und Exponent kann man die Basis nicht eindeutig zurückgewinnen, da im Falle eines geraden Exponenten ja (−a)n = an für alle a ∈ R gilt. Außerdem kann bei geraden n auch nicht jede reelle Zahl als Potenzwert auftauchen, denn alle Potenzwerte sind positiv oder Null. Daher werden Wurzeln nur für nicht negative Zahlen definiert. Sind n ≥ 1 eine natürliche √ Zahl und a ≥ 0 eine reelle Zahl, so ist n a die nicht negative reelle Zahl deren n-te Potenz gleich a ist, also √ √ n a ≥ 0 und ( n a)n = a. 6 §3 Vorkurs Mathematik 2009 Für ungerade n könnte man Wurzeln für alle a ∈ R einführen, dies wird aber meistens nicht getan. Rechenregeln für die Wurzelbildung: Für a, b ≥ 0 und n, m ∈ N gilt √ √ √ √ √ √ n n n a· √ b = p a · b, n ap· m a = nm an+m , √ √ √ n m n a/ n b = n a/b, a = nm a. All diese Formeln folgen aus den entsprechenden Potenzrechenregeln. Wollen wir bei√ √ √ √ √ n n n n n spielsweise a · b = ab nachweisen, so muss man√nur festhalten das a · b eine √ √ √ n n n n n n n nicht negative, reelle Zahl mit ( a · b) = a · b = ab ist, und dies bedeutet √ √ √ n n n gerade ab = a· b. Mit Wurzeln kann man dann auch Potenzen mit nicht negativer Basis und rationalen Exponenten einführen √ √ an/m := ( m a)n = m an (a ∈ R, n, m ∈ Z, a ≥ 0, m ≥ 1). Die Potenzrechenregeln gelten dann auch für diese Potenzen. Beispiele: √ 94 (a2 a b)2 38 · a4 · a · b2 3 · a2 = = für reelle Zahlen a, b ∈ R mit a > 0 1. 182 (3ab)3 22 · 34 · 33 · a3 · b3 4·b und b 6= 0. q √ 3 √ 2. 125 = 1251/6 = (53 )1/6 = 51/2 = 5. Wie bei Brüchen geht dies schon als √ Endergebnis durch, auf das Berechnen der Dezimaldarstellung 5 = 2, 2361 . . . wird meistens verzichtet. Wenn man die Dezimaldarstellung √ aus irgendeinem Grund doch haben möchte, so schreibt man sie √ häufig als 5 ' 2, 2361 oder √ 5 ≈ 2, 2361 oder ähnlich. Es wird aber nicht 5 = 2, 2361 geschrieben. Gleichheit wird hier wesentlich ernster genommen als in der Schule üblich, selbst wenn Sie die ersten√fünf Millarden Nachkommastellen hinschreiben, so ist das trotzdem nicht gleich 5 (warum eigentlich nicht?). Eine Identität a = b bedeutet nicht das a und b für irgendeinen praktischen Zweck gleich sind, sondern die wirkliche, abstrakte Gleichheit. 3. Für reelle Zahlen a, b ∈ R mit a2 ≥ b2 gilt q q q √ √ √ √ 2 2 2 2 a − a − b · a + a − b = (a − a2 − b2 ) · (a + a2 − b2 ) q √ p √ 2 = a2 − a2 − b2 = a2 − (a2 − b2 ) = b2 . Wie schon in verschiedenen Aufgaben haben wir hier die binomische Formel (u − 2 2 v) · (u √ + v) = u − v für u, v ∈ R verwendet, hier angewandt mit√u = a und v = a2 − b2 . Jetzt muss man ein klein wenig aufpassen, Wurzel b2 ist nicht √ die √ 2 gleich b. Ist zum Beispiel b = −1, so haben wir ja b = 1 = 1 6= b. Dieses falsche Vorzeichen ist aber auch das einzige mögliche Missgeschick, es gilt ( q q √ √ √ b, b ≥ 0, a − a2 − b2 · a + a2 − b2 = b2 = −b, b < 0. 7 §4 Vorkurs Mathematik 2009 4. Wir haben √ √ 1 5−1 5−1 1 √ √ =√ = . 4 5+1 5+1 5−1 Auch dieser Erweiterungstrick beruht wieder auf der dritten binomischen Formel. Derartige Rechnungen sind typisch um Wurzeln vom Nenner eines Bruchs in den Zähler zu verschieben. Wir rechnen jetzt noch ein ähnliches Beispiel. √ √ √ √ √ 1 3− 2 3− 2 √ 1 √ =√ √ ·√ √ = 5. √ = 3 − 2. 1 2+ 3 2+ 3 3− 2 Aufgaben p 3 x5 y 4 Aufgabe 8: Seien x, y ∈ R mit x, y > 0. Vereinfachen Sie p . 4 16x2 y −6 r q √ 5 Aufgabe 9: Seien x, y ∈ R mit x, y > 0. Vereinfachen Sie x3 32y 6 3 x. p √ Aufgabe 10: Vereinfachen Sie 3 + 2 2 (dies ist ein wenig trickreicher). Schließlich kann man sogar allgemeine Potenzen ab mit positiver Basis a > 0 und beliebigen reellen Exponenten b ∈ R einführen. Für die exakte Definition dieser Potenzen gibt es verschiedene Möglichkeiten, von denen Sie eine in Ihrer Analysis Vorlesung kennen lernen werden. Wir stellen uns hier auf den Schulstandpunkt und begnügen uns mit einer eher heuristischen Einführung dieser Potenzen, die man aber durchaus √ 2 zu einer exakten Definition ausbauen kann. Was ist zum Beispiel 2 ? Wir haben die Dezimaldarstellung √ 2 = 1, 4142135623730950488 . . . und denken uns dann das die durch Abbrechen der Dezimalentwicklung entstehenden √ Näherungen uns eine Näherung für 2 2 geben. Wir schreiben diese √ in der folgenden Tabelle der Reihe nach für 0, 1, 2, 3, . . . , 11 Nachkommastellen von 2 hin 0 1 2 3 4 5 .. . 1 1, 4 = 1 + 25 = 141 1, 41 = 100 1, 414 = 707 500 1, 4142 = 7071 5000 1, 41421 7 5 21 = √ 21,4 = 27/5 =√5 128 = 21,41 = ( 100 2)141 = 21,414 = 10 1, 4142135623 11 2 2, 6390158215 . . . 2, 6573716281 . . . 2, 6647496501 . . . 2, 6651190885 . . . 2, 6651375617 . . . .. . 2, 6651441425 . . . 2, 6651441426 . . . √ es sollte also 2 2 ≈ 2, 665144142 sein. Tatsächlich konvergieren die Näherungen bei √ 2 wachsender Zahl der Nachkommastellen gegen die Potenz 2 . Auch für Potenzen mit reellen Exponenten gelten die Potenzrechenregeln. 8 §4 Vorkurs Mathematik 2009 §4 Mengen und Funktionen Wie in der Schule sind Mengen in diesem Vorkurs nur eine bequeme Schreibweise, wir wollen hier keine Mengenlehre im eigentlichen Sinn machen. In der Schule begegnen Ihnen Menge nur am Rande, zum einen bei den Lösungsmengen von Gleichungen oder Gleichungssystemen die mehrere Lösungen haben und zum anderen bei den Definitionsmengen von Funktionen. Eine Menge fasst einfach einige Objekte, beispielsweise einige Zahlen, zu einer Gesamtheit zusammen. Der Begriff einer Menge ist erst relativ spät in die Mathematik eingeführt worden, und zwar um das Jahr 1880 herum von G. Cantor. Cantors ursprüngliche Definition einer Menge wird auch heute noch in vielen Anfängervorlesungen gerne zitiert, also wollen wir es hier auch tun: Unter einer Menge ” verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens, welche die Elemente von M genannt werden, zu einem Ganzen“. Dies wird klarer wenn wir ein paar Beispiele betrachten. 1. Die Zahlmengen N, Z, Q, R und C. 2. Die Menge {1, 2, 3} mit den drei Elementen 1, 2 und 3. Dies ist die einfachste Art Mengen zu definieren, es werden einfach die Elemente der zu bildenden Menge aufgelistet und in geschweifte Klammern {· · · } gesetzt. Es ist durchaus erlaubt ein Element mehrfach aufzulisten {1, 2, 3} = {1, 2, 1, 3}. Dies ist genau dieselbe Menge, ein Objekt ist entweder Element der Menge oder nicht, so etwas wie mehrfache Mitgliedschaft“ gibt es nicht. Natürlich macht es ” keinen Sinn wissentlich dasselbe Element mehrfach aufzulisten, dies zu erlauben ist aber praktisch wenn man so etwas wie M = {x, y, z} mit noch nicht bekannten reellen Zahlen x, y und z schreiben möchte. Hätten wir auf verschiedene Elemente in den geschweiften Klammern bestanden, so müsste man hier so etwas schreiben wie Ist x = y = z so sei M = {x}, ist x = y 6= z so sei M = {x, z} ...“, da ja ” Gleichheiten zwischen x, y, z auftauchen können. 3. Die Menge R2 der Punkte der Ebene. Man schreibt R2 = {(x, y)|x, y ∈ R} wobei (x, y) dann natürlich der Punkt mit den gegebenen x- und y-Koordinaten ist. In der Schule gerne verwendete Schreibweisen wie (2|3), P (2|3), P (2; 3) und so weiter, werden nicht benutzt, man schreibt einfach (2, 3) für diesen Punkt. Probleme mit in Dezimalschreibweise geschriebenen Koordinaten, also die Interpretation von Dingen wie (1, 2 , 0, 75), treten dabei in der Praxis nicht auf. Zum einen kann man wie hier ausreichend viel Platz zwischen den Komponenten lassen, und zum anderen wird sowieso die Bruchschreibweise ( 56 , 43 ) bevorzugt. 9 §4 Vorkurs Mathematik 2009 Ist x ein Element einer Menge M so schreibt man x ∈ M und andernfalls ist x ∈ / M. Diese Schreibweise haben wir ja auch schon verwendet. Noch eine weitere Bemerkung zur üblichen Notation. In der Schule ist es beliebt jede Menge mit Doppelstrichen“ zu ” schreiben, also zum Beispiel L für die Lösungsmenge einer Gleichung, aber diese Konvention wird in der Hochschulmathematik nicht befolgt. Die Doppelstrichbezeichnung wird nur für einige wenige Mengen wie etwa R verwendet. Für ganz normale Mengen nimmt man auch ganz normale Buchstaben. Auf Mengen M, N kann man verschiedene Rechenoperationen anwenden: Vereinigung M ∪N Menge aller x in M oder N Durchschnitt M ∩N Menge aller x in M und N Komplement M \N Menge aller x in M aber nicht in N Produkt M ×N Menge aller Paare (x, y) mit x ∈ M, y ∈ N Beachte das bei der Vereinigung auch die x dabei sind die in M und N liegen, bei Menge aller x in M oder N“ ist das Wort oder“ im einschließenden Sinn gemeint, ” ” also mit erlaubten und“ Fall. Die Schreibweise M \N für das Komplement wird nicht ” ganz einheitlich gehandhabt, gelegentlich findet man auch M −N statt M \N . Kommen wir jetzt zu ein paar Beispielen: 1. Seien M := {1, 2, 3} und N := {1, 3, 4}. Dann sind • M ∪ N = {1, 2, 3, 1, 3, 4} = {1, 2, 3, 4}, • M ∩ N = {1, 3}, • M \N = {2} und • M × N = {(1, 1), (1, 3), (1, 4), (2, 1), (2, 3), (2, 4), (3, 1), (3, 3), (3, 4)}. 2. Ist M = R die Zahlengerade, so ist M × M = R × R = R2 die Ebene. Weiter ist dann R × R × R = R × R2 = R3 der dreidimensionale Raum, und so weiter. Aufgaben Berechnen Sie M ∪ N , M ∩ N und M \N für die Mengen Aufgabe 11: M = {0, 2, 4, 5} und N = {2, 3, 4}. Aufgabe 12: M = {1, 2, 3, 4} und N = {1, 2}. Aufgabe 13: M = N = {1, 2, 3}. 10 §4 Vorkurs Mathematik 2009 Aufgabe 14: Berechnen Sie den Durchschnitt von M = {x ∈ R|x2 ≤ 3x} und N = Z. Eine weitere wichtige Bildungsweise für Mengen ist die Auswahl einzelner Elemente aus einer bereits gegebenen Menge. Die Schreibweise hierfür ist wie in der obigen Aufgabe 14, sind M eine Menge und A(x) eine Bedingung an die Elemente x aus M , so bezeichnet {x ∈ M |A(x)} die Menge all derjenigen Elemente x von M , die die Bedingung A(x) erfüllen. Was als Bedingung auftauchen darf wollen wir hier nicht näher festlegen, A(x) darf aber auch durchaus ein längerer Text sein. Beispielsweise ist n > 1 und n ist nicht das Produkt P := n ∈ N zweier natürlicher Zahlen a, b 6= 1 die Menge aller Primzahlen. Eine durch N = {x ∈ M |A(x)} gegebene Menge N ist eine Teilmenge von M , d.h. jedes Element von N ist auch ein Element von M . Diese Beziehung zwischen Mengen ist so wichtig das sie ein eigenes Symbol erhält N ⊆ M ⇐⇒ N ist eine Teilmenge von M ⇐⇒ Für jedes Element x ∈ N ist auch x ∈ M . Es gibt noch eine weitere übliche Methode der Mengenbildung. Diese ist eine Verallgemeinerung der Auflistung aller Elemente. Nehmen wir einmal an wir wollen die Menge aller geraden ganzen Zahlen hinschreiben. Dies könnte man als {. . . , −4, −2, 0, 2, 4, . . .} tun, allerdings ist die Verwendung solcher Auslassungspunkte oft nicht ganz eindeutig interpretierbar. Um zu sehen, wie man die Menge der geraden Zahlen besser beschreiben kann, schreiben wir den obigen Ausdruck erst einmal etwas um {. . . , −4, −2, 0, 2, 4, . . .} = {. . . , 2 · (−2), 2 · (−1), 2 · 0, 2 · 1, 2 · 2, . . .}, die Elemente unserer Menge haben also die Form Zwei mal eine ganze Zahl“, bezie” hungsweise 2 · x mit x ∈ Z. Genauso kann man dies dann auch hinschreiben, also {2x|x ∈ Z} für die Menge der geraden Zahlen. Hier durchläuft x die Menge Z der ganzen Zahlen, und für jedes solche x packt man 2x in die zu bildende Menge. Diese Notation ist eine Verallgemeinerung des Aufzählens der Elemente. Die Schreibweisen für dieses Aufzählen und die obige Auswahl einer Teilmenge haben beide die Gestalt {. . . | . . .} sehen formal also sehr ähnlich aus, sie sind aber zwei verschiedene Dinge. Verwechslungen treten im praktischen Gebrauch aber normalerweise nicht auf. Eine Menge kann man meistens auf viele verschiede Arten schreiben, beispielsweise ist die Menge der geraden Zahlen auch gleich {2x|x ∈ Z} = {n ∈ Z|Es gibt ein x ∈ Z mit n = 2x}, 11 §4 Vorkurs Mathematik 2009 links steht hier eine durch Auflistung gegebene Menge und rechts eine durch Auswahl aus Z definierte Menge. Als ein weiteres Beispiel ist M := {ab|a, b ∈ N, a, b > 1} die Menge aller natürlichen Zahlen, die sich als ein Produkt von zwei natürlichen Zahlen echt größer Eins schreiben lassen. Dies ist wieder eine durch Auflistung gegebene Menge bei der diesmal gleich zwei Laufvariablen a, b zur Beschreibung der Menge verwendet werden. Die Menge M ist fast die Menge der Nichtprimzahlen, nur 0 und 1 werden nicht erfasst. Also wird P = N\(M ∪ {0, 1}). Aufgaben Aufgabe 15: Schreibe die Menge aller Quadrate (in den natürlichen Zahlen) hin. Aufgabe 16: Schreibe die Menge aller natürlichen Zahlen, die sich als Summe von höchstens drei Quadraten schreiben lassen, hin. Aufgabe 17: Schreibe die Menge aller Punkte der Ebene hin, die im Kreis mit Radius 2 und Mittelpunkt in (1, 0) liegen. Damit können wir jetzt zu den Funktionen kommen. Wir beginnen dabei mit dem meist in der Schule verwendeten Standpunkt. Dort sind Funktionen so etwas wie 4 3 3 3 y = f (x) = x4 + x3 − 2x2 − x + 1 2 2 2 und interpretiert wird dies so, dass jeder reellen Zahl x die durch die Formel gegebene Zahl y zugeordnet wird. Die Funktion ist dabei die Zuordnung selbst und nicht etwa die sie beschreibende Formel. Beispielsweise ist 3 2 2 g(x) = (x − 1) x + x − 1 2 –2 –1.5 1 –1 –0.5 0 0.5 1 1.5 x –1 exakt dieselbe Funktion wie f , auch wenn die Formel etwas anders aussieht. Innerhalb der Hochschulmathematik kommt noch ein weiteres Detail hinzu, es müssen immer eine Definitionsmenge und eine Wertemenge angegeben werden, diese sind Bestandteile der Funktion. Zur Angabe einer Funktion braucht es dann drei Dinge 1. Einen Definitionsbereich M der Funktion. Hier läßt man beliebige Mengen zu, es muss sich nicht um eine Menge reeller Zahlen handeln. 12 §4 Vorkurs Mathematik 2009 2. Einen (potentiellen) Wertebereich N der Funktion. 3. Eine Zuordnung, die jedem Element x ∈ M einen Wert y ∈ N zuordnet. Man spricht dann von einer Funktion von M nach N und schreibt f : M → N . Das Wort Wertebereich“ ist dabei eigentlich ein wenig unglücklich, da keinesfalls jedes ” Element von N als Funktionswert vorkommen muss. Beispielsweise ist das Quadrieren f (x) = x2 eine Funktion f : R → R obwohl die negativen Zahlen nicht als Quadrate vorkommen. Unser obiges Beispiel wird dann als 3 3 f : R → R; x 7→ x4 + x3 − 2x2 − x + 1 2 2 geschrieben, oder manchmal auch als 3 3 f : R → R; f (x) = x4 + x3 − 2x2 − x + 1. 2 2 Diese Schreibweise folgt dem Schema f : Definitionsbereich → Wertebereich; x 7→ Zuordnungsvorschrift. Die Zuordnungsvorschrift muss dabei jedem x ∈ M ein eindeutiges f (x) ∈ N zuordnen. Was dabei unter einer Zuordnungsvorschrift“ zu verstehen ist, hat sich im Laufe der ” Zeit einige Male geändert. Die einfachste, und auch mit Abstand häufigste, Art der Zuordnung geschieht einfach durch eine Formel in der das Funktionsargument x frei vorkommt, also zum Beispiel f : R → R; x 7→ x2 + 1. Funktionen dieser Art waren lange Zeit die einzige zugelassene Version. Für viele Anwendungen hat sich dies aber als zu einschränkend herausgestellt. Das klassische f(x) Beispiel ist die Diskussion der schwingenden Saite. Hierbei soll die Bewegung einer an zwei Endpunkten eingex=1/2 x=1 spannten Saite bei gegebener Startauslenkung und Start- x=0 geschwindigkeit beschrieben werden, was auf die sogenannte Wellengleichung führt. Eine dabei gerne diskutierte Startauslenkung f ist die angezupfte Saite“ wie im nebenstehenden Bild. Hier kann man die Funktion nicht so ” recht in einer Formel beschreiben, sondern braucht dazu gleich zwei Formeln, einmal für die Argumente x zwischen 0 und 1/2 und eine zweite für die Argumente zwischen 1/2 und 1. Die Funktion f schreibt man dann als ( 2x, 0 ≤ x ≤ 21 , f : {x ∈ R|0 ≤ x ≤ 1} → R; x 7→ 2 − 2x, 12 ≤ x ≤ 1. 13 §4 Vorkurs Mathematik 2009 Für x mit 0 ≤ x ≤ 1/2 soll also f (x) = 2x sein, und für x mit 1/2 ≤ x ≤ 1 soll f (x) = 2 − 2x sein. Dass das Argument x = 1/2 durch beide Fälle erfasst wird, ist dabei kein Problem da für x = 1/2 beide Formeln den Wert f (1/2) = 1 liefern. Es sind natürlich auch drei und mehr Stücke erlaubt. Die Stücke selbst dürfen auch kompliziertere Mengen sein, wie zum Beispiel beim sogenannten Dirichlet-Monster ( 1, x ist rational, d.h. x ∈ Q, f : R → R; x 7→ 0, x ist irrational, d.h. x ∈ / Q. Schließlich darf anstelle irgendeiner Art von Formel auch ein komplizierterer Text als Zuordnungsvorschrift benutzt werden. Ein solches Beispiel ist die Funktion p q, x 6= 0 und x = q mit p ∈ Z und q ∈ N, q ≥ 1, f : Q → N; x 7→ p und q sind teilerfremd, 0, x = 0. Wie soll man das lesen? Angenommen wir haben die rationale Zahl x gegeben und wollen f (x) berechnen. Im ersten Schritt müssen wir schauen in welchem der beiden Fälle wir sind, ob also x = 0 oder x 6= 0 ist. Für x = 0 ist der Funktionswert dann f (x) = 0. Andernfalls schreiben wir x als einen ausgekürzten Bruch x = p/q mit positiven Nenner. Der Funktionswert ist dann f (x) = q, d.h. wir nehmen den Nenner als den Funktionswert. Nehmen wir als ein Beispiel x = 1, 2. Dann ist x 6= 0 und wir schreiben 6 12 x = 1, 2 = = , 10 5 d.h. in der ausgekürzten Form ist der Nenner q = 5 und der Zähler p = 6, also wird der Funktionswert f (1, 2) = 5. Warum schreibt man nicht einfach p f := q? q Das Problem hier ist das dies keine eindeutige Zuordnungsvorschrift ist da sich eine rationale Zahl wie im obigen Beispiel x = 1, 2 auf viele verschiedene Arten als Bruch schreiben läßt. Man spricht dann auch davon das dies keine wohldefinierte“ ” Zuordnungsvorschrift ist. Dagegen gibt es nur eine einzige ausgekürzte Darstellung mit positiven Nenner, daher ist unsere Definition der Funktion f tatsächlich eine eindeutige Zuordnungsvorschrift. Dabei muss x = 0 als Sonderfall behandelt werden, da der Nenner q ≥ 1 bei x = 0 völlig beliebig ist. Mit diesen schlimmstenfalls stückweise definierten Funktionen ist man dann lange ausgekommen, bis auch dieser Funktionsbegriff ungefähr zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu eng wurde. Was genau als Funktion durchgehen sollte war dabei durchaus umstritten, die obige Dirichlet-Funktion war ursprünglich ein Beispiel für etwas das natürlich keine Funktion sein sollte“. Die Definition des Funktionsbegriffs die sich ” letztlich durchgesetzt hat verzichtet ganz auf die Idee einer Zuordnungsverschrift: 14 §5 Vorkurs Mathematik 2009 Definition 1: Eine Funktion f : M → N besteht aus einem Definitionsbereich M , einem Wertebereich N und einer Teilmenge F ⊆ M × N so, dass es für jedes x ∈ M genau ein y ∈ N mit (x, y) ∈ F gibt, und man schreibt dann f (x) = y. Die Menge F ist dann der Graph der Funktion F = {(x, f (x))|x ∈ M }. Das Symbol F ⊆ M × N“ bedeutete dabei das F eine Teilmenge von M × N ist, dass also jedes ” Element von F auch ein Element von M × N ist, also die Form (x, y) mit x ∈ M , y ∈ N hat. Das Wort Graph“ darf man dabei nicht so wörtlich nehmen. Hat man ” beispielsweise die Funktion f : {1, 2, 3} → R; x 7→ x so besteht der Graph von f nur aus den drei Punkten (1, 1), (2, 2) und (3, 3). Diese Definition einer Funktion ist zwar ziemlich abstrakt, sie hat aber den Vorteil das man nicht mehr von Zuordnungsvorschriften reden muss, auch wenn sie zur Definition konkreter Funktionen natürlich verwendet werden, d.h. die Schreibweise f : M → N ; x 7→ f (x) wird beibehalten. Zwei Funktionen sind gleich wenn sie denselben Definitionsbereich, denselben Wertebereich und denselben Graphen haben. Aufgaben Aufgabe 18: Sei F := {(x, y) ∈ R2 |xy = 1}. Finde eine Funktion f : M → N deren Graph gleich F ist. Aufgabe 19: Ist der Einheitskreis F := {(x, y) ∈ R2 |x2 + y 2 = 1} der Graph einer Funktion? §5 Kompositionen und Umkehrfunktionen Man kann Funktionen ineinander einsetzen und spricht dann von Hintereinanderausführung oder Komposition der Funktionen. Sind f : M → N und g : A → B zwei Funktionen mit f (x) ∈ A für alle x ∈ M , so können g und f hintereinander ausgeführt werden und ihre Hintereinanderausführung ist g ◦ f : M → B; x 7→ g(f (x)). Behandeln wir ein paar Beispiele: 1. Seien f : R → R; x 7→ x2 + x + 1 und g : R → R; x 7→ x2 − x − 1. Die Hintereinanderausführung h := g ◦ f ist dann h(x) = g(f (x)) = f (x)2 − f (x) − 1 = (x2 + x + 1)2 − (x2 + x + 1) − 1 = x4 + 2x3 + 3x2 + 2x + 1 − x2 − x − 1 − 1 = x4 + 2x3 + 2x2 + x − 1 15 §5 Vorkurs Mathematik 2009 für alle x ∈ R. 2. Sind f : R≥0 := {x ∈ R|x ≥ 0} → R; x 7→ so wird g ◦ f (x) = g(f (x)) = √ 2 √ x und g : R → R; x 7→ x2 + x + 1, x + √ x+1= √ x+x+1 für alle x ∈ R≥0 . Bei der Anwendung von Dingen wie der Kettenregel beim Ableiten oder der Substitutionsregel beim Integrieren muss man oftmals umgekehrt eine gegebene Funktion als Hintereinanderausführung anderer Funktionen schreiben. 1. Die Funktion f : R → R gegeben durch f (x) = x4 + 3x2 + 1 kann man auch als f (x) = (x2 )2 + 3x2 + 1 schreiben. In dieser Formel kommt x nur als x2 vor, es ist also f (x) = g(x2 ) wenn g die durch g(x) = x2 + 3x + 1 gegebene Funktion von R nach R ist. Ist also h(x) = x2 , so wird f = g ◦ h. 2. Sei f (x) = 4 cos3 x − 3 cos x. Hier tritt x nur als cos x in Erscheinung, und wir können f (x) = g(cos x) mit g(x) = 4x3 − 3x schreiben. 3. Sei f : R≥0 → R; x 7→ x3 + x2 . Auch √ dies können wir als Funktion in x2 schreiben, etwas als f (x) = g(x2 ) mit g(x) = x x+x. Ebenso könnte man f (x) = h(x3 ) mit h(x) = x + x2/3 schreiben. Es gibt meist sehr viele Möglichkeiten eine Funktion (sinnvoll) als Hintereinanderausführung zu schreiben. Welche davon man nehmen soll, und ob man die Funktion überhaupt als Hintereinanderausführung schreiben will, hängt davon was man überhaupt mit der Funktion machen möchte. Die Auswahl kann durchaus einiges Geschick erfordern, wie zum Beispiel bei der Anwendung der Substitutionsregel in der Integralrechnung. Will man eine Funktion f als eine Hintereinanderausführung f = h ◦ g schreiben, so spricht man oft auch davon die Funktion f (x) als eine Funktion in g(x) zu schreiben. Aufgaben Aufgabe 20: Schreibe f : R≥0 → R; x 7→ x3 + 2x2 − 1 als eine Funktion in x2 . Aufgabe 21: Schreibe die Funktion f : R>0 := {x ∈ R|x > 0} → R; x 7→ x+1 x als eine Funktion in 1/x. Eine Funktion f : M → N ordnet jedem x ∈ M im Definitionsbereich einen Wert y = f (x) ∈ N im Wertebereich der Funktion zu. Kann man umgekehrt aus dem Wert y das Argument x rekonstruieren, so nennt man die Funktion f invertierbar 16 §5 Vorkurs Mathematik 2009 oder umkehrbar. Die Umkehrfunktion von f ist dann die Funktion g : N → M , die jedem y ∈ N das zugehörige Argument x = g(y) ∈ M mit y = f (x) zuordnet. In Gleichungstermen bedeutet dies das die Gleichung y = f (x) sich in die Form x = g(y) umformen läßt. Eine Umkehrfunktion der Funktion f : M → N ist also eine Funktion g : N → M mit y = f (x) ⇐⇒ x = g(y) für alle x ∈ M , y ∈ N . Dies ist natürlich nicht immer möglich. Betrachten wir beispielsweise einmal die Funktion f : R → R; x 7→ x2 + 1. Hier gibt es gleich zwei Gründe die eine Umkehrfunktion verhindern. Zum einen kommt gar nicht jedes y ∈ R als ein Wert f (x) der Funktion vor, denn für jedes x ∈ R gilt ja f (x) = x2 + 1 ≥ 1. Zweitens gibt es zu vielen der tatsächlich auftretenden Werte gleich mehrere passende Argumente, es ist ja f (−x) = f (x) für jedes x ∈ R. Wir definieren: Definition 2: Eine Funktion f : M → N heißt surjektiv wenn jedes y ∈ N als Wert von f auftritt, wenn es also für jedes y ∈ N ein x ∈ M mit f (x) = y gibt. In anderen Worten soll die Gleichung f (x) = y für jede rechte Seite y ∈ N eine Lösung x ∈ M haben. Mit ein x ∈ M mit f (x) = y gibt“ ist hier mindestens ein“ gemeint. Dies ist die ” ” übliche Konvention, es ist immer implizit mindestens“ gemeint. Sonst schreibt man ” so etwas wie genau eins“. ” 1. Die Funktion f : R → R; x 7→ x2 + 1 ist wie bereits bemerkt nicht surjektiv, da zum Beispiel die Gleichung x2 + 1 = 0 keine Lösung x ∈ R hat. 2. Die Funktion f : R → R; x 7→ x3 + 1 ist surjektiv. 3. Die Funktion f : R≥0 → R≥0 ; x 7→ x2 ist surjektiv. Als Wertebereich nehmen wir hier ja nur die Menge R≥0 der nicht negativen reellen Zahlen, und diese kommen alle als Quadrate vor. 4. Die Funktion f : N → N; n 7→ n2 ist nicht surjektiv. Es ist zwar jede natürliche Zahl ein Quadrat einer reellen Zahl, aber eben nicht unbedingt ein Quadrat einer natürlichen Zahl. Zum Beispiel ist f (n) = n2 6= 2 für jede natürliche Zahl n ∈ N. Falls Sie letzteres nicht aus der Schule in √ Erinnerung haben, so müssen Sie sich noch bis §15 gedulden, dort werden wir 2 ∈ / Q als Beispiel eines indirekten Beweises vorführen. 5. Die Funktion ( f : N → Z; n 7→ n , 2 − n+1 , 2 17 n ist gerade, n ist ungerade §5 Vorkurs Mathematik 2009 ist surjektiv. Um dies zu sehen schaut man sich am besten einige Werte von f an: f (0) = 0, f (1) = −1, f (2) = 1, f (3) = −2, f (4) = 2, f (5) = −3, f (6) = 3, . . . d.h. läuft n durch die geraden natürlichen Zahlen, so durchlaufen die Werte f (n) die natürlichen Zahlen und durchläuft n die ungeraden natürlichen Zahlen so durchläuft f (n) die negativen ganzen Zahlen. Insgesamt kommt dann jede ganze Zahl als ein Funktionswert von f vor. Wie diese Beispiele zeigen kommt es für die Surjektivität nicht nur auf die Abbildungsvorschrift sondern auch auf Definitions- und Wertebereich der Funktion an. Man kann natürlich jede Funktion surjektiv machen“ indem die Wertemenge N abgeändert wird. ” Ist f : M → N eine beliebige Funktion, so heißt f (M ) := {f (x)|x ∈ M } ⊆ N die Bildmenge von f , und dann ist die Funktion fe : M → f (M ); x 7→ f (x) surjektiv. Streng genommen ist für eine nicht surjektive Funktion f stets fe 6= f . Meistens unterscheidet man aber f und fe nicht voneinander und behandelt sie als dieselbe Funktion, die Behandlung der Surjektivität ist eine der wenigen Situationen wo man dies doch tut. Im obigen Beispiel f : R → R; x 7→ x2 + 1 ist die Bildmenge gleich f (R) = {x2 + 1|x ∈ R} = {x ∈ R|x ≥ 1} =: R≥1 und als Funktion von R nach R≥1 ist f dann surjektiv. Damit eine Funktion f : M → N eine Umkehrfunktion haben kann muss sie also zumindest surjektiv sein. Dies allein reicht allerdings nicht aus, wir hatten ja noch das andere Problem das verschiedene Argumente denselben Funktionswert haben können. Auch hier gibt es eine zugehörige Definition: Definition 3: Eine Funktion f : M → N heißt injektiv wenn für alle x1 , x2 ∈ M mit x1 6= x2 auch f (x1 ) 6= f (x2 ) ist, wenn die Funktion also verschiedene Argumente stets auf verschiedene Werte abbildet. Es gibt einige häufig verwendete Umformulierungen f : M → N ist injektiv ⇐⇒ Sind x, y ∈ M , so folgt aus f (x) = f (y) auch x = y ⇐⇒ Für jede rechte Seite y ∈ N hat die Gleichung f (x) = y höchstens eine Lösung x ∈ M . Als ein Beispiel wollen wir einmal die obigen Beispielfunktionen auf Injektivität untersuchen. 18 §5 Vorkurs Mathematik 2009 1. Die Funktion f : R → R; x 7→ x2 + 1 ist auch nicht injektiv, es ist ja zum Beispiel f (−1) = 2 = f (1). 2. Die Funktion f : R → R; x 7→ x3 + 1 ist injektiv. 3. Die Funktion f : R≥0 → R≥0 ; x 7→ x2 ist injektiv, denn die Quadrate zweier verschiedener positiver Zahlen sind wieder verschieden. Dass für jedes x > 0 auch (−x)2 = x2 ist, spielt hier keine Rolle denn −x ist ja negativ, also −x ∈ / R≥0 . Es kommt für die Injektivität also wesentlich auf den Definitionsbereich der Funktion an. 4. Die Funktion f : N → N; n 7→ n2 ist injektiv. 5. Die Funktion ( f : N → Z; n 7→ n , 2 − n+1 , 2 n ist gerade, n ist ungerade ist injektiv. Aufgaben Aufgabe 22: Ist die Funktion f : R>0 → R; x 7→ x 1+x injektiv beziehungsweise surjektiv? Was ist das Bild von f ? Aufgabe 23: Ist die Funktion f : M := {x ∈ R|0 < x < 1} → R; x 7→ x 1 + x2 injektiv beziehungsweise surjektiv? Was ist das Bild von f ? Mengen wie der Definitionsbereich der Funktion f aus Aufgabe 23 heißen Intervalle. Da derartige Mengen recht oft vorkommen wird für sie eine eigene Schreibweise eingeführt. Es gibt ziemlich viele verschiedene Sorten von Intervallen, je nachdem ob die Randpunkte dazu gehören sollen oder nicht: [a, b] ]a, b[ ]a, b] [a, b[ := := := := {x ∈ R|a ≤ x ≤ b}, {x ∈ R|a < x < b} (oft auch als (a, b) geschrieben), {x ∈ R|a < x ≤ b} (oft auch als (a, b] geschrieben), {x ∈ R|a ≤ x < b} (oft auch als [a, b) geschrieben) mit vorgegebenen Grenzen a, b ∈ R. Ob a ≤ b beziehungsweise a < b verlangt wird ist dabei eine Geschmacksfrage. Gelegentlich läßt man für die offenen Enden auch −∞ und ∞ als (symbolische) Werte zu. 19 §5 Vorkurs Mathematik 2009 Injektiv und Surjektiv sind die beiden Bedingungen die wir für die Existenz einer Umkehrfunktion brauchen. Treffen beide gleichzeitig zu, so spricht man von einer bijektiven Funktion. Definition 4: Eine Funktion heißt bijektiv wenn sie surjektiv und injektiv ist. Eine Funktion f : M → N ist also genau dann bijektiv wenn es für jedes y ∈ N genau ein x ∈ M mit f (x) = y gibt, wenn sich also die Gleichung f (x) = y bei beliebiger rechter Seite y ∈ N eindeutig nach x ∈ M auflösen läßt. Schreiben wir die Lösung der Gleichung als x = g(y), so wird g die Umkehrfunktion von f . Eines der wohl einfachsten Beispiele ist die Funktion √ f : R≥0 → R≥0 ; x 7→ x mit der Umkehrfunktion g : R≥0 → R≥0 ; x 7→ x2 . Auch bei Umkehrfunktionen kommt es entscheidend auf Definitions- und Wertebereich der Funktion f an, also auf die Mengen M und N . Beispielsweise hat die Funktion √ f : R≥0 → R; x 7→ x keine Umkehrfunktion, sie ist auch nicht bijektiv. Die Funktion g : R → R≥0 ; x 7→ x2 ist nämlich keine Umkehrfunktion von f , denn dies würde √ f (x) = y ⇐⇒ x = g(y) also y = x ⇐⇒ x = y 2 für alle √ x ∈ R≥0 , 2y ∈ R bedeuten, und diese Äquivalenz besteht nicht. Es gilt zwar y = x =⇒ x = y , aber dies reicht eben nicht aus. In der Schule wird dieser Punkt oft etwas anders gehandhabt so, dass Sie sich an dieser Stelle eventuell etwas umgewöhnen müssen. Schauen wir uns√noch einmal die Funktion f : R≥0 → R≥0 ; x 7→ x und ihre Umkehrfunktion g : R≥0 → R≥0 ; x 7→ x2 an. Wie nebenstehend zu 1.4 sehen, gehen die Graphen dieser beiden Funktionen durch Spiegelung an der Diagonalen auseinan- 1.2 der hervor, und dies ist tatsächlich immer der Fall. 1 Das hat nicht einmal etwas mit reellen Zahlen zu tun, sondern ist auch für ganz allgemeine Funktio- 0.8 nen so (man muss nur das Wort Spiegelung“ etwas ” großzügig auslegen). Angenommen wir haben eine 0.6 bijektive Funktion f : M → N . Diese hat dann ei0.4 ne Umkehrfunktion g : N → M . Was ist nun der Graph der Umkehrfunktion? Hierzu rechnen wir 0.2 {(y, g(y))|y ∈ N } = {(f (x), g(f (x)))|x ∈ M } = {(f (x), x)|x ∈ M }, 20 0 0.2 0.4 0.6 x 0.8 1 1.2 §6 Vorkurs Mathematik 2009 und der Graph von g entsteht damit aus dem von f durch Vertauschen der beiden Komponenten x und y, und dies ist gerade die Spiegelung an der Diagonalen. Aufgaben Aufgabe 24: Berechne die Umkehrfunktion der Funktion f : R>0 → R>0 ; x 7→ Aufgabe 25: Sei f : R>0 →]0, 1[; x 7→ 1 . x x . 1+x Berechne die Umkehrfunktion von f . Aufgabe 26: Sei 1 x f :]0, 1[→ 0, ; x 7→ . 2 1 + x2 Berechne die Umkehrfunktion von f . §6 Polynome und rationale Funktionen Wir beginnen jetzt mit der Besprechung der Grundfunktionen. Die einfachsten Funktionen sind die Polynome. Eine Polynom ist dabei eine Funktion f : R → R der Gestalt f (x) = an xn + an−1 xn−1 + · · · + a1 x + a0 mit n ∈ N, a0 , . . . , an ∈ R, also zum Beispiel f (x) = x3 − x − 1, f (x) = x14 − 3x2 + 4, . . . Im ersten Beispiel f (x) = x3 − x − 1 ist n = 3, da x3 die höchste auftretende Potenz ist. Lesen wir x3 als 1·x3 , so ist a3 = 1. Ein quadratischer Term scheint nicht vorzukommen, aber diesen können wir uns als 0 · x2 dazudenken, d.h. es ist a2 = 0. Der lineare Anteil −x scheint zunächst nicht zu passen, aber wir können ihn uns als (−1) · x denken, also ist a1 = −1. Ebenso ist dann a0 = −1. Im zweiten Beispiel f (x) = x14 − 3x2 + 4 haben wir entsprechend n = 14, a14 = 1, a13 = a12 = . . . = a3 = 0, a2 = −3, a1 = 0 und a0 = 4. Die Zahlen a0 , a1 , . . . heißen die Koeffizienten des Polynoms f . Ist f 6= 0, so können wir auch noch an 6= 0 annehmen und die natürliche Zahl n heißt dann der Grad des Polynoms f . Ist sogar an = 1 so nennt man f ein normiertes Polynom. Beispielsweise haben die beiden obigen Polynome die Grade 3 beziehungsweise 14. Das Nullpolynom ist ein Sonderfall, und erhält per Konvention den Grad −∞. Einige typische Polynome sind: 21 §6 Vorkurs Mathematik 2009 4 3 y 2 2 1 2.5 1.5 2 –3 1.5 1 –2 0 –1 1 2 3 x 1 –1 0.5 0.5 –2 0 –1 1 2 –3 –2 0 –1 1 2 –0.5 x Grad 0 –2 3 x Grad 1 Grad 2 4 4 3 y 3 3 y 2 2 2 1 1 1 0 0 y –3 –2 –1 1 2 3 –3 –2 –1 1 x –3 –2 –1 0 1 2 3 2 3 x –1 –1 –2 –2 x –1 –2 –3 –3 –3 –4 –4 Grad 3 Grad 4 Grad 5 Den Graphen entnehmen wir das sich Polynome von geraden und von ungeraden Grad qualitativ voneinander unterscheiden. Wir haben die folgenden Grundtatsachen über Polynome von Grad n ∈ N, n ≥ 1: 1. Ist der Grad n gerade, so ist das Polynom f weder surjektiv noch injektiv. Ist der höchste Koeffizient an > 0 positiv, so ist lim f (x) = lim f (x) = ∞, x→−∞ x→∞ und andernfalls gilt lim f (x) = lim f (x) = −∞. x→−∞ x→∞ 2. Ist f (x) = x2 + px + q normiert und von Grad 2, so liegt der Scheitelpunkt von f bei x = −p/2 mit dem Funktionswert p p2 p2 p2 = − +q =q− f − 2 4 2 4 und dies ist der kleinste von f angenommene Funktionswert. Außerdem ist der Graph von f symmetrisch zur vertikalen Geraden x = −p/2. Hat f zwei Nullstellen, so liegt −p/2 genau in der Mitte zwischen diesen beiden Nullstellen. 3. Ist der Grad n ungerade, so ist f surjektiv und es gilt lim f (x) = −∞, lim f (x) = ∞ x→−∞ x→∞ 22 §7 Vorkurs Mathematik 2009 im Fall an > 0 und lim f (x) = ∞, lim f (x) = −∞ x→−∞ x→∞ im Fall an < 0. Normalerweise ist f nicht injektiv, es gibt aber Ausnahmen wie beispielsweise f (x) = x3 . 4. Für jedes y ∈ R gibt es höchstens n Lösungen der Gleichung f (x) = y. Letzteres gilt da wir f (x) = y zu f (x) − y = 0 umschreiben können und f (x) − y ist wieder ein Polynom von Grad n. Die nächst kompliziertere Klasse von Grundfunktionen sind die sogenannten rationalen Funktionen, dies sind Quotienten von Polynomen. Da das Nennerpolynom dabei Nullstellen haben kann sind rationale Funktionen nicht unbedingt auf ganz R definiert. Wir nennen eine auf einer Teilmenge M ⊆ R definierte Funktion f : M → R rational, wenn es Polynome p, q mit q(x) 6= 0 für alle x ∈ M gibt so, dass f (x) = p(x) q(x) für alle x ∈ M gilt. Normalerweise ist M entweder ein Intervall auf dem der Nenner keine Nullstellen hat, oder die Menge M := {x ∈ R|q(x) 6= 0}. Die rationalen Funktionen bieten deutlich mehr Abwechslung als die Polynome. 0.4 y 4 4 3 3 y 2 2 0.2 1 –4 –2 0 2 4 –3 –2 –1 0 1 1 2 3 –3 –2 0 –1 1 x x 2 3 x –1 –1 –2 –2 –3 –3 –0.2 –0.4 –4 f (x) = x 1+x2 f (x) = x2 +x+1 x3 +x2 −4x−4 –4 f (x) = 1 4 · x3 +x+1 x3 +x2 −4x−4 Aufgaben Aufgabe 27: Seien p ein Polynom von Grad n ≥ 1 und q ein Polynom von Grad m ≥ 1. Es gelte n 6= m und p und q sollen keine gemeinsame Nullstelle haben. Weiter seien M := {x ∈ R|q(x) 6= 0} und f : M → R; x 7→ p(x) . q(x) Zeigen Sie, dass f surjektiv ist wenn die größere der beiden Zahlen n und m ungerade ist und das Polynom p eine Nullstelle hat. 23 §7 Vorkurs Mathematik 2009 §7 Exponential und Logarithmus Funktionen Für jede Basis a > 0 haben wir eine Potenzfunktion f : R → R>0 ; x 7→ ax . Die Gestalt dieser Funktion hängt davon ab ob die Basis a kleiner Eins, größer Eins oder gleich Eins ist. 4 4 3.5 3.5 3 3 2.5 2.5 2 2 1.5 1.5 1 1 0.5 –2 –1 0.5 0 1 2 –2 –1 0 1 2 x x f (x) = 2x f (x) = 1 x 2 Für a = 1 ist die zugehörige Potenzfunktion dagegen konstant gleich 1 und damit nicht besonders interessant. Für jedes a 6= 1 ist f : R → R>0 bijektiv, und hat damit eine Umkehrfunktion loga : R>0 → R genannt der Logarithmus zur Basis a. Für jedes y > 0 ist x = loga y damit die eindeutige reelle Zahl x mit ax = y. Es ist eine übliche Konvention bei Anwendung des Logarithmus die Klammern wegzulassen, also wie oben loga y statt loga (y) zu schreiben. Dies tut man aber nur bei einfachen Argumenten“, bei loga (x2 + 1) sollte man ” die Klammern besser stehen lassen. Einige Beispiele von Logarithmen sind log2 16 = 4, da 24 = 16, 1 log3 19 = −2, da 3−2 = 2 = 3 log5 125 = 3, da 53 = 125, √ 3 3 3/2 log4 8 = , da 4 = 4 2 1 , 9 = 23 = 8. Definitionsgemäß gelten aloga x = x (x ∈ R) und loga (ax ) = x (x ∈ R>0 ). 24 §7 Vorkurs Mathematik 2009 Wegen a0 = 1 ist auch loga 1 = 0. Logarithmengesetze 1. Für alle x, y > 0 ist loga (xy) = loga x + loga y. 2. Für alle x, y > 0 ist loga (x/y) = loga x − loga y. 3. Für alle x > 0, n ∈ N ist loga (xn ) = n · loga x. 4. Für alle x > 0, n ∈ Z ist loga (xn ) = n · loga x. 5. Für alle x > 0, n ∈ N mit n ≥ 1 ist loga √ n x= 1 loga x. n 6. Für alle x, y ∈ R mit x > 0 ist loga (xy ) = y · loga x. Seien x, y > 0 gegeben. Setze c := loga (xy), c1 := loga x, c2 := loga y. Dann gilt ac = xy, ac1 = x, ac2 = y, also ac = xy = ac1 · ac2 = ac1 +c2 woraus c = c1 + c2 folgt. Damit haben wir die erste Formel eingesehen. Die zweite Formel ist dann eine Konsequenz der ersten, es gilt nämlich x x (1) · y = loga + loga y, loga x = loga y y und somit auch loga (x/y) = loga x − loga y. Auch die dritte Formel folgt aus der ersten, sind nämlich x > 0 und n ∈ N, so haben wir loga (xn ) = loga (x . . · x}) = loga x + · · · + loga x = n · loga x. | · .{z {z } | n mal n mal Als einen Spezialfall der Formel (2) haben wir 1 loga = loga 1 − loga x = − loga x, x und damit können wir (4) aus (3) herleiten. Ist nämlich n ∈ Z mit n < 0 eine negative ganze Zahl, so rechnen wir 1 (3) n loga (x ) = loga = − loga (x−n ) = −(−n) loga x = n · loga x. −n x Wir kommen zur fünften Formel. Seien√also x > 0 und n ∈ N mit n ≥ 1 gegeben. Sei √ n c := loga x, c1 := loga x. Also ac = n x = x1/n , ac1 = x = (x1/n )n = (ac )n = acn , woraus sich c = n1 · c1 ergibt. Die sechste Formel wollen wir hier nicht vollständig beweisen, da wir uns in §3 um die exakte Definition von Potenzen mit reellen Exponenten herumgedrückt haben. Wir 25 §7 Vorkurs Mathematik 2009 beweisen die Formel nur wenn y = m/n mit n, m ∈ Z, n ≥ 1 eine rationale Zahl ist. Nach (1) und (4) √ √ m loga (xy ) = loga ( n x)m = m · loga n x = · loga x = y · loga x. n Gesetz (1) wurde früher (mit Hilfe von Logarithmentafeln oder mittels Rechenschieber) zum Multiplizieren von Zahlen x, y > 0 benutzt (vor Einführung der Taschenrechner) und wird auch heute intern in Computern verwandt. Unter all den Exponentialfunktionen gibt es eine besonders ausgezeichnete, nämlich diejenige bei der als Basis die Eulersche Zahl e ≈ 2, 71828 verwendet wird. Was genau e ist wird in der Schule meist nicht exakt definiert, und dies wollen wir hier auch so halten. Es gibt mindestens vier verschiedene, übliche Möglichkeiten wie man e einführen kann, von denen Sie eine in der Analysis Vorlesung kennenlernen werden. Bei dreien dieser vier Möglichkeiten wird tatsächlich gleich die ganze Funktion ex definiert, so dass man sich die Einführung von Potenzen mit reellen Exponenten sparen kann, und diese dann nachträglich über die e-Funktion einführt. Der Logarithmus zur Basis e wird dann als der natürliche Logarithmus bezeichnet. Tatsächlich ist dieser der einzige Logarithmus der in der reinen Mathematik betrachtet wird, und daher läßt man den Zusatz natürlicher“ einfach weg und spricht nur von ” dem Logarithmus. Geschrieben wird der Logarithmus dann als log := loge . Dies steht im Widerspruch zur üblichen Notation in den meisten Anwendungen und auch zu der Schreibweise die Sie wahrscheinlich in der Schule gelernt haben. Dort wird meist ln := loge geschrieben und log bezeichnet dann den Logarithmus zur Basis 10. Auch die Bezeichnung der Tasten auf dem Taschenrechner folgt dieser Konvention. Trotzdem schreiben wir log für den natürlichen 3 Logarithmus, daran muss man sich gewöhnen. Der Logarithmus zur Basis 10 spielt in der im Studium vermittelten Mathematik keine nennenswerte Rol2 le, und er erhält auch keine eigene Schreibweise. y Auch in der Hochschulmathematik schreibt ein Teil 1 der Menschheit ln für den natürlichen Logarithmus, aber auch dann bedeutet log nicht den Logarithmus zur Basis 10. Wie in §5 festgehalten entsteht 0 5 6 1 2 3 4 der Graph des Logarithmus durch Spiegeln des Grax phen von ex an der Diagonalen, und er hat damit –1 die nebenstehende Form Eine der Stellen bei der die ausgezeichnete Rolle des natürlichen Logarithmus zutage tritt ist bei der –2 Berechnung der Ableitungen der Potenzfunktionen. Für jedes a > 0 ist die Ableitung der Potenzfunk- –3 tion f : R → R>0 ; x 7→ ax 26 §7 Vorkurs Mathematik 2009 gegeben als f 0 (x) = log(a) · ax für alle x ∈ R. Hierauf werden wir in §11 noch einmal kurz eingehen. Mit dem Grenzverhalten der Exponentialfunktion lim ex = 0 und lim ex = ∞ ist x→−∞ x→∞ lim log x = −∞ und lim log x = ∞. x→0 x→∞ Da die Exponentialfunktion ex aber sehr schnell wächst, wird der Logarithmus nur sehr langsam groß. Dies geschieht so langsam, dass zum Beispiel x+1 1 lim (log(x + 1) − log(x)) = lim log = lim log 1 + =0 x→∞ x→∞ x→∞ x x ist. Aus dem (natürlichen) Logarithmus lassen sich die anderen Logarithmen berechnen, es gilt log x loga x = log a für alle a, x > 0 mit a 6= 1. Dies folgt aus den Potenzgesetzen, für die rechte Seite c := log(x)/ log(a) gilt ja c ac = elog a = e(log a)·c = elog x = x, und dies bedeutet loga x = c wie behauptet. Wir rechnen jetzt einige Beispiele 1. Es ist √ log 2. Es ist 1 1 2 6 2 6 log(e3(log e +log e ) ) = log e3 log(e ·e ) 2 2 3 3 1 3 3 8 8 = log elog(e ) = log elog e = log e8 = 8 = 12. 2 2 2 2 √ 3/2 1 = (e 2 )3 log 5 = elog5 = 53/2 = 125. e3(log e2 +log e6 ) = √ 3 log 5 e 3. Ein Organismus habe zur Zeit t die Masse m(t) und unterliege einem idealen Wachstumsgesetz m(t) = Ceαt mit unbekannten Konstanten α, C > 0. Zum Zeitpunkt t = 2 sei die Masse gleich 1 und zum Zeitpunkt t = 5 sei sie bei 5 angekommen. Wir wollen C und α berechnen, und haben hierzu die beiden Gleichungen 5 Ce5α Ce2α = 1 =⇒ 5 = = = e5α−2α = e3α Ce5α = 5 1 Ce2α also 3α = log 5, beziehungsweise α = chung 1 3 log 5. Gehen wir damit in die erste Glei- √ 2 1 3 1 = Ce2α = Ce 3 log 5 = C(elog 5 )2/3 = C 25 =⇒ C = √ . 3 25 Numerisch ist α ≈ 0, 5364 und C ≈ 0, 3419. 27 §8 Vorkurs Mathematik 2009 Aufgaben Aufgabe 28: Seien t1 , t2 ∈ R mit t1 < t2 und m1 , m2 ∈ R gegeben. Wann gibt es dann positive Zahlen C, α > 0 mit Ceαti = mi für i = 1, 2, und bestimme diese gegebenenfalls. Aufgabe 29: Zeigen Sie, das für alle Basen a, b > 0, a, b 6= 1 und für alle x > 0 stets loga x = (logb x) · (loga b) gilt (Allgemeine Übergangsformel für Logarithmen). 1 2 Aufgabe 30: Berechne den Grenzwert lim log(x + 1) − log(x) . x→∞ 2 Aufgabe 31: Bestimme Maximum und Minimum der Funktion f : R → R; x 7→ 2x − x (soweit vorhanden). §8 Trigonometrische Funktionen Wir werden hier die trigonometrischen Funktionen so wie aus der Schule gewohnt behandeln, also anhand der Definition über Seitenverhältnisse in rechtwinkligen Dreiecken. Im Laufe der Analysis Vorlesung wird dann ein anderer Zugang gewählt, der ganz ohne geometrische Begriffe auskommt. Wir benötigen eine kleine Vorbemerkung zur Schreibweise von Winkeln. Für die analytische Behandlung von Sinus, Cosinus und Tangens ist es nicht günstig die Argumente als Winkel im üblichen Gradmaß zu betrachten, sondern es ist besser das sogenannte Bogenmaß zu verwenden. Haben wir einen Winkel φ wie im nebenstehenden Bild, so messen wir den Winkel im Bogenmaß durch die Länge des vom Winkel auf dem Kreis mit Radius r = 1 ausgeschnittenen Bogens, dieser ist im Bild etwas dicker eingezeichnet. Die Länge, also der Umfang, des vollständigen Kreises ist 2π · r = 2π, d.h. der Winkel φ = 360◦ im Gradmaß entspricht dem Winkel φ = 2π im Bogenmaß. Ist der Winkel im Gradmaß gleich 180◦ , so ist unser Bogen gerade der halbe Kreis mit Länge (2π)/2 = π, also ist φ = 180◦ im Gradmaß gleich φ = π im Bogenmaß. Entsprechend ist 90◦ im Gradmaß dasselbe wie π/2 im Bogenmaß. 28 §8 Vorkurs Mathematik 2009 Anschaulich ist klar das bei Vergrößerung des Winkels φ der ausgeschnittene Bogen linear mit φ wächst, d.h. Bogen- und Gradmaß sind zueinander proportional. Da 360◦ dabei 2π entspricht ist die Proportionalitätskonstante festgelegt. Wir haben φ= 2π ◦ π ◦ φ = φ 360 180 wobei φ◦ das Gradmaß und φ das Bogenmaß ist. Der Übergang von Gradmaß zu Bogenmaß ist also nur eine Umskalierung. Beispielsweise sind 360◦ = 2π, 180◦ = π, 90◦ = π π π , 45◦ = , 60◦ = 2 4 3 und so weiter. Das Bogenmaß wird als eine reelle Zahl interpretiert, man hat also keine Maßeinheiten. Jetzt betrachten wir ein rechtwinkliges Dreieck in dem der Winkel φ als einer der nicht-rechten Winkel auftaucht. Ankathete Gegenkathete φ Hypotenuse Die dem rechten Winkel gegenüberliegende Seite wird als die Hypothenuse des Dreiecks bezeichnet und die beiden anderen Seiten heißen die Katheten des Dreiecks. Die dem Winkel φ gegenüberliegende Seite wird dabei als die Gegenkathete und die am Winkel φ anliegende Kathete wird als die Ankathete bezeichnet. Mit diesen Bezeichnungen definiert man Gegenkathete Sinus sin φ := , Hypothenuse Cosinus cos φ := Ankathete , Hypothenuse Tangens tan φ := Gegenkathete , Ankathete Cotangens cot φ := Ankathete 1 = . Gegenkathete tan φ Die Winkelsumme in einem Dreieck ist 180◦ = π, der rechte Winkel verbraucht π/2 davon, und somit werden die vier trigonometrischen Funktionen für alle Winkel 0 < φ < π/2 definiert. 29 §8 Vorkurs Mathematik 2009 Wie beim Logarithmus läßt man bei den vier trigonometrischen Funktionen oft die Klammern um das Funktionsargument weg, schreibt also zum Beispiel sin φ statt sin(φ). Weiter gibt es auch eine spezielle Schreibweise für Potenzen von Werten der trigonometrischen Funktionen, man schreibt den Exponenten an das Funktionssymbol vor dem Funktionsargument. Beispielsweise steht sin2 φ für sin2 φ = (sin φ)2 = sin(φ)2 . Dies wird manchmal auch beim Logarithmus gemacht kommt dort aber seltener vor. Das Weglassen der Klammern wird bei den trigonometrischen Funktionen manchmal recht weit getrieben, finden Sie zum Beispiel den Term sin 2φ in einem Buch, so wird dies in den allermeisten Fällen als sin(2φ) gemeint sein. Wir haben die vier trigonometrischen Funktionen als Seitenverhältnisse in einem rechtwinkligen Dreieck definiert. Dabei ist der Sinus das Verhältniss von Gegenkab a thete zur Hypothenuse, Cosinus das Verhältniss von Ankathete zu Hypothenuse und der Tangens das Verhältnis φ von Gegenkathete zu Ankathete. Bezeichnen wir die Seic ten des Dreiecks wie im nebenstehenden Bild so ist damit sin φ = a/c, cos φ = b/c und tan φ = a/b. Den Tangens kann man daher durch Sinus und Cosinus ausdrücken a a c sin φ cos φ tan φ = = · = und ebenso cot φ = . b c b cos φ sin φ Entscheidend für alles weitere ist der Satz des Pythagoras. In unserem rechtwinkligen Dreieck besagt der Satz des Pythagoras bekanntlich a2 + b2 = c2 , und damit ist auch 2 2 b a2 + b2 a b 2 a2 2 2 = 1. sin φ + cos φ = + = 2+ 2 = c c c c c2 Eine weitere Identität ist klar. Da die Winkelsumme im Dreieck gleich π ist, ist der andere nicht rechte Winkel in unserem Dreieck gleich (π/2) − φ. Bezüglich dieses anderen Winkels vertauschen sind Ankathete und Gegenkathete, und wir haben π π sin − φ = cos φ und cos − φ = sin φ. 2 2 Aufgaben Aufgabe 32: Zeigen Sie, dass auch π π tan − φ = cot φ und cot − φ = tan φ 2 2 gelten. 1 Aufgabe 33: Zeigen Sie 1 + tan2 φ = . cos2 φ 30 §8 Vorkurs Mathematik 2009 Wir steuern jetzt die Additionstheoreme für Sinus und Cosinus an, und werden hierzu über den Sinus- und den Cosinussatz vorgehen. Beachtlicherweise folgen alle diese Dinge durch die Betrachtung des nebenstehenden Bildes. Wir betrachten ein Dreieck mit den Seitenlängen a, b, c und den Winkeln α, β, γ angeordnet wie rechts zu sehen. Dann bilden wir die Höhe auf der Seite c, und diese zerlegt c in zwei kleinere Stücke p und q. Wenden wir den Satz des Pythagoras auf die links und rechts entstehenden rechtwinkligen Dreiecke an, so ergeben sich c = p + q, b2 = q 2 + h2c , a2 = p2 + h2c . Sinussatz: In einem allgemeinem Dreieck 4(ABC) mit den Seiten a, b, c, den Winkeln α, β, γ gilt der Sinussatz sin α sin β sin γ = = . a b c Mit den Bezeichnungen unserer Figur, speziell der Höhe hc auf die Seite c, gilt sin α = hc hc , sin β = b a also sin α sin β = . a b Die verbleibende Identität folgt analog indem man die Höhe auf einer der anderen Seiten betrachtet. Damit haben wir den Sinussatz eingesehen und kommen nun zum sogenannten Cosinussatz. hc = b sin α = a sin β =⇒ Kosinussatz: Es gilt a2 = b2 + c2 − 2bc cos α. Wir wissen bereits h2c = b2 − q 2 = a2 − p2 . Mit p = c − q und cos α = q/b erhalten wir a2 = b2 + p2 − q 2 = b2 + (c − q)2 − q 2 = b2 + c2 − 2cq = b2 + c2 − 2bc cos α. Damit sind wir in der Lage die Additionstheoreme nachzuweisen. Auch diese folgen durch Betrachtung unseres obigen Bildes, nur schauen wir uns diesmal an wie der Winkel γ in die beiden Teile γ1 und γ2 zerlegt wird. Additionstheoreme 1. sin(x ± y) = sin x cos y ± cos x sin y. 2. cos(x ± y) = cos x cos y ∓ sin x sin y. 31 §8 Vorkurs Mathematik 2009 3. sin(2x) = 2 sin x cos x, cos(2x) = cos2 x − sin2 x. 4. tan(x ± y) = tan x±tan y . 1∓tan x tan y Wir weisen die Additionstheoreme in ihrer Form mit + nach, wie wir noch sehen werden kann man den anderen Fall darauf zurückführen. Wir leiten die Additionsformel des Cosinus im Fall 0 < x, y, x + y < π/2 her. Setze γ1 := x, γ2 := y und dann ist γ = x + y. Nach dem Kosinussatz, angewandt mit α und γ und entsprechend auch a und c vertauscht, gilt 2ab cos γ = a2 + b2 − c2 = p2 + q 2 + 2h2c − (p + q)2 = 2h2c − 2pq = 2(h2c − pq). Dividieren wir beide Seiten durch 2ab, so wird dies zu cos γ = h2c − pq hc hc p q = · − · = cos γ1 cos γ2 − sin γ1 sin γ2 , ab a b a b und wir haben unsere Formel bewiesen. Für das Additionstheorem des Sinus rechnen wir hc (p + q) chc p hc hc q sin γ1 cos γ2 + cos γ1 sin γ2 = · + · = = a b a b ab ab Andererseits ist nach dem Sinussatz c · hbc c sin α chc sin γ = = = , a a ab und auch das Additionstheorem des Sinus ist eingesehen. Für x = y ergibt sich (3). Es verbleibt der Beweis von (4): tan(x + y) = sin(x + y) sin x cos y + cos x sin y = cos(x + y) cos x cos y − sin x sin y Teilt man Nenner und Zähler durch cos x cos y, so erhält man tan(x + y) = tan x + tan y . 1 − tan x tan y Bisher haben wir die trigonometrischen Funktionen streng genommen nur für Argumente im Intervall ]0, π/2[ definiert, da andere Winkel ja nicht in ein rechtwinkliges Dreieck hineinpassen. Wir kommen nun zur Erweiterung auf beliebige reelle Argumente. Die Ebene kann wie schon in §4 mit dem R2 = R × R, dem kartesischem Produkt von R mit sich selbst, identifiziert werden. Ein Kreis vom Radius r > 0 mit Mittelpunkt 0 = (0, 0) ∈ R2 wird nach dem Satz des Pythagoras durch die Menge K = {(x, y) ∈ R2 |x2 + y 2 = r2 } gegeben. Die (mathematisch) positive Umlaufrichtung um den Kreis ist die Bewegung im Gegenuhrzeigersinn. 32 §8 Vorkurs Mathematik 2009 Anschaulich ist der Kreis K etwas eindimensionales, zur Beschreibung seiner Punkte würde man daher gerne einen einzelnen reellen Parameter verwenden, und nicht zwei wie in der obigen Beschreibung von K. Wir schauen uns zunächst einmal nur den Teil des Kreises im ersten Quadranten an, und nehmen r = 1 an. Es ist naheliegend die Punkte des Kreises durch den Winkel φ zu parametrisieren, und wir bezeichnen den Punkt von K dessen Verbindung mit dem Nullpunkt zur x-Achse den Winkel φ hat mit e(φ). Wie im nebenstehenden Bild entsteht ein rechtwinkliges Dreieck mit Hypothenuse 1, Gegenkathete y und Ankathete x. Damit folgen x= e( ) 1 y x x y = cos φ, y = = sin φ 1 1 also auch e(φ) = (cos φ, sin φ). Mit wachsenden Winkel φ durchläuft der Punkt e(φ) den Kreis in positiver Richtung, was auch die Namensgebung positiv“ erklärt. Es ist ” naheliegend die Sinus- und Cosinusfunktionen so fortzusetzen das der Zusammenhang e(φ) = (cos φ, sin φ) für überhaupt alle Winkel φ gilt. Lassen wir auch Winkel φ größer als 2π zu, interpretiert als mehrfacher Umlauf, sowie negative Winkel, interpretiert als Umlauf in Gegenrichtung, so werden Sinus und Cosinus dadurch zu Funktionen sin : R → R, cos : R → R. Die Graphen von sin x und cos x haben dann die folgende Form: 1 –6 –4 –2 –1 1 2 4 6 8 10 12 –6 x –4 –2 –1 sin x 2 4 6 8 x cos x An diesen Graphen sehen wir das die Graphen von Sinus und Cosinus sich nur durch Verschiebung um π/2 unterscheiden. Dies können wir auch geometrische begründen indem wir uns einen Punkt im zweiten Quadranten anschauen. Schreiben wir φ = ψ+ π2 mit 0 < ψ < π/2, so sehen wir −x y 1 (cos φ, sin φ) = e(φ) = (− sin ψ, cos ψ). Benennen wir φ und ψ um, so gibt dies die Formeln π π sin + φ = cos φ und cos + φ = − sin φ, 2 2 33 10 12 §8 Vorkurs Mathematik 2009 die tatsächlich für alle φ ∈ R gültig sind. Weiter ergeben sich die Periodizitätsformeln sin(x + π) = − sin x, cos(x + π) = − cos x, sin(x + 2π) = sin x, cos(x + 2π) = cos x. Der Sinus ist eine ungerade Funktion und der Cosinus ist eine gerade Funktion, d.h. sin(−x) = − sin(x) und cos(−x) = cos(x) für alle x ∈ R. Die Additionstheoreme für Sinus und Cosinus gelten für alle x, y ∈ R und nicht nur zwischen 0 und π/2. Aufgaben Aufgabe 34: Leiten Sie die Additionstheoreme für sin(x − y) und cos(x − y) aus den schon bewiesenen Additionstheorem für sin(x + y) und cos(x + y) her. Aufgabe 35: Bestimmen Sie die Nullstellen der Sinus- und Cosinusfunktion. Jetzt können wir Tangens und Cotangens unter Verwendung der Formeln tan x = sin x/ cos x und cot x = cos x/ sin x auf die reellen Zahlen fortsetzen. Nur die Nullstellen des jeweiligen Nenners müssen wir dabei ausnehmen. Der Tangens ist also die Funktion nπ o sin x tan : R\ + nπ n ∈ Z → R; x 7→ 2 cos x und der Cotangens ist cos x cot : R\{nπ|n ∈ Z} → R; x 7→ . sin x Die Graphen dieser Funktionen haben die folgende Form y 4 4 3 3 y 2 1 –6 –4 –2 0 2 1 2 4 6 8 10 12 –6 –4 –2 0 2 4 x 6 x –1 –1 –2 –2 –3 –3 –4 –4 tan x cot x 34 8 10 12 §8 Vorkurs Mathematik 2009 Wie sie sehen hat der Tangens die Periode π, dies folgt auch leicht aus unseren bisherigen Formeln den für alle x ∈ R mit cos x 6= 0 ist tan(x + π) = sin(x + π) − sin x = = tan x. cos(x + π) − cos x Wir listen jetzt einige spezielle Werte der trigonometrischen Funktionen auf. β 0 π/6 π/5 π/4 π/3 π/2 π cos β √1 3/2 √ (1 + 5)/4 √ 1/ 2 1/2 0 -1 sin β 0 1/2 q √ 2(5 − 5)/4 √ 1/ √ 2 3/2 1 0 tan β 0√ 1/q 3 √ √ ( 5 + 1)/ 2(5 − 5) √1 3 ±∞ 0 Alle diese Werte können geometrisch begründet werden, wir wollen dies hier aber nicht vorführen. Der Winkel π/5 ist allerdings schon recht trickreich, und ist hier hauptsächlich der Vollständigkeit halber aufgeführt. Als ein Beispiel zur Anwendung all dieser Formeln wollen wir auch noch die Werte der trigogometrischen Funktionen bei x = π/12 berechnen. Eines unserer Additionstheoreme war cos(2x) = cos2 x−sin2 x und kombinieren wir dies mit sin2 x + cos2 x = 1, so erhalten wir cos(2x) = 2 cos2 x − 1 = 1 − 2 sin2 x. Setzen wir hier x/2 statt x ein, so wird diese Formel zu 2 x 2 x cos x = 2 cos − 1 = 1 − 2 sin . 2 2 Für −π ≤ x ≤ π ist −π/2 ≤ x/2 ≤ π/2 also cos(x/2) ≥ 0 und somit x r x r 1 + cos x 2 cos = cos = (−π ≤ x ≤ π). 2 2 2 Mit dem Sinus können wir ähnlich rechnen. Für 0 ≤ x ≤ 2π ist 0 ≤ x/2 ≤ π also sin(x/2) ≥ 0. Damit ist x r 1 − cos x sin = . 2 2 Wir erhalten damit beispielsweise s s p √ s √ √ √ √ π 1 π 1 + cos 6 1+ 2 3 2+ 3 2+ 3 2+ 6 cos = = = = = . 12 2 2 4 2 4 35 §8 Vorkurs Mathematik 2009 Um die letzte Gleichung zu sehen rechnet man am einfachsten von rechts nach links √ √ √ √ √ √ √ √ ( 2 + 6)2 = 2 + 2 2 6 + 6 = 8 + 2 12 = 8 + 2 4 · 3 = 8 + 4 3 = 4(2 + 3), woraus unsere Gleichung folgt. Den Sinuswert könnte man ebenfalls über die Halbierungsformel rechnen, alternativ ist aber auch der Weg über sin2 x + cos2 x = 1 möglich π π π 2 + √3 1 = sin2 . + cos2 = sin2 + 12 12 12 4 Es folgt √ 2− 3 = , sin 12 4 und da sin(π/12) > 0 ist bedeutet dies p √ √ √ π 2− 3 6− 2 sin = = . 12 2 4 2 π Die letzte Gleichung folgt dabei ähnlich wie bei der entsprechenden Überlegung zum Cosinus. Aufgaben Aufgabe 36: Zeigen Sie, dass für alle 0 ≤ x < π die Gleichung x 1 − cos x tan = 2 sin x gilt. Aufgabe 37: Berechnen Sie tan π 12 . Den Graphen von Sinus und Cosinus entnehmen wir das h π πi sin : − , → [−1, 1] 2 2 und cos : [0, π] → [−1, 1] jeweils bijektive Funktionen sind. Ihre Umkehrfunktionen werden als Arcus Sinus beziehungsweise als Arcus Cosinus bezeichnet, und geschrieben als h π πi arcsin : [−1, 1] → − , 2 2 und arccos : [−1, 1] → [0, π]. Die Graphen dieser Funktion enstehen durch Spiegelung der Graphen der entsprechenden Teile der Graphen von Sinus und Cosinus: 36 §9 Vorkurs Mathematik 2009 3 1.5 2.5 1 2 0.5 1.5 –1 –0.8 –0.6 –0.4 –0.2 0.2 0.4 0.6 0.8 1 x 1 –0.5 0.5 –1 –1 –0.8 –0.6 –0.4 –0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 –1.5 x arcsin x arccos x Aufgaben π − arcsin x für alle −1 ≤ x ≤ 1. 2 Aufgabe 39: Berechnen Sie sin(arccos x) und cos(arcsin x) jeweils für alle −1 ≤ x ≤ 1. Aufgabe 38: Zeigen Sie arccos x = Schließlich ist auch i π πh tan : − , →R 2 2 eine bijektive Funktion, deren Umkehrfunktion als Arcus Tangens bezeichnet wird. Man schreibt i π πh arctan : R → − , . 2 2 Als Graph des Arcus Tangens ergibt sich 1 0.5 –4 –3 –2 –1 0 –0.5 1 2 3 4 x –1 Das Grenzverhalten des Arcus Tangens wird dabei durch lim arctan x = − x→−∞ π π und lim arctan x = x→∞ 2 2 beschrieben. 37 §9 Vorkurs Mathematik 2009 §9 Die Hyperbelfunktionen In den letzten Abschnitten haben wir Polynome, rationale Funktionen, Potenzfunktionen, Logarithmen und die trigonometrischen Funktionen beschrieben. Wir kommen zu einer weiteren und auch letzten Sorte von Grundfunktionen, den sogenannten Hyperbelfunktionen. Dies sind gewisse aus Exponentialfunktionen zusammengesetzte Funktionen. Da sie nicht so wichtig wie die trigonometrischen Funktionen sind, werden wir sie auch nur recht knapp behandeln. Hyperbelfunktionen tauchen oft bei der Lösung gewisser Sorten gewöhnlicher Differentialgleichungen auf. Da dies allerdings kein Schulthema ist, müssen wir uns damit abfinden jetzt nicht begründen zu können warum man diese Funktionen überhaupt betrachtet. Sie können diesen Abschnit daher auch als ein weiteres Beispiel für Exponentialfunktionen und Logarithmen sehen. Wir definieren Sinus Hyperbolicus sinh x := ex − e−x , 2 Cosinus Hyperbolicus cosh x := ex + e−x , 2 Tangens Hyperbolicus tanh x := sinh x , cosh x cosh x 1 = . sinh x tanh x Die ersten drei Funktionen sind für alle reellen x ∈ R definiert, und haben die Graphen Cotangens Hyperbolicus coth x := 4 3 3 2 1 y 2 –2 –1 0 1 2 x –1 1 1 0.5 –2 –2 –3 0 1 x –2 –1 0 1 x sinh x –1 cosh x 38 2 –0.5 –1 tanh x 2 §9 Vorkurs Mathematik 2009 Der Sinus hyperbolicus und der Tangens hyperbolicus haben eine eindeutige Nullstelle in x = 0. Dagegen ist cosh 0 = 1 und cosh x ≥ 1 für alle x ∈ R. Damit ist der Cotangens Hyperbolicus nur für x 6= 0 definiert und ist eine Funktion coth : R\{0} → R, 4 3 y 1 –2 –1 2 cosh x − sinh x = 0 2 1 x deren Graph rechts abgebildet ist. Die Hyperbelfunktionen erfüllen ähnliche Gleichungen wie die trigonometrischen Funktionen, von denen wir hier nur eine nachrechnen wollen. Für jede reelle Zahl x ist 2 2 –1 –2 –3 –4 2 x 2 ex + e−x e − e−x + 2 2 2x x −x e + 2e e + e−2x − e2x + 2ex e−x − e−2x = = ex e−x = 1. 4 Wir haben also cosh2 x − sinh2 x = 1 für alle x ∈ R, in Analogie zur entsprechenden Formel cos2 x + sin2 x = 1 für die trigonometrischen Funktionen. Aufgaben Aufgabe 40: Zeigen Sie sinh x + cosh x = ex für alle x ∈ R. Aufgabe 41: Beweisen Sie die Additionstheoreme sinh(x + y) = sinh x cosh y + cosh x sinh y, cosh(x + y) = cosh x cosh y + sinh x sinh y der Hyperbelfunktionen. Aufgabe 42: Zeigen Sie, dass −1 < tanh x < 1 für jedes x ∈ R gilt. Was haben die Hyperbelfunktionen jetzt mit den trigonometrischen Funktionen zu tun, und warum heißen sie überhaupt Hyperbelfunktionen? Wie in §8 gesehen, durchläuft der Punkt (cos t, sin t) den Einheitskreis wenn t die reellen Zahlen durchläuft. Außerdem haben wir bereits die Formel 4 y 2 cosh2 t − sinh2 t = 1 –4 –2 0 2 x für alle t ∈ R nachgerechnet. Die Menge H := {(x, y) ∈ R2 |x2 − y 2 = 1} ist die rechts abgebildete Hyperbel, und unsere Formel sagt, dass der Punkt (cosh t, sinh t) für t ∈ R in der Hyperbel H liegt. 39 –2 –4 4 §9 Vorkurs Mathematik 2009 Tatsächlich ist es so, dass (cosh t, sinh t) für wachsendes t ∈ R die rechte Hälfte unserer Hyperbel von unten kommend nach oben durchläuft. Der Sinus hyperbolicus und der Cosinus hyperbolicus sind also für die Hyperbel H das was Sinus und Cosinus für den Einheitskreis sind. Aus diesem Grund spricht man von Hyperbelfunktionen. Wir wollen nicht viel mehr mit diesen Funktionen machen, und uns nur noch kurz ihre Umkehrfunktionen anschauen. Der Sinus hyperbolicus sinh : R → R ist bijektiv, und seine Umkehrfunktion wird als der Area Sinus Hyperbolicus bezeichnet. Die Schreibweise ist arsinh : R → R. Die Umkehrfunktionen von cosh : R≥0 → R≥1 und tanh : R →] − 1, 1[ werden entsprechend als Area Cosinus Hyperbolicus und Area Tangens Hyperbolicus bezeichnet arcosh : R≥1 → R≥0 und artanh :] − 1, 1[→ R. Die Graphen dieser Funktionen sind 4 3 y 2 1 1.5 –1 –0.8 –0.6 –0.4 –0.2 0 1 –1 0 0.4 0.6 0.8 1 x –1 0.5 –2 0.2 2 1.5 1 2 –2 1 x –0.5 0.5 –3 –1 0 1 –1.5 arsinh x 2 3 x arcosh x 4 5 –4 artanh x Man kann die Area Funktionen als Logarithmen schreiben, und dies wollen wir hier für den Area Sinus Hyperbolicus vorführen. Zur Bestimmung von arsinh y müssen wir die Gleichung ex − e−x y = sinh x = 2 nach x auflösen. Wir haben y= ex − e−x ⇐⇒ 2y = ex − e−x ⇐⇒ 2yex = e2x − 1 ⇐⇒ (ex )2 − 2yex − 1 = 0. 2 Dies fassen wir nun als eine quadratische Gleichung für ex auf, und die pq-Formel gibt uns p ex = y ± y 2 + 1. p p p Wegen y 2 + 1 > y 2 ≥ y ist y − y 2 + 1 < 0, also muss sogar p p ex = y + y 2 + 1 =⇒ x = log(y + y 2 + 1) 40 §10 Vorkurs Mathematik 2009 sein. Damit haben wir arsinh x = log(x + √ x2 + 1) für alle x ∈ R eingesehen. Aufgaben Aufgabe 43: Beweisen Sie √ arcosh x = log(x + x2 − 1) für alle x ∈ R≥1 , und 1 1+x artanh x = log für alle −1 < x < 1. 2 1−x §10 Gleichungen und Ungleichungen Lineare Gleichungen in einer Unbekannten / Variablen x haben die Form ax+b = , wenn a 6= 0 ist. c; aufgelöst x = c−b a 1. 6x + 3 − 2x + 1 = 8, vereinfacht 4x + 4 = 8, 4x = 4, x = 1. 2. 2x − a = 1 nur sinnvoll, wenn die Lösung x 6= b ist. Für x 6= b gilt die Gleichung x−b genau wenn 2x − a = x − b, x = a − b: x 6= b, wenn a 6= 2b ist. Quadratische Gleichungen in einer Unbekannten x haben die Form ax2 +bx+c = 0, x2 + px + q = 0 mit p = ab , q = ac . Wie schon mehrfach vorgeführt wird diese Gleichung durch die pq-Formel gelöst r p −p ± p2 − 4q p2 p x=− ± −q = . 2 4 2 Zur Erinnerung noch einmal die Herleitung durch quadratische Ergänzung: (x + p2 )2 + p q − ( p2 )2 = 0 ⇔ x2 + px + q = 0 Lösungen also x = − p2 ± ( p2 )2 − q: genau zwei Lösungen, wenn p2 6= 4q für p2 = 4q eine doppelte Nullstelle x = − p2 . Die Zahl p2 − 4q wird auch die Diskriminante des quadratischen Polynoms genannt. Eine alternative Sichtweise ist es die Funktion f (x) := x2 + px + q zu betrachten und das Argument x zu transformieren f (x + a) = (x + a)2 + p(x + a) + q = x2 + (2a + p)x + q + ap + a2 . Wählen wir also a = −p/2, so verschwindet der lineare Teil p2 p f x− = x2 + q − , 2 4 41 §10 Vorkurs Mathematik 2009 und wir kommen erneut auf die pq-Formel. Aufgaben Aufgabe 44: Überlegen Sie sich das man jede Gleichung dritten Grades x3 + ax2 + bx + c = 0 auf eine Gleichung der speziellen Form x3 + px + q = 0 reduzieren kann. Wir kommen jetzt zu Ungleichungen, das sind Größenvergleiche zwischen reellen Zahlen. Erinnern wir uns zunächst einmal an die Grundeigenschaften von ≤ und <. a < b < c =⇒ a < c, a < b =⇒ a + c < b + c, a < b =⇒ −b < −a, a < b und c > 0 =⇒ ac < bc, a < b und c < 0 =⇒ bc < ac, 1 1 a < b und a, b > 0 oder a, b < 0 =⇒ < , b a 0 < a < b und c > 0 =⇒ ca < cb , b < c und a > 1 =⇒ ab < ac wobei a, b, c drei reelle Zahlen sind. Entsprechende Aussagen gelten dann auch für ≤ statt <. Häufig werden diese Aussagen auch in der Form ab > 0 ⇐⇒ a, b > 0 oder a, b < 0 verwendet. Beispiele 1. 5 < 6 ⇒ 2 · 5 = 10 < 2 · 6 = 12 aber (−2) · 5 = −10 > (−2) · 6 = −12. 2. Finde die reellen x ∈ R, für die die Ungleichung gilt: x2 + 4x − 5 < 0. Mit x2 + 4x − 5 = (x + 2)2 − 9 gilt das, genau dann, wenn (x + 2)2 < 9 = 32 ist. Das bedeutet −3 < x + 2 < 3, also −5 < x < 1. Lösungsintervall also ] − 5, 1[. Im letzten Beispiel hatten wir eine Ungleichung der Form a2 ≤ b2 mit b ≥ 0 zu −b ≤ a ≤ b umgeformt. Wäre dagegen b < 0 so müssten wir dies als b ≤ a ≤ −b schreiben. Um solche Fallunterscheiden zu vermeiden kann man den sogenannten Betrag ( x, x ≥ 0, |x| := −x, x < 0 verwenden. Beispielsweise ist |1| = 1, |2| = 2, | − 3| = 3, √ |0| = 0 und so weiter. Der Zusammenhang mit Wurzeln wird durch die Formel |x| = x2 hergestellt, und damit ist a2 ≤ b2 ⇔ |a| ≤ |b| für alle a, b ∈ R. Wir rechnen einige weitere Beispiele: 42 §10 Vorkurs Mathematik 2009 1. Finde die reellen x ∈ R mit x2 − x − 1 > 0. Es ist x2 − x − 1 = (x − 21 )2 − 54 > 0 ⇔ (x − 12 )2 > 45 , also für |x − 12 | > ist ( 1 1 1 x − = x − 2 , x ≥ 2 , 1 2 − x, x ≤ 1 , 2 √ 5 . 2 Nun 2 1 | 2 d.h. |x − ist der Abstand von x zu 1/2. Allgemein ist |x√− y| der Abstand zwi√ √ 5 5 5 1 1 1 schen x und y. Damit bedeutet |x− | > genau x− > oder −(x− ) > . 2 2 2 2 √ √2 √ √2 1+ 5 5−1 5+1 1− 5 Dies gilt für x > 2 oder x < 2 . Lösungsmenge x ∈]−∞, − 2 [∪] 2 , ∞[. Wie in §5 angedeutet ist die Schreibweise mit Intervallgrenzen ±∞ eine Erweiterung der Intervallnotation, und steht für " #√ " # √ 5−1 5 + 1 = R<−(√5−1)/2 und , ∞ = R>(1+√5)/2 . −∞, − 2 2 Hierdurch kann man es vermeiden allzu große Formeln als Index an das R“ ” schreiben zu müssen. 2. Lösungsmenge x ∈ M von (∗) 3x−1 2x+4 < 2 gesucht, x 6= −2. (a) Falls 2x + 4 > 0 ist, also x > −2, kann man die Ungleichung mit 2x + 4 multiplizieren: 3x−1 < 2 ⇔ 3x − 1 < 2(2x + 4) = 4x + 8 ⇔ −9 < x. Da 2x+4 x > −2 ⇒ x > −9, gilt (∗) also für alle x > −2. (b) Falls 2x + 4 < 0 ist, also x < −2, ergibt die Multiplikation mit 2x + 4: 3x−1 < 2 ⇔ 3x − 1 > 2(2x + 4) = 4x + 8 ⇔ x < −9. Damit gilt (∗) also 2x+4 auch für alle x < −9. Lösungsmenge daher M =] − ∞, −9[ ∪ ] − 2, ∞[. 3. Finde die reellen x ∈ R mit |x2 − 6x + 5| < 3. (+) (a) Es ist x2 − 6x + 5 = (x − 5)(x − 1) ≥ 0 ⇐⇒ x ≥ 5 oder x ≤ 1 ⇐⇒ x ∈] − ∞, 1] ∪ [5, ∞[=: M1 . Für x ∈ M1 gilt (+), wenn x2 − 6x + 5 < 3 ist, d.h. x2 − 6x + 2 < 0 ist. Wenn es solche x überhaupt gibt ist dies das Intervall √ zwischen den beiden 2 Nullstellen. Lösungen von x√ − 6x +√ 2 = 0 sind 3 ± 7. Es ist x2 − 6x + 2 < 0 genau dann, wenn √ x ∈]3 − 7, 3√+ 7[' (0, 354, 5, 646). Lösungen von (+) also für x ∈]3 − 7, 1] ∪ [5, 3 + 7[ da wir ja in M1 sind. (b) x2 −6x+5 < 0 ⇔ x ∈]1, 5[=: M2 . Für x ∈ M2 gilt (+), wenn −(x2 −6x+5) < 3 ist, also x2 − 6x + 8 > 0 gilt. Lösungen von x2 − 6x + 8 = (x − 4)(x − 2) = 0 sind x = 2 und x = 4. Also (+) erfüllt für x ∈]1, 2[∪]4, 5[. √ √ Zusammengenommen gilt (+) für x ∈ M :=]3 − 7, 2[∪]4, 3 + 7[. 43 §10 Vorkurs Mathematik 2009 Aufgaben Aufgabe 45: Bestimme die Menge M aller x ∈ R mit (3x − 5) · (x − 2) ≤ 4(x − 2). Aufgabe 46: Bestimme die Menge M aller reellen Zahlen x mit 2 x + x + 2 2 < 2. x − x − 1 6= 0 und 2 x − x − 1 Aufgabe 47: Sei x ∈ R mit x > 0 gegeben. Bestimme alle reellen Zahlen h ∈ R mit h 6= 0, x + h 6= 0 und 1 −1 1 x+h x + 2 < 1. h x Gerade Ungleichungen des Typs aus Beispiel (3), in denen also Aussagen der Form | · · · | < · · · nachgewiesen werden sollen, werden Ihnen in den Analysis Vorlesungen und Übungen sehr häufig begegnen. Dort ist man dann allerdings meistens nicht an allen Lösungen der fraglichen Ungleichungen interessiert, sondern sucht nur nach Aussagen der Form wenn x die Bedingungen . . . erfüllt, so erfüllt x auch die Ungleichung“. Das ” vereinfacht die Rechnungen in der Regel. Auch die vielfältigen Fallunterscheidungen in den obigen Beispielen sind nicht so typisch für das Rechnen mit Ungleichungen, was natürlich erfreulich ist. Diese lassen sich oftmals durch konsequentes Rechnen mit Beträgen ersetzen. Daher wollen wir jetzt die üblichen Rechenregeln für Beträge vorstellen. Grundeigenschaften des Betrages Im folgenden seien x, y zwei reelle Zahlen. 1. Es ist | − x| = |x| ≥ 0 und x ≤ |x|. Dies ist beides klar, da |x| ja das positiv gemachte x ist. 2. Es ist |x|2 = x2 . Auch dies ist klar da beim Quadrieren das Vorzeichen verschwindet. 3. Es ist |x · y| = |x| · |y|, auch dies ist klar, egal was die jeweiligen Vorzeichen sind, sie werden auf beiden Seiten einfach weggelassen. 4. |x + y| ≤ |x| + |y|. Dies ist die sogenannte Dreiecksungleichung. Man kann auch für Punkte der Ebene einen Betrag definieren, und dann ist die Dreiecksungleichung für diesen Betrag in der Ebene tatsächlich gleichbedeutend zur geometrischen Dreiecksungleichung das die Summe zweier Seiten in einem Dreieck größer als die dritte Seite des Dreiecks ist. Die Bezeichung wird dann auch für den reellen Betrag übernommen, auch wenn sie dort nichts mit Dreiecken zu tun hat. Beweisen kann man die Dreiecksungleichung am einfachsten durch Übergang zu den Quadraten |x + y|2 = (x + y)2 = x2 + 2xy + y 2 ≤ x2 + |2xy| + y 2 = |x|2 + 2|x| · |y| + |y|2 = (|x| + |y|)2 , 44 §10 Vorkurs Mathematik 2009 und dies ergibt durch Wurzelziehen die Dreiecksungleichung. Dabei haben wir von den bereits festgehaltenen Eigenschaften des Betrages Gebrauch gemacht. 5. Es ist |x − y| ≥ |x| − |y|. Dies ist eine Konsequenz der Dreiecksungleichung, man rechnet |x| = |(x − y) + y| ≤ |x − y| + |y| =⇒ |x − y| ≥ |x| − |y|. 6. Die letzte unserer Formeln ist |x| − |y| ≤ |x − y|. Dies folgt durch zweimalige Anwendung der eben bewiesenen Formel. Wir haben ja |x − y| ≥ |x| − |y| und |x − y| = | − (x − y)| = |y − x| ≥ |y| − |x| = −(|x| − |y|). Aber der Betrag |x| − |y| ist eine der beiden Zahlen |x| − |y| oder −(|x| − |y|), und beide sind kleiner als |x − y|. Als letzten kleinen Punkt in diesem Abschnitt wollen wir noch kurz ansprechen wie sich Ungleichungen und Funktionen miteinander vertragen. Ist f : R → R eine beliebige Funktion, so gibt es keinerlei Grund warum x ≤ y ⇒ f (x) ≤ f (y) gelten sollte. Die Funktionen für die dies doch wahr ist, nennt man monoton. Definition 5: Seien M ⊆ R und f : M → R eine Funktion. Wir nennen f monoton steigend streng monoton steigend monoton fallend streng monoton fallend wenn wenn wenn wenn x ≤ y ⇒ f (x) ≤ f (y) für alle x, y ∈ M x < y ⇒ f (x) < f (y) für alle x, y ∈ M x ≤ y ⇒ f (x) ≥ f (y) für alle x, y ∈ M x < y ⇒ f (x) > f (y) für alle x, y ∈ M gilt. gilt. gilt. gilt. Schauen wir uns die Graphen der Grundfunktionen an, so sehen wir: f : R → R; x 7→ ex , der Logarithmus log : R>0 → R, der Tangens tan :] − π/2, π/2[→ R und der Arcus Tangens arctan : R → R sind streng monoton steigend. Sinus und Cosinus sind dagegen weder monoton steigend noch monoton fallend. Schauen wir uns Sinus und Cosinus allerdings auf den zur Definition von arcsin und arccos verwendeten Intervallen an, so sind sin : [−π/2, π/2] → R streng monoton steigend und cos : [0, π] → R streng monoton fallend. Damit ist auch arcsin : [−1, 1] → R streng monoton steigend und arccos : [−1, 1] → R ist streng monoton fallend. Als ein Beispiel wollen wir die Aufgabe Ist 21273125 < 31252127 oder 31252127 < 21273125 ?“ ” behandeln. Man erwartet 31252127 < 21273125 da rechts ja rund 1000 Faktoren mehr stehen wenn wir uns beide Seiten als Produkt denken. Für den Taschenrechner sind die Zahlen zu groß. Statt mit diesen konkreten Zahlen fragen wir jetzt allgemein: wann gilt xy < y x 45 §11 Vorkurs Mathematik 2009 wenn x, y > 1 sind. Schreiben wir das ganze etwas um y x xy < y x ⇐⇒ elog x < elog y ⇐⇒ ey log x < ex log y ⇐⇒ y log x < x log y, wobei wir im letzten Schritt die Monotonie der Exponentialfunktion und des Logarithmus verwendet haben. Wegen x, y > 1 ist log x, log y > 0 und wir können dies weiter zu log x x xy < y x ⇐⇒ < log y y umformen. In unserem Beispiel haben wir x = 2127 und y = 3125, und die rechte Bedingung kann der Taschenrechner leicht auswerten 2127 log 2127 ≈ 0, 95 und ≈ 0, 68. log 3125 3125 Die vermutete Ungleichung ist also wirklich wahr. §11 Ableitungen Die genaue Definition von Ableitungen erfolgt in der Vorlesung: Steigung der Tangente an den Graphen von f im Punkt (x0 , f (x0 )) ∈ R2 als Grenzwert der Steigungen von Sekanten durch (x0 , f (x0 )) und (x, f (x)), wie nebenstehend angedeutet. Anstelle dieser geometrischen Interpretation ist oft auch die Interpretation als Änderungsrate hilfreich. Denken wir uns die Funktion f (t) als die Position eines Teilchens zum Zeitpunkt t (das Teilchen soll sich auf einer Geraden bewegen), so ist die Positionänderung in einem Zeitabschnitt h > 0 die Differenz f (t + h) − f (t). Die Rate der Änderung im Zeitabschnitt der Länge h ergibt sich durch Division mit der Länge h, ist also f (t + h) − f (t) . h Lassen wir h gegen Null gehen, so ergibt sich die Änderungsrate in t, f (t + h) − f (t) h→0 h f 0 (t) := lim 46 §11 Vorkurs Mathematik 2009 sozusagen die Geschwindigkeit. Mathematisch ist das gleichwertig zu den Sekantensteigungen, man muss nur x0 = t und x = t + h schreiben, die anschauliche Vorstellung unterscheidet sich in diesem Bild aber etwas. Die exakte Differenzierbarkeitsdefinition werden Sie wie schon bemerkt in der Analysis Vorlesung sehen. Erstaunlicherweise kann man mit Ableitungen bestens herumrechnen auch wenn man nur eine sehr vage Vorstellung davon hat was sie eigentlich sind. Dieser beim Ableiten verwendete Rechenkalkül stützt sich auf die: Ableitungsregeln Summenregel Vielfachenregel Produktregel Quotientenregel Kettenregel (f + g)0 (x) = f 0 (x) + g 0 (x) (cf )0 (x) = c · f 0 (x) wobei c ∈ R ist (f g)0 (x) = f 0 (x)g(x) + f (x)g 0 (x) 0 0 0 (x)f (x) f (x) = f (x)g(x)−g g g(x)2 (g ◦ f )0 (x) = g 0 (f (x)) · f 0 (x) Dabei war g ◦ f das in §5 eingeführte Symbol für die Hintereinanderausführung (g ◦ f )(x) = g(f (x)). In der Schule nennt man g die äußere Funktion“ und f die innere ” ” Funktion“ und formuliert die Kettenregel dann gerne als innere mal äußere Ableitung. Um mit den Ableitungsregeln etwas anfangen zu können, benötigt man noch die Ableitungen der Grundfunktionen. Die einfachsten Grundfunktionen waren die Polynome. Das einfachste Polynom ist ein konstantes Polynom f (x) = c. Dann ist stets f (x + h) − f (x) = 0 und wir haben f (x) = c =⇒ f 0 (x) = 0, die Ableitung einer konstanten Funktion ist also Null. Auch für das Polynom f (x) = x können wir direkt f (x + h) − f (x) x+h−x = lim =1 h→0 h→0 h h f (x) = x =⇒ f 0 (x) = lim rechnen. Für die Ableitung von f (x) = x2 kann man dann schon die Produktregel verwenden: f (x) = x2 = x · x =⇒ f 0 (x) = 1 · x + x · 1 = 2x. So fortfahrend kann man dann allgemein f (x) = xn =⇒ f 0 (x) = nxn−1 für jedes n ∈ N nachweisen. Die Formel gilt für x 6= 0 auch dann wenn n ∈ Z ist. Für beliebigen reellen Exponenten a ∈ R gilt ebenfalls f (x) = xa =⇒ f 0 (x) = axa−1 für x > 0. 47 §11 Vorkurs Mathematik 2009 Damit kann man über Summen und Vielfachenregel dann die Ableitungen aller Polynome und über die Quotientenregel weiter auch die Ableitungen aller rationalen Funktionen ausrechnen. Aufgaben 1 . 1 + x2 x2 + 1 Aufgabe 49: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = . x+1 Die nächste Grundfunktion ist die Exponentialfunktion, und deren Ableitung ist Aufgabe 48: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = f (x) = ex =⇒ f 0 (x) = ex die e-Funktion ist also gleich ihrer eigenen Ableitung. Weiter kann man jetzt die Gleichung elog x = x auf beiden Seiten ableiten, und erhält über die Kettenregel 1 = elog x · log0 x = x · log0 (x), d.h. 1 , x > 0. x Dies ist allerdings kein wirklich stichhaltiges Argument da hier die Differenzierbarkeit des Logarithmus von vornherein unterstellt wird, vom Schulstandpunkt her spielen solche Bedenken aber keine Rolle. Die Ableitungen von Sinus und Cosinus wollen wir hier ebenfalls einfach nur angeben: f (x) = sin x ⇒ f 0 (x) = cos x und f (x) = cos x ⇒ f 0 (x) = − sin x. f (x) = log x =⇒ f 0 (x) = Das Minuszeichen in der Ableitung des Cosinus ist eine der wohl ergiebigsten Fehlerquellen in diesem Bereich, achten Sie also darauf. Die Ableitung des Tangens können wir dann wieder über die Quotientenregel berechnen: 0 cos(x)2 + sin(x)2 1 sin 0 (x) = = = 1 + tan2 x. tan (x) = 2 2 cos cos(x) cos(x) Die Hyperbelfunktionen sind wieder ähnlich wie die trigonometrischen Funktionen, wir haben f (x) = sinh x ⇒ f 0 (x) = cosh x und f (x) = cosh x ⇒ f 0 (x) = sinh x nur diesmal ohne Minuszeichen. Die Ableitungen der Arcus Funktionen erhält man wieder über den obigen Weg des Ableitens von sin(arcsin x) = x. Es wird √ 1 = cos(arcsin x) · arcsin0 x = 1 − x2 · arcsin0 x, 48 §11 Vorkurs Mathematik 2009 nach einer Übungsaufgabe. Ähnlich kann man für den Arcus Tangens rechnen und hat damit f (x) = arcsin x ⇒ f 0 (x) = √ 1 1 . und f (x) = arctan x ⇒ f 0 (x) = 1 + x2 1 − x2 Durch Kombination von Ableitungsregeln und den Ableitungen der Grundfunktionen kann man dann jede Funktion ableiten die sich aus den Grundfunktionen zusammensetzt. Wir wollen ein paar Beispiele rechnen: 1. f (x) = (x6 + 4x3 − 1)12 . Dies könnte man als Polynom ableiten, allerdings müssten wir dazu erst einmal alles ausmultiplizieren, was man natürlich vermeiden will. Daher benutzen wir die Kettenregel mit g(x) = x6 + 4x3 − 1 als innerer Funktion und h(x) = x12 als äußerer Funktion, also f (x) = h(g(x)). Dann wird f 0 (x) = 12(x6 + 4x3 − 1)11 · (6x5 + 12x2 ) = 72x2 (x3 + 2)(x6 + 4x3 − 1)11 . | {z } | {z } h0 (g(x)) g 0 (x) Die Untertitelung“ der einzelnen Faktoren läßt man außerhalb von Schmierzet” teln normalerweise weg. √ 2. f (x) = 1 + sin2 x. Hier muss man die Kettenregel gleich zwei mal verwenden. Zuerst ist 1 + sin2 x die innere Funktion. Die Ableitung dieser inneren Funktion erfolgt dann selbst wieder über die Kettenregel, also haben wir f (x) = u(v(w(x))) mit √ u(x) = x, v(x) = 1 + x2 und w(x) = sin x. Zweifache Anwendung der Kettenregel ergibt 1 sin x cos x √ f 0 (x) = √ · 2 sin x · cos x = . | {z } | {z } 2 2 2 1 + sin x 1 + sin x 0 0 | {z } v (w(x)) w (x) u0 (v(w(x))) √ √ 3. f (x) = 1 − x · arcsin( x), 0 < x < 1. Hier muss man Produkt und Kettenregel kombinieren √ √ arcsin( x) √ 1 1 1 1 arcsin( x) 0 √ = √ − √ f (x) = − √ + 1 − xq . √ 22 x 2 x 2 1−x 1−x 1− x Aufgaben Aufgabe 50: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = x · sin x. 49 §11 Vorkurs Mathematik 2009 Aufgabe 51: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = x · log x. √ Aufgabe 52: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = 1 + x2 . p √ Aufgabe 53: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = 1 + x. Aufgabe 54: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = sin(x2 ). Aufgabe 55: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = log(log x). x Aufgabe 56: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = . cos x Gelegentlich muss man die abzuleitende Funktion erst in eine geeignete Form bringen um dann die Ableitungsregeln anwenden zu können. Ein einfaches Beispiel für dieses Vorgehen ist die Ableitung der Potenzfunktionen f : R → R; x 7→ ax wobei a ∈ R mit a > 0 sei. Um f mit den Ableitungsregeln abzuleiten muss f erst mit Hilfe von Funktionen beschrieben werden deren Ableitungen wir schon kennen. Mit den Potenzrechenregeln können wir etwa x f (x) = ax = elog a = elog(a)x schreiben, und sind dann in der Situation die Kettenregel anwenden zu können f 0 (x) = elog(a)x · log(a) = log(a) · ax . Aufgaben Aufgabe 57: Berechnen Sie die Ableitung von f (x) = xx , x > 0. Aufgabe 58: Berechnen Sie die Ableitung der Funktion f (x) = (2 + sin x)cos x . Zum Abschluß wollen wir noch an die Anwendung von Ableitungen bei Kurvendiskussionen erinnern. Dieses Thema nimmt in der Schule meist einen sehr großen Zeitraum ein, ist außerhalb der Schulthematik aber nicht annäherend so wichtig wie man denken könnte. Die Grundbeobachtung ist die Tatsache das die Ableitung einer Funktion in einem lokalen Extremum gleich Null ist (sofern sie überhaupt existiert). In der geometrischen Deutung der Ableitung ist dies klar, da die Tangente in einem lokalen Extremum waagerecht ist, also Steigung Null hat. Sucht man also nach lokalen Extrema x, so kann man diese als Lösungen der Gleichung f 0 (x) = 0 finden. Wie das Beispiel f (x) = x3 zeigt sind allerdings nicht alle Lösungen von f 0 (x) = 0 auch lokale Extrema. Ein in der Schule gerne verwendetes Kriterium ist dann: f 00 (x) < 0 dann ist x ein lokales Maximum, f 00 (x) > 0 dann ist x ein lokales Minimum. 50 §12 Vorkurs Mathematik 2009 Meist ist es aber einfacher über das Monotonieverhalten zu argumentieren. Beispiele x . 1 + x2 Wir haben lim f (x) = 0, f (0) = 0 und f (x) < 0 für x < 0, f (x) > 0 für x > 0. 1. f (x) = x→±∞ Die Ableitung ist f 0 (x) = 1 + x2 − 2x2 1 − x2 = (1 + x2 )2 (1 + x2 )2 mit Nullstellen in ±1. Wegen lim f (x) = 0 = f (0), f (x) < 0 für x < 0 muss in x→∞ −1 ein lokales Minimum sein. Ebenso ist in x = 1 ein lokales Maximum. 2. f (x) = 2x − x. Wir haben limx→±∞ f (x) = ∞. Die Ableitung ist f 0 (x) = log(2)2x − 1, und Nullstellen sind in log(2)2x − 1 = 0 ⇐⇒ 2x = 1 log 2 ⇐⇒ x = log2 1 log 2 = − log2 (log 2) = − log(log 2) . log 2 Wegen limx→±∞ f (x) = ∞ muss dies ein lokales und globales Minimum sein. Der Funktionswert ist log(log 2) 1 log(log 2) 1 + log(log 2) log(log 2) = 2− log2 (log 2) + = + = . f − log 2 log 2 log 2 log 2 log 2 §12 Integralrechnung Gegeben sei eine Funktion f : M → R auf einem Intervall M ⊆ R. Für a, b ∈ M mit a ≤ b wollen wir ein Integral Z b f (x) dx ∈ R a der Funktion f zwischen a und b einführen. Es gibt verschiedene heuristische Erklärungen des Intergralbegriffs, und wir wollen drei dieser Interpretationen kurz ansprechen. 51 §12 Vorkurs Mathematik 2009 Die erste Interpretation ist die Deutung des Integrals als die Fläche unter der durch die Funktion f gegebenen Kurve. Dabei werden oberhalb der x-Achse liegende Teile der Fläche positiv und unterhalb der x-Achse gelegene Teile der Fläche negativ gezählt. Dies ist die geometrische Interpretation des Integrals. Eine für Anwendungen wichtigere Interpretation ist die Deutung des Integrals als einen Gesamtsumme der Werte f (x) für x zwischen a und b. Von dieser Interpretation stammt auch das Integralzeichen das ursprünglich ein stilisiertes S“ für Summe“ war. ” ” Das klassische Beispiel hierfür ist der Begriff der Arbeit. Angenommen wir bewegen irgendein Objekt startend zu einem Zeitpunkt t = a und brauchen hierfür bis zur Zeit t = b. Zu jedem Zeitpunkt t zwischen a und b müssen wir hierzu eine Kraft f (t) aufbringen. Dabei nehmen wir hier der Einfachheit halber an, dass die Kraft immer in dieselbe Richtung zeigt, und damit als Zahl behandelt werden kann. Mit dieselbe ” Richtung“ ist dabei auch die entgegengesetzte Richtung gemeint, die Funktion f (t) darf also negativ werden. Die verrichtete Arbeit ist dann die gesamte von R b t = a bis t = b aufgewendete Kraft, und mathematisch ist dies wieder das Integral a f (t) dt. Wie können wir die gesamte aufgewendete Kraft“ bestimmen, oder überhaupt ” genau sagen was damit gemeint ist? Dies ist leicht wenn wir zu jedem Zeitpunkt dieselbe Kraft aufwenden mussten, die Funktion F also konstant ist, etwa F (t) = F0 . Die Arbeit sollte dann natürlich einfach das Produkt Kraft · Zeit = (b − a)F0 sein. Bei einer komplizierteren Funktion zerlegen wir dann das Intervall [a, b] in kleinere Stücke, und nähern die Funktion auf jedem dieser Teilstückchen durch eine konstante Funktion an, nehmen also an das die einzelnen Stücke so klein gewählt sind das die Funktion auf diesen im wesentlichen konstant ist. Die von so einem Stückchen beigetragene Arbeit ist dann die auf dem Stück konstante Kraft mal die Länge des Stücks, also die Fläche des Rechtecks über dem Teilstück. Dabei entsprechen unterhalb der x-Achse liegende Rechtecke negativen Konstanten, werden also tatsächlich negativ gezählt. Jetzt sollten die entstehenden Rechtecke zusammen das Integral approximieren, und wenn wir die Zerlegung immer feiner werden lassen, so sollte im Grenzwert das Integral herauskommen. 52 §12 Vorkurs Mathematik 2009 Im obigen Bild ist eine ziemlich ungleichmäßige Zerlegung gezeigt, bei der auch die Näherungsrechtecke noch nicht besonders gut sind. Eine weitere häufig auftauchende Sichtweise ist es den Wert Z b 1 f (x) dx b−a a als das arithmetische Mittel“ der Funktionswerte f (x) für a ≤ x ≤ b zu betrachten, ” Integration ist von diesem Standpunkt aus eine Art R b Mittelung. Das hilft alles natürlich nicht für das Problem a f (x) dx überhaupt auszurechnen. Der Schlüssel zur Berechnung von Integralen ist der sogenannte Hauptsatz der Differential und Integralrechnung Sind M ⊆ R ein Intervall und f : M → R eine stetige Funktion, so ist für jedes a ∈ M die Funktion Z x F : M → R; x 7→ f (t) dt a 0 eine Stammfunktion R b von f , also differenzierbar mit F = f . Weiter gilt für alle a, b ∈ M mit a ≤ b stets a f (t) dt = F (b) − F (a). Stetigkeit nehmen wir wie in der Schule einfach hin, und denken an Dinge wie oh” ne Sprünge“, eine genauere Behandlung wird dann in der Analysis Vorlesung erfolgen. Da sich je zwei Stammfunktionen einer Funktion f nur um eine Konstante unterscheiRb den, gilt die Formel a f (x) dx = F (b) − F (a) für überhaupt jede Stammfunktion der Funktion f . Zur Berechnung des Integrals muss also nur irgendeine Stammfunktion F gefunden werden, und das Integral ist dann die Differenz F (b) − F (a). Als ein Beispiel wollen wir einmal das Integral Z 2 x2 dx 1 berechnen. Die Ableitung von x3 ist 3x2 , also erhalten wir durch F (x) = x3 /3 eine Stammfunktion von f (x) = x2 . Damit wird Z 2 1 1 1 1 7 x2 dx = 23 − 13 = 8 − = . 3 3 3 3 3 1 Rb Das prinzipielle Schema zur Berechnung von a f (x) dx läuft in zwei Schritten ab: 53 §12 Vorkurs Mathematik 2009 1. Finde eine Stammfunktion F von f , d.h. eine Funktion deren Ableitung gleich unserer vorgegebenen Funktion f ist. Rb 2. Berechne a f (x) dx = F (b) − F (a). Für beide Teilbereiche führt man kleine Abkürzungen ein. Zunächst für eine Funktion F b F := F (b) − F (a), a also beispielsweise 2 x + x = 2 + 4 − 1 − 1 = 4. 2 1 R Weiter führt man das sogenannte unbestimmte Integral f (x) dx, also ohne vorgegebene Grenzen, ein. Dies ist einfach eine symbolische Schreibweise für irgendeine ” Stammfunktion“. Beispielsweise ist Z x3 x2 dx = . 3 Da Stammfunktionen nur bis auf eine additive Konstante festgelegt sind, wird dies oft auch als Z x3 x2 dx = +C 3 geschrieben, wobei das C die additive Konstante symbolisiert. Welche der beiden Schreibweisen man verwendet ist eine reine Geschmacksfrage, beide stehen symbolisch für Stammfunktionen R b der Funktion f . In diesem Zusammenhang bezeichnet man das richtige Integral a f (x) dx, also mit Grenzen, auch als ein bestimmtes Integral. Die R Hauptarbeit liegt nun im Finden von Stammfunktionen, also im Berechnen von f (x) dx. Der einfachste Fall sind hierbei Funktionen, deren Stammfunktion wir zufällig kennen weil die entsprechende Ableitung schon einmal gerechnet wurde. Wir listen jetzt einige dieser Funktionen auf: Z xa+1 1. xa dx = für a ∈ R mit a 6= −1. Für a ∈ / Z müssen wir uns dabei auf a+1 x > 0 beschränken. Z dx 2. = log x zumindest für x > 0. Für negative x hat man x (log(−x))0 = Z −1 1 = −x x dx = log(−x) für x < 0. Gelegentlich fasst man diese beiden Fälle zu x Z dx = log |x| x zusammen. also 54 §12 Vorkurs Mathematik 2009 Z 3. ex dx = ex . Z Z sin x dx = − cos x und 4. Z 5. Z 6. √ dx = arcsin x. 1 − x2 dx = arctan x. 1 + x2 Z 7. cos x dx = sin x. Z sinh x dx = cosh x und cosh x dx = sinh x. Es gibt einige weitere Funktionen deren Ableitung man direkt sieht, und wir wollen als ein Beispiel einmal den Tangens behandeln. Es ist tan x = sin x cos x und hier fällt auf, dass im Zähler fast die Ableitung des Nenners steht, nur das Vorzeichen ist falsch. Dies ist deshalb bedeutsam, da wir die Stammfunktion von Funktionen der Form f 0 /f sofort sehen. Mit der Kettenregel haben wir nämlich 0 log |f (x)| = 1 f 0 (x) · f 0 (x) = f (x) f (x) zumindest außerhalb der Nullstellen von f . Lesen wir dies von rechts nach links, so haben wir Z 0 f (x) dx = log |f (x)| f (x) für jede (stetig differenzierbare) Funktion f . Damit folgt Z Z − sin x tan x dx = − dx = − log | cos x|. cos x Aus den entsprechenden Ableitungsregeln folgen auch Z Z Z Z Z (f (x) + g(x)) dx = f (x) dx + g(x) dx und cf (x) dx = c · f (x) dx für stetige Funktionen f, g und Konstanten c ∈ R. Aufgaben Z Aufgabe 59: Berechnen Sie cos x dx. 2 + sin x 55 §12 Vorkurs Mathematik 2009 Z Aufgabe 60: Berechnen Sie tanh x dx. Z x+1 dx. x2 + 1 Z dx Aufgabe 62: Berechnen Sie . x log x Z Aufgabe 63: Berechnen Sie f (x)f 0 (x) dx für eine stetig differenzierbare Funktion f . Aufgabe 61: Berechnen Sie Z Aufgabe 64: Berechnen Sie x cos(x2 ) dx. Mit unseren bisherigen unbestimmten Integralen und einigen algebraischen Umformungen können wir bereits Stammfunktionen zu vielen der rationalen Funktionen berechnen. Das hierzu verwendete algebraische Verfahren ist die sogenannte Partialbruchzerlegung, die wir hier an einem Beispiel demonstrieren wollen. Wir betrachten die rationale Funktion 1 . f (x) = x(x − 1) Partialbruchzerlegung bedeutet diese Funktion in der Form 1 A B = + x(x − 1) x x−1 zu schreiben, wobei A und B noch festzulegende Konstanten sind. Um A und B zu finden kann man die rechte Seite auf den Hauptnenner bringen 1 B A(x − 1) + Bx (A + B)x − A ! A = + = = , x x−1 x(x − 1) x(x − 1) x(x − 1) wobei das Ausrufungszeichen über dem Gleichheitszeichen andeutet, dass wir A, B so wählen müssen das die Gleichung wahr wird. Dies können wir erreichen durch A + B = 0 und − A = 1 also A = −1 und B = −A = 1. Damit haben wir 1 1 1 = − , x(x − 1) x−1 x und wegen (log |x − 1|)0 = 1/(x − 1) wird unser unbestimmtes Integral zu Z Z Z dx dx dx 1 = − = log |x − 1| − log |x| = log 1 − . x(x − 1) x−1 x x Wir scheitern alDamit haben wir einen Gutteil der leichten Beute“ abgehandelt. R ” lerdings noch an vergleichsweise simplen Integralen wie x sin x dx, hier hilft keine 56 §12 Vorkurs Mathematik 2009 unserer bisherigen Methoden weiter. Wie sie aus der Schule wissen ist für derartige Integrale von Produkten die sogenannte partielle Integration zuständig. Partielle Integration Sind u, v zwei stetig differenzierbare Funktionen, so gilt Z Z 0 u(x)v (x) dx = u(x)v(x) − u0 (x)v(x) dx. R Wollen wir diese Regel auf ein unbestimmtes Integral der Form f (x)g(x) dx anwenden, so muss man sich entscheiden welchen Faktor man als u(x) und welchen als v 0 (x) verwenden will. Dies ist nicht immer ganz eindeutig zu entscheiden, es gibt aber zwei einfache Leitprinzipien: 1. Um aus dem als v 0 gewählten Faktor f die Funktion v ablesen zu können, müssen wir R eine Stammfunktion von f kennen, d.h. wir sollten das unbestimmte Integral f (x) dx überhaupt berechnen können. 2. Der als u(x) gewählte Faktor sollte beim Ableiten einfacher werden“. Dies ist ” nicht immer so, aber meistens. In machen Fällen vereinfacht sich u0 nur in Verbindung mit v, weil sich zum Beispiel etwas wegkürzt. Beispiele Z 1. Das unbestimmte Integral x cos x dx. Hier ist die Wahl von u und v ziemlich naheliegend, durch Ableiten wird die Funktion x zu 1 und verschwindet somit, d.h. wir sollten wohl u(x) = x verwenden. Für den anderen Faktor v 0 (x) = cos x sehen wir die Stammfunktion v(x) = sin x, und rechnen somit Z Z x cos x dx = x sin x − sin x dx = x sin x + cos x. 2. Gelegentlich erfordert die Anwendung der Produktregel das wir den Integranden etwas umformen, um ihn überhaupt als Produkt zu schreiben. Ein einfaches solches Beispiel ist die Stammfunktion des Logarithmus Z log x dx. Hier schreiben wir log x = 1 · log x, nehmen x als Stammfunktion der konstanten Funktion 1, und leiten log x zu 1/x ab. Damit wird Z Z 1 log x dx = x log x − x · dx = x log x − x. x 57 §12 Vorkurs Mathematik 2009 Z 3. Das unbestimmte Integral ex sin x dx. Hier führen wir zweimal eine partielle Integration durch, beide Male mit v(x) = ex . Z Z Z x x x x x e sin x dx = e sin x − e cos x dx = e sin x − e cos x − ex sin x dx. Hier scheinen wir zunächst nichts gewonnen zu haben, wir sind ja wieder bei dem Integral angelangt bei dem wir gestartet sind. Wir können dies aber auch als eine glücklicherweise sehr einfach zu lösende Gleichung für dieses Integral R x ansehen, denn bringen wir die beiden Integrale auf eine Seite so wird 2 e sin x dx = ex sin x − ex cos x und wir erhalten Z 1 ex sin x dx = ex (sin x − cos x). 2 Aufgaben Z Aufgabe 65: Berechnen Sie x2 cos x dx. Wir kommen jetzt zur Substitutionsregel, diese beschreibt die Umparametrisierung bestimmter, beziehungsweise unbestimmter, Integrale. Die Kettenregel der Differentialrechnung besagt g(x) = f (ϕ(x)) =⇒ g 0 (x) = f 0 (ϕ(x)) · ϕ0 (x), und lesen wir dies von rechts nach links so erhalten wir die Substitutionsregel für bestimmte Integrale Substitutionsregel Sind M, N ⊆ R zwei Intervalle, f : M → R und ϕ : N → M stetig differenzierbar, so ist für alle a, b ∈ N Z ϕ(b) Z b f (x) dx = f (ϕ(x))ϕ0 (x) dx. ϕ(a) a Für unbestimmte Integrale kann man dies lesen als Z Z 0 f (ϕ(x))ϕ (x) dx = F (ϕ(x)) wenn F (x) = f (x) dx. Ein einfaches Beispiel ist Z 1 xe dx = 2 x2 Z 1 x2 x2 2x e dx = e . |{z} |{z} 2 0 ϕ (x) f (ϕ(x)) 58 §12 Vorkurs Mathematik 2009 R Schon etwas raffinierter ist das Integral x4x+1 dx. Hier haben wir Z Z 1 2x 1 x dx = arctan(x2 ), dx = 4 2 2 x +1 2 (x ) + 1 2 wobei man Z 1 dx und = arctan x ϕ(x) = x , f (x) = 2 1+x 1 + x2 verwendet. Dass man ϕ0 (x) wie in diesen Beispielen direkt als einen Faktor im Integral sieht, ist aber eher die Ausnahme. Meist muss zunächst diese Form hergestellt werden, und hierfür gibt R dxes einen oft verwendeten Rechenweg, den wir einmal am Beispiel des Integrals 1+√x vorführen wollen. Die Parametrisierung wird jetzt in Form einer Substitution ausgedrückt, in diesem Beispiel etwa 2 t=1+ √ x =⇒ 1 dt 1 = √ = =⇒ dx = 2(t − 1) dt, dx 2(t − 1) 2 x und dann wird das Integral durch t ausgedrückt und gelöst Z Z Z dx 2(t − 1) 1 √ = dt = 2 1− dt = 2(t − log(t)). t t 1+ x Anschließend muss t wieder zurücksubstituiert werden um dies als eine Funktion von x zu schreiben Z √ √ dx √ = 2(t − log(t)) = 2 x − 2 log(1 + x), 1+ x wobei wir den Summand 2 weglassen, da das unbestimmte Integral ja nur bis auf eine additive Konstante festgelegt ist. Hier wird nicht wirklich mit dx und dt gerechnet, das sieht nur so aus. Wenn man das Vorgehen näher analysiert sieht man das hier tatsächlich die obige Substitutionsregel angewendet wird, die Rechnung ist nur eine rein symbolische Hilfestellung. Dies wollen wir hier aber nicht näher ausführen, sondern das Verfahren wie in der Schule einfach benutzen. Will man ein bestimmtes Integral über die obige Methode ausrechnen, so ist die abschließende Rücksubstitution nicht nötig, aber die Grenzen müssen mit substituiert werden. √ Wollen wir etwa das obige Integral zwischen 1 und 4 berechnen, so läuft t = 1 + x von 2 bis 3 während x von 1 bis 4 läuft, also 3 Z 4 Z 3 dx 1 4 √ =2 1− dt = 2(t − log t) = 2(3 − log 3 − 2 + log 2) = 2 + log . t 9 x 1 1+ 2 2 Es ist ebenfalls möglich x als eine Funktion in t zu schreiben, das weitereR Vorgehen ist √ 2 2 dann wie im obigen Fall. Nehmen wir als ein Beispiel einmal das Integral a − x dx mit a > 0. Hier ist die Substitution nicht so naheliegend, es funktioniert x = a sin t =⇒ dx = a cos t =⇒ dx = a cos t dt dt 59 §13 Vorkurs Mathematik 2009 und somit Z p Z √ Z p 2 2 2 2 2 2 a − x dx = a − a sin ta cos t dt = a 1 − sin2 t cos t dt Z Z 1 + cos(2t) a2 sin(2t) 2 2 2 =a cos t dt = a dt = t+ . 2 2 2 Verwenden wir noch x 2x t = arcsin und sin(2t) = 2 sin t cos t = a a so wird Z √ a2 − x2 dx = r 1− x2 2x √ 2 = a − x2 a2 a2 x 1 √ a2 arcsin + x a2 − x 2 . 2 a 2 Aufgaben Z Aufgabe 66: Berechnen Sie dx . 1 + ex Z Aufgabe 67: Berechnen Sie arcsin x dx. Z Aufgabe 68: Berechnen Sie §13 (log x)2 dx. Die komplexen Zahlen Die komplexen Zahlen traten erstmalig als ein rechnerischer Trick bei der Lösung der Gleichungen dritten und vierten Grades auf. Bei den Lösungsformeln dieser Gleichungen, den sogenannten Cardano-Formeln, müssen als Zwischenergebnisse unter anderem Wurzeln aus negativen Zahlen gezogen werden. Rechnet man mit diesen einfach normal weiter, so verschwinden sie am Ende der Rechnung √ und√man erhält die √ wieder gesuchten reellen Lösungen (sofern vorhanden). Wegen −a = −1 · a, a > 0 reicht es die Wurzel aus −1 ziehen zu können, und für diese schreibt man i, also i2 = −1. Dann ist zum Beispiel (1 + i)(1 + 2i) = 1 + 3i + 2i2 = 3i − 1, (i2 + i + 1)(1 + i) = i(1 + i) = i − 1, wenn man wie schon gesagt ganz normal rechnet, nur eben mit i2 = −1. Allgemein ergibt sich das Produkt als (a1 + b1 i) · (a2 + b2 i) = a1 a2 + (a1 b2 + a2 b1 )i + b1 b2 i2 = a1 a2 − b1 b2 + (a1 b2 + a2 b1 )i. 60 §13 Vorkurs Mathematik 2009 Für Summen und Produkte kommt man mit Termen der Form a + ib, a, b ∈ R aus, höhere Potenzen von i bringen wegen i2 = −1, i3 = −i, i4 = 1, i5 = i und so weiter nichts neues. Man kan auch dividieren, dies erfordert nur einen kleinen Trick 1 3 − 2i 3 − 2i 3 2 = = = − i. 2 3 + 2i (3 + 2i)(3 − 2i) 9 − 4i 13 13 Diese Überlegungen führen dazu das man überhaupt jede komplexe Zahl in der Form a + ib mit a, b ∈ R schreiben kann. Beispiele: √ √ √ √ √ √ √ √ 1. (2 + 3i)(3 − 2i) = (6 − 6i2 ) + i(3 3 − 2 2) = (6 + 6) + (3 3 − 2 2)i. q q q √ √ √ √ √ 2. 3 + 7i 3 − 7i = (3 + 7i)(3 − 7i) = 9 + 7 = 4. 3. 3a + 4bi + 4a − 3bi = (3a + 4bi)(4a + 3bi) + (4a − 3bi)(4a − 3bi) 4a − 3bi 4a + 3bi (4a − 3bi)(4a + 3bi) 1 2 2 2 2 (12a = − 12b ) + i(16ab + 9ab) + (16a − 9b ) − i(12ab + 12ab) 16a2 + 9b2 7(4a2 − 3b2 ) + iab 1 2 2 (28a . = − 21b ) + iab = 16a2 + 9b2 16a2 + 9b2 5−i (5 − i)(6 + i) 4. (5 − i)(6 − i) + = (29 − 11i) + 6−i (6 − i)(6 + i) 31 − i 1104 408 = 29 − 11i + = − i. 37 37 37 Aufgaben 1 . 1+i Aufgabe 70: Berechnen Sie über den Ansatz z = x + iy ein z ∈ C mit z 2 = i. Aufgabe 69: Berechnen Sie (1 + i)2 und Es stellt sich natürlich die Frage warum das überhaupt funktionieren sollte. Die übliche Methode die komplexen Zahlen exakt einzuführen führt über die sogenannte Gaußsche Zahlenebene. Hier stellt man sich die komplexen Zahlen als die Punkte der Ebene vor, wobei der Punkt (x, y) ∈ R2 gleich der komplexen Zahl x+iy sein soll. Auf den Punkten der Ebene definiert man dann Addition und Multiplikation durch (a1 , b1 ) + (a2 , b2 ) := (a1 + a2 , b1 + b2 ), (a1 , b1 ) · (a2 , b2 ) := (a1 a2 − b1 b2 , a2 b1 + a1 b2 ). Denken wir uns dann R als die x-Achse, also x = (x, 0) für x ∈ R, so haben wir das Element i := (0, 1) mit i2 = (−1, 0) = −1. Sei z = a + ib ∈ C mit a, b ∈ R. Dann heißt 61 §13 Vorkurs Mathematik 2009 a der Realteil und b der Imaginärteil von z, a = Re√ z, b = Im z. Die Zahl z := a − ib heißt die zu z konjugiert komplexe Zahl und |z| := a2 + b2 der Betrag von z. Es ist z · z = |z|2 . Mit dieser Bezeichnung haben wir 1 z z = = 2. z zz |z| für jedes z ∈ C. Mit diesen Informationen können wir auch eine erste geometrische Aussage über die Multiplikation komplexer Zahlen herleiten, wir wollen den Betrag |zw| eines Produktes berechnen. Für z = x + iy und w = u + iv haben wir zunächst zw = xu − yv + i(xv + yu) = xu − yv − i(xv + yu) = xu − (−y)(−v) + i(x(−v) + (−y)u) = (x − iy) · (u − iv) = z · w. Damit ergibt sich weiter |zw|2 = zzww = zz · ww = |z|2 |w|2 =⇒ |zw| = |z| · |w|. Beim Multiplizieren komplexer Zahlen multiplizieren sich also die Beträge. Die Addition komplexer Zahlen ist die Vektoraddition im Parallelogramm, wie sie Ihnen vielleicht noch aus der Vektorrechnung bekannt ist. Auch die Multiplikation komplexer Zahlen hat eine geometrische Interpretation. Hierzu erinnern wir uns an die Besprechung der trigonometrischen Funktionen aus §8. Wir hatten gesehen das der Punkt e(φ) = (cos φ, sin φ) = cos φ + i sin φ mit φ im Gegenuhrzeigersinn um den Einheitskreis läuft. Multiplizieren wir zwei dieser Punkte, so ergibt sich mit Hilfe der Additionstheorem des Sinus und Cosinus e(φ) · e(ψ) = (cos φ + i sin φ) · (cos ψ + i sin ψ) = cos φ cos ψ − sin φ sin ψ + i(cos φ sin ψ + sin φ cos ψ) = cos(φ + ψ) + i sin(φ + ψ) = e(φ + ψ). Multiplikation der e(φ) wird also durch Addition der Winkel erreicht. Diese Beobachtung kann man noch etwas ausdehnen. Jede komplexe Zahl z ∈ C = R2 kann man ja in der Form z = re(φ) schreiben, wobei r = |z| der Abstand von z zu Null ist und φ der Winkel von z gegen die x-Achse ist. Man nennt den Winkel φ auch das Argument der komplexen Zahl z, und normiert ihn beispielsweise auf −π < φ ≤ φ. Die Zahlen r und φ zusammen heißen die Polarkoordinaten der komplexen Zahl z. 62 z = r e( φ ) e( φ ) φ §14 Vorkurs Mathematik 2009 In Polarkoordinaten hat die Multiplikation in C die Gestalt (re(φ)) · (se(ψ)) = rse(φ + ψ), d.h. Längen multiplizieren √ sich und die Winkel addieren sich. Als ein Beispiel wollen wir erneut die Wurzel i berechnen. Die Zahl i hat die Polarkoordinaten r = 1 und √ φ = π/2, und setzen wir die Wurzel in Polarkoordinaten √ an, also i = se(ψ), so 2 2 brauchen wir i = (se(ψ)) = s e(2ψ), wir können also s = r = 1 und ψ = φ/2 = π/4 verwenden, und erhalten als Wurzel √ π π 1√ i = e(π/4) = cos + i sin = 2(1 + i). 4 4 2 §14 Aussagenlogik Mathematische Aussagen sind wahr ( 1“ oder w“) oder falsch ( 0“ oder f“), eine ” ” ” ” dritte Möglichkeit wird ausgeschlossen. Dieses Prinzip wird manchmal als Tertium ” non datur“ bezeichnet. Eine Aussageform ist ein Aussagesatz mit einer, oder auch mehreren, freien Variablen, für sich genommen ist dies weder wahr noch falsch. Es wird eine Aussage daraus, wenn man für die Variablen konstante Werte einsetzt. Aussagen 7 ist eine Primzahl w 7 ist eine gerade Zahl f 7<3 f Aussageform x2 + 2x + 1 = 0: für x = −1 w für x = +1 f Es wird nur verlangt das eine Aussage wahr oder falsch ist, aber nicht das bekannt ist welcher der beiden Fälle zutrifft. Beispielsweise sind • Die 104000 -te Nachkommastelle von π ist eine 7. n • Es gibt eine Fermat-Primzahl (das sind Primzahlen der Form 22 + 1), die größer als 65537 = 216 + 1 ist. • Es gibt beliebig große natürliche Zahlen n so, dass unter den ersten n Nachkommastellen von π die 7 genauso oft wie die 3 vorkommt. alles Aussagen, aber von keiner von diesen ist bekannt ob sie wahr oder falsch ist. Bei der dritten spricht sogar einiges dafür das man dies nie wissen wird (und es glücklicherweise auch gar nicht wissen will). Zunächst ist offen, ob es überhaupt Werte gibt, für die eine Aussageform wahr wird. Zu einer Aussageform A(x) mit freier Variablen x und einer Menge M kann man die folgende sogenannte Existenzaussage bilden: ∃(x ∈ M ) : A(x) meint es existiert ein x ∈ M so, dass A(x) wahr ist“. ” 63 §14 Vorkurs Mathematik 2009 Das Zeichen ∃“ wird als ein Existenzquantor bezeichnet. Die exakte Syntax einer ” Existenzaussage ist in der real praktizierten Mathematik nicht besonders streng festgelegt, man findet zum Beispiel auch ∃x ∈ M : A(x)“ und ähnliches. In einem eher ” informellen Kontext, wie zum Beispiel an der Tafel während einer Vorlesung, wird der Existenzquantor manchmal auch hinter A(x) geschrieben. In Übungsaufgaben und ähnlichen sollte man dies besser sein lassen. Beispiele: ∃x ∈ R x + 1 = 0 w (wähle x = −1) ∃x ∈ R x2 + 4x + 4 = 0 w (wähle x = −2) ∃x ∈ R x2 + 1 = 0 f (x2 ≥ 0 ⇒ x2 + 1 ≥ 1 > 0) Weiter gibt es eine Universalaussage, manchmal auch Allaussage“ genannt: ” ∀(x ∈ M ) : A(x) meint für alle x ∈ M ist A(x) wahr“. ” Beispiele: ∀x ∈ [1, ∞[ x2 > x w ∀x ∈ R x2 > x f (02 = 0 6> 0) Man kann auch Aussagen mit mehreren geschachtelten Quantoren bilden, zum Beispiel ∀(n ∈ N)∃(m ∈ N) : n < m in Worten für jede natürliche Zahl n ∈ N existiert eine natürliche Zahl m ∈ N mit ” n < m“. Dies ist wahr, da wir zu gegebenen n ∈ N etwa m = n + 1 verwenden können. Bei geschachtelten Quantoren kommt es auf die Reihenfolge an, beispielsweise bedeutet ∃(m ∈ N)∀(n ∈ N) : n < m das es eine natürliche Zahl m ∈ N gibt, die größer als alle natürliche Zahlen ist, was natürlich hoffnungslos falsch ist. Die Negation, oder Verneinung, einer Aussage A ist die Aussage ¬A mit umgekehrtem Wahrheitswert, d.h. ¬A ist wahr wenn A falsch ist und umgekehrt. Probleme tauchen oft bei der Verneinung von Existenz- und Allaussagen aus. Überlegehn wir uns einmal was die Verneinung einer Existenzaussage ∃(x ∈ M ) : A(x)“ bedeutet. Es soll also ” kein x ∈ M geben für das A(x) wahr ist, d.h. wann immer x ∈ M ein Element von M ist, so soll A(x) falsch sein, also ¬A(x) wahr sein. In anderen Worten soll die Aussage ¬A(x) für jedes x ∈ M wahr sein, und dies bedeutet ∀(x ∈ M ) : ¬A(x). Damit haben wir ¬∃(x ∈ M ) : A(x) ist gleichbedeutend mit ∀(x ∈ M ) : ¬A(x). Ebenso kann man sich ¬∀(x ∈ M ) : A(x) ist gleichbedeutend mit ∃(x ∈ M ) : ¬A(x) 64 §14 Vorkurs Mathematik 2009 überlegen. Konjunktion und Disjunktion Die Konjunktion zweier Aussagen A, B, geschrieben als A ∧ B und gesprochen als A und B“, ist genau dann wahr, wenn beide Aussagen wahr sind. ” Die Disjunktion zweier Aussagen A, B, geschrieben als A ∨ B und gesprochen als A oder B”, ist genau dann wahr, wenn eine Aussage der Aussagen A, B wahr ist. Mit ” eine“ ist hier mindestens eine“ gemeint, es handelt sich also um ein einschließendes ” ” oder bei dem auch A und B zugleich wahr sein dürfen. Dies unterscheidet sich etwas vom normalen Sprachgebrauch wo meist das ausschließende oder gemeint ist. In der Mathematik kommt dies aber vergleichsweise selten vor, so dass es noch nicht einmal ein allgemein verwendetes Symbol dafür gibt. Oft werden Konjunktion und Disjunktion auch in Form von Wahrheitstafeln geschrieben @A A ∨ B: B @ f w f f w w w w A A ∧ B: @ B @ f w f f f w f w Der letzte dieser logischen Junktoren ist die Implikation A ⇒ B, gesprochen als aus ” A folgt B“ oder A impliziert B“. Diese ist wahr wenn B aus A folgt, und die Wahr” heitstafel ist A A ⇒ B: @ B @ f w f w f w w w Beachte das aus einer falschen Aussage alles, also sowohl wahre als auch falsche Aussagen, folgen. Dies scheint zunächst etwas merkwürdig zu sein, aber es gibt gute Gründe für diese Festlegung: 1. Es deckt sich mit der umgangssprachlichen Verwendung in den Fällen in denen eine Implikationsaussage überhaupt sinnvoll ist. Umgangssprachlich würde man eine Aussage der Form Wenn morgen das Hörsaalgebäude einstürzt, so fällt die ” Vorlesung aus“, als wahr betrachten unabhängig davon ob das Gebäude morgen noch steht, selbst dann wenn die Vorlesung trotz eines in bestem Zustand befindlichen Hörsaals ausfällt. 2. Ein weiterer Grund für die angegebene Interpretation der Implikation, der für die Mathematik auch erheblich schwerwiegender ist, sind Implikationen in Allaussagen. Beispielsweise sollte die Allaussage ∀(x ∈ R) : x2 = 4 =⇒ |x| ≤ 2 wahr sein. Für x 6= ±2 ist hier die linke Seite der Implikation falsch, die rechte kann aber wahr oder falsch sein, beispielsweise wahr für x = 0 aber falsch für x = 3. 65 §14 Vorkurs Mathematik 2009 3. Die Interpretation deckt sich auch mit dem rechnerischen Schließen. Aus −1 = 1 (falsch) folgte durch Quadrieren 1 = 1 (wahr), durch kubische Potenzbildung aber (−1)3 = 13 , d.h. −1 = 1 (falsch). Schließlich gibt es noch die Äquivalenz A ⇔ B und diese bedeutet die Gültigkeit beider Implikationen A ⇒ B und B ⇒ A. Man kann Implikation auch in Termen von Verneinung und oder“ beschreiben, es gilt nämlich für alle Aussagen A, B stets ” A ⇒ B ⇐⇒ (¬A) ∨ B. Dies kann man am leichtesten durch eine sogenannte Wahrheitstabelle überprüfen, bei der alle Möglichkeiten für die Wahrheitswerte von A und B systematisch durchgegangen werden. A w w f f B w f w f A⇒B w f w w (¬A) ∨ B w f w w Wir wollen noch einige Beispiele zu den logischen Junktoren durchgehen. Dabei seien a, b, c ∈ R drei reelle Zahlen. 1. Wir betrachten die Aussagen A : a < c, B : b < c. Dann bedeutet A∧B : max{a, b} < c und A ∨ B : min{a, b} < c. Denn A ∧ B bedeutet das A und B beide wahr sind, das also sowohl a < c als auch b < c gilt, und dies ist offenbar genau dann der Fall wenn die größere der beiden Zahlen a und b kleiner als c ist. Die größere der beiden Zahlen a und b schreibt man dabei als max{a, b}. Ebenso bedeutet A ∨ B das eine der beiden Aussagen A, B wahr ist, das also a < c oder b < c ist. Dies ist genau dann der Fall wenn die kleinere der beiden Zahlen a und b kleiner als c ist, und die kleinere der Zahlen a und b schreibt man als min{a, b}. 2. Diesmal seien A : a ≤ b, B : b ≤ c. Dann ist A∧B : b ∈ [a, c] und b ∈] − ∞, c] ∪ [a, ∞[. Denn A ∧ B heißt a ≤ b ≤ c, also b ∈ [a, c]. Die Disjunktion ist etwas unschöner, hier soll b ≤ c also b ∈] − ∞, c] oder b ≥ a also b ∈ [a, ∞[ sein. 66 §15 Vorkurs Mathematik 2009 Weiter hatten wir die Implikation A ⇒ B eingeführt. In solch einer Implikation nennt man die linke Seite A oft die Voraussetzung, oder Prämisse, der Implikation und die rechte Seite B die Behauptung, oder Konklusion, der Implikation. Eine weitere Sprechweise ist üblich. Ist die Implikation A ⇒ B wahr, so heißt A eine hinreichende Bedingung für B, und B eine notwendige Bedingung für A, denn wenn A wahr sein soll, so muss auch B wahr sein. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: A: B: A⇒B 6 teilt n 3 teilt n ist wahr da 3 ein Teiler von 6 ist Hier ist 6 ist ein Teiler von n“ hinreichend für 3 ist ein Teiler von n“ und 3 ist ein ” ” ” Teiler von n“ notwendig dafür das 6 ist ein Teiler von n“ gilt. ” Die Äquivalenz A ⇔ B bedeutet das A notwendig und hinreichend für B ist. Zum Abschluß wollen wir noch das sogenannte Kontrapositionsprinzip festhalten Kontrapositionsprinzip: A⇒B ⇐⇒ (¬B) ⇒ (¬A). Tatsächlich ist A ⇒ B gleichwertig zu (¬A) ∨ B und (¬B) ⇒ (¬A) ist ebenfalls gleichwertig zu (¬¬B) ∨ (¬A) = B ∨ (¬A) = (¬A) ∨ B. §15 Direkte und indirekte Beweise Mathematik ist keine empirische Wissenschaft, die Wahrheit mathematischer Aussagen wird nicht durch Experimente oder die Erhebung von Daten entschieden, sondern ausschließlich durch Beweise der betreffenden Aussagen. Von einigen Grundaussagen abgesehen haben alle mathematischen Aussagen die Form einer Implikation. Ein solcher Beweis dient dazu 1. wie schon gesagt die Wahrheit der Aussage festzustellen. 2. die fragliche Aussage zu erklären. Insbesondere kann es durchaus sinnvoll sein verschiedene Beweise und und derselben Aussage zu haben, wenn diese den untersuchten Sachverhalt von unterschiedlichen Standpunkten aus beleuchten. Im Gegensatz zur umgangssprachlichen Verwendung des Wortes Beweis“ ist ein Beweis ” mehr als nur eine überzeugende Begründung des behaupteten Sachverhalts, es muss sich um eine wirklich lückenlose und vollständige Herleitung handeln. Dagegen dient ein Beweis nicht zur Erläuterung wie man auf die fragliche Herleitung oder die Aussage selbst gekommen ist, er soll keine Dokumentation der angestellten Überlegungen sein. 67 §15 Vorkurs Mathematik 2009 Was unter lückenlos“ zu verstehen ist, hängt vom intendierten Leserkreis eines ” Beweises ab. Die meisten Lehrbücher und sonstigen Bücher zur Mathematik erwarten eine aktive Mitarbeit des Lesers, je nach Anspruch und erwarteten Vorkenntnissen werden viele Beweisdetails fortgelassen und sollten vom jeweiligen Leser rekonstruiert werden können. Lehrbücher zu den Grundvorlesungen und die Vorlesungen selber sind zwar deutlich detaillierter, erwarten aber weiterhin aktive Beschäftigung mit dem Stoff. Wir wollen hier zunächst ein Beispiel eines direkten Beweises vorstellen, und verbinden dies mit einigen Hinweisen zur Bearbeitung von Übungsaufgaben. Unter einem direkten Beweis versteht man dabei eine Schlußkette die mit den Voraussetzungen beginnt und in einigen Schritten daraus die Behauptung herleitet. Nehmen wir an die gestellte Aufgabe ist: a+b √ Zeigen Sie: Für alle a, b ∈ R≥0 gilt ≥ ab. 2 Wir wollen in mehreren Schritten eine abgabefähige Lösung dieser Aufgabe entwickeln. Als ersten Schritt sollten Sie alle für die Aufgabe relevanten Definitionen sowie die bereits bekannten Tatsachen zusammentragen, wenn man nicht ausreichend genau weiß worum es eigentlich geht, wird es auch schwer fallen eine Lösung zu finden. In diesem Beispiel ist in diesem Schritt nicht viel zu tun, man kann sich höchstens noch einmal klar machen was die Wurzel bedeutet. Das ist aber eher eine Ausnahme, kompliziertere Aufgaben können wir hier nicht behandeln. Nun beginnen Sie nach einer Lösung zu suchen. Wir tun hier so als findet man gleich den richtigen Ansatz, meist braucht es aber den einen oder anderen Fehlstart bis man auf dem richtigen Weg ist. Auf Ihrem Schmierzettel könnte sich etwas das folgende finden: √ a+b ≥ ab, quadrieren 2 2 2 (a+b)2 = a +2ab+b ≥ ab 4 4 2 2 a + 2ab + b ≥ 4ab a2 − 2ab + b2 ≥ 0 (a − b)2 ≥ 0, ok Zum Abgeben ist dies allerdings nicht geeignet, noch ist dies sowohl formal als auch inhaltlich völlig indiskutabel. Sie sollen nicht nur zeigen das sie die Aufgabe verstanden haben, sondern auch einen vollständigen Beweis derselben konstruieren können. Beginnen wir mit den formalen Problemen. Was sind a und b und was soll hier eigentlich gezeigt werden? Das steht zwar in der Aufgabenstellung, aber das reicht nicht aus. Es ist ein Teil der Aufgabe zu erkennen was hier die Voraussetzung und was die Behauptung ist. Vorausgesetzt ist hier das a, b zwei √ reelle Zahlen mit a, b ≥ 0 sind und die Behauptung ist die Ungleichung (a + b)/2 ≥ ab. In der auf dem Schmierzettel angegebenen Rechnung selbst wird dann nicht klargestellt in welchem Zusammenhang die fünf Zeilen zueinander stehen, das sie zufällig untereinander stehen hat nichts zu sagen. Als eine zweite Version versuchen wir unser Glück daher mit 68 §15 Vorkurs Mathematik 2009 Voraussetzung: Seien a, b ∈ R mit a, b ≥ 0. a+b √ Behauptung: Es gilt ≥ ab. 2 Beweis: Es gilt √ a+b ≥ ab 2 2 2 (a+b)2 =⇒ = a +2ab+b ≥ ab 4 4 =⇒ a2 + 2ab + b2 ≥ 4ab =⇒ a2 − 2ab + b2 ≥ 0 =⇒ (a − b)2 ≥ 0 Das ist schon ein Fortschritt, aber inhaltlich noch immer falsch. Wir zeigen hier das aus der zu beweisenden Aussage eine wahre Aussage folgt. Da aber auch aus einer falschen Aussage etwas wahres folgen kann, folgt daraus nicht die Gültigkeit unserer Behauptung. Die tabellarische Auflistung von Voraussetzung, Behauptung und Beweis ist ein bei der Bearbeitung von Übungsaufgaben beliebter Stil. Dass dies in Büchern und in der Vorlesung nicht so gemacht wird sollte Sie nicht stören, die Lösung einer Übungsaufgabe soll kein Vorlesungsskript oder Buchmanuskript sein. Beachten Sie weiter, dass wir die Voraussetzung als Seien a, b ∈ R mit a, b ≥ 0“ geschrieben haben, ” und nicht etwa nur a, b ∈ R, a, b ≥ 0“ oder ähnliches. Anders als in der Schule soll ” ein Beweis keine Abfolge von Formeln sein, sondern in vollständigen Sätzen formuliert werden. Das verwendete Wort Seien“ führt die beiden Variablen a und b ein. ” Jede verwendete Bezeichnung muss vorher eingeführt werden. Dies wird in Übungen, zumindest im ersten Semester, strikter gehandhabt als etwa in der Vorlesung. Neben den inhaltlichen Aussagen ist es eine Funktion von Übungsaufgaben die Formalien der mathematischen Notation zu lernen, daher werden formale Fragen zu Beginn recht streng bewertet. In einigen Aufgaben in den frühen Aufgabenblätter kann es sogar fast nur um Formalien gehen, das läßt mit Fortschreiten des Semesters dann aber nach. Kommen wir zur Verbesserung unserer vorgeschlagenen Lösung zurück. Wie bereits bemerkt ist hier die Schlußreihenfolge falsch, es wird etwas aus der Behauptung gefolgert, und nicht auf die Behauptung geschlossen wie es eigentlich sein sollte. Man kann jetzt die Implikationen ⇒“ durch Äquivalenzen ⇔“ ersetzen, aber solche Ketten von ” ” Äquivalenzumformungen werden normalerweise nur sehr sparsam verwendet. Außerdem ist nach dieser Äquivalenz gar nicht gefragt worden, wir wollen nur die Gültigkeit der obersten Zeile, d.h. wir wollen eigentlich keine Äquivalenz sondern jeweils von unten nach oben schließen. Daher wird die ganze Schlußkette umgedreht, man beginnt also mit der untersten Zeile (a − b)2 ≥ 0 und schhließt von unten nach oben auf die Behauptung. Erinnern Sie sich daran das ein Beweis keine Dokumentation Ihrer Überlegungen ist, daher schreibt man tatsächlich die logische Folgerungsreihenfolge, von unten nach oben, hin, auch wenn dies die angestellten Überlegungen etwas verschleiert. Weiter gibt es noch einen kleinen formalen Kritikpunkt. Die obige großzügige Verwendung logischer Zeichen wie ⇒“ ist außerhalb der Tafel nicht üblich, man sollte ” diese besser als einen Text hinschreiben. Damit kommen wir zur folgenden dritten Version, die all diese Punkte berücksichtigt: 69 §15 Vorkurs Mathematik 2009 Voraussetzung: Seien a, b ∈ R mit a, b ≥ 0. a+b √ Behauptung: Es gilt ≥ ab. 2 Beweis: Da Quadrate niemals negativ sind haben wir (a − b)2 ≥ 0 und wegen (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 liefert dies a2 − 2ab + b2 ≥ 0. Addition mit 4ab zeigt a2 + 2ab + b2 ≥ 4ab und somit ist auch (a + b)2 a2 + 2ab + b2 = ≥ ab. 4 4 Die Monotonie der Wurzel ergibt wegen (a + b)/2 ≥ 0 schließlich die Behauptung a+b √ ≥ ab. 2 Das kann man so abgeben, und es ist auch schon eine korrekte Lösung. Man kann das ganze aber auch noch ein klein wenig weiter ausarbeiten und versuchen das Argument weiter zu reduzieren. Der Kern des ganzen ist die Gleichung (a + b)2 − 4ab = (a − b)2 und man kann die Folgerungskette in eine Gleichungskette umwandeln, in der diese Gleichung der entscheidende Schritt ist. Dies führt auf nächste und finale Version Voraussetzung: Seien a, b ∈ R mit a, b ≥ 0. a+b √ ≥ ab. Behauptung: Es gilt 2 Beweis: Es ist (a + b)2 − 4ab = a2 + 2ab + b2 − 4ab = a2 − 2ab + b2 = (a − b)2 , und mit (a + b)/2 ≥ 0 sowie der Monotonie der Wurzel ergibt sich a+b = 2 r r (a + b)2 (a + b)2 = − ab + ab 4r 4 r √ (a + b)2 − 4ab (a − b)2 = + ab = + ab ≥ ab. 4 4 Wie bereits bemerkt war dies ein Beispiel eines direkten Beweises. Der andere grundlegende Beweistyp ist der indirekte Beweis, der oft auch als Beweis durch Widerspruch bezeichnet wird. Bei einem Widerspruchsbeweis hat man eine zu beweisende Aussage A. Man nimmt dann an, dass A nicht wahr wäre. Unter Verwendung der Annahme ¬A, sowie der sonstigen Voraussetzungen, wird dann sowohl eine Aussage B als auch die Verneinung ¬B hergeleitet. Dies ist aber unmöglich, da nicht gleichzeitig B und ¬B wahr sein können. Dieser Widerspruch zeigt dann das unsere Startannahme ¬A falsch sein muss, d.h. die Aussage A ist wie gewünscht wahr. √ Das Urbeispiel eines Widerspruchsbeweises ist die Irrationalität von 2. Die zu beweisende Aussage ist hier √ A: 2∈ / Q. 70 §16 Vorkurs Mathematik 2009 √ Nehmen wir also an A wäre falsch, d.h. es ist √ 2 ∈ Q. Da rationale Zahlen definitions2 > 0 ist, gibt es dann natürliche Zahlen gemäß Brüche ganzer Zahlen sind, und da √ p, q ∈ N mit p, q ≥ 1 und 2 = p/q. Durch Auskürzen kann man weiter annehmen das p und q keine gemeinsamen Teiler haben. Dies ist dann unsere Aussage B: p und q haben keine gemeinsamen Teiler. Wir werden dann zeigen das auch ¬B gilt, dass p und q also doch einen gemeinsamen Teiler haben müssen. Hierzu rechnen wir 2 √ 2 p p2 2= 2 = = 2, q q und somit ist auch p2 = 2q 2 . Damit ist p2 ein Vielfaches von 2, also gerade. Andererseits sind Produkte ungerader Zahlen wieder ungerade, und damit muss p selbst gerade sein, da sonst p2 ungerade wäre. Damit erhalten wir die natürliche Zahl r := p ∈N 2 mit p = 2r. Setzen wir dies in unsere Gleichung ein, so folgt 2q 2 = p2 = (2r)2 = 4r2 , also auch q 2 = 2r2 . Genau wie bei p muss q damit gerade sein. Somit ist 2 aber ein gemeinsamer √ Teiler von p und q, wir haben also ¬B. Dies ist ein Widerspruch, und somit ist 2 tatsächlich irrational. §16 Die vollständige Induktion Die vollständige Induktion ist ein Beweisverfahren, um Aussagen über alle natürlichen Zahlen ab einer gewissen Zahl n0 ∈ N zu beweisen, etwa die Richtigkeit der Aussage A(n) für alle n ∈ N mit n ≥ 1 A(n) : 1 + 2 + 3 + ... + n = n(n + 1) . 2 Interpretieren wir die bei n = 0 auftretende leere Summe als Null, so ist dies auch für n = 0 wahr, wir wollen diesen Randfall aber der Deutlichkeit halber ausschließen. Der Induktionsbeweis erfolgt in zwei Schritten: 1. Induktionsanfang: Es wird gezeigt, dass die Aussage A(n0 ) für einen Startwert n0 ∈ N gilt. In unserem Beispiel ist n0 = 1, denn wir wollen die Aussage für alle n ≥ 1 beweisen. 71 §16 Vorkurs Mathematik 2009 2. Induktionsschritt: Unter der Voraussetzung, dass für ein n ∈ N mit n ≥ n0 die Aussage A(n) gilt, wird die Aussage A(n + 1) gezeigt. Es wird also A(n) ⇒ A(n + 1) für alle n ∈ N mit n ≥ n0 bewiesen. Der Induktionsschritt hat damit die drei Bestandteile (a) (b) (c) Induktionsvoraussetzung: A(n) gilt. Induktionsbehauptung: Es wird behauptet, dass A(n + 1) richtig ist. Induktionsbeweis: Aus A(n) wird A(n + 1) hergeleitet. Führen wir dies einmal alles in unserem obigen Beispiel A(n) : 1 + 2 + 3 + ... + n = n(n + 1) 2 mit n0 = 1 durch. Der Induktionsanfang ist A(1) : 1= 1 · (1 + 1) , 2 was sicherlich wahr ist. Wir kommen zum Induktionsschritt. Sei also n ∈ N mit n ≥ 1 und es gelte, dass 1 + . . . + n = n(n+1) , also A(n), wahr ist. Wir müssen einsehen das 2 auch A(n + 1), also 1 + . . . + (n + 1) = (n + 1)((n + 1) + 1) (n + 1)(n + 2) = 2 2 wahr ist. Mit der Induktionsvoraussetzung ergibt sich 1 + . . . + (n + 1) = (1 + . . . + n) + (n + 1) = n(n + 1) n(n + 1) + 2(n + 1) + (n + 1) = 2 2 (n + 1)(n + 2) = , 2 und der Induktionsschluß ist durchgeführt. Per vollständiger Induktion ist damit A(n) für alle n ∈ N bewiesen. Überlegen wir uns kurz warum die Induktion hier funktioniert. Wir haben A(1) direkt nachgerechnet. Weiter A(n) ⇒ A(n + 1) für alle n ≥ 1. Mit n = 1 wissen wir insbesondere A(1) ⇒ A(1 + 1) = A(2), d.h. A(2) ist wahr. Mit n = 2 haben wir dann auch A(2) ⇒ A(2 + 1) = A(3) und auch A(3) ist wahr. So fortfahrend sind dann auch A(4), A(5), . . ., und immer so weiter, wahr. Da wir so bei jeder natürlichen Zahl n ≥ 1 vorbeikommen ist A(n) für jedes n ≥ 1 wahr. Dies sollte Sie von der Gültigkeit der Methode der vollständigen Induktion überzeugen. Es ist allerdings kein exaktes Argument für diese, da wir das Problem in dem harmlos aussehenden und so weiter“ ” versteckt haben. Als Startwert n0 ist jede natürliche Zahl zugelassen, meist wird aber n0 = 0 oder n0 = 1 genommen. Wir wollen jetzt ein zweites Beispiel besprechen bei dem mal ein 72 §16 Vorkurs Mathematik 2009 anderes n0 vorkommt, nämlich n0 = 5. Wir behaupten das für alle n ∈ N mit n ≥ 5 stets 2n > n2 ist, also A(n) : 2n > n2 . Für die kleinen Zahlen n = 2, 3, 4 ist dies falsch, für n = 0, 1 aber wieder richtig. Der Induktionsanfang ist bei n0 = 5, also 25 = 32 > 52 = 25. Wir kommen zum Induktionsschluß, sei also n ∈ N mit n ≥ 5 und 2n > n2 gegeben. Da insbesondere n ≥ 3 ist haben wir dann n2 = n · n ≥ 3n = 2n + n > 2n + 1. Es folgt 2n+1 = 2 · 2n > 2n2 = n2 + n2 > n2 + 2n + 1 = (n + 1)2 , und wir haben auch A(n + 1). Per Induktion ist unsere Aussage damit bewiesen. In den allermeisten Fällen ist der Induktionsanfang wie in diesen Beispielen eine recht banale Angelegenheit. Trotzdem ist er unverzichtbar, der Induktionsschluß kann auch bei falschen Aussagen funktionieren. Nehmen wir einmal die offensichtlich unsinnige Aussage n > n + 1 als unser A(n). Ist dann n ∈ N mit A(n), also n > n + 1, so folgt durch Addition mit Eins auch n + 1 > (n + 1) + 1, also A(n + 1). Der Induktionsschluß ist hier also problemlos möglich, der Anfang natürlich nicht. Dies ist kein seltenes Phänomen, nehmen Sie einmal an die Aussage A(n) ist für jedes n ∈ N falsch. Da aus falschem alles folgt, gilt dann A(n) ⇒ A(n + 1) für jedes n ∈ N, der Induktionsschluß funktioniert also immer wenn die Aussage A(n) niemals richtig ist. Abschnittsinduktion Es gibt einige Induktionsvarianten von denen die häufigste die sogenannte Abschnittsinduktion ist. Diese ist kein eigenständiges Beweisverfahren, sondern kann aus dem Induktionsprinzip hergeleitet werden, auch wenn wir dies hier nicht tun wollen. Als ein Beispiel nehmen wir die folgende Aussage: A(n) : n ist ein Produkt von Primzahlen. Wir wollen beweisen das dies für alle n ≥ 2 wahr ist (auch für n = 1 wenn wir 1 als ein Produkt von Null Primzahlen interpretieren). Eine Induktion funktioniert nicht, ist n als ein Produkt von Primzahlen geschrieben, so können wir über n + 1 so direkt nichts rechtes sagen. Bei der Abschnittsinduktion wird der Induktionsschluß etwas abgeändert, man zeigt nicht A(n) ⇒ A(n + 1) sondern A(n0 ) ∧ A(n0 + 1) ∧ . . . ∧ A(n − 1) =⇒ A(n) für jedes n > n0 . Man muss also zeigen das aus der Gültigkeit von A(k) für alle natürlichen Zahlen n0 ≤ k < n auch die Gültigkeit von A(n) folgt. Den Induktionsanfang A(n0 ) braucht man weiter. Benutzen wir dies einmal für unser Primzahlbeispiel. Hier ist n0 = 2. Der Induktionsanfang A(2) besagt das 2 ein Produkt von Primzahlen ist, und dies ist wahr, 2 ist 73 §16 Vorkurs Mathematik 2009 ja selbst eine Primzahl. Wir kommen zum Induktionsschluß. Sei also n ∈ N mit n ≥ 3 und nehme an das jede natürliche Zahl 2 ≤ k < n ein Produkt von Primzahlen sei. Es gibt zwei mögliche Fälle. Entweder ist n selbst eine Primzahl und dann ist n sicherlich auch ein Produkt von (einer) Primzahl. Andernfalls ist n keine Primzahl. Dies bedeutet das man n als ein Produkt zweier natürlicher Zahlen a, b ≥ 2 schreiben kann, d.h. es gibt a, b ∈ N mit a, b ≥ 2 und n = ab. Insbesondere ist dann auch a, b < n und nach unserer Induktionsannahme sind a und b beides Produkte von Primzahlen. Damit ist aber auch n = ab ein Produkt von Primzahlen. Per Abschnittsinduktion ist die Aussage damit bewiesen. Aufgaben Aufgabe 71: Für jedes n ∈ N mit n ≥ 1 ist die Summe der ersten n ungeraden Zahlen gleich n2 , d.h. 1 + 3 + · · · + (2n − 1) = n2 . Binomialkoeffizienten Die Fakultät einer natürlichen Zahl n, geschrieben als n!, ist definiert als n! := 1 · 2 · . . . · n, 0! = 1 das Produkt der natürlichen Zahlen von 1 bis n. In der Schule begegnet Ihnen diese Größe meist während der Wahrscheinlichkeitsrechnung da Fakultäten oft in Anzahlformeln auftauchen. Seien n, k ∈ N, 0 ≤ k ≤ n. Dann definieren wir den Binomialkoeffi n zienten k , gesprochen n über k, als n n! := . k k!(n − k)! n Insbesondere sind n0 = nn = 1 und n1 = n. Es ist nk = n−k . Die Binomialkoeffizienten erfüllen die folgende Identität n n n+1 + = für alle n, k ∈ N mit 1 ≤ k ≤ n. k k−1 k Ein in den ersten Semestern oft anzutreffender Fehler ist es jede Behauptung in der ein n auftaucht per Induktion beweisen zu wollen. Unsere Behauptung hier kann man am einfachsten durch direkte Rechnung überprüfen. Beweis. Es gilt n n n! n! n! · (n − k + 1) + n! · k + = + = k k−1 k!(n − k)! (k − 1)!(n − k + 1)! k!(n + 1 − k)! n! · (n + 1) (n + 1)! n+1 = = = . k!(n + 1 − k)! k!(n + 1 − k)! k 74 §16 Vorkurs Mathematik 2009 In Dreiecksform aufgeschrieben, erhält man das Pascalsche Dreieck. 0 0 . & 1 1 0 1 . & . & 2 2 2 0 1 2 & . & . & . 3 3 3 3 0 1 2 3 Unsere Formel können wir dann folgendermaßen interpretieren: Der k-te Binomialkoeffizient in Zeile n ergibt sich als die Summe des (k − 1)-ten und des k-ten Binomialkoeffizienten in der darüberliegenden (n − 1)-ten Zeile, d.h. als die Summe der beiden links und rechts über ihm stehenden Binomialkoeffizienten. Auf diese Weise können die Binomialkoeffizienten rekursiv berechnet werden ohne das es nötig ist, die verschiedenen Fakultäten auszurechnen. Für die kleinen Werte n = 1, 2, 3, 4, 5, 6 erhalten wir die folgenden Binomialkoeffizienten: 1 1 1 1 1 1 1 2 3 4 5 6 n 1 6 10 15 1 3 1 4 10 20 1 5 15 1 6 1 Der Binomialkoeffizient k gibt die Anzahl der Möglichkeiten wieder, k verschiedene Elemente aus einer Menge von n Elementen auszuwählen. So ist etwa die Anzahl 49 der Möglichkeiten im Lotto 6 = 13 983 816. Wir wollen diese Tatsache über den Binomialkoeffizienten jetzt beweisen, also Behauptung: Sind n, k ∈ N mit 0 ≤ k ≤ n, so ist der Binomialkoeffizient nk gleich der Anzahl der Möglichkeiten k Elemente aus einer n-elementigen Menge auszuwählen. Beachten Sie das wir hier keine Voraussetzung der Form Sei n ∈ N, . . .“ machen, ” dies wäre tatsächlich ein Fehler (zumindest wenn man die üblichen Maßstäbe bei der Korrektur von Übungsaufgaben anlegt). Die Formulierung Sei n ∈ N“ bedeutet ja ” das eine natürliche Zahl fixiert und n genannt wird, im folgenden ist n dann eine feste Zahl. Bei einem Induktionsbeweis will man dies natürlich nicht da n dort eben keine feste Zahl ist. 75 §16 Vorkurs Mathematik 2009 Beweis. Mit A(n) bezeichnen wir die Aussage für n ∈ N: n A(n) : ∀(0 ≤ k ≤ n) : = Zahl der Auswahlmöglichkeiten von k aus n Elementen. k Wir beweisen dies durch Induktion über n ∈ N, wobei n0 = 0 als Startwert verwendet wird. Induktionsanfang: Für n = 0 müssen wir nur k = 0 betrachten und es ist 00 = 1. Außerdem gibt es auch genau eine Möglichkeit 0 Elemente aus der leeren Menge auszuwählen. Induktionsschritt: Sei n ∈ N und A(n) gelte. Sei 0 ≤ k ≤ n + 1. Wir betrachten dann eine (n + 1)-elementige Menge und wollen k Elemente davon auswählen. OBdA sei 1 ≤ k ≤ n; die Fälle k = 0 und k = n + 1 sind trivial. Dabei steht die Abkürzung oBdA für ohne Beschränkung der Allgemeinheit“ dies meint das es ausreicht den ” angegebenen Fall zu betrachten. Hier kann man dies tun da die beiden Randfälle k = 0 und k = n + 1 unproblematisch sind. Bei Lösungen von Übungsaufgaben sollten Sie mit dieser Formulierung gerade zu Beginn sehr sparsam sein, und sie möglichst ganz vermeiden. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten: Eines der ausgewählten k Elemente ist das (n+1)te, dann müssen noch k − 1 aus den ersten n Elementen ausgewählt werden oder nicht und dann müssen wir k Elemente aus den ersten n Elementen auswählen. Das ergibt insgesamt n n n+1 + = k−1 k k Auswahlmöglichkeiten. Für alle k durchgeführt, ergibt das A(n + 1). Als ein letztes Beispiel für einen Induktionsbeweis wollen wir die allgemeine binomische Formel herleiten. Durch Ausmultiplizieren haben wir (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 (Erste binomische Formel) (a + b)3 = a3 + 3a2 b + 3ab2 + b3 (a + b)4 = a4 + 4a3 b + 6a2 b2 + 4ab3 + b4 und die binomische Formel ist eine allgemeine FormelP für (a + b)n . Um diese auszusprechen ist es nützlich zuvor das Summationszeichen einzuführen. Der Term n X ak k=0 bedeutet: Durchlaufe mit k die Werte k = 0, 1, 2, . . . bis n. Für jeden dieser Werte bilde ak und addiere all dies auf. Statt von 0 bis n darf k auch über andere Bereiche laufen. Beispielsweise sind P4 1 Pn 1 1 1 1 = + + + , k=1 k=1 k = 1 + 2 + · · · + n, k 1 2 3 4 P Pn 1 1 1 1 1 = 2 + 3 + 5 + 7, 1≤k≤10 k=1 (2k − 1) = 1 + 3 + · · · + (2n − 1) k k ist eine Primzahl 76 §16 Vorkurs Mathematik 2009 und so weiter. Binomischer Satz Seien a, b ∈ R und n ∈ N. Dann gilt die binomische Formel n X n n−k k n (a + b) = a b . k k=0 Auch dies wollen wir durch vollständige Induktion beweisen. Voraussetzung: Seien a, b ∈ R. Behauptung: Für jedes n ∈ N gilt (a + b)n = n P k=0 n k an−k bk . Beweis: durch vollständige Induktion. Induktionsanfang: Für n = 0 haben wir (a + b)0 = 1 = 00 a0 b0 wie gewünscht. P Induktionsschritt: Sei n ∈ N und es gelte (a + b)n = nk=0 nk an−k bk . Wir müssen P n+1 n+1−k k zeigen das auch (a + b)n+1 = n+1 a b wahr ist. Hierzu rechnen wir k=0 k (a + b)n+1 = (a + b)n · (a + b) Induktionsvoraussetzung anwenden ! n X n n−k k = a b · (a + b) k k=0 n n X X n n−k k n n−k k a b a b +b· = a· k k k=0 k=0 n n X n n+1−k k X n n−k k+1 a b = a b + k k k=0 k=0 n n X X n (n+1)−(k+1) k+1 n n+1−k k a b = a b + k k k=0 k=0 n n+1 X X n n n+1−k k an+1−k) bk = a b + k k − 1 k=1 k=0 n X n n n+1 = a + + an+1−k bk + bn+1 k k − 1 k=1 n n + 1 0 n+1 n + 1 n+1 0 X n + 1 n+1−k k = a b + a b + ab 0 k n+1 k=1 n+1 X n + 1 n+1−k k = a b . k k=0 n n P P n n k n Es folgt also z. B. 2n = (1 + 1)n = , 0 = (1 − 1) = (−1) , (a + b)4 = k k k=0 k=0 a4 + 4a3 b + 6a2 b2 + 4ab3 + b4 mit 42 = 6. 77