Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 1 Vermietendes versus verkaufendes Monopol Im folgenden soll nun anhand eines einfachen Beispiels untersucht werden, wie ein Monopolist, der sich nicht selbst an einen Preis in der zweiten Periode binden kann, durch die Vermietung des Gutes den gleich Gewinn erzielen kann, wie ein Monopolist, der über diese Selbstbindungsmöglichkeit verfügt. Achtung: Wir ändern für diese Betrachtung unser Modell grundlegend, indem wir nun tatsächlich nur noch zwei Perioden betrachten, d. h., das Unternehmen, die Konsumenten und das Gut existieren heute und morgen und danach geht die Welt unseres Modells unter. Vorher hatten wir zwar nur Entscheidungen in zwei Perioden betrachtet, dabei aber implizit angenommen, dass das Gut unendlich lange existiert und die Konsumenten es ebenso lange konsumieren können. Zusätzlich betrachten wir in diesem Modell keine Diskontierung bzw. setzen δ = 1. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 2 Angenommen, die Konsumenten leben für zwei Perioden, t = 1, 2 und der Monopolist verkauft ein Gut, das zwei Perioden hält. Zur Vereinfachung nehmen wir an, die Produktion des Gutes erfolge kostenlos. Wenn der Konsument das Gut in Periode 1 erwirbt, dann kann er dieses Gut für sein gesamtes Leben nutzen. Die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Konsumenten für das Gut werden beschrieben durch die aggregierte inverse Nachfragefunktion für die Nutzung des Gutes in einer Periode gegeben durch p(y) = 100 − y. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 3 Grafisch: p 100 p(y) 100 y Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 4 Wir nehmen an, dass die Verteilung der Zahlungsbereitschaften für die Nutzung über die beiden Perioden unverändert bleibt, d. h. Konsumenten, die in der ersten Periode eine hohe Zahlungsbereitschaft haben, haben diese auch in der zweiten und ebenso für Konsumenten mit niedriger Zahlungsbereitschaft. Daraus ergibt sich die inverse Nachfrage falls das Gut nur in der ersten Periode gekauft werden könnte wie auf der nächsten Folie gezeigt. Dabei muss man daran denken, dass eine Kauf in der ersten Periode bedeutet, das Nutzungsrecht an dem dauerhaften Gut für zwei Perioden zu erwerben. Zusätzlich haben wir in der Grafik die sich ergebende Monopolmenge ŷ1 und den zugehörigen Monopolpreis p̂1 sowie den sich ergebenden Gewinn grafisch angegeben. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 5 p1 200 p(y) p̂1 M R(y) ŷ1 Ulrich Schwalbe 100 y1 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 6 Im folgenden werden wir zwei alternative Arten von Transaktion betrachten, die der Monopolist durchführen könnte. Er könnte das Produkt verkaufen oder er könnte es vermieten. 1. Durch den Verkauf eines Gutes an einen Konsumenten zum Preis pS transferiert das Unternehmen das Eigentum und damit alle Rechte an der Nutzung des Gutes vom Zeitpunkt des Kaufs an den Konsumenten für die gesamte Zukunft. 2. Durch die Vermietung eines Gutes an einen Konsumenten zum Preis pR behält das Unternehmen das Eigentum an dem Gut, aber transferiert das Recht der Nutzung des Gutes für einen bestimmten Zeitraum an den Konsumenten. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 7 Ein vermietendes Monopol Angenommen, der Monopolist vermietet das dauerhafte Gut in jeder Periode für die Dauer einer Periode. Gegeben die Preis-Absatz-Funktion in jeder Periode p(y) = 100 − y ist die Bedingung für ein Gewinnmaximum für jede Periode t M R(yt ) = 100 − 2yt = 0 = M C(yt ). Daraus ergibt sich eine Menge pro Periode von ytR = 50, wobei das Superskript R für Vermieten (‘rent’) steht. Der Monopolmietpreis ist pR t = 50, der Gewinn pro Periode ist πt (ytR ) = 2500. Für beide Perioden beträgt der Gewinn also π R = 5000. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 8 Grafisch: p1 p2 100 100 p1 (y1 ) pR 1 M R(y) R 1 (a) yPeriode 1 Ulrich Schwalbe p2 (y2 ) pR 2 M R(y) 100 y1 R 2 (b) yPeriode 2 100 y2 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 9 Ein Vergleich zeigt, dass das Ergebnis das selbe ist wie in dem Fall, dass der Monopolist nur in der ersten Periode verkauft. Dies entspricht auch der im vorigen Abschnitt analysierten Situation, in der er sich in Periode 1 auf einen Preis für beide Perioden festlegen kann. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 10 Ein verkaufendes Monopol Ein Monopolist, der das Gut in Periode 1 verkauft, weiß, dass die Konsumenten, die das Produkt in Periode 1 gekauft haben, es in der nächsten Periode nicht mehr kaufen werden. Die Nachfrage in Periode 2 wird also um diesen Betrag niedriger ausfallen. Daher wird der Monopolist in Periode 2 aufgrund der geringeren Nachfrage zu einem geringeren Preis verkaufen. Die Abhängigkeit der Nachfrage in Periode 2 von der in Periode 1 verkauften Menge sowie die optimale Wahl des Monopolisten können wir auch grafisch andeuten. Dabei verwenden wir für die optimale Menge und den optimalen Preis das Superskript S für verkaufen (‘sell’). Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 11 p2 100 − y1 pS2 p2 (y2 , y1 ) y2S Ulrich Schwalbe 100 − y1 y2 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 12 Allerdings müssen wir auch berücksichtigen, dass der Preis in der zweiten Periode (oder genauer gesagt die Erwartungen der Konsumenten über diesen Preis) Auswirkungen auf die inverse Nachfrage in der ersten Periode hat. Wir müssen also ein zwei Perioden Problem (bzw. zwei Perioden Spiel) untersuchen, das wie folgt beschrieben ist: Die Auszahlung des Unternehmens ist der Gesamtgewinn aus den beiden Perioden. Der Monopolist wählt in Periode 1 den Preis p1 und in Periode 2, den Preis p2 ; zu diesem Zeitpunkt kennt er die in Periode 1 verkaufte Menge y1 und damit die verbleibende Restnachfrage in Periode 2. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 13 Die Konsumenten entscheiden sich in Abhängigkeit von den vom Monopolisten gewählten Preisen, in Periode 1 bzw. in Periode 2 entweder zu kaufen oder nicht zu kaufen; dabei nehmen wir rationale Erwartungen an, d. h. in Periode 1 können die Konsumenten korrekt vorhersagen, welchen Preis der Monopolist in der zweiten Periode wählen wird. Dieses Problem wird mittels Rückwärtsinduktion gelöst. Man untersucht zuerst, wie sich der Monopolist in der zweiten Periode für jede mögliche in der ersten Periode verkaufte Menge y1 (also für die daraus resultierende Nachfrage in Periode 2) verhält, und fragt sich dann, welchen Preis er in der ersten Periode verlangen sollte, um seinen Gewinn über beide Perioden zu maximieren, wenn er dabei seine eigene Reaktion in Periode 2 berücksichtigt. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 14 Zweite Periode: Grafisch hatten wir sie schon analysiert. Hier wollen wir es nochmals rechnerisch nachvollziehen. Die Restnachfrage nach dem Produkt des Monopolisten, der ȳ1 in der ersten Periode verkauft hat ist gegeben durch p2 = 100 − ȳ1 − y2 . Der Monopolist wird also einen Menge anbieten, die durch M R2 (y2 ) = 100 − ȳ1 − 2y2 = 0 charakterisiert ist. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 Daraus erhalten wir y2 (ȳ1 ) = 50 − ȳ1 . 2 15 (1) Der Preis in der zweiten Periode ist ȳ1 ȳ1 = 50 − p2 (ȳ1 ) = 100 − ȳ1 − 50 − 2 2 (2) und der Gewinn ȳ1 2 . π2 (ȳ1 ) = p2 (ȳ1 ) y2 (ȳ1 ) = 50 − 2 Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 16 Erste Periode: Angenommen, der Monopolist verkauft in der ersten Periode ȳ1 an die Konsumenten mit der höchsten Zahlungsbereitschaft. Das heißt, der marginale Käufer‘, dessen Zahlungsbereitschaft für die ’ Nutzung des Gutes pro Periode 100 − ȳ1 beträgt, ist indifferent zwischen dem Kauf in der ersten und dem Kauf in der zweiten Periode. Im ersten Fall erhält er einen Nutzen von 2 (100 − ȳ1 ) − p1 , im zweiten einen ȳ1 Nutzen von (100 − ȳ1 ) − p2 = (100 − ȳ1 ) − 50 − 2 . Also muss gelten ȳ1 . 2 (100 − ȳ1 ) − p1 = (100 − ȳ1 ) − 50 − 2 Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 17 Auflösen nach p1 ergibt p1 = 150 − 3ȳ1 . 2 (3) Dies ist die relevante Preis-Absatz-Funktion der sich das Unternehmen in der ersten Periode gegenüber sieht. Im Vergleich zu der vorher dargestellten fiktiven Preis-Absatz-Funktion, die gelten würde, falls es keine Verkäufe in Periode 2 gäbe, ist der Preis den die Konsumenten zu zahlen bereit sind für jede Menge niedriger, da sie den zu erwartenden niedrigeren Preis in der zweiten Periode mit in ihre Überlegungen einbeziehen. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 18 In einem (teilspielperfekten) Gleichgewicht wählt der Monopolist ein Outputniveau ȳ1 , das das folgende Maximierungsproblem löst. 3y1 y 1 2 max π1 + π2 = 150 − y1 + 50 − y1 2 2 Die Bedingung erster Ordnung lautet d (π1 + π2 ) 3y1 3 1 y1 5 = 150 − = 100 − y1 = 0. − y1 − 2 50 − dy1 2 2 2 2 2 Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 19 Auflösen nach y1 ergibt y1S = 40. Eingesetzt in Gleichung (3) ergibt den Preis pS1 = 150 − 32 40 = 90. Für die zweite Periode erhalten wir die Menge aus Gleichung (1) als y2S = 50 − 40 2 = 30 und den Preis aus Gleichung (2) als pS2 = 100 − 40 − 50 − 40 2 = 30. Der sich ergebende Gewinn ist π S = pS1 y1S + pS2 y2S = 90 · 40 + 30 · 30 = 3600 + 900 = 4500 < 5000 = π R . Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 20 Grafisch: p1 p2 150 pS1 60 pS2 y1S Periode 1 (c) Ulrich Schwalbe 100 y1 60 y2S(d) Periode 2 y2 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 21 Es fällt auf, dass der Monopolist in der ersten Periode nicht die Monopolmenge gegeben die relevante inverse Nachfrage wählt. Dies liegt daran, dass er nicht nur den Gewinn in Periode 1 maximieren will sondern auch den negativen Einfluss einer größeren in Periode 1 verkauften Menge auf seinen Gewinn in der zweiten Periode berücksichtigt. Die nächste Folie illustriert die Situation die sich ergäbe, wenn sich der Monopolist in Periode 1 myopisch verhielte, d. h., seinen Periodengewinn durch die Wahl der Monopolmenge in dieser Periode maximieren würde, ohne die Auswirkungen auf Periode 2 zu beachten. Die sich ergebenden Mengen, Preise und Gewinne wären y1 = 50, p1 = 75, y2 = 25, p2 = 25, π1 = 50 · 75 = 3750 > 3600 = π1S , π2 = 252 = 625 < 900 = π2S und π = π1 + π2 = 3750 + 625 = 4375 < 4500 = π S . Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 22 p1 p2 150 50 (e) Periode 1 Ulrich Schwalbe 100 y1 50 y2 (f) Periode 2 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 23 Wir haben also an unserem Beispiel gesehen, dass das Unternehmen durch das Vermieten des dauerhaften Gutes einen höheren Gewinn erzielen kann, als durch seinen Verkauf. Dies gilt auch allgemeiner, was uns zu folgender Aussage führt. Satz: Bei einer stetigen Preis-Absatz-Funktion erzielt ein Monopolist, der ein dauerhaftes Gut verkauft, einen geringeren Gewinn als ein Monopolist, der ein dauerhaftes Gut vermietet. Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007 Industrieökonomik I Wintersemester 2007 / 08 24 Die Voraussetzung einer stetigen inversen Nachfrage ist wichtig, wie Bagnoli/Salant/Swierzbinski demonstrieren. Sie konstruieren ein Modell mit diskreter Nachfrage (also endlich vielen Konsumenten statt eines Kontinuums), in dem es für einen Monopolisten, der ein dauerhaftes Gut produziert profitabler ist, dieses Gut zu verkaufen als es zu vermieten. In diesem Modell gilt also gerade das Gegenteil dessen, was wir oben gezeigt haben (vgl. auch Shy, Abschnitt 5.5.2, S. 85–89). Ulrich Schwalbe 6. Vorlesung, 27. 11. 2007