Tests – Kurzskript Prof. Dr. Swanhild Bernstein Vorkurs Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 4 2 Brüche 2.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . 2.2 Erweitern und Kürzen . . . . . . 2.3 Addition und Subtraktion . . . . 2.3.1 Addition und Subtraktion 2.3.2 Addition und Subtraktion 2.4 Multiplikation von Brüchen . . . 2.5 Dividieren von Brüchen . . . . . . . . . . . . 5 5 5 6 6 6 6 7 . . . . 8 8 8 8 9 3 Potenzen und Wurzeln 3.1 Definition der Potenz . 3.2 Potenzen . . . . . . . 3.3 Rechenregeln . . . . . 3.4 Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gleichnamiger Brüche . ungleichnamiger Brüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Exponential- und Logarithmusfunktion 10 5 Trigonometrische Funktionen 5.1 Sinusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Kosinusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Nützliche Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Weitere trigonometrische Funktionen . . . . . . . 5.5 Zusammenfassung: trigonometrische Funktionen . . . . . 11 11 11 11 12 12 6 Lösen von Gleichungen 6.1 Einfache Umformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Was man nicht tun sollte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Quadratische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 13 13 14 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 Wurzelziehen . . . . . . . . Die quadratische Ergänzung Lösungsformel . . . . . . . Der Satz von Vieta . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 15 15 16 . . . . . 20 20 21 24 24 25 8 Funktionen 8.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Eigenschaften von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 27 28 9 Folgen 31 10 Komplexe Zahlen 10.1 Grundrechenarten in C . . . . . . . 10.2 Konjugation und Betrag komplexer 10.3 Gleichheit komplexer Zahlen . . . 10.4 Potenzen . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . 35 35 36 36 37 37 7 Ungleichungen 7.1 Einfache Ungleichungen . . . . . . . . 7.2 Ungleichungen mit dem Absolutbetrag 7.3 Ungleichungen in 2 Veränderlichen . . 7.3.1 Gleichungen . . . . . . . . . . . 7.3.2 Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Funktionengrenzwert 40 12 Stetigkeit und Differenzierbarkeit 12.1 Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Differenzierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.1 Geometrische Deutung der Ableitung: Tangentenanstieg 12.2.2 Totales Differential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3 Analytische Deutung: lineare Approximation . . . . . . 12.3 Differentationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Kurvenuntersuchung mittels Differentialrechnung . . . . . . . . 12.4.1 Maxima und Minima einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 41 43 43 44 44 46 46 46 13 Integralrechnung 13.1 Partielle Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Substitutionsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 52 52 2 . . . . . . . . 14 Vektoren 14.1 Vektoraddition . . . . . . . . . . 14.2 Skalares Vielfaches . . . . . . . . 14.3 Betrag . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Vektoren im Koordinatensystem 14.5 Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Geraden und Ebenen 15.1 Parameterdarstellung einer Geraden . . 15.2 Abstand Punkt-Gerade . . . . . . . . . . 15.3 Parameterdarstellung einer Ebene . . . 15.4 Parameterfreie Darstellung einer Ebene 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 54 55 55 55 56 . . . . 57 57 58 60 61 1 Einleitung Dieses Skript dient dazu Teile des Abiturwissens und der Höheren Mathematik für Ingenieure I zu erläutern. Es ist nicht nicht als Lehrbuch zur Höhere Mathematik für Ingenieure I gedacht, sondern zur kurzen Erläuterung und Wiederholung von Fakten. Die behandelten Themen beziehen sich hauptsächlich auf die Tests und sollen Ihnen helfen diese Tests möglichst gut zu bestehen. 4 2 2.1 Brüche Definitionen dargestellt wird. Dabei gilt Ein Bruch ist eine Zahl, die durch den Ausdruck m n n 6= 0, denn die Division durch Null ist nicht möglich. m Zähler = . n Nenner Brüche, deren Zähler kleiner als der Nenner ist, heißen echte Brüche. 2.2 Erweitern und Kürzen −2 4 800 Die Ausdrücke 25 , −5 , 10 , 2000 sind verschiedene Schreibweisen desselben Bruchs. Erweitern heißt Zähler und Nenner eines Bruchs mit derselben Zahl zu multiplizieren: a·c ac a = = , c 6= 0 b b·c bc Man unterscheide Erweitern und Multiplizieren. Beispiel 1 Erweitern mit 5: 4 4·5 20 = = . 7 7·5 35 Multiplizieren mit 5: 4 4 4·5 20 ·5=5· = = . 7 7 7 7 Kürzen heißt, Zähler und Nenner eines Bruchs durch dieselbe Zahl zu dividieren. Der Wert des Bruchs bleibt dabei unverändert. a a:c = = b b:c a c b c , c 6= 0 Man unterscheide Kürzen und Dividieren. Beispiel 2 Kürzen durch 5: 20 20 : 5 = = 35 35 : 5 Division durch 5: 20 5 35 5 = (4 · 5) : 5 4 · /5 4 = = . (7 · 5) : 5 7 · /5 7 20 20 20 : 5 :5= = 35 = 35 35 5 5 20 35 5 = 1 4 . 35 2.3 2.3.1 Addition und Subtraktion Addition und Subtraktion gleichnamiger Brüche gleichnamige Brüche sind Brüche deren Nenner gleich sind. Sie werden addiert bzw. subtrahiert, indem man die Zähler addiert bzw. subtrahiert und den Nenner beibehält. a b a+b a b a−b + = , − = c 6= 0 c c c c c c 2.3.2 Addition und Subtraktion ungleichnamiger Brüche Ungleichnamige Brüche werden addiert bzw. subtrahiert, indem man zunächst den Hauptnenner bildet und anschließend durch Erweitern beider Brüche gleichnamige Brüche erhält. Anschließend wird addiert bzw. subtrahiert. Der Hauptnenner ist das kleinste gemeinsame Vielfache beider Nenner. Man kann aber davon auch jedes Vielfaches, also z.B. das Produkt der Nenner nehmen: a·d c·b ad + bc a c + = + = , b d b·d d·b bd a c a·d c·b ad − bc − = − = , b d b·d d·b bd b, d 6= 0 Achtung! Verwechslungsgefahr a b a+b + = , c b c aber a·c a·b a(c + b) a a + = + = b c b·c c·b bc c 6= 0 ungleich a b+c Beispiel 3 1 1 3 2 5 1 1 + = + = 6= = . 2 3 6 6 6 2+3 5 Auch ist a c a+c + 6= , b d b+d da a a a·c a·b a(c + b) + = + = . b c b·c c·b bc Beispiel 4 1 3 1·2 3 2+3 5 1+3 4 2 + = + = = 6= = = . 2 4 2·2 4 4 4 2+4 6 3 2.4 Multiplikation von Brüchen Brüche werden multipliziert, indem man Zähler mit Zähler und Nenner mit Nenner multipliziert. a c a·c ac · = = , b, d 6= 0 b d b·d bd 6 Beispiel 5 Hinweis: 2.5 2 4 2·4 8 · = = . 3 5 3·5 15 3 2 7 12 84 1 3 2 1 ·2 = · = = 4 6= 1 · 2 + · . 4 5 4 5 20 5 4 5 Dividieren von Brüchen Man dividiert durch einen Bruch indem man mit seinem Kehrwert multipliziert. Sonderfälle: a c d a b c d = = a 1 c d a c a d ad : = · = b d b c bc a b ad = , c c 7 = a b c 1 = a . bc 3 3.1 Potenzen und Wurzeln Definition der Potenz ax a x 3.2 Potenz Basis Exponent Potenzen Für natürliche Zahlen n gilt: an = a . . · a · a}, | · a · .{z n Faktoren n ∈ N. Für negative Exponenten gilt: a−m = 1 am Spezialfälle: a1 = 1 a0 = 1 (a 6= 0) Beispiel 6 34 = 3 · 3 · 3 · 3 = 81. Beispiel 7 3−4 = 1 1 = . 34 81 Beispiel 8 0 5 = 1, 3.3 0 1 = 1, 5 0 1 − = 1. 5 Rechenregeln Potenzrechnung geht vor Punktrechnung: ban = b · an 6= (ab)n = an · bn Beispiel 9 5 · 34 = 5 · 3 · 3 · 3 · 3 = 5 · (34 ), (5 · 3)4 = 5 · 3 · 5 · 3 · 5 · 3 · 5 · 3 = 154 . Addition und Subtraktion: pan + qan = (p + q)an 8 Beispiel 10 2 · 34 + 5 · 34 = (2 + 5) · 34 = 7 · 34 . Achtung: 24 + 34 = 16 + 81 = 97 6= 54 = 625, 32 + 34 = 9 + 81 = 90 6= 36 = 729. Multiplikation bei gleicher Basis: an · am = an+m Division bei gleicher Basis: an = an−m am Negative Exponenten: a −n b n b = a Multiplikation bei gleichem Exponenten: an · bn = (a · b)n Division bei gleichem Exponenten: an a n = bn b Umkehrung: Potenz von Produkten (a · b)n = an · bn Umkehrung: Potenz von Brüchen a n b 3.4 = an . bn Wurzeln √ n x a>0 n>1 (n-te) Wurzel Radikant Wurzelexponent Bemerkung 1 Die Wurzel ist nur für nichtnegative Radikanten erklärt! Die n-te Wurzel ist also die nichtnegative Zahl, deren n-te Potenz gleich a ist: √ n a = x ⇐⇒ xn = a. 9 4 Exponential- und Logarithmusfunktion Logarithmieren ist die Umkehrfunktion zum Potenzieren: bx = y ⇐⇒ x = logb y, für alle x ∈ R, und b, y ∈ R+ . Oder in Worten: Definition 1 Unter dem Logarithmus einer positiven reellen Zahl a zu einer positiven, von Eins verschiedenen reellen Basis b versteht man diejenige reelle Zahl c, mit der die Basis b zu potenzieren ist, um a zu erhalten. Man schreibt dafür: c = logb a. Beispiele: log2 16 = 4, da 24 = 16 ist, log10 100 = 2, da 102 = 100 ist, loge e3 = 3, da e3 = e3 ist. Dabei bezeichnet e die Eulersche Zahl, e = 2, 71828182845904523 . . . und man schreibt loge = ln . Folglich ist ln e = 1. Logarithmengesetze: Es seien x, y > 0 positive reelle Zahlen und b > 0, b 6= 1 eine reelle Zahl, dann gilt logb (x · y) = logb x + logb y, x logb = logb x − logb y, y logb xa = a logb x, für alle a ∈ R, logb √ n x= 1 logb x, n ∈ N. n Der Zusammenhang zwischen Logarithmen unterschiedlicher Basis ergibt sich wie folgt: Es seien a, b, c ∈ R+ positive reelle Zahlen mit b, c 6= 1. Dann gilt logb a = logc a logc b und man braucht nur eine Logarithmusfunktion, da man alle anderen daraus berechnen kann. Im Allgemeinen nimmt man den natürlichen Logarithmus ln . Weiter übliche Logarithmen sind lg der Logarithmus zur Basis 10 und ld der Logarithmus zur Basis 2. 10 5 Trigonometrische Funktionen 5.1 Sinusfunktion Die Sinusfunktion f (x) = sin x ergibt sich aus den Beziehungen im rechtwinkligen Dreieck. ∙ a b β α c a sin α = . c Oft wird statt eines Winkels die Länge des zum Winkel α gehörigen Bogenstücks = Bogenmaß x des Einheitskreises in die Sinusfunktion eingesetzt. Auf diese Weise ist sin x für alle x ∈ R erklärt, sie ist eine periodische Funktion mit Periodenlänge T = 2π :, d.h. sin x = sin(x + 2kπ), k ∈ Z, und alle x ∈ R. Außerdem ist, sin ϕ0 = sin(ϕ0 + 2π) = sin ϕ1 = sin(π − ϕ0 ) = sin ψ0 = sin(ψ0 + 2π) = sin ψ1 . 5.2 Kosinusfunktion Die Kosinusfunktion am rechtwinkligen Dreieck ist: b cos α = . c Wiederum nimmt an Stelle des Winkels α das Bogenmaß x und erhalten die Kosinusfunktion cos x für alle x ∈ R. Die Cosinusfunktion ist auch ein 2π-periodische Funktion, d.h. cos x = cos(x + 2kπ) für alle k ∈ Z und alle x ∈ R. 5.3 Nützliche Formeln Am rechtwinkligen Dreieck ergibt sich die Beziehung: sin2 α + cos2 α = 1 bzw. im Bogenmaß 11 sin2 x + cos2 x = 1, x ∈ R. Spezielle Werte: ϕ 0 sin ϕ 0 cos ϕ 1 √ π 6 1 2 3· √ 1 2 √ π 4 2· 2· 1 2 1 2 √ π 3 3· π 2 1 2 1 2 1 0 Weitere Werte im Gradmaß: Winkel Bogenlänge 0 45 90 π 0 π4 2 135 180 225 270 315 360 3π 5π 3π 7π π 2π 4 4 2 4 Zum Umformen von Gleichungen sind die folgenden Formeln nützlich: sin(−x) = − sin x ungerade Funktion, cos(−x) = cos x gerade Funktion, sin x + π2 = cos x. 5.4 Weitere trigonometrische Funktionen Weiterhin gibt es die Tangensfunktion sin x . cos x tan x = Sie ist offensichtlich für cos x = 0, also für x = π2 + 2kπ, k ∈ Z nicht erklärt, außerdem ist sie eine periodische Funktion mit der Periodenlänge T = π. Sowie die Kotangensfunktion cos x . cot x = sin x Sie ist offensichtlich für sin x = 0, also für x = 2kπ, k ∈ Z nicht erklärt, außerdem ist sie eine periodische Funktion mit der Periodenlänge T = π. 5.5 Zusammenfassung: trigonometrische Funktionen Funktion Definitionsbereich nicht definiert für sin x R — [−1, 1] 2π — [−1, 1] 2π + kπ, k ∈ Z R π kπ, k ∈ Z R π cos x tan x cot x R R\{ π2 + kπ, k ∈ Z} R\{kπ, k ∈ Z} π 2 12 Wertebereich Periodenlänge 6 Lösen von Gleichungen Grundsatz: „Auf beiden Seiten der Gleichung dasselbe tun.“ 6.1 Einfache Umformungen Beispiel: 1 x 3 x + 1 = 23 +3 =2 3 = −1 x 3 = −x −3 = x. | ·3 | −3 | ·x (x 6= 0) | ·(−1) Man beachte, dass die erste Gleichung nur für x 6= 0 definiert ist. Alle angegeben Umformungen sind äquivalent, d.h. die Lösungsmenge wird durch die Umformung nicht verändert. Achtung! Durch das Ausführen nicht definierter Operationen (Division durch Null, Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen, Logarithmieren negativer Zahlen) entstehen unsinnige Ergebnisse, obwohl das nicht unbedingt sichtbar sein muss! 6.2 Was man nicht tun sollte Beispiel: a a2 a2 − b 2 (a + b)(a − b) a+b a = = = = = = b ab ab − b2 b(a − b) b 0 | ·a | −b2 |: (a − b) | −b Das Ergebnis ist unsinnig! Der Fehler wird in der 4. Zeile begangen, wo durch Null dividiert wird, da a − b = 0 für a = b (Ausgangssituation) gilt! Beispiel: √ x = −3 | Quadrieren x = 9 √ Offensichtlich ist das Ergebnis falsch, da 9 = 3 6= −3 ist. Der Fehler entsteht √ √ dadurch, dass die Ausgangsgleichung x = −3 gar keine Lösung besitzt, da x immer eine nichtnegative Zahl sein muss. 13 Beispiel: x+1 (x + 1)2 x2 + 2x + 1 x2 + 2x − 2 √ = 3 | Quadrieren = 3 = 3 | −3 = 0 Die entstandene quadratische Gleichung wird nun gelöst, man erhält: √ √ x1,2 = −1 ± 1 + 2 = −1 ± 3. √ √ Offensichtlich erfüllt x1 = −1 + 3 die Ausganggleichung, x2 = −1 − 3 aber √ √ √ nicht, da −1 − 3 + 1 = − 3 6= 3 ist. Die Ursache liegt darin, dass beim Quadrieren die Lösungsmenge verändert wird, p √ 2 √ 2 2 da ( 3) = (− 3) = 3 ist. Die Gleichung (x + 1) = 3 ist nämlich zu (x + 1)2 = √ |x + 1| = 3 äquivalent. Bemerkung: Obwohl es den Anschein hat, dass das Quadrieren zur Bestimmung von Lösungen ungeeignet ist, kommt man doch in vielen Fällen nicht umhin zu quadrieren, um die Lösung zu erhalten. Man muss sich aber in so einem Fall ganz besonders überlegen, was passieren kann und sollte auf alle Fälle eine Probe machen. 6.3 Quadratische Gleichungen Hier benötigt man die binomischen Formeln: (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 , (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 , a2 − b2 = (a + b)(a − b). 6.3.1 Wurzelziehen 2 Man benutzt, dass √ a = b ≥ 0√äquivalent zu |a| = Lösungen a1 = b und a2 = − b. √ b ist und erhält die beiden Beispiel: (x + 3)2 = 25 | Wurzelziehen |x + 3| = 5 Es sind jetzt 2 Fälle zu unterscheiden: 1. Fall x + 3 ≥ 0, dann ist |x + 3| = x + 3 = 5 erfüllt für x = 2. 14 2. Fall x + 3 < 0, dann ist |x + 3| = −x − 3 = 5 ⇐⇒ −x = 8 erfüllt für x = −8. Die beiden Lösungen der quadratischen Gleichung sind folglich x1 = 2 und x2 = −8. 6.3.2 Die quadratische Ergänzung Idee: Man wende die binomischen Formeln an und erhalte einen Ausdruck aus dem die Lösung durch Wurzelziehen erhalten kann, d.h. 2 A2 A 2 +B − x + Ax + B = x + 2 4 bzw. 2 C C2 x − Cx + D = x − − + D. 2 4 2 Beispiel: Man löse die Gleichung x2 + 6x + 1 = −4. Wir formen den Ausdruck x2 +6x+1 zunächst mit Hilfe der binomischen Formel so um, dass ein quadratischer Ausdruck entsteht: x2 + 6x + 1 = (x + 3)2 − 9 + 1 = (x + 3)2 − 8, dies setzen wir nun in die Gleichung ein: x2 + 6x + 1 (x + 3)2 − 8 (x + 3)2 |x + 3| = −4 = −4 | +8 =4 | Wurzelziehen =2 Wir lösen nun den Betrag auf und erhalten zwei Lösungen: x + 3 = 2 oder 6.3.3 −x−3=2 und damit x1 = −1 und x2 = −5. Lösungsformel Mit Hilfe der quadratischen Ergänzung kann man die folgende Lösungsformel für quadratische Gleichungen beweisen. 15 Satz 1 Die quadratische Gleichung x2 + px + q = 0 mit p, q ∈ R hat für p 2 − q < 0, keine reellwertige Lösung, 2 p 2 − q = 0, genau eine reellwertige Lösung x = − p2 , q 2 p 2 − q > 0, zwei reellwertige Lösungen x1/2 = − p2 ± 2 p 2 2 − q. Beweis: Wir formen zunächst x2 + px + q mittels der quadratischen Ergänzung um: p 2 p 2 x2 + px + q = x + − + q. 2 2 Damit ergibt sich x2 + px + q = 0 p 2 p 2 x+ − +q =0 2 2 p 2 p 2 = −q x+ 2 2 |+ p 2 2 −q | Wurzelziehen 2 Ist p2 − q < 0, so gibt es keine Lösung, da man die Wurzel aus einer negativen 2 reellen Zahl im Bereich der reellen Zahlen nicht ziehen kann. Ist p2 − q ≥ 0, so 2 betrachten wir zunächst den Fall p2 − q = 0, d.h. |x + p2 | = 0 ⇐⇒ x + p2 = 2 0 ⇐⇒ x = − p2 . Ist dagegen p2 − q > 0, so ergibt sich beim Wurzelziehen q p 2 − q. Gemäß der Auflösung des Betrags erhalten wir nun zwei |x + p2 | = 2 q q p p p 2 p 2 − q und x2 = − 2 − − q. • Lösungen, nämlich x1 = − 2 + 2 2 Geometrische Interpretation: Dazu sind hier die Funktionen dargestellt worden: y = x2 + 2x + 1, die eine (doppelte) reelle Nullstelle bei x = 1 besitzt, √ √ y = x2 + 2x − 2, die zwei reelle Nullstellen bei x1 = −1 − 3 und x2 = −1 + 3 besitzt, y = x2 + 2x + 3, die keine reelle Nullstelle besitzt. 6.3.4 Der Satz von Vieta Mit Hilfe des Satzes von Vieta lassen sich Lösungen raten. 16 Satz 2 Sind x1 , x2 die beiden Lösungen der quadratischen Gleichung x2 + px + q = 0, so gilt x1 + x2 = −p und x1 x2 = q. Beweis: Nach der Lösungformel gibt es reellwertige Lösungen x1/2 nur, wenn p 2 − q ≥ 0 ist (der Fall nur einer reellwertigen Lösung dabei für x1 = x2 mit 2 enthalten). In diesem Fall gilt r p 2 p x1/2 = − ± − q. 2 2 Offensichtlich ist dann p x1 + x2 = − + 2 r r p 2 p 2 p −q− − − q = −p 2 2 2 und ! ! r r p p p 2 p 2 −q − − −q x1 x2 = − + 2 2 2 2 p 2 p 2 = − − −q =q • 2 2 Wir wollen uns mit Lösungsformeln nicht weiter beschäftigen, was uns interessiert, ist wie man Lösungen erraten kann. Dazu gehen wir davon aus, dass c1 , c2 , c3 ∈ R beliebige reelle Zahlen sind. Dann ist (x − c1 )(x − c2 )(x − c3 ) = (x2 − (c1 + c2 )x + c1 c2 )(x − c3 ) = = x3 − (c1 + c2 + c3 )x2 + (c1 c3 + c2 c3 + c1 c2 )x − c1 c2 c3 , d.h. eine Lösung der kubischen Gleichung kann als Teiler des Absolutglied c der kubischen Gleichung erraten werden. Bemerkung: Es gibt nur für Gleichungen bis maximal 4. Grades explizite Lösungsformeln. Für Gleichungen 5. oder höheren Grades hat bereits Galois nachgewiesen, dass es keine Lösungsformeln geben kann. Beispiel: Man bestimme alle reellen Nullstellen von x3 − 26x2 + 167x − 238. Offensichtlich ist 2 Teiler von 238, aber ist x = 2 eine Lösung von x3 −26x2 +167x−238 = 0? Wir überprüfen dies durch einsetzen: 23 − 26 · 22 + 167 · 2 − 238 = 8 − 104 + 334 − 238 = 0. 17 Folglich ist x = 2 eine Nullstelle von x3 −26x2 +167x−238. Die übrigen Nullstellen werden nun durch abdividieren (Polynomdivision) des Terms x − 2 bestimmt: (x3 − 26x2 +167x −238) : (x − 2) = x2 − 24x + 119 x3 − 2x2 −24x2 + 167x −24x2 + 48x 119x − 238 119x − 238 0 Wir haben folglich x3 − 26x2 + 167x − 238 = (x − 2)(x2 − 24x + 119) Die anderen Nullstellen bestimmen wir nun aus der Lösungformel für die quadratische Gleichung bzw. durch quadratisches Ergänzen: x2 − 24x + 119 (x − 12)2 − 144 + 119 (x − 12)2 − 25 (x − 12)2 |x − 12| = = = = = 0 0 0 | +25 25 | Wurzelziehen 5 und wir erhalten die beiden Lösungen x = 17 und x = 7. Wie man leicht nachrechnet ist (x − 7)(x − 17) = x2 − 24x + 119. Beispiel: Man bestimme alle reellen Nullstellen von x3 − 12x2 + 47x − 60. Offensichtlich ist 2 Teiler von 60, aber ist x = 2 eine Nullstelle von x3 − 12x2 + 47x − 60? Wir überprüfen dies durch einsetzen: 23 − 12 · 22 + 47 · 2 − 60 = 8 − 48 + 94 − 60 = −6 6= 0! Also ist x = 2 keine Nullstelle. Versuchen wir es mit x = 3, durch einsetzen ergibt sich 33 − 12 · 32 + 47 · 3 − 60 = 27 − 108 + 141 − 60 = 0. Wir haben also eine reelle Nullstelle, nämlich x = 3 gefunden. Die übrigen Nullstellen wollen wir nun ebenfalls wieder durch Abdividieren ermitteln: (x3 − 12x2 +47x −60) : (x − 3) = x2 − 9x + 20 x3 − 3x2 −9x2 + 47x −9x2 + 27x 20x − 60 20x − 60 0 18 Folglich ist x3 − 12x2 + 47x − 60 = (x − 3)(x2 − 9x + 20) und wir bestimmen die beiden anderen Nullstellen durch quadratisches Ergänzen: x2 − 9x + 20 2 2 x − 29 − 29 + 20 2 x − 92 − 14 2 x − 92 |x − 29 | = 0 = 0 = 0 | + 14 = 14 | Wurzelziehen = 12 Die beiden anderen Nullstellen sind damit x = man leicht nachrechnet ist 9 2 + 1 2 = 5 und x = 9 2 − 1 2 = 4. Wie x3 − 12x2 + 47x − 60 = (x − 3)(x − 4)(x − 5). Beispiel: Man bestimme alle reellen Nullstellen von x3 −5x2 +9x−45. Offensichtlich teilt 5 die 45. Ist x = 5 eine Nullstelle? Einsetzen ergibt: 53 − 5 · 52 + 9 · 5 − 45 = 0. Die erste Nullstelle ist also x = 5. Durch Abdividieren ergibt sich (x3 − 5x2 +9x − 45) : (x − 5) = x2 + 9 x3 − 5x2 9x − 45 9x − 45 0 D.h. x3 − 5x2 + 9x − 45 = (x − 5)(x2 + 9), da nun aber x2 + 9 = 0 keine reellwertigen Lösungen besitzt, ist x = 5 die einzige reellwertige Nullstelle. 19 7 7.1 Ungleichungen Einfache Ungleichungen Beispiel: −x + 5 < 9 | +x 5 < x + 9 | −9 −4 < x Man muss aber beim Umformen von Ungleichungen beachten, dass sich das Relationszeichen umkehren kann, z.B. ist −3 < −1 ⇐⇒ 1 < 3. Wird also auf beiden Seiten mit einer negativen reellen Zahl multipliziert, so dreht sich das Relationszeichen um, außerdem ist 0 < a < b ⇐⇒ 1 1 < b a und a < b < 0 ⇐⇒ 1 1 < . b a Andererseits ist −2 < 5 ⇐⇒ − 21 < 15 . Die Ursache für diesen Sachverhalt liegt darin, dass sich das Relationszeichen bei der Anwendung einer monoton fallenden Funktion umkehrt, bei der Anwendung einer monoton steigenden Funktion jedoch nicht. Hieraus ergeben sich die folgenden Regeln, wird auf beiden Seiten der Ungleichung eine reelle Zahl addiert oder subtrahiert, so ändert sich das Relationszeichen nicht, wird auf beiden Seiten der Ungleichung mit einer positiven reellen Zahl multipliziert (oder dividiert), so ändert sich das Relationszeichen nicht, wird auf beiden Seiten der Ungleichung mit einer negativen reellen Zahl mulipliziert (oder dividiert), so kehrt sich das Relationszeichen um, die Kehrwertbildung kann auf den Fall einer zweimaligen Multiplikation zurückgeführt werden, wobei eine Fallunterscheidung durchzuführen ist, ob der Ausdruck mit dem multipliziert wird positiv oder negativ ist. 20 Beispiel 11 Man bestimme alle reellen x, die die Ungleichung −8 < x1 + 6 erfüllen. Wir subtrahieren zunächst auf beiden Seiten der Ungleichung 6 und erhalten −14 < x1 . Da stets x1 6= 0 gilt, müssen wir eine Fallunterscheidung vornehmen: 1. Fall −14 < x1 < 0, d.h. x < 0 und die Multiplikation auf beiden Seiten mit x ergibt nun −14x > 1, nun wird auf beiden Seiten durch −14 < 0 dividiert, 1 d.h. wir erhalten x < − 14 . 1 2. Fall 0 < x , auch in diesem Fall ist −14 < 0 < x1 ! Hier folgt aus der Multiplikation mit x > 0 auf beiden Seiten der Ungleichung x > 0. 1 oder 0 < x ist −8 < x1 + 6. Die LösungsErgebnis: Für alle x ∈ R mit x < − 14 menge ist 1 ∪ (0, ∞). L = −∞, − 14 Beispiel: Man bestimme alle reellwertigen x, die die Ungleichung (3x − 8)(x − 3) ≤ 7(x − 3) erfüllen. Wir möchten auf beiden Seiten durch x − 3 dividieren, dazu müssen wir aber eine Fallunterscheidung vornehmen je nachdem welches Vorzeichen x − 3 hat. 1. Fall: x − 3 > 0 ⇐⇒ x > 3 ergibt die Division durch x − 3 auf beiden Seiten der Ungleichung 3x − 8 ≤ 7 ⇐⇒ 3x ≤ 15 ⇐⇒ x ≤ 5. D.h. wir haben eine Teillösungsmenge erhalten, nämlich alle reellen x mit 3 < x ≤ 5. Nächster Fall ist 2. Fall: x − 3 = 0 ⇐⇒ x = 3, da in der Ungleichung das Gleichheitszeichen zugelassen ist, ist x = 3 ebenfalls Lösung. Der letzte Fall ist 3. Fall: x − 3 < 0 ⇐⇒ x < 3, bei der Division durch x − 3 dreht sich jetzt das Relationszeichen um und wir erhalten 3x − 8 ≥ 7 ⇐⇒ 3x ≥ 15 ⇐⇒ x ≥ 5. Da x ≥ 5 der Voraussetzung x < 3 widerspricht, erhalten wir keine Lösung. Folglich erfüllen alle reellen x mit 3 ≤ x ≤ 5 die Ungleichung. Die Lösungsmenge ist L = [3, 5]. 7.2 Ungleichungen mit dem Absolutbetrag 21 Ungleichungen mit Beträgen führen zu einer Fallunterscheidung: {x ∈ R : |x| < a} = {x ∈ R : x < a und − x < a} = {x ∈ R : x < a} ∩ {x ∈ R : −x < a}, (1) = {x ∈ R : 0 ≤ x < a} ∪ {x ∈ R : 0 ≤ −x < a}. (2) bzw. {x ∈ R : |x| > a} = {x ∈ R : x > a oder − x > a} = {x ∈ R : x > a} ∪ {x ∈ R : −x > a} (3) Die entsprechenden Mengen sind hier noch einmal graphisch veranschaulicht. Als erstes der Fall |x| < a, wobei selbstverständlich a > 0 sein muss, damit die Lösungsmenge nicht leer ist. f(x)=|x| f(x)=a { x∈IR: |x| < a } f(x) = -x f(x) = x f(x)=a f(x)=a { x∈IR: -x < a } { x∈IR: x < a } { x∈IR: 0 < -x < a } { x∈IR: 0< x < a } und zum anderen der Fall |x| > a, wobei hier, falls a ≤ 0 ist, alle reellen Zahlen Lösung sind. 22 f(x)=|x| f(x)=a {x∈IR: |x| > a} f(x) = -x f(x) = x f(x)=a f(x)=a { x∈IR: -x > a } { x∈IR: x > a } Beispiel 12 Man löse die Betragsungleichung |x − 1| < 2x. (4) 1. Variante gemäß (1) und der Veranschaulichung mittels der roten Linien im Bild zum Fall |x| < a. Die Lösungsmenge L setzt sich folglich aus zwei Teillösungsmengen L1 und L2 zusammen, wobei L1 die Lösungsmenge von x − 1 < 2x ist, d.h. x − 1 < 2x | (−x) −1 < x und damit ist L1 = {x ∈ R : −1 < x}. Weiterhin ist L2 die Lösungsmenge von −(x − 1) < 2x ist, d.h. −(x − 1) = −x + 1 < 2x | (+x) 1 < 3x |: 3 1 <x 3 und somit L2 = {x ∈ R : L der Ungleichung (4): 1 3 < x}. Wir erhalten deshalb für die Lösungsmenge L = L1 ∩ L2 = {x ∈ R : −1 < x} ∩ {x ∈ R : 23 1 3 < x} = {x ∈ R : 1 < x}. 3 2. Variante gemäß (2) und der Veranschaulichung mittels der gelben Linien im Bild zum Fall |x| < a. Hierfür ist zusätzlich eine Fallunterscheidung x − 1 ≥ 0 bzw. x − 1 < 0 erforderlich: Fallunterscheidung: 1. Fall: x − 1 ≥ 0 ⇐⇒ x ≥ 1 : |x − 1| = x − 1, x − 1 < 2x | (−x) −1 < x Damit erhält man als Teillösungsmenge L1 = {x ∈ R : x ≥ 1 und − 1 < x} = {x ∈ R : x ≥ 1}. Der 2. Fall ist: x − 1 < 0 ⇐⇒ x < 1 : |x − 1| = −x + 1, −x + 1 < 2x | (+x) 1 < 3x |: 3 1 <x 3 Damit erhält man als Teillösungsmenge L2 = {x ∈ R : x < 1 und {x ∈ R : 13 < x < 1}. 1 3 < x} = Die Lösungsmenge ist folglich: L = L1 ∪ L2 = {x ∈ R : x > 31 }. Beispiel 13 Man löse die Betragsungleichung 2x < |x − 1|. Dies geschieht gemäß (3). Die Lösungsmenge L = L1 ∪ L2 mit L1 ist die Lösungsmenge von 2x < x − 1 | (−x) x < −1. Damit erhält man als Teillösungsmenge L1 = {x ∈ R : x < −1}. und der Lösungsmenge L2 von 2x < −(x − 1) = −x + 1 | (+x) 3x <1 |: 3 1 x <3 Damit erhält man als Teillösungsmenge L2 = {x ∈ R : x < 13 }. Die Lösungsmenge ist folglich: L = L1 ∪ L2 = L2 = {x ∈ R : x < 13 }. 7.3 7.3.1 Ungleichungen in 2 Veränderlichen Gleichungen Die allgemeine Gestalt einer Gleichung mit zwei Veränderlichen oder Unbekannten x und y lautet ax + by = c 24 (5) mit reellen Zahlen a, b c. Spezialfälle ergeben sich, wenn a oder b gleich Null sind. Die Gleichung (5) beschreibt eine Gerade. Die Gleichung kann für b 6= 0 umgeformt werden zu c a y =− x+ . b b c Für x = 0 ist y = b und die Gerade schneidet bei cb die y-Achse. Analog ist im Fall y = 0 der zugehörige x-Wert für a 6= 0 gleich x = ac . Folglich schneidet die Gerade die x-Achse in ac und aus geometrischen Überlegungen folgt, dass der Anstieg der Geraden tan α = ab ist. α . α C a C b 7.3.2 Ungleichungen Die Menge aller (x, y) mit ax+by > c liegt folglich oberhalb der Geraden ax+by = c und die Menge aller (x, y) mit ax + by < c liegt folglich unterhalb der Geraden ax + by = c. „>“ . C b α α C a „<“ Beispiel 14 Man bestimme alle (x, y) ∈ R2 für die gilt | − 5x + 3y| ≥ 2. Um die Lösungsmenge zu bestimmen, müssen wir zunächst wie beim Lösen von 25 Betragsungleichungen zwei Fälle betrachten. Die Lösungsmenge L1 ist die Menge aller (x, y) ∈ R2 für die gilt: 5 2 −5x + 3y ≥ 2 ⇐⇒ y ≥ x + 3 3 und die Lösungsmenge L2 ist die Menge aller (x, y) ∈ R2 für die gilt: 2 5 −(−5x + 3y) = 5x − 3y ≥ 2 ⇐⇒ y ≤ x − . 3 3 Damit ist die Lösungsmenge L aller (x, y) ∈ R2 für die gilt | − 5x + 3y| ≥ 2 gegeben durch 2 2 5 5 2 2 L = L1 ∪ L2 = (x, y) ∈ R : y ≥ x + ∪ (x, y) ∈ R : y ≤ x − . 3 3 3 3 e ng e y Lös ung sm „≥“ x 3y≤5x-2 „≤“ Die ser S tr eife ng e hö rt n ich t zu r 3y≥5x+2 26 8 8.1 Funktionen Grundbegriffe Definition 2 Eine Abbildung oder Funktion f ist eine Zuordnung(svorschrift), die jeder Zahl x aus dem Definitionsbereich D(f ) der Funktion f eine Zahl y = f (x) ∈ W (f ) aus der Wertebereich der Funktion zurordnet. Die Bildmenge bzw. das Bild f (D) ist die Menge aller y für die es ein (oder mehrere) x ∈ D(f ) gibt mit y = f (x). Abbildung/Funktion y=f(x) Definitionsbereich D(f)=[-4;6] Wertebereich W(f)=f(D) Bild der Funktion f Eine Funktion ist eindeutig, aber nicht immer eineindeutig. A Eine Funktion kann explizit als y = f (x) gegeben sein, oder implizit als F (x, y) = 0, oder auch in Parameterform x = ϕ(t), y = ψ(t). Definition 3 Der Graph einer Funktion ist die Menge aller geordneten Paare (x, f (x)) für x ∈ D(f ). 27 8.2 Eigenschaften von Funktionen Eine Funktion f : D(f ) → W (f ) ⊆ R heißt monoton wachsend, wenn aus x1 < x2 stets f (x1 ) ≤ f (x2 ) folgt. Eine Funktion f : D(f ) → W (f ) ⊆ R heißt monoton fallend, wenn aus x1 < x2 stets f (x1 ) ≥ f (x2 ) folgt. Eine Funktion f : D(f ) → W (f ) ⊆ R heißt gerade oder achsensymmetrisch, wenn f (x) = f (−x) für alle x ∈ D(f ) gilt. . -x . x 28 Eine Funktion f : D(f ) → W (f ) ⊆ R heißt ungerade oder punktsymmetrisch, wenn f (x) = −f (−x) für alle x ∈ D(f ) gilt. . -x x . Eine Funktion f : D(f ) → W (f ) ⊆ R heißt periodisch mit der Periode T, wenn f (x) = f (x + T ) für alle x ∈ D(f ) gilt. T = 2π Eine Funktion f : D(f ) → W (f ) ⊆ R heißt injektiv oder eineindeutig, wenn aus x1 6= x2 folgt f (x1 ) 6= f (x2 ). y2 y1 x3 x1 x2 y3 29 Eine Funktion f : D(f ) → W (f ) ⊆ R heißt injektiv oder eineindeutig, wenn aus x1 6= x2 folgt f (x1 ) 6= f (x2 ). y x1 x2 x3 Die dargestellte Funktion ist deshalb nicht injektiv bzw. nicht eineindeutig, aber sehr wohl eindeutig, da jedem x genau ein y zugeordnet ist. 30 9 Folgen Definition 4 Unter einer Folge reeller Zahlen (oder einer reellen Zahlenfolge) versteht man eine auf N0 erklärte reellwertige Funktion, die jedem n ∈ N0 ein an ∈ R zuordnet: N0 3 n → an ∈ R. Man schreibt hierfür (an )n∈N und (an )n≥0 , oder auch a0 , a 1 , a 2 , . . . . Die Zahlen an heißen Glieder der Folge. Die direkte Vorschrift n → an wird als explizites Bildungsgesetz, die rekursive Definition der an als implizites Bildungsgesetz bezeichnet. Eine Zahlenfolge heißt beschränkt, wenn es reelle Konstanten K1 und K2 gibt mit K1 ≤ an ≤ K2 für alle n ≥ 0. Definition 5 Eine Zahlenfolge (an )n≥0 , strebt oder konvergiert gegen den Grenzwert a ∈ R, wenn es zu jeder beliebig kleinen vorgegebenen Schranke ε > 0 einen Index n0 ∈ N gibt, so dass gilt |an − a| < ε für alle 31 n ≥ n0 . 1.4 1.2 1.0 0.8 20 40 60 80 N(ε1) 100 N(ε2) 120 140 Satz 3 Für jede konvergente Zahlenfolge (an )n≥0 gilt 1. Der Grenzwert ist eindeutig bestimmt, d.h. aus lim an = a und n→∞ lim an = b folgt a = b. n→∞ 2. Konvergente Zahlenfolgen sind beschränkt, d.h. es gibt eine Konstante K mit |an | ≤ K für alle n ∈ N0 . 3. Ist lim an = a, dann konvergiert auch jeder (unendliche) Teilfolge n→∞ gegen a. Definition 6 Man sagt, dass eine Folge (bestimmt) gegen den uneigentlichen Grenzwert ∞ divergiert, wenn zu jedem noch so großem K ∈ R die Ungleichung an ≥ K für alle n > n0 (K) gilt. Analog definiert man die bestimmte Divergenz gegen den uneigentlichen Grenzwert −∞. 32 Beispiel 15 Die Zahlenfolge (an )n∈N mit dem allgemeinen Glied 1 1 an = − sin 2 n konvergiert gegen 12 , deshalb haben auch die Teilfolgen 1 1 1 1 am = − sin und am = − sin 2 2m 2 3m den gleichen Grenzwert. 0.48 0.48 0.46 0.46 0.44 0.44 0.42 0.42 0.40 0.40 0.38 20 40 60 80 10 20 30 40 Blau : an= 0.5 – sin(1/(2n)) Rot : an= 0.5 – sin(1/(3n)) sind Teilfolgen von an= 0.5 – sin(1/(n)) Beispiel 16 Die Zahlenfolge (an )n∈N mit dem allgemeinen Glied π 1 an = − sin n 2 2 ist divergent, da unterschiedliche Teilfolgen unterschiedliche Grenzwerte haben: 1.5 1.0 0.5 10 20 30 0.5 33 40 Beispiel 17 Die Zahlenfolge (an )n∈N mit dem allgemeinen Glied an = ln n ist bestimmt divergent: 4 3 2 1 20 40 60 80 100 Für alle K > 0 existiert ein n mit an > K : an = ln n > K ⇐⇒ eln n > eK , da die e-Funktion streng monoton wachsend ist ⇐⇒ n > eK e10 ∼ 22026, 47; e100 ∼ 2, 68 · 1043 . 34 10 Komplexe Zahlen In der mit einem kartesischen (x, y)-Koordinatensystem versehenen Ebene stellen die Punkte der x-Achse die reellen Zahlen dar. Komplexe Zahlen ergeben sich nun dadurch, dass alle Punkte z = (x, y) als „Zahlen“ aufgefasst werden und man schreibt z = x + iy. Man nennt z komplexe Zahl mit dem Realteil Re z = x und dem Imaginärteil Im z = y. Man nennt die x-Achse reelle Achse und die y-Achse wird imaginäre Achse genannt. Die Menge aller komplexen Zahlen wird mit C bezeichnet. C := {x + iy : x, y ∈ R}. Geometrisch lassen sich die komplexen Zahlen als Punkte bzw. Vektoren einer Ebene darstellen. Die Ebene, deren Punkte als komplexe Zahlen aufgefasst werden, heißt komplexe Zahlenebene oder Gaußsche Zahlenebene. iy Gaußsche Zahlenebene . (x,y) ~ x + iy =: z =r(cos φ +i sin φ) r = r eiφ φ algebraische Form, trigonometrische Form, exponentielle Form x 10.1 Grundrechenarten in C Die Summe und Differenz komplexer Zahlen ist durch (x + iy) + (u + iv) := (x + u) + i(y + v) (x + iy) − (u + iv) := (x − u) + i(y − v). definiert. 35 Das Produkt zweier komplexer Zahlen ist definiert als (x + iy)(u + iv) = x(u + iv) + iy(u + iv) = xu + ixv + iyu + iyiv = xu + i2 yu + i(xv + yu) = (xu − yv) + i(xv + yu). Bemerkung 2 Die Addition/Subtraktion/Multiplikation von komplexen Zahlen erfolgt formal wie für reelle Zahlen; es ist nur zu beachten, dass i2 = −1 ist. Bei der Definition der Division benutzt man trickreich die binomische Formel: (u + iv)(u − iv) = u2 − (iv)2 = u2 + v 2 und damit ist (x + iy)(u − iv) (xu + yv) + i(yu − xv) xu + yv yu − xv (x + iy) = = = 2 +i 2 . 2 2 2 (u + iv) (u + iv)(u − iv) u +v u +v u + v2 Bemerkung 3 Durch Erweiterung mit u − iv wird der Nenner reell. Beispiel 18 8 + 2i (8 + 2i)(7 + i) 56 − 2 + i(8 + 14) 54 22 = = = +i . 7−i (7 − i)(7 + i) 49 + 1 50 50 10.2 Konjugation und Betrag komplexer Zahlen Definition 7 Die komplexepZahl z = x − iy heißt die zu z = x + iy konjugiert komplexe Zahl und |z| := x2 + y 2 heißt Betrag (oder auch Norm, Länge, Modul) der komplexen Zahl z. 10.3 Gleichheit komplexer Zahlen Satz 4 Zwei komplexe Zahlen sind genau dann gleich, wenn ihr Realund Imaginärteil übereinstimmen. 36 10.4 Potenzen Als Spezialfall der Multiplikation erhält man für z = cos ϕ + i sin ϕ : z 2 = r2 (cos(2ϕ) + i sin(2ϕ)) und allgemein z n = rn (cos(nϕ) + i sin(nϕ)), n ∈ N. Weitere Spezialfälle ergeben sich für r = 1 : Satz 5 Formel von Moivre: (cos ϕ + i sin ϕ)n = cos(nϕ) + i sin(nϕ), n ∈ N. und Formel von Euler: eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ. 10.5 Wurzeln Satz 6 (Einheitswurzeln) Es gibt genau n verschiedene komplexe Zahlen z0 , z1 , . . . , zn−1 , die der Gleichung zn = 1 genügen, diese sind gegeben durch zk = ei 2kπ n , k = 0, 1, 2, . . . , n − 1. Beispiel 19 Die 5 komplexen Wurzeln der Gleichung z5 = 1 37 bilden in der Gaußschen Zahlenebene eine Fünfeck, dass den Punkt (1, 0) als Eckpunkt hat. iy = i Im z i z1 z2 α=72° z0 -1 1 x=Re z z3 z4 -i Die 5 komplexen Lösungen sind zk = ei 2kπ 5 = cos 2kπ 2kπ + i sin , 5 5 k = 0, 1, 2, 3, 4. In Formeln erhält man 2·0·π 5 2·1·π = cos 5 2·2·π = cos 5 2·3·π = cos 5 2·4·π = cos 5 z0 = cos z1 z2 z3 z4 2·0·π 5 2·1·π + i sin 5 2·2·π + i sin 5 2·3·π + i sin 5 2·4·π + i sin 5 + i sin = cos 0 + i sin 0 = 1, 2π 5 4π = cos 5 6π = cos 5 8π = cos 5 = cos 2π 5 4π + i sin 5 6π + i sin 5 8π + i sin 5 + i sin ≈ 0, 31 + 0, 95 i, ≈ −0, 81 + 0, 59 i, ≈ −0, 81 − 0, 59 i, ≈ 0, 31 − 0, 95 i. Wie man leicht sieht ergibt sich für k = 5 z5 = cos 2·5·π 2·5·π + i sin = cos(2π) + i sin(2π) = 1 = z0 5 5 und es gibt folglich nur 5 voneinander verschiedene komplexe Lösungen. Außerdem entspricht 2π einem Winkel von 72◦ . 5 38 Satz 7 Es gibt genau n verschiedene komplexe Zahlen z0 , z1 , . . . , zn−1 , die der Gleichung z n = a = ReiΦ+2kπ , a ∈ C, genügen, diese sind gegeben durch 2kπ √ √ 2kπ n n i Φ+2kπ iΦ n n Re ei n = z0 · ei n , = zk = R e 39 k = 0, 1, 2, . . . , n − 1. 11 Funktionengrenzwert Gegeben sei I ⊆ R ein Intervall, a ∈ I ∪ {−∞, ∞} und f : I\{a} → R. Die Funktion f kann sehr wohl auch an der Stelle x = a erklärt sein, wir wollen aber nur wissen wie sich die Funktion in der Umgebung des Punktes x = a verhält. Definition 8 Die Funktion f (x) hat für x gegen a den rechtsseitigen Grenzwert (bzw. den linksseitigen Grenzwert) c (in Zeichen lim f (x) = c x→a+ bzw. lim f (x) = c), wenn für jede Zahlenfolge (xn )n≥0 aus I mit xn → a x→a− und xn > a für alle n ( bzw. xn → a und xn < a für alle n) die Zahlenfolge (f (xn ))n≥0 gegen c strebt. f (x) hat für x gegen a den Grenzwert c, in Zeichen lim f (x) = c, wenn x→a gilt lim f (x) = lim f (x) = c. x→a+ x→a− Bemerkung 4 Diese Definition gilt nicht nur für endliche Werte a und c, sondern auch für a, c ∈ {−∞, ∞} Man schreibt lim f (x) = c bzw. lim f (x) = x→∞ x→−∞ c. 40 12 Stetigkeit und Differenzierbarkeit 12.1 Stetigkeit Um zu sehen, wann eine Funktion stetig ist, betrachten wir zunächst Unstetigkeiten: Sprungstelle Polstellen Fehlstelle Deshalb ist die Funktion f stetig im Punkt x0 , wenn a) Der Funktionswert f (x0 ) definiert ist. b) Der rechtsseitige Grenzwert lim f (x) und der linksseitige Grenzwert lim f (x) x→x0 −0 x→x0 +0 existieren und gleich sind, d.h. dass der Grenzwert lim f (x) existiert. x→x0 c) Der Grenzwert lim f (x) gleich dem Funktionswert f (x0 ) ist. x→x0 Sind nur die Eigenschaften a) und b) erfüllt, so heißt die Unstetigkeit hebbar, da man eine stetige Funktion erhält, wenn man den Grenzwert als Funktionswert definiert. Das Grenzwerte über ε-Umgebungen definiert sind, gibt es eine äquivalente Definition der Stetigkeit mit Hilfe von Umgebungen, d.h. Definition 9 Die Funktion f ist stetig im Punkt x0 , wenn für alle ε > 0 ein δ(ε, x0 ) > 0 existiert, so dass aus |x − x0 | < δ folgt 41 |f (x) − f (x0 )| < ε. lim x →x0-0f(x0) = c f(x0) x0 x0 Die Funktion f ist stetig in x0. Die Funktion f ist nicht stetig in x0. Die Funktion im rechten Bild ist nicht stetig in x0 , da man zu einer kleinen εUmgebung um c = limx→x0 − f (x) (linksseitiger Grenzwert gegen x0 ) immer nur δ-Umgebungen um x0 findet, die sowohl Werte f (x) in der ε-Umgebung um c haben, als auch Werte f (x), die nicht darin liegen (lila-Bereich auf der y-Achse). 42 12.2 Differenzierbarkeit Definition 10 Ableitung. Die Funktion f sei auf dem Intervall I ⊆ R definiert und x0 ∈ I. 1. Die Funktion f ist in x0 differenzierbar, wenn der Grenzwert lim x→x0 f (x) − f (x0 ) f (x0 + h) − f (x0 ) = lim h→0 x − x0 h existiert und endlich ist. Dieser Grenzwert wird (sofern er existiert) mit f 0 (x0 ) bezeichnet und heißt Ableitung von f in x0 . Man bezeichnet f (x) − f (x0 ) ∆f (x) = ∆x x − x0 auch als Differenzenquotienten. Ferner sagt man, f ist auf I differenzierbar, wenn f 0 (x) in jedem Punkt x ∈ I existiert. 2. Die einseitigen Grenzwerte f (x) − f (x0 ) , x→x0 + x − x0 f (x) − f (x0 ) f 0 (x− , 0 ) := lim x→x0 − x − x0 f 0 (x+ 0 ) := lim heißen rechtsseitige bzw. linksseitige Ableitung von f in x0 . 12.2.1 Geometrische Deutung der Ableitung: Tangentenanstieg Die Tangente an den Graph y = f (x) in (x0 , f (x0 )) ist y = f 0 (x0 )(x − x0 ) + f (x0 ). 43 12.2.2 Totales Differential Definition 11 Ist f : I → R eine in x0 differenzierbare Funktion, so heißt dy = df (x0 ) = f 0 (x0 )(x − x0 ) totales Differential von f an der Stelle x0 . Beispiel 20 Für die Funktion f (x) = x erhält man dy = dx = 1 · (x − x0 ) = ∆x. dy=f'(xO)Δx=f'(xO)dx y Δy=y-yO y0 Δx=dx x0 x Bemerkung 5 Der Zusammenhang zwischen Ableitung und Differential ist gegeben durch dy = df (x) = f 0 (x)dx. (Dies ist richtig an jeder Stelle x = x0 .) 12.2.3 Analytische Deutung: lineare Approximation Zu einer gegebenen differenzierbaren Funktion f : I → R wird diejenige Gerade g(x) = m(x − x0 ) + f (x0 ) durch (x0 , f (x0 ) gesucht, die f in der Nähe von x0 am besten approximiert. Dabei versteht man unter „bester Approximation“, dass gilt lim x→x0 f (x) − g(x) = 0, x − x0 44 d.h., dass der relative Fehler nahe x0 klein ist und für x → x0 gegen 0 strebt. Die beste lineare Approximation an f in x0 ist: g(x) = f 0 (x0 )(x − x0 ) + f (x0 ). Beispiel 21 Für f (x) = (6) √ x ergibt sich nahe x0 > 0 : f (x0 + h) ≈ f 0 (x0 )h + f (x0 ) ⇐⇒ p x0 + h ≈ √ 1 x0 + √ h. 2 x0 Für x0 = 1, 96 und h = 0, 04 erhält man √ 2 ≈ 1, 4 + 1 0, 04 = 1, 4142857 . . . 2 · 1, 4 √ den auf 7 Stellen genauen Wert von 2 = 1, 41421356 . . . . Satz 8 Jede in x0 ∈ I differenzierbare Funktion f : I → R ist dort stetig. Die Stetigkeit der Funktion f in x0 ∈ I ist notwendig, aber nicht hinreichend für die Differenzierbarkeit von f in x0 ∈ I. D.h. es gilt 1. Ist f in x0 ∈ I unstetig, dann ist f in x0 auch nicht differenzierbar. 2. Ist dagegen f in x0 ∈ I stetig, so muss f in x0 nicht differenzierbar sein, wie das Beispiel f (x) = |x| für x0 = 0 zeigt. 45 12.3 Differentationsregeln Satz 9 Sind die Funktionen f, g : I → R in x ∈ I differenzierbar, dann gilt: 1. [f (x) + g(x)]0 = f 0 (x) + g 0 (x), 2. [cf (x)]0 = cf 0 für alle c ∈ R, 3. [f (x)g(x)]0 = f 0 (x)g(x) + f (x)g 0 (x) (Produktregel), 4. f (x) g(x) 0 = dere gilt f 0 (x)g(x)−f (x)g 0 (x) g(x)2 1 g(x) falls g(x) 6= 0; (Quotientenregel), insbeson- 0 =− g 0 (x) g(x)2 falls g(x) 6= 0.) Satz 10 Die Verkettung (Komposition) zweier Funktionen f (g(x)) zweier differenzierbarer Funktionen ist ebenfalls differenzierbar und es gilt (f (g(x)))0 = f 0 (g(x))g 0 (x). 12.4 12.4.1 Kurvenuntersuchung mittels Differentialrechnung Maxima und Minima einer Funktion Definition 12 Es sei f : R ⊇ D → R eine auf D erklärte Funktion. Die Funktion f hat in a ∈ D eine globales oder auch absolutes Maximum (bzw. Minimum) wenn f (x) ≤ f (a) (bzw. f (x) ≥ f (a)) für alle x ∈ D gilt. In diesem Fall heißt a globale Maximalstelle (bzw. Minimalstelle) und f (a) globales Maximum (bzw. Minimum). b ∈ D heißt lokales oder auch relatives Maximum (bzw. Minimum), wenn es ein (evtl. kleines) Intervall I um b gibt, so dass f (x) ≤ f (b) (bzw. f (x) ≥ f (b)) für alle x ∈ D ∩ I. Minima und Maxima sind Extrema. 46 Lemma 1 x0 ist Minimalstelle von f ⇔ x0 ist Maximalstelle von −f. Satz 11 Ist f eine auf dem offenen Intervall I differenzierbare Funktion, so gilt: Ist x0 ∈ I eine Extremstelle von f, dann ist f 0 (x0 ) = 0. Ein Punkt x ∈ D mit f 0 (x) = 0 heißt stationärer Punkt. Die Bedinung f 0 (x0 ) = 0 ist zwar notwendig für ein Extremum, aber nicht hinreichend wie das Beispiel f (x) = x3 in x = 0 zeigt. Der Satz gibt auch keine Ausskunft über Extremalstellen an den Intervallenden, an Spitzen oder anderen Stellen, in den f nicht differenzierbar ist. D.h. Die Kandidaten für Extremalstellen von f : I → R sind: 1. die Randpunkte des Intervalls I, 2. die Punkte, in denen f nicht differenzierbar ist, 3. die stationären Punkte aus dem Innern des Intervalls I. Satz 12 Monotonieverhalten. Für eine im Intervall I differenzierbare Funktion f gilt: 1. f 0 (x) > 0 auf I ⇒ f ist auf I echt monoton wachsend. 2. f 0 (x) < 0 auf I ⇒ f ist auf I echt monoton fallend. 3. f 0 (x) ≥ 0 auf I ⇒ f ist auf I monoton wachsend. 4. f 0 (x) ≤ 0 auf I ⇒ f ist auf I monoton fallend. 5. f 0 (x) = 0 auf I ⇒ f ist auf I konstant. 47 Satz 13 1. Extremwert-Test. Eine auf dem offenen Intervall (a, b) differenzierbare Funktion f hat im stationären Punkt x0 ∈ (a, b) ein lokales Maximum (bzw. lokales Minimum), wenn die Ableitung f 0 (x) unmittelbar links von x0 (also in einer kleinen einseitigen linken Umgebung (x0 − ε, x0 ) (ε > 0)) positiv, rechts von x0 negativ (bzw. links negativ, rechts positiv) ist. Satz 14 2. Extremwert-Test. Ist f auf (a, b) zweimal stetig differenzierbar und x0 ∈ (a, b) ein stationärer Punkt, dann gilt 1. f 00 (x0 ) < 0 ⇒ f hat in x0 ein lokales Maximum, 2. f 00 (x0 ) > 0 ⇒ f hat in x0 ein lokales Minimum. Satz 15 Krümmungs-Test. 1. f 00 > 0 im Intervall I, so ist die Kurve y = f (x) konvex von unten (Linkskrümmung). 2. f 00 < 0 im Intervall I, so ist die Kurve y = f (x) konvex von oben (=konkav von unten) (Rechtskrümmung). Definition 13 Diejenigen Punkte, in denen y = f (x) von einer Linkskrümmung in eine Rechtskrümmung oder von einer Rechtskrümmung in eine Linkskrümmung übergeht, heißen Wendepunkte. 48 Kandidaten für Wendepunkte von f : I → R sind: 1. die Punkte aus I, in denen f 00 nicht existiert; 2. die Punkte aus I, in denen f 00 = 0 ist. Beispiele: f ' '=0 f ' '0 f ' '0 f ' '0 f ' '0 f ' '0 f ' '0 x0 x0 x0 Satz 16 Wendepunkt-Test. f 00 (x0 ) = 0, f 000 (x0 ) 6= 0 ⇒ f hat in x0 einen Wendepunkt. Beispiel 22 Für die folgende Funktion sei eine Kurvendiskussion durchzuführen: 2x2 + 3x − 4 y = f (x) = . x2 1. Definitionsbereich: R\{0}. Die Funktion kann für x = 0 nicht stetig ergänzt werden, da der Grenzwert 2x2 + 3x − 4 x→0 x2 lim nicht existiert, da 2x2 + 3x − 4 3x − 4 lim = lim 2 + = −∞. 2 x→0 x→0 x x2 Den Wertebereich erhält man aus den späteren Resultaten zu −∞, f ( 83 ) ≈ 2.56 . 2. Symmetrie: Die Funktion ist weder gerade noch ungerade. 3. Pole: x0 = 0 ist eine Polstelle ohne Vorzeichenwechsel. 4. Asymptoten: 2x2 + 3x − 4 = 2, x→±∞ x2 lim 49 (und 2x2 + 3x − 4 f (x) = lim = 0. x→±∞ x→±∞ x x3 ) Die Asymptote ist also y = 2. lim 5. Nullstellen: f (x) = 0 ⇔ 2x2 + 3x − 4 = 0 r √ 9 32 1 3 + = (−3 ± 41). ⇔ x1/2 = − ± 4 16 16 4 x1 ≈ −2.35 und x2 ≈ 0.85. 6. Extrema: 1. Randpunkte gibt es nicht zu untersuchen, da die gesamte reelle Achse betrachtet wird. 2. Die Funktion ist in x0 = 0 weder definiert noch stetig, noch differenzierbar. 3. y0 = (4x + 3)x2 − 2x(2x2 + 3x − 4) 4x3 + 3x2 − 4x3 − 6x2 + 8x = (x2 )2 x4 −3x + 8 8 = =0 für x3 = . 3 x 3 Weiterhin ist 6x − 24 8 −3x3 − 3x2 (−3x + 8) 00 y = = 8 = 3 x6 x4 x= 8 x= 3 3 48 3 − 24 <0 8 4 3 Somit hat f (x) in x3 = 83 ein lokales Maximum mit f (x3 ) ≈ 2.56. Monotonie: 8 < 0 : 3 < x < ∞, echt monoton fallend, y 0 (x) = > 0 : 0 < x < 83 , echt monoton wachsend, < 0 : −∞ < x < 0, echt monoton fallend. 7. Wendepunkte: Die Funktion ist in x0 = 0 nicht definiert. Da aber rechts und links von x0 = 0 die zweite Ableitung existiert und dasselbe Vorzeichen hat, ist x0 = 0 kein Wendepunkt. Weiterhin ist y 00 = 0 ⇐⇒ x = x4 = 4 mit f (x4 ) = 5 2 und es ist 6x4 − 4x3 (6x − 24) −18x4 + 96x3 y (x4 ) = = = 6 6= 0 x8 x8 x=4 x=4 000 50 und deshalb ist x4 = 4 ein Wendepunkt. Krümmungverhalten: > 0 : 4 < x < ∞, konvex von unten, 00 y (x) = < 0 : 0 < x < 4, konvex von oben, < 0 : −∞ < x < 0, konvex von oben. 8. Skizze 2 y= f x = 2x 3x−4 x2 Asymptote y=2 Wendepunkt bei x=4, globales Maximum bei x=x3=8/3. 51 13 Integralrechnung 13.1 Partielle Integration Für je zwei auf einem Intervall I = (a, b) stetig differenzierbare Funktionen u und v ist wegen der Produktregel der Differentialrechnung (uv)0 = u0 v − uv 0 die Funktion uv eine Stammfunktion von u0 v − uv 0 , d.h. Z u0 (x)v(x) − u(x)v 0 (x) dx = u(x)v(x) + C bzw. Formel der partiellen Integration. Z Z Z 0 u (x)v(x) dx = v(x) d(u(x)) = u(x)v(x) − u(x)v 0 (x) dx Z = u(x)v(x) − u(x) d(v(x)). Für das bestimmte Integral lautet die entsprechende Formel: Z b Z b 0 b u (x)v(x) dx = u(x)v(x) |a − u(x)v 0 (x) dx. a 13.2 a Substitutionsmethode Grundlage für die Substitutionsmethode der Integralrechnung ist die Kettenregel d der Differentation dx F (g(x)) = F 0 (g(x))g 0 (x), d.h. mit f (x) = F 0 (x), ist F (g(x)) eine Stammfunktion von f (g(x))g 0 (x). Substitutionsregel I. Z f (g(x))g 0 (x) dx = F (g(x)) + C. Für das bestimmte Integral erhält man damit Z b f (g(x))g 0 (x) dx = F (g(b)) − F (g(a)). a 52 Beispiel 23 Z e sin x Z cos x dx = esin x (sin x)0 dx Substitution sin x =: t, d.h. und damit Z = et dt = et + C Rücksubstitution: t = sin x = esin x + C. Man kann diese Formel aber auch anders mit Hilfe des Differentials dy = df (x) = f 0 (x)dx aufschreiben. Beispiel 24 Für y = f (x) = sin x ist dy = f 0 (x)dx = (cos x) dx, für y = f (x) = ax + b ist dy = a dx und für y = cosh x ist dy = (sinh x) dx. R Substitutionsregel II. Berechnung des Integrals f (x)dx. Wir substituieren: x = h(t) mit einer umkehrbaren Funktion h, dann ist dx = h0 (t) dt und a = h(ta ) ⇐⇒ ta = h−1 (a) und b = h(tb ) ⇐⇒ tb = h−1 (b) und damit gilt für das unbestimmte Integral: Z Z Z f (x) dx = f (h(t)) dh(t) = f (h(t)) h0 (t) dt = H(t)+C = H(h−1 (x))+C und für das bestimmte Integral: Z b Z h−1 (b) h−1 (b) f (h(t)) dh(t) = f (x) dx = a Z f (h(t)) h0 (t) dt. h−1 (a) h−1 (a) Beispiel 25 Z e3x dx e2x − 1 Substitution: x = ln t, dx = 1t dt und führt auf ex = t sowie Z Z Z Z t2 t2 1 1 1 t − 1 = tdx = dt = 1+ 2 dt = t + dt = t + ln +C t2 − 1 t2 − 1 t −1 t2 − 1 2 t + 1 Rücksubstitution mit t = ex ergibt 1 ex − 1 = e + ln x + C. 2 e + 1 x 53 14 Vektoren Vektoren sind gerichtete Größen, die durch ihre Länge (Betrag, Norm) und Richtung gekennzeichnet sind. Physikalische Beispiele für Vektoren: Kraft, Geschwindigkeit, Beschleunigung, elektrische und magnetische Feldstärke. Zu je zwei Punkten P und Q des Raumes gibt es genau eine Parallelverschiebung (des Raumes), die P nach Q bringt (abbildet). Diese Verschiebung wird mit −→ ~v = P Q bezeichnet bzw. der Vektor hat den Anfangspunkt P und den Endpunkt Q. Vektoren, die durch Parallelverschiebung ineinander überführt werden können, werden als gleich angesehen (freie Vektoren). Den zu ~v gleich langen, aber entgegengesetzt gerichteten Vektor bezeichnet man mit −~v . Als Nullvektor bezeichnet −→ man den Vektor ~0 = P P (nichts wird verschoben). 14.1 Vektoraddition −→ −→ Führt man zwei Parallelverschiebungen, erst ~a = P Q und dann ~b = QR aus, so −→ ergibt sich wieder eine Parallelverschiebung, nämlich ~c = P R. Wir nennen ~c die Summe von ~a und ~b und schreiben: ~c = ~a + ~b. Für beliebige Vektoren ~a, ~b, ~c gelten die folgenden Rechenregeln: ~a + ~0 = ~a ~a + (−~a) = ~0, ~a + ~b = ~b + ~a (Kommmutativgesetz) ~a + (~b + ~c) = (~a + ~b) + ~c (Assoziativgesetz) Die Differenz von Vektoren wird erklärt durch ~a − ~b = ~a + (−~b). 54 14.2 Skalares Vielfaches Zu jeder reellen Zahl α ≥ 0 und einem Vektor ~a bezeichnet α~a (das α-fache von ~a) den Vektor, der dieselbe Richtung hat wie ~a, aber die α-fache Länge. Im Fall α < 0 setzt man α~a = −(|α|~a). Sonderfälle: 0~a = ~0 und α~0 = ~0. Rechenregeln: α(β~a) = (αβ)~a, α(~a + ~b) = α~a + β~b, (α + β)~a = α~a + β~b. 14.3 Betrag −→ Die Länge eines Vektors ~a = P Q ist die Länge der Strecke P Q und nennt sie den Betrag des Vektors ~a. Man schreibt dafür |~a| (oder auch ||~a||). Rechenregeln: |α~a| = |α||~a|, insbesondere | − ~a| = |~a|, |~a + ~b| ≤ |~a| + |~b| (Dreiecksungleichung) Ein Vektor vom Betrag 1 heißt Einheitsvektor. Zu jedem vom Nullvektor verschiedenen Vektor ~a 6= ~0 gehört der Einheitsvektor in Richtung ~a : |~a1| ~a. 14.4 Vektoren im Koordinatensystem Wir legen im Raum ein kartesisches Koordinatensystem mit dem Ursprung O fest. Dadurch werden gleichzeitig drei ausgezeichnete Vektoren gegeben, nämlich die Einheitsvektoren ~e1 , ~e2 , ~e3 in Richtung der positiven x−, y− bzw. z− Achse. Wir nennen (~e1 , ~e2 , ~e3 ) eine kartesische Basis und bezeichnen das Koordinatensystem mit (O, ~e1 , ~e2 , ~e3 ). 55 −−→ Der Vektor OA heißt Ortsvektor des Punktes A = (a1 , a2 , a3 ); er ist eindeutig zerlegbar als Summe ~a = a1~e1 + a2~e2 + a3~e3 . Abkürzend schreibt man bei festgelegtem Koordinatensystem: a1 −−→ ~a = a2 ⇐⇒ ~a = a1~e1 + a2~e2 + a3~e3 = OA mit A = (a1 , a2 , a3 ). a3 Man nennt ai~ei die Komponente von ~a in ~ei -Richtung (i = 1, 2, 3) und die Zahlen ai ∈ R die Koordinaten des Vektors ~a. p Die Länge des Vektors läßt sich mit dem Satz des Phythagoras berechnen: |~a| = a21 + a22 + a23 . 14.5 Skalarprodukt Das Skalarprodukt ~a · ~b der Vektoren ~a und ~b ist definiert durch ( |~a||~b| cos ^(~a, ~b), falls ~a 6= ~0 und ~b 6= 0, ~a · ~b := 0, falls ~a = ~0 oder ~b = 0. Das Skalarprodukt, auch inneres Produkt genannt, ist eine Zahl (Skalar). Rechenregeln für das Skalarprodukt: ~a · ~b = ~b · ~a (α~a) · ~b = ~a · (α~b) = α(~a · ~b) (~a + ~b) · ~c = ~a · ~c + ~b · ~c ~a · ~b =√0 ⇐⇒ ~a orthogonal zu ~b |~a| = ~a · ~a. (Kommutativgesetz), (für α ∈ R), (Distributivgesetz), (Orthogonalitätstest), 56 15 Geraden und Ebenen 15.1 Parameterdarstellung einer Geraden Eine Gerade g ist bestimmt durch eine Richtung, gegeben durch einen Vektor ~c, ~c 6= ~0, und einen Punkt A, der auf der Geraden liegt. Man nennt A den Aufpunkt. Ein Punkt X liegt genau dann auf der Geraden g durch A in Richtung ~c, ~c 6= ~0, ~ parallel zu ~c ist, d.h. wenn es eine Zahl t ∈ R gibt mit AX ~ = t~c. Man wenn AX sagt dazu: g hat die Punkt-Richtungsgleichung −−→ AX = t~c, t ∈ R. (7) Dabei nennt man t einen Parameter. −−→ Zu jedem Parameterwert t = t0 gehört genau ein Punkt X0 auf g mit AX0 = t~c und umgekehrt. g c B A X P O −−→ −−→ −→ Wegen AX = P X − P A läßt sich g in Bezug auf einen beliebigen Punkt P darstellten als 57 −−→ −→ P X = P A + t ~c, t ∈ R. (8) Ist nun im Raum ein kartesisches Koordinatensystem (O; ~e1 , ~e2 , ~e3 ) gegeben und wird der Vektor ~c = c1~e1 + c2~e2 + c3~e3 durch 2 verschiedene Punkte A = (a1 , a2 , a3 ) und B = (b1 , b2 , b3 ) bestimmt, d.h. ci = bi − ai , i = 1, 2, 3, dann geht (8) mit P = O über in −−→ −−→ −−→ −−→ −−→ OX = OA + t ~c = OA + t OB − OA , t ∈ R, (9) und ein Komponentenvergleich ergibt für die Geradenpunkte X = (x1 , x2 , x3 ) die drei Gleichungen xi = ai + t ci , t ∈ R, (i = 1, 2, 3) Punkt-Richtungsgl. bzw. xi = ai + t (bi − ai ), t ∈ R, (i = 1, 2, 3) Zwei Punkte-Gl. (10) (11) Die Gleichungen (7) bis (11) sind Parameterdarstellungen der Geraden g. 15.2 Abstand Punkt-Gerade Der Lotvektor vom Punkt P auf die Gerade g durch den Punkt A in Richtung ~c ist 58 S A c PS P PA −→ −→ gerade der Vektor P A minus der Projektion des Vektors P A auf den Vektor ~c, d.h. −→ −→ −→ P A · ~c ~c. PS = PA − |~c|2 Der Abstand d des Punktes P von der Geraden g ist → −→ − −→ P A · ~ c ~ c d = |P S| = P A − . |~c|2 15 Beispiel 26 Der Abstand des Punktes P = −2 von der Geraden 6 1 1 x1 1 +t −1 g : x2 = 0 2 | {z } | {z } x3 −→ OA ~c −14 √ −→ −→ −→ Dann ist |~c| = 2, P A = OA − OP = 3 und damit −4 −14 −11 − → 1 −→ P A · ~c 2 (−14) · 1 + 3 · 1 + 0 −11 ~c = 3 − P A − −1 = 2 |~c|2 12 + (−1)2 + 02 −4 −4 0 s 2 2 −11 −11 = + + 16. 2 2 59 (12) Damit ist r d= 15.3 153 ≈ 8, 75. 2 Parameterdarstellung einer Ebene Eine Ebene E ist gegeben durch zwei nicht parallele (von ~0 verschiedene) Vektoren ~u und ~v und einem Punkt A, der in der Ebene liegt. Man sagt, die Vektoren ~u und ~v spannen die Ebene auf, der Punkt A wird auch „Aufpunkt“ genannt. E tv x= a+ + su tv X v A u su −−→ Ein Raumpunkt X liegt genau dann auf E, wenn sich der Vektor AX als Summe von Vielfachen der Vektoren ~u und ~v darstellen läßt, d.h. man hat die Parameterdarstellung −−→ AX = t ~u + s ~v , t, s ∈ R. Wird ein kartesisches Koordinatensystem (O, ~e1 , ~e2 , ~e3 ) festgelegt, so dass A = (a1 , a2 , a3 ), ~u = u1~e1 + u2~e2 + u3~e3 , ~v = v1~e1 + v2~e2 + v3~e3 , dann ist die Parameterdarstellung äquivalent zu den drei Gleichungen: xi = ai + tui + svi , i = 1, 2, 3, t, s ∈ R. Werden ~u und ~v durch die drei verschiedenen Punkte A = (a1 , a2 , a3 ), B = −→ −→ (b1 , b2 , b3 ) und C = (c1 , c2 , c3 ) bestimmt, also ~u = AB und ~v = AC dann geht 60 die Parameterdarstellung über in die Drei-Punkte-Gleichung der Ebene E : xi = ai + t(bi − ai ) + s(ci − ai ), mit 15.4 i = 1, 2, 3, t, s ∈ R, A = (a1 , a2 , a3 ), B = (b1 , b2 , b3 ), C = (c1 , c2 , c3 ). Parameterfreie Darstellung einer Ebene Ein Punkt X liegt genau dann auf der Ebene E, wenn −−→ −→ −→ AX = t~u + s~v = tAB + sAC, s, t ∈ R, gilt. −−→ AX · ~n = 0, (A Aufpunkt, ~n Normalenvektor von E). eine Normalengleichung von E. In kartesischen Koordinaten X = (x1 , x2 , x3 ), A = (a1 , a2 , a3 ) und ~n = n1~e1 + n2~e2 + n3~e3 wird hieraus die Koordinatendarstellung von E n1 x1 + n2 x2 + n3 x3 = c −−→ mit c := a1 n1 + a2 n2 + a3 n3 = OA · ~n. Bemerkung 6 Durch Elimination der Parameter gelangt man von der Parameterdarstellung zur parameterfreien Darstellung. Umgekehrt gelangt man von der parameterfreien Darstellung zur Parameterdarstellung durch Bestimmung von 3 Punkten, die auf der Geraden liegen, und bildet dann die 3Punkt-Form einer Geraden. 61 Wird die Ebene E durch einen Aufpunkt A und einen Normalenvektor ~n gegeben, so ist der Abstand eines beliebigen Raumpunktes P zur Ebene E gleich der Länge −→ des Vektors P S, wobei S der Fußpunkt des Lots von P auf E ist und damit gleich −→ der Länge der Projektion des Vektors P A auf den Normalenvektor ~n, d.h. der Abstand des Punktes P von der Ebene E ist −→ −→ |P A · ~n| d = |P S| = . |~n| n E S . A n P −→ Ist |~n| = 1, so gibt bereits d = |P A · ~n| den Abstand des Punktes P von der Ebene E an. Man nennt diese Darstellung Hesse-Normalform der Ebene E n1 x1 + n2 x2 + n3 x3 = c, wenn n21 + n22 + n23 = 1 und c ≥ 0. Man gelangt von einer beliebigen Koordinatendarstellung von E zur Hesseschen p 2 2 2 Normalform mittles Division durch ±|~n| = ± n1 + n2 + n3 . 62 Ist n1 x1 + n2 x2 + n3 x3 = c ≥ 0 in Hesse-Normalform, so gilt: 1. Der Normalenvektor ~n = n1~e1 +n2~e2 +n3~e3 weist, wenn er in einem Punkt der Ebene E angetragen wird, vom Ursprung weg, da ~n · ~x = |~n| |~x| cos ^(~n, ~x) = c ≥ 0 und damit muss gelten − π2 ≤ ^(~n, ~x) ≤ π2 : n . E E . n −→ 2. Es ist c der Abstand der Ebene E vom Ursprung, da OL parallel zu ~n ist −→ −→ und in dieselbe Richtung zeigt, gilt OL = k~n und k = |OL|, dann folgt aus der Hesse-Normalform ~n · (k~n) = k~n · ~n = k = c. −−→ 3. Ein beliebiger Punkt P hat von E den Abstand d = |c− OP ·~n|. Der Abstand −→ −→ −→ −→ von P zur Ebene ist die Länge |P S| = |OL| − |OT | , wobei |OL| = c der −→ −→ Abstand des Ursprungs von der Ebene und OT die Projektion von OP auf den Normalenvektor ~n ist. n L . T E S P . 63 4. Falls O 6∈ E, dann gilt −−→ c − OP · ~n > 0 ⇐⇒ O, P liegen auf derselben Seite von E, −−→ c − OP · ~n < 0 ⇐⇒ E trennt O und P. P 2 n S1 L S2 E P1 T . 1 Beispiel 27 Man bestimme den Abstand des Punktes P3 = 2 von der 4 Ebene E, die durch die Punkte 0 1 1 P0 = 0 , P1 = 1 und P2 = 1 1 0 1 gegeben ist. Als erstes bestimmen wir als Parameterform die 3-Punkte-Gleichung der Ebex1 x ne mit x2 = y . x3 z x 1 1−1 0−1 1 0 −1 y = 0 +s 1 − 0 +t 1 − 0 = 0 +s 1 +t 1 , s, t ∈ R. 1 0−1 1−1 1 −1 0 z Um die Parameter s und t zu eliminieren schreiben wir den Vektor ~x zunächst als 3 Gleichungen: x 1−t y = s + t . z 1−s 64 Damit eliminiert man die Parameter s und t, wenn man alle 3 Gleichungen addiert: x + y + z = 1 − t + s + t + 1 − s = 2. Folglich ist die parameterfreie Form der Ebenengleichung x + y + z = 2. √ √ Hieraus erhält man wegen |~n| = 12 + 12 + 12 = 3 den Einheitsnormalenvektor ~n0 = |~~nn| und die Hesse-Normalform x y z 2 √ +√ +√ =√ . 3 3 3 3 Wir haben zwei Möglichkeiten den Abstand des Punktes P3 von der Ebene zu berechnen. Als erstes benutzen wir die Formel fürden Abstand mit P0 als 0 −−→ −−→ −−→ Aufpunkt der Ebene mit P3 P0 = OP0 − OP3 = −2 durch −3 −−→ |P3 P0 · ~n| |0 − 2 − 3| 5 √ d= = =√ . |~n| 3 3 Das gleiche Ergebnis kann man mit Hilfe der Hesse-Normalform erhalten: −−→ 5 x y z 2 1 2 4 d = |c − OP3 · ~n0 | = c − √ − √ − √ = √ − √ − √ − √ = √ , 3 3 3 3 3 3 3 3 da −−→ x y z 2 1 2 4 5 c − OP3 · ~n0 = c − √ − √ − √ = √ − √ − √ − √ = − √ < 0 3 3 3 3 3 3 3 3 ist, die trennt die Ebene E den Ursprung und den Punkt P3 . 65