Mathematischer Vorkurs NAT-ING II (02.09.2013 – 20.09.2013) Dr. Jörg Horst WS 2013-2014 Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 1 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 181 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Wir wenden uns nun den komplexen Zahlen als Elemente der Gaußschen Zahlenebene zu. hdnipoVc cOdfebg*h rh m m r q l i#dfjk/h Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 182 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Satz 17.1 (Polarkoordinatendarstellung) C Sei z ∈ \ {0} eine komplexe Zahl, die wir als Punkt in der Zahlenebene betrachten. Dann gibt es einen Winkel α ∈ ] − π, π] und eine reelle Zahl r > 0, so dass z die folgende Darstellung hat z = r(cos α + i sin α) Um auch z = 0 behandeln zu können beschreiben wir diese Zahl durch r = 0 und einen beliebigen Winkel. Definition 17.2 (Polarkoordinaten) Die Darstellung aus Satz 17.1 heißt Polarkoordinatendarstellung der Zahl z und der Winkel α heißt ihr Argument und wird mit arg(z) bezeichnet. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 183 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Satz 17.3 (Umrechnung) 1 Ist z = r(cos α + i sin α), so ist z = a + ib mit a = r cos α 2 und b = r sin α .. √ Ist z = a + ib, so ist r = |z| = a2 + b2 und für z 6= 0 ist b arctan − π falls a < 0, b < 0 a π − falls a = 0, b < 0 2 b arg(z) = arctan falls a > 0 a π falls a = 0, b > 0 2 arctan b + π falls a < 0, b ≥ 0. a Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 184 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Satz 17.4 (Rechnen mit Polarkoordinaten) a > 0 1 Für alle reellen Zahlen gilt: genau dann, wenn a<0 arg(a) = 0 arg(a) = π 2 arg(z) = − arg(z), und |z| = |z| 3 4 5 arg(wz) = arg(w) + arg(z), und |wz| = |w| |z| 1 1 1 = − arg(z), und = arg z z |z| ( arg(z) + π falls arg(z) ≤ 0 arg(−z) = . arg(z) − π falls arg(z) > 0 Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 185 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Damit können wir nun einige der einer Zahl z zugeordneten Zahlen in die Ebene einzeichnen: ebg*h rh r d h l § h l h h l jk/h h Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 186 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Das Bild für z 2 haben wir wegen der folgenden Feststellung: Folgerung 17.5 (Potenzen) Es gilt arg(z n ) = n arg(z) und |z n | = |z|n . Satz 17.6 (Wurzeln) Jede komplexe Zahl w 6= 0 hat n n-te Wurzeln. Mit anderen Worten: Die Gleichung z n = w hat genau n verschiedene Lösungen w1 , w2 , . . . , wn (die Wurzeln von w). Ist |w| = r und arg w = α, so sind diese Wurzeln für k = 1, . . . , n α 2π α 2π √ n + k + i sin + k . wk = r cos n n n n Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 187 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Beispiel: 1 Löse die Gleichung w3 = √ (−1 − i) = z. 2 A § h A A A ­qÿ« ÏÇ ­ ç Xð ç § ð ç « ÏÇ ç Ï Ç ç ° «y0 Ï Ç ç ^« s Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 188 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Definition 17.7 (komplexe Exponentialfunktion) Für z = a + ib ∈ C definieren wir exp(z) := ea (cos b + i sin b) , insbesondere also eib = cos b + i sin b. Damit schreibt sich die Polarkoordinatendarstellung z = r(cos α + i sin α) kürzer als z = reiα . Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 189 / 252 Kapitel 17 — Komplexe Polarkoordinaten und Wurzeln Satz 17.8 1. Die so definierte komplexe Exponentialfunktion hat die gleichen Eigenschaften wie die reelle Exponentialfunktion. 2. Es gilt die Formel von Moivre (cos α + i sin α)n = cos(nα) + i sin(nα) . Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 190 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 191 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Zuletzt bei der Integration rationaler Funktionen, der Partialbruchzerlegung, sind wir auf ein besonderes System von Gleichungen gestoßen, nämlich auf ein System mit mehreren Variablen, die auf eine ganz spezielle Art in das System eingehen. Definition 18.1 (Lineares Gleichungssystem – LGS) Ein (reelles) lineares Gleichungssystem (LGS) mit n Variablen x1 , x2 , . . . , xn und m Gleichungen hat folgende Gestalt a11 x1 + a12 x2 + . . . + a1n xn = b1 a21 x1 + a22 x2 + . . . + a2n xn = b2 .. . am1 x1 + am2 x2 + . . . + amn xn = bm R mit aij , bj ∈ für 1 ≤ i ≤ n und 1 ≤ j ≤ m. Die aij nennen wir die Koeffizienten des LGS und die bj nennen wir die rechte Seite des LGS. Das LGS heißt homogen, wenn die rechte Seite verschwindet. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 192 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Kurzschreibweise: Statt der Form in 18.1 benutzen wir auch die etwas kompaktere Schreibweise a11 a21 .. . a12 a22 .. . am1 am2 a11 a21 mit A := . .. a1n b1 a2n b2 .. .. oder noch kompakter (A|b) . . . . . amn bm ... ... a12 a22 .. . ... ... a1n b1 b2 a2n .. und b := .. . . . am1 am2 . . . amn bm Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 193 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Definition 18.1 [cont.] Die Lösungsmenge des LGS (A|b) bezeichnen wir mit L(A, b) := (x1 , . . . , xn ) ∈ n | (x1 , . . . , xn ) löst (A|b) R Satz 18.2 (Gauß-Operationen) Die folgenden Operationen verändern die Lösungsmenge eines LGS nicht: 1. Multiplizieren einer Zeile mit einer Zahl a 6= 0. 2. Vertauschen von Zeilen. 3. Addition eines Vielfachen einer Zeile zu einer anderen Zeile. 4. Vertauschen von Spalten Achtung: Wenn man Punkt 4. anwendet, muss man sich merken, welche Variable zu welcher Spalte gehört! Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 194 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Satz 18.3 (Gauß-Algorithmus) ↓ 1 0 .. . 0 0 .. . ↓ ··· 0 ··· 1 ··· .. . . . . 0 ··· 0 ··· .. . ↓ ↓ ··· 0 ∗ ··· 0 ∗ ··· .. .. . . 1 ∗ ··· 0 0 ··· .. .. . . 0 0 ··· 0 0 ··· jn jk+1 jk j2 j1 Es sei (A|b) ein lineares Gleichungssystem, dann kann man durch geeignete Gauß-Operationen erreichen, dass das LGS die folgende Form bekommt: ↓ ∗ ∗ c1 c2 .. . ∗ ck 0 ck+1 .. . 0 cm Dabei gibt j` an, dass diese Spalte zur j` -ten Variablen gehört. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 195 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Praktische Durchführung des Gauß-Algorithmus: Step1 Wir versuchen durch 3.(Tausch von Zeilen), 4.(Tausch von Spalten) und 1.(Skalierung einer Zeile) eine “1” in die obere linke Ecke zu bekommen. (Ist dies nicht möglich, dann endet der Algorithmus, denn die Koeffizienten, mit denen man diesen Schritt gestartet hat, sind alle Null.) Step2 Durch Anwenden von 2.(Addition von Zeilen) erzeugen wir Nullen unterhalb und oberhalb dieser “1”. Step3 Wir beginnen nun wieder mit Step1. Allerdings wenden wir ihn auf das kleinere System an, das wir durch Löschen der ersten Spalte und ersten Zeile erhalten. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 196 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Definition 18.4 (Rang eines LGS) Es sei (A|b) ein LGS. Die Zahl k aus der Endgestalt des Gauß-Algorithmus nennt man den Rang des LGS. Satz 18.5 Es sei (A|b) ein LGS vom Rang k. Der Gauß-Algorithmus liefert die folgenden Fälle für die Lösungsmenge L(A, b): 1 2 3 Ist mindestens eine der Zahlen ck+1 , . . . , cm ungleich Null, so ist L(A, b) = ∅. Im Fall k = n = m ist das System eindeutig lösbar und es gilt L(A, b) = {(x1 , . . . , xn ) | xj1 = c1 , xj2 = c2 , . . . , xjn = cn }. Für k < n und ck+1 = . . . = cm = 0 ist, können die n − k Variablen xjk+1 , . . . , xjn als freie Parameter gewählt werden. Damit sind die Werte xj1 , . . . , xjk für jede Wahl der Parameter eindeutig bestimmt. Man sagt: Die Lösungsmenge L(A, b) ist (n − k)-dimensional. Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 197 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Beispiel : Wir lösen das LGS 2x1 + x1 + 3x1 + 3x1 + oder 2 1 3 3 6x2 + 2x4 = 10 3x2 + x3 + 2x4 = 7 9x2 + 4x3 = 16 9x2 + x3 + x4 = 17 6 3 9 9 0 1 4 1 2 10 2 7 0 16 1 17 Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 198 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme 1.) Vertausche Z1 und Z2. x1 x2 x3 x4 1 3 1 2 7 2 6 0 2 10 3 9 4 0 16 3 9 1 1 17 2.) Addiere (−2)× Z1 zu Z2, dann (−3)× Z1 zu Z3 und (−3)× Z1 zu Z4. x1 x2 x3 x4 1 3 1 2 7 0 0 −2 −2 −4 0 0 1 −6 −5 0 0 −2 −2 −4 Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 199 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme 3.) Vertausche S2 und S4. x1 x4 x3 x2 1 2 1 3 7 0 −2 −2 0 −4 0 −6 1 0 −5 0 −2 −2 0 −4 4.) Addiere Z2 zu Z1, dann (−3)× Z2 zu Z3 und (−1)× Z2 zu Z3. Dann multipliziere Z2 mit − 21 . x1 x4 x3 x2 1 0 −1 3 0 1 1 0 0 0 7 0 0 0 0 0 3 2 7 0 Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 200 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme 5.) Multipliziere Z3 mit 71 , addiere (−1)× Z3 zu Z2, dann Z3 zu Z1. x1 x4 x3 x2 1 0 0 3 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 4 1 1 0 Dies ist nun die Endform des Gauß-Algorithmus, aus dem wir die Lösung ablesen. Der Rang des LGS ist k = 3 und als freien Parameter wählen wir x2 . Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 201 / 252 Kapitel 18 — Lineare Gleichungssysteme Wir schreiben die Gleichungen noch einmal aus: x1 + 3x2 = 4 x4 = 1 , x3 = 1 und es gilt L(A, b) = (x1 , x2 , x3 , x4 ) ∈ R4 | x1 = 4 − 3x2, x3 = 1, x4 = 1 Setzen wir x2 = t für den Parameter, so schreiben wir auch x1 4 −3 1 x 0 2 = + t t ∈ L(A, b) = x3 1 0 x4 1 0 R Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund Seite 202 / 252