Geopfad - Berliner Höhenweg Greiner Scherzone Hier im Floitengrund liegen sich die tief ins Gestein eingeschnittene Mörchen- und Lapenscharte direkt gegenüber. Das ist kein Zufall sondern Resultat einer besonderen geologischen Struktur: einer Scherzone. Prozesse in einer Scherzone Scherzonen sind Bereiche, in denen Spannungen, die während einer Gebirgsbildung entstehen, durch plastische Gesteinsverformungen abgebaut werden. Plastische Deformation findet in der oberen Kruste in Tiefen >15 km bei hoher Temperatur (> 300 °C) und großem Druck statt. Das Gestein zerreißt nicht, sondern baut die Spannungen durch eine fließende Verformung ab. Gelangen diese Gesteine an die Erdoberfläche, sorgt die mit der Verformung einhergehende Zermürbung dafür, dass Verwitterung und Erosion die auffälligen Geländeformen der Mörchenund Lapenscharte schaffen konnten. Abb. 1: Duktile Gesteinsdeformation. Lage der Greiner Scherzone N Tuxer Gneiskern GSZ Penninikum Austroalpine Decken S 0 -5 -10 km A 0 5 Entstehung der Greiner Scherzone N Da sich die europäische und die adriatische S Kontinentalplatte auch nach Ende der Faltung und Deckenstapelung weiter aufeinander zubewegten, wurde die steigende Spannung zwischen dem Zillertaler und Tuxer Gneiskern vor ca. 30-40 Millionen Jahren (BARNES et al. 2004, BEHRMANN & F RISCH 1990) in einer großmaßstäblichen Scherzone abgebaut - der Greiner Scherzone. Dabei wurden die zwei Gesteinseinheiten sowohl horizontal linksseitig als auch vertikal gegeneinander verschoben. Im Bereich des Berliner Höhenwegs stellt sich die Greiner Scherzone als ein sich verzweigendes System kleinerer Scherzonen von 1-30 m Breite dar (BARNES et al. 2004). Diese können vielerorts in den charakteristischen Erosionsrinnen beobachtet werden, die die 3: Die Mörchenscharte von der Greizer auffällig parallelen Rippen der die Täler begren- Abb. Hütte aus gesehen, Blick Richtung Westen. zenden Gebirgszüge bilden. Abb. 6: Topographische Übersichtskarte des Geopfades - Berliner Höhenweg. Die Greiner Scherzone erstreckt sich im Inneren Tauernfenster über 35 km (BARNES et al. 2004) in WSW-ENE Richtung (siehe Karte in Abb. 7) und trennt den Tuxer- vom Zillertaler Gneiskern (Abb. 2). Zillertaler Gneiskern Schautafel 17 / 28 B 10 km Abb. 2: Profil durch das westliche Tauernfenster (vereinfacht und verändert nach LAMMERER et al. 2008). Geologischer Rahmen Zillertaler und Tuxer Gneisskern bildeten sich vor ca. 300 Millionen Jahren aus magmatischer Schmelze in der oberen Erdkruste. Vor der Entstehung der Alpen waren sie von einem flachen Meer, dem Thetys-Ozean bedeckt. Plattentektonik führte ab Beginn der Oberkreide (ca. 100 Ma) zur Schließung dieses Meeresbeckens und zur Kollision der nördlich und südlich an den Ozean angrenzenden europäischen und adriatischen Kontinentalplatte. Während der Kollision, die zur Auffaltung der Alpen führte, wurden die magmatischen Ausgangsgesteine mehrere Kilometer tief versenkt, zu ENE-WSW orientierten Strukturen verfaltet und übereinander geschoben. Die grobkörnigen magmatischen Gesteine (Granodiorite und Tonalite) wurden dabei metamorph zu geschichteten Gneisen überprägt (BARNES et al. 2004). Auch Sedimente des Thetys-Ozeans wurden mit eingefaltet, sie bilden heute die Schiefer der Greiner Mulde (siehe auch Tafel 16 - Ophiolithe). Erkennung im Gelände Die Prozesse in einer Scherzone hinterlassen im Gesteinsgefüge charakteristische Spuren, von denen manche mit bloßem Auge in den Gneisen des Tuxer- und des Zillertaler Kerns zu erkennen sind. Sie sind das sichtbare Gedächtnis der Steine im Hinblick auf Temperatur, Druck und Bewegungsrichtung der Scherzone. Verwitterung und Erosion haben diese Spuren freigelegt, nachdem die Gneiskerne im Zuge der Bildung des Tauernfensters an die Erdoberfläche gehoben wurden (siehe auch Tafel 27 - Tektonik des Tauernfensters). C' Scherflächen: Reagiert das Gestein bei der Verformung in Abhängigkeit von Druck und Temperatur nicht vollkommen plastisch, werden die Schichten im Gneis wie ein Kartenstapel gegeneinander verschoben und verschuppt. Es bilden sich sogenannte C'-Scherflächen mit denen sich der Schersinn bestimmen lässt. Schleppfalten: Bei intensiverer plastischer Verformung unter hohem Druck und Temperatur findet eine kleinräumige Verfaltung des Gesteins statt. Die auffällige Faltenform mit einem engen und einem weit gespreizten Faltenschenkel gibt ebenfalls Aufschluss über die Bewegungsrichtung der Scherzone. 12 °E Inneres Tauernfenster westlicher Teil Austroalpine Decken Mayrhofen A Großer Greiner 47 °N er f e i Sch d N r e n i re er G ^ d Mul n r Aho Lapenscharte Tuxer Gneiskern e is e n G Mörchenscharte S r ne i e r G Zillertaler Gneiskern e n zo r e ch B Austroalpine Decken 1 2 3 4 5 6 0 5 10 km Abb. 7: Geologische Karte des Inneren Tauernfensters (vereinfacht und verändert nach LAMMERER et al. 2008). Abb. 4: C‘ Scherflächen im Gneis. (Bildbreite: 60 cm) Abb. 5: Schleppfalte im Gneis. (Bildbreite: 90 cm) 1: Gneiskerne, ca. 300 Ma; 2: Schiefer aus Sedimenten des Thetys-Ozeans, ca. 200-300 Ma: 3: Hochstegen Marmor, ca. 150-160 Ma; 4: Schiefer der Kontinentalränder, ca. 200-300 Ma, 5: Penninikum, Kalkhaltige Schiefer aus der Tiefsee des Thetys-Ozeans (Bündnerschiefer) ca. 100-200 Ma Herausgeber: Ingo Sass, Rafael Schäffer, Claus-Dieter Heldmann Bearbeiter: Katharina Knorz & Johannes Krimm Literatur: BARNES, J. D., SELVERSTONE, J. & SHARP Z. D. (2004): Interactions between serpentinite devolatilization, metasomatism and strike-slip strain localization during deep-crustal shearing in the Eastern Alps. Journal Of Metamorphic Geology 22, S. 283–300. BEHRMANN, J. H. & FRISCH, W. (1990): Sinistral ductile Shearing Associated with Metamorphic Decompression in the Tauern Window, Eastern Alps. Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt Wien 133 - 2, S. 135-146 LAMMERER, B., GEBRANDE, H., LÜSCHEN, E., VASÉLA, P. (2008): A crustal-scale cross-section through the Tauern Window (eastern Alps) from geophysical and geological data. Tectonic Aspects of the Alpine-Dinaride-Carpathian System. Geological Society, London, Special Publications 298, S. 219–229. Ein Projekt der Hauptgeländeübung II 2013 der TU Darmstadt http://www.geo.tu-darmstadt.de/fg/angeotherm/hgue_ii_2013/eine_extrabreite_spalte.de.jsp Stand: März 2014