Ferientutorium 14-21.Februar 2013 - Analysis 1 Franz X. Gmeineder - LMU München 1 2 Vorwort Dies ist ein Skript zum Ferienkurs Analysis 1. Der Kurs soll vor allem auf die Klausur zur Vorlesung Analysis 1 für Mathematiker von Prof. Dr. Franz Merkl im Wintersemester 2013 vorbereiten. Für Fehler im Skript wird keine Garantie übernommen. Am Anfang jedes Kapitels findest Du grundlegende Fragen, die vor allem beim Verständnis helfen. Die Beispiele werden in diesem Skript nicht ausgeführt, sondern im Tutorium besprochen. München, im März 2013 Franz X. Gmeineder 3 Contents 1 1.1 1.2 1.3 2 2.1 2.2 2.3 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4 5 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 7 8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 Natürliche,reelle und komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständige Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reelle Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehr zu Folgen und Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechenregeln für Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Häufungspunkte von Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konvergenzkriterien für Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Cauchy-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wurzel- und Quotientenkriterium für absolute Konvergenz . . . . . Majoranten/ Minorantenkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Leibnizkriterium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Reihen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landausymbole und Grenzwerte von Funktionen . . . . . . . . . . Differentiation und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differentiationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Regeln von L’Hospital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extrema und der Mittelwertsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einige Grundintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungsvorschläge für einige ausgewählte Aufgaben der Probeklausur von Prof. Dr. Merkl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständige Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . Vollständige Induktion - Aufgabe (i) . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständige Induktion - Aufgabe (ii) . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständige Induktion - Aufgabe (iii) . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen - Aufgabe (i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen - Aufgabe (ii) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen - Aufgabe (iii) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topologie - Aufgabe (i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 5 7 9 9 10 10 13 14 14 16 17 17 19 22 25 26 27 28 29 31 31 32 34 34 34 35 35 36 37 37 38 38 38 39 39 40 41 42 42 4 9.8 9.9 9.10 9.11 9.12 9.13 9.14 9.15 9.16 9.17 9.18 9.19 9.20 9.21 9.22 9.23 9.24 10 Topologie - Aufgabe (ii) . . . . . Topologie - Aufgabe (iv) . . . . . Reihen - Aufgabe (i) . . . . . . . Reihen - Aufgabe (ii) . . . . . . . Reihen - Aufgabe (iii) . . . . . . Reihen - Aufgabe (iv) . . . . . . Reihen - Aufgabe (v) . . . . . . . Reihen - Aufgabe (vi) . . . . . . Stetigkeit - Aufgabe (i) . . . . . . Stetigkeit - Aufgabe (ii) . . . . . Stetigkeit - Aufgabe (iii) . . . . . Differenzierbarkeit - Aufgabe (i) Differenzierbarkeit - Aufgabe (ii) Differenzierbakeit - Aufgabe (v) . Integrale - Aufgabe (i) . . . . . . Integrale - Aufgabe (iii) . . . . . Integrale - Aufgabe (iv) . . . . . Referenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 43 44 44 45 46 46 47 47 48 48 48 49 50 50 52 52 53 1 Natürliche,reelle und komplexe Zahlen 1 5 Natürliche,reelle und komplexe Zahlen Zunächst vereinbaren wir N = {1, 2, 3, · · · } N0 = N ∪ {0} 1.1 Vollständige Induktion Wollen wir Aussagen über natürliche Zahlen beweisen, hilft oftmals das Prinzip der vollständigen Induktion. Angenommen, wir wollen die Aussage A(n) für alle natürlichen Zahlen n ≥ a , wobei a ∈ N0 , beweisen. Wir gehen wie folgt vor: (i) Induktionsanfang n = a. Wir zeigen, dass die Aussage A(a) wahr ist. (ii) Induktionsschritt n −→ n + 1. Wir zeigen: Gilt die Aussage für die natürliche Zahl n ∈ N, n ≥ a, so gilt sie ebenfalls für n + 1. Beachte, dass Du hierbei an irgendeinem Punkt des Induktionsschritts die Gültigkeit der Aussage A(n) verwenden musst. Damit folgt die Aussage für alle natürlichen Zahlen n ∈ N: Die Aussage gilt für n = a. Dann gilt die Aussage nach dem Induktionsschritt auch für a + 1, sodann auch für (a + 1) + 1 = a + 2, usf. Beachte, dass dieses Prinzip auf der Peano-Charakterisierung oder den PeanoAxiomen der natürlichen Zahlen beruht: N ist die kleinste Teilmenge A der reellen Zahlen, die 0 und mit jedem Element n ∈ A auch dessen Nachfolger n + 1 enthält. Beispiel 1.1: Die nachfolgenden Beispiele werden in der Übung besprochen. ∀n ∈ N : n X k 2 2k = −6 + 2n+1 (3 − 2n + n2 ) (1.1) k=0 Bemerkung 1.2: Funktionen f : A −→ B sind Abbildungen zwischen zwei Mengen A und B. In den Analysisvorlesungen ist meistens A = N, R, C und B = N, R, C. Funktionen von N nach B heißen B-wertige Folgen. Wir wiederholen sie später. 1.2 Reelle Zahlen Grundlegende Fragen zu reellen Zahlen: (i) Ausgehend von den rationalen Zahlen - warum braucht es reelle Zahlen? (ii) Was besagt das Vollständigkeitsaxiom anschaulich? Kannst Du drei verschiedene Charakterisierungen hiervon geben? Wie kann man ihre Äquivalenz zeigen? (iii) Was besagt das archimedische Axiom? 1 Natürliche,reelle und komplexe Zahlen 6 Warum braucht es reelle Zahlen? Die natürlichen Zahlen sind aus dem Zählen entstanden. Da sie beispielsweise nicht unter (additiver) Inversenbildung abgeschlossen sind, braucht es Z, den Ring der ganzen Zahlen. Um dividieren zu können, konstruiert man die rationalen Zahlen Q. Diese Menge enthält alle Brüche ab von ganzen Zahlen a ∈ Z und b ∈ Z \ {0}. √ Q enthält aber beispielsweise nicht 2, die Zahlengerade Q hat also Lücken. Bei R ist dies nicht der Fall; wir sagen, R sei vollständig. Um das präzise zu definieren, kurze Wiederholung zum Begriff der konvergenten bzw. CauchyFolgen: Definition 1.3: Eine Folge (an )n ⊂ R heißt Cauchy-Folge, falls gilt: ∀ε > 0 ∃N ∈ N ∀n, m ≥ N : |an − am | < ε (1.2) Eine Folge (an )n ⊂ R heißt konvergent gegen a ∈ R, falls gilt: ∀ε > 0 ∃N ∈ N ∀n ≥ N : |an − a| < ε (1.3) Hierbei ist | · | der gewöhnliche Betrag auf R. R ist vollständig, d.h., jede CauchyFolge in R konvergiert. (Vollständigkeitsaxiom) Wichtig ist das Folgende: Bemerkung 1.4: Da Q unvollständig, aber dicht in R ist, können wir CauchyFolgen (an )n∈N ⊂ Q finden, die gegen q ∈ R \ Q konvergieren. Allerdings gilt immer: (an )n konvergent =⇒ (an )n Cauchy-Folge Dies zeigt man gewöhnlich mit einem ε/2-Argument. In der Vorlesung haben wir einige alternative Charakterisierungen der Vollständigkeit kennen gelernt. Dazu wiederholen wir: Für eine Menge A ⊂ R • ist das Supremum von A, abgekürzt sup(A), die kleinste obere Schranke von A, d.h. ∀a ∈ A : a ≤ sup(A) & (M weitere obere Schranke von A =⇒ sup(A) ≤ M ) (1.4) • ist das Infimum von A, abgekürzt inf(A), die größte untere Schranke von A. Proposition 1.5: Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (i) R ist vollständig, d.h. jede Cauchy-Folge konvergiert. (ii) Jede nichtleere nach oben beschränkte Menge A ⊂ R hat ein Supremum. (iii) Jede nichtleere nach unten beschränkte Menge A ⊂ R hat ein Infimum. 1 Natürliche,reelle und komplexe Zahlen 7 (iv) Ist A1 ⊃ A2 ⊃ A3 ⊃ · · · eine absteigende Folge von abgeschlossenen Intervallen in R, sodass limk−→∞ diam(Ak ) = 0, dann existiert genau ein a ∈ R, das in allen Ak , k ∈ N enthalten ist. Bevor wir nun Beispiele besprechen, noch kurz zum Archimedischen Axiom. Die Idee hierbei ist, dass es zu jeder reellen Zahl eine natürliche Zahl gibt, die größer ist. Proposition 1.6 (Archimedes): . Zu allen positiven reellen Zahlen x ∈ R+ und ε > 0 gibt es ein n ∈ N mit nε > x. Beispiel 1.7: Begründe mit dem archimedischen Axiom, dass die Folge (an )n mit an = n1 für n ∈ N gegen 0 konvergiert. Beispiel 1.8: Zeigen Sie direkt anhand der Definition, dass die Folge (an )n , definiert durch ∀n ∈ N : an = n−1 n+1 konvergiert. Bestimmen Sie weiters den Grenzwert. 1.3 Komplexe Zahlen Grundlegende Fragen: (i) Warum braucht man komplexe Zahlen? (ii) Wie zeichnet man sie in die Gaussebene ein? (iii) Wie rechnet man mit ihnen und was hat dies für die graphische Darstellungen für Konsequenzen? Obgleich dies nicht die eigentliche Motivation für komplexe Zahlen war, begnügen wir uns damit, dass in C die Gleichung z 2 + 1 = 0 lösbar ist mit den Lösungen +i, −i. Hierbei ist i die imaginäre Einheit. Wir schreiben komplexe Zahlen als z = x + iy (1.5) wobei x ∈ R der Realteil von z und y ∈ R der Imaginärteil von C ist. Bemerkung 1.9: Komplexe Zahlen können auch über Polarkoordinaten dargestellt werden. Dies wird deutlich, wenn wir sie als Vektoren in die Gaussebene (komplexe Zahlenebene) einzeichnen. Denn über den Vektorraumisomorphismus C 3 z = x + iy 7→ (x, y)T ∈ R2 1 Natürliche,reelle und komplexe Zahlen 8 können wir C mit R2 identifizieren. Ordnen wir jedem solchen Vektor (x, y) seine Länge r und den Winkel θ ∈ [0, 2π) zu, den er mit der reellen Achse einschließt, so kommen wir auf die Polardarstellung. Es gilt: y p r = x2 + y 2 θ = arcsin (1.6) r Dann lässt sich die komplexe Zahl z = x + iy als z = r · eiθ schreiben mit der Exponentialfunktion, die wir später genauer wiederholen. Wir stellen nun kurz das Wichtigste über komplexe Zahlen stichpunkthaltig vor. • Das komplex Konjugierte einer komplexen Zahl z = x + iy ist definiert als z = x − iy. Graphisch entspricht das einer Spiegelung an der reellen Achse. • Komplexe Zahlen werden komponentenweise addiert und subtrahiert. • Komplexe Zahlen werden wie multipliziert wie folgt: (x + iy) · (a + ib) = (xa − by) + i(bx + ya) (1.7) Wollen wir dividieren, so benutzen wir die dritte binomische Formel um i aus dem Nenner verschwinden zu lassen: 1 x − iy x − iy = = 2 (1.8) x + iy (x + iy)(x − iy) x + y2 Stellen wir die Multiplikation graphisch dar, so bedeutet die Multiplikation mit einer komplexen Zahl z = x + iy = reiθ die Streckung um den Faktor r > 0 und die Rotation um den Winkel θ > 0. • Eine Folge (an )n ⊂ C konvergiert gegen a ∈ C, falls ∀ε > 0 ∃N ∈ N ∀n ≥ N : |an − a|ε wobei hier | · | der komplexe Betrag ist, d.h. p |z| = <(z)2 + =(z)2 (1.9) (1.10) wobei < und = den Real- bzw. Imaginärteil von z bezeichnet. Beachte, dass eine komplexe Zahlenfolge konvergiert genau dann, wenn Real- und Imaginärteil konvergieren. Beispiel 1.10 (Merkl 2004): Zeigen Sie mittels der obigen Definition der Konvergenz in C, dass n =1 lim n−→∞ n + i Beispiel 1.11: Zeichnen Sie die Menge A = {z ∈ C : max(<(z), =(z)) ≤ 1} ∩ {z ∈ C : |z| ≤ 1} in die Gaussebene ein und bestimmen Sie graphisch die Menge 2i A. 2 Mehr zu Folgen und Topologie 2 9 Mehr zu Folgen und Topologie Wir haben bereits Folgen eingeführt. Nun besprechen wir genauer, wann sie konvergieren, wie wir dann ihre Grenzwerte herausfinden und darüberhinaus: Falls die Folge nicht konvergiert, nähert sich dann wenigstens eine Teilfolge einer bestimmten Zahl, den sog. Häufungspunkten? 2.1 Rechenregeln für Grenzwerte Wir wiederholen: Theorem 2.1: Seien (an )n∈N , (bn )n∈N ⊂ C zwei komplexe Zahlenfolgen, die jeweils gegen a ∈ C bzw. b ∈ C konvergieren und λ ∈ C eine Zahl. Dann gilt: lim an + bn = a + b (2.1) lim λan = λa (2.2) lim an bn = ab (2.3) n−→∞ n−→∞ n−→∞ Gilt zudem b 6= 0, so gilt an a = n−→∞ bn b lim Beispiel 2.2: Bestimme die folgenden Limiten: p(n) q(n) √ √ lim n+1− n lim n−→∞ n−→∞ wobei im ersten Beispiel p, q Polynome sind. Unterscheide nach deren Graden. Wichtige Grenzwerte von Folgen sind z.B.: 0, falls |a| < 1 k lim a = ex. nicht, falls a = −1, sonst 1 n−→∞ ±∞, falls |a| > 1 Wir schließen unsere erste Sitzung mit dem wichtigen Monotoniekriterium. Theorem 2.3: Sei (an )n∈N ⊂ R eine reelle (das ist wichtig, für C ist das nämlich falsch!) Zahlenfolge, die entweder • monoton steigend und nach oben beschränkt ist oder • monoton fallend und nach unten beschränkt ist Dann konvergiert die Folge. 2 Mehr zu Folgen und Topologie 10 Dieser Satz erlaubt es beispielsweise, bei rekursiv definierten Folgen auf Konvergenz zu schließen. Beispiel 2.4: Die reelle Zahlenfolge (an )n∈N sei rekursiv definiert durch 1 1 an+1 = −a2n − 4 4 Zeigen Sie, dass diese Folge konvergiert und bestimmen Sie ihren Limes. a0 = − Beispiel 2.5: Bestimmen Sie mit Beweis: r q 1+ 2.2 1+ √ 1 + ··· Häufungspunkte von Folgen Häufungspunkte einer Folge in C sind anschaulich gesprochen dienjenigen komplexen Zahlen, in deren Umgebungen unendlich viele Folgenglieder leben. Definition 2.6: Sei (an )n∈N ⊂ C eine komplexe Folge und z ∈ C. Wir sagen, z ist Häufungspunkt der Folge (an )n∈N , falls ∀ε > 0 ∀N ∈ N ∃n ≥ N : |an − z| < ε Dies entspricht der Sprechweise: In jeder beliebigen ε-Umgebung des Punktes z liegen unendlich viele Folgeglieder. Vergleiche dies mit der Definition des Grenzwertes. Beim Häufungspunkt geht es nur darum, dass unendlich viele Glieder beliebig nahe bei z liegen, es darf Ausreißer geben: Nimm die Folge ((−1)n )n∈N . Beim Grenzwert fordern wir dagegen, dass ab irgend einem Index N ∈ N alle Folgeglieder in einer ε-Umgebung von z liegen. Die folgende Auflistung beinhaltet die wichtigsten Fakten zu Häufungspunkten: • z ∈ C ist genau dann ein Häfungspunkt einer Folge (an )n∈N , falls es eine Teilfolge (an(k) )k∈N gibt mit limk−→∞ an(k) = z. • Satz von Bolzano-Weierstraß: Jede beschränkte Folge komplexer Zahlen besitzt eine konvergente Teilfolge. In anderen Worten: Jede beschränkte Folge komplexer Zahlen besitzt einen Häufungspunkt. 2.3 Topologie Um eigentlich überhaupt über Konvergenz sprechen zu können, benötigen wir einen Konvergenzbegriff. Dieser gründet auf den offenen Mengen. Für die folgende Definition sei Bε (z) = {y ∈ C : |z − y| < ε} (2.4) der offene ε-Ball um z ∈ C. Beachte: Befinden wir uns in R, so werden die Bälle zu Intervallen! 2 Mehr zu Folgen und Topologie 11 Definition 2.7: Folgende topologische Grundbegriffe sind unabdingbar: • Eine Teilmenge A ⊂ C heißt offen, falls ∀z ∈ A ∃ε > 0 Bε (z) ⊂ A • Eine Teilmenge B ⊂ C heißt abgeschlossen, falls ihr Komplement B c = C\B offen ist. • Eine offene Überdeckung einer Menge A ⊂ C ist eine Familie (nicht notwendigerweise Folge, und schon gar nicht notwendigerweise endliche Menge!) von offenen Menge (Ak )k∈I mit [ Ak A⊂ k∈I • Eine Menge A ⊂ C heißt kompakt, falls jede offene Überdeckung von A eine endliche Teilüberdeckung hat. Das heißt: Ist (Ak )k∈I eine offene Überdeckung von A, so gibt es endlich viele k1 , · · · , kj ∈ I mit A ⊂ Ak1 ∪ · · · ∪ Akj (Überdeckungskompaktheit). Diese vier Definition gelten analog für R. Wir wiederholen nun wichtige Fakten und Alternativcharakterisierungen: • Eine Menge A ⊂ C ist abgeschlossen genau dann, wenn: Ist (xn )n∈N eine Folge von Punkten in A, die einen Grenzwert x in C besitzt, so ist x ∈ A. (Folgenabgeschlossenheit) • Eine Menge A ⊂ C ist kompakt genau dann, wenn: Ist (xn )n∈N eine Folge von Punkten in A, dann besitzt sie einen Häufungspunkt x ∈ A. (Folgenkompaktheit). • Satz von Heine-Borel: Eine Menge A ⊂ C ist kompakt genau dann, wenn sie abgeschlossen und beschränkt ist. Beispiel 2.8 (Merkl 2004): Zeigen Sie anhand der Definition, dass die Menge 1 A= : n ∈ N ∪ {0} ⊂ R n kompakt ist. Beispiel 2.9: Eine Familie von Teilmengen (Ai )i∈I von X ⊂ C heiße zentriert, falls T alle Ai abgeschlossen sind und i∈I0 Ai 6= ∅ für jede endliche Indexmenge I0 ⊂ I gilt. Zeigen Sie: B ist kompakt genau dann, wenn jedes zentrierte System \ Ai 6= ∅ i∈I erfüllt. 2 Mehr zu Folgen und Topologie 12 Proof. Wir zeigen zuerst die Richtung ⇒. Sei also {Ai }i∈I ein zentriertes System. Wir müssen \ Ai 6= ∅ i∈I zeigen. Hierzu nehmen wir an, dem sei nicht so. Dann gilt wohl [ \ X \ Ai = X \ Ai = X i∈I i∈I Aber merke auf, die X \ Ai sind offen, da die Ai abgeschlossen sind. Also ist {X \ Ai }i∈I eine offene Überdeckung von X. Aber X ist n.V. kompakt, also existiert eine endliche Teilüberdeckung; diese kennzeichnen wir durch Indices i1 , · · · , ij . Damit gilt [ \ X \ Ai = X \ Ai = X i=i1 ,··· ,ij i=i1 ,··· ,ij Aber dann \ Ai = ∅ i=i1 ,··· ,ij im Widerspruch dazu, dass {Ai }i∈I zentriert ist. Somit haben wir die erste Richtung bewiesen. Nun zur anderen: Nehme an, X ist nicht kompakt. Dann gibt es eine offene Überdeckung {Bi }i∈I , die keine endliche Teilüberdeckung besitzt. Wir behaupten, dass {X \ Bi }i∈I ein zentriertes System bilden. In der Tat: Die einzelnen Glieder sind per def abgeschlossen und jeder endliche Schnitt erfüllt (|I0 | < ∞) \ [ X \ Bi = X \ Bi i∈I0 i∈I0 Da die Bi gerade so gewählt sind, dass sie nie ganz X endlich überdecken, ist dieser Schnitt auch wirklich nichtleer. Also sind die {X \ Bi }i∈I ein zentriertes System. Aber nach Voraussetzung sind sie eine offene Überdeckung von X und somit gilt für den Schnitt \ [ X \ Bi = X \ Bi = ∅ i∈I i∈I Das widerspricht der Voraussetzung. Somit sind wir fertig. Bevor wir zur Stetigkeit kommen, wiederholen wir noch einige Arten von Punkten und geben Alternativcharakterisierungen von Offenheit und Abgeschlossenheit. Sei A ⊂ C eine Menge. • z ∈ A heiße innerer Punkt von A, falls ein ε > 0 existiert mit Bε (z) ⊂ A. • z ∈ A heiße Berührpunkt von A, falls ∀ε > 0 : Bε (z) ∩ A 6= ∅ 3 Konvergenzkriterien für Reihen 13 • z ∈ A heiße Randpunkt, falls ∀ε > 0 : Bε (z) ∩ A 6= ∅ & Bε (z) ∩ Ac 6= ∅ Hiermit gilt: • Eine Menge A ⊂ C ist offen, falls jedes z ∈ A ein innerer Punkt von A ist. • Eine Menge A ⊂ C ist abgeschlossen, falls sie alle ihre Berührpunkte enthält. Beispiel 2.10 (Merkl 2004): Zeigen Sie, dass z = i ein innerer Punkt der Menge H = {z ∈ C : =(z) > 0} ist. Proof. Wir zeigen, dass U1/2 (i) ⊂ H gilt. Damit folgt die Behauptung. Sei also z ∈ U1/2 (i); wir müssen zeigen, dass =(z) > 0. Für ein solches z gilt |z−i| < 21 und mit z = x + iy entsprechend |z − i|2 = x2 + (y − 1)2 < 1 4 Aber es gilt auch 1 1 =⇒ 0 ≤ |y − 1| < =⇒ 4 2 1 1 1 3 − < y − 1 < =⇒ < y < =⇒ y = =(z) > 0 2 2 2 2 x2 ≤ x2 + (y − 1)2 < Da z = x + iy ∈ U1/2 (i) beliebig war, folgt die Behauptung. 3 Konvergenzkriterien für Reihen Ein Audruck der Form ∞ X ak (3.1) k=1 mit Gliedern ak in R oder C heißt Reihe. Wir wiederholen nun Kriterien für die Konvergenz einer solchen Reihe. Wir sagen, die Reihe (3.1) • konvergiert, falls die Folge der Partialsummen ! m X ak k=1 konvergiert. m∈N 3 Konvergenzkriterien für Reihen 14 • konvergiert absolut, falls die Reihe der Absolutbeträge konvergiert, d.h. ∞ X |ak | k=1 konvergiert. • divergiert, falls sie nicht konvergiert. Wichtig ist das folgende Kriterium: Theorem 3.1: Falls eine Reihe (3.1) konvergiert, so ist (ak )k∈N eine Nullfolge in C (bzw. R). Vergleiche das mit der harmonischen Reihe ∞ X 1 k k=1 welche divergiert. Theorem 3.2: Konvergiert eine Reihe absolut, so konvergiert sie. Die Umkehrung ist i.A. falsch! Die nachfolgenden Kriterien sind wortwörtlich dem Buch Analysis 1 von O. Forster entlehnt. 3.1 Das Cauchy-Kriterium Dieses Kriterium rekurriert auf die Definition der Reihenkonvergenz und der Vollständigkeit von R und C. Theorem 3.3: Eine Reihe mit Gliedern in C konvergiert genau dann, wenn die Folge ihrer Partialsummen eine Cauchy-Folge ist. 3.2 Wurzel- und Quotientenkriterium für absolute Konvergenz Durch den Vergleich mit der geometrischen Reihe entstehen zwei wichtige Kriterien. Vergleiche hierzu Forster, Analysis 1, §7. Theorem 3.4 (Quotienten- & Wurzelkriterium): Es gilt: • Sei ∞ X k=1 ak 3 Konvergenzkriterien für Reihen 15 eine Reihe mit ak 6= 0 für alle k ≥ N , N ∈ N. Es gebe eine reelle Zahl 0 < θ < 1, so dass ak+1 ≤θ ∀k ≥ N : ak Dann konvergiert die Reihe absolut. Gilt andererseits ak+1 >ζ ∀k ≥ N : ak für ein ζ > 1, so divergiert die Reihe. • Sei ∞ X ak k=1 eine Reihe und es gebe ein 0 < θ < 1 und ein N ∈ N mit p ∀k ≥ N : k |ak | ≤ θ Dann konvergiert die Reihe absolut. Gilt andererseits p ∀k ≥ N : k |ak | > ζ für ein ζ > 1, so divergiert die Reihe. Beide Kriterien machen keine Aussage über den Fall, wenn die Quotienten gegen 1 konvergieren. Die Bedingungen der Kriterien sind etwa erfüllt, falls ak+1 =θ<1 lim k−→∞ ak beim Quotientenkriterium bzw. lim p k k−→∞ |ak | = θ < 1 Alternativ können wir mit dem größten bzw. kleinsten Häufungspunkt der Quotientenfolge/Wurzelfolge formulieren, d.h via Limes superior und Limes inferior. Über Quotienten- & Wurzelkriterium bekommen wir ein hinreichendes Kriterium für Nullfolgen. Beispiel 3.5: Zeigen Sie, dass die Folge (an )n∈N , definiert durch an = (2n)! n2n eine Nullfolge ist. Beispiel 3.6: Konvergiert ∞ X 3 k=1 1 5k − k sin( ) 2 k 3 Konvergenzkriterien für Reihen 3.3 16 Majoranten/ Minorantenkriterium Wichtig ist auch Theorem 3.7 (Majorantenkriterium): Sei ∞ X bk k=1 eine konvergente Reihe mit lauter nichtnegativen Gliedern und ∞ X ak k=1 eine Reihe mit ∀k ∈ N : 0 ≤ ak ≤ bk Dann konvergiert die Reihe ∞ X ak k=1 absolut. Ist andererseits ∞ X bk k=1 eine divergente Reihe mit lauter nicht-negativen Gliedern und ∞ X ak k=1 eine Reihe mit ∀k ∈ N : ak ≥ bk so divergiert die Reihe ∞ X ak k=1 Beispiel 3.8: Wichtig ist zu wissen, dass die harmonische Reihe ∞ X 1 k k=1 divergiert, wohingegen die Reihen ∞ X 1 kα k=1 für α > 1 konvergieren. 3 Konvergenzkriterien für Reihen 17 Beispiel 3.9: Es seien p : R −→ R ein Polynom vom Grad m ∈ N und q ein Polynom vom Grad n ∈ N. Weiters habe q keine Nullstelle in den natürlichen Zahlen. Dann konvergiert ∞ X p(k) k=1 q(k) genau dann, wenn m+2≤n 3.4 Das Leibnizkriterium. Das Leibnizkriterium ist zugeschnitten für alternierende Reihen. Es gilt: Theorem 3.10: Es sei (ak )k∈N eine monoton fallende Nullfolge, bestehend aus lauter nichtnegativen Gliedern. Dann konvergiert die alternierende Reihe ∞ X (−1)k ak k=1 Beispiel 3.11: Zeigen Sie die Konvergenz der Reihe ∞ X 1 (−1)k p(k) k=1 wobei p : R −→ R ein Polynom vom Grad n ≥ 1 ist, das zusätzlich auf N keine Nullstellen besitzt. 3.5 Wichtige Reihen. Nun zu den allerwichtigsten Reihen, die wir schematisch darstellen: • Die geometrische Reihe ist für q ∈ R definiert durch ∞ X qk k=0 Ist q 6= 1, so ergibt sich mittels der Formel n X qk = k=0 1 − q n+1 1−q dass die geometrische Reihe konvergiert, falls |q| < 1 und divergiert, falls |q| ≥ 1. Im Konvergenzfall gilt: |q| < 1 =⇒ ∞ X k=0 qk = 1 1−q 3 Konvergenzkriterien für Reihen 18 Wir merken an dieser Stelle an, dass die geometrische Reihe die Potenzreihe der Funktion q 7→ 1 1−q mit Entwicklungspunkt 0 ist. Da die geometrische Reihe nur für |q| < 1 konvergiert, ist der Konvergenzradius der Potenzreihe gerade ρ = 1. Analog kann man die Definition für q ∈ C treffen. Die obigen Aussagen bleiben dann gültig, wenn man den reellen Betrag durch den komplexen Betrag ersetzt. • Die Exponentialreihe ist für x ∈ R definiert durch exp(x) = ∞ X xk k=0 k! und konvergiert für jedes x ∈ R absolut. Wir können somit die Exponentialfunktion exp : R −→ R definieren über ∀x ∈ R : exp(x) = ∞ X xk k=0 k! Diese Funktion hat die folgenden Eigenschaften: (i) exp(0) = 1 und ∀x, y ∈ R : exp(x + y) = exp(x) exp(y) Letzteres sehen wir mit dem binomischen Lehrsatz n X n k n−k n ∀n ∈ N ∀x, y ∈ R : (x + y) = x y k k=0 und dem Cauchyprodukt von Reihen ein: Proposition 3.12: Seien ∞ X ak und k=0 ∞ X bk k=0 zwei absolut konvergente Reihen in R. Dann ist ! ! ∞ ∞ ∞ X n X X X ak · bk = ak bn−k k=0 k=0 n=0 k=0 4 Stetigkeit 19 Denn da die Exponentialreihe für alle x ∈ R absolut konvergent ist, gilt ! ∞ ! ∞ X X yk xk ∀x, y ∈ R : exp(x) exp(y) = k! k! k=0 k=0 ∞ n k n−k Cauchyprodukt X X x y = = k!(n − k)! n=0 k=0 n ∞ ∞ X 1 X n k n−k binomischeF ormel X (x + y)n x y = n! k n! n=0 n=0 k=0 Dies alles gilt natürlich auch für komplexe Zahlen. Wir merken an, dass die Exponentialfunktion stetig und unendlich oft differenzierbar. • Sinus und Cosinus. Sie sind für x ∈ R definiert als sin(x) = cos(x) = ∞ X (−1)k k=0 ∞ X (−1)k k=0 x2k+1 (2k + 1)! x2k (2k)! Wir merken die Exponentenwahl anhand der Tatsache, dass sin als Funktion ungerade und cos gerade ist. 4 Stetigkeit Grundlegende Fragen zur Stetigkeit: (i) Was bedeutet Stetigkeit einer Funktion f : R −→ R anschaulich? (ii) Kannst Du mindestens drei verschiedene Charakterisierungen von Stetigkeit einer Funktion f : Ω −→ R, wobei Ω ⊂ R eine Teilmenge ist, geben? (iii) Wie verhalten sich stetige Funktionen auf Kompakta? (iv) Kannst Du den Zwischenwertsatz formulieren? (v) Was ist gleichmäßige Stetigkeit und worin besteht der Unterschied zur Stetigkeit? (vi) Was ist Lipschitzstetigkeit? Worin besteht der Zusammenhang zu (gleichmäßiger) Stetigkeit? Wir kommen nun zum wichtigen Konzept der Stetigkeit und beginnen mit einer kleinen Heuristik. 4 Stetigkeit 20 Bemerkung 4.1: Eine Funktion nennen wir stetig, falls die Funktionswerte beliebig nahe aneinander liegen, falls die Argumente beliebig nahe aneinander liegen. Formal bedeutet dies: Definition 4.2: Sei D ⊂ R eine Teilmenge und f : D −→ R eine Funktion. Wir nennen f stetig in x ∈ D, falls ∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀y ∈ D : |x − y| < δ =⇒ |f (x) − f (y)| < ε (4.1) Wir nennen f stetig auf D, falls f in jedem x ∈ D stetig ist, d.h. ∀x ∈ D ∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀y ∈ D : |x − y| < δ =⇒ |f (x) − f (y)| < ε (4.2) Beachte, dass bei vorgegebenem ε > 0 das δ > 0 sehrwohl von x abhängen darf! Können wir allerdings δ stets unabhängig von x wählen, so sind wir bei der gleichmäßigen Stetigkeit: Definition 4.3: Es sei D ⊂ R und f : D −→ R eine Funktion. Sie heißt gleichmäßig stetig, falls ∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀x ∈ D ∀y ∈ D : |x − y| < δ =⇒ |f (x) − f (y)| < ε (4.3) gilt. Den Unterschied zwischen Stetigkeit auf D und gleichmäßiger Stetigkeit erkennen wir an der Position des Allquantors ∀x ∈ D: Einmal steht er vor ∃δ > 0 - das heißt, hier darf das δ von x abhängen, und einmal nach ∃δ > 0 - hier darf das δ nicht von x abhängen. 3 Definition 4.4: Sei D ⊂ R eine Teilmenge und f : D −→ R eine Funktion. Wir nennen f Lipschitzstetig auf D, falls ∃L > 0 ∀x, y ∈ D : |f (x) − f (y) ≤ L|x − y| (4.4) Die folgende Auflistung enthält die wichtigsten Sätze und Tatsachen über stetige Funktionen. • Es gilt f Lipschitzstetig =⇒ f gleichmäßig stetig =⇒ f stetig (4.5) Die umgekehrten Implikation sind im Allgemeinen falsch. • Stetige Funktionen auf kompakten Mengen sind gleichmäßig stetig. • Stetige Funktionen nehmen auf kompakten Mengen sowohl ihr Maximum als auch Minimum an. 4 Stetigkeit 21 • Topologische Charakterisierung der Stetigkeit: Eine reellwertige Funktion ist stetig genau dann, wenn die Urbilder offener Mengen wieder offen sind. • Zwischenwertsatz: Es sei a < b und f : [a, b] −→ R eine stetige Funktion mit f (a) < 0 und f (b) > 0. Dann existiert ein c ∈ (a, b) mit f (x) = 0. Wir sehen uns nun zwei Beispiele an. Beispiel 4.5 (Merkl 2004): Zeigen Sie, dass die durch ( (0, ∞) −→ R f: x 7→ x1 definierte Funktion stetig in x = 1 ist. Proof. Sei ε > 0 beliebig. Wir müssen δ > 0 so wählen, dass für |y − 1| < δ auch 1 − 1 < ε y gilt. Nun ist aber 1 − 1 = 1 − y y y Ist nun |1 − y| < δ, so folgt 1−δ <y <1+δ und hiermit: 1 1 < y 1−δ Wir müssen nun δ > 0 so bestimmen, dass 1 − 1 = 1 − y < δ < ε y y 1−δ ist. Dies führt uns mittels der Annahme δ ∈ (0, 1) (kurze Frage zum Nachdenken: Warum dürfen wir das annehmen?) und via δ < ε − εδ auf die Wahl δ< ε 1+ε δ= ε 1+ε Das heißt: Für ε > 0 und gilt für alle x, y ∈ (0, ∞) mit |1 − y| < δ, dass |f (y) − f (1)| = | y1 − 1| < ε und wir sind fertig. 5 Landausymbole und Grenzwerte von Funktionen 22 Beispiel 4.6: Zeigen Sie, dass die Gleichung ex = x + 3 genau eine Lösung auf R+ 0 hat. Proof. Wir betrachten die Hilfsfunktion g(x) ≡ ex − x − 3. Es gilt: g(z) = 0 ⇐⇒ ez = z + 3 Die Funktion g ist als Summe der stetigen Exponentialfunktion und der stetigen Polynomfunktion x 7→ x + 3 wiederum stetig und erfüllt g(0) = 1 − 0 − 3 = −2 < 0 und g(3) = e3 − 3 − 3 es ist aber e3 = exp(3) = ∞ X 3k k=0 k! =1+3+ 9 + r(3) > 8.5 2 mit r(3) > 0. Daher ist g(3) > 8.5 − 3 − 3 = 2.5 > 0. Da g stetig ist, liefert der Zwischenwertsatz die Existenz eines z ∈ (0, 3) mit g(z) = 0. Wir zeigen nun die Injektivität von g. Hierzu erinnern wir uns: Ist f : D −→ R mit D ⊂ R offenem Intervall, eine differenzierbare Funktion, deren Ableitung entweder auf ganz D positiv oder auf ganz D negativ ist, so ist f auf D streng monoton wachsend bzw. streng monoton fallend - in jedem Fall jedoch injektiv. Da g wiederum differenzierbar auf R+ ist, folgt wegen ∀x ∈ R+ : g 0 (x) = ex − 1 > 0 dass g streng monoton wachsend auf R+ und damit dort injektiv ist. Daher kann maximal eine Nullstelle existieren - nach der vorherigen Überlegung existiert mindestens eine. Somit existiert genau eine Nullstelle von g, d.h. genau eine Lösung der Gleichung f (x) = x. Wir geben nun eine äquivalente Formulierung von Stetigkeit. Bemerkung 4.7: Eine Funktion f : R −→ R ist stetig, falls eine der drei folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt ist: (i) f ist stetig im Spirit der ε − δ-Definition (ii) f ist folgenstetig, d.h. für jede Folge (xn )n∈N ⊂ R mit limn−→∞ xn = x gilt limn−→∞ f (xn ) = f (x); insbesondere existieren diese Limiten. (iii) Die Urbilder offener Mengen unter f sind wieder offen. (iv) Die Urbilder abgeschlossener Mengen unter f sind wieder abgeschlossen. 5 Landausymbole und Grenzwerte von Funktionen Grundlegende Fragen: (i) Nähern sich die Funktionswerte einem bestimmten Wert an, wenn sich die Argumente einem bestimmten Wert annähern? 5 Landausymbole und Grenzwerte von Funktionen 23 (ii) Wenn ja, wie schnell nähern sich die Funktionswerte einem solchen Wert an? Ohne genau auf die Konstruktion des Logarithmus einzugehen, begnügen wir uns mit der folgenden Tatsache: Die Exponentialfunktion exp : R −→ R+ ist stetig und bijektiv. Daher besitzt sie eine Umkehrfunktion, die wir den (natürlichen) Logarithmus nennen wollen. Wir schreiben für den natürlichen Logarithmus log : R+ −→ R Ausgehend von ∀x ∈ R : exp(x) = ∞ X xk k=0 k! stellen wir nun einige Grenzwerte vor. ex =∞ (5.1) x−→∞ xk Proof. Da wir für den Grenzübergang x −→ ∞ ohne Einschränkung x > 0 annehmen können, gilt wegen ∀k ∈ N : lim ∀k ∈ N ∀x ∈ R+ : exp(x) ≥ xk+1 (k + 1)! auch exp(x) x −→ +∞, x −→ +∞ > k (k + 1)! x was die Behauptung zeigt. An diesem Beispiel beobachten wir: Obwohl limx−→∞ exp(x) = ∞ und limx−→∞ xk = ∞ gilt, ist der Grenzwert ihres Quotienten nicht 1, sondern +∞. Dies liegt daran, dass exp(x) schneller gegen ∞ strebt als x. Das heißt wiederum, dass für x −→ ∞ die Funktionen x 7→ xk gegenüber exp(x) vernachlässigbar sind. Kürzen wir in diesem Beispiel g(x) = xk ab, so schreiben wir g(x) = o(exp(x)) für x −→ ∞ Das kleine Landausymbol f (x) = o(g(x)) beschreibt, dass für x −→ a die Funktion g die Funktion f dominiert. Präzise haben wir Definition 5.1: Seien f, g : D −→ R zwei auf einer Teilmenge D ⊂ R definierte Funktionen und a ∈ R ein Berührpunkt von D. Dann schreiben wir f (x) = o(g(x)), für x −→ a falls g(x) 6= 0 nahe x = a und f (x) =0 x−→a g(x) lim Analog ist das kleine Landausymbol o für den Grenzübergang x −→ ∞ erklärt. 5 Landausymbole und Grenzwerte von Funktionen 24 Das große Landausymbol sagt dagegen aus, dass eine Funktion f sich asymptotisch für einen bestimmten Grenzübergang höchstens wie eine Funktion g verhält: Definition 5.2: Seien f, g : D −→ R zwei auf einer Teilmenge D ⊂ R definierte Funktionen und a ∈ R ein Berührpunkt on D. Dann schreiben wie f (x) = O(g(x)), für x −→ a wenn es eine Umgebung U von a und eine Konstante C > 0 gibt mit ∀x ∈ U : |f (x)| ≤ C|g(x)| Analog ist das große Landausymbol O für den Grenzübergang x −→ ∞ erklärt. Angenommen, dass in einer Umgebung von a stets g(x) 6= 0 gilt. Dann können wir die Bedingung des großen Landausymbols als f (x) g(x) ≤ C schreiben und erhalten die folgende Merkregel : • Kleines Landausymbol: Quotienten |f (x)/g(x)| gehen für x −→ a gegen 0 • Großes Landausymbol: Quotienten |f (x)/g(x)| sind für x −→ a beschränkt. Zurück zu den Grenzwerten: lim x−→∞ log(x) =0 x Proof. Sei (xn )n∈N eine Folge in R+ mit limn−→∞ xn = ∞. Dann gilt ∀n ∈ N ∃yn ∈ R+ : xn = eyn Nun ist log(xn ) log(eyn ) yn = lim = lim =0 n−→∞ n−→∞ n−→∞ eyn xn ) eyn lim da ex = +∞ x−→∞ x lim gilt. Anders geschrieben bedeutet dies log(x) = o(x), für x −→ ∞ 6 Differentiation und Integration 25 Als letzten Grenzwert besprechen wir ex − 1 =1 (5.2) x−→0,x6=0 x was wir zum Beispiel mit der Potenzreihenentwicklung von exp einsehen. Wichtig für uns ist im Moment nur, dass die Quotienten nicht gegen 0 konvergieren, sondern gegen 1; sie sind also durch eine Konstante für x −→ 0 nach oben beschränkt – das heißt lim ex − 1 = O(x) oder anders geschrieben ex = 1 + O(x) 6 Differentiation und Integration Grundlegende Fragen: (i) Wie können wir die lokale Veränderung einer Funktion messen? (ii) Wie können wir den Inhalt von krummlinig begrenzten Flächen berechnen? Definition 6.1: Sei D ⊂ R eine Menge und a ∈ D ein Häufungspunkt von D. Eine Funktion f : D −→ R heißt in a ∈ D differenzierbar, falls d f (a + h) − f (a) f (x)|x=a ≡ lim (6.1) h−→0 dx h existiert. f heißt differenzierbar auf D, falls f für jedes a ∈ D differenzierbar in a ist. In diesem Fall heißt f 0 (a) die Ableitung von f in a. f 0 (a) = Existiert der Limes (6.1), so wissen wir, dass f (a + h) − f (a) h beschränkt ist in einer Umgebung von a, d.h. f (a + h) − f (a) = O(h) Andererseits gilt auch f (a + h) − f (a) − hf 0 (a) =0 h−→0 h lim was bedeutet, dass f (a + h) − f (a) − hf 0 (a) = o(h), für h −→ 0 beziehungsweise f (a + h) = f (a) + hf 0 (a) + o(h), für h −→ 0 Darüberhinaus impliziert Differenzierbarkeit die Stetigkeit: Bemerkung 6.2: Ist eine Funktion f : D −→ R differenzierbar, so ist sie auch stetig. Die Umkehrung ist im Allgemeinen falsch, betrachte hierzu die Betragsfunktion. 6 Differentiation und Integration 6.1 26 Differentiationsregeln Wir wiederholen nun kurz die Differentiationsregeln: Proposition 6.3: Es sei D ⊂ R und a ∈ D ein Häfungspunkt von D. Es seien weiters f, g : D −→ R zwei in a differenzierbare Funktionen und λ ∈ R eine Konstante. Dann gilt: • f + g, λf und f · g sind in a auch differenzierbar und es gilt (f + g)0 (a) = f 0 (a) + g 0 (a) (λf )0 (a) = λf 0 (a) (f · g)0 (a) = f 0 (a)g(a) + f (a)g 0 (a) • Ist g(x) 6= 0 für alle x ∈ D, so ist f /g auch in a differenzierbar mit 0 f 0 (a)g(a) − f (a)g 0 (a) f (a) = g (g(a))2 Von besonderem Interesse ist die Kettenregel : Proposition 6.4: Seien D, V ⊂ R offen und f : D −→ R, g : V −→ R differenzierbar. Ferner sei f (D) ⊂ V . Dann ist auch g ◦ f differenzierbar mit ∀a ∈ D : (g ◦ f )0 (x) = f 0 (a) · (g 0 ◦ f )(a) (6.2) Beispiel 6.5: Bestimmen Sie die Ableitung und den maximalen Definitionsbereich D ⊂ R der Funktion f (x) = xcos(x) Wir besprechen noch kurz die Umkehrfunktion; implizit haben wir das mit dem Logarithmus auch schon getan. Hierzu erinnern wir an eine Tatsache, die sowohl in Analysis 1 als auch linearer Algebra 1 besprochen wurde: Eine Abbildung f : A −→ B zwischen zwei Mengen A und B ist umkehrbar, falls sie bijektiv ist. In der Analysis wollen wir aber zusätzlich wissen, wie die Ableitung der Umkehrfunktion aussieht. Hierbei hilft der folgende Satz: Proposition 6.6: Sei I ⊂ R ein nichttriviales Intervall und f : I −→ R eine stetige, streng monotone Funktion und g = f −1 : f (I) −→ R die Umkehrfunktion. Ist f in x ∈ I differenzierbar, und f 0 (x) 6= 0, so ist g im Punkt y = f (x) differenzierbar und es gilt g 0 (y) = 1 f 0 (g(y)) (6.3) 6 Differentiation und Integration 27 Diesen Satz kann man sich wie folgt herleiten: f (f −1 (x)) = x dif f erenzieren =⇒ (f −1 )0 (x)f 0 (f −1 (x)) = 1 1 =⇒ (f −1 )0 (x) = 0 −1 f (f (x)) Wir berechnen ein Beispiel: Beispiel 6.7: Bestimmen Sie die Ableitungen von arcsin und arctan auf ihrem maximalen Definitionsbereich. Beispiel 6.8: Bestimmen Sie die Umkehrfunktion und deren Ableitung von sinh : R −→ R Wir schließen diese Section damit, dass höhere Ableitungen und somit mehrfache Differenzierbar rekursiv definiert sind. 6.2 Die Regeln von L’Hospital Mittels der Regeln von L’Hospital können wir schnell und elegant Grenzwerte bestimmen. Hierbei stützen wir uns auf Proposition 6.9: Es seien f, g : I = (a, b) −→ R zwei differenzierbare Funktionen, wobei −∞ ≤ a < b ≤ +∞. Es gelte g 0 (x) 6= 0 auf I und es existiere der Limes f 0 (x) =c∈R x%b g 0 (x) lim (6.4) Dann folgt: • Falls limx%b g(x) = limx%b f (x) = 0, so ist g(x) 6= 0 für alle x ∈ I und f (x) =c x%b g(x) lim (6.5) • Falls limx%b g(x) = ±∞, so ist g(x) 6= 0 für x ≥ x0 , a < x0 < b und es gilt ebenfalls lim x%b f (x) =c g(x) Analoge Aussagen gelten für den Grenzübergang x & a. Hierzu besprechen wir das folgende Beispiel: Beispiel 6.10 (Merkl 2004): Zeigen Sie ex 1 1 1 1 = − + x + o(x), für x −→ 0 −1 x 2 12 (6.6) 6 Differentiation und Integration 6.3 28 Extrema und der Mittelwertsatz Wir wiederholen nun ein bekanntes Konzept, nämlich Extrema von differenzierbaren Funktionen. Wir nennen ein z ∈ I, wobei I ein offenes Intervall ist, eine Maximalstelle einer Funktion f : I −→ R, falls ∃ε > 0 : ∀x ∈ Bε (z) ∩ I : f (x) ≤ f (z) (6.7) und eine Minimalstelle, falls ∃ε > 0 : ∀x ∈ Bε (z) ∩ I : f (x) ≥ f (z) (6.8) Proposition 6.11: Sei I = (a, b), −∞ ≤ a <≤ b ≤ ∞ ein offenes Intervall und f : I −→ ∞ eine zweimal stetig differenzierbare Funktion auf I. Weiter sei z ∈ I. • Eine notwendige Bedingung für das Vorliegen einer Maximal- bzw. Minimalstelle z ist f 0 (z) = 0 • Ist f zweimal differenzierbar, so liegt in z eine Maximalstelle vor, falls f 0 (z) = 0 und f 00 (z) < 0, eine Minimalstelle, falls f 0 (z) = 0 und f 00 (z) > 0 • Gilt für ein Teilintervall J ⊂ I ∀x ∈ J : f 0 (x) > 0 so ist die Funktion f in J streng monoton steigend. Gilt hingegen ∀x ∈ J : f 0 (x) < 0 so ist die Funktion f in J streng monoton fallend. Wir besprechen nun einen weiteren Cornerstone der Analysis, den Mittelwertsatz. Theorem 6.12: Die Funktion f : [a, b] −→ R sei auf dem abgeschlossenen Intervall [a, b], a < b stetig und auf dem offenen Intervall (a, b) differenzierbar. Dann gibt es ein c ∈ (a, b) mit f (b) − f (a) = f 0 (c) b−a Dieser Satz lässt sich graphisch via Sekanten interpretieren. Ein Spezialfall ist der folgende Satz. Proposition 6.13: Gilt unter den Voraussetzungen des Mittelwertsatzes zusätzlich f (a) = f (b), so existiert ein c ∈ (a, b) mit f 0 (c) = 0. Wir besprechen nun zwei Anwendungen. Beispiel 6.14: Sei f : R −→ R eine stetig differenzierbare Funktion mit uniform beschränkter Ableitung. Dann ist f Lipschitz- und insbesondere gleichmäßig stetig. 6 Differentiation und Integration 29 Beispiel 6.15: Es sei f : [0, 1] −→ R+ eine nullstellenfreie Funktion mit f (0) = 1 und f (1) = e. Zeigen Sie: Es gibt ein ζ ∈ [0, 1] mit f (ζ) = f 0 (ζ). Beispiel 6.16: Sei f : [0, 1] −→ R differenzierbar. Man zeige: Gilt f (0) = 0 und f 0 (x) ≤ λf (x) für ein festes λ > 0 und alle x ∈ [0, 1], so ist f (x) ≤ 0 für alle x ∈ [0, 1]. 6.4 Integrale Wir besprechen zunächst Treppenfunktionen, mit denen wir Funktionen approximieren wollen. Sei hierzu a < b. Definition 6.17: Eine Funktion ϕ : [a, b] −→ R heißt Treppenfunktion, falls es Punkte a = x0 < x1 < · · · < xn−1 < xn = b und Zahlen c1 , · · · , cn ∈ R gibt mit ∀x ∈ [a, b] : ϕ(x) = n X ck 1(xk−1 ,xk ) (6.9) k=1 Für eine Treppenfunktion ϕ mit der Darstellung (6.10) definieren wir das bestimmte Integral von a nach b als Z b n X ck |xk − xk−1 | (6.10) ϕ(x) dx = a k=1 Wir erweitern nun den Integralbegriff kanonisch auf sog. Regelfunktionen. Definition 6.18: Sei I ein Intervall mit Anfangspunkt a ∈ R und Endpunkt b ∈ R. Eine Funktion f : I −→ R heißt Regelfunktion, falls sie in jedem Punkt x ∈ I einen rechtsseitigen und linksseitigen Grenzwert besitzt und im Fall a ∈ I in a einen rechtsseitigen, im Fall b ∈ I einen linksseitigen Grenzwert in b besitzt. Den Vektorraum (!) aller Regelfunktionen f : I −→ R bezeichnen wir mit R(I). Beispielweise sind stetige Funktionen Regelfunktionen. Hier gilt sogar, dass jeweils rechts- und linksseitige Grenzwerte übereinstimmen. Wir wiederholen nun, dass ||f || ≡ sup {|f (x)| : x ∈ [a, b]} (6.11) eine Norm auf dem Raum der Regelfunktionen f : I = [a, b] −→ R definiert, die i.A. jedoch nicht für beliebige Funktionen wohldefiniert sein muss. Ohne weiter auf entsprechende Approximationsargumente einzugehen, konstruieren wir das Riemannintegral wie folgt: Theorem 6.19: Es sei f : [a, b] −→ R eine Regelfunktion. Dann gibt es eine Folge (ϕn )n∈N von Treppenfunktionen mit ||f − ϕn || −→ 0, n −→ ∞, sodass Z b Z b f (x) dx ≡ lim ϕn (x) dx (6.12) a n−→∞ a existiert. Insbesondere hängt er nicht von der Approximationsfolge ab. 6 Differentiation und Integration 30 Das hiermit definierte Integral hat folgende Eigenschaften: Für alle Regelfunktionen f, g : I = [a, b] −→ R und reelle Zahlen c, d ∈ R gilt: b Z b Z f (x) dx f (x) dx + d cf (x) + dg(x) dx = c a a Z b Z b f (x) dx ≤ |f (x)| dx ≤ (b − a)||f || (a) a (b) a a b Z (c) b Z Z f (x) dx ≤ (∀x ∈ I : f (x) ≤ g(x)) =⇒ b g(x) dx a a Hiermit lässt sich der Mittelwertsatz der Integralrechnung formulieren. Theorem 6.20: Es sei f : [a, b] −→ R eine stetige Funktion und p : [a, b] −→ R eine Regelfunktion mit p ≥ 0. Dann gibt es ein ζ ∈ [a, b] mit Z b Z f (x)p(x) dx = f (ζ) a b p(x) dx (6.13) a Hiermit lässt sich beispoielsweise die folgende Aufgabe lösen. Beispiel 6.21: Zeigen Sie für eine stetige Funktion f : R −→ R, dass Z 1 3 f (0) = lim f (hx)x2 dx h−→0 −1 2 gilt. Um jedoch Integrale konkret zu berechnen, nützen wir oftmals den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung. Er liest sich wie folgt: Theorem 6.22: Es sei f : I −→ R eine Regelfunktion auf einem Intervall I. Sei a ∈ I fest gewählt und für x ∈ I setze Z x F (x) = f (ζ) dζ (6.14) a Dann gilt: F ist eine Stammfunktion zu f auf I, d.h. F ist an jeder Stelle x0 ∈ I sowohl linksseitig als auch rechtsseitig differenzierbar mit d F− |x=x0 = f− (x0 ) dx mit entsprechender Modifikation für den rechtsseitigen Grenzwert. Insbesondere ist F an jeder Stetigkeitsstelle x0 von f differenzierbar mit F 0 (x0 ) = f (x0 ). Mit einer beliebigen Stammfunktion Φ von f auf I gilt dann Z b f (x) dx = Φ(b) − Φ(a) a (6.15) 6 Differentiation und Integration 6.5 31 Einige Grundintegrale Nach dem Hauptsatz genügt es also, Stammfunktionen zu kennen, um bestimmte Integrale zu berechnen. Die folgende Auflistung gibt einen Überblick über wichtige Stammfunktionen. Um die Notation zu klären legen wir noch fest, dass wir die Menge aller Stammfunktionen von f mit Z f (x) dx bezeichnen. Der letzte Ausdruck heißt auch unbestimmtes Integral. Da Stammfunktionen nur bis auf eine additive Konstante eindeutig sind, genügt es eine Stammfunktion F zu finden; sodann ist das unbestimmte Integral gegeben durch Z f (x) dx = {F (x) + C : C ∈ R} Nun zu der angekündigten Auflistung: Z xn+1 n 6= −1 =⇒ xn dx = +C n+1 Z 1 dx = log(x) + C x Z sin(x) dx = − cos(x) + C Z cos(x) dx = sin(x) + C Z ex dx = ex + C Z 1 dx = arctan(x) + C 1 + x2 Überprüfe, ob es sich jeweils tatäschlich um eine Stammfunktion handelt: Wenn Du die rechte Seite ableitest, muss der Integrand herauskommen - d.h. das f in Z f (x) dx. 6.6 Integrationsmethoden • Partielle Integration. Sie folgt leicht aus der Produktregel: (u(x)v(x))0 = u(x)v 0 (x) + u0 (x)v(x) =⇒ Z Z 0 u(x)v(x) = u(x)v (x) dx + u0 (x)v(x) dx Z Z 0 =⇒ u(x)v (x) dx = u(x)v(x) − u0 (x)v(x) dx Hiermit berechnen wir einige Stammfunktionen. 7 Lösungsvorschläge für einige ausgewählte Aufgaben der Probeklausur von Prof. Dr. Merkl 32 Beispiel 6.23: Bestimmen Sie Z log(x) dx Z cos2 (x) dx Z cos3 (x) dx • Partialbruchzerlegung. Die Idee hierbei ist, rationale Funktionen f (x) = am xm + · · · + a1 x + a0 bn xn + · · · + b1x + b0 zu integrieren. Wir führen sie immer auf den Logarithmus bzw. den Arcustangens zurück. Wir behandeln hierzu zwei Beispiele: Beispiel 6.24: Bestimmen Sie Z 7 Lösungsvorschläge für einige ausgewählte Aufgaben der Probeklausur von Prof. Dr. Merkl Die hier vorgestellten Lösungsvorschläge sind keine Musterlösung – und hoffentlich fehlerlos. Aufgabe 7.1: Bestimmen Sie für cot(x) = 1 + cx + o(x) x die Zahl c. Lösung: Wir erinnern uns an die Formel (6.7) und an cot(x) = cos(x) sin(x) Es gilt f (x) ≡ cot(x) − 1 cos(x)x − sin(x) = x sin(x)x 7 Lösungsvorschläge für einige ausgewählte Aufgaben der Probeklausur von Prof. Dr. Merkl 33 Mit L’Hospital (dessen Anwendbarkeit überprüft werden muss) bekommen wir lim cos(x) sin(x) − 1 x x x−→0 − c + lim − cx = cos(x)x−sin(x) x sin(x) = x cos(x)x − sin(x) L0 Hospital − c + lim = x−→0 x sin(x)x cos(x) − x sin(x) − cos(x) = − c + lim x−→0 2x sin(x) + x2 cos(x) − sin(x) L0 Hospital = − c + lim x−→0 2 sin(x) + x cos(x) − cos(x) 1 ! − c + lim = −c − = 0 x−→0 2 cos(x) + cos(x) + x sin(x) 3 x−→0 Also ist c=− 1 3 was alles zeigt. Aufgabe 7.2: Berechnen Sie d dt Z t3 2 e−x dx t2 2 Lösung: Wir wissen, dass die stetige Funktion f (x) = e−x eine Stammfunktion besitzt. Eine mögliche Wahl ist Z t 2 Φ(t) = e−x dx 0 Sodann gilt nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung, dass Z t3 2 e−x dx = Φ(t3 ) − Φ(t2 ) t2 2 Nun ist Φ natürlich als Stammfunktion differenzierbar mit Φ0 (t) = e−t und es folgt mit Kettenregel Z 3 d t −x2 e dx = dt t2 d (Φ(t3 ) − Φ(t2 )) = dt 3t2 Φ0 (t3 ) − 2tΦ0 (t2 ) = 6 4 3t2 e−t − 2te−t was gerade gefragt war. 8 Übungen 8 34 Übungen Die folgenden Aufgaben sollen bei der Klausurvorbereitung helfen. Lösungen werden am Freitag, 15.02.2013 auf der Website gmeineder.jimdo.com veröffentlicht. 8.1 Vollständige Induktion (i) Wir schreiben für x, y ∈ N x|y, wenn x die Zahl y teilt, d.h. ∃k ∈ N : y = kx Beweisen Sie: ∀n ∈ N : 3| 2 X (n + j)3 j=0 (ii) Zeigen Sie für alle n ≥ 4: 1 n2 < n 3 n (iii) Sei f : (−1, 1) −→ R definiert durch f (x) = log( 1+x 1−x ). Zeigen Sie (n − 1)! (n − 1)! dn f (x) = (−1)n−1 + n n dx 1 + x) (1 − x)n 8.2 Folgen (i) Definieren Sie für eine komplexe Zahlenfolge (an )n∈N ⊂ C: (an )n∈N ist konvergent gegen a ∈ C, ist Cauchy-Folge und hat einen Häufungspunkt b ∈ C. Zeigen Sie: Ist eine komplexe Zahlenfolge Cauchy-Folge und hat sie einen Häufungspunkt z ∈ C, so konvergiert sie bereits. (ii) Geben Sie die Definition eines Häufungspunktes einer komplexen Zahlenfolge. Zeigen Sie, dass die Folge (an )n∈N ⊂ C, definiert durch √ in n + 1 an = √ n+2 vier Häufungspunkte hat und bestimmen Sie diese. Weisen Sie für einen Häufungspunkt explizit anhand der Definition, dass es sich tatsächlich um einen Häufungspunkt handelt. (iii) Definieren Sie, wann eine Funktion f : [0, 1] −→ R stetig in t ∈ [0, 1] und stetig auf dem ganzen Intervall genannt wird. Gelte nun für eine stetige Funktion f : [0, 1] −→ R: ∀0 ≤ x ≤ 1 : f (x) ≥ x. Zeigen Sie: Genügt eine Folge (xn )n∈N ⊂ [0, 1] der Bedingung xk+1 ≥ f (xk ) für alle k ∈ N, so konvergiert die Folge und ihr Grenzwert ist Fixpunkt der Funktion f , d.h. der Grenzwert z erfüllt f (z) = z. 8 Übungen 8.3 35 Topologie (i) Definieren Sie für A ⊂ C, wann A offen, abgeschlossen, kompakt ist. (ii) Zeigen Sie, dass endliche Vereinigungen von kompakten Mengen in C wieder kompakt sind. Gilt dies auch für unendliche Vereinigungen? (iii) Definieren Sie das Supremum einer nach oben beschränkten Menge A ⊂ R. Sei (Ak )k∈N eine Folge von abgeschlossenen Mengen mit den folgenden Eigenschaften: diam(Ak ) = k −1−α (8.1) wobei α > 0 und diam(B) = sup {|x − y| : x, y ∈ B} Weiters berühren sich zwei beliebige Mengen Ak , Aj genau in einem Punkt. Zeigen oder widerlegen Sie: Die Vereinigung der Ak ist kompakt. (iv) Definieren Sie innerer Punkt, Randpunkt und isolierter Punkt einer Menge A ⊂ C. Sei nun z ∈ H ≡ {z ∈ C : =(z) > 0) und (zn )n∈N ⊂ C eine Folge mit limn−→∞ zn = z. Zeigen oder widerlegen Sie, dass unendlich viele Glieder der Folge einen positiven Imaginärteil besitzen. 8.4 Reihen (i) Bestimmen Sie, ob die nachfolgenden Reihen konvergieren, absolut konvergieren oder divergieren. ∞ X k=1 2k 2 (k + 1)3k ∞ X k=1 (−1)k log(k + 1) 2k ∞ X 2k 1 − 5k k=1 2 ∞ X (k + 1)k k=1 k k 2 2k (ii) Bestimmen Sie den Wert der folgenden Reihen: ∞ X k=1 √ 1 √ k+1+ k ∞ X 22k−1 5 · 42k+3 k=1 (iii) Definieren Sie die Exponentialreihe auf C und formulieren Sie den Satz von der majorisierten Konvergenz. Zeigen Sie, dass ∀z ∈ C : |ez − 1| ≤ |z|e|z| 8 Übungen 36 Beweisen Sie: Sei konvergiert auch P∞ k=1 ak eine absolut konvergente Reihe in C. Dann ∞ X (eak − 1) k=1 absolut. (iv) Beweisen Sie, dass jede Reihe der Form ∞ X k=1 kj k j+2 + c mit j ∈ N und c > 0 konvergiert. Verwenden Sie nun ohne Beweis, dass ∞ X 1 π2 = k2 6 k=1 Bestimmen Sie mit Begründung lim n−→∞ ∞ −n−k X e +2 k=1 k2 (v) Leiten Sie ein Additionstheorem her. (vi) Definieren Sie den Konvergenzradius einer komplexen Potenzreihe. Bestimmen Sie alle x ∈ R, so dass die reellen (!) Potenzreihen konvergieren: ∞ X k! k x bk2 k=1 8.5 ∞ X k 5 5k xk k=1 Stetigkeit (i) Zeigen Sie, dass für alle x ∈ R gilt: max(0, x) = 21 (x + |x|). Zeigen Sie hiermit: Ist f : R −→ R Lipschitzstetig, so ist die durch ( x 7→ max(f (x), 0) gf ≡ R −→ R ebenfalls Lipschitzstetig. (ii) Definieren Sie, wann eine Funktion f : R −→ R stetig bzw gleichmäßig stetig genannt wird. Zeigen Sie anhand dieser Definitionen, dass die Funktion f : R −→ R, 1 f (x) = cosh(x) gleichmäßig stetig ist. (iii) Formulieren Sie den Zwischenwertsatz. Zeigen Sie, dass die Gleichung x4 = 1 + x in (1, ∞) genau eine Lösung hat. 8 Übungen 8.6 37 Differenzierbarkeit (i) Definieren Sie, wann eine Funktion f : R −→ R differenzierbar heißt. Sei nun f : R −→ R eine Abbildung mit |f (x) − f (y)| ≤ |x − y|2 für alle x, y ∈ R. Zeigen Sie, dass f auf ganz R differenzierbar und konstant ist. (ii) Wie oft ist die Funktion ( x2 e x , x ≥ 0 f (x) = −x2 e−x , x < 0 in x = 0 differenzierbar? Beweisen Sie Ihre Aussage. (iii) Formulieren Sie den Mittelwertsatz und den Satz von Rolle. Zeigen Sie: Eine stetig differenzierbare Funktion f : R −→ R ist genau dann Lipschitzstetig, wenn ihre Ableitung uniform beschränkt ist. (iv) Formulieren Sie den Satz über die Ableitung der Umkehrfunktion. Zeigen Sie, dass die auf ganz R definierte Funktion f (x) = x + ex umkehrbar ist und berechnen Sie die Ableitung der Umkehrfunktion im Punkt z = 1. (v) Bestimmen Sie die folgenden Grenzwerte (−→ Tipp: L’Hospital ): π/2 − arcsin(x) x%−1 (1 − x)1/2 lim lim x−→∞ x sin(x) log(sinh(x3 )) (vi) Definieren Sie die Landau-Symbole o und O. Zeigen Sie, dass log(1 + x) = m X k=0 (−1)k+1 xk + O(xm+1 ) k Geben Sie eine analoge Asymptotik mittels des kleinen Landausymbols. 8.7 Integrale (i) Bestimmen Sie die folgenden Integrale. Es bietet sich an, dies in dieser Reihenfolge zu erledigen, da Sie auf die ersten Integrale zurückgreifen werden. Verwenden Sie Substitution und partielle Integration und begründen Sie vor allem bei Subsitutionen, warum diese in den jeweiligen Fällen erlaubt sind. Z Z arctan(x) 1 (a) dx (b) dx 2 3 1+x x +x √ Z Z arctan( x) arctan(x) √ (c) dx (d) dx x2 x Z r Z p 1−x (e) dx (f ) 1 − sin(x)dx 1+x 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 38 (ii) Bestimmen Sie unter der Annahme 4ac > b2 das Integral Z dx 2 ax + bx + c (iii) Zeigen Sie: f : R −→ R ist genau dann stetig, wenn gilt: Z x+ε 1 f (ζ) dζ ∀x ∈ R : f (x) = lim ε−→0 2ε x−ε (iv) Es sei f : [0, 1] −→ R eine nicht-konstante, stetige Funktion mit f ≥ 0. Zeigen Sie, dass Z 1 f (x) dx > 0 0 8.8 Funktionenfolgen Für n ∈ N betrachten wir die Funktionenfolgen (fn )n∈N , definiert durch xn , fn : [0, 1] −→ R 1 + xn fn (x) = (sin(x))n , fn : R −→ R arctan(nx) fn (x) = : R −→ R 1 + nx2 fn (x) = (8.2) (8.3) (8.4) Bestimmen Sie, ob die Funktionenfolgen punktweise (und gleichmäßig) konvergieren und bestimme gegebenenfalls die Grenzfunktion. Beweisen Sie Ihre Aussagen. 9 9.1 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben Vollständige Induktion - Aufgabe (i) Induktionsanfang: 2 X n = 0 =⇒ (n + j)3 = 0 + 13 + 23 = 9 j=0 und dies ist offensichtlich durch 3 teilbar. Für n = 1 (je nach dem, wo bei euch die natürlichen Zahlen anfangen), gilt: n = 1 =⇒ 2 X j=0 (n + j)3 = 1 + 23 + 33 = 9 + 27 = 36 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 39 was ebenso durch 3 teilbar ist. Für den Induktionsschritt n −→ n + 1, beachte nun mittels binomischer Formel, dass 2 X 3 (n + 1 + j) = j=0 2 X 2 X ((n + j) + 1)3 = j=0 ((n + j)3 + 3(n + j)2 · 1 + 3(n + j)1 · 1 + 1) = j=0 2 X 2 X (n + j)3 + 3 ((n + j)2 + (n + j)) + 6 j=0 j=0 Der erste Summand in der letzten Summe ist nach Induktionsvoraussetzung durch 3 teilbar, der zweite und dritte ist jeweils ein Vielfaches von 3 und somit insbesondere durch 3 teilbar. Es folgt die Behauptung. 9.2 Vollständige Induktion - Aufgabe (ii) Zunächst bemerken wir, dass die Aussage offensichtlich äquivalent ist zu n3 <1 3n Induktionsanfang: n = 4 =⇒ 43 64 = <1 34 81 Induktionsschritt: n → n + 1: n3 + 3n2 + 3n + 1 1 n3 3n2 (n + 1)3 = = + n 3n+1 3n+1 3 3n 3 IV 1 1 1 1 1 1 1 < 1+ + 2 + n < 1+ + + 3 n n 3 3 4 16 3n 1 + n + n 3 3 1 1 < ·3=1 3 3 Hierbei haben wir benutzt, dass n ≥ 4 =⇒ 1 1 1 1 1 1 1 1 ≤ ≤ , n ≤ , 2 ≤ ≤ n 4 3 3 3 n 16 3 Damit ist alles gezeigt. 9.3 Vollständige Induktion - Aufgabe (iii) Zunächst bemerken wir, dass die hier angegebene Funktion f auf (0, 1) stetig differenzierbar ist, denn 1+x 1−x 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 40 ist in diesem Intervall größer als 0 und hat keine Definitionslücke auf (0, 1) - als rationale Funktion mit diesen Eigenschaften ist sie ergo auf (0, 1) stetig differenzierbar. Der Logarithmus ist auf (0, ∞) stetig differenzierbar und es folgt nach Kettenregel, dass es somit die Funktion f wie angegeben auf (0, 1 auch ist. Der Induktionsschritt n = 1 besteht unter Verwendung der Quotienten- und Kettenregel darin: d1 (1 − x) · 1 + (1 + x) 1 − x f (x) = f 0 (x) = · = 1 dx (1 − x)2 1+x 2 2(1 − x) = 2 (1 − x) (1 + x) (1 − x)(1 + x) Andererseits gilt: (−1)0 1 1 1−x+1+x 2 + = = 1 + x (1 − x) (1 + x)(1 − x) (1 + x)(1 − x) was den Induktionsanfang zeigt. Nun zum Induktionsschritt n −→ n + 1: Es folgt mit Kettenregel und Quotientenregel, dass n dn+1 d d IV f (x) = f (x) = dxn+1 dx dxn d (n − 1)! n−1 (n − 1)! (−1) = + dx (1 + x)n (1 − x)n −1 · n(1 + x)n−1 +n(1 − x)n−1 (−1)n−1 (n − 1)! + (n − 1)! = (1 + x)2n (1 − x)2n 1 1 (−1)n n! + n! n+1 (1 + x) (1 − x)n+1 da (n − 1)!n = n! und a2n−(n−1) = an+1 gilt. Das zeigt den Induktionsschritt. 9.4 Folgen - Aufgabe (i) Die Definitionen wurden bereits im Tutorium wiederholt. Sei also (an )n eine komplexe Cauchyfolge mit Häufungspunkt z ∈ C. Wir zeigen, dass sie gegen z konvergiert. Sei also ε > 0 beliebig. Dann gibt es nach Definition der Cauchyfolge ein N ∈ N mit ∀n, m ≥ N : |an − am | < ε/2 Nimm dieses N ∈ N. Nach Definition des Häufungspunkts gibt es ein k ≥ N mit |ak − a| < ε/2 Dieses k erfüllt natürlich auch k ≥ N , also können wir die Cauchybedingung ’draufwerfen’ und erhalten ∀n ≥ N : |an − a| = |(an − ak ) + (ak − a)| ≤ |an − ak | + |ak − a| < ε/2 + ε/2 = ε 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 41 Also, da ε > 0 beliebig war, ∀ε > 0∃N ∈ N∀n ≥ N : |an − a| < ε und wir sind durch. 9.5 Folgen - Aufgabe (ii) Wegen i = i, i2 = −1, i3 = −i, i4 = 1 und √ n+1 lim √ =1 n−→∞ n−1 erkennen wir die möglichen Häufungspunkte i, −1, −i, 1. Wir zeigen nun, dass i in der Tat ein Häufungspunkt ist. Hierzu zeigen wir zuerst p (4k + 1) + 1 lim i p =i k−→∞ (4k + 1) − 1 Ich begründe das nun nicht ausführlich und spare mir das ε-Argument (anders als in der Klausur, wie ich vermute). Es ist r p √ (4k + 1) + 1 4k + 2 oEk6=0 2 p = −→ 1, k −→ ∞ = √ 1+ 4k 4k (4k + 1) − 1 Damit gilt wegen |i| = 1, z ∈ C&=(z) = 0 =⇒ |z| = |<(z)| und ∀k ∈ N : i4k+1 = i dass p i (4k + 1) + 1 ∀ε > 0∃M (ε) ∈ N∀n ≥ M (ε) : p − i < ε (4k + 1) − 1 Sei nun ε > 0 und N ∈ N beliebig. Wir finden ein K ∈ N sodass 4k + 1 ≥ max(M (ε), N ). Setze n = 4K + 1; sodann gilt nach dem Obigen √ p i n + 1 i (4K + 1) + 1 √ =p − i − i <ε n−1 (4K + 1) − 1 was die Behauptung zeigt. 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 9.6 42 Folgen - Aufgabe (iii) Die Definition spare ich mir hier. Wir zeigen, dass (xn ) monoton steigend und beschränkt ist. Nach dem Monotoniekriterium aus der Vorlesung konvergiert (xn ) dann schon! Nach Voraussetzung gilt ∀n ∈ N : xn+1 ≥ f (xn ) ≥? xn (9.1) Dabei gilt ?, denn nach Voraussetzung f (x) ≥ x, also insbesondere, da ∀n ∈ N : xn ∈ I, f (xn ) ≥ xn . Nun ist I ein kompaktes Intervall, f nach Voraussetzung stetig. Nach Vorlesung nimmt f als stetige Funktion dann sein Maximum an irgendeinem Punkt ζ ∈ I an. Notiere dieses Maximum mit C, dann gilt: ∀n ∈ N : C ≥ f (xn ) ≥ xn (9.2) da wiederum ∀n ∈ N : xn ∈ I gilt. Also ist (xn ) monoton steigend und beschränkt, konvergiert also! Damit ist Teilaufgabe (a) bewiesen und wir können ab jetzt von einem Grenzwert limn→∞ xn = x0 sprechen. Beachte: Dessen Existenz haben wir gerade geklärt. Beachte zudem: I ist abgeschlossen, daher gilt außerdem x0 ∈ I. Da f stetig ist in I, können wir den Limes in das Argument hineinziehen. Damit erhalten wir: f (x0 ) = f lim xn = lim f (xn ) (9.3) |{z} n→∞ n→∞ f ist stetig Da der Limes einer konvergenten Folge in I ⊂ R eindeutig ist 1 , gilt: ≥ |{z} x0 = lim xn+1 n→∞ lim f (xn ) n→∞ ∀n∈N : xn+1 ≥f (xn ) f lim xn = f (x0 ) n→∞ ≥ |{z} = |{z} f ist stetig x0 ∀x∈I : f (x)≥x Damit erhalten wir x0 ≥ f (x0 ) ≥ x0 , was nichts anderes bedeutet als f (x0 ) = x0 . Beachte: Der letzte Schritt in der Ungleichungskette funktioniert nur, da x0 ∈ I ist! 9.7 Topologie - Aufgabe (i) Haben wir im Tutorium bereits gemacht;) 9.8 Topologie - Aufgabe (ii) Seien A1 , · · · , An endliche viele kompakte Teilmengen von C Sei nun A ≡ (Ak )k∈I 1 Wen es interessiert: Das gilt nur in Räumen, die die sog. Hausdorffsche Trennungseigenschaft besitzen, d.h.: Zu je zwei verschiedenen Punkten können wir disjunkte Umgebungen finden! 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 43 wobei I eine beliebige Indexmenge ist, eine offene Überdeckung von [ Aj 1≤j≤n Insbesondere ist dann A eine offene Überdeckung eines jeden Aj , 1 ≤ j ≤ n. Für Aj existierten also wegen der Kompaktheit endlich viele Ajk1 , · · · , Ajkl ∈ A mit [ Aj ⊂ Ajkm m=1,··· ,l Es folgt, dass [ [ Aj ⊂ 1≤j≤n Aj ⊂ 1≤j≤n [ Ajkm m=1,··· ,l ist, womit ( [ Ajkm )1≤j≤n m=1,··· ,l die gewünschte endliche (offene) Teilüberdeckung ist. Damit ist die endliche Vereinigung von kompakten Mengen wiederum kompakt. Dies gilt jedoch nicht für unendliche Vereinigungen: Betrachte die Intervalle [n, n + 1] in R, wobei n ∈ N, die alle kompakt sind, ihre (unendliche) Vereinigung jedoch nicht. 9.9 Topologie - Aufgabe (iv) Die Definitionen spare ich mir, wir haben sie bereits im Tutorium vorgenommen. Sei z ∈ H. Dann ist =(z) > 0 und wir wählen ε = =(z) 2 . Dann gilt nach der Definition der Konvergenz ∃N ∈ N ∀n ≥ N : |z − zn | < ε und somit wegen |z| = p <(z)2 + =(z)2 dass ∃N ∈ N ∀n ≥ N : (<(z) − <(zn ))2 + (=(z) − =(zn ))2 < ε2 und insbesondere für n ≥ N , dass |=(z) − =(zn )| < ε und daher 0< ε = −ε + =(z) < =(zn ) 2 Das heißt aber gerade, dass ∃N ∈ N ∀n ≥ N : zn ∈ H was die Behauptung zeigt. 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 9.10 44 Reihen - Aufgabe (i) Für die erste Reihe nützen wir das Quotientenkriterium - hier kürze ich ab, vereinfachende Rechenschritte lasse ich außen vor. In der Klausur müssen diese allerdings eingefügt werden! Reihe oben links: Wir verwenden das Quotientenkriterium. k 2 ak+1 = 2(k + 1) (k + 2)3 −→ 1 < 1 ak (k + 1)3k+1 2(k + 1)2 3 Die Reihe konvergiert also nach Quotientenkriterium. Reihe oben rechts: Wir verwenden das Wurzelkriterium. s 2 2k 2k 2k 4 k = <1 −→ 1 − 5k |1 − 5k| 25 Die Reihe konvergiert nach dem Wurzelkriterium. Reihe unten links: Wir verwenden das Leibnizkriterium. Wir wissen, dass der Logarithmus streng monoton steigend ist, da nach Vorlesung 1 d log(x) = > 0 dx x für x > 0 gilt. Also ist, da k 7→ k + 1 ebenfalls streng mnonoton steigend von N nach N ist, die Folge 1 k 7→ log(k + 1) streng monoton fallend (und wohldefiniert, da k + 1 ≥ 2 für k ≥ 1 und somit log(k + 1) 6= 0). Da nach Vorlesung auch limx−→∞ log(x) = ∞, folgt zudem 1 =0 k+1 log(k + 1) lim und (1/ log(k +1))k∈N ist monoton fallende Nullfolge. Damit folgt die Konvergenz dieser alternierenden Reihe mittels des Leibnizkriteriums. Reihe unten rechts: wir verwenden das Wurzelkriterium. Es ist nämlich s k k k2 p (k + 1) e 1 1 k (k + 1) k |ak | = k2 k = 1+ −→ > 1 = k 2 k 2 k 2 k 2 da e > 2. Damit divergiert die Reihe nach dem Wurzelkriterium. 9.11 Reihen - Aufgabe (ii) Zunächst ist ∞ X ∞ N X X √ √ √ √ 1 √ = ( k + 1 − k) = lim ( k + 1 − k) = N −→∞ k + 1 + k k=1 k=1 k=1 √ √ √ √ √ √ √ √ = lim N + 1 − N + N − · · · + 3 − 2 + 2 − 1 = lim N + 1 − 1 = +∞ √ N −→∞ N −→∞ 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 45 Bei der zweiten AUfgabe handelt es sich um einen Abkömmling der geometrischen Reihe: Wir wissen, dass ∞ X qk = k=1 q 1 −1= 1−q 1−q und hiermit ergibt sich ∞ ∞ X 22k−1 1 X 1 k 1 = = 640 4 3 · 640 5 · 42k+3 k=1 9.12 k=1 Reihen - Aufgabe (iii) Es gilt nach Definition der Exponentialfunktion auf C: ∀z ∈ C : exp(z) = ∞ X zk k=0 k! Somit folgt z |e − 1| = | |z| lim ∞ X zk k! | = |z k=1 N X |z|k−1 N −→∞ k=1 k! ∞ X z k−1 k! k=1 = |z| lim | ≤ |z| ∞ X |z|k−1 k=1 N −1 X N −→∞ k=0 k! = ∞ X |z|k |z|k = |x| = |z|e|z| k! k! k=0 Um den Rest der Aufgabe zu zeigen, müssen wir beweisen, dass ∞ X |ean − 1| n=1 konvergiert. Wir wissen, dass ∞ X |an | n=1 konvergiert nach Voraussetzung. Also ist (|an |)n Nullfolge und damit nach Vorlesung als konvergente Folge beschränkt, d.h. ∃C > 0 : ∀n ∈ N : |an | < C Da exp : R −→ R streng monoton wachsend ist, folgt |an | ≤ C =⇒ e|an ≤ eC Wir schätzen mithilfe der oben bewiesenen Abschätzung ab: ∞ X k=1 |ean − 1| ≤ ∞ X k=1 |an |e|an | ≤ ∞ X k=1 |an |eC = eC ∞ X |an | k=1 und da die letzte Summe konvergent ist und eC < +∞, folgt die Konvergenz der Reihe nach dem Majorantenkriterium. 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 9.13 46 Reihen - Aufgabe (iv) Wir nützen das Majorantenkriterium und den Hinweis. Es ist nämlich ∞ X k=1 Aber es ist c kj ∞ kj 1 k6=0 X = j+2 2 k +c k + k=1 c kj > 0, also ist für alle k ∈ N: k2 ≤ k2 + 1 1 c =⇒ 2 < 2 j j k k + c/k k also nach Majorantenkriterium: ∞ X k=1 1 k2 + c kj ∞ X 1 ≤ <∞ k2 k=1 nach Vorlesung beziehungsweise Hinweis. Damit folgt nach dem Majorantenkriterium die Behauptung, da alle Reihenglieder nichtnegativ sind. Wir bemerken nun, dass ∀k, n ∈ N : 0 ≤ e−n−k + 2 ≤ 2 und somit ∞ −n−k X e − +2 k2 k=1 ≤ ∞ X 2 k2 k=1 was nach majorisierter/dominierter Konvergenz nun konvergiert, unabhängig von n ∈ N. Nach dem Satz über die dominierte Konvergenz gilt dann lim n−→∞ ∞ −n−k X e +2 k=1 k2 = = ∞ X k=1 e−n−k + 2 n−→∞ k2 lim ∞ X π2 2 = k2 3 k=1 wobei die Limesvertauschung nur (!) wegen der dominierten Konvergenz funktioniert. 9.14 Reihen - Aufgabe (v) Wir zeigen das Additionstheorem für Sinus und Cosinus. Es gilt nach der Eulerschen Formel cos(x + y) + i sin(x + y) = ei(x+y) = eix+iy = eix eiy = (cos(x) + i sin(x))(cos(y) + i sin(y)) = (cos(x) cos(y) − sin(x) sin(y)) + i(sin(y) cos(x) + sin(x) cos(y)) 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 47 Da zwei komplexe Zahlen aber genau dann übereinstimmen, wenn es ihre Realund Imaginärteile tun, folgt somit cos(x + y) = cos(x) cos(y) − sin(x) sin(y) und analog sin(x + y) = sin(y) cos(x) + sin(x) cos(y) und wir sind fertig. 9.15 Reihen - Aufgabe (vi) Da wir dies noch nicht besprochen haben: Der Konvergenzradius einer komplexen Potenzreihe ∞ X ak z k k=1 P∞ ist die kleinste Zahl ρ ≥ 0 sodass k=1 ak z k für alle z ∈ C mit |z| < ρ konvergiert. Nach der Formel von Hadamard berechnet sich der Konvergenzradius wie folgt: • Für die erste Potenzreihe rechnen wir: 2 ak k!|b|(k+1) ρ = lim = lim 2 k−→∞ ak+1 k−→∞ |b|k (k + 1)! ( = ∞, für |b| > 1 1 2k+1 = lim |b| = k−→∞ k + 1 = 0, für |b| ≤ 1 • Für die zweite Potenzreihe rechnen wir: ak k 5 5k 1 = lim ρ = lim = 5 k+1 k−→∞ (k + 1) 5 k−→∞ ak+1 5 9.16 Stetigkeit - Aufgabe (i) 1.Fall: f (x) ≥ 0, sodann gilt: 1 1 max(f, 0)(x) = max(f (x), 0) = f (x) = (f (x) + f (x)) = (f (x) + |f (x)|) 2 2 2.Fall: f (x) < 0, sodann gilt: 1 1 max(f, 0)(x) = max(f (x), 0) = 0 = (f (x) − f (x)) = (f (x) + |f (x)|) 2 2 Da dies für alle x ∈ R gilt, folgt die Behauptung. Sei nun f Lipschitz, d.h. ∃L ≥ 0 ∀x, y ∈ R : |f (x) − f (y)| ≤ L|x − y| 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 48 Daher ∀x, y ∈ R : | max(f, 0)(x) − max(f, 0)(y)| = 1 (|f (x) + |f (x)| − f (y) + |f (y)|) 2 1 = |(f (x) − f (y)) + (|f (x)| − |f (y)|)| ≤ 2 1 (|f (x) − f (y)| + ||f (x)| − |f (y)||) ≤ L|x − y| 2 mit Dreiecksungleichung und umgekehrter Dreiecksungleichung. Dies beweist die Behauptung. 9.17 Stetigkeit - Aufgabe (ii) Wir nennen eine Funktion f : R −→ R gleichmäßig stetig, falls gilt: ∀ε > 0∃δ > 0∀x, y ∈ R : |x − y| < δ =⇒ |f (x) − f (y)| < ε 9.18 Stetigkeit - Aufgabe (iii) Der Zwischenwertsatz besagt in einer Version: Sei a < b, a, b ∈ R und f : [a, b] −→ R eine stetige Funktion mit f (a) < 0 < f (b). Dann besitzt f eine Nullstelle im Intervall (a, b). Hiermit beweisen wir die Behauptung. Wir bemerken, dass jede Nullstelle der Funktion f (x) = x4 − x − 1 eine Lösung der Gleichung x4 = x + 1 ist. Nun haben wir aber f (1) = −1 und f (2) = 16 − 2 − 1 = 13 > 0. Also existiert im Intervall (1, 2) eine Nullstelle. Aber f ist auf (1, +∞) streng monoton steigend und somit injektiv nach Vorlesung, denn f ist als Polynom differenzierbar mit f 0 (x) = 4x3 + 1 > 0 für x > 1. Also existiert nach dem Zwischenwertsatz mindestens eine Nullstelle in (1, ∞) und mit der Injektivität höchstens eine: Ergo existiert in diesem Intervall genau eine Nullstelle. 9.19 Differenzierbarkeit - Aufgabe (i) Wir wiederholen, dass eine Funktion f : R −→ R differenzierbar in x heißt, falls der Limes f (x + h) − f (x) lim h−→0 h existiert. Dies ist offensichtlich äquivalent dazu, dass der Limes lim y−→x f (y) − f (x) y−x 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 49 existiert. Da der Betrag auf R eine stetige Funktion und der Limes monoton ist, gilt nach Voraussetzung lim f (y) − f (x) = lim f (y) − f (x) ≤ lim |y − x| = 0 y−→x y − x y−→x y − x y−→x Insbesondere folgt hiermit, dass unser Differentialquotient unabhängig von x ∈ R existiert und gleich 0 ist - was heißt, dass die Funktion differenzierbar mit Ableitung 0 ist und überdies stetig: Es folgt, dass f auf R konstant ist. 9.20 Differenzierbarkeit - Aufgabe (ii) Abseits von x = 0 ist die Funktion differenzierbar mit Ableitung ( 2xex + x2 ex für x > 0 0 f (x) = −2xe−x + x2 e−x für x < 0 wie unmittelbar aus Produkt- und Kettenregel folgt. Wir müssen allerdings bei x = 0 recht vorsichtig sein, denn: Ein häufiger Fehler ist es, nun Stetigkeit für die gerade berechneten Ableitungen zu zeigen und sodann im Existenzfall zu schließen, die Funktion sei differenzierbar in x = 0. Nein! In diesem Fall müsst ihr zusätzlich die Stetigkeit der Funktion in x = 0 zeigen, sonst folgt gar nichts! Also, heran ans Werk! Wir berechnen f (0 + h) − f (0) h2 e−h = lim = lim he−h = 0 h−→0+ h−→0+ h−→0+ h h 2 −h f (0 + h) − f (0) −h e lim = lim = lim −he−h = 0 h−→0− h−→0− h−→0− h h lim Die beiden Grenzwerte stimmen also überein und es folgt, dass die Funktion differenzierbar ist in x = 0 mit f 0 (0) = 0. Damit dürfen wir getrost schreiben: ( 2xex + x2 ex für x ≥ 0 f 0 (x) = −2xe−x + x2 e−x für x ≤ 0 Nun aber führen wir dieses Procedere auch für die zweite Ableitung im Punkt x = 0 durch und erhalten: f 0 (0 + h) − f 0 (0) 2heh + h2 eh = lim = lim 2eh + heh = 2 h−→0+ h−→0+ h−→0+ h h 0 0 −h 2 −h f (0 + h) − f (0) −2he + h e = lim = lim −2e−h + he−h = −2 lim h−→0− h−→0− h−→0− h h lim Aber 2 6= −2, die Grenzwerte stimmen also nicht überein! Die Funktion ist also nicht zweimal differenzierbar in x = 0, aber einmal. 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 9.21 50 Differenzierbakeit - Aufgabe (v) Ich wende nun die Regeln von L’Hospital an. Die Anwendbarkeit dieser Regeln ist in den folgenden Fällen gewährleistet - überprüft dies jedoch bitte selber. Wir wissen, dass d 1 arcsin(x) = √ dx 1 − x2 und ferner auch d −1 (1 − x)1/2 = √ dx 2 1−x ist. Hier mit folgt mit L’Hospital √ − arcsin(x) (−1)2 1 − x p lim = lim = x%1 (1 − x)1/2 x%1 (−1) (1 − x)(1 + x) √ 2 lim √ = 2 x%1 x+1 π 2 Wir berechnen für die zweite Aufgabe: d (x sin(x)) = sin(x) + x cos(x) dx und d 1 log(sinh(x3 )) = 3x2 cosh(x3 ) = 3x2 coth(x3 ) dx sinh(x3 ) Nun ist cosh(x3 ) =1 x−→∞ sinh(x3 ) lim wie man leicht bestätigt. Also folgt lim x−→∞ 9.22 x sin(x) sin(x) + x cos(x) = lim =0 3 x−→∞ log(sinh(x )) 3x2 coth(x3 ) Integrale - Aufgabe (i) Wir bemerken, dass wegen (f 2 (x))0 = 2f (x)f 0 (x) gilt, dass Z 1 f 0 (x)f (x) dx = (f (x))2 2 Hiermit folgt wegen arctan(x)0 = 1 1 + x2 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben dass Z 51 arctan(x) 1 dx = (arctan(x))2 + C 2 1+x 2 mit C ∈ R. Es ist mit Partialbruchzerlegung: 1 A Bx A(x2 + 1) + Bx2 = + = =⇒ A = 1, B = −1 x3 + x x x2 + 1 x3 + x Z Z dx 1 x 1 = − 2 dx = log(x) − log(x2 + 1) + C 3 x +x x x +1 2 Denn: Z 1 x dx = 2 x +1 2 Z 2x 1 dx = 2 1+x 2 mit C ∈ R. Für substituieren wir Z √ Z f 0 (x) 1 dx = log(|f (x)|) + C f (x) 2 √ arctan( x) √ dx x x = z und erhalten wegen z 0 (x) = dz 1 dx = √ =⇒ dz = √ dx 2 x 2 x Hiermit ist dann √ Z Z Z √ dx arctan( x) √ dx = 2 arctan( x) √ = 2 arctan(z)dz x 2 x Wir müssen nun den Arcustangens integrieren. Dies machen wir mit partieller Integration, nämlich: Z Z arctan(z)dz = 1 · arctan(z)dz Z 1 2z 1 = z arctan(z) − dz = z arctan(z) − log(1 + z 2 ) + C 2 1 + z2 2 Also √ Z Z √ dx arctan( x) √ dx = 2 arctan( x) √ = 2 arctan(z)dz = x 2 x √ √ 1 1 = z arctan(z) − log(1 + z 2 ) + C = x arctan( x) − log(1 + |x|) + C 2 2 Z 9 Lösungen zu ausgewählten Übungsaufgaben 9.23 52 Integrale - Aufgabe (iii) Angenommen, f ist stetig. Sei x ∈ R. Dann, für gegebenes ε > 0 ∃δ > 0∀y ∈ R : |x − y| < δ =⇒ |f (x) − f (y)| < ε Das bedeutet für so ein δ > 0, dass −ε + f (x) < f (y) < ε + f (x) Damit Z x+ε Z x+ε Z −ε + f (x)dy ≤ 1 =⇒ 2ε x−ε Z x+ε x−ε x+ε f (y)dy ≤ x−ε x+ε Z 1 −ε + f (x)dy ≤ 2ε x−ε Z x+ε 1 2ε und nun, mit Monotonie des Limes: ε + f (x)dy x−ε =⇒ −ε + f (x) ≤ 1 f (y)dy ≤ 2ε Z x+ε ε + f (x)dy x−ε f (y)dy ≤ ε + f (x) x−ε 1 lim −ε + f (x) ≤ lim ε−→0 ε−→0 2ε Z 1 ε−→0 2ε Z x+ε f (y)dy ≤ lim ε + f (x) ε−→0 x−ε also x+ε f (y)dy ≤ f (x) +f (x) ≤ lim x−ε was die eine Richtung zeigt. 9.24 Integrale - Aufgabe (iv) Zunächst existiert wegen der Nichtkonstanz und Nichtnegativität von f auf [0, 1] ein z ∈ [0, 1] mit f (z) > 0. Sei ε = f (z)/2. Dann existiert ein δ > 0 mit |x − y| < δ =⇒ |f (x) − f (z)| < ε Ist also |x − z| < δ, so gilt f (z) = −ε + f (z) < f (x) < ε + f (x) 2 Hauptsächlich gilt im Intervall (z − δ, z + δ) offensichtlich f (x) > 0, und somit wegen Z 0< 1 f ≥ 0 =⇒ f (x) dx 0 und Z x+δ f > 0 =⇒ f (x)dx > 0 z−δ auch Z 1 Z z−δ f (x)dx = 0 Z z+δ f (x)dx + 0 was die Behauptung zeigt. Z 1 f (x)dx + z−δ f (x)dx > 0 x+δ 10 Referenzen 10 53 Referenzen (i) Analysis 1, Otto Forster, 6. Auflage, Vieweg Verlag. (ii) Analysis 1, Konrad Königsberger, 6. Auflage, Springer Verlag. (iii) Aufgabensammlung der höheren Mathematik, Vasili P. Minorski, 14. Auflage, Fachbuchverlag Leipzig. (iv) Repetitorium der Analysis - Teil 1, Steffen Timmann, 2. Auflage, Binomi Verlag