Vorkurs Mathematik für Studierende der Fachrichtungen Mathematik und Informatik Wintersemester 2017/18 Alexander Ullmann, Patryk Brzezinski CAU Kiel (PerLe) Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis iv Einleitung 1 1 Aussagen, Mengen und Quantoren 1.1 Aussagen und logische Verknüpfungen 1.2 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die Quantoren ∃ und ∀ . . . . . . . . . 1.4 Verneinung (Negation) von Aussagen . . . . . 3 3 5 7 8 Zahlenbereiche N, Z, Q, R Bruchrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechenregeln für reelle Zahlen und Ordnungsrelationen . . . . . . . . . . . . . . . Intervalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 12 15 16 2 Die 2.1 2.2 2.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Beweistechniken und einige Beweise Teil I 4 Potenzrechnung, Logarithmen und Rechnen mit 4.1 Potenzen und Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Die Logarithmengesetze . . . . . . . . . . 4.3 Der Betrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Beträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Gleichungen und Ungleichungen 5.1 Gleichungen und Ungleichungen in einer Variablen . . . . . . . 5.2 Quadratische Gleichungen und Ungleichungen . . . . . . . . . . 5.2.1 Quadratische Gleichungen und Quadratische Ergänzung 5.2.2 Lösungsmengen quadratischer Ungleichungen . . . . . . 5.3 Wurzelgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Bruchungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Betragsungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 ...in zwei Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 24 26 27 28 . . . . . . . . 29 29 31 31 32 34 35 36 37 iv INHALTSVERZEICHNIS 6 Funktionen 6.1 Definition und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Eigenschaften von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Die Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 41 47 48 7 Spezielle Funktionen 7.1 Konstante Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Lineare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Lineare Funktion im Sinne der Schulmathematik 7.2.2 Lineare Funktion im Sinne der Linearen Algebra 7.3 Quadratische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Polynomfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Gebrochen rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Die Potenzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Die Exponentialfunktion und die Logarithmusfunktion . 7.8 Betragsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9 Indikatorfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.10 Stückweise definierte Funktionen . . . . . . . . . . . . . 7.11 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . 7.11.1 Herleitung und Definition . . . . . . . . . . . . . 7.11.2 Die Additionstheoreme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 51 52 52 52 53 54 55 57 59 59 60 61 62 62 64 . . . . 65 66 67 71 72 8 Die 8.1 8.2 8.3 8.4 komplexen Zahlen Rechnen mit komplexen Zahlen . . . . Die Gaußsche Zahlenebene . . . . . . . Lösen quadratischer Gleichungen in C Polardarstellung und Einheitswurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Analytische Geometrie in Ebene und Raum 9.1 Der Vektorraum Rn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Die euklidische Ebene R2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Geraden in der Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Der Schnitt von Geraden in der Ebene und lineare Gleichungssysteme mit zwei Unbekannten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3 Norm und Skalarprodukt in der euklidischen Ebene . . . . . . . . . . . . . 9.3 Der euklidische Raum R3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Geraden und Ebenen im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 75 76 77 10 Beweistechniken und einige Beweise Teil II 10.1 Bearbeitung von Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 89 91 Index 93 79 82 83 83 Einleitung 1 Einleitung Dieser Kurs soll wichtige Bereiche Ihres Schulwissens möglichst konsistent aufbereiten. Er richtet sich insbesondere an Studierende, die Unsicherheiten im Umgang mit dem mathematischen Schulstoff haben, deren Mathematikunterricht länger zurückliegt oder deren mathematischer Schulstoff nicht alle für das Studium notwendige Voraussetzungen umfasste. Der Vorkurs muss sich auf das Notwendigste beschränken, soll Sie aber schon vertraut machen mit der präzisen Darstellung mathematischer Sachverhalte, wie sie das Studium vermitteln und verlangen wird. Die dargestellten Inhalte sind vielerorts, sei es frei erhältlich im Internet, oder auf dem Büchermarkt in guten Darstellungen zu finden. In diesen Kurs fließen aber die speziellen Erfahrungen des Lehrbetriebes von Dozenten der ersten Semester Mathematik ein. Über Jahre konnten wir gravierende Lücken vieler Studienanfänger im Umgang mit elementaren Rechentechniken und Definitionen, wie Rechnen mit Beträgen oder den sicheren Umgang mit Ungleichungen beobachten. Wenn solche Lücken nicht aufgearbeitet werden, kann daran leicht das erfolgreiche Studium scheitern. Auch beobachteten wir bei vielen Studienanfängern und -anfängerinnen große Hemmungen, sich eigenständig an das Lösen auch einfacherer Übungsaufgaben zu machen. Das ist aber unumgänglich um mit dem Fortschreiten des Stoffes Schritt zu halten und nicht irgendwann „abgehängt“ zu werden. Eine weitere Hürde für das Studium stellt für viele das Formulieren und Aufschreiben eines vollständigen Beweises dar. Auch an diesen Aspekt des Mathematikstudiums wollen wir Sie in diesem Vorkurs bereits heranführen. Dieser Vorkurs soll jedem Studienanfänger und jeder Studienanfängerin die Chance bieten, im Studium von Anfang an alle Übungsangebote optimal für sich nutzen zu können und damit die Grundlage für ein erfolgreiches Mathematikoder Informatikstudium an der CAU Kiel bieten. Dieses Skript basiert auf einer überarbeiteten Version eines Vorkurses Mathematik, der seit 2009 am KIT in Karlsruhe gehalten wird und ursprünglich von Frau Dr. Johanna Dettweiler entworfen wurde, und es wurden Elemente aus bereits am Mathematischen Seminar in Kiel gehaltenen Vorkursen von Herrn Prof. Hermann König und Herrn Dr. Hauke Klein übernommen. Kiel, im Herbst 2017 Alexander Ullmann 2 Einleitung Kapitel 1 Aussagen, Mengen und Quantoren 1.1 Aussagen und logische Verknüpfungen Wenn man sich über Mathematik verständigen will, ist es unumgänglich zu verstehen, was mathematische Aussagen sind und wie sie verknüpft werden können. Erst dann kann man verstehen, was bspw. ein mathematischer Beweis ist. Daher fängt dieser Vorkurs mit mathematischen Aussagen an und behandelt in Kürze, wie daraus durch verschiedene Verknüpfungen neue Aussagen entstehen. Definition 1.1.1 ((Mathematische) Aussagen). Eine Aussage im mathematischen Sinne ist ein sprachliches Gebilde, dessen Wahrheitsgehalt stets mit „wahr“ oder „falsch“ angegeben werden kann. Beispiele 1.1.2. (1) Folgendes sind mathematische Aussagen: • Dienstag ist ein Wochentag. • Dienstag ist Montag. • 2 ist eine gerade Zahl. • 2 = 1. (2) Folgendes sind keine mathematische Aussagen: • Mathematik macht Spaß. • x2 + 2x + 1. • x2 + 1 = 0. (Was ist x?). • Diese Aussage ist falsch. Ein zentraler Aspekt besteht nun darin, verschiedene Aussagen miteinander in Relation zu setzen. Dazu verwenden wir die folgenden logischen Verknüpfungen von Aussagen A, B: 3 4 1. Aussagen, Mengen und Quantoren Bezeichnung 1. Negation 2. Konjunktion (und) 3. Disjunktion (oder) 4. Implikation (Folgerung) 5. Äquivalenz (genau dann, wenn) Symbol Bedeutung der Verknüpfung ¬A A∧B A∨B A⇒B A⇔B nicht A A und B A oder B aus A folgt B A und B sind äquivalent, d.h. es gilt A ⇒ B und B ⇒ A Sie werden definiert über Wahrheitstafeln (dabei steht „w“ für wahr und „f“ für falsch): A B ¬A A∧B A∨B A⇒B A⇔B w w f f w f w f f f w w w f f f w w w f w f w w w f f w Aussagen, die durch logische Verknüpfung von anderen Aussagen entstehen, nennen wir gelegentlich auch zusammengesetzte Aussagen. Definition 1.1.3 (Tautologische Äquivalenz). Zwei (ggf. zusammengesetzte) Aussagen A und B heißen tautologisch äquivalent, wenn Sie dieselben Wahrheitstafeln besitzen. Wir schreiben in diesem Fall A =||= B. Zum Beispiel gelten (Nachweis über Wahrheitstafeln): 1. ¬(A ∨ B) =||= ¬A ∧ ¬B , 2. (A ⇒ B) =||= (¬A ∨ B), 3. ¬(A ⇒ B) =||= (A ∧ ¬B), 4. (A ⇒ B) =||= (¬B ⇒ ¬A), aber A ⇒ B ist nicht tautologisch äquivalent zu B ⇒ A. 5. (A ⇐⇒ B) =||= A ⇒ B ∧ B ⇒ A 1.2. Mengen 5 Beispiele aus dem alltäglichen Sprachgebrauch (Achtung, hierbei handelt es sich streng genommen nicht um Aussagen in unserem Sinn): Zu 2. Die Aussage „Wenn Du nicht aufräumst, dann bekommst Du Stubenarrest“ lässt sich auffassen als Implikation A ⇒ B mit den Aussagen A : Du räumst nicht auf und B : Du bekommst Stubenarrest. In der Tat ist diese Aussage auch umgangssprachlich gleichwertig mit „Du räumst auf, oder Du bekommst Du Stubenarrest“, also mit ¬A ∨ B. Zu 3. Ebenso lässt sich die Aussage „Wenn Du aufräumst, dann bekommst Du 10 Euro“ als Implikation A ⇒ B auffassen, dieses mal mit den Aussagen A : Du räumst auf und B : Du bekommst 10 Euro. Diese Aussage ist offenbar falsch genau dann, wenn sie eine „Lüge“ ist, wenn der Angesprochene also aufräumt, aber keine 10 Euro bekommt, wenn also A wahr und B falsch ist, bzw. wenn A ∧ ¬B gilt. Zu 4. Die Aussage „Wenn es regnet, wird die Straße nass“ lässt sich als Implikation A ⇒ B auffassen mit den Aussagen A : Es regnet und B : Die Straße wird nass. Wenn die Straße also nicht nass wird, kann es nicht regnen, d.h. wir haben tautologische Äquivalenz zur Aussage ¬B ⇒ ¬A, aber wenn die Straße (wie auch immer) nass wird, können wird daraus nicht folgern, dass es auch regnet. Man beachte: • Das logische „oder“ ist nicht-ausschließend, also nicht zu verwechseln mit „entweder ... oder“. • Ist A falsch, so ist die Implikation A ⇒ B stets wahr („ex falso quodlibet“)! Zum Beispiel gilt 1 < 0 ⇒ 2 = 3. • Die Negation einer Implikation ist eine „und“-Aussage, vgl. dazu auch Punkt 3. oben und das zugehörige sprachliche Beispiel. 1.2 Mengen „Naiver“ Mengenbegriff nach Cantor: Eine Menge ist eine Zusammenfassung bestimmter, wohlunterschiedener Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Für jedes Objekt muss eindeutig feststellbar sein, ob es zu der Menge gehört oder nicht. Die zu einer Menge gehörenden Objekte heißen Elemente der Menge. Mengen werden üblicherweise mit Großbuchstaben A, B, C, ... und ihre Elemente mit kleinen Buchstaben a, b, c, ... bezeichnet. Wir schreiben a ∈ A für „a ist Element von A“ und a 6∈ A für „a ist nicht Element von A“. Darstellung von Mengen. Elemente von Mengen werden durch geschweifte Klammern {...} zusammengefasst. Dies geschieht entweder durch die aufzählende Darstellung oder durch die beschreibende Darstellung: 6 1. Aussagen, Mengen und Quantoren (1) Ein Beispiel zur aufzählende Darstellung von Mengen: Die Menge A der Buchstaben des Namens „Paula“, mit Unterscheidung großer und kleiner Buchstaben, ist: A := {P, a, u, l, a} = {P, a, u, l} = {l, P, u, a}. oder durch die Darstellung {x|x hat die Eigenschaft E}, wie zum Beispiel: (2) Die beschreibende Darstellung von Mengen hat allgemein die Gestalt {x|x hat die Eigenschaft E}, wie zum Beispiel: B := {x|x ∈ A, x ist ein Großbuchstabe } = {P } oder C := {x|x ist eine ungerade Zahl}. (Dabei bedeutet X := Y „X sei definiert als Y “). Ist für ein x aus einer Menge X die Eigenschaft E in Gestalt eines Ausdruckes E(x) gegeben, so sind gleichbedeutend {x ∈ X| x hat die Eigenschaft E} sowie {x ∈ X| E(x) ist wahr}, oder meist kurz {x ∈ X| E(x)}. Die so definierte Menge ist dann eine Teilmenge von X (s.u.). Man beachte: Eine bedingte (also teilweise) aufzählende Darstellung von unendlichen Mengen mit „Pünktchenschreibweise“ ist zwar oft intuitiv und auch anschaulicher, aber niemals exakt. Definiert man zum Beispiel M := {1, 2, 4, 8, 16, . . .}, so suggeriert dies zwar M = {n ∈ N | n = 2k für eine k ∈ N}, aber es könnte genauso gut sein M = {1, 2, 4, 8, 16, 30, . . .} = {n ∈ N | n ist die Anzahl der Teiler von m! für ein m ∈ N}, oder n∈N ( M = {1, 2, 4, 8, 16, 31, . . .} = ) n ist die maximale Anzahl von Gebieten, die man durch geradliniges Verbinden von m Punkten auf einem Kreisrand . aus einer Kreisscheibe ausschneidet für ein m ∈ N Eine beeindruckende Übersicht über bekannte Zahlenreihen (der auch diese Beispiele entnommen sind), finden Sie unter http://oeis.org/. Definition 1.2.1 (Teil- und Obermengen). Es seien A und B Mengen. (1) Die Menge A heißt Teilmenge der Menge B, wenn jedes Element a aus A auch Element von B ist. Wir schreiben in diesem Fall A ⊆ B 1 . Ist A nicht Teilmenge von B, gibt es also eine Element a ∈ A welches nicht Element von B ist, so schreiben wir A 6⊆ B. (2) Ist A ⊆ B, so nennt man B auch Obermenge von A und notiert B ⊇ A. (3) Gilt A ⊆ B und B ⊆ A, so sind die Mengen gleich und wir schreiben A = B. 1 Oft wird in diesem Fall auch die Notation A ⊂ B verwendet. 1.3. Die Quantoren ∃ und ∀ 7 Beispiel 1.2.2. Definiere die Mengen A := {1, 2, 3}, B := {1, 2, 3, 4}, C := {1, 2, 3, 2, 1} und D := {2, 4}. Dann gilt: A ⊆ B, A ⊆ C, C ⊆ A, A = C und A 6⊆ D. Definition 1.2.3 (Leere Menge). Die Menge ∅, die kein Element besitzt, wird als leere Menge bezeichnet. Achtung: Die leere Menge ∅ ist nicht zu verwechseln mit {∅} oder {0}; insbesondere ist {∅} = 6 ∅, aber ∅ ⊆ {∅} und ∅ ∈ {∅} (Anschaulich: Ein Sack, in dem ein leerer Sack ist, ist selbst nicht leer). Definition 1.2.4 (Schnitt- und Vereinigungsmenge, relatives Komplement). Seien A, B Mengen. Die Schnittmenge A ∩ B von A und B wird definiert als A ∩ B := {x|x ∈ A und x ∈ B}. Die Vereinigungsmenge A ∪ B von A und B wird definiert als A ∪ B := {x|x ∈ A oder x ∈ B}. Als relatives Komplement von B in A definiert man A \ B := {x ∈ A|x 6∈ B}. Definition 1.2.5 (Das kartesiche Produkt von Mengen). Seien A, B Mengen. Dann heißt die Menge aller geordneten Paare (a, b) von Elementen a ∈ A und b ∈ B A × B := {(a, b) | a ∈ A, b ∈ B} das sog. kartesische Produkt od. auch Kreuzprodukt von A und B. Man beachte: Zwei geordnete Paare (a, b), (c, d) sind genau dann gleich, wenn a = c und b = d gilt. Es gilt also zum Beispiel (1, 2) 6= (2, 1), aber hingegen {1, 2} = {2, 1}! Beispiel 1.2.6. Definiere die Mengen A := {1, 2, 3} und B := {1, 3, 5}. Dann gilt A ∩ B = {1, 3}, A ∪ B = {1, 2, 3, 5} ; und A\B = {2}, sowie A × B = {(1, 1), (1, 3), (1, 5), (2, 1), (2, 3), (2, 5), (3, 1), (3, 3), (3, 5)}. 1.3 Die Quantoren ∃ und ∀ Die Quantoren ∃ und ∀ sind logische Symbole, die der abkürzenden Schreibweise in der Aussagenlogik dienen. 8 1. Aussagen, Mengen und Quantoren Sei X eine Menge und E eine Eigenschaft, durch die für jedes x ∈ X eine Aussage E(x) gegeben ist. Wir schreiben in diesem Fall auch E(·), wobei der Punkt als Platzhalter für ein einzusetzendes Element steht und nennen E(·) eine Aussageform . Dann bedeuten: ∃x ∈ X : E(x) : „Es existiert ein x ∈ X so, dass E(x) wahr ist.“ (1.3.1) bzw. „Es existiert ein x ∈ X mit der Eigenschaft E.“ ∀x ∈ X : E(x) : „Für alle x ∈ X gilt E(x).“ (1.3.2) Beispiel 1.3.1. Sei X die Menge der Teilnehmer dieses Vorkurses und E(x) die Aussage: „x trägt eine Brille.“ 1. Dann bedeutet (1.3.1): „Mindestens ein Teilnehmer trägt eine Brille.“ In welchen Konstellationen ist diese Aussage wahr bzw. falsch? 2. (1.3.2) bedeutet: „Alle Teilnehmer tragen eine Brille.“ Diese Quantoren kann man auch iterativ verwenden: Seien X, Y Mengen, und sei E eine Aussageform auf X × Y . Da man in diesem Fall zwei (möglicherweise) verschiedene Argumente für die Aussageform E hat, schreibt man hier auch E(·, ··). Dann bedeutet bspw. ∃x ∈ X : (∀y ∈ Y : E(x, y)) :„Es existiert ein x ∈ X so, dass für alle (1.3.3) y ∈ Y die Aussage E(x, y) gilt.“ Beispiel 1.3.2. Sei X := Y := R. F(x, y) sei die Aussage x · y = 0. Dann bedeutet (1.3.3): „Es existiert ein x ∈ R so, dass für alle y ∈ R x · y = 0 gilt.“ Ist diese Aussage wahr? Wenn ja, für welche x? Beispiel 1.3.3 (Bedeutung der Reihenfolge der Quantoren). Die Reihenfolge der auftretenden Quantoren ist für die Bedeutung der formulierten Aussage entscheidend. Die Aussagen ∀x ∃y : E(x, y) und ∃y ∀x : E(x, y) haben eine unterschiedliche Bedeutung. So unterscheiden sich die Aussagen „Alle Anwesenden haben einen Schuh, der passt.“ und „Es gibt einen Schuh, der allen Anwesenden passt.“ oder auch die Aussagen ∀x ∈ R \ {0} ∃y ∈ R : x · y = 1 und ∃y ∈ R ∀x ∈ R \ {0} : x · y = 1. 1.4 Verneinung (Negation) von Aussagen Oft gelingt es bei einfachen Aussagen, diese „nach Gefühl“ zu verneinen. Bei Aussagen, die selbst wieder Verknüpfungen anderer Aussagen sind, wird das jedoch immer unzuverlässiger. Es gibt aber eine ganz einfache Regel, wie das Negieren einer Aussage ganz „mechanisch“ zu bewerkstelligen ist: • Behalte die Reihenfolge bei! • Vertausche ∃ und ∀ sowie ∨ und ∧. 1.4. Verneinung (Negation) von Aussagen 9 • Verneine alle auftretenden Aussagen. Die folgende Zusammenstellung listet Negierungen typischer Aussagetypen auf. Seien dabei A, B Aussagen, X, Y Mengen und E eine Aussageform. 1. ¬¬A := ¬(¬A) =||= A. 2. ¬(A ∧ B) = (¬A) ∨ (¬B). 3. ¬(A ∨ B) = (¬A) ∧ (¬B). 4. ¬(∀x ∈ X : E(x)) =||= (∃x ∈ X : ¬E(x)). Die Negation der Aussage „Alle Teilnehmer waren pünktlich da“ ist die Aussage „Mindestens ein Teilnehmer war unpünktlich“. 5. ¬(∃x ∈ X : E(x)) =||= (∀x ∈ X : ¬E(x)). Die Negation der Aussage „Es gibt einen Teilnehmer mit Brille“ ist „Alle Teilnehmer tragen keine Brille“, was natürlich eher als „Kein Teilnehmer trägt eine Brille“ formuliert wird. 6. ¬ ∀x ∈ X : (∃y ∈ Y : E(x, y)) =||= ∃x ∈ X : (∀y ∈ Y : ¬E(x, y)) . Die Negation der Aussage „Jeder Teilnehmer findet mindestens einen Satz des bisherigen Stoffes trivial“ ist die Aussage „Es gibt einen Teilnehmer der alle bisherigen Sätze nicht-trivial findet“ 7. ¬ ∃x ∈ X : (∀y ∈ Y : E(x, y)) =||= ∀x ∈ X : (∃y ∈ Y : ¬E(x, y)) . Die Negation der Aussage „Es gibt einen Teilnehmer, der alle Anwesenden bereits kennt“ ist „Alle Teilnehmer kennen mindestens einen der Anwesenden nicht“. Beispiel 1.4.1. Seien X, Y Mengen und E eine Aussageform auf X × Y , welche für alle (x, y) ∈ X × Y eine Aussage E(x, y) definiert. Formulieren Sie mithilfe von Quantoren die Aussage „Zu jedem x ∈ X findet man genau ein y ∈ Y so, dass E(x, y) gilt.“. Bilden Sie zudem die Negation dieser Aussage. 10 1. Aussagen, Mengen und Quantoren Kapitel 2 Die Zahlenbereiche N, Z, Q, R Wir gehen an dieser Stelle davon aus, dass die grundlegenden Zahlenbereiche N, Z, Q, R bekannt sind und werden daher nur unformal and die wesentlichen Eigenschaften erinnern. Im Rahmen von fortführenden Vorlesungen werden Sie zumindest teilweise auch eine stringente Konstruktion dieser Zahlenbereiche und Herleitung der charakterisierenden Eigenschaften kennenlernen. Die natürlichen Zahlen N := {1, 2, 3, 4, . . .}: Es gibt eine kleinste natürliche Zahl, und jede Zahl n hat einen Nachfolger n + 1; es gibt also keine größte natürliche Zahl. In N sind die Rechenoperationen + und · uneingeschränkt ausführbar, d.h. für a, b ∈ N gilt a + b, a · b ∈ N. Die Frage, ob die Zahl 0 zu den natürlichen Zahlen gehört, ist nicht einheitlich geregelt, und hängt von der in der jeweiligen Veranstaltung bzw. vom Autor verwendeten Konvention ab. In den Grundvorlesungen wird aber meist die hier vorgestellte Variante gewählt, in der 0 keine natürlich Zahl ist, und man verwendet die zusätzliche Bezeichnung N0 := N ∪ {0} = {0, 1, 2, 3, . . .}. Die ganzen Zahlen Z = {..., −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, ...}: In Z besitzt die Gleichung x + b = a (a, b ∈ N, x unbekannt, a, b bekannt) in Z stets eine Lösung. Es gilt N ⊆ Z. In Z gibt es im Gegensatz zu N keine kleinste Zahl. In Z sind die Rechenoperationen +, − und · uneingeschränkt ausführbar. n o a Die rationalen Zahlen Q = x x = für ein a ∈ Z und ein b ∈ N : Zwischen zwei ratiob nalen Zahlen liegen stets noch (unendlich viele) andere rationale Zahlen. Es gilt Z ⊆ Q. In Q sind die Rechenoperationen +, − und · sowie teilen durch Elemente q ∈ Q\{0} uneingeschränkt ausführbar. Die reellen Zahlen Es gibt keine Zahl q ∈ Q, für die gilt q 2 = q · q = 2. √ Also: „ 2 ist irrational “. Beweis. Siehe Kapitel 3. Jede rationale Zahl lässt sich als endliche oder periodische Dezimalzahl schreiben und umgekehrt stellt jede endliche oder periodische Dezimalzahl eine rationale Zahl dar. In diesem Kontext soll 11 12 2. Die Zahlenbereiche N, Z, Q, R es genügen, sich unter der Menge R der reellen Zahlen alle möglichen Dezimalzahlen vorzustellen, also endliche, periodische und nicht endliche, nicht periodische Dezimalzahlen. Es gilt N ⊆ N0 ⊆ Z ⊆ Q ⊆ R. Beispiele 2.0.2. 1. 1 ∈ N. 2. 1, 17 ∈ Q. 3. 4. 2.1 1 3 = 0.3333... ∈ Q besitzt eine nicht abbrechende, aber periodische Dezimalentwicklung. √ 2 = 1, 41421... ∈ R besitzt eine nicht abbrechende und nicht periodische Dezimalentwicklung. π = 3.14159... ∈ R besitzt eine nicht abbrechende und nicht periodische Dezimalentwicklung. Mit der Zahl π identifizieren wir die Länge eines Halbkreisbogens mit dem Radius 1. Bruchrechnung Die Menge der rationalen Zahlen Q ist gleich der Menge aller sogenannten „Brüche“ der Gestalt a b mit a, b ∈ Z und b 6= 0. Dabei nennt man die Zahl a den Zähler und die Zahl b den Nenner des Bruchs ab . Zwei Brüche ab , dc ∈ Q haben den gleichen Wert bzw. stelle die gleiche rationale Zahl dar genau dann, wenn a · d = b · c ist, in diesem Fall gilt also ab = dc . Insbesondere ändert sich der Wert der durch einen Bruch dargestellten rationalen Zahl nicht, wenn man Zähler und Nenner des Bruchs mit derselben Zahl multipliziert (den Bruch erweitert) oder durch einen gemeinsamen Teiler von Zähler und Nenner teilt (den Bruch kürzt). Zum Beispiel gilt 2 2·2 4 6 2 10 = = = , 2= = 5 2·5 10 15 1 5 und 28 2 · 14 2 = = . 42 3 · 14 3 Wir möchten die Kürzungs- und Erweiterungsregel zur Übung auch allgemein formulieren und beweisen: Kürzungs- und Erweiterungsregel für rationale Zahlen. Es sei und es sei n ∈ Z\{0}. Dann gilt a n·a = . b n·b Beweis. Es gilt a · (n · b) = n · a · b = b · (n · a), also ist a b ∈ Q eine rationale Zahl, (2.1.1) a b = n·a n·b . Den Übergang von links nach rechts in der Identität (2.1.1) nennt man Erweitern des Bruchs, und den umgekehrten Übergang von rechts nach links Kürzen des Bruchs. Vor und nach konkreten Rechenoperationen mit Brüchen ist es üblich und zum Rechnen auch oft sinnvoll, die Brüche zunächst zu kürzen, so dass Zähler und Nenner teilerfremd sind. Beispiele 2.1.1. Seien a, b, p, q ∈ Z mit a + b, p, q 6= 0. 2.1. Bruchrechnung 13 (a) 1 a+b a+b = = , 2 2(a + b) 2a + 2b (b) a2 − b2 (a + b)(a − b) = = a − b, a+b a+b (c) 8p · 3q 3q 24pq = = , 2 8p 8p · p p (d) p2 q + pq 2 pq(p + q) = = p + q. pq pq Addition und Subtraktion von Brüchen Brüche mit gleichem Nenner werden addiert/subtrahiert, indem man die Zähler addiert/subtrahiert: Seien a, b, c ∈ Z mit b 6= 0, dann gilt a c a+c a c a−c + = und − = . (2.1.2) b b b b b b Brüche mit nicht-notwendigerweise gleichen Nennern werden hingegen zunächst auf den Hauptnenner gebracht und anschließend gemäß (2.1.2) addiert/subtrahiert: Seien a, b, c, d ∈ Z mit b, d 6= 0, dann gilt a c a·d c·b ad + bc + = + = . b d b·d d·b bd Eine entsprechende Rechnung lässt sich auch für die Subtraktion durchführen, und wir erhalten allgemein die folgende Regel: a c ad + bc + = b d bd und a c ad − bc − = . b d bd (2.1.3) Beispiele 2.1.2. Seien a, b, x ∈ Z mit a + b, a − b, x, 2x + 1 6= 0. 2 · 7 + 3· 19 2 3 = , (a) + = 5 7 5·7 35 5 8 5 · 21 − 8 · 28 105 − 224 −119 7 · 17 17 (b) − = = = =− =− , 28 21 21 · 28 588 588 7 · 84 84 (c) a a a(a + b) + a(a − b) a2 + ab + (a2 − ab) 2a2 + = = = , a−b a+b (a − b)(a + b) a2 − b2 a2 − b2 (d) 2x − 1 (2x)2 − (2x + 1)(2x − 1) 4x2 − (4x2 − 1) 1 2x − = = = . 2x + 1 2x 2x(2x + 1) 2x(2x + 1) 2x(2x + 1) In dem obigen Verfahren wurde der Hauptnenner stets durch Multiplikation der Nenner der zu verknüpfenden Brüche erzeugt. Dies ist nicht unbedingt notwendig, es reicht, ein gemeinsames Vielfaches der beiden Nenner zu bilden, welches im allgemeinen kleiner als das Produkt der Nenner ist und somit zu einfacheren Rechnungen führt. In dem obigen Beispiel (b) lauten die Nenner 28 = 4 · 7 und 21 = 3 · 7, man erhält daher ein gemeinsames Vielfaches als (3 · 4) · 7 = 12 · 7 = 84, denn es ist 3 · 28 = 3 · (4 · 7) = 84 und 4 · 21 = 4 · (3 · 7) = 84. Dies führt zu der einfacheren Rechnung 5 8 3·5 4·8 15 32 15 − 32 17 − = − = − = =− 28 21 3 · 28 4 · 21 84 84 84 84 14 2. Die Zahlenbereiche N, Z, Q, R Multiplikation von Brüchen Seien a, b, c, d ∈ Z mit b, d 6= 0, dann wird das Produkt der Brüche erklärt: a c a·c · = . b d b·d a b und c d folgendermaßen (2.1.4) Zwei Brüche werden also multipliziert, indem man jeweils Nenner und Zähler miteinander multipliziert. Beispiele 2.1.3. Sei x ∈ Z mit x − 1, x + 1 6= 0. (a) 1 5 1·5 5 · = = , 3 7 3·7 21 (c) x−1 6 6(x − 1) 3 · 2 = = . 2 x −1 2(x − 1)(x + 1) x+1 (b) 2 3 2·3 6 3 · = = = , 5 4 5·4 20 10 Dabei vereinfachen sich die Rechnungen unter Umständen, wenn man bereits vorab Zähler und Nenner „über Kreuz“ kürzt, wie zum Beispiel: 67 62·5 1 5 5 7 10 · = · = · = . 8 21 6 2 · 4 3· 6 7 4 3 12 Division von Brüchen Wir wollen nun zu einem gegebenen Bruch ab mit a, b ∈ Z\{0} das zugehörige multiplikativ inverse Element ( ab )−1 bestimmen, also diejenige rationale Zahl r mit der Eigenschaft r · ab = ab · r = 1. Nach der Regel zur Multiplikation von Brüchen gilt a b a·b ab · = = = 1, b a b·a ab also gilt a −1 b = b . a Mit den üblichen Notationen r−1 = 1 : r = a, b, c, d ∈ Z mit b, c, d 6= 0: a a c a c −1 a d ad : = cb = · . = · = b d b d b c bc d Man dividiert also durch einen Bruch c d 1 r für r 6= 0 erhalten wir damit allgemein für 6= 0, indem man mit seinem Kehrbruch d c multipliziert. Beispiele 2.1.4. Seien a, b ∈ Z mit a 6= 0. (a) 1 3 1 2 1 1 1 : = · = · = , 6 2 6 3 3 3 9 (b) ab a ab 3 3 · ab b : = · = = . 6 3 6 a 6a 2 Wir formulieren abschließend alle Rechenregeln für Brüche in einer Übersicht. 2.2. Rechenregeln für reelle Zahlen und Ordnungsrelationen Regeln der Bruchrechnung Seien a, b, c, d ∈ Z mit b, d 6= 0. Addition von Brüchen a c ad + bc + = b d bd Subtraktion von Brüchen a c ad − bc − = b d bd Multiplikation von Brüchen a·c a c · = b d b·d a −1 Teilen durch einen Bruch b a c : = b d Division von Brüchen 2.2 = b (falls a 6= 0) a a b c d a c −1 a d ad · = · = (falls c 6= 0) b d b c bc = Rechenregeln für reelle Zahlen und Ordnungsrelationen Für das Rechnen mit den reellen Zahlen a, b, c ∈ R gelten folgende Rechenregeln: Kommutativgesetz der Assoziativgesetz der Addition Multiplikation Addition Multiplikation Distributivgesetz 1. binomische Formel 2. binomische Formel 3. binomische Formel Vorzeichenregeln a+b=b+a ab = ba (a + b) + c = a + (b + c) (ab)c = a(bc) a(b + c) = ab + ac (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 (a + b)(a − b) = a2 − b2 −(−a) = a −(a + b) = −a − b −(a − b) = −a + b Wir vereinbaren für x, y ∈ R: x = y steht für „x ist gleich y“, x < y steht für „x ist echt kleiner als y“, x ≤ y steht für „x ist kleiner oder gleich y“, x > y steht für „x ist echt größer als y“, x ≥ y steht für „x ist größer oder gleich y“. 15 16 2. Die Zahlenbereiche N, Z, Q, R Man beachte: Nach Definition gilt x < y ⇒ x ≤ y für alle x, y ∈ R, aber im allgemeinen gilt x ≤ y 6⇒ x < y! Die reellen Zahlen können auf der Zahlengeraden veranschaulicht werden. Jeder reellen Zahl entspricht genau ein Punkt auf der Zahlengeraden und umgekehrt. Für zwei beliebige reelle Zahlen x, y kann eindeutig entschieden werden, ob x < y, x = y oder x > y gilt. Auf der Menge der reellen Zahlen ist also eine Ordnungsstruktur gegeben. Für diese gelten folgende Regeln für das Rechnen mit Ungleichungen. Seien a, b, c ∈ R. Dann gilt Aus a < b und b < c folgt a < c. Aus a < b und c > 0 folgt ac < bc Aus a < b und c < 0 folgt ac > bc Aus a < b folgt a + c < b + c ab > 0 gilt genau dann, wenn (a > 0 und b > 0) oder (a < 0 und b < 0) ab < 0 gilt genau dann, wenn (a > 0 und b < 0) oder (a < 0 und b > 0) ab = 0 gilt genau dann, wenn (a = 0 oder b = 0) Entsprechende Aussagen gelten auch für ≤ und ≥ anstelle von < bzw. >. Beispiel 2.2.1. Lösen Sie die folgenden Ungleichungen und geben Sie die Lösungsmenge L := {x ∈ R| Ungleichung bzw. Gleichung ist für x definiert und x erfüllt sie} an: x − 2 > 2x − 1 2(x − 1) < 6(x + 35 ) 2.3 Intervalle Seien a, b ∈ R mit a ≤ b. Definition 2.3.1 (Intervalle). Das offene Intervall (a, b) ist die Menge (a, b) := {x ∈ R | a < x < b}. Das abgeschlossene Intervall [a, b] ist die Menge [a, b] := {x ∈ R | a ≤ x ≤ b}. Die halboffenen Intervalle sind definiert als die Mengen (a, b] := {x ∈ R | a < x ≤ b}, [a, b) := {x ∈ R | a ≤ x < b} 2.3. Intervalle 17 Ist speziell a = b, so gelten [a, a] = {a}, bzw. [a, a) = (a, a] = (a, a) = ∅. Als Intervallgrenzen sind auch ±∞ zugelassen. Daraus ergeben sich fünf weitere unbeschränkte Intervalltypen: (−∞, a) := {x ∈ R | x < a} (a, ∞) := {x ∈ R | x > a} (−∞, a] := {x ∈ R | x ≤ a} [a, ∞) := {x ∈ R | x ≥ a} (−∞, ∞) := R Der Schnitt zweier Intervalle ist stets ein Intervall (evtl. die leere Menge). Die Vereinigung zweier Intervalle kann ein Intervall sein, muss es aber nicht. Beispiel 2.3.2. (a) [3, 4] ∩ [1, ∞) = [3, 4]. (b) [−2, 0) ∩ (−1, 0] = (−1, 0). (c) [4, 7] ∩ [8, 9) = ∅. (d) [7, 8] ∩ [8, 9) = [8, 8] = {8}. (e) [4, 5) ∪ (−3, 1] ist kein Intervall. (f) [4, 5] ∪ (−3, 4) = (−3, 5]. 18 2. Die Zahlenbereiche N, Z, Q, R Kapitel 3 Beweistechniken und einige Beweise Teil I Mathematische Beweise Kann eine Behauptung B allein durch logische Verknüpfungen aus einer gegebenen Voraussetzung A, bereits bewiesenen Aussagen und geltenden Axiomen gefolgert werden, so gilt B als bewiesen. Wir unterscheiden die folgenden Beweistechniken: 1. Der direkte Beweis. Man zeigt direkt die Implikation A ⇒ B. Dazu setzt man A voraus und folgert die Gültigkeit von B. Übliche Formulierung: „Es gelte A. Zu zeigen: Es gilt B. ...“. 2. Beweis über Kontraposition. Man zeigt die tautologisch äquivalente Aussage ¬B ⇒ ¬A direkt. Übliche Formulierung: „Es gelte ¬B. Zu zeigen: Es gilt ¬A. ...“. 3. Beweis durch Widerspruch. Man zeigt (A ∧ ¬B) ⇒ (C ∧ ¬C) für eine weitere Aussage C. Übliche Formulierung: „Es gelte A. Annahme: Es gilt ¬B ... also gilt C ∧ ¬C. Dies ergibt einen Widerspruch, also ist die Annahme falsch, und somit gilt B.“. In der Praxis sind die zu beweisenden Aussagen nicht einfach Implikationen, sondern mittels Junktoren und Quantoren zusammengesetzte Aussagen. Wir wollen kurz darauf eingehen, wie man einfache Typen solcher zusammengesetzten Aussagen beweistechnisch behandelt. Sei dazu X eine Menge und A(·) eine Eigenschaft auf X. 1. Zu beweisen ist eine Aussage vom Typ: ∀ x ∈ X : A(x). Übliches Beweisschema: „Sei x ∈ X. Zu zeigen: Es gilt A(x). ...“. Man leitet nun die Aussage A(x) her unter Verwendung der Information, dass x ∈ X ist. 2. Zu beweisen ist eine Aussage vom Typ: ∃ x ∈ X : A(x). Übliches Beweisschema: „Setze x := .... Dann ist x ∈ X, und wir zeigen: Es gilt A(x). ...“. Bei diesem Typ Beweis muss man in der Regel viel Vorarbeit leisten (z.B. Rechnungen, Gleichungen lösen etc.), um den Kandidaten x zu finden, den man hier angibt. Dieser 19 20 3. Beweistechniken und einige Beweise Teil I Herleitung wird im Beweis aber nicht mehr notiert, stattdessen wird nach Angabe das Kandidaten x direkt nachgewiesen, dass die Aussage A(x) wahr ist. Beweis von Mengengleicheiten. Oft sind Aussagen vom Typ A = B für Mengen A, B zu zeigen. In diesem Fall ist die folgende Beweisstrategie auf Basis der Äquivalenz (A = B) ⇐⇒ (A ⊆ B) ∧ (B ⊆ A) üblich: „⊆“: Sei x ∈ A. Zeige: x ∈ B. „⊇“: Sei x ∈ B. Zeige: x ∈ A. Wir zeigen nun einige einfache Beispiele für mathematische Beweise auf. Weitergehende und auch komplexere Beispiele werden wir zum Ende des Vorkurses betrachten. Beispiele Beispiel 1 Beweisen Sie: Das Quadrat jeder geraden natürlichen Zahl ist gerade. Wir werden diese Aussage zunächst weiter formalisieren. Setze G := {n ∈ N | ∃ k ∈ N : n = 2k}, dann ist G die Menge der geraden Zahlen, und die zu beweisende Aussage lautet: ∀ n ∈ G : n2 ∈ G. Beweis. Sei n ∈ G. Wähle ein k ∈ N mit n = 2k. Dann gilt n2 = (2k)2 = 4k 2 = 2 · (2k 2 ). Mit k 0 := 2k 2 ∈ N folgt n2 = 2k 0 , also ist n2 ∈ G nach Definition. Beispiel 2 Beweisen Sie: Das Quadrat jeder ungeraden natürlichen Zahl n ist ungerade. Diesen Beweis überlasse ich (erstmal) Ihnen. Machen Sie sich außerdem klar, dass mit Beispiel 2 auch die Kontraposition der Aussage bewiesen ist, welche lautet: ∀ n ∈ N : n2 ∈ G ⇒ n ∈ G. Beispiel 3 Beweisen Sie: Die Darstellung einer rationalen Zahl r als gekürzter Bruch deutig. p q ist ein- Wir führen hierzu nur einen informellen Beweis, da uns einige Grundlagen (z.B. aus der Teilbarkeitstheorie) noch nicht zur Verfügung stehen. 21 j Beweis. Vorbemerkung: Nach Definition der rationalen Zahlen bezeichnen zwei Zahlen m n , k, m, j ∈ Z, n, k ∈ N, das gleiche Element r ∈ Q, falls m · k = j · n gilt. Bsp. 69 = 46 , da 6 · 6 = 4 · 9 gilt. Zum Beweis: Sei r ∈ Q. Wir geben zwei Darstellungen von r als gekürzter Bruch vor, seien also 0 p, p0 ∈ Z und q, q 0 ∈ N mit ggT(p, q) = ggT(p0 , q 0 ) = 1 und r = pq = pq0 (ggT bezeichne den größten gemeinsamen Teiler ). Wegen p q 0 = q p0 gilt q | p q 0 („q teilt p q 0 “), wegen ggT(q, p) = 1 muss zudem q | q 0 gelten. Analog zeigt man q 0 | q. Aus q | q 0 und q 0 | q folgt nun aber q = q 0 und damit p = p0 . Damit ist die behauptete Eindeutigkeit gezeigt. Wir bemerken außerdem ohne Beweis, dass jede rationale Zahl r = pq auch eine Darstellung als gekürzter Bruch besitzt. Es reicht dazu, aus p und q den größten gemeinsamen Teiler ggT(p, q) zu kürzen. Unter Verwendung von Beispiel 3 können wir uns nun dem folgenden bereits angekündigtem Beispiel zuwenden. √ Beispiel 4 Beweisen Sie: 2 ist irrational. √ Diese Formulierung setzt bereits voraus, dass wir wissen, dass es ein Objekt 2 gibt, und wir zeigen, dass es nicht in Q liegt. Beim axiomatischen Aufbau der Zahlenbereiche geht es aber gerade darum, ausgehend von der Menge Q zu beweisen, dass Q „unvollständig“ ist (vgl. Kapitel 1), und dies zur Motivation für die Konstruktion der reellen Zahlen zu nehmen. Man kennt also √ zu diesem Zeitpunkt noch keine reellen Zahlen und insbesondere ist das Objekt 2 noch gar nicht definiert. Wie in Kapitel 1 beschrieben, wählen wir stattdessen die Formulierung: „Es gibt keine rationale Zahl, deren Quadrat 2 ist“. Dies formalisieren wir als: ∀ q ∈ Q : q 2 6= 2. Beweis. Wir führen den Beweis durch Widerspruch, wir nehmen also an, es gibt ein q ∈ Q mit q 2 = 2. Nach der Bemerkung im Anschluss an Beispiel 3 finden wir m, n ∈ N mit ggT(m, n) = 1 und q = m n . Mit unserer Annahme folgt 2 = q2 = m2 n2 (∗) und damit 2n2 = m2 . Also ist m2 gerade, und nach Beispiel 2 (Kontraposition!) ist auch m eine gerade Zahl, d.h. wir finden ein k ∈ N mit m = 2 · k. Damit folgt 2n2 = m2 = 4k 2 , also n2 = 2k 2 . Also ist auch n2 und damit n eine gerade Zahl (Hier verwenden wir wieder die Kontraposition von Beispiel 2). Dies ist ein Widerspruch zur Annahme ggT(m, n) = 1. Also ist unsere Annahme falsch und somit die Behauptung wahr. Zum Abschluss des Kapitels bringen wir einen Beweis für die Unendlichkeit der Menge der Primzahlen, der in dieser Form auf Euklid zurückgeht. Dabei verwenden wir die Tatsache, dass jede natürliche Zahl außer der Zahl 1 stets einen Primteiler besitzt. 22 3. Beweistechniken und einige Beweise Teil I Beispiel 5 Beweisen Sie: Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis. Wir führen den Beweis durch Widerspruch, wir treffen also die Annahme: Es gibt nur endlich viele Primzahlen. Sei {p1 , . . . , pn } ⊆ N mit n ∈ N die Menge aller Primzahlen. Betrachte nun das Produkt all dieser Primzahlen m := p1 · p2 · ... · pn und die Zahl q := m + 1 > 1. Sei p ∈ N ein Primteiler von q. Dann ist p ∈ {pi |i = 1...n}, wähle also j ∈ {1, . . . , n} mit p = pj . Dann teilt p sowohl m als auch m + 1 und damit auch die Differenz 1 = m + 1 − m, also ist p = 1. Dies ist ein Widerspruch dazu, dass p eine Primzahl ist. Also ist unsere Annahme falsch, und es gibt unendlich viele Primzahlen. Kapitel 4 Potenzrechnung, Logarithmen und Rechnen mit Beträgen In den folgenden Kapiteln werden wir uns mit verschiedenen Rechenregeln und -methoden beschäftigen, die Ihnen auch in der Schule bereits begegnet sein sollten. Bitte beachten Sie in Hinblick auf Ihr bald beginnendes Studium der Mathematik folgende Punkte: 1. Die mathematischen Begriffe werden hier nicht ganz exakt, aber dafür in einem Stil eingeführt, der Ihnen auch aus der Schule noch geläufig sein sollte. Tatsächlich ist es ohne ausreichendes mathematisches Grundlagenwissen, wie Sie es in den ersten Wochen des Studiums erlernen werden, zumeist gar nicht möglich, die hier verwendetetn Begriffe exakt zu definieren. Beachten Sie aber, dass im Verlauf Ihres Studiums natürlich die in den jeweiligen Vorlesungen angegebenen Definitionen und Herleitungen relevant sind und nicht die – zuweilen unexakten – Begriffsbildungen aus der Schule oder diesem Vorkurs. 2. Bei dem hier präsentierten Stoff handelt es sich im wesentlichen um Rechentechniken, aber nicht um formale Beweise! Sie werden zu Beginn Ihres Studiums Aufgaben gestellt bekommen, die einigen dieser Rechenaufgaben sehr ähnlich sehen, werden in dem Fall aber aufgefordert, einen formalen Beweis zu erstellen, der – meist erheblich – von diesen Rechentechniken abweicht. Dennoch sind ausreichende Rechenfähigkeiten unerlässlich, um überhaupt auf Lösungen bzw. Aussagen zu kommen, die man anschließend auch beweisen kann. 3. Wir verwenden keine Taschenrechner und – außer zu Übungs- und Anschauungszwecken – keine Computer-Algebra-Systeme (CAS). Bedenken Sie, dass Taschenrechner aufgrund des Problems endlichen Speichers so gut wie nie exakt rechnen können, da sie (fast) immer runden müssen. CAS sind hier im Vorteil, aber natürlich ist es gerade ein Bestandteil des Mathematik-Grundstudiums, die Theorie zu erlernen, die diesen Systemen zugrunde liegt (Vgl.: Ein Kfz-Mechaniker ist gerade jemand, der ein Auto nicht nur fahren können soll, sondern auch genau wissen, wie es funktioniert). 23 24 4. Potenzrechnung, Logarithmen und Rechnen mit Beträgen 4.1 Potenzen und Wurzeln Definition 4.1.1 (Ganzzahlige Potenzen). Für Zahlen a ∈ R und m ∈ Z wird die m-te Potenz von a definiert als am := 1, m a falls m = 0, := a | · a ·{z. . . · a}, falls m > 0, m−mal am := 1 a−m falls m < 0, a 6= 0. , Die Zahl a heißt Basis, m heißt Exponent. Für alle a, b ∈ R \ {0} und n, m ∈ Z gelten die folgenden Potenzgesetze: (a) a0 = 1 und 00 = 1, (c) an am = an−m , (e) an bn = (b) an · am = an+m , (d) an · bn = (a · b)n , a n , b (f) (am )n = am·n . Definition 4.1.2 (Die q-te Wurzel). Für a ≥ 0 und q ∈ N ist die q-te Wurzel aus a diejenige eindeutig bestimmte Zahl x ∈ R mit x ≥ 0, für die xq = a gilt. 1 Notation: a q oder √ q a. √ Für ungerade q ∈ N lässt sich q a auch für a < 0 definieren: in diesem Fall ist x = die Lösung √ √ √ der Gleichung xq = a, wir definieren daher q a := − q −a. (Z.B. ist x = −2 = − 3 8 die Lösung √ von x3 = −8, also 3 −8 = −2.) Beispiele 4.1.3. (a) (c) (e) √ 10 1024 = √ √64 4 = p √ 3 q 64 4 125 = √ 10 210 = = √ p√ 3 √ 10 2 = 2. 10 16 = 4. 125 = √ √ √ √ √ (b) 6 = 4 9 = 4 · 9 = 36 = 6. (d) p √ 3 2 64 = p √ 2 3 64 = √ 6 64 = 2. 5. √ Man beachte, dass der Ausdruck 5 im letzten Beispiel bereits als Endergebnis angesehen wird, da mit diesem Symbol eine wohldefinierte reelle Zahl bezeichnet wird. Falls zusätzlich (warum √ auch immer) eine Dezimaldarstellung gewünscht wird, schreibt man z.B. · · · = 5 ≈ 2, 2361. √ Achtung: die (zuweilen in der Schule verwendete) Notation 5 = 2, 2361 ist hingegen nicht zulässig! Gleichheit im mathematischen Sinn ist die (abstrakte) Gleichheit zweier Objekte (vgl. Kapitel 1) und kann nicht durch irgendwelche Konventionen (wie „Runden nach der vierten Nachkommastelle“) relativiert werden. Selbst für einen Computer ist es unmöglich, eine exakte √ √ Dezimaldarstellung der Zahl 5 anzugeben, da er nur endlichen Speicher besitzt, die Zahl 5 aber irrational ist. 4.1. Potenzen und Wurzeln 25 Definition 4.1.4 (Potenzen mit rationalem Exponenten). Für a ∈ R, a > 0 und r ∈ Q mit r = pq , p ∈ Z, q ∈ N definieren wir die (gebrochene) Potenz ar durch 1 p p ar := a q := a q . Exkurs: Um die Definition von ar mathematisch sauber zu rechtfertigen, muss man noch zeigen, dass die Potenz ar wohldefiniert ist, also unabhängig von der konkreten Darstellung der rationalen Zahl r als Bruch pq : man kann dieselbe Zahl r auf verschiedene Arten als Bruch schreiben, zum Beispiel ist 39 = 62 = 13 , und es ist zu zeigen, dass durch die a priori verschiedenen Ausdrücke 1 3 1 2 1 1 p a q , in diesem Beispiel a 9 , a 6 , a 3 , jedesmal dieselbe Zahl definiert wird. Formal ist also p q m n mit p, m ∈ Z und q, n ∈ N, liegen also zwei - möglicherweise verschiedene 1 p 1 m = a n . Wir geben kurz an, wie - Darstellungen der Zahl r ∈ Q vor, so ist (dennoch) a q zu zeigen: ist r = = man dies einsehen kann: Es sei r ∈ Q und seien p, m ∈ Z und q, n ∈ N mit r = pq = m n , also np = qm. Unter Verwendung der bereits bekannten Rechenregeln für Potenzen und Wurzeln (aber nicht durch „Vorgriff“ auf Rechenregeln für allgemeine Potenzen!) erhalten wir: q q q q √ n m 1 1 1 1 1 n n n n p p np qm q q q q (a ) = (a ) = (a ) = (a q )q = n am (a ) = q q q m n 1 1 1 1 n n n n mn n n = (a ) = = (a ) (a n )m = (a n )m . Auch für rationale Exponenten gelten die obigen Potenzgesetze: Für alle a, b ∈ (0, ∞) und r, s ∈ Q gilt: (a) a0 = 1 und 00 = 1, (c) ar as = ar−s , (e) ar br = (b) ar · as = ar+s , (d) ar · br = (a · b)r , a r b , (f) (ar )s = ar·s . Dies lässt sich auf die Definition von Wurzeln sowie die bereits formulierten Potenzgesetze für ganzzahlige Exponenten zurückführen, was wir hier nicht beweisen wollen. Der Anschauung halber formulieren wir hier einige Gesetze noch mit der Wurzelschreibweise: Seien a ≥ 0 und n, k ∈ N und m ∈ Z. Dann gelten die sogenannten Wurzelgesetze √ √ √ √ √ √ √ (a) n am = ( n a)m und n an = ( n a)n = a, (b) n a · n b = n ab, (c) (e) √ na √ n b √ n = a· p n a √ k b, (d) √ a= nk p √ n k a= √ nk a= p √ k n a, ak+n . Achtung: Wir haben für a > 0 den Ausdruck ax nur für rationales x definiert. Im Rahmen der Vorlesung Analysis 1 werden Sie sehen, wie man die Definition auch auf beliebige x ∈ R ausdehnen kann. 26 4. Potenzrechnung, Logarithmen und Rechnen mit Beträgen Beispiel 4.1.5. Rationalmachen des Nenners Treten Brüche mit irrationalen Nennern m m a n , a > 0, n, m ∈ N, m < n auf, so erweitert man den Bruch mit a1− n . √ n am = Zum Beispiel ist √ 3 22/3 1 4 1 √ = 1/3 · 2/3 = . 3 2 2 2 2 √ √ √ √ Ist der Nenner der Gestalt a ± b mit a 6= b, so wird der Bruch mit a ∓ b erweitert, Beispiel: √ √ √ √ √ 2− 3 2− 3 √ 1 1 √ √ =√ √ ·√ √ = = 3 − 2. 2−3 2+ 3 2+ 3 2− 3 4.2 Der Logarithmus Definition 4.2.1 (Der Logarithmus). Es seien a, b ∈ R mit a, b > 0 und b 6= 1. Unter dem Logarithmus von a zur Basis b c = logb (a), a > 0, b > 0, b 6= 1 versteht man diejenige eindeutig bestimmte reelle Zahl c ∈ R mit der Eigenschaft bc = a. Notation: c = logb (a). . Die Identität c = logb (a) ist also äquivalent zur Gleichung bc = a. Achtung: Es handelt sich hierbei um die übliche Definition für Logarithmen, die Ihnen auch aus der Schule geläufig sein sollte. Diese ist jedoch aus mehreren Gründen problematisch: • Wie oben bereits erwähnt, haben wir den Ausdruck bc für irrationales c ∈ R\Q noch gar nicht definiert! Wir werden dies jedoch zunächst stillschweigend hinnehmen, in unseren konkreten Rechenbeispielen werden wir nur Ausdrücke bc mit rationalem c behandeln, bzw. es ist stets sichergestellt, dass die aufretenden Logarithmen rational sind. • Zudem muss sichergestellt werden, dass für alle a, b ∈ R mit a, b > 0 und b 6= 1 tatsächlich genau eine Lösung x ∈ R der Gleichung bx = a existiert. Dies wird ebenfalls im Rahmen der Vorlesung Analysis I geklärt werden. Beispiele 4.2.2. (a) 2x = 16 ⇔ x = 4, (b) 3x = 1 9 (c) logx (36) = 2 ⇔ x = 6, (d) logx 1 64 (e) log5 (125) = x ⇔ x = 3, (f) log 1 1 16 2 ⇔ x = −2, = −6 ⇔ x = 2, = x ⇔ x = 4, 4.2. Der Logarithmus 27 (g) log3 (x) = 5 ⇔ x = 243, (h) log2 (x) = −5 ⇔ x = 1 32 . Eine besondere Rolle spielt die sog. Eulersche Zahl e. Eine exakte Definition für e wollen und können wir zu diesem Zeitpunkt nicht geben, es sei nur daran erinnert, dass ungefähr gilt e ≈ 2, 71828... (eine exakte Definition der Zahl e erfolgt in der Vorlesung Analysis 1). Für a > 0 notieren wir ln(a) := log(a) := loge (a). für den natürlichen Logarithmus. Wegen seiner herausragenden Rolle wird in der Mathematik der natürliche Logarithmus oft einfach als der Logarithmus bezeichnet. Es gilt insbesondere a = blogb a und ac = ec ln a für alle a, b > 0, b 6= 1, c ∈ Q, und es gilt immer logb 1 = 0, 4.2.1 logb b = 1 für alle b > 0, b 6= 1. Die Logarithmengesetze Es seien x, y, b > 0 mit b 6= 1 und z ∈ R. Dann gelten die folgenden Logarithmengesetze: (a) logb (x · y) = logb (x) + logb (y), x (b) logb = logb (x) − logb (y), y (c) logb (xz ) = z · logb (x). Für spezielle Werte von x, y, z erhält man weitere Regeln, zum Beispiel erhält man mit x = 1 aus (b) die Regel logb (1/y) = − logb (y), und ein Spezialfall von (c) für Wurzeln lautet zum Beispiel √ 1 logb n x = · logb (x) für alle n ∈ N. n Die Logarithmen einer Zahl bezüglich verschiedener Basen lassen sich ineinander umrechnen: Seien a, b, d > 0 mit b, d 6= 0. Dann gilt logb (a) = logb dlogd a = (logd (a))(logb (d)) also gilt die folgende Umrechenformel: logb a logd a = , für alle a, b, d > 0 mit b, d 6= 0. logb d Beispiele 4.2.3. Beispiele zu den Logarithmengesetzen: Man vereinfache die folgenden Ausdrücke! 1. 2. 3. log(32) + log(4) + log(18) + log(81) √ 2 a + ba3 b2 log √ 3 c(a + c)2 log(a + b) + 2 log(a − b) − 1 log(a2 − b2 ) 2 28 4.3 4. Potenzrechnung, Logarithmen und Rechnen mit Beträgen Der Betrag Definition 4.3.1 (Der (reelle) Betrag). Es sei a ∈ R. Dann wird der Betrag |a| von a definiert als ( a für a ≥ 0, |a| := . −a für a < 0 Beispiel 4.3.2. | − 3| = −(−3) = 3, da − 3 < 0; |3| = 3, da 3 > 0; |0| = 0. Man kann sich also den Betrag |a| als den (nicht-negativen) Abstand der Zahl a zur 0 auf der Zahlengerade vorstellen. Allgemeiner definieren wie den Abstand zweier beliebiger Zahlen a, b ∈ R als Betrag der Differenz |a − b|. Es seien a, b ∈ R, dann gelten die folgenden Rechenregeln (a) |a| ≥ 0, und |a| = 0 genau dann, wenn a = 0, (b) |a · b| = |a| · |b|, (c) |a + b| ≤ |a| + |b| („Dreiecksungleichung“), (d) |a| = √ a2 . Beispiel 4.3.3. Geben Sie alle a ∈ R an, für die folgenden Aussagen zutreffen: (a) a2 = 4, (b) a2 > 3 Beispiel 4.3.4. Schreiben Sie die folgenden Mengen als Vereinigung von Intervallen und skizzieren Sie diese. (a) A := {x ∈ R | 1 < |x| ≤ 2}, (b) B := {x ∈ R | |x − 2| < 5} Beispiel 4.3.5. Auflösen von Betragsungleichungen Sei ε > 0. Geben Sie die Menge aller x ∈ R als Intervall an, für die folgenden Ungleichungen erfüllt sind. (a) |x| ≤ ε, (b) |x − 2| < ε. Kapitel 5 Gleichungen und Ungleichungen In diesem Abschnitt sollen aus der Schule bekannte Techniken zum Lösen bestimmter Gleichungen und Ungleichungen wiederholt werden. 5.1 Gleichungen und Ungleichungen in einer Variablen Allgmein gesprochen handelt es sich bei der Aufgabe "Lösung einer Gleichung in einer Unbekannten" darum, einen vorgegebenen Term, in dem eine unbekannte Variable auftaucht (die wir meistens mit x bezeichnen) so gemäß bekannter zulässiger Regeln äquivalent umzuformen, dass man die Menge aller möglichen v, die die durch diesen Term definierte Identität erfüllen, ablesen kann. Wir wollen uns zunächst mit dieser – mathematisch nicht exakten – Beschreibung zufrieden geben, und betrachten ein konkretes Beispiel. Bestimme die Menge aller x ∈ R\{−1}, die die Gleichung x =2 (5.1.1) x+1 erfüllen. Man nennt den vorgegebenen Bereich D := R\{−1} auch die Definitionsmenge der Gleichung (5.1.1), und die gesuchte Menge L := {x ∈ D | x erfüllt (5.1.1)} die Lösungsmenge (siehe auch Beispiel 2.2.1.1) der Gleichung (5.1.1). Zum Lösen einer Gleichung ist es fundamental, dass der Defintionsbereich D explizit angegeben wird, damit man weiß, in welchem Zahlenbereich eine Lösung gesucht wird! Zum Beispiel hat die Gleichung (x2 − 2)(x2 − 1) = 0 genau eine Lösung im Fall D = N, genau zwei Lösungen im Fall D = Q und genau vier Lösungen im Fall D = R (nämlich jeweils welche?). Oft wird jedoch durch den Namen der Variablen bereits suggeriert, in welchem Zahlenbereich gerechnet wird: mit x wird üblicherweise eine reelle Variable bezeichnet, mit n eine Variable aus den natürlichen Zahlen und mit z eine Variable aus den komplexen Zahlen, und es wird dem Leser als Aufgabe überlassen, einen „maximalen“ Definitionsbereich zu ermitteln, für den die Gleichung noch sinnvoll definiert ist. Wird werden hier jedoch in der Regel den jeweiligen Definitionsbereich angeben. Wir kommen nun zur konkreten Lösung der Gleichung (5.1.1). Dazu sei x ∈ R\{−1}, dann gilt: x = 2 ⇔ x = 2 · (x + 1) ⇔ x = 2x + 2 ⇔ 0 = x + 2 ⇔ x = −2, x+1 29 30 5. Gleichungen und Ungleichungen und da in jedem Schritt tatsächlich Äquivalenzumformungen vorgenommen wurden, folgt damit L = {−2}. Wir nehmen eine analoge Begriffsbildung für Ungleichungen vor, welche wir wieder an einem Beispiel erläutern wollen: Beispiel. Bestimme die Menge aller x ∈ R\{−1}, die die Ungleichung x <2 x+1 (5.1.2) erfüllen. Auch in diesem Fall bezeichnet D := R\{−1} die Definitionsmenge und L := {x ∈ D | x erfüllt (5.1.2)} die Lösungsmenge der Ungleichung (5.1.2). Man geht nun nun analog zum Lösen eine Gleichung vor, indem man versucht, durch Äquivalenzumformungen die gegebene Ungleichung so umzuformen, dass man die Lösungsmenge ablesen kann. Hierzu muss man nun aber die Regeln für das Rechnen mit Ungleichungen beachten. In einem ersten Schritt wollen wir wieder die gegebene Ungleichung mit dem Term x+1 multiplizieren, müssen hierbei jedoch das Vorzeichen beachten! Daher nehmen wir eine Fallunterscheidung vor (dies wird uns auch in späteren Beispielen zum Lösen von Ungleichungen öfter begegnen): Es sei x ∈ R\{−1}. Fall 1: x + 1 > 0, also x > −1. In diesem Fall gilt x < 2 ⇔ x < 2 · (x + 1) ⇔ x < 2x + 2 ⇔ 0 < x + 2 ⇔ x > −2. x+1 Da wir x > −1 vorausgesetzt haben, gilt insbesondere auch x > −2, also ist die Ungleichung x x+1 < 2 für alle x ∈ (−1, +∞) erfüllt, es gilt also L ∩ (−1, +∞) = (−1, +∞). Fall 2: x + 1 < 0, also x < −1. In diesem Fall gilt x < 2 ⇔ x > 2 · (x + 1) ⇔ x > 2x + 2 ⇔ 0 > x + 2 ⇔ x < −2. x+1 Dies zeigt L ∩ (−∞, −1) = (−∞, −2). Die gesamte Lösungsmenge ist also L = (−∞, −2) ∪ (−1, +∞) = R\[−2, −1]. Neben dem rechnerischen Weg lässt sich die Lösung in beiden Fällen auch graphisch veranschaulichen - man beachte aber, dass eine Skizze zwar hilfreich sein kann, aber in der Regel niemals eine konkrete Recnung ersetzt! 5.2. Quadratische Gleichungen und Ungleichungen 31 Bild 5.A 5.2 Quadratische Gleichungen und Ungleichungen 5.2.1 Quadratische Gleichungen und Quadratische Ergänzung Es seien p, q ∈ R. Unter einer quadratischen Gleichung verstehen wir eine Gleichung der Gestalt x2 + px + q = 0, D = R. (5.2.3) Allgemeiner wird auch eine Gleichung der Gestalt ax2 + bx + c = 0, D = R mit a, b, c ∈ R und a 6= 0 als quadratische Gleichung bezeichnet – diese lässt sich jedoch durch Teilen durch a in die Gestalt (5.2.3) (mit p = b/a und q = c/a) überführen. Die Lösungsmenge L von (5.2.3) lässt sich allgemein mithilfe der sogenannten Methode des Quadratischen Ergänzens bestimmen: Zunächst werden die Terme in x2 und x durch eine binomische Formel ausgedrückt, und anschließend ein Korrekturterm eingeführt, um den „x-freien Teil“ des binomischen Terms zu neutralisieren: p 2 p2 p 2 p2 p x2 + px + q = x2 + 2 · · x + − +q = x+ − −q . (5.2.4) 2 2 4 2 4 Somit gilt p 2 p2 x∈L⇔ x+ = − q. 2 4 Dies stellt eine andere Schreibweise der sogenannten p-q-Formelqzur Lösung quadratischer Glei p q p2 p2 p p2 chungen dar: Ist 4 − q ≥ 0, so ist L = − 2 + 4 − q, − 2 − 4 −q . 32 5. Gleichungen und Ungleichungen Wir betrachten dazu zunächst ein einfaches Zahlenbeispiel: Beispiel 5.2.1. Bestimmen Sie die Lösungsmenge der Gleichung x2 − x − 6 = 0, D = R. Quadratisches Ergänzen liefert formal 1 1 1 25 x2 − x − 6 = (x − )2 − ( )2 − 6 = (x − )2 − , 2 2 2 4 also gilt für alle x ∈ R r 1 2 25 1 25 x − x − 6 = 0 ⇐⇒ (x − ) = ⇐⇒ x − = ± 2 4 2 4 1 5 ⇐⇒ x = ± ⇐⇒ x = −2 ∨ x = 3. 2 2 Die Lösungsmenge der gegebenen quadratischen Gleichung ist also L = {−2, 3}. 2 Wir kehren zu dem allgemeinen Fall zurück: Offenbar gibt es genau drei mögliche Fälle für die Gestalt der Lösungsmenge der quadratischen Gleichung (5.2.3): p2 4 −q >0 (5.2.3) besitzt genau zwei Lösungen, L = Fall 2: p2 4 −q =0 (5.2.3) besitzt genau ein Lösung, L = Fall 3: p2 4 −q <0 (5.2.3) besitzt keine Lösungen, L = ∅. Fall 1: − p − + 2 r p2 p − q, − − 4 2 r p , 2 Dies lässt sich auch den den folgenden Schaubildern veranschaulichen, in denen jeweils die zur Gleichung (5.2.3) in den drei verschiedenen Fällen skizziert ist. Bild 1 5.2.2 Bild 2 Lösungsmengen quadratischer Ungleichungen Quadratische Ungleichungen können stets auf die Form ≥ > x2 + px + q ≤ 0, bzw. x2 + px + q < 0 Bild 3 p2 −q , 4 5.2. Quadratische Gleichungen und Ungleichungen 33 mit p, q ∈ R gebracht werden. Die Überlegungen aus dem vorangehenden Abschnitt zeigen, dass die Lösungsmenge L entweder leer, ein Intervall, oder die Vereinigung zweier disjunkter Intervalle ist, und auch in diesem Fall lässt sich die Lösungemenge mithilfe der oben ausgeführten Technik des quadratischen Ergänzens bestimmen. Beispiele 5.2.2. (1) Zeigen Sie, dass für alle x ∈ R die Ungleichung x2 − 2x + 3 > 0 erfüllt ist. Lösung: Für alle x ∈ R gilt x2 − 2x + 3 = (x − 1)2 − 1 + 3 = (x − 1)2 + 2 ≥ 2 > 0, und damit haben wir die Behauptung bewiesen. (2) Bestimmen Sie die Lösungsmenge der Ungleichung x2 − x − 6 > 0. Lösung: 1.Weg: über die Faktorisierung. Aus 5.2.1 kennen wir die beiden Nullstellen x1 = −2 und x2 = 3 von x2 − x − 6. Also gilt für alle x ∈ R die Identität x2 − x − 6 = (x + 2)(x − 3) . Bekanntlich ist dieses Produkt genau dann größer Null, wenn (x + 2 > 0 und x − 3 > 0) oder (x + 2 < 0 und x − 3 < 0) erfüllt ist. Für alle x ∈ R gilt x+2>0 ∧ x−3>0 ⇔ x > −2 ∧ x > 3 ⇔ x ∈ (3, ∞) und x+2<0 ∧ x−3<0 ⇔ x < −2 ∧ x < 3 ⇔ x ∈ (−∞, −2) . Die Lösungsmenge ist also die Menge L = (−∞, −2) ∪ (3, ∞). 2.Weg: über die Anschauung. Wie in Bild 1 dargestellt, ist das Schaubild von x2 − x − 6 eine nach oben geöffnete Parabel, welche die x-Achse in den Punkten −2 und 3 schneidet. Gesucht ist nun die Menge aller x ∈ R an welchen die Parabel (echt) oberhalb der x-Achse liegt. Das entspricht in Bild 1 der gestrichelten Menge. Man sieht also L = (−∞, −2) ∪ (3, ∞). 34 5.3 5. Gleichungen und Ungleichungen Wurzelgleichungen Eine allgemeingültige Definition einer Wurzelgleichung wollen wir hier nicht geben. Stattdessen zeigen wir das allgemeine Vorgehen bei solchen Gleichungen anhand zweier Beispiele auf. Dabei ist besonders auf den Definitionsbereich zu achten, der hier im allgemeinen nicht mehr ganz R ist. Vorsicht ist auch bei den folgenden Umformungen geboten, denn es handelt sich nun nicht mehr unbedingt um Äquivalenzumformungen. Das grundsätzliche Vorgehen lässt in den folgenden Beispielen besteht in wiederholtem Auflösen der Gleichungen nach einer Wurzel und anschließendem Potenzieren. Das führt schließlich auf eine rationale Gleichung in x, d.h. einer Gleichung in der nur noch ganzzahlige Exponenten von x auftauchen. Achtung: Nicht alle Lösungen der resultierenden rationalen Gleichung sind Lösungen der Wurzelgleichung. Dies liegt daran, dass das Quadrieren von Gleichungen im allgemeinen keine Äquivalenzumformung ist. Jedoch kann es außer den Lösungen der rationalen Gleichung keine weiteren geben. Durch Einsetzen dieser Lösungen in die Ursprungsgleichung erhält man die Lösungsmenge. Beispiele 5.3.1. Bestimmen Sie jeweils einen geeigneten Definitionsbereich sowie die Lösungsmenge der folgenden Ungleichungen √ (1) 7 + 3 2x + 4 = 16, √ √ √ (2) x − x − 1 = 2x − 1. (1) Wir wählen D = [−2, ∞), so dass der Ausdruck unter der Wurzel stets nicht-negativ ist. Für x ∈ D gilt dann √ 7 + 3 2x + 4 = 16 (∗) √ ⇔ 3 2x + 4 = 9 √ ⇔ 2x + 4 = 3 ⇒ 2x + 4 = 9 ⇔ x = 52 Einsetzen von x = 52 zeigt: x = 52 löst (∗). Damit ist L = 52 . (2) Wir wählen D = [0, ∞) ∩ [1, ∞) ∩ [ 21 , ∞) = [1, ∞), stets nicht-negativ sind. Für x ∈ D gilt dann √ √ x− x−1 √ √ ⇒ ( x − x − 1)2 √ √ ⇔ x − 2 x x − 1 + (x − 1) p ⇔ 2 x(x − 1) ⇔ (x = 1) ∨ (x = 0) so dass alle Ausdrücke unter den Wurzel √ = 2x − 1 (∗∗) = 2x − 1 = 2x − 1 =0 Jedoch ist 0 ∈ / D, also entfällt diese Lösung für die ursprüngliche Gleichung (tatsächlich haben wir diese zusätzliche Lösung durch das Quadrieren im ersten Schritt dazugewonnen). Die Probe für x = 1 ∈ D hingegen liefert √ √ √ 1− 1−1=1= 2·1−1 5.4. Bruchungleichungen 35 Also ist L = {1}. 5.4 Bruchungleichungen Auch in diesem Abschnitt verzichten wir auf eine allgemeine Definition und lassen das Beispiel für sich sprechen. Zu beachten ist dabei, dass das Multiplizieren mit dem Nenner zu Fallunterscheidungen führt, abhängig vom Vorzeichen des Nenners. Gesucht sei die Lösungsmenge L folgender Ungleichung: 2x + 1 <1 x−3 (5.4.5) mit D = R\{3}. Sei nun x ∈ D. Wir wollen die Ungleichung mit dem Nenner x − 3 multiplizieren, müssen dabei aber das Vorzeichen beachten, da sich ggf. das Ungleichheitszeichen umdreht. Wir unterscheiden daher die folgenden Fälle: Fall 1: x − 3 > 0, also x > 3: Dann gilt 2x+1 x−3 < 1 ⇔ 2x + 1 < x − 3 ⇔ x < −4 Bezeichnen wir die Lösungsmenge in diesem Fall mit L1 , so gilt L1 = (3, ∞)∩(−∞, −4) = ∅. Fall 2: x − 3 < 0, also x < 3: Dann gilt 2x+1 x−3 < 1 ⇔ 2x + 1 > x − 3 ⇔ x > −4 Für die Lösungsmenge dieses Falles gilt L2 = (−∞, 3) ∩ (−4, ∞) = (−4, 3) Für die Gesamtlösungsmenge L gilt nun L = L1 ∪ L2 = (−4, 3). 36 5. Gleichungen und Ungleichungen Bild 5.B 5.5 Betragsungleichungen Mit der gleichen Technik wie im vorherigen Abschnitt (Fallunterscheidungen) lassen sich auch Ungleichungen, in denen Beträge vorkommen, bearbeiten. Wir betrachten als Beispiel die folgende Ungleichung: |2x + 1| ≤ 1, x−3 D = R\{3}. (∗) Sei x ∈ D. Analog wie im vorherigen Beispiel nehmen wir zum Durchmulitplizieren mit dem Nenner zunächst die Fallunterscheidung x > 3 oder x < 3 vor. Fall 1: x > 3. Dann gilt (∗) ⇔ |2x + 1| ≤ x − 3 ⇔ 2x + 1 ≤ x−3 ⇔ x ≤ −4 Analog zu 5.4 Fall 1 ist hier L1 = ∅. Fall 2: x < 3. Dann gilt zunächst wieder ⇔ |2x + 1| (∗) ≥ x−3 (∗∗) Um den Betrag |2x + 1| aufzulösen, nehmen wir eine erneute Fallunterscheidung vor: Es gilt 2x + 1 ≥ 0 ⇔ x ≥ − 21 . 5.6. ...in zwei Variablen 37 Fall 2a: x ≥ −1/2, insgesamt ist in diesem Fall also x ∈ (−∞, 3) ∩ [−1/2, ∞) = [−1/2, 3). Es gilt 2x + 1 ≥ 0, und damit ⇔ 2x + 1 ⇔ x (∗∗) ≥ x−3 ≥ −4 Also ist L2a := [−1/2, 3) ∩ [−4, ∞) = [−1/2, 3). Fall 2b: x < −1/2. Insgesamt ist in diesem Fall also x ∈ (−∞, 3)∩(−∞, −1/2) = (−∞, −1/2). Es gilt 2x + 1 < 0, und damit ⇔ −(2x + 1) ⇔ −3x ⇔ x (∗∗) ≥ x−3 ≥ −2 ≤ 2/3 Also ist L2b := (−∞, −1/2) ∩ (−∞, 2/3) = (−∞, −1/2). Insgesamt ist L = L1 ∪ L2a ∪ L2b = (−∞, 3). Anmerkung: Die hier verwendetet Methode, sukzessive Fall Unterscheidungen vorzunehmen, um die Uugleichung mit Termen in x durchzumultiplizieren bzw. Beträge aufzulösen, funktioniert zwar immer, führt aber unter Umständen auf viele verästelte Fallunterscheidungen. Oft lassen sich diese durch vorheriges "scharfes Hinsehen" vermeiden, wie auch in diesem Beispiel in Fall 2 (x ∈ (−∞, 3)): Wegen x < 3 gilt stets |2x + 1| ≥ 0 > x − 3, und wegen (∗) ⇔ |2x + 1| ≥ x − 3 ist daher in diesem Fall die Ungleichung (∗) stets erfüllt, also ist die Lösungsmenge im Fall 2 gleich L2 = (−∞, 3). 5.6 Gleichungen und Ungleichungen in zwei Variablen Wir erinnern an die Definition des kartesische Produkts: Seien A, B Mengen, dann ist A × B = {(a, b) | a ∈ A, b ∈ B}. Die euklidische Ebene. Wir betrachten nun speziell den Fall A = B = R. Das kartesische Produkt R2 := R × R ist die Menge aller geordneten Paare (x, y) von Elementen x, y ∈ R. Wir können uns R2 durch ein Koordinatensystem in der Ebene veranschaulichen. Mit dieser Interpretation bezeichnet man R2 auch als die euklidische Ebene. Das kartesische Produkt zweier Intervalle. Seien nun A, B ⊆ R Intervalle. Dann ist das kartesische Produkt A × B eine Teilmenge von R2 und lässt sich folgendermaßen darstellen: 38 5. Gleichungen und Ungleichungen Das kartesische Produkt A × B der Intervalle A = [1, 4] und B = [1, 2] im Koordinatensystem. Achtung: Nicht jede Teilmenge von R2 lässt sich als kartesische Produkte darstellen! Beispiele 5.6.1. Teilmengen des R2 als Lösungsmengen von (Un-)Gleichungen in zwei Variablen. 1. S := {(x, y) ∈ R2 | x2 + y 2 ≤ 1} 2. K := {(x, y) ∈ R2 | x2 + y 2 = 1} 3. R := {(x, y) ∈ R2 | |x| + |y| ≤ 1} 4. T := {(x, y) ∈ R2 | 0 ≤ y ≤ 1, x2 − y 2 > 0} 5.6. ...in zwei Variablen 39 Beispiel 5.6.2 (Vertauschen von x und y). Vergleichen Sie die beiden Mengen A := {(x, y) ∈ R2 | (y − 1)2 + x2 ≤ 1, x ≥ 0} und B := {(x, y) ∈ R2 | (y, x) ∈ A} = {(x, y) ∈ R2 | (x − 1)2 + y 2 ≤ 1, y ≥ 0} B entsteht durch Spiegelung von A an der Achse x = y. Beispiel 5.6.3. Ermitteln Sie die Lösungsmenge L in R2 , deren Elemente die folgende Ungleichung erfüllen 2x − |y − 1| < 1. Mit anderen Worten, es soll die folgende Menge konkret bestimmt werden: L := {(x, y) ∈ R2 | 2x − |y − 1| < 1}. Sei (x, y) ∈ R2 . Zum Lösen der Ungleichung 2x − |y − 1| < 1 lösen wir wie bereits zuvor die Betragsstriche durch eine Fallunterscheidung auf und lösen dann die Ungleichungen nach y auf: Fall 1: y ≥ 1, d.h. |y − 1| = y − 1. Dann gilt: 2x − |y − 1| < 1 ⇔ 2x − (y − 1) < 1 ⇔ −y < −2x ⇔ y > 2x. 40 5. Gleichungen und Ungleichungen Also ist L1 := {(x, y)|y ≥ 1, y > 2x} Teilmenge von L. Fall 2: y < 1, d.h. |y − 1| = 1 − y. Dann gilt: 2x − |y − 1| < 1 ⇔ 2x − (1 − y) < 1 ⇔ y < 2 − 2x. Insgesamt ist also L = L1 ∪ L2 mit L2 := {(x, y)|y < 1, y < 2 − 2x}. Skizzieren Sie die Lösungsmenge! Bemerkung: Bei diesem Beispiel könnte man auch obige Überlegung über das „Vertauschen“ von x und y anwenden: Es gilt (nachrechnen): 2x − |y − 1| < 1 ⇔ x < 12 + 12 |y − 1|. Vertauschen wir hier x und y, so erhalten wir y < 12 + 12 |x − 1|. Die zugehörige Lösungsmenge lässt sich dann folgendermaßen skizzieren. Spiegeln an der Geraden x = y liefert dann die Skizze der ursprünglich gesuchten Menge. Kapitel 6 Funktionen 6.1 Definition und Grundlagen Definition 6.1.1. Seien X, Y Mengen. Eine Vorschrift f , die jedem Element x ∈ X genau ein Element y ∈ Y zuordnet, heißt Funktion oder auch Abbildung von X nach Y . Wir setzen in diesem Fall f (x) := y. X bezeichnen wir als Definitionsbereich und schreiben hierfür Def(f ) := X. Weiter bezeichnen wir Y als Werte- oder auch Zielbereich von f . Schreibweise: f : X → Y, x 7→ f (x). Ist f : X → Y eine Funktion, so heißt Bild(f ) := {y ∈ Y | ∃ x ∈ X : y = f (x)} das Bild oder auch Bildbereich/-menge oder die Wertemenge von f . Man beachte: der Bildbereich einer Funktion, also die Menge der tatsächlich angenommenen Werte, ist eine – im allgemeinen echte – Teilmenge des Zielbereichs von f . Zum Beispiel für die Funktion f : R → R, x 7→ x2 ist Bild(f ) = [0, ∞). Anmerkung: Eine Funktion hat also stets drei „Bestandteile“, neben der eigentlichen Zuordnungsvorschrift x 7→ f (x) nämlich auch Definitions- und Zielbereich. So haben zum Beispiel die Funktionen f : R → R, x 7→ x2 , g : [0, ∞) → [0, ∞), x 7→ x2 zwar dieselbe Zuordnungsvorschrift x 7→ x2 , aber verschiedene Definitions- und Zielbereiche. Dies ist zum Beispiel wichtig bei der Frage, ob eine Funktion eine Umkehrfunktion besitzt (dies ist für g der Fall, aber nicht für f ) - diese Frage werden wir allgemein später im Abschnitt 6.3 behandeln. Achtung: Wir unterscheiden die Funktion f von ihren Funktionswerten f (x). Insbesondere ist „f (x)“ keine zulässige Schreibweise für die ganze Funktion f , sondern nur die Bezeichnung des einen Funktionswertes f (x) für ein festes x ∈ X. Definition 6.1.2 (Der Graph einer Funktion). Für eine Funktion f : X → Y heißt die Menge G(f ) := {(x, y) ∈ X × Y | y = f (x)} der Graph der Funktion f . Gilt X, Y ⊂ R, so ist der Graph G(f ) eine Teilmenge des R2 , und die Funktion f lässt sich gut durch ihren Graphen veranschaulichen: 41 42 6. Funktionen Bild 6.A Graph einer Funktion als Teilmenge des R2 Anmerkung: Der oben beschriebene Funktionenbegriff sollte Ihnen von der Schule geläufig sein und stellt zudem eine anschauliche und zum Arbeiten auch praktische Begriffsbildung dar. Dennoch ist diese Definition mathematisch noch nicht exakt (was für ein mathematisches Objekt ist eine „Zuordnungsvorschrift“?) - die Beschreibung über den Graphen stellt hingegen eine Möglichkeit dar, Funktionen sehr abstrakt, aber dafür konkret als bestimmte Typen von Mengen zu definieren. Ohne dies weiter zu vertiefen, soll diese Variante der Definition hier genannt werden: Definition einer Funktion als Menge. Seien X, Y Mengen. Ein Funktion f von X nach Y ist eine Teilmenge f ⊆ X × Y so, dass es zu jedem x ∈ X genau ein y ∈ Y gibt mit (x, y) ∈ f . Wir schreiben in diesem Fall f : X → Y , und für (x, y) ∈ f schreiben wir y = f (x). Definition 6.1.3 (Hintereinanderausführung von Funktionen). Seien X, Y, A, B Mengen und f : B → Y und g : A → X beliebige Funktionen. Dann wird die Verkettung von f mit g definiert als f ◦ g : Def(f ◦ g) → Y, x 7→ f (g(x)) mit Def(f ◦ g) = {x ∈ Def(g) | g(x) ∈ Def(f )} = {x ∈ A | g(x) ∈ B}. Man bezeichnet f ◦ g als die die Hintereinanderausführung oder auch Verkettung von g und f oder sagt kurz f nach g oder f „Kringel“ g. √ Beispiel 6.1.4. Seien f : R → R, x 7→ 4 − x2 und g : [0, ∞) → R, x 7→ x. Bestimmen Sie die Funktionen f ◦ g und g ◦ f mit ihren Definitionsbereichen. √ Es gilt Def(f ◦ g) = {x ≥ 0 | x ∈ R} = [0, ∞), und für alle x ∈ [0, ∞) gilt √ √ (f ◦ g)(x) = f (g(x)) = f ( x) = 4 − ( x)2 = 4 − x. Umgekehrt ist Def(g ◦ f ) = {x ∈ R | 4 − x2 ≥ 0} = [−2, 2], und für alle x ∈ [−2, 2] gilt p (g ◦ f )(x) = g(f (x)) = g(4 − x2 ) = 4 − x2 . 6.1. Definition und Grundlagen 43 Definitions- und Bildbereich reeller Funktionen Im Folgenden sei stets D ⊆ R und f : D → R eine Funktion. Eine solche Funktion nennt man auch reellwertige (reelle) Funktion. In dieser Situation ist Bild(f ) = {y ∈ R| ∃ x ∈ D : f (x) = y} der Bildbereich von f . Oft werden reelle Funktionen - im Gegensatz zur obigen Definition - etwas lax nur durch ihre Abbildungsvorschrift vorgegeben, und auf eine konkrete Angabe des Definitionsbereiches wird verzichtet. In diesem Fall bezeichnen wir mit Dmax (f ) den maximalen Definitionsbereich von f , dies ist die größte Teilmenge von R, auf der die Abbildungsvorschrift x 7→ f (x) noch „sinnvoll“ definiert ist. Weiter heißt in diesem Fall Bmax (f ) = {y ∈ R | ∃ x ∈ Dmax (f ) : f (x) = y} der maximale Bildbereich von f . Mit dem oben eingeführten Begriff der Verkettung von Funktionen lässt sich mathematisch sauber (wenn auch noch nicht ganz exakt) formulieren, was mit dem „maximalen Definitionsbereich“ einer Zuordnungsvorschrift gemeint ist: Die von uns notierten Zuordnungsvorschriften sind Terme, die die Verkettung bestimmter elementarer Funktionen darstellen, deren Defini√ √ tionsbereich bekannt ist - wie z.B. der elementaren Funktionen · : [0, ∞) → R, x 7→ x, log : (0, ∞) → R, x 7→ log(x), oder der Inversionsabbildung R\{0} → R, x 7→ x1 . Der maximale Definitionsbereich einer Zuordnungsvorschrift, die sich als Verkettung solcher elementare Funktionen darstellen lässt, ist schlicht der Definitionsbereich dieser Verkettung gemäß der obigen Definition. Beispiele 6.1.5. 1. Die Funktion f sei durch die Zuordnungsvorschrift x 7→ log(−x2 + x + 2) gegeben. Geben Sie den maximalen Definitionsbereich Dmax (f ) und Bildbereich Bmax an, indem Sie f in geeigneter Weise als Verkettung zweier Funktionen schreiben. Lösung: Die Funktion f ist in der Form f = u ◦ v mit den (elementaren) Funktionen u = log : (0, ∞) → R, x 7→ log(x) und v : R → R, x 7→ −x2 + x + 2. Dann ist Dmax (f ) = Def(u ◦ v) = {x ∈ R | x ∈ Dmax (log)} = {x ∈ R | − x2 + x + 2 > 0}. Durch scharfes Hinsehen erhalten wir die zwei Nullstellen −1 und 2 der quadratischen Gleichung x2 − x − 2 = 0 (Normalform). Wir verfahren wie in Abschnitt 5.2.2 dargestellt. Für alle x ∈ R gilt −x2 + x + 2 > 0 ⇔ x2 − x − 2 < 0 ⇔ (x + 1)(x − 2) < 0 ⇔ x ∈ (−1, 2). Also ist Dmax (f ) = (−1, 2). Wir bestimmen nun den Bildbereich: Nach Definition gilt Bmax (f ) = {log(y) | y = v(x) für ein x ∈ Dmax (f )}. 44 6. Funktionen Wir bestimmen daher zunächst den Bildbereich von v: Mit quadratischer Ergänzung erhalten wir v(x) = −x2 + x + 2 = −(x2 − x − 2) = − (x − 1/2)2 − 1/4 − 2 = 9/4 − (x − 1/2)2 für alle x ∈ R, und hieraus lesen wir ab: Bmax (v) = {v(x) | x ∈ Dmax (f )} = (0, 94 ]. Damit folgt Bmax (f ) = {log(y) | y ∈ Bmax (v)} = {log(y) | y ∈ (0, 9/4]} = (−∞, log(9/4)]. (Für das letzte „=“ verweisen wir – zunächst – auf die Anschauung, tatsächlich gehen hier Argumente wie Monotonie und Stetigkeit der Funktion log ein.) r 1 2. Die Funktion f sei durch die Abbildungsvorschrift x 7→ 1 + gegeben. Bestimmen Sie x den maximalen Definitionsbereich Dmax (f ) und den maximalen Bildbereich Bmax (f ). r 1 Der Ausdruck 1 + ist sinnvoll definiert, falls x 6= 0 und 1 + x1 ≥ 0 ist. Die zweite x Ungleichung ist auf jeden Fall erfüllt für x > 0; Ist hingegen x < 0, so gilt 1+ 1 ≥ 0 ⇔ x + 1 ≤ 0 ⇔ x ≤ −1. x Damit folgt Dmax (f ) = (−∞, −1] ∪ (0, ∞). Zur Bestimmung des Bildbereichs stellen wir zunächst fest, dass Bmax (f ) ⊆ [0, ∞) ist, da Wurzeln immer nicht-negativ sind. Außerdem ist 1 ∈ / Bmax (f ), denn wäre f (x) = 1 für ein q x ∈ Dmax (f ), so wäre möglich ist. 1+ 1 x = 1, also auch 1 + 1 x = 1 und damit 1 x = 0, was aber nicht Sei nun umgekehrt y ∈ [0, ∞), y 6= 1. Dann gilt für alle x ∈ Dmax (f ): r 1+ 1 x 1 = y 2 ⇔ x + 1 = xy 2 ⇔ x − xy 2 = −1 x 1 ⇔ x(1 − y 2 ) = −1 ⇔ x = 2 y −1 = y ⇔1+ (beachte, dass y 2 6= 1, also y 2 − 1 6= 0 ist). Wenn wir zeigen können, dass x := y21−1 ∈ Dmax (f ) ist, so haben wir gezeigt, dass y = f (x) ∈ Bmax (f ) ist und damit insgesamt Bmax (f ) = [0, ∞)\{1}. Dazu machen wir eine Fallunterscheidung: Fall 1: y > 1. Dann ist y 2 − 1 > 0, also auch x = 1 y 2 −1 > 0 und damit x ∈ Dmax (f ). Fall 2: y < 1, also auch 0 ≤ y 2 < 1. Dann ist −1 ≤ y 2 − 1 < 0, und hieraus folgt −1 ≥ y21−1 (machen Sie sich dies anhand der Rechenregeln für Ungleichungen klar!). Also ist x = y21−1 ≤ −1 und damit auch in diesem Fall x ∈ Dmax (f ). 6.1. Definition und Grundlagen 45 3. Geben Sie den Definitionsbereich der durch die Zuordnungsvorschrift p x 7→ − 4 − (x − 1)2 definierten Funktion f an, und skizzieren Sie den Graphen der Funktion. Lösung: Es gilt Dmax (f ) = {x ∈ R | 4 − (x − 1)2 ≥ 0}. Dazu berechnen wir: 4 − (x − 1)2 ⇔ |x − 1| ⇔ −2 ≤ x − 1 ⇔ −1 ≤ x ≥ ≤ ≤ ≤ 0 2 2 3 für alle x ∈ R, also ist Dmax (f ) = [−1, 3]. Als eine Anwendung der obigen Definition der Hintereinanderausführung von Funktionen wollen wir uns verschiedenen Manipulationen von Graphen widmen, wie Verschieben, Spiegeln, Strecken oder Stauchen. Dieses wird durch besonders einfache Verkettungen bewirkt, auch wenn diese der Einfachheit halber nicht mehr explizit aufgeschrieben werden. Die Betrachtung dieser Verkettungen erlaubt einem häufig, auf einfache Weise den Graphen der resultierenden Funktion f zu zeichnen oder Definitions- und Bildbereich zu bestimmen. Beispiel 6.1.6. Definiere h : R → R, x 7→ −x2 + x + 2. Es gilt h(x) = −x2 + x + 2 = −(x2 − x − 2) = − (x − 1/2)2 − 1/4 − 2 = − (x − 1/2)2 − 9/4 für alle x ∈ R. Der Graph von h entsteht nun aus dem Graphen der Funktion g : R → R, x 7→ x2 durch Verschieben um 1/2 nach rechts, Verschieben um −9/4 nach unten und Spiegelung an der x-Achse. Genauer gilt h = f2 ◦ g ◦ f1 mit den Funktionen f1 : R → R, x 7→ x − 1/2 und f2 : R → R, y 7→ −(y − 9/4). Daraus ist ersichtlich, dass Dmax (f ) = R und Bmax (f ) = (−∞, 9/4] gilt. Wir betrachten nun eine allgemeinere Situation: Die Funktion f (anstelle von h) sei durch f (x) = ±c · g ± b(·x + a) + d, a, b, c, d ∈ R, b, c > 0 gegeben, wobei g eine elementare Funktion mit Dmax (g) = R ist. Ist Dmax (g) 6= R, so müssen die Definitionsbereiche der kombinierten Funktionen entsprechen angepasst werden, worauf wir hier wegen der Übersichtlichkeit aber nicht eingehen. 46 6. Funktionen Im Folgenden werden wir alle Schritte anhand g(x) = x3 illustrieren. Bild 6.B g(x) = x3 In Bezug auf den Graphen von f (x) = ±c · g ± b(·x + a) + d bewirkt a eine Verschiebung des Graphen von g um −a entlang der x-Achse (s. Bild 4.M); b eine 1/b-fache Streckung in Richtung der x-Achse (für b > 1 wird der Graph also gestaucht) (s. Bild 4.N); − vor b eine Spiegelung an der Achse x = −a (s. Bild 4.O); Bild 6.C g(x − 1) = (x − 1)3 Bild 6.D g(1/2(x − 1)) Bild 6.E g(−1/2(x − 1)) c eine c-fache Streckung in Richtung der y-Achse (s. Bild 4.P); − vor c eine Spiegelung an der x-Achse (s. Bild 4.Q); d eine Verschiebung des Graphen um d in Richtung der y-Achse (s. Bild 4.R). 6.2. Eigenschaften von Funktionen Bild 6.F 3 · g(−1/2(x − 1)) 6.2 47 Bild 6.G −3 · g(−1/2(x − 1)) Bild 6.H 3 · g(−1/2(x − 1)) + 1 Eigenschaften von Funktionen Definition 6.2.1 (Monotonie von Funktionen). Eine Funktion f : D → R, x 7→ f (x) heißt auf D monoton wachsend (fallend), falls für alle x1 , x2 ∈ D mit x1 < x2 gilt f (x1 ) ≤ f (x2 ) ( bzw. f (x1 ) ≥ f (x2 )) . Entfallen die Gleichheitszeichen, so spricht man von strenger Monotonie. Beispiele 6.2.2. 1. Die Funktion f : [0, ∞) → R, x 7→ x2 ist streng monoton wachsend.: Beweis. Seien x1 , x2 ∈ [0, ∞) mit x1 < x2 . Dann gilt x2 − x1 > 0 und x2 > x1 ≥ 0, also auch x2 + x1 ≥ x2 > 0 und damit f (x2 ) − f (x1 ) = x22 − x21 = (x2 − x1 )(x2 + x1 ) > 0, also f (x1 ) < f (x2 ). 2. Die Funktion f : R → R, x 7→ x2 ist weder monoton wachsend noch monoton fallend. Beweis. Es ist −1 < 0 und f (−1) = 1 > 0 = f (0), also ist f nicht monoton wachsend, und es ist 0 < 1, aber f (0) = 0 < f (1), also ist f auch nicht monoton fallend. 3. Die Wurzelfunktion √ · : [0, ∞) → R, x 7→ √ x ist streng monoton wachsend. Beweis. Seien x1 , x2 ∈ [0, ∞) mit x1 < x2 . Dann gilt x2 − x1 > 0 und x2 > x1 ≥ 0, also √ √ √ auch x2 + x1 ≥ x2 > 0 und damit f (x2 ) − f (x1 ) = also f (x1 ) < f (x2 ). √ x2 − √ √ √ √ √ ( x2 − x1 )( x2 + x1 ) x2 − x1 x1 = =√ √ √ √ > 0, x2 + x1 x2 + x1 48 6. Funktionen Definition 6.2.3 (gerade und ungerade Funktionen). Eine Funktion f : R → R, x 7→ f (x) heißt gerade oder symmetrisch, bzw. ungerade oder antisymmetrisch, wenn gilt f (−x) = f (x), bzw. f (−x) = −f (x) für alle x ∈ R. Bild 6.I monoton wachsende Funktion 6.3 Bild 6.J gerade Funktion Bild 6.K ungerade Funktion Die Umkehrfunktion Dieser Abschnitt ist der Berechnung von Umkehrfunktionen gewidmet. Dabei ist zu beachten, dass im allgemeinen nicht jede Funktion überhaupt eine Umkehrfunktion besitzt! Im folgenden sei f : R ⊇ D → R eine reelle Funktion. Existiert zu jedem y ∈ Bild(f ) genau ein x ∈ D mit y = f (x), so nennt man die Funktion injektiv. Nach den Ausführungen zum Quantor „Es existiert genau ein ...“ im Rahmen von Beispiel 1.8.1 (vgl. zweite Vorlesung) ist die Funktion genau dann injektiv, wenn folgendes gilt: ∀ x1 , x2 ∈ D : f (x1 ) = f (x2 ) ⇒ x1 = x2 . Ist f injektiv, so heißt die Funktion f −1 : Bild(f ) → R, y 7→ x, wobei x ∈ D die eindeutige Zahl mit f (x) = y ist, die Umkehrfunktion von f . Nach Definition gilt offenbar Bild(f −1 ) = Def(f ) = D. Um dies in der Notation deutlich zu machen, wird die Umkehrfunktion oft auch mit der expliziten Angabe des Bilds geschrieben als f −1 : Bild(f ) → Def(f ), y 7→ x, (wobei x ∈ Def(f ) die eindeutige Zahl mit f (x) = y ist). Für alle x ∈ D und y ∈ Bild(f ) gilt nach Definition: f −1 (f (x)) = x und f (f −1 (y)) = y. Man kann sich überlegen (wir werden dies in den untenstehenden Beispiele auch tun), dass die Graphen von f und f −1 symmetrisch zur Geraden y = x liegen, man erhält den Graphen der Umkehrfunktion f −1 also durch Spiegeln des Graphen von f an der Hauptdiagonalen. 6.3. Die Umkehrfunktion 49 Beispiele 6.3.1. (1) Streng monotone Funktionen sind immer injektiv und besitzen somit auch immer eine Umkehrfunktionen. (2) Die Funktion f : [0, ∞) → R, x 7→ x2 ist streng monoton wachsend, vgl. Beispiel 6.2.2 (1), also insbesondere injektiv, Ihre Umkehrfunktion ist die Wurzelfunktion √ √ · : [0, ∞) → R, x 7→ x. (3) Die Funktion f : R → R, x 7→ x2 ist nicht injektiv, denn es gilt f (1) = 1 = (−1)2 = f (−1), aber 1 6= −1, bzw. mit anderen Worten: y := 1 liegt im Bildbereich von f aber besitzt zwei verschiedene Urbilder. Wir kommen nun zu etwas aufwendigeren Beispielen, bei denen insbesondere die Umkehrfunktion zu berechnen ist. x−1 Beispiele 6.3.2. 1. Zeigen Sie, dass die Funktion f : R\{−1} → R, x 7→ x+1 injektiv ist. Geben Sie die Umkehrfunktion von f an und zeichnen Sie deren Graphen. Lösung: Wie auf der Skizze zu sehen, ist die Funktion f injektiv und somit invertierbar, wir geben aber zusätzlich noch einen formalen Beweis: Seien dazu x1 , x2 ∈ R\{−1} mit f (x1 ) = f (x2 ). Dann gilt x1 − 1 x2 − 1 = f (x1 ) = f (x2 ) = , x1 + 1 x2 + 1 und damit folgt (x1 − 1)(x2 + 1) = (x2 − 1)(x1 + 1), also x1 x2 − x2 + x1 − 1 = (x1 − 1)(x2 + 1) = (x2 − 1)(x1 + 1) = x2 x1 − x1 + x2 − 1, und hieraus folgt schließlich −x2 + x1 = −x1 + x2 , also 2x1 = 2x2 und damit x1 = x2 , was zu zeigen war. x−1 Zur Bestimmung der Umkehrfunktion müssen wir nun formal die Gleichung y = x+1 nach x−1 x auflösen. Sei dazu x ∈ R\{−1} und y = x+1 . Dann ist auch y 6= 1, denn es kann nicht x − 1 = x + 1 sein. Damit können wir die folgenden Umformungen vornehmen: ⇔ ⇔ y6=1 ⇔ y = x−1 x+1 (x + 1)y = x − 1 x(y − 1) = −1 − y y+1 x = − y−1 Dies zeigt, dass es zu jedem y ∈ R\{1} genau ein x ∈ R\{−1} gibt mitf (x)= y, also ist insbesondere Bild(f ) = R\{1}, und dieses x ist gegeben als x = − y+1 y−1 . Um die Umkehrfunktion f −1 zu notieren, muss man sich klarmachen, dass das obige y die Variable sein soll und man daher in der letzten Gleichung x und y vertauschen muss. Wir erhalten also als Umkehrfunktion: x+1 −1 f : R\{1} → R, x 7→ − x−1 50 6. Funktionen mit Bild(f −1 ) = R\{−1}. Bild 6.M Graph der Funktion f −1 Bild 6.L Graph der Funktion f 2. Sei a > 0. Geben Sie den maximalen Definitionsbereich Dmax (f ) und den zugehörigen Bildbereich Bmax (f ) von der durch die folgende Abbildungsvorschrift definierte reellen Funktion f an: x 7→ 1 √ . a+ x Zeigen Sie ferner, dass f injektiv ist und bestimmen Sie die Umkehrfunktion f −1 . Lösung: Es gilt Dmax (f ) = [0, ∞). Für jedes x ≥ 0 gilt zudem 0< 1 1 1 √ ≤ √ = , a a+ x a+ 0 also ist Bmax (f ) ⊆ (0, 1/a]. Sei nun x ≥ 0, dann gilt: y = ⇔ ⇔ √ a+ √ x = √ x = x≥0 bzw. y≤ a1 ⇔ x = 1√ a+ x 1 y 1 y −a 1 y 2 −a Dies zeigt, dass Bmax (f ) = (0, 1/a] ist (ist y ∈ (0, 1/a], so ist y = f (x) für 2 x = y1 − a ∈ Dmax (f )), und es ergibt sich die Umkehrfunktion f −1 : (0, 1/a] → [0, ∞), x 7→ 1 −a x 2 . Kapitel 7 Spezielle Funktionen In diesem Kapitel wird eine Reihe von elementaren Funktionen mit ihren Graphen und elementaren Eigenschaften angegeben. 7.1 Konstante Funktionen Eine konstante Funktion ist eine Funktion der Gestalt f : R → R, x 7→ a mit einer festen Zahl a ∈ R. Konstante Funktionen sind monoton wachsend und monoton fallend (aber nicht „streng“!) und besitzen keine Umkehrfunktion. y 3 f (x) = 2 2 1 -3 -2 -1 0 1 -1 -2 -3 Bild 7.A 51 2 3 x 52 7. Spezielle Funktionen 7.2 Lineare Funktionen 7.2.1 Lineare Funktion im Sinne der Schulmathematik Unter einer linearen Funktion im Sinne der Schulmathematik versteht man eine Funktion der Gestalt f : R → R, x 7→ a · x + b mit festen Zahlen a, b ∈ R. Sie hat die folgenden Eigenschaften: • f ist monoton, genauer gilt: – Ist a > 0, so ist f streng monoton wachsend. – Ist a < 0, so ist f streng monoton fallend. – Ist a = 0, so ist f konstant und somit monoton wachsend und monoton fallend. • Im Fall a 6= 0 besitzt f die Umkehrfunktion f −1 : R → R, x 7→ x−b 1 b = ·x− . a a a f (x) = 1.5 · x + 2 y 3 2 1 -3 -2 -1 0 1 2 3 x -1 -2 -3 Bild 7.B 7.2.2 Lineare Funktion im Sinne der Linearen Algebra Im Rahmen der linearen Algebra werden lineare Funktionen (allgemein auf Vektorräumen anstelle von R) folgendermaßen definiert: 7.3. Quadratische Funktionen 53 Definition 7.2.1 (Lineare Funktion). Eine Funktion f : R → R heißt linear, wenn für alle x, y, c ∈ R gilt f (x + y) = f (x) + f (y) und f (cx) = c f (x). Wie man leicht einsieht, ist für jedes a ∈ R die Funktion fa : R → R, x 7→ a · x linear im Sinne dieser Definition. Tatsächlich sind dies auch schon alle lineare Funktionen, es gilt also: Die Funktion f : R → R ist genau dann linear, wenn es ein a ∈ R gibt mit f = fa . Wir wollen dieses Aussage beweisen. Dafür überlegen wir vorab: Wenn es ein solches a gibt, so muss insbesondere f (1) = fa (1) = a · 1 = a sein. Wir nehmen dies nun umgekehrt als Motivation, a := f (1) zu wählen, was auch zum gewünschten Ziel führt – dies zeigt der folgende Beweis. Sei f : R → R linear. Definiere a := f (1). Wir zeigen, dass dann f = fa ist. Sei dazu x ∈ R beliebig, dann gilt f (x) = f (x · 1) f linear = x · f (1) = x · a = a · x = fa (x). Also ist f = fa . Insbesondere gilt für lineare Funktionen f immer f (0) = 0. Im Vergleich zu dem Begriff Lineare Funktion aus der Schulmathematik (Abschnitt 7.2.1) beschränkt man sich also nur auf solche Funktionen f : R → R, x 7→ a · x + b für die b = 0 ist. Die Funktion f : R → R, x 7→ a · x + b wird im Fall b 6= 0 im Rahmen der Linearen Algebra als affin-lineare Funktion bezeichnet (Bedeutung: verschobene lineare Funktion). Beispiel 7.2.2. Skizzieren Sie den Graphen solch einer Funktion im Falle 1. a = 0, b = 2 2. a = 1, b = 0 3. a = −1, b = −0.5 7.3 Quadratische Funktionen Eine quadratische Funktion ist eine Funktion der Gestalt f : R → R, x 7→ a · x2 + b · x + c mit festen Zahlen a, b, c ∈ R. Sie ist im Fall a 6= 0 weder monoton steigend noch fallend und besitzt keine Umkehrfunktion. Der Graph ist in diesem Fall eine Parabel, genauer im Fall a > 0 eine nach oben und im Fall a < 0 eine nach unten geöffnete Parabel. 54 7. Spezielle Funktionen Für die Veranschaulichung einer quadratischen Funktion verweisen wir auf Abschnitt 5.2, in dem der Fall a = 1 behandelt wird. Der allgemeine Fall ändert sich nur dahingehend, dass es sich im Fall |a| < 1 um eine gestreckte und im Fall |a| > 1 um eine gestauchte Parabel handelt. f (x) = 2x2 − 2x + 1 y 4 3 2 1 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 x -1 -2 -3 -4 f (x) = − 21 · x2 − 2x Bild 7.C 7.4 Polynomfunktionen Ein (reelle) Polynomfunktion ist eine Funktion der Gestalt 2 n f : R → R, x 7→ a0 + a1 x + a2 x + ... + an x =: n X aj xj j=0 mit n ∈ N0 und a0 , a1 , ..., an ∈ R. Ist an 6= 0, so nennt man f eine Polynomfunktion n-ten Grades und n heißt der Grad von f . 7.5. Gebrochen rationale Funktionen 55 Bild 7.D Graph einer Polynomfunktion fünften Grades Die bereits eingeführten Funktionen stellen sich als Spezialfälle von Polynomfunktionen heraus: • Konstante Funktionen sind Poynomfunktionen vom Grad 0. • Affin-lineare Funktionen sind Poynomfunktionen vom Grad 1. • Quadratische Funktionen sind Poynomfunktionen vom Grad 2. Im Zusammenhang mit Polynomfunktionen ist oft die Frage nach Nullstellen von Bedeutung, also nach Stellen x0 ∈ R mit f (x0 ) = 0. Wir zitieren hierzu einige Tatsachen, die teilweise aus der Schule bekannt sind und im Laufe Ihres Studiums bewiesen werden: • Eine Polynomfunktion n-ten Grades hat höchstens n Nullstellen. • Ist f eine Polynomfunktion mit Grad n ∈ N (also f nicht konstant) und x0 eine Nullstelle von f , so gibt es eine Polynomfunktion g vom Grad n − 1 mit f (x) = (x − x0 ) · g(x) für alle x ∈ R. Man gewinnt g aus f mithilfe von Polynomdivision. • Es gibt Formeln zur Berechnung der Nullstellen von Polynomen mit Grad höchstens vier (p-q-Formel für Grad 2, Cardanische Formel n für Grad 3 und 4). • Es gibt keine allgemeine Formel zur Berechnung der Nullstellen von Polynomen mit Grad fünf oder größer (Galoistheorie). 7.5 Gebrochen rationale Funktionen Sind g, h Polynomfunktionen und ist N := {x ∈ R | h(x) = 0} die Nullstellenmenge von h, so nennt man f : R\N → R, x 7→ g(x) h(x) 56 7. Spezielle Funktionen eine gebrochen rationale Funktion. Beispiele: (1) f : R\{0} → R, x 7→ 1 x (2) f : R\{1} → R, x 7→ x+1 x−1 (3) f : R\{−2} → R, x 7→ x2 + 2x − 3 x+2 (4) f : R\{1, 2} → R, x 7→ x3 − x2 + 2x − 2 x2 − 3x + 2 y 15 10 f (x) = x2 +2x−3 x+2 5 −6 −5 −4 −3 −2 −1 1 2 3 4 5 6 x −5 −10 −15 Gebrochen rationale Funktionen lassen sich oft vereinfachen mithilfe von Polynomdivision und Faktorisieren und Kürzen. Dies wird in den Grundvorlesungen allgemein behandelt werden und soll hier nur exemplarisch für die Funktion in Beispiel (4) gezeigt werden. Polynomdivision Für alle x ∈ R\{1, 2} gilt f (x) = x + 2 + 6x−6 . x2 −3x+2 Faktorisieren und Kürzen Formal gilt 6x − 6 = 6(x − 1) und x2 − 3x + 2 = (x − 1)(x − 2), und damit folgt formal f (x) = x + 2 + x2 6x − 6 6(x − 1) 6 =x+2+ =x+2+ . − 3x + 2 (x − 1)(x − 2) x−2 Hierdurch kann der Definitionsbereich von f vergrößert werden auf R\{2}, da die Nullstelle 1 im Nenner wegfällt. 7.6. Die Potenzfunktion 7.6 57 Die Potenzfunktion Die (allgemeine) Potenzfunktion ist definiert als f : (0, ∞) → R, x 7→ xα mit festem α ∈ Q. Sie hat allgemein die folgenden Eigenschaften: • Im Fall α = 0 ist f konstant. • Für α > 0 ist f streng monoton steigen und für α < 0 ist f streng monoton fallend. 1 • Im Fall α 6= 0 besitzt f die Umkehrfunktion f −1 : (0, ∞) → R, x 7→ x α . Die allgemeine Potenzfunktion umfasst verschiedene Spezialfälle, in denen der maximale Definitionbereich Dmax (f ) vergrößert werden kann. 1. α = 0. f ist die konstante Funktion f (x) = 1 mit Dmax (f ) = R. 2. α = 1. f ist die lineare Funktion f (x) = x (siehe auch Abschnitt 7.2) mit Dmax (f ) = R. 3. Allgemeiner: Ist α ∈ N0 , so gilt Dmax (f ) = R. Dabei ist die Funktion gerade für α gerade und ungerade für α ungerade. 4. α ∈ Z, α ≤ −1. Dann ist Dmax (f ) = R \ {0}. 5. α 6∈ Z, α > 0. In diesem Fall ist f (0) = 0, der Definitionsbereich lässt sich also auf [0, +∞) erweitern. In Spezialfällen, etwa α = 13 , gilt sogar Dmax (f ) = R. 6. α 6∈ Z, α < 0. Hier ist sicher 0 ∈ / Dmax (f ). In Spezialfällen, etwa α = − 31 , gilt sogar Dmax (f ) = R\{0}. 58 7. Spezielle Funktionen Bild 7.F Bild 7.G Beispiel 7.6.1. Es sei n ∈ N, n ≥ 2. Dann ist die Funktion f : [0, ∞) → R, x 7→ xn injektiv (denn f ist streng monoton wachsen), und die Umkehrfunktion f −1 ist gegeben durch f −1 (x) = √ n 1 x = x n für alle x ∈ Dmax (f −1 ) = [0, ∞). Der Graph der Umkehrfunktion f −1 entsteht durch Spiegelung des Graphen von f an der Achse x = y, wie man in Bild 7.F sehen kann. 7.7. Die Exponentialfunktion und die Logarithmusfunktion 7.7 59 Die Exponentialfunktion und die Logarithmusfunktion Sei a > 0, a 6= 1. Die Funktion f : R → R, x 7→ ax = ex ln(a) nennt man Exponentialfunktion mit Basis a. Im Fall a = e heißt f einfach die Exponentialfunktion. Man beachte: Nach dem Kommentaren in Abschnitt 2.1.3 haben wir ax für x ∈ R\Q noch gar nicht definiert. Dies wird aber im Rahmen der Vorlesung Analysis 1 nachgeholt. Die Exponentialfunktion ist streng monoton wachsend, also injektiv. Die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion zur Basis a ist die Logarithmusfunktion loga : R>0 → R, x 7→ loga (x) Bild 7.H 7.8 Betragsfunktion Die Betragsfunktion ist definiert durch f : R → R, x 7→ |x|. Sie ist stückweise linear auf (−∞, 0) und [0, ∞). 60 7. Spezielle Funktionen y f (x) = |x| 3 2 1 -3 -2 -1 0 1 2 x 3 -1 -2 -3 Bild 7.I 7.9 Indikatorfunktion Sei A ⊆ R. Die Indikatorfunktion von A ist definiert als ( 1 falls x ∈ A, 1A : R → R, x 7→ 0 sonst. y 3 2 f (x) = 1[−1,2] (x) 1 -3 -2 -1 0 1 -1 -2 -3 Bild 7.J 2 3 x 7.10. Stückweise definierte Funktionen 7.10 61 Stückweise definierte Funktionen Die bisher definierten Funktionen wurden bis auf die Indikatorfunktion durch eine einheitliche Abbildungsvorschrift auf ihrem Definitionsbereich eingeführt. Ausnahmen sind die zuletzt eingeführten Indikatorfunktionen und die Betragsfunktion. Allgemein kann eine Funktion durch Angabe einer Funktionsvorschrift auf Teilintervallen spezifiziert werden. Wir bringen ein Beispiel einer immer noch einfachen Funktion, die aber nicht zu den elementaren Funktionen gehört. Dennoch lässt sie sich durch Fallunterscheidungen aus elementaren (nämlich affin-linearen) Funktionen zusammensetzen. Beispiel 7.10.1. Schreiben Sie die Funktion f : R → R, x 7→ 2 − |1 − x| − |x + 2| ohne Beträge, indem Sie sie auf geeigneten Intervallen als affin-lineare Funktionen schreiben. Skizzieren Sie ihren Graphen. Lösung: Zunächst ermitteln wir die kritischen Punkte, in denen die Terme innerhalb der Betragsstriche das Vorzeichen wechseln. Das sind die Punkte 1 und −2. Das führt uns auf die drei Teilintervalle von R: (−∞, −2), [−2, 1) und [1, ∞) auf denen eine einheitliche Darstellung ohne Beträge möglich ist. Sei x ∈ (−∞, −2). Hier gilt: Sei x ∈ [−2, 1). Hier gilt: f (x) = 2 − |1 − x| − |x + 2| = 2 − (1 − x) + (x + 2) = 3 + 2x. f (x) = 2 − (1 − x) − (x + 2) = −1. Sei x ∈ [1, ∞). Hier gilt: f (x) = 2 + (1 − x) − (x + 2) = −2x + 1. Insgesamt erhalten wir: f (x) = 3 + 2x −1 1 − 2x falls x < −2, falls − 2 ≤ x < 1, falls x ≥ 1. Bild 7.K Graph der Funktion f 62 7. Spezielle Funktionen 7.11 7.11.1 Trigonometrische Funktionen Herleitung und Definition Für ein rechtwinkliges Dreieck gelten die Definitionen sin α := Gegenkathete/Hypotenuse, cos α := Ankathete/Hypotenuse, tan α := Gegenkathete/Ankathete. Diese Definition ist nur für α < 90◦ möglich. Bild 7.L Die sog. Trigonometrischen Funktionen sin und cos erweitern diese Darstellung auf den Definitionsbereich R. Dies soll aus der Anschauung des Einheitskreises hergeleitet werden. Bild 7.M Umrechnung von Grad- und Bogenmaß Der Umfang des Einheitskreises ist 2π. Daraus leitet sich das Bogenmaß ab, das im Folgenden statt des Gradmaßes verwendet wird. Es gilt 180◦ =π, b zwischen dem Gradmaß a und dem Bogenmaß b bestehen also die Beziehungen a◦ = 180 b π und b = π ◦ a . 180 Dabei wird das Bogenmaß als eine reelle Zahl interpretiert, man hat also keine Maßeinheit für b. 7.11. Trigonometrische Funktionen 63 Über die Anschauung am Einheitskreis können wir die Definition von Sinus und Cosinus auf beliebige reelle Zahlen aussdehnen, wobei wir diese als Winkel gemessen im Bogenmaß auffassen. So erhalten wir die Funktionen sin : R → R, x 7→ sin(x) und cos : R → R, x 7→ cos(x), und wir können folgendes ablesen: Der Bildbereich Bmax (sin) und Bmax (cos) sind jeweils das Intervall [−1, 1]. Schaubild des Sinus und Cosinus. Bild 7.N Schaubild des Tangens und Cotangens. Der Tangens tan(x) := sin(x) cos(x) ist definiert auf R \ {x | cos(x) = 0} = R \ {kπ + π2 |k ∈ Z}. Der Cotangens cot(x) := cos(x) sin(x) ist definiert auf R \ {x | sin(x) = 0} = R \ {kπ | k ∈ Z}. Bild 7.O Die Funktionen sin und cos, bzw. tan und cot sind periodisch mit den Perioden 2π bzw. π, das heißt, für alle x ∈ R und k ∈ Z gilt sin(x) = sin(x + 2kπ), cos x = cos(x + 2kπ), tan(x) = tan(x + kπ), cot x = cot(x + kπ). 64 7. Spezielle Funktionen 7.11.2 Die Additionstheoreme Seien x, y ∈ R. Dann gilt: 1. sin2 (x) + cos2 (x) = 1, mit der Schreibweise sin2 (x) := (sin(x))2 , 2. sin(x ± y) = sin(x) cos(y) ± cos(x) sin(y), 3. cos(x ± y) = cos(x) cos(y) ∓ sin(x) sin(y). Die Additionstheoreme lassen sich geometrisch am Einheitskreis herleiten. Außerdem werden sie im Rahmen der Analysis-Vorlesung mit analytischen Methoden bewiesen, denen aber insbesondere eine formale Definition der Funktionen sin, cos zugrunde liegen. Setzt man bei 2. und 3. den Spezialfall x = y ein, so erhält man sin(2x) = 2 sin(x) cos(x) und cos(2x) = cos2 (x) − sin2 (x) für alle x ∈ R. Beispiel 7.11.1. Sei x ∈ R, dann folgt mit den Additionstheoremen: cos(2x) = cos2 (x) − sin2 (x) = cos2 (x) − 1 − cos2 (x) = 2 cos2 (x) − 1, 1 bzw. cos2 (x) = (cos(2x) + 1). 2 Neben der bereits formulierten 2π-Periodizität kann man noch weitere Symmetrien von sin und cos aus der Definition am Einheitskreis ablesen, etwa: ∀ x ∈ R : sin(x + π) = − sin(x) und cos(x + π) = − cos(x). Beispiel 7.11.2. Machen Sie sich anschaulich klar, dass für alle x ∈ R gilt π π sin x + = cos(x) und cos x + = − sin(x), 2 2 und beweisen Sie dies mit den Additionstheoremen. Spezielle Werte von Sinus, Cosinus und Tangens. a) Leiten Sie folgende spezielle Funktionswerte am Einheitskreis her. x in ◦ x im Bogenmaß sin x cos x tan x 0◦ 30◦ 45◦ b) Mithilfe der Ergebnisse aus a) und den Additionstheoremen berechnen Sie sin(π/8) und cos(π/8). Kapitel 8 Die komplexen Zahlen Einigen von Ihnen sollten die komplexen Zahlen bereits aus der Schule vertraut sein. Aber auch sonst ist in der Regel allgemein bekannt, dass eine Grundidee der komplexen Zahlen darin liegt, √ aus negativen Zahlen eine Wurzel ziehen zu können. Insbesondere wird die Zahl i = −1 eingeführt (wobei diese Notation problematisch ist – dazu später mehr). In Anbetracht der „Alltagserfahrung“ bzw. des üblichen Umgangs mit den bekannten Zahlenbereichen N, Z, Q, R könnte dies als eine unnatürliche und eher künstliche Konstruktion erscheinen. Tatsächlich aber sind ausgehend von den natürlichen Zahlen (die auch erst nach langen Zeiten rein geometrischer Mathematik formalisiert wurden) auch die anderen bekannten Zahlenbereiche ähnlich entstanden aus der Unzulänglichkeit, in dem gegebenem Zahlenbereich gewisse „natürliche“ mathematische Probleme lösen oder auch nur behandeln zu können. So erscheinen die natürlichen Zahlen N = {1, 2, 3, . . .} nicht nur dem Namen nach „natürlich“, schließlich entsprechen sie unserer Alltagserfahrung des Zählens. Nun sind aber in N Gleichungen der Gestalt n + x = m für gegebene m, n ∈ N im allgemeinen nicht lösbar – dies führt auf die Einführung der ganzen Zahlen Z. Und auch, wenn sich eine negative Zahl zunächst nicht aus der Alltags-Anschauung erklären lässt (was ist −1 Apfel?), so lässt sich doch die Operation mit einer negativen Zahl (einen Apfel von gegebenen wegnehmen) erklären. Ähnlich sind die rationalen Zahlen entstanden aus der Unfähigkeit, in dem Bereich der ganzen Zahl zu teilen – und auch hier finden sich sehr anschauliche Alltagsbeispiele (Uhr, Kuchen). Schließlich hat man in den rationalen Zahlen auch „Lücken“ entdeckt: In einem Quadrat mit der Seitenlänge 1 hat die Hauptdiagonale – deren Konstruktion geometrisch trivial ist – nach dem Satz von Pythagoras die Länge x mit der Eigenschaft x2 = 12 + 12 = 2. Damit kann x aber keine rationale Zahl sein (dies haben wir bereits bewiesen). Ausgehend von dieser Problematik wurden die rationalen Zahlen „vervollständigt“ zu der Menge der reellen Zahlen R. Ein anscheinend natürliches Problem hat nun auf die Erfindung der komplexen Zahlen geführt: Im 16. Jahrhundert stellte sich der Mathematiker Geronimo Cardano (1501-1576) die Aufgabe, eine Strecke der Länge 10 so in zwei Stücke zu zerlegen, dass das aus ihnen gebildete Rechteck die Fläche 40 hat. Dies führt auf die quadratische Gleichung x(10 − x) = 40, und quadratische Ergänzung zeigt, dass diese Gleichung keine reellen Lösungen besitzt: x2 − 10x + 40 = (x − 5)2 − 25 + 40 = (x − 5)2 + 15 ≥ 15 > 0. 65 66 8. Die komplexen Zahlen Cardano rechnete dennoch weiter und erhält als Lösungen die Ausdrücke √ √ x1 = 5 + −15 und x2 = 5 − −15. Und auch wenn diese Ausdrücke zunächst gar nicht definiert sind, wenn man „naiv“ mit ihnen rechnet, liefern sie genau das Gewünschte, nämlich √ √ x1 + x2 = 5 + −15 + 5 − −15 = 10, √ √ √ 2 und x1 · x2 = 5 + −15 · 5 − −15 = 52 − −15 = 25 − (−15) = 40. Im Laufe der Zeit stellte man nun fest, dass das formale Rechnen mit Wurzeln aus negativen Zahlen viele fruchtbare Erkenntnisse liefert, unter anderem allgemeine Lösungsformeln zur Bestimmung der Nullstellen von Polynomen 3. und 4. Grades. Ebenso ließen sich Probleme, die sowohl in Formulierung als auch Lösung eigentlich rein reeller Natur sind, durch den Umweg mit dem Rechnen mit nicht-reellen Wurzeln aus negativen Zahlen erst vollständig lösen. 8.1 Rechnen mit komplexen Zahlen √ √ √ Ausgehend von der Idee −a = −1 · a für a > 0 reicht es, die Wurzel aus der Zahl −1 ziehen zu können. Wir definieren daher die sogenannte imaginäre Einheit i mit der Eigenschaft i2 = −1. Eine allgemeine komplexe Zahl ist nun eine Zahl der Gestalt z = a + ib, zusammengesetzt aus reellen Zahlen a, b ∈ R und der imaginären Einheit i, und wir setzen C := {a + ib | a, b ∈ R}. Man nennt C die Menge oder auch den Körper der komplexen Zahlen. Um einen sinnvollen Umgang mit dieser neuen Art Zahlen möglich zu machen, sollten die elementare Rechenoperationen Addition und Multiplikation, sowie die zugehörigen inversen Operationen Subtraktion und Division, sinnvoll erklärt werden können. Man rechnet dazu formal mit komplexen Zahlen unter Verwendung der bekannten Rechenregeln für reelle Zahlen sowie der axiomatisch geforderten Identität i2 = −1, so gilt zum Beispiel: (2 + i) · (3 − 2i) = 6 + 3i − 4i − 2i2 = 6 − i + 2 = 8 − i. Allgemein erhalten wir für komplexe Zahlen a + ib und c + id: (a + ib) + (c + id) = a + ib + c + id = (a + c) + i(b + d), (a + ib) · (c + id) = ac + a · (id) + ibc + (ib)(id) = ac + i ad + i bc + i2 · bd = ac − bd + i(ad + bc). Ähnliche Rechnungen können wir auch für die inversen Operationen Subtraktion und Division durchführen, wobei man sich im zweiten Fall eines Tricks bedient. Seien a + ib, c + id ∈ C, dann gilt: (a + ib) − (c + id) = a + ib − c − id = (a − c) + i(b − d), 8.2. Die Gaußsche Zahlenebene (a + ib) : (c + id) = = 67 a + ib c − id (a + ib)(c − id) (ac + bd) + i(bc − ad) · = = 2 2 c + id c − id c − (id) c2 + d2 ac + bd bc − ad +i 2 . 2 2 c +d c + d2 Dies zeigt, dass der Zahlenbereich C gegenüber den Rechenoperationen Multiplikation und Addition und den zugehörigen inversen Operationen Subtraktion und Division abgeschlossen ist, es entstehen also durch Verknüpfung von komplexen Zahlen keine komplizierteren Ausdrücke, sondern immer nur wieder Ausdrücke der Gestalt a + ib. Definition 8.1.1 (Real- und Imaginärteil einer komplexen Zahl). Zu einer gegebenen reellen Zahl z = a + ib nennt man a den Realteil und b den Imaginärteil von z und schreibt hierfür a = Re(z) und b = Im(z). Um diese Definition zu rechtfertigen, müssen wir noch zeigen, dass der Real- und Imaginärteil einer komplexen Zahl wohldefiniert sind, dass also durch z 7→ Re(z) und z 7→ Im(z) Funktionen definiert werden.1 Seien dazu a, b, c, d ∈ R mit z = a + ib und z = c + id, dann ist zu zeigen, dass a = c und b = d ist. Wir folgern a + ib = z = c + id, also a − c = i(d − b), und Quadrieren liefert (a − c)2 = −(d − b)2 , also folgt (a − c)2 + (d − b)2 = 0. Wegen (a − c)2 ≥ 0 und (d − b)2 ≥ 0 folgt hieraus aber schon (a − c)2 = 0 und (d − b)2 = 0 und damit wie behauptet a = c und b = d. √ √ √ √ √ Beispiele 8.1.2. 1. (1 + i 2) · (1 − i 2) = 1 + i 2 − i 2 − (i 2)2 = 1 + 2 = 3, 2. 1−i 1−i 1−i 1 1 1 = = = = − i, 1+i (1 + i)(1 − i) 1+i−i+1 2 2 2 3. 3+i (3 + i)(1 + 2i) 3 + i + 6i − 2 1 + 7i 1 7 = = = = + i. 1 − 2i (1 − 2i)(1 + 2i) 1 − 2i − 2i + 4 5 5 5 8.2 Die Gaußsche Zahlenebene Wie oben gezeigt wurde, lässt sich jede komplexe Zahl z ∈ C eindeutig identifizieren mit dem reellen Zahlenpaar (Re(z), Im(z)) ∈ R2 . Formal lässt sich dies so ausdrücken: Die Abbildung F : C → R2 , z 7→ (Re(z), Im(z)) ist injektiv mit Umkehrabbildung F −1 : R2 → C, (x, y) 7→ x+iy. Wir erhalten so eine geometrische Anschauung für komplexen Zahlen als Zahlenpaarer in einem zweidimensionalen Koordinatensystem, der sogenannten Gaußschen Zahlenebene, wobei der Realteil einer komplexen Zahl auf der „x-Achse“ und der Imaginärteil auf der „y-Achse“ abgetragen 1 Vgl. mit Aufgabe 5.1 c): So sind zum Beispiel Zähler und Nenner einer rationalen Zahl r ∈ Q nicht wohldefiniert, da sie von der konkreten Darstellung der Zahl r als Bruch ab abhängen. 68 8. Die komplexen Zahlen werden. Im Beispiel unten (Bild 8.A) ist konkret die komplexe Zahl z = 4 + 3i eingezeichnet. Bild 8.A Bild 8.B Die Rechenoperationen für komplexe Zahlen (Addition, Multiplikation) lassen sich ebenfalls geometrisch interpretieren. Die Addition komplexer Zahlen ist die Vektoraddition im Parallelogramm, wie sie ihnen vielleicht noch aus der Vektorrechnung bekannt ist (vgl. Bild 8.B). Auch die Multiplikation komplexer Zahlen hat eine geometrische Interpretation, bevor wir zu dieser kommen, führen wir noch einige neue Bezeichnungen ein. Definition 8.2.1 (Betrag und die Konjugierte einer komplexen Zahl). Es sei z ∈ C und a := √ Re(z), b := Im(z), also z = a + ib. Dann nennt man |z| := a2 + b2 den Betrag von z und z := a − ib die (komplex-)konjugierte Zahl zu z. Anschaulich ist |z| die Länge von z, bzw. der Abstand von z zum Ursprung 0 in der Gaußschen Zahlenebene, und die Komplex-Konjugation von z entspricht einer Spiegelung an der reellen Achse. Für jede komplexe Zahl z ∈ C gilt offenbar nach Definition | Re(z)| ≤ |z|, | Im(z)| ≤ |z| sowie |z| = |z| und z = z. Wir formulieren noch weitere Rechenregeln. Für alle komplexen Zahlen z, w ∈ C gilt: 1. |z| ≥ 0, und |z| = 0 ⇔ z = 0, 2. |w · z| = |w| · |z|, 3. |w + z| ≤ |w| + |z| (Dreiecksungleichung), 4. z · w = z · w und z + w = z + w, 5. Re(z) = 21 (z + z) und Im(z) = 6. |z|2 = z · z. 1 2i (z − z), 8.2. Die Gaußsche Zahlenebene 69 Die meisten dieser Regeln ergeben sich unmittelbar aus den Definitionen, sobald man alle entsprechenden Terme ausrechnet. Wir wollen daher an dieser Stelle nur einige dieser Regeln beweisen. Seien dazu z = a + ib, w = c + id ∈ C. Zu 1. |z| ≥ 0 folgt aus der Definition als Wurzel, und es gilt |z| = 0 ⇐⇒ |z|2 = 0 ⇐⇒ a2 + b2 = 0 ⇐⇒ a = b = 0 ⇐⇒ z = 0. Zu 5. Dies folgt aus der Definition von z. Zu 6. Es gilt z · z = (a + ib)(a − ib) = a2 − (ib)2 = a2 + b2 = |z|2 . Zu 3. Mithilfe von 2. und 4.-6. sowie der Definition von Betrag und komplex-konjugierter Zahl beweisen wir nun die Dreiecksungleichung. Es gilt |z + w|2 = 4.,6. 4. (z + w)(z + w) = (z + w)(z + w) = zz + wz + zw + ww 5.,6. = |z 2 | + wz + wz + |w|2 = |z 2 | + 2 Re(wz) + |w|2 ≤ |z 2 | + 2|wz| + |w|2 2. |z 2 | + 2|w| |z| + |w|2 = |z 2 | + 2|w| |z| + |w|2 = (|z| + |w|)2 , = und durch Wurzelziehen folgt die Dreiecksungleichung. Wie die letzte Rechnung zeigt, kann man durch die Verwendung von Beträgen und komplexkonjgierten Zahlen Rechnungen einfacher und übersichtlicher gestalten, als wenn man konkret mit Real und Imaginärteil rechnet. So erhält man zum Beispiel auch eine einfachere Darstellung der multiplikativ Inversen einer komplexen Zahl z 6= 0: Nach 6. gilt z · z = |z|2 , also folgt z 1 = 2. z |z| Wir kehren damit zurück zur geometrischen Interpretation der komplexen Multiplikation. Dazu betrachten wir zunächst zwei Spezialfälle: 1. Das Multiplizieren mit einer positiven Zahl. Es sei r > 0 eine positive (und damit insbesondere reelle) Zahl und z = a + ib ∈ C. Dann ist r · z = ra + i(rb), es werden also sowohl Real- als auch Imaginärteil von z um den selben Faktor r gestreckt (im Fall r ≥ 1) bzw. gestaucht (im Fall r < 1). Die Zahl r · z hat also in der Gaußschen Zahlenebene dieselbe Richtung wie z, allerdings die Länge |rz| = r · |z|. 2. Das Multiplizieren mit einer komplexen Zahl vom Betrag 1. Sei nun w ∈ C mit |w| = 1. Dann liegt w in der Gaußschen Zahlenebene auf dem Einheitskris, nach dem vorherigen Abschnitt lässt sich daher w schreiben also w = cos(ϕ) + i sin(ϕ) mit einem ϕ ∈ [0, 2π). Sei weiter z ∈ C\{0}, dann ist |wz| = |w| |z| = |z|, somit hat wz dieselbe Länge wie z, liegt also auf dem selben Kreis um den Ursprung wie die Zahl z. Folglich handelt es sich bei der Multiplikation mit w um eine Drehung. Dies können wir noch präzisieren: Setze r := |z| > 0 und z0 := zr , dann gilt z = r · z0 und |z0 | = 1. Also finden wir ein ψ ∈ [0, 2π) mit z0 = cos(ψ) + i sin(ψ). Mit den Additionstheoremen folgt nun w · z = r · (cos(ϕ) + i sin(ϕ)) · (cos(ψ) + i sin(ψ)) 70 8. Die komplexen Zahlen = r · [cos(ϕ) cos(ψ) − sin(ϕ) sin(ψ)] + i [cos(ϕ) sin(ψ) + sin(ϕ) cos(ψ)] = r (cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ)). Insgesamt erhalten wir: Sind w, z ∈ C, so findet man Winkel ϕ, ψ ∈ [0, 2π) mit z = |z|(cos(ϕ) + i sin(ϕ)) und w = |w|(cos(ψ) + i sin(ψ)), und es gilt z · w = |z||w| (cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ)), das heißt, die Beträge werden multipliziert und die Winkel addiert. Bild 8.C Eine formale Definition der komplexen Zahlen Bisher haben wir die imaginäre Einheit i als formales Objekt behandelt, und erklärt, wie man mit diesem rechnen kann. Tatsächlich bietet die Anschauung von C als Gaußsche Zahlenebene (und damit mengenmäßig als R2 ) auch eine Möglichkiet, die komplexen Zahlen exakt zu definieren. Dies wird in den Grundvorlesungen ausführlich gemacht werden, und es soll hier nur kurz die Idee genannt werden: Man definiert C := R2 , und motiviert durch die bereits hergeleiteten Rechenregeln sowie der gewünschten Interpretation des Paares (a, b) mit der komplexen Zahl a + ib definiert man anschließend die Verknüpfungen (a, b) + (c, d) := (a + c, b + d) (a, b) · (c, d) := (ac − bd, ad + bc) 8.3. Lösen quadratischer Gleichungen in C 71 für alle (a, b), (c, d) ∈ R2 . Nun wird die reelle Achse mit der x-Achse identifiziert, also jedes a ∈ R mit dem Paar (a, 0), und wir definieren i := (0, 1). Dann folgt in der Tat mit der oben definierten Multiplikation i2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0), mit der vorherigen Identifikation von R mit der x-Achse in R2 also i2 = −1, und für alle a, b ∈ R gilt (a, b) = a · (1, 0) + b · (0, 1) = a + ib. 8.3 Lösen quadratischer Gleichungen in C Wir kommen nun zu dem eingangs gestellten Problem zurück, nämlich dem Lösen quadratischer Gleichungen in C. Dabei lasse wir auch komplexe Koeffizienten zu, es seien also p, q ∈ C, und wir suchen alle komplexen Lösungen z der Gleichung z 2 + pz + q = 0. (∗) Dafür beweisen wir zunächst: (1) Jede komplexe Zahl besitzt eine Wurzel, das heißt, zu jedem z ∈ C existiert ein w ∈ C mit w2 = z. Beweis. Sei z ∈ C. √ Fall 1: z ∈ (−∞, 0]. Dann ist −z ∈ [0, ∞), setze also w := i −z, dann folgt w2 = i2 · (−z) = z. p z + |z| Fall 2: z ∈ / (−∞, 0]. Dann ist z + |z| = 6 0. Definiere w := |z| , dann folgt: |z + |z|| (z + |z|)2 z 2 + 2z|z| + |z|2 z 2 + 2z|z| + zz = |z| · = |z| · |z + |z||2 (z + |z|) · (z + |z|) |z|2 + z|z| + z|z| + |z|2 z(z + 2|z| + z) = z. = |z| · |z| (2|z| + (z + z)) w2 = |z| · Anmerkungen. (i) Die Aussage (1) lässt sich verschärfen zu: Jedes z ∈ C\{0} besitzt genau zwei Wurzeln.. Ist nämlich w ∈ C eine Wurzel von z, so gilt auch (−w)2 = w2 = z, und wegen z 6= 0 ist auch w 6= 0, also w 6= −w. Dies sind aber auch bereits alle Wurzeln von z: Ist nämlich u ∈ C mit u2 = z, so folgt u2 = z = w2 , also 0 = u2 − w2 = (u − w) · (u + w), also u − w = 0 oder u + w = 0, und damit u ∈ {−w, w}. (ii) Wir verwenden für komplexe Zahlen die Redewendung „w ist eine Wurzel von z“, aber nicht, √ w ist die Wurzel aus z. Insbesondere verwenden wir für z ∈ C\[0, +∞) nicht das Symbol „ z“. Wie in (i) gezeigt, besitzt jedes komplexe Zahl 6= 0 genau zwei Wurzeln, und es wäre nicht klar, √ welche davon mit dem Symbol „ z“ bezeichnet wird. Diese Situation ist im Reellen anders, dort besitzt zwar auch jede Zahl x > 0 genau zwei Wurzeln (nämlich eine positive und eine negative), 72 8. Die komplexen Zahlen per Definition ist aber √ x stets die positive Wurzel aus x. √ Ein weiteres Problem in der Bezeichnung z liegt darin, dass aus dem Reellen bekannte Wurzelgesetze ihre Gültigkeit verlieren würden! Aus diesem Grund wird in der Mathematik – wie √ eingangs erwähnt – auch nicht die Notation i = −1 verwendet. Diese Bezeichnung könnte zum Beispiel zu dem folgenden Irrschluss führen: p √ √ √ −1 = i2 = −1 · −1 = (−1) · (−1) = 1 = 1 (Wo liegt der Fehler?) Wir kommen nun allgemeiner zum Lösen der quadratischen Gleichung (∗) mittels quadratischer Ergänzung. Für alle z ∈ C gilt p 2 p2 p 2 p2 z 2 + pz + q = 0 ⇐⇒ z+ − − q = 0 ⇐⇒ z + = − q. 2 4 2 4 Damit folgt: (2) Sei w ∈ C eine Wurzel aus p2 4 − q, dann lautet die Lösungsmenge der Gleichung (∗) n p o p L := {z ∈ C | z 2 + pz + q = 0} = − + w, − − w . 2 2 Beispiele 8.3.1. Bestimmen Sie die (komplexen) Lösungsmengen der folgenden quadratischen Gleichungen. (a) z 2 − 6z + 13 = 0, (b) 2(1 + i)z 2 + 4z + 3(i − 1) = 0. Beispiel 8.3.2. Bestimmen Sie die (komplexe) Lösungsmenge der Gleichung z 3 + z 2 − z + 2 = 0. Wir haben gezeigt, dass im Komplexen (im Gegensatz zum reellen Fall) jedes Polynom 2. Grades eine Nullstelle besitzt. Allgemeiner gilt der Fundamentalsatz der Algebra. Jedes nicht-konstante komplexe Polynom besitzt eine komplexe Nullstelle. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse über komplexe Zahlen und war gleichzeitig einer der Hauptgründe zu ihrer Einführung. Es gibt sehr viele Beweise für diesen Satz, üblicherweise wird er mit analytischen Methoden bewiesen. Ein besonders einfacher Beweis beruht auf Methoden der Funktionentheorie, in welcher komplexe Funktionen studiert werden, und wird üblicherweise in der Vorlesung Analysis IV vorgestellt. 8.4 Polardarstellung und Einheitswurzeln Bei der Veranschaulichung der komplexen Multiplikation haben wir bereits den folgenden Umstand verwendet: Zu jeder komplexen Zahl z ∈ C\{0} gibt es ein r > 0 (nämlich r := |z|) und ein eindeutig bestimmtes ϕ ∈ [0, 2π) mit z = r (cos(ϕ) + i sin(ϕ)). Man nennt dies die Darstellung von z in Polarkoordinaten. Mithilfe dieser Darstellung lassen sich die sogenannten n-ten Einheitswurzeln gemäß der folgenden Definition sehr einfach bestimmen. 8.4. Polardarstellung und Einheitswurzeln 73 Definition 8.4.1 (n-te Einheitswurzeln). Es sei n ∈ N. Dann heißt jedes komplexe Zahl z ∈ C mit z n = 1 eine n-te Einheitswurzel. Die n-ten Einheitswurzeln sind also genau die komplexen Lösungen der Gleichung z n − 1 = 0. Da ein Polynom n-ten Grades höchstens n Nullstellen besitzt, gibt es also auch höchstens n solcher Einheitswurzeln. Sei n ∈ N fest, dann erfüllt jede n-te Einheitswurzel z insbesondere 1 = |z n | = |z|n , also |z| = 1, und ist somit von der Gestalt für ein ϕ ∈ [0, 2π). z = cos(ϕ) + i sin(ϕ) Wir haben oben bereits mithilfe der Additionstheoreme für Sinus und Cosinus gezeigt z 2 = cos(ϕ) + i sin(ϕ) 2 = cos(2ϕ) + i sin(2ϕ). Ein weiteres Anwenden der Additionstheoreme liefert z 3 = z 2 ·z = cos(2ϕ)+i sin(2ϕ) · cos(ϕ)+i sin(ϕ) = cos(2ϕ+ϕ)+i sin(2ϕ+ϕ) = cos(3ϕ)+i sin(3ϕ). Induktiv folgt allgemein z n = cos(nϕ) + i sin(nϕ). Somit ist z n = 1 genau dann, wenn cos(nϕ) = 1 und sin(nϕ) = 0 ist, und dies ist genau dann der Fall, wenn nϕ ein ganzzahliges Vielfaches von 2π ist, wenn also ϕ = 2πk n ist für ein k ∈ Z. Damit erhalten wir alle n-ten Einheitswurzeln als n 2πk 2πk o k = 0, 1, . . . , n − 1 . {z ∈ C | z n = 1} = cos + i sin n n 74 8. Die komplexen Zahlen Kapitel 9 Analytische Geometrie in Ebene und Raum In diesem Abschnitt wollen wir einige grundlegende Zusammenhänge zur Vektorrechnung im zwei- und dreidimensionalen wiederholen und dabei die Begriffsbildung vorbereiten, die in der Linearen Algebra eingeführt wird. Wir wollen dabei zunächst im anschaulichen Bereich von Ebene und Raum rechnen – der gemeinsame Rahmen für beides ist jedoch das Rechnen im allgemeinen Vektorraum Rn , daher werden wir diesen allgemeineren Fall zuerst behandeln. 9.1 Der Vektorraum Rn Es sei n ∈ N. Wir definieren den reellen Standardraum Rn := R · · × R} = {x = (x1 , . . . , xn ) | x1 , . . . , xn ∈ R} | × ·{z n−mal als die Menge aller geoordneten reellen n-Tupel. Dabei heißen die Zahlen xj die Komponenten des n-Tupels x ∈ Rn . In Hinblick darauf, dass wir die Elemente von Rn als Vektoren verstehen, verwenden wir für x ∈ Rn auch die Notation als Spaltenvektor, also x1 .. x = . . xn Die elementaren Rechenoperationen mit Vektoren sind nun die Vektoraddition (bzw. -subtraktion) und die skalare Multiplikation (welche nicht mit dem „Skalarprodukt“ zu verwechseln ist): Seien x, y ∈ Rn und λ ∈ R, dann definieren wir x ± y := (x1 ± y1 , . . . , xn ± yn ) ∈ Rn , und λ · x := (λx1 , . . . , λxn ) ∈ Rn . Diese Operationen sind uns im zweidimensionalen bereits bei der Veranschaulichung der komplexen Addition und Multiplikation mit reellen Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene begegnet. Man beachte, dass x + y und λ · x per Definition wieder Vektoren sind. 75 76 9. Analytische Geometrie in Ebene und Raum Die Fälle n = 1, 2, 3 entsprechen unserer geometrischen Anschauung: R1 ist die Zahlengerade, R2 die (euklidische) Ebene, und R3 der (euklidische) Raum. Für R4 oder allgemeiner Rn mit n > 3 haben wir keine entsprechende geometrische Anschauung mehr. Trotzdem handelt es sich um natürliche Rechengrößen: Hat man zum Beispiel ein Portfolio aus n Wertpapieren, und von dem Wertpapier j den Bestand xj , so stellt der Vektor x = (x1 , . . . , xn ) eine kompakte Darstellung des gesamten Portfolios dar. Hat das j-te Wertpapier den Wert aj , so ergibt sich der Gesamtwert des Portfolios zu b = a1 x1 + · · · + an xn = n X aj xj . j=1 Es handelt sich hierbei um einen einfachen Fall einer sogenannten linearen Gleichung, wie man sie in der linearen Algebra studiert. Die hier vollzogene Rechenoperation bezeichnet man auch als (Standard-)Skalarprodukt des Vektors a = (a1 , . . . , an ) mit dem Vektor x gemäß der folgenden Definition 9.1.1 ((Standard-)Skalarprodukt von Vektoren im Rn ). Für alle x, y ∈ Rn heißt hx, yi := x1 y1 + · · · + xn yn = n X x j yj ∈ R j=1 das (Standard-)Skalarprodukt von x mit y. Es sind ebenfalls die Notationen x • y oder sogar x · y anstelle von hx, yi verbreitet – diese bergen jedoch die Gefahr, dass man das Skalarprodukt mit der skalaren Multiplikation verwechselt, zumal es in der Mathematik nicht üblich ist, Vektoren durch einen aufgesetzten Pfeil (also ~x anstelle von x) noch zusätzlich als solche zu kennzeichnen. Wir sprechen daher nochmals die folgende Warnung aus. Warnung: Das Skalarprodukt wird mit zwei Vektoren gebildet und liefert eine reelle Zahl als Wert, im Gegensatz zur skalaren Multiplikation, welche eine Zahl mit einem Vektor verknüpft und wieder einen Vektor als Ergebnis hat! Wir führen noch eine weitere Bezeichnung ein, die wir im nächsten Abschnitt auch nachträglich geometrisch motivieren werden. Definition 9.1.2 (Euklidische Norm im Rn ). Es sei x ∈ R. Dann heißt die Zahl kxk := n X 1/2 p hx, xi = x2j j=1 die euklidische Norm oder auch die Länge des Vektors x 9.2 Die euklidische Ebene R2 Wir kommen nun zurück zu den konkreten geometrischen Anschauungen zu den genannten Begriffen. Dabei können wir auf den vorherigen Abschnitt zurückgreifen, in dem wir den R2 bereits 9.2. Die euklidische Ebene R2 77 als Visualisierung für die komplexen Zahlen untersucht haben. Insbesondere sind uns die Vektoraddition sowie die skalare Multiplikation bereits bekannt, und die euklidische Norm entspricht gerade dem komplexen Betrag und somit tatsächlich der Länge eines Vektors. Bevor wir auch eine anschauliche Interpretation des Skalarprodukts im R2 vorstellen, beschäftigen wir uns jedoch mit den elementaren vektoriellen Objekten im R2 , den Geraden. 9.2.1 Geraden in der Ebene Wir wollen die anschauliche Vorstellung einer Gerade im Raum formalisieren. Dazu gibt es zwei kanonische Ansätze: (1) Die Beschreibung einer Gerade in parametrischer Darstellung mithilfe von (Aufpunkt- und Richtungs-)Vektoren. (2) Die Beschreibung einer Gerade als Lösungsmenge einer linearen Gleichung. (1) Geraden in Parameter-Darstellung. Seien v, v 0 ∈ R2 mit v 6= v 0 . Dann gibt es genau eine Gerade G ⊆ R2 , die die beiden Punkte v und v 0 enthält, und diese können wir folgendermaßen beschreiben: Ausgehend von v erstreckt sich die Gerade in Richtung des Vektors w := v 0 − v, und wir erhalten G = {x ∈ R2 | ∃ λ ∈ R : x = v + λw} =: v + Rw. (Dabei ist v + Rw zunächst einfach eine kompakte Notation für die angegebene Menge). Beispiel 9.2.1. Es seien v := (−1, −1) und v 0 := (1, 3). Setze w := v 0 − v = (2, 4), dann ist die Gerade G, die durch v und v 0 verläuft, gegeben durch G = v + Rw = {x ∈ R2 | ∃ λ ∈ R : x = (−1, −1) + λ(2, 4)}. Bild 9.A 78 9. Analytische Geometrie in Ebene und Raum In dieser Beschreibung lässt sich sehr gut die Lage der Gerade G in der Ebene ablesen, bzw. die Gerade G zeichnen, es ist jedoch schwieriger, für einem gegebene Punkt x ∈ R2 rechnerisch festzustellen, ob x ∈ G ist. Dazu ist eine andere Darstellung von G besser geeignet, die wir zunächst konkret für dieses Beispiel herleiten wollen. Sei dazu x = (x1 , x2 ) ∈ R2 . Ist x ∈ G, so gibt es ein λ ∈ R mit x1 = −1 + 2λ und x2 = −1 + 4λ, und dann gilt x2 − 2x1 = (−1 + 4λ) − (−2 + 4λ) = 1. Erfüllt umgekehrt x = (x1 , x2 ) die Gleichung x2 − 2x1 = 1, und setzt man λ := x1 = −1 + 2λ (nach Setzung von λ), sowie x1 +1 2 ∈ R, so gilt −1 + 4λ = −1 + 2x1 + 2 = 1 + 2x1 = 1 + (x2 − 1) = x2 , also ist x ∈ G. Damit haben wir in diesem Beispiel gezeigt, dass gilt G = {(x1 , x2 ) ∈ R2 | x2 − 2x1 = 1}, das heißt, G ist die Lösungsmenge der linearen Gleichung x2 − 2x1 = 1, was die zweite Möglichkeit darstellt, eine Gerade im R2 zu beschreiben. (2) Geraden als Lösungsmengen linearer Gleichungen. Seien a1 , a2 , b ∈ R fest und L := {(x1 , x2 ) ∈ R2 | a1 x1 + a2 x2 = b}. Dann beschreibt L als Teilmenge von R2 eine Gerade. Wir haben in dem obigen Beispiel bereits gesehen, wie man aus einer Parameter-Darstellung einer Geraden G eine zugehörige lineare Gleichung gewinnen kann so, dass G die Lösungsmenge dieser Gleichung ist. Dies ist auch allgemein stets möglich, was wir an dieser Stelle aber nicht beweisen wollen (dies wird in allgemeinerem Rahmen in der Vorlesung Lineare Algebra I bewiesen werden). Stattdessen zeigen wir – auch wieder nur exemplarisch – wie man umgekehrt die Lösungsmenge einer linearen Gleichung in Parameter-Darstellung bringen kann. Beispiel 9.2.2. Setze L := {(x1 , x2 ) ∈ R2 | x1 +3x2 = 6}. Wir wollen L in Parameter-Darstellung bringen, also Vektoren v, w ∈ R2 so bestimmen, dass gilt L = {x ∈ R2 | ∃ λ ∈ R : x = v + λw}. Dafür bestimmen wir zunächst konkret zwei Punkte v, v 0 ∈ L, etwa v = (0, 2) und v 0 (6, 0) (allgemein gibt man einen der Werte x1 , x2 vor und bestimmt den anderen mithilfe der vorgegebenen linearen Gleichung), und setzen w := v 0 − v = (6, −2) sowie G := v + Rw = {x ∈ R2 | ∃ λ ∈ R : x = (0, 2) + λ(6, −2)}. Wir behaupten nun, dass L = G ist. 9.2. Die euklidische Ebene R2 79 Beweis. Sei x = (x1 , x2 ) ∈ R2 . „⊆“: Es gelte x ∈ L, dann gilt x1 + 3x2 = 6, also x1 = 6 − 3x2 . Setze λ := Definition x1 = 6λ, und weiter gilt x1 6 ∈ R, dann gilt nach 1 1 2 − 2λ = 2 − x1 = 2 − (6 − 3x2 ) = 2 − (2 − 3x2 ) = x2 . 3 3 Also ist x = (x1 , x2 ) = (6λ, 2 − 2λ) = (0, 2) + λ(6, −2) ∈ G. „⊇“: Es gelte x ∈ G. Dann finden wir ein λ ∈ R mit x = (0, 2) + λ(6, −2) = (0, 2) + (6λ, −2λ) = (0 + 6λ, 2 − 2λ) = (6λ, 2 − 2λ), also x1 = 6λ und x2 = 2 − 2λ. Es folgt x1 + 3x2 = 6λ + 3(2 − 2λ) = 6, also ist x ∈ L. 9.2.2 Der Schnitt von Geraden in der Ebene und lineare Gleichungssysteme mit zwei Unbekannten In diesem Abschnitt geht es um die Fragestellung, wie man die Schnittmenge von zwei (oder auch mehr) Geraden in der Ebene bestimmen kann. Wir werden sehen, dass dies auf das Lösen von linearen Gleichungssystemen mit zwei Unbekannten führt. Auch wenn diese sich im Fall n = 2 noch vergleichsweise einfach mit verschiedenen Ad-hoc-Methoden lösen lassen, wollen wir bereits zeigen, wie man solche Gleichungssysteme systematisch behandeln kann, um so bereits die Methoden für den mehr-dimensionalen Fall vorzubereiten. Wir beginnen mit einem konkreten Beispiel: Die Geraden G1 , G2 ⊆ R2 seien als Lösungsmengen linearer Gleichungen gegeben als (x1 , x2 ) ∈ R2 | x1 + 4x2 = 8 , = (x1 , x2 ) ∈ R2 | x1 − x2 = 3 . G1 = G2 Wie die folgende Graphik zeigt, schneiden sich G1 und G2 in genau einem Punkt, den wir rechnerisch bestimmen wollen. 80 9. Analytische Geometrie in Ebene und Raum Bild 9.B Sei also x = (x1 , x2 ) ∈ R2 , dann gilt x ∈ G1 ∩ G2 genau dann, wenn gilt x1 + 4x2 = 8, x1 − x2 = 3. Wir haben also ein lineares Gleichungssystem (lineares GLS) in zwei Unbekannten zu lösen. In Hinblick darauf, dass wir bereits vorbereiten wollen, wie man auch höher-dimensionale lineare Gleichungssysteme effizient lösen kann, werden wir dazu das Gleichungssystem nur mit Umformungen vom folgenden Typ vereinfachen: (G1) Vertauschen von Gleichungen, (G2) Multiplizieren einer Gleichung mit einer festen Zahl ungleich 0, (G3) Addition des Vielfachen einer Gleichung zu einer anderen Gleichung. (Es handelt sich hierbei um die zulässigen Umformungen, mit deren Hilfe der Gauß-Algorithmus zur Lösung linearer GLS formuliert und umgesetzt wird.) Wie man leicht sieht, überführt jede dieser Operationen das vorgegebene lineare GLS in ein äquivalentes System, das heißt, die Lösungsmenge bleibt gleich. Damit kehren wir zu unserem expliziten Beispiel zurück. 9.2. Die euklidische Ebene R2 81 Wir ziehen also die erste Gleichung von der zweiten ab und erhalten so das äquivalente GLS x1 + 4x2 = 8, − 5x2 = −5. Wir teilen nun die zweite Gleichung durch −5 und ziehen anschließend von der ersten Gleichung das vier-fache der so entstanden neuen zweiten Gleichung ab und erhalten damit schließlich die zum ursprünglichen GLS äquivalenten Gleichungen x1 x2 = 4, = 1. Also ist G1 ∩ G2 = {(4, 1)}, das heißt in Worten: Die Gerade G1 und G2 schneiden sich im Punkt (4, 1). Wie wir in diesem Beispiel gesehen haben, führt das Bestimmen der Schnittmenge von Geraden auf das Lösen eines linearen Gleichungssystems. Aus der geometrischen Anschauung ist klar, dass es für zwei Geraden in der Ebene genau drei Möglichkeiten gibt: (i) Die Geraden schneiden sich in genau einem Punkt, das heißt, das zugehörige lineare GLS ist eindeutig lösbar, (ii) Die Geraden schneiden sich nicht (sind also parallel, aber nicht deckungsgleich), das heißt, das zugehörige lineare GLS besitzt keine Lösung, (iii) Die Geraden sind deckungsgleich, das heißt, das zugehörige lineare GLS besitzt unendlich viele Lösungen. Im Eingangsbeispiel lag der Fall (i) vor, und wir bringen zum Abschluß dieses Abschnitts ein Beispiel für die Fälle (ii) und (iii): Für b ∈ R definiere die Geraden G := (x1 , x2 ) ∈ R2 | x1 − x2 = 1 , Gb := (x1 , x2 ) ∈ R2 | 2x1 − 2x2 = b . Für x = (x1 , x2 ) ∈ R2 gilt dann x ∈ G ∩ Gb genau dann, wenn x das folgende lineare GLS erfüllt: x1 − x2 = 1, 2x1 − 2x2 = b. Zieht man von der zweiten Gleichung das zwei-fache der ersten Gleichung ab, so erhält man das äquivalente GSL x1 − x2 = 1, 0 = b − 2. Im Fall b 6= 2 gibt es folglich keine Lösungen (es liegt Fall (ii) vor), und im Fall b = 2 gibt es unendlich viele Lösungen, nämlich gerade die Menge aller x ∈ G (es liegt Fall (iii) vor, die Geraden G und Gb sind in diesem Fall gleich). 82 9. Analytische Geometrie in Ebene und Raum 9.2.3 Norm und Skalarprodukt in der euklidischen Ebene Als weitere Strukturelemente neben Vektoraddition und skalarer Multiplikation haben wir die allgemein Norm eines Vektors und das Skalarprodukt zweier Vektoren eingeführt. Im Spezialfall n = 2 sehe diese folgendermaßen aus: Seien x = (x1 , x2 ), y = (y1 , y2 ) ∈ R2 , dann ist q k(x1 , x2 )k = x21 + x22 , und hx, yi = x1 y1 + x2 y2 . Die Norm kxk haben wir bereits an anderen Stellen (etwa in Beispiel 5.6.1 oder im Abschnitt 8.2) als die (euklidische) Länge des Vektors x erkannt. Sie hat die folgenden Eigenschaften (die aus den entsprechenden Eigenschaften des komplexen Betrags folgen): (N1) Für alle x ∈ R2 gilt kxk ≥ 0, und es gilt kxk = 0 ⇐⇒ x = 0. (N2) Für alle x ∈ R2 und λ ∈ R gilt kλ · xk = |λ| · kxk. (N3) Für alle x, y ∈ R2 gilt kx + yk ≤ kxk + kyk. Wir wollen im folgenden auch eine geometrische Interpretation des Skalarprodukts herleiten. Dafür stellen wir zunächst fest, dass die folgenden allgemeinen Rechenregeln gelten, welche man (auch für den allgemeinen Fall n ∈ N) leicht durch direktes Nachrechnen verifiziert: (S1) Für alle x, y, z ∈ R2 und λ ∈ R gilt hλx + y, zi = λhx, zi + hy, zi und hx, λy + zi = λhx, yi + hx, zi. (S2) Für alle x, y ∈ R2 gilt hx, yi = hy, xi. (S3) Für alle x ∈ R2 \{0} gilt hx, xi > 0. Seien nun x, y ∈ R2 . Ist x = 0 oder y = 0, so ist auch hx, yi = 0, wir wollen diesen weniger interessanten Fall daher ausschließen und nehmen an, dass x 6= 0 und y 6= 0 ist. Dann schließen x, y einen (nicht-stumpfen) Winkel ein, der zwischen 0 und π liegt - diesen bezeichnen wir als den (unorientierten) Winkel zwischen x und y und notieren ](x, y). Damit lässt sich die folgende alternative Darstellung für das Skalarprodukt von x mit y herleiten: hx, yi = kxk · kyk · cos(](x, y)). (∗) Bevor wir (∗) beweisen, wollen wir einige Schlussfolgerungen ziehen: (a) Es gilt stets |hx, yi| ≤ kxk kyk. (b) Dabei gilt |hx, yi| = kxk kyk genau dann, wenn | cos(](x, y))| = 1, also ](x, y) = 0 oder ](x, y) = π ist. Anschaulich bedeutet dies, dass x und y entweder in die selbe oder in die entgegengesetzte Richtung zeigen. (c) Es gilt hx, yi = 0 genau dann, wenn cos(](x, y)) = 0 ist, und dies ist genau dann der Fall, wenn ](x, y) = π2 ist, wenn also x und y senkrecht aufeinander stehen. 9.3. Der euklidische Raum R3 83 (d) Ist x ein Einheitsvektor, das heißt, gilt kxk = 1, so ist hx, yi = kyk · cos(](x, y)), also hx, yi · x = kyk cos(](x, y)) · x, und dies ist gerade die Projektion von y auf die durch x (und 0) aufgespannte Gerade. 1 1 Beweis von (∗). Definiere x0 := kxk · x und y0 := kyk · y. Mit der Rechenregel (N2) für die 1 Norm folgt kx0 k = kxk · kxk = 1 und analog auch ky0 k = 1. Also liegen x0 und y0 auf dem Einheitskreis, und wir finden ϕ, ψ ∈ [0, 2π) mit x0 = (cos(ϕ), sin(ϕ)) und y0 = (cos(ψ), sin(ψ)). Es gilt cos(−ϕ) = cos(ϕ) und sin(−ϕ) = − sin(ϕ), mit dem Additionstheorem für den Cosinus folgt daher hx0 , y0 i = cos(ϕ) cos(ψ)+sin(ϕ) sin(ψ) = cos(−ϕ) cos(ψ)−sin(−ϕ) sin(ψ) = cos(ψ−ϕ) = cos(|ψ−ϕ|). Anschaulich erkennt man, dass ](x, y) = |ψ − ϕ| oder ](x, y) = 2π − |ψ − ϕ| ist, und in beiden Fällen folgt somit hx0 , y0 i = cos(](x, y)), also (S1) hx, yi = hkxk x0 , kyk y0 i = kxk · kyk · hx0 , y0 i = kxk · kyk · cos(](x, y)). Der euklidische Raum R3 9.3 In diesem Abschnitt wollen wir uns mit der Darstellung sowie dem Schnitt von Geraden und Ebenen im Raum R3 beschäftigen. Dabei folgen wir prinzipiell der Darstellung aus Abschnitt 9.2 und werden eher exemplarisch als strukturell vorgehen. Eine erschöpfende Theorie aller in diesem Kapitel genannten Themen werden Sie im Rahmen der Vorlesung Lineare Algebra kennenlernen. 9.3.1 Geraden und Ebenen im Raum Ähnlich wie im zweidimensionalen kann man Geraden und Ebenen im Raum wiederum in Parametergestalt oder als Lösungsmengen von linearen Gleichungen (Ebenen) bzw. Gleichungssystemen (Geraden) darstellen. (1) Geraden und Ebenen in Parameter-Darstellung. Wie im vorherigen Fall verläuft durch zwei Punkte v, v 0 ∈ R3 mit v 6= v 0 genau eine Gerade G, und eine zugehörige ParameterDarstellung gewinnt man mit w := v 0 − v wiederum als G = v + Rw. Desweiteren gibt es im Raum die Möglichkeit, drei Punkte v, v 0 , v 00 auszuwählen so, dass v, v 0 , v 00 nicht auf einer Geraden liegen. In diesem Fall spannen die Punkte v, v 0 , v 00 eine Ebene auf, welche sich mit den Vektoren w := v 0 − v, u := v 00 − v darstellen lässt als E = {x ∈ R3 | ∃ λ, µ ∈ R : x = v + λw + µu} =: v + Rw + Ru. 84 9. Analytische Geometrie in Ebene und Raum (2) Geraden und Ebenen als Lösungsmengen von linearen Gleichungssystemen. Wie im vorherigen Fall lassen sich Geraden und Ebenen im R3 auch als Lösungsmengen von linearen Gleichungssystemen beschreiben. Sind a1 , a2 , a3 , b ∈ R fest, so beschreibt die Lösungsmenge L = {(x1 , x2 , x3 ) ∈ R3 | a1 x1 + a2 x2 + a3 x3 = b} eine Ebene im Raum. Für die Beschreibung von Geraden im R3 benötigt man hingegen ein Gleichungssystem aus (mindestens) zwei lineare Gleichungen. Geometrisch bedeutet dies, dass man eine Gerade im Raum als Schnitt zweier Ebenen darstellt. Bild 9.C Beispiele 9.3.1. (1) Definiere die Ebene E1 := {(x1 , x2 , x3 ) ∈ R3 | x1 + x2 − 2x3 = 2}. Wir wollen E in Parametergestalt bringen, dazu wählen wir drei Punkte aus E1 , die nicht auf einer gemeinsamen Geraden liegen, etwa (2, 0, 0), (0, 2, 0), (0, 0, −1), und setzen v := (2, 0, 0), w := (0, 2, 0) − v = (−2, 2, 0) und u := (0, 0, −1) − v = (−2, 0, −1), dann lässt sich E1 auch schreiben als E1 = v + Rw + Ru = (2, 0, 0) + R(−2, 2, 0) + R(−2, 0, −1). (Den formalen rechnerischen Beweis sparen wir an dieser Stelle aus, er lässt sich aber analog wie im zweidimensionalen führen.) 9.3. Der euklidische Raum R3 85 (2) Definiere die zweite Ebene E2 := {(x1 , x2 , x3 ) ∈ R3 | 2x1 + x2 − 4x3 = −2}. Dann ist E2 nicht parallel zu E1 (das könnte man vorab zeigen, was wir hier aber nicht machen, da es aus unserer Rechnung folgen wird), folglich ist die Schnittmenge E1 ∩ E2 eine Gerade, die wir im folgenden bestimmen wollen (das heißt, in Parameter-Gestalt angeben). Dazu haben wir das folgende lineare Gleichungssystem zu lösen: x1 + x2 − 2x3 = 2 . 2x1 + x2 − 4x3 = −2 Dafür führen wir wieder den bereits im zweidimensionalen verwendeten Gauß-Algorithmus durch: Zunächst ziehen wir von der zweiten Gleichung des doppelte der ersten ab und erhalten x1 + x2 − 2x3 = 2 . − x2 = −6 Im nächsten Schritt multiplizieren wir zunächst die zweite Gleichung mit −1 und ziehen sie anschließend von der 1. Gleichung ab und erhalten x1 x2 − 2x3 = −4 . = 6 Wir führen nun den Parameter λ := x3 ein und können die allgemeine Lösung ablesen als x1 = −4 + 2λ und x2 = 6, beziehungsweise in vektorieller Schreibweise x1 −4 + 2λ −4 2λ −4 2 = = + = +λ · x 6 + 0 · λ 6 0 6 2 0 . x3 0+λ 0 λ 0 1 | {z } | {z } v 0 := w0 := Damit ist ist die Schnittgerade der Ebenen E1 und E2 gegeben als E1 ∩ E2 = v 0 + Rw0 . (3) Definiere die Gerade 2 1 G := 0 + R 1 . −1 0 Wir wollen den Schnittpunkt von G mit E1 bestimmen, wobei wir die Parameter-Darstellung von E1 verwenden. Dazu lässt sich vorab überlegen, dass überhaupt G ∩ E1 6= ∅, also nicht G parallel zu E1 ist – wir werden jedoch stattdessen wieder direkt mit der Rechnung starten. Sei dazu x ∈ R3 , dann gilt x ∈ G ∩ E1 genau dann, wenn einerseits ein λ ∈ R existiert mit x1 2 1 x = x2 = 0 + λ · 1 , x3 −1 0 86 9. Analytische Geometrie in Ebene und Raum und andererseits t, s ∈ R existieren mit x1 2 −2 −2 x = x2 = 0 + t · 2 + s · 0 . x3 0 0 −1 Insgesamt muss also gelten 2 1 2 −2 −2 0 + λ · 1 = 0 + t · 2 + s · 0 , −1 0 0 0 −1 beziehungsweise 1 2 2 0 λ · 1 + t · −2 + s · 0 = 0 . 0 0 1 1 Wir erhalten so ein lineares Gleichungssystem für die Unbekannten λ, t, s: λ + 2t + 2s = 0 λ − 2t = 0 . t = 1 Wir führen wieder den Gauß-Algorithmus durch: Zunächst wird von der zweiten Gleichung die erste subtrahiert, und anschließend die neue 2. Gleichung durch −4 geteilt, dies ergibt λ + 2t + t + 2s = 0 1 . 2s = 0 s = 1 Einsetzen von s = 1 in die zweite Gleichung liefert t = − 21 s = − 12 , und Einsetzen von t und s in die erste Gleichung liefert λ = −2t − 2s = −1. Dies zeigt zunächst, dass eine Lösung existiert, also G ∩ E1 6= ∅ ist, und wir können den Schnittpunkt x berechnen, indem wir entweder λ = −1 als Parameter in die Geradengleichung für G oder t = − 12 , s = 1 als Parameter in die Geradengleichung für E1 einsetzen: 1 2 1 x = 0 + (−1) · 1 = −1 . −1 −1 0 Anmerkung. Ein alternativer Lösungsweg besteht darin, statt der Parameter-Darstellung von E1 zu verwenden, dass E1 genau die Lösungsmenge der linearen Gleichung x1 + x2 − 2x3 = 2 9.3. Der euklidische Raum R3 87 ist. Ist nämlich x ∈ R3 , so gilt (wie bereits oben verwendet) x ∈ G genau dann, wenn ein λ ∈ R existiert mit x1 2 1 2+λ x = x2 = 0 + λ · 1 = λ , x3 −1 0 −1 und folglich gilt zusätzlich x ∈ E1 genau dann, wenn x1 + x2 − 2x3 = 2 ist, wenn also gilt 2 = (2 + λ) + λ − 2 · (−1) = 4 + 2λ, also λ = −1, was mit unserer bereits hergeleiteten Lösung übereinstimmt. 88 9. Analytische Geometrie in Ebene und Raum Kapitel 10 Beweistechniken und einige Beweise Teil II Dieser Abschnitt knüpft an Kapitel 3 an, in dem wir bereits Grundlegendes zu Beweistechniken kennengelernt haben. Abschließend soll nun aufgezeigt werden, wie man konkret an mathematische Probleme, wie sie wöchentlich auf den Übungsblättern zu bearbeiten sind, herangeht. 10.1 Bearbeitung von Übungsaufgaben Die grundsätzliche Herangehensweise zur Bearbeitung einer Aufgabe lässt sich grob in drei Phasen aufteilen: (1) Man stellt als erstes sicher, dass man alle Objekte und Bezeichnungen, die in der Aufgabe vorkommen, kennt! Hierzu muss man in der Regel Definitionen im Vorlesungsmitschrieb nachschlagen! (2) Es folgt die Bearbeitungsphase. In dieser kreativen Phase sammelt man Ideen zusammen, mit deren Hilfe man später schließlich die Aufgabe lösen und den Beweis erstellen kann. In dieser Phase wird man viel ausprobieren, ggf. auch viele falsche Wege einschlagen – davon darf man sich aber nicht entmutigen lassen. Zudem darf man in dieser Phase nach eigenem Gutdünken "schlampen", schließlich handelt es sich hier um die eigenen Überlegungen. Wichtig: Diese Phase ist nicht zu verwechseln mit dem eigentlichen Erstellen des formalen Beweises und damit der eigentlichen Lösung der Aufgabe. (3) Abschließend wird ein formaler Beweis in Reinschrift erstellt, und dieser wird als Aufgabenbearbeitung abgegeben. Diese Phase darf keinenfalls unterschätzt werden und nimmt unter Umständen noch mal eine Menge Zeit in Anspruch! Zentral für die Aufgabenbearbeitung ist also neben dem Finden der eigentlichen Idee auch der abschließende korrekte Aufschrieb eines formalen Beweises. Daher folgen noch einige Hinweise, wie man dies bewerkstelligen kann. 89 90 10. Beweistechniken und einige Beweise Teil II Formulieren eines Beweises und Aufschreiben von Lösungen. Die Lösung einer Aufgabe besteht in der Regel aus dem Formulieren einer wahren Aussage gemäß der Aufgabenstellung sowie einem formalen Beweis dieser Aussage. Ausnahme: Einige Aufgaben fordern Sie dazu auf, ein bestimmtes (Rechen-)Schema bzw. einen bestimmten Algorithmus durchzuführen, oder zum Beispiel eine Skizze zu erstellen. Wichtig: Die abgegebene Lösung muss vollständig ohne das Übungsblatt verständlich sein. Das übliche Schema eine Lösung sieht wie folgt aus: [Voraussetzung: · · · ] (optional) Behauptung: · · · Beweis: · · · Formulierung einer wahren Ausssage Lautet die Aufgabe zum Beispiel „Für welche x ∈ R gilt A(x)?“, so lautet die zu beweisende Aussage {x ∈ R | A(x)} = {· · · }. Eine mögliche Formulierung wäre zum Beispiel: Voraussetzung: Sei x ∈ R. Behauptung: A(x) ⇐⇒ . . . Beweis: „⇒“: · · · „⇐“: · · · Lautet die Aufgabe zum Beispiel „Prüfen Sie, ob für alle x ∈ R die Aussage A(x) gilt!“ bzw. „Gilt für alle x ∈ R die Aussage A(x)?“, so formulieren Sie entweder Behauptung: ∀ x ∈ R : A(x) falls die Aussage wahr ist, oder Behauptung: ∃ x ∈ R : ¬A(x) falls die Aussage falsch ist - je nachdem, was gilt. Formulierung eines Beweises. Hierbei geht es nicht darum, alles zu notieren, was man sich überlegt hat, sondern einen logisch schlüssigen Beweis zu führen. Ein solcher unterscheidet sich in der Regel erheblich von den Vorüberlegungen und Rechnungen, die man zum Auffinden des Beweises angestellt hat. Insbesondere 10.2. Beispiele 91 unterscheidet sich oft die logisch korrekte Reihenfolge der Argumente von der Reihenfolge der Ideenfindung. Der Beweis ist ein Text in deutscher Sprache! Formulieren Sie nicht nur Satzfetzen, sondern grammatikalisch korrekte, vollständige Sätze. Dabei können mathematische Objekte im Satz eben auch als Objekte (im grammatikalischen Sinn) verwendet werden, zum Beispiel: „Die Menge M ist leer.“ „Für alle x ∈ N gilt x ≤ 2.“ Hingegen dürfen Quantoren und logische Junktoren nur in abgesetzten Formeln eingesetzt werden, wobei der korrekte Umgang mit diesen Symbolen zu beachten ist. Zudem dürfen mathematische Symbole nicht als Abkürzung für deren sprachlichen Gebrauch verwendet werden. NICHT erlaubt sind zum Beispiel: „Die Menge M ist = ∅.“ „Es ist N ⊆ R so, dass ∀x aus N gilt x ≤ 2.“ „Die Menge M ist leer +x ≤ 2 ∀x ∈ N .“ Erlaubt hingegen sind zum Beispiel folgende Formulierungen: „Es gilt: M = ∅.“ „∀ x ∈ N : x ≤ 2.“ „Es gilt: M = ∅, und zusätzlich: ∀ x ∈ N : x ≤ 2.ı Zudem dürfen (Un-)Gleichungen nicht kommentarlos aneinandergereiht werden, sondern müssen ebenfalls nach den obigen Regeln behandelt werden. Wichtig: Verwenden Sie den logischen Junktor „⇒“ nur dort, wo er auch hingehört, nämlich in eine abgesetzte logische Aussage vom Typ: A ⇒ B. Beachten Sie schließlich, dass der Beweis so zu notieren ist, dass der Leser ihn ohne zusätzliche mündliche Erläuterungen nachvollziehen kann. 10.2 Beispiele Wir wollen zunächst an die bereits in Kapitel 3 eingeführten grundsätzlichen Beweisstrategien erinnern, wobei wir dafür zunächst keine konkreten Aussagen verwenden, um so den Blick vollständig auf die eigentliche Beweisstruktur konzentrieren zu können. 92 10. Beweistechniken und einige Beweise Teil II Aufgabe 1. Es seien A, B, C mathematische Aussagen. Zeigen Sie (ohne das Aufstellen einer Wahrheitstafel), dass gilt: (A ⇒ C) ∧ (B ⇒ C) ⇒ (A ∨ B) ⇒ C . Wir formulieren nun eine mögliche Lösung: Voraussetzung: Es seien A, B, C mathematische Aussagen. Behauptung: Es gilt: (A ⇒ C) ∧ (B ⇒ C) ⇒ (A ∨ B) ⇒ C . Beweis. Es gelte A ⇒ C und B ⇒ C. Zu zeigen: A ∨ B ⇒ C. Es gelte also A ∨ B, dann ist zu zeigen, dass auch C gilt. Fall 1: Es gilt A. Da nach Voraussetzung gilt A ⇒ C, folgt damit C. Fall 2: Es gilt B. Da nach Voraussetzung gilt B ⇒ C, folgt auch in diesem Fall C. In beiden Fällen gilt also C, und damit ist die Behauptung bewiesen. Zum Abschluss üben wir das Vorgehen zum Bearbeiten von Aufgaben sowie zum Erschließen neuer mathematischer Begriffe an konkreten mathematischen Objekten. Dazu behandeln wir exemplarisch Aufgaben rund um den bereits bekannten Funktionsbegriff. Das eigentliche mathematische Handwerk zu den folgenden Aufgaben und Begriffen wird in der letzten Vorlesung vorgeführt. Aufgabe 2. Es seien X, Y, Z nicht-leere Mengen und f : X → Y und g : Y → Z Funktionen. Zeigen Sie: f, g injektiv ⇒ g ◦ f injektiv . Wir führen nun neue Begriffe ein, mit denen wir im Anschluss weitere Aufgaben formulieren. Definition 10.2.1 (Bild und Urbild unter Funktionen). Es seien X, Y Mengen und f : X → Y eine Funktion, sowie A ⊆ X und B ⊆ Y . Dann heißt f (A) := {y ∈ Y | ∃ x ∈ A : y = f (x)} das Bild von A unter f , und die Menge f −1 (B) := {x ∈ X | f (x) ∈ B} das Urbild von B unter f . 10.2. Beispiele 93 Hinweis: Sie sollten an dieser Stelle innehalten und versuchen, diese Begriffsbildung zu verstehen. Dazu sollte man einerseits genau studieren, was die formale Definition genau aussagt, und zum anderen durch Beispiele veranschaulichen. Werden keine Beispiele ind er Vorlesung gebracht, so sollte man auf jeden Fall eigene Beispiele überlegen, an denen man sich die neuen Begriffe veranschaulicht! Aufgabe 3. Es seien X, Y Mengen und f : X → Y eine Funktion, sowie A, B ⊆ X und C, D ⊆ Y . Zeigen Sie: a) f (A ∪ B) = f (A) ∪ f (B). b) f (A ∩ B) ⊆ f (A) ∩ f (B), wobei die Inklusion im allgemeinen echt ist. c) f −1 (C ∩ D) = f −1 (C) ∩ f −1 (D). d) f (f −1 (C)) ⊆ C. Wir führen nun weitere Begriffe ein. Definition 10.2.2. Es seien X, Y Mengen und f : X → Y eine Funktion. Dann heißt f surjektiv wenn f (X) = Y ist. Bemerkung. Da stets f (X) ⊆ Y ist, ist f genau dann surjektiv, wenn Y ⊆ f (X) ist, wenn also gilt: ∀ y ∈ Y ∃x ∈ X : y = f (x). Hinweis: Wie bereits nach Definition 10.2.1 vermerkt, sollte man sich nun selbst, ggf. durch Hinzuziehen von Beispielen, klar machen, was dieser Begriff bedeutet. Aufgabe 4. Es seien X, Y, Z nicht-leere Mengen und f : X → Y und g : Y → Z Funktionen. Zeigen Sie: f, g surjektiv ⇒ g ◦ f surjektiv. Index <, 15 =, 15 >, 15 A \ B, 7 Bmax , 43 Dmax , 43 C, 66 L, 16 ⇔, 4 N, 11 Q, 11 R2 , 37 Rn , 75 ⇒, 4 Z, 11 ∅, 7 ≥, 15 ∈, 5 ≤, 15 logb a, 26 ¬, 4 ⊇, 6 π, 12 ⊆, 6 ∨, 4 ∧, 4 f ◦ g, 42 Abbildung, 41 Additionstheoreme, 64 Aussage, 3 Aussageform, 8 Basis, 24, 26 Betrag, 28 Betragsungleichungen, 36 Betragsvonktion, 59 Beweistechniken, 19 Bild, 41 Bild einer Funktion, 92 Bildbereich, 41, 43 binomische Formeln, 15 Bogenlänge des Einheitskreises, 12, 62 Bogenmaß., 62 Bruchrechnung, 12, 20 Bruchungleichungen, 35 Cosinus, 63 Cotangens, 63 Definitionsbereich, 41 Definitionsmenge, 29, 30 Eigenschaft, 6, 8 Einheitskreis, 62 Einheitswurzeln, 72 Element einer Menge, 5 elementare Funktionen, 51 euklidische Ebene, 37 euklidische Norm, 76 Exponent, 24 Exponentialfunktion, 59 Fallunterscheidungen, 35 Fundamentalsatz der Algebra, 72 Funktion, 41 gerade, 48 symmetrische, 48 trigonometrische Funktion, 62 ungerade, 48 Funktionen elementare, 51 94 INDEX ganze Zahlen, 11 Gauß-Algorithmus, 80 Gaußsche Zahlenebene, 67 Gebrochen rationale Funktion, 55 gerade Funktion, 48 Gradmaß, 62 Graph einer Funktion, 41 Hintereinanderausführung von Funktionen, 42 imaginäre Einheit, 66 Indikatorfunktion, 60 injektiv, 48 Intervall, 16 abgeschlossenes, 16 offenes, 16 kartesisches Produkt, 7, 37 Komplexe Zahl, 66 Betrag einer, 68 Imaginärteil einer, 67 konjugierte, 68 Polardarstellung, 72 Realteil einer, 67 Konstante Funktion, 51 Kreuzprodukt, 7 Lösungsmenge, 16 leere Menge, 7 Lineare Funktion, 52 Logarithmengesetze, 27 Logarithmus, 26 Basis, 26 Logarithmusfunktion, 59 logische Verknüpfungen, 3 maximale Bildbereich, 43 maximaler Definitionsbereich, 43 Menge, 5 monoton, 47 fallend, 47 wachsend, 47 natürliche Zahlen, 11 95 Negation, 8 Obermenge, 6 Parabel, 33 Polarkoordinaten, 72 Polynom n-ten Grades, 54 Polynomfunktion, 54 Potenz, 24 gebrochene, 25 mit ganzzahligem Exponenten, 24 mit rationalem Exponenten, 25 Potenzfunktionen, 57 Potenzgesetze ganzzahlige Exponenten, 24 rationale Exponenten, 25 Quadratische Funktion, 53 quadratische Gleichungen, 31 quadratische Ungleichungen, 31 quadratisches Ergänzen, 31 Quantoren, 7 rationale Gleichung, 34 rationale Zahlen, 11 reelle Zahlen Rechenregeln, 15 reellwertige Funktion, 43 relatives Komplement, 7 Schnittmenge, 7 Sinus, 63 skalare Multiplikation, 75 Skalarprodukt, 76 streng monoton, 47 surjektiv, 93 symmetrisch, 48 Tangens, 63 Tautologische Äquivalenz, 4 Teilmenge, 6 trigonometrische Funktionen, 62 spezielle Werte, 64 96 Umkehrfunktion, 48 Umrechenformel, 27 ungerade Funktion, 48 Ungleichungen Regeln, 16 Urbild, 92 Vektoraddition, 75 Vereinigungsmenge, 7 Verkettung von Funktionen, 42 Verneinung, 8 Wertebereich, 41 Wertemenge, 41 Wurzel, 24 q-te, 24 Wurzelgesetze, 25 Wurzelgleichungen, 34 Zielbereich, 41 Zuordnungsvorschrift, 41 INDEX