1 Die Menge C der komplexen Zahlen (13. 10. 2013)

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1
Die Menge C der komplexen Zahlen (13. 10. 2013)
1.1
Definition
Wir betrachten die reelle Zahlengerade als x-Achse einer xy-Ebene C, deren Punkte
z = (x, y) dabei als komplexe Zahlen z ∈ C bezeichnet werden. Die beiden reellen
Zahlen x und y heißen Realteil bzw. Imaginärteil der komplexen Zahl z = (x, y).
Eine reelle Zahl x ∈ R ⊂ C ist also eine komplexe Zahl mit Imaginärteil y = 0,
x = (x, 0).
(1)
Als Addition in C wählen wir die bekannte vektorielle Addition in R2 ,
z1 + z2 ≡ (x1 , y1 ) + (x2 , y2) := (x1 + x2 , y1 + y2 ).
(2)
Auf der x-Achse wird dadurch die gewöhnliche Addition reeller Zahlen reproduziert,
(x1 , 0) + (x2 , 0) = (x1 + x2 , 0) ≡ x1 + x2 .
(3)
Die Multiplikation in C legen wir fest durch die kompliziertere Vorschrift
z1 · z2 ≡ (x1 , y1) · (x2 , y2 ) := ( x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 ).
(4)
Es gilt also etwa (5, 3) · (−4, 7) = (−41, 23). Der Punkt “·“ wird meistens fortgelassen.
Auf der x-Achse wird wieder die gewöhnliche Multiplikation reeller Zahlen reproduziert,
(x1 , 0)(x2 , 0) = (x1 x2 , 0) ≡ x1 x2 .
(5)
Übung: Man beweise das Distributivgesetz, (z1 +z2 )z3 = z1 z3 +z2 z3 , für z1 , z2 , z3 ∈ C.
Definieren wir als imaginäre Einheit die spezielle komplexe Zahl
(0, 1) =: i
⇒
i 2 ≡ (0, 1)(0, 1) = (−1, 0) ≡ −1 ∈ R,
(6)
so können wir jede beliebige komplexe Zahl z = (x, y), mit x, y ∈ R, schreiben als
z = (x, y) = (x, 0) + (0, y) = x(1, 0) + y(0, 1) = x · 1 + y · i ≡ x + i y.
(7)
[Man beachte, daß mit a ∈ R und z = (x, y) ∈ C gilt az ≡ (a, 0)(x, y) = (ax, ay).]
Damit erhält man das Multiplikationsgesetz (4) einfach durch ”Ausmultiplizieren“
z1 · z2 ≡ (x1 + i y1 ) · (x2 + i y2) = x1 x2 + i (x1 y2 + x2 y1 ) + ( i 2 ) · y1 y2
= (x1 x2 − y1 y2 ) + i (x1 y2 + x2 y1 ).
1
(8)
1.2
1.2.1
Polardarstellung komplexer Zahlen
Betrag und Argument
Das Produkt der Zahl z = x+ i y mit der zu ihr komplex-konjugierten Zahl z ∗ := x− i y,
zz ∗ ≡ (x + i y)(x − i y) = x2 + y 2,
ist immer reell und nicht-negativ. Die positive Wurzel daraus,
p
√
zz ∗ = x2 + y 2 =: |z|,
(9)
(10)
ist die Länge des Ortsvektors der Zahl z in der Zahlenebene, also ihr geometrischer Abstand von der Zahl 0. Dieser Abstand heißt der Betrag |z| von z. Der Winkel φ,
den dieser Ortsvektor (im mathematisch positiven Gegenuhrzeigersinn) mit der positiven
x-Achse einschließt, heißt das Argument arg(z) von z. Es gilt also
|z| = r, arg(z) = φ
⇒
z = r cos φ + i r sin φ ≡ r cos φ + i sin φ . (11)
| {z }
| {z }
=x
=y
Diese Polardarstellung ist die Alternative zur kartesischen Darstellung z = x + i y
einer komplexen Zahl.
1.2.2
Geometrische Deutung der Multiplikation
In der Polardarstellung ergibt sich für das Produkt zweier komplexer Zahlen
z1 · z2 ≡ r1 cos φ1 + i sin φ1 · r2 cos φ2 + i sin φ2
h
i
= r1 r2 cos φ1 cos φ2 − sin φ1 sin φ2 + i cos φ1 sin φ2 + sin φ1 cos φ2 .(12)
Nach den Additionstheoremen für Sinus und Cosinus gilt also
h
i
z1 z2 = r1 r2 cos(φ1 + φ2 ) + i sin(φ1 + φ2 ) .
(13)
Satz: Bei der Multiplikation (4) zweier komplexer Zahlen z1 und z2 multiplizieren sich
die Beträge der Faktoren, während sich deren Argumente addieren,
|z1 z2 | = r1 r2 ≡ |z1 ||z2 |,
arg(z1 z2 ) = arg(z1 ) + arg(z2 ).
Bsp.: Man zeichne z1 = 3 + i , z2 = 1 + 2 i und das Produkt z1 z2 = 1 + 7 i .
2
(14)
1.2.3
Exponentialschreibweise komplexer Zahlen
Wir führen eine Exponentialschreibweise ein,
cos φ + i sin φ =: e i φ .
(15)
Dann ergibt sich die Addition der Argumente φ1 und φ2 bei der Multiplikation von z1 mit
z2 formal aus den Gesetzen der Potenzrechnung,
z1 · z2 ≡ r1 e i φ1 · r2 e i φ2 = r1 r2 e i (φ1 +φ2 ) .
(16)
Am Rande sei bemerkt, daß e i φ ∈ C für beliebige φ ∈ R eine Zahl vom Betrag 1 ist,
q
iφ
|e | = cos2 φ + sin2 φ = 1.
(17)
Im Zusammenhang mit Potenzreihen und der Taylor-Entwicklung werden wir sehen,
daß Gl. (15) die natürliche Erweiterung der Exponentialfunktion f (x) = ex , mit der Zahl
e = 2.718... als Basis, auf komplexe Zahlen ist (Abschnitt A.3 in mm12.tex).
1.3
Der Körper (C, +, ·)
Die Menge C bildet zusammen mit der Addition und der Multiplikation komplexer Zahlen
einen Körper: Zunächst ist (C, +) eine abelsche Gruppe mit neutralem Element 0; das
zu z = x + i y Inverse ist −z = (−x) + i (−y). Aber auch (C\{0}, ·) ist eine abelsche
Gruppe, mit neutralem Element 1. Das zu z = x + i y Inverse ist
z −1 =
x2
y
x
− i 2
,
2
+y
x + y2
(18)
wie man leicht nachrechnet, zz −1 = 1. Außerdem gilt das Distributivgesetz.
Bem.: Zur Division zweier komplexer Zahlen erweitert man mit dem konjugiert Komplexen z ∗ := x − i y des Nenners z = x + i y,
2+5i
(2 + 5 i ) · (3 − 4 i )
(6 + 20) + (15 − 8) i
26
7
=
=
=
+
i.
3+4i
(3 + 4 i ) · (3 − 4 i )
32 + 42
25 25
Probe: Multiplikation des Resultats mit 3 + 4 i ergibt wieder 2 + 5 i .
3
(19)
1.4
1.4.1
Wurzeln komplexer Zahlen
Definition
Jede Lösung w ∈ C der Gleichung w n = z heißt eine n-te Wurzel der komplexen Zahl z.
Aus der geometrischen Deutung der Multiplikation ergibt sich der
Satz: Jede komplexe Zahl z = |z|e i φ mit |z| =
6 0 hat genau n paarweise verschiedene n-te
Wurzeln. Unter ihnen heißt die Zahl
p
w1 =n |z| e i φ/n
(20)
der Hauptwert der n-ten Wurzeln. Die übrigen n-ten Wurzeln bilden zusammen mit dem
Hauptwert in der Zahlenebene ein reguläres n-Eck mit Mittelpunkt im Ursprung.
1.4.2
Fundamentalsatz der Algebra
Eine Verallgemeinerung des letzten Satzes ist der
Satz (FS der Algebra): Die allgemeine komplexe algebraische Gleichung
z n + an−1 z n−1 + ... + a1 z + a0 = 0
(21)
hat genau n Lösungen z1 , ..., zn , die allerdings nicht paarweise verschieden sein müssen.
M.a.W.: Jedes komplexe Polynom n-ten Grades zerfällt über C in genau n Linearfaktoren,
z n + an−1 z n−1 + ... + a1 z + a0 = (z − z1 ) · · · (z − zn ) =
n
Y
(z − zk ).
(22)
k=1
Bsp. 1: Das Polynom z 2 + 1 läßt sich nicht als Produkt
z 2 + 1 = (z − z1 )(z − z2 )
(23)
mit reellen Konstanten z1 unf z2 darstellen. Sehr wohl gilt aber
z 2 + 1 = (z − i )(z + i )
(24)
mit den komplexen Konstanten z1 = i unf z2 = − i
Bsp. 2: Kompliziertere Beispiele sind
z 3 − 2z 2 + 9z − 18 = (z 2 + 9)(z − 2)
= (z − 3 i )(z + 3 i )(z − 2),
2
z − 4z + 13 = z − (2 − 3 i ) z − (2 + 3 i ) .
4
(25)
1.4.3
Quadratische Gleichungen
Eine quadratische Gleichung mit beliebigen Koeffizienten a, b, c ∈ C (mit a 6= 0),
az 2 + bz + c = 0,
(26)
läßt sich durch quadratische Ergänzung auf folgende Form bringen,
z +
b2 − 4ac
b 2
=
.
2a
4a2
(27)
Im Fall b2 6= 4ac gibt es also immer zwei verschiedene Lösungen,
r
√
b2 − 4ac
b
−b ± b2 − 4ac
z1,2 = ±
−
≡
,
4a2
2a
2a
√
wobei u den Hauptwert der Quadratwurzel von u = |u| e i φ ∈ C bezeichnet,
p
√
u :=
|u|e i φ/2 .
Bsp. 1: Im Fall
z 2 + (6 + 2 i )z + (7 + 5 i ) = 0
(28)
(29)
ist
√
b2 − 4ac = (36 − 4 + 24 i ) − (28 + 20 i ) = 4 + 4 i ≡ 4 2 e i π/4 .
(30)
Damit ergibt sich
z1,2 =
−b ±
√
4+4i
1
= −(3 + i ) ±
2
2
q
√
4 2 e i π/8 .
(31)
Im Spezialfall a, b, c ∈ R sind beide Lösungen entweder reell oder rein-imaginär,
√

b2 − 4ac
−b
±


, falls b2 − 4ac > 0,


2a
z1,2 =
(32)
√


2

 −b ± i 4ac − b , falls b2 − 4ac < 0.
2a
Bsp. 2: Im Fall
z 2 − 4z + 5 = 0
ist
z1,2 =
4±
√
2
b2 − 4ac = −4,
−4
5
= 2 ± i.
(33)
2
Funktionen mit mehreren Variablen
Wir betrachten als Beispiel eine Funktion mit n = 2 Variablen x und y,
f : R2 → R,
(x, y) 7→ f (x, y) =
3
.
1 + x2 + y 2
(34)
Sie ordnet jedem Punkt (x, y) des R2 (xy-Ebene) eine (reelle) Zahl z = f (x, y) ∈ R als
Funktionswert zu.
Bem.: f (x, y) könnte etwa die ortsabhängige Temperatur (in einer geeigneten Einheit)
am Punkt (x, y) (Längen in cm) auf der Oberfläche einer ebenen Stahlplatte sein, die im
Pumkt (x, y) = (0, 0) erhitzt wird.
2.1
Graphische Darstellung: 3D-Plot
Wir erstellen eine Wertetabelle,
1
2
y: 0
x = 0 : 3.0 1.5 0.6
x = 1 : 1.5 1.0 0.5
x = 2 : 0.6 0.5 13
(35)
Nun zeichnen wir perspektivisch eine horizontale xy-Ebene und tragen, in vertikaler Richtung, die Funktionswerte der Tabelle über den entsprechenden Punkten der Ebene auf.
(In einem 3D Modell könnte man auf einer horizontalen Tischplatte (xy-Ebene) vertikale
Streichhölzchen passender Längen aufstellen und ankleben.) Die Spitzen dieser vertikalen
Strecken (im Modell die Köpfchen der Streichhölzer) bilden, hinreichend dicht gezeichnet,
eine glatte, gekrümmte Fläche im 3D xyz-Raum, den sog. 3D-Plot der Funktion f .
(SKIZZE)
p
Da r = x2 + y 2 der Abstand des Punktes (x, y) in der xy-Ebene vom Ursprung
3
(0, 0) ist, sieht man wegen f (x, y) = 1+x32 +y2 ≡ 1+r
2 leicht ein, daß dieser 3D-Plot eine
Glockenfläche ist, deren Gipfel (mit Höhe z = 3) über dem Punkt (0, 0) liegt.
Man kann eine der beiden Variablen auch als Parameter auffassen,
f (x, y) = fy (x)
[nicht mit der partiellen Ableitung fy (x, y) verwechseln!]
(36)
Dann ist die Schnittkurve des 3D-Plots von f (x, y) mit der vertikalen Ebene y = y0 der
Graph Gfy0 der gewöhnlichen Funktion fy0 (x) einer Variable x.
6
2.2
2.2.1
Partielle Ableitungen
Definition: Tangentialebene
Wir betrachten die Schnittkurven des 3D-Plots von f (x, y) mit den beiden vertikalen
und achsenparallelen Ebenen durch einen Punkt (x0 , y0 ) der xy-Ebene.
(SKIZZE)
Die beiden Tangenten an diese Schnittkurven bei (x0 , y0) spannen die Tangentialebene
an den 3D-Plot im über (x0 , y0 ) gelegenen Punkt auf. Die Steigungen mx (x0 , y0 ) bzw.
my (x0 , y0) dieser Tangenten heißen die partiellen Ableitungen von f (x, y) an der Stelle
(x0 , y0 ).
2.2.2
Berechnung
Die beiden partiellen Ableitungen einer Funktion f (x, y) mit zwei Variablen sind
gegeben durch
∂
f (x + h, y) − f (x, y)
f (x, y) := lim
,
h→0
∂x
h
f (x, y + h) − f (x, y)
∂
f (x, y) := lim
,
h→0
∂y
h
(37)
unter der Voraussetzung, daß diese Grenzwerte existieren (partielle Differenzierbarkeit).
Die genannten Tangentensteigungen speziell im Punkt (x0 , y0 ) sind dann gegeben durch
∂
∂
mx (x0 , y0 ) =
f (x, y0 )
f (x0 , y)
,
my (x0 , y0) =
.
(38)
∂x
x=x0
∂y
y=y0
Zur Berechnung dieser Ableitungen ist nichts Neues zu lernen: Man behandelt die
jeweils andere Variable als Parameter und differenziert nach den bekannten Regeln.
Wir beginnen mit einem einfachen Beispiel,
g(x, y) = sin(xy) :
∂
g(x, y) = y cos(xy),
∂x
∂
g(x, y) = x cos(xy).
∂y
Als komplizierteres Beispiel betrachten wir wieder die Funktion f (x, y) =
4(1 + x2 + y 2 ) − 8x2
4(1 − x2 + y 2 )
∂
f (x, y) =
=
,
∂x
(1 + x2 + y 2)2
(1 + x2 + y 2 )2
∂
−8xy
f (x, y) =
.
∂y
(1 + x2 + y 2 )2
7
(39)
4x
,
1+x2 +y 2
(40)
Wir sehen: Die beiden partiellen Ableitungen sind, wie f (x, y) selbst, stets gewisse
Funktionen der beiden Variablen x und y. Um dies zu betonen, schreibt man auch
∂
f (x, y) =: fx (x, y),
∂x
∂
f (x, y) =: fy (x, y).
∂y
(41)
Bem.: Dies darf nicht mit der Parameternotation fy (x) bzw. fx (y) der Funktion f (x, y)
selbst verwechselt werden!
Erneute Differentiation ergibt die vier partiellen Ableitungen zweiter Ordnung,
∂
fx (x, y),
∂x
∂
fy (x, y),
fxy (x, y) :=
∂x
fxx (x, y) :=
∂
fx (x, y),
∂y
∂
fyy (x, y) :=
fy (x, y).
∂y
fyx (x, y) :=
(42)
Satz von Schwarz: f sei in einer Umgebung U von (x0 , y0) stetig. Existieren die
partiellen Ableitungen fx , fy und fxy in U und sind diese im Punkt (x0 , y0 ) stetig, so
existiert in (x0 , y0 ) auch fyx , und es gilt
fyx (x0 , y0 ) = fxy (x0 , y0 ).
(43)
Bsp.: Für g(x, y) = sin(xy) gilt etwa
gxy (x, y) ≡
∂
∂
x cos(xy) = cos(xy) − xy sin(xy) =
y cos(xy) ≡ gyx (x, y).
∂x
∂y
(44)
Doch auch im letzten Beispiel findet man nach etwas Rechnung
fyx (x, y) =
8y(3x2 − y 2 − 1)
= fxy (x, y).
(1 + x2 + y 2 )3
(45)
Die Verallgemeinerung auf Funktionen mit mehr als zwei Variablen ist offensichtlich.
8
2.2.3
Der Gradient einer Funktion
Zur Vereinfachung schreiben wir ab jetzt für Punkte der xy-Ebene häufig
(x, y) =: r,
(x0 , y0) =: r0 ,
etc.
(46)
Entsprechend schreiben wir f (x, y) =: f (r) und
fx (r0 ) := fx (x0 , y0) ≡
∂
f (r)
,
∂x
r=r0
etc.
(47)
Man kann r0 als den Ortsvektor des Punkts mit den Koordinaten x0 und y0 in der
xy-Ebene lesen oder als Kurznotation für das geordnete Zahlenpaar (x0 , y0 ).
Man kann die beiden partiellen Ableitungen fx (r0 ) und fy (r0 ) gemäß
fx (r0 )
Gf (r0 ) :=
fy (r0 )
(48)
als Komponenten eines Vektors Gf (r0 ) in der xy-Ebene auffassen. Dieser Vektor heißt
der Gradient der Funktion f (r) = f (x, y) an der Stelle r0 = (x0 , y0).
Zur anschaulichen Deutung des Gradienten dient wieder die Tangentialebene. Wir
denken uns jenen Strahl auf dieser Ebene, der, ausgehend vom Punkt (x0 , y0 , z0 ) [mit
z0 = f (x0 , y0)], am steilsten nach oben ansteigt. Dieser Strahl ist eindeutig, wenn gilt
0
Gf (r0 ) 6= 0 :=
.
(49)
0
Seine senkrechte Projektion auf die xy-Ebene gibt die Richtung des Gradienten (in
der xy-Ebene) an. Der Betrag des Gradienten dagegen ist gleich der Steigung, mit der
dieser Strahl gegen die horizontale xy-Ebene aufsteigt.
(SKIZZE)
Als wichtige anschauliche Konsequenz folgt: Im Höhenlinienplot von f (r) steht der
Vektor Gf (r0 ) senkrecht zu jener Höhenlinie, die durch den Punkt r0 verläuft und zeigt
in Richtung zunehmenden Funktionswertes.
Bsp.: Die quadratische Funktion f (r) ≡ f (x, y) = x2 + y 2 hat den Gradienten
2x
.
Gf (r) =
2y
(50)
Der 3D-Plot von f ist ein nach oben geöffnetes Rotationsparaboloid. Die Höhenlinien
sind also konzentrische Kreise in der xy-Ebene um den Ursprung (0, 0). Folglich zeigt der
Gradient an jedem Punkt r radial nach außen, d.h.: weg vom Ursprung.
9
Bsp.: Für die Funktion f (r) =
Gf (r) = −
3
1+x2 +y 2
6
(1 +
x2
+
y 2 )2
finden wir
x
y
≡ −
6
(1 +
x2
+ y 2 )2
r.
(51)
Für die in der Literatur übliche Schreibweise brauchen wir noch den Nabla-Operator,
∂ ∂x
.
(52)
∇ :=
∂
∂y
∇ ist nur formal ein ”Vektor“, da er weder Betrag noch Richtung besitzt. Seine beiden
Komponenten sind keine Zahlen, sondern Ableitungsvorschriften (”Operationen“). Steht
∇ links von (also ”vor“) einer Funktion f (x, y) ≡ f (r), so sind diese Vorschriften auf
diese anzuwenden. Auf diese Weise ”erzeugt“ ∇ den Gradienten der Funktion,
∂ ∂
f (r)
fx (r)
∂x
∂x
∇f (r) :=
f (r) ≡
≡ Gf (r).
(53)
≡
∂
∂
f (r)
fy (r)
∂y
∂y
In drei Dimensionen ist der Nabla-Operator gegeben durch
 ∂ 
∇ := 
∂x
∂
∂y
∂
∂z
.
(54)
Das ”Skalarprodukt“ des Nabla-Operators mit sich selbst ergibt formal den LaplaceOperator
∂2
∂2
∂2
∆ := ∇ · ∇ ≡ ∇ =
+
+
.
∂x2 ∂y 2 ∂z 2
2
(55)
Für die Funktion f (r) ≡ f (x, y, z) = x3 sin(yz) haben wir etwa
∂2 3
∂2 3
∂2 3
x
sin(yz)
+
x
sin(yz)
+
x sin(yz)
∂x2
∂y 2
∂z 2
∂ 3
∂ 3
∂
3x2 sin(yz) +
x z cos(yz) +
x y cos(yz)
=
∂x
∂y
∂z
= 6x sin(yz) − x3 z 2 sin(yz) − x3 y 2 sin(yz)
h
i
= x 6 − x2 y 2 + z 2 sin(yz).
∆f (r) ≡ ∇2 f (r) =
10
(56)
2.3
Bereichsintegrale
Wir wollen den Integralbegriff von Funktionen f (x) mit einer (n = 1) Variable x,
Z b
K
b−aX
b−a
,
dx f (x) = lim
f (xk ),
xk := a + k
K→∞ K
K
a
(57)
k=1
auf den Fall von Funktionen mit mehreren (n > 1) Variablen verallgemeinern.
2.3.1
Der Integrationsbereich Ω
Rb
Der Bereich des bestimmten Integrals a dx f (x) ist das Intervall [a, b], also ein zusammenhängender Teil der Definitionsmenge Df von f . Bei einer Funktion f : Df → R zweier
Variable (x, y) wollen wir als Integrationsbereich Ω eine beliebige zusammenhängende
Teilmenge Ω ⊆ Df ⊆ R2 der zweidimensionalen Definitionsmenge Df in der xy-Ebene
zulassen. [Die Funktion f soll in jedem Punkt r ≡ (x, y) ∈ Ω stetig sein.]
Ein solcher 2D Bereich Ω ist im einfachsten Fall charakterisiert durch seine kleinste
und größte x-Koordinate xL bzw. xR , sowie durch zwei Funktionen yU (x) und yO (x), die
seinen ”unteren“ bzw. ”oberen“ Rand beschreiben.
(SKIZZE)
2.3.2
Definition des Integrals als Volumeninhalt
Zunächst sei f (r) ≥ 0 für alle r ∈ Ω .
Wir denken uns von jedem Punkt auf der Randlinie von Ω aus senkrecht nach oben (in
z-Richtung) eine Strecke, die bis zum (gekrümmten) 3D-Plot von f führt. Die Gesamtheit
dieser Strecken bildet die Mantelfläche eines Volumenbereichs, dessen Grundfläche
das ebene Flächenstück Ω in der xy-Ebene ist, und dessen Deckfläche ein Ausschnitt
des 3D-Plots von f ist. Kurz: ”Volumenbereich zwischen Ω und dem 3D-Plot”.
Def. 1: Sei Ω ⊆ Df ⊆ R2 und f (r) ≥ 0 für alle r ∈ Ω . Unter dem Bereichsintegral
Z
d2 r f (r)
(58)
Ω
der Funktion f : Df → R über den Bereich Ω versteht man den Inhalt des Volumenbereichs zwischen Ω und dem 3D-Plot von f .
Def. 2: Liegen Teile dieses Volumens unterhalb der xy-Ebene [entsprechend negativen
Funktionswerten f (r) < 0], so sollen diese negativ zum Wert des Integrals beitragen.
11
2.3.3
Praktische Berechnung eines Bereichsintegrals
Um beliebige 2D Bereichsintegrale über Funktionen f (r) ≡ f (x, y) zu berechnen, halten
wir zunächst die Variable x = x0 fest und betrachten das 1D bestimmte Integral
Z yO (x0 )
A(x0 ) :=
dy f (x0 , y).
(59)
yU (x0 )
Sein Zahlenwert ist offenbar der Inhalt der Schnittfläche des Volumenbereichs zwischen
Ω und dem Graphen von f mit jener Ebene, welche die x-Achse bei x = x0 senkrecht
schneidet.
(SKIZZE)
Nun wählen wir viele parallele solche Schnittflächen mit einheitlichem gegenseitigen
Abstand ∆x in x-Richtung und multiplizieren ihre Flächeninhalte mit diesem Abstand.
Die Summe der resultierenden Volumina geht im Limes ∆x → 0 in das Integral über,
Z
X
d2 r f (r) = lim
∆x · A(xi )
∆x→0
Ω
i
Z
=
xR
dx A(x) =
xL
Z
xR
dx
xL
Z
yO (x)
dy f (x, y).
(60)
yU (x)
Bsp. 1: Wir betrachten die Funktion
f (r) ≡ f (x, y) = 1 +
xy
,
5
Df = R 2 .
Als Integrationsbereich wählen wir den Viertelkreis
o
n
Ω = (x, y) ∈ R2 x, y ≥ 0 und x2 + y 2 ≤ R2 .
In diesem Fall sind die Integrationsgrenzen in Gl. (123) gegeben durch
√
xL = 0,
xR = R,
yU (x) ≡ 0,
yO (x) = R2 − x2 .
(61)
(62)
(63)
Für das Bereichsintegral folgt also
Z
Ω
2
d r f (r) =
Z
R
dx
0
Z
√
0
R2 −x2
Z R √
xy x R2 − x2 2
2
dy 1 +
=
dx R − x +
5
5
2
0
und schließlich, durch x-Integration,
Z
πR2 R4
+
.
d2 r f (r) =
4
40
Ω
12
(64)
(65)
Bem. 1: Am 3D-Plot (SKIZZE!) erkennt man leicht, daß gilt
√
√
max f (r) = f ( R2 2 , R2 2 ) = 1 +
min f (r) = f (0, 0) = 1,
r∈Ω
r∈Ω
R2
.
10
(66)
Der Mittelwert hf (r)ir∈Ω liegt somit irgendwo zwischen diesen beiden Extremwerten,
1 < hf (r)ir∈Ω < 1 +
R2
.
10
(67)
Der exakte Wert ist offenbar
hf (r)ir∈Ω ≡
Hier bezeichnet MΩ =
πR2
4
R
Ω
d2 r f (r)
R2
= 1+
.
MΩ
10π
(68)
den (Flächen-) Inhalt des Bereichs Ω .
Bem. 2: RWählt man statt des Viertelkreises für Ω den Vollkreis, so ergibt sich ohne
Rechnung Ω d2 r f (r) = πR2 . Warum?
Bsp. 2: Als weiteres Beispiel betrachten wir die allgemeinere Funktion
xy
f (r) ≡ f (x, y) = a + ,
Df = R2
b
und den Integrationsbereich (SKIZZE !)
2
n
o
2 x
Ω = (x, y) ∈ R ≤y≤x .
c
(69)
(70)
Falls die drei Konstanten a, b und c, sowie die Variablen x und y die physikalische DiLänge haben, so trifft dies auch auf den Funktionswert f zu, und das Integral
Rmension
2
d
r
f
(r)
wird tatsächlich die Dimension eines Volumens annehmen. In diesem Fall sind
Ω
die Integrationsgrenzen gegeben durch
xL = 0,
xR = c,
yU (x) =
x2
,
c
yO (x) = x.
(71)
Damit folgt
Z
2
d r f (r) =
Ω
=
=
=
=
Z
c
Z
x
xy dy a +
b
0
x2 /c
Z c h
i
x2
x h x2
x4 i
dx a x −
+
− 2
c
b 2
2c
Z0 c a 2
1 3
1 5
dx ax − x + x −
x
c
2b
2bc2
0
1 c4
1 c6
c2 a c3
+
−
a −
2
c 3
2b 4
2bc2 6
2
4
ac
1 c
+
.
6
24 b
dx
13
(72)
Bem.: Man kann dieses Ergebnis durch Schätzung kontrollieren. Es gilt
Z
d2 r f (r) = MΩ · hf (r)ir∈Ω .
(73)
Ω
Der (Flächen-) Inhalt von Ω ist gegeben durch
Z c x2 c2
MΩ =
dx x −
= .
c
6
0
(74)
Den Mittelwert von f auf Ω schätzen wir ab durch
hf (r)ir∈Ω ≈ f (c/2, c/2) = a +
c2
,
4b
(75)
womit sich zufällig das exakte Resultat ergibt.
Verallgemeinerung auf Funktionen mit drei (oder mehreren) Variablen,
Z
3
d r f (r) =
xR
dx
xL
Ω
2.3.4
Z
Z
yH (x)
dy
yV (x)
Z
zO (x,y)
dz f (x, y, z).
(76)
zU (x,y)
Ebene Polarkoordinaten
Die Berechnung eines Bereichsintegrals vereinfacht sich oft, wenn man statt der kartesischen krummlinige Koordinaten wählt, die der Geometrie des Integrationsbereichs Ω
angepaßt sind. Besonders wichtig sind ebene Polarkoordinaten (r, φ),
x = r cos φ,
y = r sin φ
(r ≥ 0, 0 ≤ φ < 2π).
(77)
(SKIZZE)
Entsprechend erhalten wir zwei Darstellungen des Bereichsintegrals,
Z
Z xR
Z yO (x)
2
d r f (r) =
dx
dy f (x, y)
xL
Ω
=
Z
yU (x)
rmax
dr r
rmin
Z
φmax (r)
dφ f˜(r, φ),
f˜(r, φ) := f (r cos φ, r sin φ). (78)
φmin (r)
Der zusätzliche Faktor r im Integral rührt daher, daß der Flächeninhalt eines infinitesimalen Kreisringausschnitts nicht einfach drdφ ist, sondern
d2 r = dr · (rdφ).
14
(79)
Bsp. 3: Die Funktion aus Bsp. 1 lautet in Polarkoordinaten
f (x, y) = 1 +
xy
r 2 cos φ sin φ
=1+
=: f˜(r, φ).
5
5
Der Integrationsbereich (Viertelkreis) ist wahlweise gegeben durch
n
o
2 Ω =
(x, y) ∈ R x, y ≥ 0 und x2 + y 2 ≤ R2
n
π o
=
(r, φ) ∈ R+
×
[0,
2π)
0
≤
r
≤
R
und
0
≤
φ
≤
.
0
2
(80)
(81)
Das Integral ist also in Polarkoordinaten einfacher zu berechnen,
Z
Ω
2
Z
R
Z
π/2
r 2 cos φ sin φ
dr r
dφ
5
0
0
Z
π/2
πR2 1 R4
=
dφ cos φ sin φ
+
4
5 4 0
Z
πR2 R4
πR2 R4 1
du u =
=
+
+
.
4
20 0
4
40
d x f (r) = MΩ +
15
(82)
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