Vorlesung 09.12.99

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2.2 Supraflüssigkeit
2.2.2. London-Theorie 42
2.2.2.3 Meissner-Effekt:
Nach dem Ampèreschen Gesetz gilt:
r r
r
∇ ×B = µ0 j
r
∂
D
Da sich die Felder nicht schnell ändern, enthält diese Gleichung nicht den
∂t
Maxwell Term.
Bildet man davon die Rotation, folgt:
r r r
r r
∇ × ∇ ×B = µ 0∇ × j
(
)
Mit der 2. London Gleichung folgt:
( )
r rr
r
q s2 ns r
2
B
∇ ∇B − ∇ B = − µ0
ms
rr
Wegen ∇B = 0 also :
r
q2n r
1 r
∇ 2 B = µ0 s s B = µ0 2 B
λ
ms
Diese Poisson-Gleichung kann mit dem Ansatz B = Ba e − x/? gelöst werden. Der
schematische Verlauf dieser Lösung ist in Figur 2.27 gezeigt. x sei die
Normalenrichtung zur Oberfläche des Halbraums. Das äußere Feld Ba liegt in zRichtung an.
Fig. 2.27:
r
Lösung von ∇ 2 B = µ0
1 r
B. λbezeichnet hierbei die Londonsche Eindringtiefe.
λ2
Dabei ergibt sich die Londonsche Eindringtiefe λzu:
λ = λL =
mp
µ 0 q 2p n s
(2.9)
Sie liegt in der Größenordnung von 100 nm, weshalb man makroskopische Proben
(d>>λ) im Inneren praktisch als feldfrei ansehen kann (Meissner Effekt).
Ebenso wie das Magnetfeld nicht abrupt auf den Wert Null am Rande des SL
abnimmt, fließt der Strom nicht in einer unendlich dünnen Oberflächenschicht. Für
die Stromdichte gilt: (Amperesches Gesetz)
r 1 r r
j=
∇ ×B
µ0
2.2 Supraflüssigkeit
2.2.2. London-Theorie 43
Für den in Figur 2.7 betrachteten Halbraum gilt für die Stromdichte in y-Richtung:
B
1 ∂Bz
− x
jy = −
= a e λ
µ 0 ∂x λL µ 0
Die Stromdichte fällt also ebenso wie das Feld innerhalb einer Oberflächenschicht
exponentiell ab.
Eine weitere Folge aus den London Gleichungen ist, daß sich aus dem konstanten
magnetischen Feld B eine zeitlich konstante Stromdichte j ergibt. Dies bedeutet, daß
die Abschirmströme niemals abklingen (Suprastrom). Die Paare müssen sich
bewegen, um mit ihrem mechanischen Impuls den Feldimpuls zu kompensieren, so
daß der kanonische Impuls auch im Feld unverändert bleibt. Nur dann ist die
„Starrheit der Wellenfunktion“ garantiert.
Methoden zur Messung der Eindringtiefe:
a)
Hg-Kügelchen (traditionelle Methode)
Es werden kleine Hg-Kügelchen zerstäubt und abgekühlt. Der Durchmesser
der Kügelchen ist in der Größenordnung der Londonschen Eindringtiefe. Beim
Anlegen eines Magnetfeldes kann dieses also nennenswert eindringen. Dies
zeigt Fig. 2.28. Daraus läßt sich die Eindringtiefe abschätzen.
Fig. 2.28:
b)
Feldverlauf des inneren Feldes in Abhängigkeit vom äußeren Feld für eine
makroskopische Probe und ein Kügelchen mit Durchmesser d≈λ.
Magnetisierungsmessung mit Induktionsspule und SQUID
Als Probe wird ein langer supraleitender Zylinder verwendet, dessen Achse
parallel zu den Feldlinien angeordnet ist. Um das Feld im Inneren der Probe
(und nur dieses) zu bestimmen wird eine Induktionsspule auf die Probe
aufgedampft (s. Fig. 2.29) und mit einem SQUID (Superconducting QUantum
Interference Device) verbunden. Mit Hilfe des SQUIDS lassen sich kleine
Magentfeldänderungen innerhalb der Probe und damit λbestimmen.
Fig. 2.29: Auf einen Supraleiter wird eine Induktionsspule aufgedampft. Mit Hilfe eines
SQUIDS können kleine Magnetfeldänderungen innerhalb der Probe gemessen werden.
2.2 Supraflüssigkeit
c)
2.2.2. London-Theorie 44
Hochfrequenz-Resonator
Mit dieser Anordnung kann die Abhängigkeit der Eindringtiefe von der
Temperatur bestimmt werden. Der Resonator besteht aus 2 parallelen
supraleitenden Platten (s. Fig. 2.30). In diese Anordnung wird eine
Hochfrequenzwelle (Wellenlänge ca. 3 cm) eingekoppelt. Es kommt genau
dann zu einer Resonanz (=stehende Welle), wenn die Summe aus
Plattenabstand und doppelter Eindringtiefe (zwei SL Platten) ein ganzzahliges
Vielfaches der eingekoppelten Wellenlänge ist. (Eine äquivalente Anordnung
ist das Fabry-Perot Interferometer.)
Mit der Temperatur ändert sich die Eindringtiefe und damit die
Resonanzfrequenz. Diese wird gemessen.
Anmerkung: Es können nur Temperaturänderungen der Eindringtiefe
gemessen werden, da der Abstand der Platten nicht auf eine
Eindringtiefe genau bestimmt werden kann.
Bild 2.30: Resonator aus 2 supraleitenden Platten zur Bestimmung der Eindringtiefe in
Abhängigkeit von der Temperatur.
d)
Gegeninduktivitätsmessung
Diese eignet sich für dünne SL-Schichten (d≈λ). Mit einer Primärspule (s. Fig.
2.31) wird ein Wechselfeld erzeugt, welches die dünne Schicht (=Film)
teilweise durchdringt und in der Sekundärspule einen Strom induziert. Die
Stärke des in der Sekundärspule induzierten Signals ist abhängig von der
Eindringtiefe. Damit kann der Absolutwert von λsehr genau bestimmt werden.
Fig. 2.31:
Eindringtiefenmessung an einem dünnen SL. Das von der Primärspule in der
Sekundärspule induzierte Signal ist abhängig von der Eindringtiefe.
2.2 Supraflüssigkeit
2.2.2. London-Theorie 45
Betrachten wir die Definition der Eindringtiefe λ(Formel 2.9) nochmals:
λ=
mp
µ 0 q 2p n s
Da die Cooper Paar Dichte ns temperaturabhängig ist, folgt dies auch für die
Eindringtiefe. In der Nähe der kritischen Temperatur Tc ist die Dichte der Paare
gering, weshalb die Eindringtiefe groß ist. Entsprechend sinkt die Eindringtiefe für
steigende Paardichte bei tieferen Temperaturen. Dies ist einsichtig, da mit
zunehmender Paardichte die Abschirmung verbessert wird.
Fig. 2.32 zeigt die Abhängigkeit der Eindringtiefe von der Temperatur für Zinn. Bei
tiefen Temperaturen sind alle Elektronen zu Cooper Paaren ausgefroren, weshalb die
Eindringtiefe konstant mit der Temperatur ist (λ=λ0). Mit dem Aufbrechen der ersten
Cooper Paare bei zunehmender Temperatur steigt die Eindringtiefe langsam an. Da
die Paardichte im Nenner von Formel 2.9 steht und sie an der kritischen Temperatur
gegen null geht, gilt für die Eindringtiefe λ→ ∞ für T→ Tc.
Fig. 2.32: Temperaturabhängigkeit der Eindringtiefe für Zinn (Buckel)
Dem oben besprochenen Meissner Effekt sieht man die Quanten-Natur der SL nur
indirekt an. Direkt kann man dieses Phänomen an der Flußquantisierung innerhalb
eines supraleitenden Ringes beobachten.
2.2.2.4 Flußquantisierung:
Bisher betrachteten wir eine Probe, die einfach-zusammenhängend war. Nun wollen
wir den Einfluß eines Magnetfeldes auf ein zweifach-zusammenhängendes Gebiet
(Ring) untersuchen.
Wir kühlen den Ring in einem schwachen Magnetfeld und schalten dann das Feld ab.
Es stellt sich die Frage, welcher Fluß sich aufgrund der Abschirmströme im Inneren
der Ringöffnung befindet (Fig. 2.33).
Behauptung: Innerhalb des Ringes befindet sich ein Fluß, der ein ganzzahliges
Vielfaches des elementaren Flußquants Φ 0 ist. Wobei gilt:
Φ0 =h
2e
= 2 ∗10 − 15 Tm 2
2.2 Supraflüssigkeit
2.2.2. London-Theorie 46
Fig. 2.33: Fluß durch eine Supraleitenden Ring, nach abschalten des äußeren Magnetfeldes (T<Tc).
Experimentell konnte diese Flußquantisierung zum ersten Mal 1961 von Doll und
Näbauer (WMI) nachgewiesen werden. Im gleichen Jahr gelang dies dann auch den
Amerikanern Deaver und Fairbanks.
Figur 2.34 zeigt den experimentellen Aufbau von Doll und Näbauer.
Fig. 2.34: Experimentelle Bestimmung des elementaren Flußquants nach Doll und Näbauer (Buckel)
Ein Quarzfaden wird mit einer dünnen Bleischicht bedampft (Tc≈7 K) und an einem
Torsionsfaden aufgehängt. Zusätzlich wird der Torsionsfaden mit einem Spiegel
verbunden, um mit Hilfe eines Lichtzeigers die Auslenkung messen zu können. Der
Durchmesser des Quarzfadens wird sehr klein gewählt, damit bereits ein einziges
Flußquant (Fluß ∝ Magnetfeld x Fläche) ein merkliches Feld bewirkt.
Die Probe wird in einem äußeren Magnetfeld Ba, welches die „Ringöffnung“
durchdringt, abgekühlt. Nach Abschalten des Feldes friert der Fluß innerhalb des
Ringes ein. Es liegt nun ein magnetischer Dipol mit entsprechender Polung vor. Die
Stärke des Dipols ist ein Maß für den Fluß innerhalb des Zylinders.
2.2 Supraflüssigkeit
2.2.2. London-Theorie 47
Um das Dipolmoment messen zu können, wird senkrecht zum Feld Ba das Meßfeld
BM angelegt. Der Dipol richtet sich in diesem Feld aus, weshalb der Lichtzeiger
ausgelenkt wird. Jedoch ist die Auslenkung zu schwach für eine direkte Messung.
Daher wird ein Wechselfeld verwendet, das das Drehpendel in Resonanz
aufschauckelt, bis die Auslenkung gut meßbar wird. Es wird die
Aufschaukelgeschwindigkeit (= Amplitude pro Zeit) gemessen, welche proportional
zum magnetischen Moment ist. Für ein kleines magnetisches Moment erhält man ein
langsames bzw. für ein großes ein schnelles Aufschaukeln.
Der Versuch wird bei verschiedenen Feldern Ba durchgeführt. Figur 2.35 zeigt das
Ergebnis von Doll und Näbauer. Aufgetragen ist die Zunahme der
Resonanzamplitude pro Zeit gegen das äußere Magnetfeld Ba.
Fig. 2.35 Abhängigkeit der Zunahme der Resonanzamplitude pro Zeit (=> magnetisches
Dipolmoment) vom äußeren Magnetfeld Ba.
Wie die Meßkurve zeigt, erhält man eine stufenförmige Abhängigkeit. Zwischen
Null und ca. 0,1 Gauss ist kein magnetischer Fluß innerhalb des Zylinders zu
verzeichnen. Bei etwas höheren Feldern erhält man plötzlich einen endlichen Wert.
Der Fluß innerhalb des Rings nimmt pro Stufe immer um exakt ein Flußquant
φ0=h/(2e) zu. Dies war der erste Beweis, daß es sich hier um Cooper Paare mit der
Ladung 2e und nicht um einzelne Elektronen handelt (gilt auch für
Hochtemperatursupraleiter). Die BCS Theorie konnte also bestätigt werden.
Weshalb kommt es hier zu einer Flußquantisierung? Dies wollen wir zunächst
qualitativ betrachten. Beim Abschalten des Feldes wird Strom in der Probe induziert,
welcher nicht abklingt. Dieser Ringstrom bewirkt ein Einfrieren des Flusses (s. Fig.
2.33), weshalb ein magnetisches Moment zu verzeichnen ist. Soweit die klassische
Betrachtungsweise.
Von der Quantenmechanik wissen wir, daß die makroskopische Wellenfunktion
(=Paarfeld) eindeutig sein muß. Dies bedeutet, daß die Wellenfunktion nach einem
Umlauf um den Ring wieder in Phase ist, da sie sich sonst „weg interferiert“.
Aufgrund dieser Quantisierung sind nur bestimmte Stromdichten erlaubt. (Vergleiche
dazu auch die Drehimpulsquantisierung im Atom.)
2.2 Supraflüssigkeit
2.2.2. London-Theorie 48
Diesen Sachverhalt wollen wir etwas genauer betrachten. Für den Kreisstrom um den
Ring gilt nach unserer Formel (2.7) (s. Seite 41):
(
)
r
r * q s2 n s r
r r
hq p
*
j s (A) = − i
Ψ ∇Ψ − Ψ ∇Ψ A
2m p
ms
Im Gegensatz zu oben (St. 41) kann nun der erste Term nicht entfallen, da der SL
nicht stromlos für Ba=0 ist. Der zweite Term beschreibt das Eigenfeld des Stroms.
Die Wellenfunktion stellen wir wieder nach Betrag und Phase dar
r
Ψ = Ψ e iΘ ( r )
r
= n s e iΘ ( r )
und leiten ab: (Es gelte die Starrheit der Wellenfunktion => ns = const.)
r
r r
r r
r
∇ Ψ = n s e iΘ ( r ) i∇ Θ (r ) = iΨ ∇ Θ (r )
ebenso gilt:
r
r r
r r
r
∇ Ψ ∗ = n s e − iΘ ( r ) (− i)∇ Θ (r ) = (− i)Ψ ∇ Θ (r )
weshalb für die Stromdichte folgt:
(
r
r r q p ns r r
j s (A) =
h∇ Θ ( r ) − q p A
mp
)
(2.10)
Das Vektorpotential A hängt mit dem Fluß φzusammen über:
r r
r r
r r r
Φ = ∫Bd 2 r = ∫∇ × Ad 2 r = ∫Adr
F
F
Anmerkung: d²r beschreibt hierbei ein Flächenelement
F ist die Fläche der Ringöffnung
Das Ringintegral wurde mit dem Satz von Stoke gebildet.
Nun bilden wir das Ringintegral auf beiden Seiten des Stromausdruckes (Formel
2.10):
r r
r r r
r r q p ns
h ∫∇ Θ (r )dr − ∫q p Adr
∫ js dr =
mp
(
=
q p ns
mp
)
(h ∫∇Θ (rr)drr − q Φ )
r
p
Wir wenden wieder das Argument der Eindeutigkeit der Phase Θ unserer
makroskopischen Wellenfunktion an: Bei Integration vom Punkt A um den Ring bis
zum Punkt A muß derselbe Phasenfaktor der Wellenfunktion vorliegen, d.h.:
r r
r r
iΘ 0 + i ∫∇ Θ dr
e iΘ 0 = e
( ∫∇ Θ dr ≡ Phasendiff. zw. 2 Punkte)
2.2 Supraflüssigkeit
2.2.3. Ginzburg-Landau-Theorie 51
Dies ist gleichbedeutend mit:
r r
i ∇ T dr
1= e ∫
r r
⇒ ∫∇ T dr = 2pn
mit n ganzzahlig
damit wird:
r r q p ns
(h 2πn − q p Φ )= q p ns (hn − q p Φ )
∫ j s dr =
mp
mp
(2.11)
Bemerkungen:
a) Ist der Ring viel dicker als die magnetische Eindringtiefe, kann ein
Integrationsweg gewählt werden, der tief im Inneren des Rings liegt. Dort fließt
kein Abschirmstrom, d.h. j=0. Somit folgt aus Formel (2.11):
hn = q pF
F =
hn hn
=
= F 0 n;
q p 2e
F0 =
h
= 2,07 ∗10 -15 Tm² (= Flußquant)
2e
hc
2e
b) Verwendet man einen dünnen Ring (d≈λ), bzw. wählt man den Integrationsweg
von a) weiter außen, so gilt j≠0. Damit folgt aus Formel (2.11):
mp r r
Φ + 2 ∫ j dr = nΦ 0
q p ns s
Anmerkung: im cgs-System gilt:
Den Ausdruck Φ +
r r
j dr
∫
q 2p ns s
mp
F0 =
bezeichnet man als „Fluxoid“.
Wir behandelten in Kapitel 2.2.2.4 die Supraleiter 2. mit Flußfäden im gemischten
Zustand. Daher ist hier der Supraleiter wie bei einem Ring zweifach
zusammenhängend und der Fluß ist wie im Ring quantisiert. Jeder Flußfaden trägt
dabei genau nur 1 Flußquant, d.h. es ist n=1. Da die makroskopische Wellenfunktion
im Fadenkern =0 wird, liegt hier offenbar eine starke Veränderung durch das
Magnetfeld vor, die nicht mehr mit der London Theorie beschrieben werden kann.
Dies bringt uns zur Ginzburg-Landau-Theorie.
Fig. 2.36: Flußquantisierung innerhalb eines Flußfadens. Jeder enthält ein Flußquant.
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