Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth GRUNDLAGEN DER SPORTPSYCHOLOGIE Was ist Sportpsychologie? Inhalte, Anwendungsfelder und Geschichte Ist Sportpsychologie... ...Guru-Tätigkeit? ...Ausschöpfen der letzten Reserven Psychodoping? ...Optimierung der Leistungsvoraussetzungen? SS 2006 1 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Definitionsansätze „Sportpsychologie ist die angewandte Wissenschaft, die sich mit dem Verhalten und Erleben (sowie deren Ursachen und Folgen) von Menschen beschäftigt, welche dem Sport aktiv oder passiv verbunden sind.“ Aus: Janssen, J. P. (1995), Grundlagen der Sportpsychologie (S. 12). Wiesbaden: Limpert „Sportpsychologie untersucht die psychischen, psychosomatischen und psychosozialen Bedingungen, Abläufe und Folgen sportbezogenen Handelns und leitet daraus Möglichkeiten zu deren systematischen Beeinflussung ab.“ Nitsch, Gabler und Singer (2000), S. 13 „Sport and exercise psychology is the scientific study of people and their behaviors in sport and exercise activities and the practical application of that knowledge. “ Weinberg und Gould (2003), S. 4 Definitionsansätze – gemeinsame Kriterien Sport und Bewegung Psychologische Einflüsse auf Verhalten und Erleben in Sport und Bewegung Psychologische Effekte durch Sport und Bewegung Grundverständnis der Sportpsychologie nach Nitsch, Gabler und Singer (2000) Grundfragen - Ebene 1 Wozu (Motivation) werden welche Informationen wie aufgenommen (Wahrnehmung), gespeichert (Gedächtnis), verarbeitet (Denken), bewertet (Emotion) und in Handlungsvorsätze umgesetzt (Volition)? SS 2006 2 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Grundfragen - Ebene 2 Was von diesem Geschehen erleben wir in welcher Form (Bewusstsein)? Worauf kann ich bei Bewegungen achten? Woran merke ich, dass ich mich besonders ärgere oder, dass ich unter Druck bin? Grundfragen - Ebene 3 Welche Ansichten entwickeln wir über uns (Selbstreflexion), Sachverhalte und andere? Selbstkonzept Körperkonzept Einstellungen … Zwei Richtungen 1. Wie beeinflussen psychische Faktoren die sportliche Leistung? Wie beeinflusst Angst die Treffsicherheit eines Basketballers beim Freiwurf? Wirkt sich ein geringes Selbstbewusstsein auf die Fähigkeit eines Kindes aus, Schwimmen zu lernen? Wie beeinflusst das Trainerverhalten den Zusammenhalt eines Teams? 2. Wie beeinflusst die Teilnahme an Sport und Bewegung Merkmale wie psychische Entwicklung, Gesundheit, Wohlbefinden, Persönlichkeit...? Reduziert Joggen Angst und Depression? Wird durch sportliche Aktivität das Selbstwertgefühl eines Kindes erhöht? Verändert regelmäßiges Sporttreiben die Persönlichkeit? Ziele der Sportpsychologie Wissenschaftliche Diagnose bzw. Beschreibung (Deskription), Erklärung(Explikation), Vorhersage (Prädikation) von Verhalten und Erleben und wissenschaftlich begründete Beeinflussung (Intervention) im Bereich Sport und Bewegung Grundaufgaben von SportpsychologInnen Forschung Theorieentwicklung Methodenentwicklung Empirische Forschung Lehre Systematisierung, Zielgruppenorientierung,… SS 2006 3 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth z.B. Ausbildung an Universitäten, Fortbildung in Sportverbänden Praxis/Beratung Informieren, beraten, betreuen, begleiten z.B. im Spitzensport, in der Rehabilitation Anwendungsfelder Leistungssport/Spitzensport Gesundheitssport (Prävention/Rehabilitation) Freizeit- und Erholungssport Rehabilitativer und (psycho)therapeutischer Sport Sportmanagement Schulsport Leistungssport Warum kann eine 17jährige Sportlerin, die mehrmals täglich trainiert und im Training konstant ihre Leistungen bringt, diese im Wettkampf nicht umsetzen? Also welche psychischen Fähigkeiten und Kompetenzen werden im Wettkampf benötigt? Gesundheitssport Warum schafft ein schwer übergewichtiger Mann, dem schon mehrmals vom Arzt ans Herz gelegt wurde sich körperlich zu betätigen, nicht, bei einer Walkinggruppe dabeizubleiben? Welche Kompetenzen muss diese Person erwerben, um sportlich aktiv werden zu können und wie kann das unterstützt werden? Freizeitsport Was bewegt Menschen dazu, in ihrer Freizeit Sport zu betreiben? Warum bevorzugen dabei die einen diese Sportart, die anderen jene? Warum gehen immer mehr Personen scheinbar extreme Risiken bei sportlicher Betätigung ein? Verstehen wir etwa, warum sich Jugendliche gegen Schule und Unterricht auflehnen? Warum sie in der FZ Sport betreiben, im Sportunterricht aber gelangweilt sind? Psycho(therapeutischer) Sport Welche Funktion haben sportliche Aktivitäten in der Therapie und Rehabilitation psychisch beeinträchtigter und psychosomatisch erkrankter Menschen? Welcher Zusammenhang besteht zwischen körperlicher Aktivierung und psychischen Funktionen? Sportmanagement Wie könnte man bei einem Streit im Fußballverband zwischen Trainer und Funktionären psychologisch intervenieren? Wie funktionieren Sportsysteme und wie kann man diese verändern? Schulsport SS 2006 4 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Welche Bedeutung hat die psychische und soziale Entwicklung für die Erstellung von Lehrplänen und die Gestaltung des Sportunterrichts? Geschichte der Sportpsychologie 1898, USA: Norman Triplett publiziert die erste Studie zum Einfluss von Zuschauern auf sportliche Leistung: „The dynamogenic factors in pacemaking and competition“ Die 20er und 30er Jahre 1920, Berlin: R. W. Schulte baut das „sportpsychologische Laboratorium“ auf Erste Publikationen im deutschsprachigen Raum 1921-31: Coleman Griffith publiziert 25 Forschungsartikel zu sportpsychologischen Problemstellungen; er gilt als „Vater der Sportpsychologie“ in den USA Die 60er und 70er Jahre 1965, Rom: Erster Weltkongress der Sportpsychologie; Gründung der International Society of Sport Psychology (ISSP) 1969: Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie der Bundesrepublik Deutschland e.V. (asp) und der Fédération Européenne de Psychologie des Sports et des Activités Corporelles (FEPSAC) 1970: International Journal of Sport Psychology 1979: Journal of Sport Psychology (später: Journal of Sport and Exercise Psychology) Die 80er Jahre Mehrere internationale Zeitschriften 1987: Erste deutschsprachige Fachzeitschrift „Sportpsychologie“ (heute: „Zeitschrift für Sportpsychologie“) 1987: American Psychological Association Division 47 (Sport Psychology) wird entwickelt Und heute... Weitere Etablierung sportpsychologischer Forschung und Praxis weltweit Sportpsychologische Internetforen, z.B. www.bisp-sportpsychologie.de European Masters Degree in Exercise and Sport Psychology Curriculum „Fortbildung in Sportpsychologie“ Österreichisches Bundesnetzwerk Sportpsychologie (gegr. 2006) Sportpsychologie im Internet www.uni-potsdam.de/u/asp/ www.bisp-sportpsychologie.de www.sportpsychologie.at SpoLit SportDiscus PsynDex plus Literatur-Datenbanken: SS 2006 5 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth PsycInfo MOTIVATION Motivation – die Frage nach dem Wozu und Warum Lat. „movere“: bewegen, in Bewegung setzen; „motus“: bewegt, angetrieben Was bewegt uns, etwas zu tun – oder nicht zu tun, z.B. Aufsuchen – Meiden Beharrlichkeit – (oft vorschnelle) Aufgabe Motivation – klassische theoretische Ansätze Biologisch-physiologisch (Homöostase) Ethologisch-instinkttheoretisch („Dampfkessel“) Tiefenpsychologisch-triebtheoretisch (Trieb) Behavioristisch-lerntheoretisch (need –drive) Persönlichkeitstheorie (Bedürfnishierarchie) Kognitiv-handlungstheoretischer Ansatz Der Mensch o o o o plant, entscheidet, ist auf die Zukunft gerichtet, setzt sich Ziele, die er erreichen will Er handelt o routinemäßig (z.B. gehen) o „auffällig“ (z.B. Foulspiel) Auffälliges Handeln und Motive Interindividuelle Unterschiede Intraindividuelle Unterschiede Stabilität über die Zeit „Motive sind situationsüberdauernde, zeitlich überdauernde und persönlichkeitsspezifische Wertungsdispositionen“ Gabler (2000), S. 205 Motiv und Motivation „Der Prozeß der Motivanregung wird Motivierung genannt, das Ergebnis dieser Motivierung die Motivation“ „Motivation is the direction and intensity of effort“ Gabler (2000), S. 206 Weinberg und Gould (2003), S. 52 Motivation bedeutet... SS 2006 6 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Zielausrichtung: auf Situationen, von denen man sich angezogen fühlt Intensität: wie viel Anstrengung wird in die Aktivität investiert Aktivierung: Wie viel Anstrengung wird investiert, dass Verhalten in Gang kommt das Ergebnis aus situativen Anreizen und Personmerkmalen (Motiven) ⇒ Interaktion! Motiv und Motivation... Sind „hypothetische Konstrukte“ Werden durch den Prozess der Motivierung ineinander überführt Können in verschiedene Grundsituationen klassifiziert werden Grundsituationen sind z.B. Leistung ⇒ Leistungsmotiv Anschluss ⇒ Anschlussmotiv Macht ⇒ ... Aggression ⇒ ... Angst ⇒ ... Motivation zum Sport Warum treibt jemand überhaupt Sport? Warum treibt jemand eine bestimmte Sportart? Warum bleiben manche Menschen dem Sporttreiben treu und andere nicht? Motivation im Sport Wieso sucht die Tennisspielerin den Weg ans Netz? Warum foult der Fußballspieler seinen Gegner? Warum ärgert sich der Turner über einen missglückten Salto? Das Leistungsmotiv Kriterien sportlicher Leistung: Objektivierbarkeit Gütemaßstab (z.B. Zeit) Schwierigkeitsmaßstab Verbindlichkeit von Güte- und Schwierigkeitsmaßstab Selbst verursacht. Leistungsmotiv - Definition „Achievement motivation refers to a person‘s efforts to master a task, achieve excellence, overcome obstacles, perform better than others, and take pride in exercising talent.“ (Murray, 1938) „It is a person‘s orientation to strive for task success, persist in the face of failure, and experience pride in accomplishments“ (Gill, 2000) Weinberg und Gould (2003), S. 59 SS 2006 7 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Theorien der Leistungsmotivation im Sport – 3 Ansätze � Das Risikowahl-Modell (Atkinson, 1957) � Das Attributions-Modell (Weiner, 1976) � Die Theorie der Zielorientierung (goal orientation; Nicholls, 1984) Risikowahl-Modell: Grundannahmen Zwei grundlegende Tendenzen: Motiv, Erfolg zu erzielen (Hoffnung auf Erfolg) Motiv, Misserfolg zu vermeiden (Furcht vor Misserfolg) * Es gibt "erfolgzuversichtliche" und "misserfolgsängstliche" Personen * Jede Aufgabe besitzt einen bestimmten Anreizwert * Für jede Aufgabe gibt es eine subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit ⇒ Welche Person wählt welche Aufgabe zur Bearbeitung? ⇒ Wie sieht Leistungshandeln aus (Anstrengung, Ausdauer, Ergebnis)? Erfolgszuversichtliche Suchen Leistungssituationen auf Suchen Herausforderung Wählen mittelschwere Aufgaben Erwarten eher Erfolg Antizipieren den "Stolz" auf den Erfolg Haben positive Affektbilanz Leisten besser/gleich gut unter Druck Misserfolgsängstliche Meiden Leistungssituationen Wählen leichte oder zu schwere Aufgaben Sehen eher die Gefahr des Scheiterns Vermeiden Risiken Befürchten eher die Beschämung des Misserfolgs Haben eine negative Affektbilanz Leisten schlechter unter Druck Attributionsmodell Grundannahmen Menschen schreiben Ereignissen Ursachen zu (= Kausalattribution) Warum habe ich gewonnen? Warum habe ich verloren? Die Ursachenzuschreibung erfolgt in vier Kategorien (nach Weiner, 1976) SS 2006 8 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Vier-Felder-Schema der Attribution (Weiner, 1976) Wer attribuiert wie? Erfolgszuversichtliche o Führen Erfolg auf eigene Fähigkeit, o Misserfolg auf mangelnde Anstrengung zurück Misserfolgsängstliche o Führen Erfolg auf äußere Umstände (Glück), o Misserfolg auf mangelnde Fähigkeit zurück Zielorientierungen Menschen streben unterschiedliche Leistungsziele an: Leistungsgüteziele ( = Aufgabenorientierung, mastery goals, task goals) Wettbewerbsziele (ego goals, performance goals, competitive goals) Beide Zielorientierungen sind prinzipiell unabhängig voneinander! Leistungsgüteziele Aufgaben werden um der Herausforderung willen angestrebt Ziel: Verbessern der eigenen Fähigkeiten/Fertigkeiten bzw. bisherigen Leistung Bezugsnorm: individuell (eigener Leistungsstand) Wettbewerbsziele Aufgaben werden angestrebt, um andere zu übertreffen Ziel: besser sein als andere Bezugsnorm: sozialer Vergleich Erkenntnisse aus der Theorie der Zielorientierungen Task goals sind stärker ausgeprägt als ego goals Hohe task orientation geht mit positiver, instrinsischer Motivation einher ⇒ „um der Sache selbst willen“ Task orientation sollte stärker gefördert werden als ego! SS 2006 9 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth SS 2006 10 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Was folgt daraus? Schwierigkeitsgrad der Aufgabe: herausfordernd, aber realistisch Wahlmöglichkeiten geben Mittlere Schwierigkeit (subjektiv) Betonung der Leistungsgüteziele Weniger starke Betonung von Wettbewerbszielen Vermittlung „günstiger“ Attributionsmuster Erfolg = aufgrund Fähigkeit Misserfolg = augrund mangelnder Anstrengung oder auch mal externaler Ursachen (z.B. Pech) Positive Affektbilanz erhöhen: Mehr Freude nach Erfolg als Enttäuschung nach Misserfolg Wettbewerbsziele an Können der Athleten anpassen Darauf achten, wann Wettbewerbsziele angemessen sind Flow (Csikszentmihalyi, 1985) „Das reflexionsfreie gänzliche Aufgehen in einer glatt laufenden Tätigkeit, die man trotz hoher Anforderungen unter Kontrolle hat.“ Rheinberg, F. (1997), Motivation. Stuttgart:Kohlhammer. (S. 142) Komponenten des Flow Passung zwischen Fähigkeit und Anforderung auf hohem Niveau (Kontrolle unter optimaler Beanspruchung) Anforderungen und Rückmeldungen klar und ohne Interpretationsnotwendigkeit; eingegrenztes Stimulusfeld Der Handlungsablauf ist glatt, folgt eigener Logik SS 2006 11 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Die Konzentration kommt wie von selbst, nicht willentlich erzwungen. Zeiterleben stark verändert (meist vergeht Zeit viel schneller). Verschmelzen vom Selbst und Tätigkeit; kein bewusstes Erleben meiner Selbst mehr ("tiefer Flow"); Aufgehen in der Tätigkeit. Der Flow-Kanal (nach Csikszentmihalyi) Flow und Gefahrenbewusstsein 93 % der Fahrer kennen Flow beim Motorradfahren (Ausnahme: 3 Novizen). 88 % halten Motorradfahren im Allgemeinen für gefährlich. aber: nur 12% halten speziell den Flow-Zustand für eine Gefahrenquelle. (Aufklärungsbedarf?) 29 % geben an, im Flow ein geringes Gefahrenbewusstsein zu haben. Flow und Angst sind kaum vereinbar (r =- .61 mit „habe öfter Angst auf der Maschine“). www.psych.uni-potsdam.de/people/rheinberg/personal/lectures-d.html Aggression als Motiv? Aggression – klassische theoretische Ansätze Trieb-und instinkttheoretisch („Dampfkessel“) Lern- und sozialisationstheoretisch (Aggressives Verhalten führt zum Erfolg) Frustrations-Aggressions-Hypothese Frustration: Enttäuschung aufgrund einer wirklichen oder vermeintlichen Vereitelung von Zielvorstellungen Aggression - Definitionsansätze Lat. „aggredi“: herangehen, angreifen; „aggressus“: angreifend Unterschiedliche Charakteristika Instrumentelle versus explizite Aggression SS 2006 12 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Autoaggression „Aggressionen sind Verhaltensweisen, die auf die soziale Umwelt im Sinne einer Schädigung gerichtet sind.“ „Die überdauernde Bereitschaft (das Motiv) in gegebenen Situationen aggressiv zu handeln, wird als Aggressivität bezeichnet. Eine Handlung ist auch dann als aggressiv zu bezeichnen, wenn lediglich die Intention zur Schädigung gegeben ist...“ Gabler (2000), S. 239 Aggression im Sport „Eine Handlung im Sport ist dann als ‚aggressiv‘ zu bezeichnen, wenn eine Person in Abweichung von sportlichen Normen mit dieser Handlung intendiert, einer anderen Person Schaden...zuzufügen...“ Gabler (2000), S. 239 Prozessmodell der Aggressionsmotivation s. Gabler, 2000, S. 241 (Schema) Bsp.: Ein Stürmer wird vom Verteidiger mit gestrecktem Bein gefoult und erleidet dadurch eine Verletzung Mögliche Prozesse: Die Sicht der Gefoulten (1) Wahrnehmung des Tritts = primäre Affektaktivierung (diffus) (2) Bewertung: Absichtlich? Rücksichtslos? Unglücklich? (3) Ergebnis z.B.: Absicht!!! (4) Ärger, Wut (5) Aggressionsmotiv angeregt (6) Aggressive Handlung: „Nachtreten“ Aber... Nicht jede Frustration führt zu Aggression! Nicht jede Aggressionstendenz führt zu aggressivem Handeln! Nicht immer ist aggressives Verhalten als Ergebnis vorhergehenden Ärgers zu verstehen ⇒ instrumentelle A.! Motivation im Sport – Motivation zum Sport Leistung, Aggression, Flow etc. = Motive, die während des Sporttreibens aktualisiert werden ⇒ M. im Sport Aber: Wie kommt jemand erst dazu, Sport zu treiben ⇒ M. zum Sport? ⇒ Modelle zur Sportteilnahme Motivation zu regelmäßiger Bewegungs- und Sportaktivität Verschiedene (psychische) Faktoren wirken auf Die Sportteilnahme direkt Die Intention, Sport zu treiben Entwicklung komplexer Modelle zur Erklärung der Sportteilnahme und Aufrechterhaltung Motivation zu regelmäßiger Bewegungs- und Sportaktivität SS 2006 13 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Das MAARS-Modell (Fuchs, 1997) Motivation zur Aneignung und Aufrechterhaltung regelmäßiger Sportaktivität Modell, das im Gesundheits- /Freizeitsport entwickelt wurde Empirisch überprüft an einer Berliner Stichprobe (N = 1372) Fuchs, R. (1997), Psychologie und körperliche Bewegung. Göttingen: Hogrefe Erkenntnisse aus dem MAARS-Modell Modell erklärt nur die Sportteilnahme in der Altersklasse 41-70 Jahre (nicht bei jüngeren) Guter Erklärungswert für die Intention (sich vornehmen, am Sport teilzunehmen) weniger gut für die Sportteilnahme selbst Wichtigster Einflussfaktor auf Sportmotivation: Barriere-Erwartungen (von äußeren Gegebenheiten beeinflusst) Fuchs (1997, S. 282-289) Motivation und Volition Welche Rolle spielen Willensprozesse in der Motivationspsychologie? Wozu tu ich irgendwas? ⇒ Motivation = Auswahl eines Ziels Wie führ ich das dann aus? ⇒ Volition = Umsetzung dieses Ziels Motivation - Intentionsbildung – Volition SS 2006 14 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Exkurs: Was geschah am Rubikon? Motivation - prädezisional Abwägen von Handlungsalternativen Fazit-Tendenz: Tendenz, bei diesem Abwägen zu einem Ende (Entschluss zu kommen); lat. „facit“ = er (sie, es) macht Resultat: Intention (Rubikon überschritten!) Volition - präaktional Gelegenheit und/oder Zeitpunkt der Handlungsinitiierung wird hergestellt/erwartet Bildung von Vornahmen Fiat-Tendenz: Intentionen drängen nach Umsetzung; lat. „fiat“ = es möge geschehen Ergebnis: Handlungsinitiierung Volition - aktional Intention wird realisiert = Handlung Anstrengung zur Erreichung des Handlungsergebnisses Resultat: Handlungsziel erreicht = Intentionsdesaktivierung Motivation - postaktional Bewertung des Handlungsergebnisses SS 2006 15 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Handlungsziel erreicht? o Ja = Intentionsdesaktivierung o Nein = Kausalattribuierung (Warum?) Entscheidung: Intention weiterverfolgen oder revidieren? Bei Misserfolgen o oft Perseveration o Beeinträchtigung nachfolgender Handlungen (degenerierte Intention) Das Rubikon-Modell Prozessmodell, das verschiedene Phasen oder Stadien unterscheidet Klassiker in der deutschen Motivationsforschung Wurde als Basis für Modelle verwendet, die speziell im Sport entwickelt wurden Stadienmodelle im Sport Transtheoretisches Modell nach Prochaska und DiClemente (1992) Berliner Sportstadien-Modell nach Fuchs (2001) ⇒ Bezug zu motivationalen und volitionalen Steuerungsgrößen ⇒ Speziell im Anwendungsfeld Sport entwickelt Fuchs, R. (2003). Sport, Gesundheit und Public Health. Göttingen: Hogrefe LERNEN Definition Alltagssprachlich: Lernen = bewusster Erwerb von Wissen, Kenntnissen, Fähigkeiten etc. unter mehr oder minder großer Anstrengung Beispiel: Lernen von Lesen, Rechnen, Schreiben, Rolle vorwärts etc. im Schulunterricht psychologischer Lernbegriff „Mit Lernen wird ein Vorgang bezeichnet, der aufgrund der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen zu relativ stabilen Änderungen im Verhaltenspotential einer Person führt“ Singer und Munzert, 2000, S. 247 ⇒ Lernen schließt aus: Änderungen durch Wachstum oder Reifung (z.B. Laufen lernen) bzw. biologische Anpassungsprozesse Kurzfristige, reversible Änderungen durch Ermüdung, Drogenkonsum, Krankheit etc. Definition – Abgrenzung Etwa 100 Jahre moderne psychologische Lernforschung in drei großen Richtungen Verhaltenstheoretisch (Behaviorismus) Kognitiv Handlungstheoretisch SS 2006 16 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Lerntheorien - Überblick ⇒ Experimentelle Verfahren, v.a. mit Tieren ⇒ „Lernen“ anstelle von „Denken“ ⇒ Stimulus-Response-Mechanismen (S-RInformation) Behavioristische Lerntheorien Zwei bedeutende Lernprinzipien Klassisches Konditionieren: • Iwan Pawlow • John Watson und Rosalie Rayner Instrumentelles Konditionieren / Operantes Konditionieren • Edward Thorndike • Burrhus Frederik Skinner Klassisches Konditionieren Grundidee (Pawlow 1849-1936) Reiz (UCS) ⇒ Reaktion (UCR) Fleisch ⇒ Speichelfluss Reiz („neutral“) ⇒ keine Reaktion Ton ⇒ kein Speichel Gekoppelte Darbietung von „neutral“ und UCS: CS (vorher „neutral“) ⇒ CR Ton ⇒ Speichelfluss Prinzip Eine Reaktion kann durch einen vormals neutralen Stimulus ausgelöst werden, wenn dieser Stimulus zusammen mit dem „eigentlichen“ Stimulus dargeboten wird. Wichtig: o Zeitliche Nähe der beiden Stimuli o Häufigkeit der gekoppelten Darbietung o Wirkung des so konditionierten Stimulus lässt nach, wenn der Stimulus wiederholt allein dargeboten wird Beispiele „Der kleine Albert“ (Watson & Rayner, 1920) ⇒ Klassische Konditionierung „Der kleine Peter“ (Jones, 1924) ⇒ Gegenkonditionierung Erste Konditionierungsversuche bei Menschen (Konditionierung von Angst) – heute nicht unumstritten! Instrumentelles Konditionieren Welchen Effekt hat die Konsequenz eines Verhaltens auf genau dieses Verhalten? Law of effect (nach Thorndike): Ein Verhalten, das eine angenehme Konsequenz hat, wird wiederholt (und umgekehrt) Bsp: Katze im Käfig SS 2006 17 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Prinzip Verhaltensweisen oder Reaktionen, die bestimmte Folgen haben, dienen als Mittel oder Instrument, die Wiederholung dieses Verhaltens zu verstärken oder zu entmutigen (= Instrumentelles Lernen). Wichtig: o Instrumentelles Verhalten (IV) wird durch Konsequenz geformt (K) o Vorausgehende Stimuli gelten als Hinweisreize (SD) SD – IV K Operantes Konditionieren - Weiterentwicklung (Skinner) Begriff des „operanten“ Konditionierens: Von Bedeutung sind allein unmittelbar beobachtbare Reize, Reaktionen und die Auswirkungen von Verstärkern o Kontingenz = Beziehung zwischen Verhalten und Konsequenz (wie wahrscheinlich tritt dieselbe Konsequenz bei einem Verhalten auf) o Differenzierte Betrachtung von Konsequenzen Operantes Konditionieren – verschiedene Konsequenzen Operantes Konditionieren - Verstärker Formen von Verstärkern: o Primäre Verstärker: Konsequenzen, die angeborene Bedürfnisse befriedigen z.B. Zärtlichkeiten, Nahrung o Sekundäre Verstärker: urspr. neutrale Konsequenzen, die durch Koppelung mit primären V. verstärkende Wirkung erhalten z.B. Geld Arten von Verstärkern: o materiell, sozial, Aktivität, informativ Operantes Konditionieren – Anwendung von Verstärkern Verstärkung unmittelbar nach dem Verhalten erzielt die beste Wirkung Zwei Grundmuster: � Kontinuierliche Verstärkung (immer) � Intermittierende Verstärkung (gelegentlich) SS 2006 18 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth ⇒ Wirkung unterschiedlich Kognitive Lerntheorien Abwendung von mechanischen S-R-Verbindungen wichtig sind kognitive Komponenten, z.B. Wahrnehmungen Erwartungen Präferenzen Mehrere Theorien und Ansätze Lernen durch Einsicht: Wolfgang Köhler Sozial-kognitve Theorie: Lernen am Modell - Albert Bandura Lernen am Modell Lernen am Modell- Albert Bandura Beobachtungslernen, Imitationslernen, stellvertretendes Lernen Sozial – kognitiver Ansatz: Die Wahrnehmung eines Modells „beeinflusst“ einen Beobachter Prinzipien des Modelllernens: Es können komplexe Verhaltensweisen gelernt werden, nicht nur einzelne Reaktionen Modelle können real beobachtet werden (konkrete Personen), aber auch symbolisch (z.B. im Film oder in Büchern) Man muss unterscheiden zwischen Aneignung neuer Verhaltensmuster und der Ausführung Drei Effekte: Der Beobachter erwirbt neue Verhaltensweisen (neue Reaktionen bzw. Neukombination bekannter Reaktionen) Bereits erlernte Verhaltensweisen werden verstärkt oder gehemmt (je nachdem, welche Konsequenzen das Modell erfährt) Bereits gelerntes Verhalten wird ausgelöst Interaktion von vier Subsystemen: Aufmerksamkeit Gedächtnis Motorische Reproduktion Verstärkung und Motivation Lernen am Modell – am wirksamsten, wenn... das Modell dem Beobachter ähnlich ist (Geschlecht, Alter, Herkunft) und emotional positiv verbunden das Modell Prestige, Macht und Intelligenz verkörpert klare, gut erkennbare und nicht zu komplexe Verhaltensmuster ausreichend lange präsentiert werden SS 2006 19 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth der Beobachter die notwendigen kognitiven Voraussetzungen mitbringt Lernen am Modell – reale vs. Symbolische Modelle Vorteile: Real: spontan, flexibel einsetzbar, „echt“ Real: kann auch unerwünschtes Verhalten zeigen (z.B. Angst) Symbolisch: genau „präparierbar“, beliebig oft wiederholbar Nachteile: Symbolisch: kann „künstlich“ wirken Lernen von Bewegung - Ausblick Bewegungslernen ist intentional und als Lernen von Bewegungshandeln zu verstehen Ansätze der klassischen Lerntheorien (z.B. S-R-Schemata) greifen zu kurz Basis: Handlungstheoretischer Ansatz Integriert die kognitivistischen und mechanistischen Ansätze Lernen = richtiges Verhältnis zwischen Einsicht, Denken, Wahrnehmen etc. motorischer Reproduktion KOGNITION Kognition - Definition Lat. „cognoscere“: erkennen, kennen lernen „Kognition ist ein Sammelbegriff für alle Prozesse des Wahrnehmens, Denkens, des Erkennens, des Sich-Vorstellens, des Sich-Erinnerns und des Sprechens.“ Gabler, H. (2000), S. 166 Kognitive Teilkomponenten Info-Aufnahme Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Konzentration Info-Verarbeitung Denken, Problemlösen, Entscheiden Info-Speicherung: Gedächtnis, mentale Vorstellungen Wahrnehmung (Perzeption) „Vorgang und Ergebnis der Reizverarbeitung. Das Ergebnis ist ein Abbild objektivrealer Umwelt und der eigenen Person (Innenwelt)“ Dorsch Psychologisches Wörterbuch (1987), s.v. Wahrnehmung 3 Aspekte der Wahrnehmung physikalische Perspektive psychologische Perspektive physiologische Perspektive o visuell, akustisch, olfaktorisch, taktil, kinästhetisch, SS 2006 20 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Wahrnehmung aus psychologischer Sicht Verarbeitung der Info zu bewussten Wahrnehmungserlebnissen Interpretation (nicht nur bloße „Abbildung“) Aufnahme von Info über Sinnesorgane Selektion o Ergänzen fehlender Info o Weglassen überflüssiger Info o Raum-zeitliche Ganzheit Gestaltpsychologischer Ansatz „Das Ganze ist mehr als die Summe ihrer Teile“ Wahrnehmung einzelner Teile wird zu einer Gestalt zusammengefügt Dies geschieht nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten Einige Gesetze sind von zentraler Bedeutung Gesetz der Nähe Elemente, die nah beieinander sind, werden zu Einheiten organisiert Gesetz der Ähnlichkeit Einander ähnliche Elemente erscheinen zusammengehörig Gesetz der Geschlossenheit Nicht vorhandene Teile werden auf Basis des Erfahrungswissens ergänzt SS 2006 21 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Gesetz der guten Gestalt Ergebnis der Wahrnehmung ergibt eine möglichst einfache, einprägsame, deutliche und regelhafte Gestalt Interpretation Wahrnehmung ist Ergebnis einer Schlussfolgerung Aktiv Abhängig von realen Infos Abhängig von subjektiven Einflüssen Aufmerksamkeit und Konzentration Aufmerksamkeit: Bündelung der Wahrnehmung Ausrichtung auf ein Objekt Konzentration Gesteigerte Aufmerksamkeit Fokussierung auf engen Ausschnitt (oft bewusst) Weitere Aspekte der Aufmerksamkeit Umschalten Impulsivität vs. Reflexivität Willkürlich vs. unwillkürlich SS 2006 22 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Dauer der Aufmerksamkeit Vigilanz (Daueraufmerksamkeit) internal vs. external Breites vs. enges Wahrnehmungsfeld Was fördert Aufmerksamkeit? Intern (z.B.) Attraktivität der Aufgabe Optimale Aktivierung Sportartspezif. Konzentrationsfähigkeit Extern (z.B.) Optimale Umwelt Sportartspez. günstige Konzentrationsanforderungen Was erschwert Aufmerksamkeit? Intern (z.B.) Aufgabenirrelevante Kognitionen Stress Schlechte konditionelle Voraussetzungen Extern (z.B.) Ungünstige Umwelt Sportartspez. ungünstige Konzentrationsanforderungen Gedächtnis „...Fähigkeit..., Informationen aus früher verlaufenen Lernprozessen aufzubewahren und auf spezifische Reize hin...wiederzugeben. Gabler, H. (2000), S. 187 SS 2006 23 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Drei-Speicher-Modell � Ultrakurzzeitspeicher 0.2 bis 0.25 sek. Behaltensdauer Kapazität unbegrenzt � Kurzzeitspeicher Ca. 1 min. Speicherungsdauer Kapazität sehr begrenzt � Langzeitspeicher z.T. lebenslang Relativ unbegrenzt Gedächtnissysteme Deklarativ „knowing that“ (Faktenwissen) Bewusstes Erinnern und Wiedererkennen von Tatsachen, Objekten etc. „knowing how“ Implizites Behalten von z.B. Bewegungsabläufen Non-deklarativ (prozedural) Vorstellungen Kognitive Inhalte ohne direkte Wahrnehmungsprozesse o Erinnerungsvorstellungen o Phantasievorstellungen Wichtig im Sport:Bewegungsvorstellung Basis für mentales (psychomotorisches) Training Antizipation „Unter Antizipation im Sport wird in erster Linie die vorstellungsmäßige Vorwegnahme fremder Bewegungen verstanden, die beim Bewegungsentwurf der folgenden eigenen Bewegung berücksichtigt wird“ Gabler, H. (2000), S. 189 Antizipation – Befunde im Sport Alters-/Geschlechtsunabhängig Hängt vom Könnensniveau ab Kann z.T. von einer Sportart auf eine ähnliche Sportart übertragen werden Basis für Finten (= wecken „falscher“ Antizipation beim Gegner) Denken „...Prozeß des „inneren Handelns“..., bei dem Wahrnehmungsinhalte und Vorstellungsinhalte miteinander in Beziehung gebracht werden, wobei Begriffe und Worte...eine wichtige Funktion haben“ Gabler, H. (2000), S. 190 Verarbeitet Information Schafft Ordnung SS 2006 24 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Hilft bei der Interpretation Führt zu Annahmen und Schlussfolgerungen Dient dem Problemlösen Denken hat... Handlungsvorbereitende Handlungsbegleitende Handlungsnachbereitende Funktion Formen des Denkens I Intuitives Denken Hoher Zeitdruck (z.B. im Tennis) Unmittelbare Erfassung des Situation Ergebnis: eng umschriebene Handlungseinheit (z.B. Torwurf) Formen des Denkens II Operatives Denken Wenig bis mittlerer Zeitdruck Handlungsketten (z.B. Ballwechsel im Tennis) oder Zielorientierte Einzelhandlungen (z.B. Elfemetervorbereitung) Formen des Denkens III Strategisches Denken Ohne Zeitdruck Situationsübergreifendes Gesamtkonzept Entwurf von Handlungsplänen (z.B. Strategie bei einer Etappe der Tour de France) Taktik und Intelligenz Intelligenz = allg. Befähigung zu Leistungen auf der Basis von Denkvorgängen Taktik = sportartspezifische Intelligenz = Zusammenspiel von intuitivem, operativem und strategischem Denken Intelligenz im Sport Sportartspezifische Intelligenz ≠ Allgemeine Intelligenz ...oder doch? EMOTION UND LEISTUNG Was sind Emotionen? Lat. „emovere“: eigtl. „hinausschaffen, etw. entfernen“; „mens emota“: „verrückt“ SS 2006 25 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Allg. Definitionsansatz „Emotionen sind gefühlsbetonte Grundformen des Denkens und Erlebens, die man man bei höheren Tieren und Menschen findet.“ http://www.net-lexikon.de/Emotion.html Dimensionen von Emotionen Idee: alle Emotionen können in wenige Kategorien gefasst werden Erfassung z.B. mittels Gesichter- Analysen Zwei Grunddimensionen (Russell, 1980): Valenz (angenehm/unangenehm) Aktivierung (schläfrig/angespannt) Diskrete Emotionen Idee: Emotionen sind so abgegrenzt voneinander, dass sie nur „einzeln“ (diskret) abgebildet werden können Erfassung: Gesichter einschätzen Definition von Basisemotionen (z.B. Ekman): Ärger, Ekel/Verachtung, Angst, Freude, Interesse, Traurigkeit, Überraschung Basisemotionen werden als angeboren betrachtet Komponenten von Emotionen Idee: „Emotion“ besteht aus mehreren Elementen Physiologische Veränderungen, z.B. Puls, Blutdruck, Hautleitfähigkeit Handlungstendenzen, z.B. Flucht, Bewegungslosigkeit, Angriff Subjektives Erleben, z.B. „ängstlich“, „besorgt“, „ärgerlich“ Konsequenz: kann als Grundlage einer Definition gelten Emotion - Arbeitsdefinition Deci (1980): „Eine Emotion ist eine Reaktion auf ein Ereignis (real oder in der Vorstellung). Sie geht einher mit einer Veränderung in der glatten und gestreiften Muskulatur, wird subjektiv in charakteristischer Weise erlebt, findet ihren Ausdruck z.B. in Änderungen des Gesichtsausdruckes oder der Handlungstendenzen und kann nachfolgendes Verhalten steuern und initiieren.“ SS 2006 26 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth SS 2006 27 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Emotionen im Sport Sportliches Handeln wirkt auf Emotionen o Veränderung der Befindlichkeit Emotionen wirken auf sportliches Handeln o Hemmend, behindernd o Fördernd, unterstützend Befindlichkeit ungerichteter emotionaler Zustand Unterscheidung in o aktuelle Befindlichkeit o habituelle Befindlichkeit Befindlichkeit und Sport Wie verändert sich die aktuelle Befindlichkeit durch Bewegung und Sport? SS 2006 28 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth SS 2006 29 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Äquilibrationseffekte Bei Fitness-, Ausdauersportarten Bei „Rhythmisierung“ Mittlere subjektive Anstrengung Deutlicher bei schlechterer Ausgangsstimmung Keine Geschlechtsunterschiede Disäquilibrationseffekte Bei Wettkämpfen Genereller Spannungsbogen (Erregtheit und Aktiviertheit) unabhängig vom Erfolg Abhängig von Erfolg: Ärger, Deprimiertheit, gute Laune Bei Natursportarten auch mit Äquilibrationseffekten Emotionen vor dem Wettkampf Emotionaler Vorstartzustand kann sein: Ängstlich Nervös Zuversichtlich Schläfrig, lethargisch... Annahme: jede Person besitzt „optimalen“ Vorstartzustand Das IZOF-Modell (Hanin, 2000) Individual Zones of Optimal Functioning SS 2006 30 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Anliegen: optimalen emotionalen Vorstartzustand ermitteln bzw. beeinflussen Emotionale Erfahrungen sind individuell Zone = gewisse Variabilität des emotionalen Empfindens Emotionen = positiv (P)/negativ (N) und funktional (+)/dysfunktional (-) Emotionen wirken auf Leistung o Energetisierend o Organisierend IZOF: Methodik Fragebogen mit Emotionsliste Aktuelle Befragung bei Wettkampf o Vorher: Individuelle Auswahl relevanter Emotionen o Nachher: Ermittlung der WK-Leistung Wiederholte Befragung Erstellen der „Optimal Zone“ Differenzierung „guter“/“schlechter“ WK Vorteile des IZOF-Modells Berücksichtigung individueller Emotionsmuster Prognose von WK-Leistungen (In- vs. out-of-zone-Prinzip) Ansatz für psychologisches Training zur Optimierung des Vorstartzustandes SS 2006 31 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Nachteile des IZOF-Modells Ermittlung der optimalen Zone verlangt mehrere Messzeitpunkte (ideal: vor jedem einzelnen WK über eine Saison) Individuelle Auswahl der Emotionen ist zeitaufwendig Generalisierung der Ergebnisse nicht immer möglich Weiterentwicklung des IZOF-Ansatzes Vereinfachung der Auswahl durch Vorgabe von Antwortformat Erweiterung der Fragestellung: Guter WK = Optimal Zone Schlechter WK = dysfunctional zone WK mit Verletzung = ??? ⇒ Liefert der emotionale Zustand vor dem Start einen Hinweis auf mögliche Verletzungsrisiken? BEANSPRUCHUNG UND BEANSPRUCHUNGSFOLGEN Belastung und Beanspruchung = psychophysische Gleichgewichtsstörung (Über-/Unterforderung) Belastung = objektive, von außen einwirkende Größen Beanspruchung = subjektive Folgen dieser Belastung SS 2006 32 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Definition von Beanspruchung Psychische Beanspruchung = Individuelle, Zeitlich unmittelbare und Nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung im Menschen, in Abhängigkeit von Individuellen Voraussetzungen und Seinem Zustand Psychische Beanspruchung Was ist Stress? „...a substantial imbalance between demand [physical and/or psychological] and response capability, under conditions where failure to meet that demand has important consequences“ McGrath, 1970, p. 20 Wie entsteht Stress? Anforderung aus der Umwelt Physisch – z.B. Demonstration einer neu erlernten Bewegung vor dem ganzen Kurs Psychisch – z.B. Druck der Eltern: „Du musst gewinnen“ Wahrnehmen der Anforderung Individuell unterschiedlich! Wichtig: Bewertung der Anforderung o Herausforderung o Bedrohung Bewertung hängt u.a. ab o von der Dispositionsangst o Von der Einschätzung eigener Fähigkeiten SS 2006 33 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Stress-Antwort Physiologische und psychologische Reaktionen auf Anforderung o Physiologische Aktivierung o Zustandsangst o Veränderungen kognitiver und motivationaler Komponenten Abhängig von Bewertung! Verhaltenskonsequenzen Wie wird Aufgabe gelöst? Mit welchen Strategien? o Herausforderung annehmen o Fliehen o ... Bewertung des Ergebnisses Was löst Stress aus? Stressoren = Stressauslösende Faktoren Grundsätzlich gibt es unzählige Stressoren (individuelle Bewertung!) Kategorisierung in o Situative Quellen o Personimmanente Quellen Situative Stressoren Wichtigkeit des Ereignisses o Je wichtiger, desto mehr Stresspotential o Wieder wichtig: subjektive Bewertung! Unsicherheit o Je unsicher der Ausgang, desto mehr Stresspotential o Auch Unsicherheit außerhalb des Sportereignisses hat Einfluss (z.B. privat) SS 2006 34 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Personimmanente Stressoren Trait anxiety (dispositionelle Angst) Self esteem (Selbstwert) o Niedrig: meist auch wenig zuversichtlich o Niedrig: erleben mehr Zustandsangst Social physique anxiety Angst, wenn man von anderen beobachtet wird (v.a. der eigene Körper) ⇒ Selbstvertrauen stärken reduziert Stress!! Coping = Stressbewältigung z.B. z.B. z.B. z.B. z.B. Suche nach sozialer Unterstützung Resignation Suche nach Informationen Selbstmotivation Konzentrationstechniken Formen des Coping I (nach Lazarus) Problemorientiertes Coping Planvolle Aktionen Ziel: Veränderung der Person-Umwelt-Beziehung Beispiel: o Suche nach Informationen o Suche nach instrumenteller Unterstützung Emotionszentriertes Coping Verändert „das, was im Kopf ist“ Ziel: Veränderung der � Aufmerksamkeit, z.B. Vermeiden Bedeutung der Beziehung, z.B. Bagatellisieren SS 2006 35 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Adäquates Coping... Ist situationsangepasst Hängt ab von individuellen Kompetenzen Hängt ab von der Kontrollierbarkeit der Situation: o Problemorientiert = subjektiv kontrollierbar o Emotionszentriert = nicht kontrollierbar Psychische Ermüdung Beeinträchtigung bestimmter Verhaltensbereiche durch lange, anstrengende geistige Tätigkeit, z.B. o Wahrnehmung o Koordination o Aufmerksamkeit/Konzentration Kurzfristig: Kann durch Erholung (Schlaf) vollständig beseitigt werden Monotonie Gefühl der Unterforderung Entsteht, wenn Trainingsgestaltung immer gleich (monoton) Aktivierung ist erniedrigt Verbesserung durch Änderung der Trainingsinhalte Sättigung Entsteht durch erfolgreiches Handeln über längeren Zeitraum Aufgabe wird als nicht mehr herausfordernd erlebt – Sinnlosigkeit Aktivierung erniedrigt Verbesserung durch Änderung der Trainingsinhalte bzw. der Zielsetzung! SS 2006 36 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Stress...und kein Ende! Stress und Burnout Optimaler Leistungsbereich: Restitution kann in Pausen bzw. während der Belastung (Ausdauer!) erfolgen Je höher die Beanspruchung, desto höher die Erholungsanforderung! Max. Beanspruchung und mangelnde Erholung = Burnout droht! Burnout = Reaktion auf Dauerstress Burnout - Charakteristika Emotionale Erschöpfung Depersonalisation Fehlen persönl. Verwirklichung Leistungseinbussen Sozialer und beruflicher Rückzug Oft schleichend V.a. in sozialen Berufen (Lehrer, Trainer) Burnout bei SportlerInnen Leistung wird inkonsistent/sinkt Dropoutwahrscheinlichkeit steigt Einflussfaktoren, u.a.: o Übertraining o Monotonie o Mangelnde Erholung! SS 2006 37 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Intervention bei Burnout Prävention (Dauerstress meiden), z.B. o Genügend Erholung o Soziales Netzwerk (Unterstützung) Je später die Intervention, desto langwieriger die Wiederherstellung Im Extremfall: vollkommene Sport-Abstinenz (über Monate; evtl. lebenslang) ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE Definition - Begriffserklärung Entwicklung... Ist Gegenstand zahlreicher psychologischer Modelle Kann nicht in eine einheitliche, allgemeingültige Definition gefasst werden Entwicklung = Veränderungen und Stabilitäten im Lebenslauf ist ein Prozess intraindividueller, nachhaltiger Veränderung über die Zeit, ist lebenslang (Entwicklung über die Lebensspanne), bedeutet nicht nur intraindividuelle, sondern auch interindividuelle Variation beinhaltet nicht nur Veränderung, sondern auch relative Konstanz, also Stabilität. „Zusammenfassend lässt sich Entwicklung bezeichnen als ein Prozess von nachhaltigen, intraindividuellen Veränderungen und Stabilitäten während des gesamten Lebenslaufs eines Individuums.“ Alfermann & Stoll, 2004 Entwicklung „...ist eine Reihe von miteinander zusammenhängenden Veränderungen, die bestimmten Orten des zeitlichen Kontinuums eines individuellen Lebenslaufes zuzuordnen sind.“ Thomae, 1959 SS 2006 38 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Worauf beruht Entwicklung? Entwicklung beruht auf: Wachstum und Reifung (biologisch fundiert) Lern-, Übungs-, Trainingsgelegenheiten Sozialisationseinflüsse Aufgaben der Entwicklungspsychologie (1) Orientierung über den Lebenslauf Was ist in welchem Altersabschnitt zu erwarten (z.B. von Säugling, Erwachsenem, Greis)? Welche Altersgrenzen sind angemessen (z.B. für Volljährigkeit, Strafmündigkeit)? Welche Anforderungen sind angemessen? In welchen Abschnitten ist mit typischen Krisen zu rechnen (z.B. Pubertät)? (2) Prognose der Entwicklung Lassen sich langfristige Prognosen bestimmter Entwicklungsverläufe abgeben (z.B. Schulerfolg, sportliche Karriere, pathologische Störungen)? Nicht alle Einflussfaktoren bekannt oder vorhersehbar hohes Irrtumsrisiko, da Entwicklung „plastisch“ ist und damit beeinflussbar und gestaltbar (3) Ermittlung von Entwicklungsbedingungen Beobachtung kurzfristiger und langfristiger Wirkungen von Einflussfaktoren (z.B. Spätfolgen von Kindheitserlebnissen) Kommt der Einfluss zur rechten Zeit? o Rechtzeitig ⇒ förderlich o Zu früh ⇒ Fehlentwicklung o Zu spät ⇒ unwirksam (4) Begründung von Entwicklungszielen Entwicklungsziele können aus Erkenntnissen über die Wirkung der Einflussfaktoren abgeleitet werden z.B. wenn Bewegung im Kindesalter förderlich für pos. Selbstkonzept, und dadurch mehr Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit ⇒ Ziel: Bewegungsförderung in Schule (5) Interventionsplanung Interventionsplanung basiert auf Wissen über a. Optimalen Interventionszeitpunkt b. Optimale Interventionsform SS 2006 39 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth z.B. Interventionsprogramm zur Verbesserung des Selbstkonzeptes Psychologische Theorien Wodurch kommen die Veränderungen zustande? „inneres Programm“, das sich von selbst entfaltet Gestaltung durch die Aktivität der Person allein Externe Reize kontrollieren das Verhalten Interaktion von Person und Umwelt Interaktionistisches Konzept von Entwicklung Mensch und Umwelt spielen eine gestaltende Rolle in der Entwicklung Mensch und Umwelt beeinflussen sich gegenseitig (Interaktion) Mensch und Umwelt bilden ein Gesamtsystem Aktivitäten und Veränderungen beider Teile des Systems sind miteinander verschränkt Mensch ist Gestalter und Produkt seiner Umwelt Veränderungen - Klassifizierung Quantitativ oder qualitativ Quantitativ: z.B. Wortschatz bei Kindern Qualitativ: Ausprägung koordinativer Fähigkeiten Kontinuität Kontinuierlich vs. Diskontinuierlich Kontinuität kann auch Stabilität bedeuten Abfolge verschiedener Verhaltensformen z.B. Krabbeln, Aufsitzen, Stehen, Laufen regelhaft! = Sukzessive Konstruktion Veränderungen innerhalb einer Variablen z.B. Veränderungen im Interessenbereich meist nicht regelhaft Intra – vs. Interindividuelle Unterschiede Intraindividuell o innerhalb einer Person o Längsschnittstudien Interindividuell o zwischen Personen o Querschnittsstudien Absolute Stabilität o Stillstand bzgl. der Entwicklung eines Merkmales o Für einzelne Individuen oder Durchschnitt einer Population Normative Stabilität o Position der Individuen in der Verteilung eines Merkmales in der Alterskohorte SS 2006 40 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth o z.B. Weltranglistenposition Faktoren der Verhaltensentwicklung Allgemeine genetische Determinanten o Allen Menschen gemeinsam o Werden durch Vererbung weitergegeben o z.B. aufrechter Gang Individuelle genetische Determinanten o individuelle Verhaltensmerkmale (Talent!) o Zwillingsstudien Altersbezogene biologische Einflüsse: Reifung o Qualitative Änderung in der biologischen Ausstattung o Fortschritt in der biologischen Ausstattung � z.B. Pubertät altersbezogene Umwelteinflüsse o Oft diskontinuierliche, sprunghafte Veränderungen o z.B. Schuleintritt Sukzessive Konstruktion o Stufenweiser Aufbau o Vom Individuum selbst (mit)gesteuert Geschichtlich-kulturelle Einflüsse o z.B. neues Bild vom älteren Menschen Erziehungseinflüsse o z.B. elterliche Anregung zur Bewegung Entwicklungsaufgaben o z.B. Gründung einer Familie Kritische Lebensereignisse o z.B. sportliches Karriereende Akzidentielle Einflüsse o Nicht kalkulierbar, zufällig o z.B. Unfälle, Erkrankungen Psychologie der Lebensspanne (nach Baltes, 1990; s. auch Willimczik & Conzelmann, 1999) Kernannahmen I Entwicklung ist lebenslang Entwicklung ist Wachstum/Gewinn und zugleich Abbau/Verlust Neue Funktionen ersetzen alte o Alternativen werden zugunsten einer „Spezialisierung“ vernachlässigt o Selbst im Alter gibt es noch Wachstum (z.B. Expertenwissen, Weisheit, soziale Intelligenz) Kernannahmen II (nach Baltes, 1990) Auf verschiedenen Dimensionen eines Funktionsbereiches können unterschiedliche Entwicklungsverläufe ablaufen (z.B. fluide vs. kristallisierte Intelligenz) (Multidirektionalität) SS 2006 41 Grundlagen der Sportpsychologie Entwicklung unterliegt hoher Veränderbarkeit innerhalb einer Person (intraindividuelle Plastizität) Kernannahmen III Sabine Würth (nach Baltes, 1990) Entwicklungsförderung unterliegt Grenzen, die mit der „Testing the Limits“Methode untersucht wird (sukzessive Annäherung an die Leistungsgrenze durch Erhöhung der Aufgabenschwierigkeit) Entwicklung ist interindividuell verschieden Ontogenetische Entwicklung variiert in Abhängigkeit historisch-kultureller Bedingungen (Epoche, sozialer Kontext) Epochale Veränderungen - Beispiele Veränderung der räumlichen Umwelt (Einschränkung des Bewegungsraumes) Nahrungsüberfluss führt zu Veränderungen in der körperlichen und motorischen Entwicklung Technische Entwicklung, z.B. Massenmedien, Computer, Internet ⇒ Veränderung des Freizeitverhaltens Funktionsbereiche der menschlichen Entwicklung Kognitive Funktionen Intelligenz o Denken und Problemlösen o Wahrnehmung o Gedächtnis Sprache Motivation und Interessen Werthaltungen und moralische Entwicklung Soziale Kognitionen und soziales Handeln Emotionen Motorik Persönlichkeit und Identität SS 2006 42 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Motorische Entwicklung: Definition „Motorische Entwicklung bedeutet intraindividuelle Veränderung und Stabilität im motorischen Repertoire, bezogen auf die Dimension Lebensalter“ Alfermann & Stoll, 2005, S. 168 Konzeptionen der motorischen Entwicklung: USA (Haywood, 1993) 1920: Verhaltenstheorien (Behaviorismus) o 1930: Reifung, biogenetisch o o Kognitive Einflussvariablen auf motorische Entwicklung Aktive Rolle des Individuums (Informationsverarbeitung)! 1960: deskriptiv-biomechanisch o o Entwicklung ist geregelte Abfolge von aufeinander aufbauenden Veränderungen Altersbezogene Betrachtung Erstellung motorischer Entwicklungstests Altersnormen (Hinweise auf Entw.verzögerungen) 1950: konstruktivistisch (Piaget) o o Ontogenese wiederholt Phylogenese Entwicklung intern/genetisch determiniert 1940/50: normativ / beschreibend o o o o Umweltreize bestimmen Entwicklung Funktionale Prinzipien von Bewegung Führen zu effizienterer Bewegungsausführung 1970: soziales Lernen (Bandura) o o Bedeutung der Sozialisation (soziale Modelle) Entwicklung wird durch Beobachtungslernen gefördert! In jüngerer Zeit neuere Ansätze motorischer Entwicklung in USA und Deutschland: Ökologische Perspektive (USA) Entwicklungspsychologie der Lebensspanne (D, USA) Willimczik, K. & Conzelmann, A. (1999). Motorische Entwicklung in der Lebensspanne. Kernannahmen und Leitorientierungen. psychologie und sport, 6, 60-70. SS 2006 43 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Kontextualismus Unterschiedliche Einflusssysteme: Endogen und exogen Altersbezogen Geschichtlich Nicht normativ Und: Die Fähigkeit des Individuums, seine Entwicklung selbst zu gestalten (Baltes, 1990) Selektive Optimierung durch Kompensation (SOK) (nicht genannt bei Willimczik & Conzelmann) Das SOK-Modell im Sport Selektion o Auswahl bestimmter Verhaltensbereiche o Bsp.: nur noch Kraulschwimmen Optimierung o Verhaltensbereich wird optimal ausgebildet o Bsp.: Trainieren der Kraul-Technik Kompensation o defizitäre Bereiche werden kompensiert o Bsp.: Einsatz von Flossen etc. Altersbezogene Einflüsse o Endogen (biologisch vorgegeben) Wachstumsprozesse Funktionsreifung o Exogen Physikalische Umwelt (z.B. Sportstätten) Soziale Umwelt (z.B. Rollenerwartungen) Geschichtliche Einflüsse Veränderungen von Kultur und Gesellschaft o Früher: Agrargesellschaft o Heute: Kommunikationsgesellschaft z.B. Umwelt heute o Weniger Bewegungsanreize o Nahrungsüberfluss Einflüsse sind Direkt, z.B. o o Indirekt, o Wachstum, Reifung Training, körperliche Belastung z.B. Motive, Interessen, Freunde SS 2006 44 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth o Häusliche Umwelt, Wohnumgebung Beabsichtigt, z.B. o Erziehung, Training Unbeabsichtigt, z.B. Urbanisierung Beispiel: geschlechtstypische motorische Entwicklung Endogene Faktoren o Anatomisch, hormonell o Wachstum (Länge, Muskulatur) Eigene Konstruktionsfähigkeit o Was ist für mein Geschlecht angemessen? o Wie wichtig ist der Faktor „Geschlecht“ für mich? Exogene Faktoren o Soziale Modelle o Spielzeug, Sportgeräte Epochale Faktoren o Wandel der Geschlechterrolle Multidirektionalität Einzelne motorische Merkmale entwickeln sich unterschiedlich o z.B. im Grad der Zunahme/Abnahme Können sogar gegenläufig sein o z.B. Kraft und Beweglichkeit Plastizität Intraindividuelle Variabilität der (motorischen) Verhaltensmöglichkeiten o Durch Umwelt und Selbststeuerung beeinflussbar o Anpassungspotenzial an die Umwelt o Bis ins hohe Alter möglich o Trainierbar o Impliziert Lernfähigkeit (abh. von Vorerfahrungen des Individuums) Bsp.: konditionelle Fähigkeiten von Senioren (Conzelmann, 2001) Entwicklung der Leistungsmotivation Voraussetzung: sich als Verursacher von Handlungen zu erleben (ab Ende des 1. Lj. möglich) Ab ca. 4. Lj. (3,5 Jahre) Freude und Stolz über Erfolge und Enttäuschung über Misserfolge Globales Tüchtigkeitskonzept (keine Unterscheidung von Fähigkeit und Anstrengung); Keine Einbeziehung der Aufgabenschwierigkeit Verstehen von „Wettbewerb“ Ab ca. 7 Jahren: Aufgabenschwierigkeit und Tüchtigkeit werden einbezogen SS 2006 45 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Attributionsmuster: Ab ca. 12 Jahren: Kompensatorische Verwendung von Anstrengung und Fähigkeit o Lösung einer Aufgabe basiert auf beidem o Mangel an einem (z.B. Fähigkeit) kann durch das andere (mehr Anstrengung) ausgeglichen werden o Zufallsattributionen sind möglich (z.B. bei Glücksspiel) Entscheidend für weitere Entwicklung: o angemessene Selbstzuschreibung von o Fähigkeit (s. VL zu Motivation) Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Leistungsmotivation Kulturelle Normen o Was ist „Leistung“? Welche Bedeutung hat motorische oder physische Leistung? o Bsp.: Bedeutung physischer Leistung in unserer Arbeitswelt sinkt Elterliche Einflüsse o Kindgemäße Selbstständigkeitserziehung o Zeit, Interesse, Wärme o Klare Strukturen (Regeln, Erwartungen) Schule und Lehrpersonen o Bezugsnormen der Lehrpersonen o Bsp.: Betonung der Aufgabenorientierung fördert positives Selbstkonzept und Entwicklung des Erfolgsmotivs Schulklasse und Gleichaltrige (Peers) o Mit zunehmendem Alter wichtiger o Förderlich: positives soziales Klima, in dem schulorientierte Normen und Leistungsnormen vertreten werden (letzteres ist abhängig von Schulform!) MANNSCHAFTEN UND SPORTGRUPPEN Was ist eine Gruppe? Mehr als die Summe ihrer Teile Besitzen eine eigene Qualität Haben eine eigene Dynamik SS 2006 46 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Verhalten von Individuen verändert sich Entscheidungsverhalten ändert sich Gruppendruck führt zu Konformität Merkmale einer Gruppe Mind. 2 Personen Jedes Mitglied ist sich der anderen bewusst Wechselseitige Einflussnahme u. Kommunikation der Mitglieder möglich gemeinsame Ziele u. Aufgaben Wir-Gefühl (Zusammenhalt) Gewisse zeitliche Kontinuität Gruppen im Sport Mannschaften Vereinsgruppen Schulklassen Übungs-, Trainingsgruppen Mannschaften als Gruppen Gemeinsame Identität Gemeinsames Ziel Abhängigkeit der Teammitglieder Interpersonelle Attraktion der Mitglieder Sportartspez. Regeln als Interaktions- und Kommunikationsbasis Soziale Prozesse in Sportgruppen – ein heuristisches Modell SS 2006 47 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Kritische Betrachtung des Modells Vorteile: Übersichtlich und praxisnah An Mannschaften entwickelt, aber übertragbar auf andere Sportgruppen Nachteile: Vereinfachung der Realität Statisches Abbild eines dynamischen Prozesses Input-Output-Beziehung nicht überprüft Gruppenzusammensetzung und Leistung Zusammensetzung beruht auf Kombination ind. Merkmale Quantität (je mehr gute Spieler, desto besser) Variabilität (Homogenität vs. Heterogenität) Komplementarität (z.B. im Tennis-Doppel) Wie wirken diese Variablen auf die Gruppenleistung? Gruppenzusammensetzung und Leistung - Quantität Fähigkeiten der Einzelmitglieder: Hoher Zusammenhang mit Mannschaftsleistung ⇒ die besten Einzelspieler bilden das beste Team Aber: sportartspezifische Einschränkungen! „ballverliebte Einzelkämpfer“ Antipathien zwischen Gruppenmitgliedern Motivation der Einzelspieler Einzelstudien belegen, dass höhere Leistungsmotivation zu höherer Gruppenleistung führt Nur in BB und FB bei Männern untersucht Hängt ab von Gruppenkohäsion ⇒ Keine generellen Aussagen möglich Gruppenzusammensetzung und Leistung - Variabilität Heterogenität in Geschlecht, Persönlichkeitsvariablen Fähigkeiten, Leistungsmotivation fördert Leistungsfähigkeit von Gruppen Abhängig von Aufgabe! konjunktiv/additiv: eher homogene Gruppen leistungsfähiger Disjunktiv: auch Heterogenität möglich Gruppenkontext - Gruppengröße Gruppengröße hängt zusammen mit Kohäsion Interaktionsdichte Zufriedenheit Gruppenleistung Wann eine Gruppe „groß“ bzw. „zu groß“ ist, hängt vom Kontext ab! SS 2006 48 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Gruppengröße und Leistung Der Ringelmann – Effekt („soziales Faulenzen“ – social loafing) Studie im Tauziehen zur ind. Kraftleistung Ergebnis: je mehr Personen pro Team, desto geringer die individuelle Kraftleistung Ursachen sozialen Faulenzens Fehlerhafte Koordination der Interaktionen zwischen den Gruppenmitgliedern Nachlassende Motivation Aufgrund fehlender Kontingenz zwischen eigenem Einsatz und Gruppenergebnis Individueller Beitrag „geht unter“ Verantwortlichkeitsdiffusion Fehlende individuelle Belohnung Soziales Faulenzen – weitere Effekte Trittbrettfahrer-Effekt auf den individuellen Beitrag an der Gruppenleistung kommt es nicht an „Tarnung“ in der Gruppe ⇒ weniger indiv. Leistung Gimpel-Effekt Gefühl, ausgenutzt zu werden (z.B. weil andere Trittbrett fahren) Motivation sinkt, weil man nicht „für andere mitarbeiten will“ Soziales Faulenzen – was tun? Ind. Leistung erkennbar und bewertbar machen (v.a. in großen Gruppen) Ind. Verantwortlichkeitsgefühl erhöhen (z.B. Bewusstmachen des gemeinsamen Zieles) Persönliche Bedeutsamkeit der Aufgabe erhöhen (z.B. Gemeinsame Belohnung) Aussprache, falls s. F. auftritt! Jedes Teammitglied braucht Gefühl, wichtig zu sein Rollentausch, um gegenseitiges Verständnis zu erhöhen Jede(r) soll sich in individ. Weise und Kreativität einbringen können Übertriebenem indiv. Einsatz vorbeugen (Mannschaftsziel hervorheben) Gruppenaufgabe und Leistung Ob Gruppen oder Individuen produktiver sind, hängt wesentlich von der Aufgabenstruktur ab! Klassifikation von Aufgabentypen und Mannschaftssportarten notwendig (vgl. Alfermann & Strauß, 2001, S. 93) Aufgabentypen Additiv Addition indiv. Beiträge (z.B. Teamwettk. im Reiten) Homogenes Team (hohe Leistungsstärke aller Mitglieder) erhöht Leistung SS 2006 49 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Konjunktiv, nicht unterteilbar Koagierende Gruppe (z.B. Tauziehen) Homogenes Team und Koordination erhöht Leistung Konjunktiv, unterteilbar, interagierend Direkte Interaktion im Team (z.B. Hb, Fb) Gut koordinierte Teaminteraktion erhöht Erfolg Konjunktiv, unterteilbar, proagierendreagierend „Arbeitsteilung“ mit abgrenzbaren Teilaufgaben der Mitglieder (z.B. Football, Baseball) Komplementarität (einzelne Experten) und Teamkoordination erhöht Leistung Kohäsion und Leistung Kohäsion = Gruppenzusammenhalt (lat. „cohaerire“ – zusammenhängen) „dynamischer Prozess, der sich im Bestreben einer Gruppe widerspiegelt, zusammen zu halten und zum Zweck der Erreichung ihrer Ziele und Zwecke vereint zu bleiben“ Formen der Kohäsion Aufgabenbezogen (task cohesion) Sozial (social cohesion) Mit je zwei Facetten: Gruppenintegration (group integration) Anziehung der Mitglieder (attraction to group) Carron, Widmeier & Brawley, 1985 Sozial-motivationales Verhaltensmodell von Kohäsion und Leistung SS 2006 50 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Empirische Ergebnisse Aufgabenbezogene Kohäsion hat deutlicheren Einfluss auf Leistung als sozialbezogene Kohäsion Weitere Determinanten: o Soziale K. in koagierenden Teams (z.B. Rudern) wenig bedeutsam für Leistung – kann sogar negativ sein! o Soziale K. erhöht Leistungsmotivation und Zufriedenheit Leistung wirkt auch auf Kohäsion! Soziale Interaktion und Kommunikation Interaktion: alle Vorgänge zwischen Personen/Gruppen o einseitig o wechselseitig Kommunikation: betont Absicht der Beeinflussung durch Information, z.B. o Machtinteressen o Soziale Interessen o Aufgabenbezogene Interessen Kommunikationsformen Verbal – nonverbal – räumlich Im Sport: häufig nonverbal und räumlich aufgrund o Aufgabe o Instruktion durch „Vormachen“ o Räumlichen Kontext (Lärmpegel!) Kommunikationsformen im Sport Räumlich o Territorialverhalten (Markiergegenstände am Spielfeldrand – z.B. Geißbock des 1. FC Köln) o Distanz/Nähe (Torschützen umarmen) Nonverbal o äußere Erscheinung (Trikotfarbe) o Gestik („Beckerfaust“) o Mimik (Lächeln) o Berührungen (Schulterklopfen) o Haltung („sich hängen lassen“) o Stimmdynamik (laut werden) Interaktionen in Sportgruppen Innerhalb einer Gruppe (einer Mannschaft), um z.B. Kooperation zu verbessern Zwischen Gruppen/Mannschaften (z.B. im Wettkampf) = Assoziation ⇒ Intergruppenbeziehung kann wieder als eine Gruppe betrachtet werden! ⇒ Konsens (WK-Regeln), aber i.d.R. keine Kooperation der Gruppenmitglieder SS 2006 51 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Intergruppenbeziehung Regelwidrige, unfaire Kooperation zweier Mannschaften im WK o FB-WM 1982: Deutschland – Österreich (1:0) o Ergebnis ermöglicht beiden Teams Zwischenrunde Positive Intergruppen-Kooperation o Wenn WK im Hintergrund steht o z.B. im Schulsport: Rücksicht auf schwächeren Partner Formen der Interaktion Aufgabenorientiert o Dient der Umsetzung der Spielidee bzw. der sportlichen Aufgabe o z.B. Pässe spielen im BB Sozialorientiert o z.B. Abspiel häufiger zu einem Freund o v.a., wenn WK-Erfolg weniger wichtig ⇒ Meist miteinander vermischt und schwer voneinander abzugrenzen ZUSCHAUER Der Einfluss von Zuschauern auf sportliche Leistung Zuschauer... laufen aufs Spielfeld... feuern an, pfeifen aus... üben den gleichen Sport aus... sind „bloß anwesend“ Zuschauer im Sport – Formen der Einflussnahme SS 2006 52 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Theoretische Ansätze zur Zuschauerforschung 1898 – 1965: frühe Erklärungsansätze o Triplett, Meumann, Moede, Allport Ab 1965: Triebtheoretische Ansätze o Zajonc, Cottrell et al. Ab 1975: Trieb- und Aufmerksamkeitstheoretische Ansätze o Sanders et al. Ab 1980: Aufmerksamkeitstheorien o Carver & Scheier, Baumeister & Showers ⇒ „social facilitation“-Forschung Frühe Erklärungsansätze Triplett (1898): Pionierstudien Leistung von Radrennfahrer ca. 25% höher, wenn sie gegen andere fahren, als wenn sie allein gegen die Uhr fahren (Archivstudie) Experiment mit Schulkindern Aufgabe: an Handkurbel drehen Allein (1) bzw. in Anwesenheit einer anderen Person, die die gleiche Aufgabe bewältigt (2) Ergebnis: unter (2) verbessern sich einige Kinder deutlich – andere verschlechtern sich aber! Erklärungsansätze von Triplett „dynamogenische“ Erklärung: Energie einer Bewegung ist proportional zu der „Idee“ über diese Bewegung ⇒ Gegenwart des Konkurrenten führt zu einer „Idee“ der Bewegung und fördert Leistung Leistungsverschlechterung aufgrund „Überstimulation“ Weitere frühe Erklärungen Meumann (1904): Ablenkung durch koagierende Zuschauer, aber auch höhere Anstrengungsbereitschaft Moede (1920): Geltungsstreben bei Kindern Allport (1924): soziale Aktivierung Insgesamt keine befriedigende Erklärung für die z.T. widersprüchlichen Befunde SS 2006 53 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Triebtheoretische Erklärung Das Modell von Zajonc Annahme: Zuschauer erhöhen das allgemeine Trieb- und Aktivationsniveau (arousal) einer Person Angeboren – hilft uns, auf (unerwartete) Handlungen anderer zu reagieren Erhöht Auftretenswahrscheinlichkeit dominanter Reaktionen Es genügt die bloße Anwesenheit anderer (mere presence) Durch Tier- und Humanexperimente überprüft Das Modell von Zajonc - Beispiel Varianten des Zajonc-Modells Cottrell et al. (1968): „learned drive hypothesis“ Trieberhöhung ist erlernte Reaktion Zuschauereffekte nur dann, wenn Akteur den Zuschauern ein leistungsbewertendes Potential erwartet Art der Leistungsbewertung (positiv – negativ) nebensächlich Studien zur Art der Leistungsbewertung SS 2006 54 Grundlagen der Sportpsychologie Sabine Würth Aufmerksamkeitstheorien Ausgangspunkt: Triebtheoretische Ansätze liefern inkonsistente Ergebnisse (auch in sportspezifischen Studien) Idee: Zuschauer beeinflussen die optimale Aufmerksamkeitslenkung des Akteurs ⇒ Aufmerksamkeitskonflikt o Distraktion: A. wandert von Aufgabe zu Zuschauer o Selbstaufmerksamkeit: A. wandert von Aufgabe zum eigenen Selbst Ablenkungs-Konflikt-Modell (Sanders et al., 1978) Triebtheoretische Basis: Antriebssteigerung Zuschauer führen zu Informations“überschwemmung“ ⇒ Verlust von A. für Aufgabe Feedback-Loop-Modell (Carver & Scheier, 1981) Selbstaufmerksamkeit ermöglicht Ausgleich zwischen Ist-Soll(Ideal)Diskrepanzen Unter Zeitdruck: Aktivierung der ausgewählten Handlungsalternative behindert „choking und pressure“ (Baumeister et al.) Leistungsverschlechterung unter „Druck“ Unterscheidung nach Schlenker et al. (1995) in „Dunklere“ Form „hellere“ Form „dunkel“ Individuelle Antizipation von Misserfolg + Erfolgserwartung der Zuschauer = Leistungsminderung Optimaler Erfolg dann, wenn Zuschauer und Akteur Erfolg antizipieren „hell“ (Baumeister & Steinhilber, 1984) Antizipation von Erfolg führt in entscheidenden Situationen zu Leistungsminderung Studie zum Heimvorteil: in entscheidenden Spielen (Finals) eher Heimnachteil! Sportspezifische Befunde Bewertendes Feedback führt häufig zu Leistungsminderungen (Effekte klein) Zuschauerzahl bzw. –dichte von geringem Einfluss auf das Ergebnis Anti-soziales Verhalten des Publikums wirkt auf Regelverletzungen Fazit: Zuschauereinfluss ist relativ gering – und wenn, dann eher leistungsmindernd Nachzulesen in... Strauß, B. (1999). Wenn Fans ihre Mannschaft zur Niederlage klatschen. Lengerich: Pabst Science Publisher. SS 2006 55