GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 1 Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale 1 1.1 Biologische Mikrosignale: Das Blickverhalten Die Pupillenreaktion Eine Vergrößerung des Pupillendurchmessers findet statt - bei geringerem Lichteinfall - bei erhöhter emotionaler Erregung (freudiger Erwartung, "Spannung" ...) eine Verkleinerung findet statt bei - Zunahme des Lichteinfalls - beim Einsetzen negativer Affekte (Abscheu, Ekel, Hass ...) (vgl. ARGYLE & COOK 1976) Beispiele: a) Männliche (m) und weibliche (w) Versuchspersonen bekamen verschiedene Fotos nackter Männer und Frauen (Modelle) gezeigt, wobei die Lichtmenge jeweils genau konstant gehalten wurde (HESS 1972 u. 1975). Gemessen wurde die Veränderung der Pupillengröße beim Anschauen der Fotos (Dias) im Vergleich zu einer homogenen Fläche gleicher Helligkeit. Modell m Modell w Vers.pers. m 7% 18% Vers.pers. w 20% 5% Mittlere Veränderung der Pupillengröße beim Betrachten nackter menschlicher Modelle b) Wird Vpn (wieder unter genauer Kontrolle der Lichtmenge) eine der vier Augenmuster (Schemata) gezeigt, dann öffnen sich ihre Pupillen am weitesten bei der Betrachtung des Schemas mit den größten Innenkreisen ("Pupillen"), während die Schemata mit einem oder drei Augensymbolen die geringste Pupillenreaktion hervorruft. Folgerung: Die Wahrnehmung geöffneter Pupillen anderer erzeugt eine Reaktion, die zur Pupillenöffnung beim Betrachter selber führt. Entsprechendes gilt für die Wahrnehmung sich schließender Pupillen. Zusammenfassung zur Pupillenreaktion: - Die eigene Pupillenreaktion ist nicht wahrnehmbar. - Wahrnehmbar sind nur die mit steigender eigener Erregung oder zunehmender Ablehnung einhergehenden physiologischen Korrelate. - In den allermeisten sozialen Situationen nehmen wir weder die Pupillenreaktionen unserer Mitmenschen noch unsere eigenen physiologischen Korrelate bewusst wahr. - Nehmen wir über die Pupillenreaktion eines anderen dessen Erregungssteigerung (meist unbewusst) wahr, so führt dies zu einer Erregungssteigerung bei uns selbst. Das gleiche gilt entsprechend für affektive Ablehnung. - Affektive Erregungssteigerung wie auch Ablehnung können bei Menschen, die sich gegenseitig anschauen, zu einem Aufschaukelungsprozess (positive Rückkopplung) mit dem Ergebnis erhöhter gegenseitiger Anziehung oder Abstoßung führen. GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 2 GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 3 Text Text11 1.2 Blickverhalten: Visuelle Verhaltensmuster Beim Blick als Signal kann man unterscheiden: individueller Blick wechselseitiger Blick (Augenkontakt) Blicksignale unterscheiden sich durch folgende Eigenschaften: Blickrichtung: wenn man sich z.B. unterhält, kann man den Gesprächspartner anschauen, einen relevanten Gegenstand (der z.B. Objekt des Gesprächs ist) oder einen allgemeinen Hintergrund (z.B. aus dem Fenster) Dauer Pupillenerweiterung Blinzelhäufigkeit Richtung eines ausweichenden Blicks (nach links oder rechts) Öffnung der Augen (weit, gesenkte Lider) Gesichtsausdruck im Bereich der Augen: bohrender Blick, verliebter Blick usw. Abb.:" Augensprache": Die Filmschauspielerin Brigitte Helm [Quelle. Bilderlexikon der Erotik. -- Wien, 1928 - 1932] Blickverhalten spielt beim Herstellen und Aufrechterhalten von sozialen Beziehungen eine wichtige Rolle. Blickverhalten zeigt z.B. die Bereitschaft oder den Willen, Kontakt aufzunehmen Interesse Zuneigung - Abneigung Drohung Dominanz - Unterwürfigkeit / Beschwichtigung Kooperation - Konkurrenz Schnelligkeit - Langsamkeit Rückkoppelung, Betonung und Synchronisation beim Sprechen (Blicke zeigen, wer sprechen Qualifikation Jeder Blickkontakt bewirkt eine messbare Erhöhung der psychogalvanischen Reaktion (Hautwiderstand, Herzrate, EEG-Aktivität) GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 4 Die Wirkung eines Blickaustauschs ist zunächst unspezifisch. Erst eine mimische Qualifikation macht aus einem Blick einen "freundlichen", "drohenden", "strafenden" oder "ermunternden" Individuelle Unterschiede Bei Gesprächspaaren (Dyaden) nähert sich die Häufigkeit des gegenseitigen Anblickens stark aneinander an (gegenseitige Anpassung) (vgl. KENDON 1967), andererseits gibt es starke individuelle Unterschiede bei - der Länge, mit der man beim eigenen Sprechen den Partner anschaut - der Tendenz, den eigenen Blick beim Sprechen des anderen zuerst abzuwenden - der Richtung, in der man mit dem eigenen Blick ausweicht. (vgl. LIBBY 1960) Geschlechtsspezifische Unterschiede (vgl. EXLINE u.a. 1965) - Frauen suchen in stärkerem Maße Blickkontakt als Männer, - halten den Blickkontakt während des Sprechens, Zuhörens und in Pausen länger aufrecht - und sind stärker irritiert, wenn sie den Gesprächspartner nicht ansehen können. Dominanzverhalten - Die Häufigkeit, mit der jeder Partner als erster den Blickkontakt abbricht, ist ein zuverlässiger Indikator für seine Dominanzposition: wer öfter abbricht ist weniger dominant (vgl. STRONGMAN & CHAMPNESS 1968). - Personen mit höherem Status werden häufiger angesehen und beantworten den Blick seltener (HEARN 1957), schwächere Personen suchen entsprechen häufiger den Blick der stärkeren (EXLINE 1971). Interpretationen verschiedener Formen des Blickverhaltens: Dominanz - Je öfter eine Person angesehen wird, desto höher schätzen die Gruppenmitglieder (und die Personen selbst) die persönliche Macht dieser Person ein. (WEISBROD 1967) - Ein Zuhörer, der einen nicht ansieht, während man spricht, wird als Person wahrgenommen, die mehr Autorität und Kontrolle besitzt (ARGYLE 1967). Authentizität und Sympathie - Verbale Mitteilungen, die von Blickkontakt begleitet werden, wirken auf Zuhörer authentischer als solche, die mit abgewendetem Blick geäußert werden (EXLINE 1967) - Die durchschnittliche Blickdauer eines Redners liegt bei 38% der Redezeit, wenn er dauernd angesehen wird (bei Frauen 41%). Bleibt ein Redner deutlich unter diesem Wert (etwa bei 15%), dann wird er eher eingestuft als: kalt, pessimistisch, vorsichtig, defensiv, unreif, ausweichend, indifferent; liegt er deutlich darüber (etwa bei 80%), dann schätzt man ihn eher ein als: freundlich, selbstsicher, natürlich, reif, ernsthaft (vgl. KLECK & NUSSLE) - In einer großen Zahl von Untersuchungen bestätigt sich das gleiche Bild: Redner, die viel Blickkontakt mit ihren Zuhörern haben, werden durchweg positiv beurteilt (z.B.: überzeugend, wahrhaftig, ernsthaft, glaubhaft, erfahren, informiert, wird mehr geliebt, kann seine Einstellung leichter verändern) GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 5 Text 2 2 2.1 Körperverhalten in der Interaktion Distanzverhalten Distanzzonen Für unterschiedliche Kommunikationszwecke gibt es unterschiedliche Distanzzonen, innerhalb derer ein Mensch einen anderen toleriert. Für den deutschen Kulturraum gelten nach RÜCKLE (1979) und BIRKENBIHL (1979) folgende Zonen: Intimdistanz, ca. 50cm: hier sind alle optischen Feinheiten im Verhalten des Partners wahrzunehmen, der Partner kann ohne Probleme berührt werden und seine unwillkürlichen und autonomen Signale wie Geruch, Atmung, Schweißabsonderung sind deutlich wahrnehmbar. Persönliche Distanz, ca. 0,5m - 1,5m: hier sind noch vor allem die feineren optischen Veränderungen des Partners wahrnehmbar: Pupillenreaktion, Erröten, mimische und gestische Mikrobewegungen; gestische Berührungen sind gerade noch möglich, allerdings erst nach Annäherung. Geschäftliche Distanz, 1,5m - 3m: lediglich gröbere optische Signale sind noch erkennbar; dies sind insbesondere solche, die häufig der willkürlichen Kontrolle unterliegen: Mimik und Gestik sowie Körper- und Blickverhalten; körperliche Berührungen sind nicht mehr möglich. Öffentliche Distanz, größer 3m: mimisch- gestische Details sind kaum noch erkennbar, Körperkontakte ausgeschlossen. Regeln: Die Konsequenzen, die ein Eindringen in die näheren Zonen durch einen andern haben kann sind abhängig von folgenden Faktoren: kulturspezifische Regeln situative Faktoren Bekanntheitsgrad und Sympathiewirkung des Eindringenden individuelle Lernerfahrungen der Person Interkulturelle Unterschiede Abstand und Orientierung Araber (gleichen Geschlechts) stellen sich näher zu ihren Gesprächsbeim Gespräch partnern, berühren sie häufiger und schauen sie häufiger an als Nordamerikaner. Man kann seine eigene Raumreaktion leicht überprüfen: Wenn man im Freien mit einem Menschen spricht und seinen Arm ausstreckt, dann kann man feststellen, mit welchem Teil des Arms man die Schulter seines Gesprächspartners berührt. In Westeuropa geht das gerade mit ausgestreckten Fingerspitzen, in Osteuropa mit dem Handgelenk und in den Mittelmeerländern -- in denen man sich viel näher kommt -- etwa mit dem Ellenbogen. Daher entstehen gewisse Schwierigkeiten, wenn sich zwei Menschen aus verschiedenen Kulturen miteinander unterhalten. Redet beispielsweise ein britischer Diplomat mit einem italienischen oder arabischen Diplomaten, dann empfindet er bald ein gewisses Unbehagen, und ohne zu wissen warum, weicht er langsam vor seinem Gesprächspartner zurück. Rückt dieser daraufhin wieder ein Stückchen näher, weicht der Brite abermals zurück. Jeder versucht auf seine Weise, eine Beziehung zwischen den persönlichen Territorien herzustellen, die seiner Gewohnheit entspricht, doch ist das unmöglich. Der Brite fühlt GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 6 sich bedroht, wenn der Araber näherrückt, und der Araber fühlt sich zurückgewiesen, wenn der Brite zurückweicht. Distanzverhalten und physiologische Reaktionen Jedes Näherkommen durch eine andere Person erzeugt eine Erhöhung der Herzfrequenz und eine Senkung des Hautwiderstands (PGR); dies geschieht am stärksten, wenn sich die Person frontal nähert und wenn sie das andere Geschlecht hat. Freiwillige Sitzdistanzen sind umso geringer, je sympathischer die Beteiligten sich gegenseitig einschätzen; Personen verschiedenen Geschlechts stehen näher beieinander als Personen des gleichen Geschlechts, Frauen haben zu Frauen weniger Distanz als Männer zu Männern. (WILLS 1966) Die freiwillig gewählte Distanz zu gleichrangigen Personen ist geringer als die zu Personen mit höherem oder niedrigerem Status. (MEHRABIAN u.a. 1979) Höherrangigen Personen ist es eher erlaubt, ohne vorherige Signale des Einverständnisses abzuwarten, niederrangige zu berühren (lobend "auf die Schulter klopfen"...). Text 3 2.2 Das Haltungsecho Beobachtet man kleinere und größere Gruppen, so kann man feststellen, dass immer wieder einzelne und mehrere Mitglieder kongruente Körperhaltungen einnehmen. Dabei imitieren sie Haltungsbestandteile oder auch ganze Haltungen (die rechte Hand schreibt, die linke berührt die linke Wange; Übereinanderschlagen der Beine durch beide Personen in spiegelbildliche Richtung ...). Haltungskongruenzen kommen sowohl spiegelbildlich vor als auch in direkter Imitation, ohne Vertauschen der Seiten. GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 7 Da das menschliche Haltungsrepertoire in bestimmten Situationen (z.B. Sitzen und Schreiben) relativ begrenzt ist, könnte man annehmen, Haltungskongruenzen treten zufällig auf. Dies ist jedoch schnell widerlegt, wenn man die Dynamik der Haltungsänderungen betrachtet: mehrere in gleicher Haltung befindliche Personen gleichen ihre Haltung neu ab, sobald ein Mitglied seine Haltung verändert, und dies geschieht innerhalb von einer Sekunde. In Gruppen mit mehr als zwei Mitgliedern sind häufig mindestens zwei Subgruppen zu unterscheiden mit jeweils unterschiedlicher Haltungskongruenz. Betrachtet man auch den Inhalt ihrer Kommunikation, so werden häufig auch verschiedene inhaltliche Standpunkte zwischen ihnen deutlich. Die Ähnlichkeit der Haltungen ist meist ein Hinweis auf die Ähnlichkeit der Standpunkte oder Rollen in einer Gruppe. Sie ist interpretierbar als Indikator für eine wechselseitige Identifikation. So kann ein Gruppenmitglied durch Variation seiner Körperhaltung inhaltliche und emotionale Kommentare geben. (Zusammengefasst nach: SCHEFLEN 1979) 2.3 Synchronisation und Bewegungsrhythmus In über 20-jährigen Mikroanalysen von Gruppenprozessen haben CONDON & OGSTON (1966) herausgefunden, dass das gesamte Kommunikationsverhalten in menschlichen Gruppen rhythmischen Strukturen unterliegt. Jede Gruppe entwickelt nach kurzer Zeit einen Grundrhythmus von ca. 1-1,5 Taktschlägen pro Sekunde, der allen wichtigen mimischen, gestischen, verbalen und körperlichen Aktionen unterlegt ist. Man beginnt nur zu sprechen, wenn ein Taktschlag (Betonung) "dran" ist, ebenso betont man wichtige Wörter in diesem Takt: Der eine kratzt sich am Kopf, ein anderer steht auf, einer wendet sich zu oder ab, einer greift zur Gabel oder rutscht sich auf dem Stuhl zurecht immer erst dann, wenn eine neue Taktbetonung beginnt. Registriert man die Wörter eines Sprechers, die in die Taktbetonung fallen, dann sind dies meist die bedeutungstragenden oder diejenigen, auf die es ihm besonders ankam. Aber auch innerhalb eines Taktes gibt es weitere rhythmische Feinstrukturen. So konnten z.B. in Familien und bei Liebespaaren festgestellt werden, dass bei sprachlichen Äußerungen von Sprechern synchrone taktile Muster als "Begleitung" der Zuhörer stattfinden, die bis auf 1/48 Sekunde genau mit der Sprache synchronisiert sind. Kopf- und Rumpfbewegungen, Bewegungen von Händen und Armen, insbesondere der Finger, sogar der Atemrhythmus werden genau auf die rhythmischen Mikrostruktur der empfangenen Worte abgestimmt. ERICKSON vermutet, dass es sich bei diesem Phänomen des Gruppenrhythmus um eine evolutionäre Errungenschaft des Menschen handelt, die dazu beitrug, die häufig lebenswichtige Koordination im Verhalten zu erleichtern. Kann man sich nämlich darauf verlassen, dass sehr wichtige Informationen der anderen (wie z.B. "Vorsicht!" oder "Kannst Du das mal eben halten?" ) nur alle 1-1,5 Sekunden kommen können (dann nämlich, wenn man selber spürt: "JETZT"), so bedeutet dies eine erhebliche Entlastung des kognitiven Apparates. Emotionale Folgen: Je freundlicher nun Menschen sich gesonnen sind und je "näher" sie sich fühlen, desto perfekter ist die Übereinstimmung in der Synchronisation (good vibrations). Wohlgemerkt: Es kommt hier nicht darauf an, dasselbe zu tun, sondern mit dem, was man tut, im Rhythmus zu bleiben. Baut sich bei einigen Beteiligten eine ablehnende Stimmung auf, so gehen sie immer mehr "aus dem Takt". Sie verweigern zuerst das "Mitgehen" (!) im Mikrobereich, und verlassen dann auch den Gruppenrhythmus. Missverständnisse: Rhythmische Missverständnisse können dazu führen, dass im Dialog die Wort-"Übergabe" nicht funktioniert. Während der "langsamere" Partner glaubt, mit seinem Beitrag noch warten zu müssen, registriert der andere, "schnellere" schon eine Gesprächsunterbrechung. Andererseits betonen Partner mit unterschiedlichem Rhythmus für den anderen jeweils unerwartete bedeutungstragende Wörter. Dies kann dazu führen, dass der Zuhörer beginnt, über diese Unstimmigkeit GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 8 nachzudenken, während der andere (unrhythmisch) weiterspricht: der Hörer wird immer weiter "abgehängt". Persönliche Kompetenz: Es gibt auch individuell unterschiedliche Kompetenzen im Einhalten und Mitschwingen des Gruppenrhythmus. Kulturelle Variationen: Menschliche Gesellschaften entwickeln in Bezug auf den Interaktionsrhythmus syntaktische Regeln. Die kulturspezifischen Rhythmen bestimmen u.a. typische Elemente einer Sprache, etwas, was am Französischen so französisch, am Englischen so englisch klingt. SCOLLON konnte zeigen, dass dieser kulturspezifische Rhythmus bewusst gemacht und durch Beobachtung und Übung gelernt werden kann. Text 4 3 3.1 Mikrosignale in verschiedenen Situationen Die Kriminalistische Gegenüberstellung: Niemals gesehen und doch erkannt Die Gegenüberstellung von Zeugen und Tätern ist ein übliches Mittel in Strafverfahren. Wenn der Zeuge den Täter wiedererkennt, wird das als Beweis für dessen Schuld bewertet. Eine Untersuchung, die am Institut für Kognitionspsychologie der Universität Bremen durchgeführt wurde, stellt dieses angeblich sichere Beweismittel nun jedoch in Frage. Zeugen, so das Ergebnis der Studie, können zwar einen Beschuldigten aus einer Reihe von gegenübergestellten Personen erkennen, das heißt aber noch lange nicht, dass sie diese Person vorher gesehen haben müssen. Weil Menschen in der Lage sind, einen Beschuldigten allein aufgrund körpersprachlicher Merkmale zu identifizieren, können Gerichte in Zukunft also nicht mehr davon ausgehen, "dass von Zeugen identifizierte Beschuldigte auch die ursprünglich beobachteten Straftäter sind", schlussfolgert Professor Michael Stadler aus dem Ergebnis seiner Studie (Universität Bremen, Uni-Press, Nr. 19, 38.10.91). Stadler benutzte für sein Experiment die Videoaufzeichnung einer tatsächlichen Gegenüberstellung im Rahmen eines Strafverfahrens. Diese Aufzeichnung wurde 330 Versuchspersonen vorgespielt, die die Aufgabe hatten, den Beschuldigten aus einer Reihe von sechs Personen herauszufinden. Es tippten mehr als doppelt so viele Personen als nach dem Zufall zu erwarten gewesen wäre, auf den tatsächlich Beschuldigten. Die Versuchszeugen begründeten ihre Wahl damit, dass sich die von ihnen ausgewählte Person besonders echt verhalten hätte, während sich die anderen nur verstellt hätten; auch schien ihnen der Ausgewählte am meisten unter der Situation zu leiden. Eine einleuchtende Begründung, denn tatsächlich stehen Beschuldigte in einer solchen Gegenüberstellung - gleichgültig, ob sie die Tat begangen haben oder nicht unter starkem Stress. Sie haben Grund zu Nervosität, die sich natürlich in ihrer Körpersprache bemerkbar macht. In der Praxis wird Zeugen häufig der Eindruck vermittelt, der Täter befinde sich unter den gegenübergestellten Personen und sie müssten sich nur für einen entscheiden. Aus diesem Grund wurde das Experiment noch mal mit zwei verschiedenen Gruppen wiederholt: Einer Gruppe von Versuchspersonen wurde gesagt, der Täter befände sich unter den sechs präsentierten Personen, eine andere wurde im Unklaren darüber gelassen, ob sich unter den Gegenübergestellten überhaupt der Gesuchte befindet. Die Personen aus der ersten Gruppe identifizierten den Beschuldigten deutlich häufiger als Mitglieder der anderen Gruppe, die oft unsicher waren und "ich weiß nicht" ankreuzten. Um Fehlurteile von Zeugen zu vermeiden, so rät Michael Stadler den Ermittlungsbehörden, sollten Gegenüberstellungsverfahren anders gestaltet werden: Statt in der künstlichen Gegenüberstellungssituation, sollten die Zeugen die Insassen eines Untersuchungsgefängnisses, unter denen sich auch der Beschuldig- GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 9 te befindet, von einem Fenster aus beim Hofgang beobachten. Da die Beschuldigten nichts von dieser Beobachtung wüssten, würden sie sich völlig ungezwungen verhalten und den Zeugen keine indirekten körpersprachlichen Signale geben. Dies ermögliche dem Zeugen eine unbeeinflusste Entscheidung darüber, ob er die von ihm bei der Tat gesehene Person unter den Untersuchungshäftlingen wiedererkennt. (Psychologie Heute, März 1992, S.12/13.) 3.2 Mikro-Signale: die unbemerkte Beeinflussung 1. Gesicht - Spannung, Entspannung der Gesichtszüge - Heben der Augenbrauen, Zusammenziehen - Pupillenreaktion (öffnen, schließen) - Lidschluss außerhalb des normalen Rhythmus; mehrere Schlüsse hintereinander (unbeabsichtigtes "Zwinkern") - Lippenbewegungen (Zusammenziehen) - Zungenbewegungen - asymmetrisches Lächeln 2. Atmung - einmaliges tieferes Einatmen, hörbares Lufteinziehen z.B. durch die Nase - Verkürzung der Atemzüge - kurzes Luftanhalten 3. Stimme - Veränderung der Tonlage (höher, tiefer) - Veränderung der Satzmelodie (z.B. "Ammensprache") 4. Körperbewegungen - Veränderung des Bewegungsgrundrhythmus (Bewegungen werden insgesamt ruhiger oder "hektischer") - (angedeutete) Absichtsbewegungen: Andeutung einer beabsichtigten Bewegung im Ansatz (z.B. "Aufstehen", "Weggehen", "Abwenden") - körperliche Annäherung/Entfernung: Eindringen in persönliche oder Intimdistanz, sich daraus entfernen, personalen Raum respektieren/verletzen - gestische Andeutung des Eindringens (z.B. auf jmd. zeigen) - gestische Berührung 5. Körperhaltung - aktionsbereit (gespannt, "auf dem Sprung", aufgerichtet - passiv, zurückgelehnt, entspannt) - Haltungsecho - (symbolische) Machtgebärden - Demutsgebärden (sich aufrichten, sich "beugen") Text 5 4 Menschliche Kommunikation über körpereigene Gerüche (Das Folgende aus: CARSTEN HÖLLER: Geruch und Gehorsam: Menschliche Kommunikation über körpereigene Gerüche. In: Das Riechen – Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn – Schriftenreihe Forum, Band 5, 1995, S. 193f) GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 10 Die Wissenschaftler haben neben Insekten auch andere Lebewesen unter die Lupe genommen und untersucht, ob sie mittels Duftstoffen kommunizieren. Heute wissen wir, dass sowohl bei den unterschiedlichsten Tiergruppen, vom Einzeller bis zum Elefanten, als auch bei einigen Pflanzenarten Geruchskommunikation vorkommt und zum Teil eine wichtige Rolle spielt. Die Frage liegt also nahe, inwieweit bei uns Menschen körpereigene Gerüche heute noch Verständigungsfunktion haben, ob wir über Duftstoffe kommunizieren, oder ob unsere kulturelle Entwicklung dazu geführt hat, dass bei uns Gerüche als Signalträger bedeutungslos geworden sind. Erstaunlicherweise wissen wir über den Menschen in dieser Hinsicht nur sehr wenig (viele Tierarten sind da weil aus genauer untersucht worden), was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass wir glauben, das Riechen spiele bei uns keine große Rolle mehr, weil unsere bewusste Wahrnehmung hauptsächlich aus Gesehenem und Gehörtem gespeist wird. Das sagt aber noch lange nichts darüber aus, ob gerochene Informationen bedeutungslos geworden sind, denn vielleicht werden sie, ähnlich wie bei Tieren, unbewusst wahrgenommen und führen zu unbewussten Verhaltensänderungen. 4.1 Körpergeruch und Immunsystem Nehmen wir als Beispiel meine Eltern, die wir hier am Tage ihrer Hochzeit sehen (vgl. Abb.). Sicher haben sie sich aufgrund körperlicher und charakterlicher Eigenschaften zueinander hingezogen gefühlt; aber wie haben meine Eltern gewusst, dass ihre Immunsysteme zueinander passen und dass sie gemeinsam Kinder, also meinen Bruder und mich, zeugen können? In diesem Zusammenhang scheint der Körpergeruch des jeweils anderen eine wesentliche Informationsquelle zu sein, auch wenn wir uns dessen gar nicht bewusst sind. Offensichtlich verfugen Menschen, deren Körpergeruch wir nicht mögen, über ein Immunsystem, welches mit dem unseren nicht kompatibel ist. Nehmen wir an. Sie stünden in der Schlange vor der Kasse im Supermarkt, und der Kunde oder die Kundin vor Ihnen röche nach Ihrem Ermessen unangenehm. Sehr wahrscheinlich könnten Sie, wenn es sich um jemand Andersgeschlechtlichen handelt, mit dieser Person keine Kinder bekommen, oder die Chance einer Fehlgeburt oder einer sonst wie missglückten Schwangerschaft wäre relativ hoch. Hier steht also der schlechte Körpergeruch einer solchen Vereinigung wie eine biologische Barriere entgegen. Abb. Meine Eltern (Mitte) am 3.September1960, dem Tag ihrer Hochzeit, vor dem Standesamt Lüneburg mit den Trauzeugen 4.2 Körpergeruch und Zyklus der Frau Frauen, die mindestens zweimal im Monat mit oder neben einem Mann schlafen - wobei es hier nicht auf den Geschlechtsverkehr ankommt, sondern allein auf die körperliche Nähe -, weisen vergleichsweise häufig regelmäßige, kurze Zyklen von 29 Tagen auf, wogegen bei Frauen ohne Männerkontakt oft unre- GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 11 gelmäßige, längere Zyklen zu beobachten sind. Hier könnte man vermuten, dass eine vom Mann abgegebene Substanz die vergleichsweise kurzen Zyklen bedingt, was eine Befruchtung der weiblichen Eizellen einfacher macht, weil die fruchtbaren Tage der Frau als Folge der Präsenz des Mannes häufiger und kontinuierlicher auftreten. Die aktive Männersubstanz scheint der Geruch des Mannes zu sein, denn in Experimenten, in denen Frauen ohne Männerkontakt beim Schlafen einen Wattebausch mit Achselmännergeruch im Bett hatten, konnte man feststellen, dass diese Frauen nach einiger Zeit ebenfalls kurze, regelmäßige Zyklen aufwiesen, genauso wie die Vergleichssubjekte mit Männerkontakt. Männerschweiß hat also offensichtlich einen Einfluss auf die Länge des Zyklus der Frau. Frauen, die zusammenwohnen oder sich zumindest sehr häufig sehen, synchronisieren oft ihre Zyklen, so dass sie nach einiger Zeit im gleichen Zeitraum menstruieren. Barbara McClintock hat bereits in den frühen 70er Jahren Daten publiziert, die die Synchronisation weiblicher Zyklen eindrucksvoll belegen. Sie hat in Studentenwohnheimen Daten erhoben, in denen 17-bis 22jährige Studentinnen entweder einzeln oder in kleinen Gruppen wohnten. Bei denjenigen Studentinnen, die sich zu mehreren ein Appartement teilten, konnte sie synchronisierte Zyklen feststellen; folglich menstruierten meist alle Studentinnen in einer Wohngemeinschaft zur gleichen Zeit, wohingegen bei den allein lebenden Studentinnen kein regelmäßiges Muster erkennbar war. Lag das am Geruch? 4.3 4.3.1 Experimente zur Wirkung von Geruchsstoffen Der Wartezimmerversuch Wissenschaftler hatten in einem Zahnarztwartezimmer einen der Stühle mit der entsprechenden Substanz behandelt und festgestellt, dass Frauen sich häufiger auf diesen Stuhl setzten als auf die unbehandelten; im Gegensatz zu Männern, die den behandelten Stuhl eher zu meiden schienen. (...) Die biologische Bedeutung dieser Stoffe ist vielleicht weniger die eines Sexuallockstoffs als vielmehr die eines Distanzpheromons, mit dem sich Männer gegenseitig auf Abstand halten. So wurde zum Beispiel je eine Toilettenbox in einer Reihe von Toiletten mit dem Stoff behandelt und danach deutlich von potentiellen Benutzern gemieden, ganz so, als vermuteten sie hinter der Tür unbewusst eine Gefahr oder eine Art Supermann. Außerdem scheinen diese beiden Stoffe (...) ein Mittel für den Mann zu sein, um die fruchtbaren Tage der Frau zu erkennen: Frauen mögen diese Substanzen meist gern riechen, wenn sie ihren Eisprung haben, empfinden den Geruch aber als unangenehm, wenn sie menstruieren. Das Folgende aus: Astrid Jütte, Ludwig Boltzmann Institut für Stadtethologie, Wien: Pheromone. URL: http://evolution.humb.univie.ac.at/institutes/urbanethology/faq.html vom 25.1.2002 4.3.2 Der Kopulin-Versuch 46 Männer inhalierten entweder eine von drei synthetischen Kopulin-Mischungen (Geruchsstoff aus dem weiblichen Vaginalsekret) vom Beginn des Zyklus, vom Ende oder vom Eisprung oder eine Wasserprobe. Alle Proben waren in einem Inhalator auf Körpertemperatur aufgewärmt. Die Kopulin-Proben waren so stark verdünnt (0,4 Promille in Wasser), dass die Männer keine bewusste Geruchswahrnehmung hatten. Während der Inhalation wurden Portraitphotos von 5 verschiedenen Frauen beurteilt. Die Bilder stammten aus einer anderen Studie und waren so ausgewählt, dass die Attraktivität der Frauen von relativ gering bis sehr hoch anstieg. Die Versuchspersonen gaben vor und nach der Inhalation eine Speichelprobe ab um den Testosteronspiegel messen zu können. Kopuline bewirkten im Vergleich zu Wasser einen Anstieg des Testosteronspiegels, Außerdem veränderten sie die Attraktivitätseinschätzung in Richtung positiver, wobei die weniger attraktiven Frauen mehr durch den Kopulin-Einfluss gewonnen, als die sehr attraktiven Frauen, welche teilweise sogar an Attraktivität einbüßten. Das Ergebnis war für die Kopuline inhalierende Gruppe ein geringerer Attraktivitätsun- GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 12 terschied zwischen den Frauen als für die Kontrollgruppe. 4.3.3 Der T-Shirt Versuch Unter stark kontrollierten Bedingungen (kein Rauchen, Knoblauch, Parfums und vieles mehr) trugen männliche und weibliche Versuchspersonen 3 Nächte nacheinander T-Shirts um ihren Körpergeruch darin zu sammeln. Diese T-Shirts wurden von gegengeschlechtlichen Versuchspersonen schließlich beurteilt. Eine andere Personengruppe beurteilte die optische Attraktivität der Geruch-Spender. Männer bevorzugen den Körpergeruch von optisch attraktiveren Frauen. Fertile Frauen (um den Zeitpunkt des Eisprungs) bevorzugen den Körpergeruch von attraktiveren Männern, nicht fertile Frauen bevorzugen den Körpergeruch von weniger attraktiven Männern. Text 6 4.4 Pheromone Was ist ein Pheromon ? Die erste Definition und Schaffung des Begriffes „Pheromon“ (aus dem Griechischen „pherein“ für „tragen“ und „hormon“ für „anregen“) stammt von Karlson & Lüscher 1957: Pheromone sind Stoffe, die von einem Individuum in die Luft abgegeben werden und das Verhalten, die Physiologie (z.B. den Hormonspiegel) oder die emotionale Stimmung eines anderen Individuums (der selben Art) verändern. Damit ist weder die chemische Zusammensetzung möglicher Pheromone festgelegt, noch, mit welchem Geruchsorgan sie wahrgenommen werden! Pheromone können also sowohl über die „normale“ Geruchswahrnehmung als auch über das sog. VNO (s.VNO) wahrgenommen werden. Sie können bewusst und unbewusst wirken. Wozu gibt es Pheromone ? Die Zusammensetzung der Pheromone hängt von vielen Faktoren ab. Die wichtigsten sind die genetische Ausstattung und der Hormonspiegel. Mit Hilfe vom Pheromonen lassen sich also wichtige Informationen übertragen. Im Tierreich dienen Pheromone deshalb z.B. zur Verwandtenerkennung, zur sozialen Kommunikation und der Partnerfindung. Auch beim Menschen spielen Pheromone in diesen drei Bereichen eine wichtige Rolle. Wie werden Pheromone wahrgenommen ? Menschen besitzen wahrscheinlich 2 getrennte Wahrnehmungsorgane für „geruchliche“ Botschaften. Einerseits die allen bekannte „normale“ Geruchswahrnehmung und andererseits das sog. Vomeronasalorgan (VNO), das bei vielen Säugetieren speziell zur Pheromonwahrnehmung dient. Wovon hängt die Geruchswahrnehmung ab ? Was ist Anosmie? Frauen haben eine feinere Geruchswahrnehmung als Männer. Die Wahrnehmung hängt mit dem Östrogenspiegel zusammen: je höher desto besser die Wahrnehmung. Zur Zeit des Eisprungs nehmen Frauen deshalb Gerüche noch besser wahr. Auch die Geruchspräferenzen ändern sich mit dem Zyklus. Während des Eisprungs bevorzugen Frauen den Geruch von attraktiveren Männern. In der anderen Zeit den von weniger attraktiveren Männern. Frauen, die die Pille nehmen finden den Geruch von ihnen genetisch ähnlichen Männern gut. Frauen ohne Pille bevorzugen den Geruch von genetisch unähnlicheren Männern. Menschen, die keine Gerüche wahrnehmen können, sind anosmisch. Anosmie muss nicht vollständig sein. Sie kann sich auch nur auf bestimmte Gerüche beschränken. Anosmie entsteht durch Verletzungen des Gehirns, Operationen im Bereich des Riechnervs oder können auch genetisch bedingt sein. GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 13 Was ist das VNO ? Das VNO (Vomeronasal-Organ) wurde erst vom Militärarzt Ruysch 1703, dann nochmals von Herrn Jacobson („Jacobson-Organ“) 1811 entdeckt und beschrieben. Seine Eingänge liegen beidseitig an der Nasenscheidewand ca 1cm von der Nasenspitze entfernt. Wahrscheinlich nehmen Frauen damit speziell männliche Pheromone wahr und Männer weibliche. Allerdings können wir auch mit der „normalen“ Geruchswahrnehmung Pheromone wahrnehmen (s. Definition Pheromon). Wie verarbeitet unser Gehirn Gerüche ? Die Verarbeitung von Gerüchen im Gehirn erfolgt zuerst im sog. Limbischen System, das für die Gefühle zuständig ist und erst dann in der Großhirnrinde, wo die bewusste Wahrnehmung entsteht. Unsere erste Reaktion auf Gerüche ist also unbewusst, sehr schnell und v.a. emotional. Warum fallen uns zu bestimmten Gerüchen immer Situationen ein ? Da Gerüche immer in enger Verknüpfung mit der Situation abgespeichert werden, kann man sich Gerüche nicht per se merken. Dafür erinnert man sich aber so schnell an bestimmte Situationen, auch aus längst vergangener Zeit, wenn einem der spezielle Geruch wieder begegnet. Wo werden Pheromone produziert ? Unser ganzer Körper produziert ständig Pheromone. Die über die Haut verteilten apokrinen Drüsen produzieren ein öliges Sekret, das schließlich von Bakterien abgebaut wird. Die Zusammensetzung der Bakterienstämme auf unserer Haut und damit der entstehende Körpergeruch wird unter anderem durch unser Immunsystem bestimmt. Geruchliche „hot-spots“ (Konzentrationen der apokrinen Drüsen) befinden sich am Haaransatz, um die Nase, im Brustbereich, unter den Achseln und im Schambereich. Die Pheromonproduktion unterliegt auch Hormonschwankungen, ändert sich mit der Pubertät und dem weiblichen Zyklus. „Ich kann den anderen nicht riechen!“ Es konnte gezeigt werden, dass Personen, die sich „nicht riechen“ können, also den Körpergeruch des anderen abstoßend finden, immun-genetisch sehr ähnlich sind, obwohl sie nicht verwandt sind. Der bekannte Spruch hat also einen tieferen Kern. Welche männlichen Pheromone gibt es ? Wie wirken sie? Das dominanteste männliche Pheromon ist Androstenon. Die Menge des produzierten Androstenons hängt wahrscheinlich vom Testosteron-Spiegel ab. Es hat einen urinösen Geruch. Frauen nehmen es negativ wahr, außer sie befinden sich gerade um die Zeit des Eisprungs. Dann wird es neutral bis etwas positiv beurteilt. Grammer bezeichnet dies als „Ovulations-Radar“, da Männer dadurch nur fertile Frauen durch ihren Körpergeruch anlocken. Androstenon soll nach einem Versuch, bei dem Sessel eines Warteraums damit besprüht wurden, leicht anziehend auf Frauen wirken. In einem ähnlichen Versuch, bei dem Toilettentüren besprüht wurden, wirkte es auf Männer abstoßend. Ca. 20% aller Personen sind spezifisch für Androstenon anosmisch (s. Anosmie), nehmen also nur diesen Stoff nicht wahr.Ca. 10% der Personen ist es aber möglich, die Wahrnehmung zu lernen. Androstenol ist wahrscheinlich der Vorläufer des Androstenons. Es hat einen Sandelholz-artigen Geruch und wird relativ positiv wahrgenommen. Welche weiblichen Pheromone gibt es ? Wie wirken sie? Das bisher bekannteste weibliche Pheromon sind die sog. Kopuline. Die Bezeichnung stammt vom Entdecker Richard Michael, der bei Rhesusaffen-Weibchen ganz ähnliche Vaginalsekrete fand, die Männchen zu Kopulationsverhalten veranlassten. Kopuline sind Vaginalsekrete, die aus einer Mischung kurzkettiger Fettsäuren bestehen. Ihre Produktion hängt wahrscheinlich vom Östrogenspiegel der Frau ab. Die Zusammensetzung der Kopuline ändert sich während des Zyklus. Nicht alle Frauen produzieren Kopuline (ca. 60%). Frauen, die die Pille nehmen, produzieren keine. Kopuline haben z.B. einen Testosteron-hebenden und Attraktivitäts-verschiebenden Effekt auf Männer (s. Kopulin-Versuch). GK 12 – Psychologie - Sämmer Sozialpsychologie: Nonverbale Kommunikation durch biologische Signale Blatt 14 Wirken Pheromon-Parfums ? Pheromonparfums enthalten meist Androstenon oder Kopuline. Da Androstenon aber für die meisten Frauen „stinkt“ kann es kaum als Lockstoff bezeichnet werden. Kopuline lassen unattraktivere Frauen attraktiver scheinen, aber es werden dadurch alle Frauen mehr oder weniger gleich attraktiv. Auch der männliche Testosteron-Spiegel kann dadurch leicht gehoben werden, was im Mann eine erhöhte selektive Aufmerksamkeit für sexuelle Reize bewirkt, allerdings keine sexuelle Erregung per se. Außerdem produzieren wir ja auch eigene Pheromone, die möglicherweise eine ganz andere Botschaft enthalten als das Parfum. Es könnte also eine Signal-Verwirrung entstehen. Die erwünschte Wirkung des „Unwiderstehlich-Seins“ wird also allein durch Pheromonparfums nicht erreicht. Können oder sollen wir unsere eigenen Pheromone unterdrücken ? Die Verwendung von Parfums und Deos kann unsere Pheromonbotschaften nicht nachhaltig unterdrücken. Es wird nur ein zusätzlicher geruchlicher Reiz hinzugefügt. Waschen hilft nur für kurze Zeit. Schon nach einigen Minuten entstehen wieder neue Geruchsstoffe. Man sollte nicht vergessen, dass unser Körpergeruch „ehrliche“ Botschaften sendet. Diese waren schon immer für eine erfolgreiche Partnerwahl nötig. Wer also ernsthaft auf Partnersuche ist, sollte ausprobieren, ob man mit dem Geruch (nicht Gestank) des zukünftigen Partners „kann“ und ob es umgekehrt auch so ist. Was können wir von Pheromonen erwarten? Da Pheromone aus dem Zusammenhang der biologischen Kommunikation stammen, hat sich kein natürliches Pheromon entwickelt, das tatsächlich unwiderstehlich für das andere Geschlecht macht, denn zu jeder Strategie gibt es auch eine Konterstrategie. Pheromone können aber unsere Motivationen, Stimmungen, Wahrnehmung und Verhaltensbereitschaft entweder über den direkten Weg im Gehrin oder über Veränderungen unserer Hormonspiegel in Maßen ändern. Es bietet sich z.B. die (eher missbräuchliche) Verwendung z.B. als Kauf-Motivations-Verstärker in der Wirtschaft, die Verwendung in Pheromon-Parfums, aber auch der Einsatz in der Medizin zur natürlichen Hormonregulation an. Aufgaben für die Gruppenarbeit (in Gruppen zu 2 oder 3 Teilnehmer/innen) 1. Wählt für eure Gruppenarbeit einen der 6 Texte aus 2. Erarbeitet den Text inhaltlich: unterstreicht, macht Anmerkungen in den Text, und macht euch Stichworte 3. Bereitet einen Kurzvortrag von 5-10 Minuten vor, a. in dem die wichtigsten Inhalte mitgeteilt werden, b. dem eigene Beispiele aus dem Alltag hinzugefügt werden, c. der mit Anschauungsmaterial versehen wird wie z.B.: Bildern, Videoszenen, gespielten Szenen, einem Standbild Sichtet und verwendet dazu auch das Material auf der CD-ROM „Psychologie“