Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 Integralrechnung 1.1 Allgemein Die Berechnung von Bogenlängen, Schwerpunkten und Trägheitsmomenten, der Arbeit und des Effektivwertes eines elektrischen Wechselstromes, der Bahnkurven von Satelliten, des Zeitverhaltens von Schwingungen oder der Zuverlässigkeit von Bauteilen kann mit Hilfe der Integralrechnung erfolgen. Alle diese Fragestellungen lassen sich auf eine Grundaufgabe zurückführen: die Bestimmung des Flächeninhaltes von krummlinig begrenzten Flächen. Dabei zeigt sich die überraschende Tatsache, dass die Integralrechnung direkt auf die Umkehrung des Differenzierens führt. Untersumme Obersumme Bsp.: Unter- Obersumme für die Funktion f(x)=(x^2)/2: Breite der Teilintervalle: Untersumme: x ba 20 1 n 4 2 U n x * [ f ( x0 ) f ( x1 ) ... f ( xn1 )] 1 1 3 [ f (0) f ( ) f (1) * f ( )] 2 2 2 1 [0,5 * 0 2 0,5 * 0,52 0,5 * 12 0,5 * 1,52 ] 0,875 2 Obersumme: On x * [ f ( x1 ) f ( x2 ) ... f ( xn )] 1 1 3 [ f ( ) f (1) f ( ) * f (2)] 2 2 2 1 [0,5 * 0,52 0,5 * 12 0,5 * 1,52 0,5 * 2 2 ] 1,875 2 Zettler Alexander Seite 1 Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 1.2 Bestimmtes Integral Es sei y = f(x) eine Funktion, die auf dem Intervall [a, b] definiert und beschränkt ist. Man zerlegt nun das Intervall [a, b] in n gleich breite Teilintervalle und bildet für diese Zerlegung die Obersumme O n und die Untersumme U n . Existiert dann für n als auch der Grenzwert lim On n sowohl der Grenzwert lim U n n der Folge der Untersumme der Folge der Obersumme und stimmen diese Grenzwerte überein, so heißt die Funktion y = f(x) integrierbar auf [a, b]. Der gemeinsame Grenzwert wird bestimmtes Integral von y = f(x) auf [a, b] genannt. b Man schreibt: f ( x) d x lim U n ( nlim On ). n a Bezeichnungen: f(x) x a, b [a, b] ………Integrand ………Integrationsvariable ………untere bzw. obere Integrationsgrenze ………Integrationsintervall Anmerkung: Integrierbar sind, was nicht weiter begründet wird, vor allem die stetigen Funktionen und auch die stückweise stetigen Funktionen. Für die Integrierbarkeit einer Funktion bestehen weniger strenge Forderungen als für die Differenzierbarkeit. Geometrische Deutung: Das bestimmte Integral von y = f(x) auf [a , b] ist der orientierte Flächeninhalt der fLäche zwischen dem Graphen von y = f(x) und der x-Achse von x = a bis x = b. Ist eine Funktion y = f(x) integrierbar, kann nach einer Zerlegung des Integrationsintervalles in n Teilintervalle jeder Funktionswert in einem Teilintervall als Höhe eines Rechtecks genommen werden: stets erhält man im Grenzfall n ∞ b als Grenzwert f ( x) dx. a In der Formulierung als Grenzwert der Untersummen gilt: b a n 1 f ( x) dx lim f ( xi ) x . n i 0 Daraus leitet sich historisch die Schreibung eines bestimmten Integrals her. Das Integralzeichen ist ein in die Länge gezogenes S; es erinnert, dass das Integral der Grenzwert einer Summe ist. Die Integrationsvariable kann beliebig bezeichnet werden: b b b a a a f ( x) dx f (t ) dt f (u ) .... Das bestimmte Integral ist als Grenzwert einer Produktsumme definiert (woraus sich die geometrische Deutung als Flächeninhalt ergibt). Viele physikalische Größen werden als solche Grenzwerte und damit als Integrale definiert. Das besprochene Integral, das so genannte RIEMANN – Integral, ist der einfachste, aber für die Anwendung wichtigste Integralbegriff. Es gibt noch andere Integrallbegriffe. Zettler Alexander Seite 2 Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 1.3 Stückweise Integration Stückweise Integration nach Zerlegung des Integrationsintervall: Für a < c < b gilt: b c b a a c f ( x) dx f ( x) dx f ( x) dx. 1.4 Bestimmtes Integral als Summe von orientierten Flächeninhalten a b b a f ( x) dx f ( x) dx. // Vertauschen der Integrationsgrenzen bewirkt einen Vorzeichenwechsel. a f ( x) dx 0 a Zettler Alexander Seite 3 Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 Im Überblick: 1. Es sei U n die Untersumme und O n die Obersumme einer Funktion y = f(x) für eine Zerlegung des Intervalls [a , b] in n gleich breite Teilintervalle. Existieren dann die Grenzwerte lim U n und lim On und stimmen sie überein, so heißt die Funktion n n integrierbar. De gemeinsame Grenzwert wird bestimmtes Integral von y = f(x) auf dem Intervall [a , b] genannt. y = f(x) heißt Integrand, x Integrationsvariable, a und b sind die Integrationsgrenzen. 2. Geometrische Deutung: Das bestimmte Integral ist gleich dem (orientierten) Flächeninhalt der Fläche zwischen dem Funktionsgraphen und der x-Achse. 3. Stetige oder stückweise stetige Funktionen sind integrierbar. 4. Stückweise Integration bei einer Zerlegung des Integrationsintervalles [a , b]: a c b a a c f ( x) dx f ( x) dx f ( x) dx. Ist a < c < b, so gilt: 5. Vereinbarungen: b b f ( x) dx f ( x) dx b a sowie a f ( x) dx 0 a 1. 5 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung 1.5.1 Stammfunktion und unbestimmtes Integral Die Integration ist die Umkehrung der Differentiation. F(x) ist die Stammfunktion von f(x), wenn F’(x)=f(x). Außerdem besitzt eine Funktion unendlich viele Stammfunktionen. Bsp.: Ermittle eine Stammfunktion von f(x)=x³+2x²+1 integrieren f(x)= x³+2x²+1 f ( x) x4 x3 xC 4 3 differenzieren Die Menge aller Stammfunktionen von f(x) wird als unbestimmtes Integral der Funktion f(x) bezeichnet. Schreibweise: f(x) x C f ( x)dx F ( x) C Integrand Integrationsvariable Integrationskonstante Die Integrationskonstante darf bei einem unbestimmten Integral nicht weggelassen werden. Gibt man C einen Wert, so bekommt man die zu dieser Konstante gehörige Stammfunktion. Zettler Alexander Seite 4 Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 Die Probe für die unbestimmte Integration lautet: f ( x)dx ' f ( x) Bsp.: Ermittle das unbestimmte Integral. 6 2 3 ( x x x ) dx 4 x7 x3 3 3 x C 7 3 4 1.5.2 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung Wenn man eine stetige Funktion f(t) hat dann gilt: x a.) Die Funktion A( x) f (t )dt ist die Stammfunktion von f(t). A’(x)=F(x). a b.) Wenn F(x) eine beliebige Stammfunktion von f(t) ist dann gilt: b f ( x)dx F (b) F (a) a Jede Flächenfunktion A(x) ist eine Stammfunktion und kann durch Integrieren ermittelt werden. Existiert keine Stammfunktion von f(x), (kommt bei stetigen Funktionen vor), oder wenn die Stammfunktion nicht ermittelt werden kann verwendet man zur Berechnung des bestimmten Integrals numerische Methoden. Bsp.: 3 x³ 3 2(2 x² 3)dx 22 x²dx 23dx 22 x² 321dx 2 3 2 3 x2 C 3 3 3 3 3 3³ (2)³ 2 3 3 (2) C 3 3 8 2 9 15 C 3 35 70 45 25 2 15 C C C 3 3 3 3 1.6 Grundintegrale Man kann eine Integrationsaufgabe kaum direkt mit Hilfe der Grundintegrale lösen, jedoch bilden sie einen guten Ausgangspunkt für das praktische Rechnen. Weitere Grundintegrale finden sie auf der Formelsammlung. Zettler Alexander Seite 5 Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 n x dx x n 1 C n 1 cosh xdx sinh x C 1 1 xdx ln x C cos ax a dx C ln a sin sin xdx cos x C cos xdx sin x C 1 x 2 x 1 x 2 x e dx cot x C 1 1 x2 1 sinh xdx cosh x C dx tan x C x 2 dx arcsin x C dx arctan x C dx e x C 1.7 Integrationsmethoden 1.7.1 Faktor- und Summenregel Faktorregel: a f ( x) dx a f ( x) dx // Ein konstanter Faktor a kann vor das Integral gesetzt werden Summenregel: f ( x) g ( x) dx f ( x) dx g ( x) dx // Eine Summe (Differenz) von Funktionen kann auch gliedweise integriert werden. Beispiel zur Faktor-und Summenregel: 6.13d) (Buch III.JG s.207) x 2 1 2 1 x dx 1 x dx // Man erkennt wenn man im Zähler für x x x einsetzt 2 x lässt sich der Ausdruck x kürzen. 3 2 1 3 1 1 x 1 1 x dx x dx C x 2 C x 3 C x x C 3 2 2 3 3 3 2 Alexander Zettler 1 2 Seite 6 Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 1.7.2 Integration durch Substitution - Lineare Substitution f (a x b) dx allg.: , es gilt u a x b => u ( x) u Bsp 6.22a) (s.210) (3 2 x) 4 dx // Man nimmt den Ausdruck in der Klammer als u (x) an, bildet die Ableitung u (x ) und drückt das Differential dx durch du aus. u u ( x) 3 2 x => u ( x) 2 du du u ( x) dx dx 2 Somit ergibt sich: 4 u 1 du 1 1 u 5 1 5 u 4 du C u 5 C 3 2 x C 2 2 2 5 10 10 - Multiplikation der Funktion f(x) mit ihrer Ableitung f'(x) allg.: u ( x) u ( x) dx Diese Methode wendet man an, wenn im Integral 2 Funktionen miteinander multipliziert werden und eine der beiden Funktionen die Ableitung der anderen Funktion entspricht. Bsp: sin( x) cos( x) dx // Hier erkennt man sofort, dass sin(x) abgeleitet cos(x) ergibt. Daher: u ( x) sin( x) , u ( x) cos( x) dx du cos(x) u cos( x) // Die Umformung auf dx erfolgt wie vorhin du u2 sin 2 ( x) u du C C cos( x) 2 2 Alexander Zettler Seite 7 Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 - Zähler ist Ableitung des Nenners u ( x) u( x) dx allg.: Diese Methode ist vergleichbar mit dem vorherigem Integraltyp. Der einzige Unterschied besteht darin indem 2 Funktionen einen Bruch bilden und der Zähler die Ableitung des Nenners ist. Bsp 6.35a) (s.211) x 2 x dx 1 u ( x) x 2 1 , u ( x) 2 x u ( x) => x du 1 1 du du dx dx 2x 1 1 u 2 x 2 u du 2 ln u C 2 ln x 2 1 C - Zusammengesetzte Funktion mal innere Ableitung f u( x) u ( x) dx allg.: Bsp 6.36a) (s.211) xe x2 dx // In diesem Beispiel erkennt man, wenn man den Ausdruck x² als innere Funktion annimmt und entsprechend die Ableitung bildet würde sich durch die Umformung auf dx die Variable x kürzen. u ( x) x 2 , u ( x) 2 x du du u ( x) dx dx 2x 2 du 1 1 ex e u du e u C C => x e 2x 2 2 2 u 1.7.3 Partielle Integration allg.: u ( x) v( x) dx u ( x) v( x) u ( x) v( x) dx Kurz : u v dx u v u v dx Alexander Zettler Seite 8 Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 Vorgangsweise: Der Integrand f(x) des Integrals f ( x) dx wird in zwei Faktoren zerlegt: f(x)=u(x).v'(x) Dabei sollte man bei der Zuordnung der beiden Faktoren folgende Richtlinie beachten: - Faktor u(x) wird so gewählt, dass das Differenzieren des Faktors einfacher wird Faktor v'(x) wird so gewählt, dass das Integrieren nicht komplizierter wird Bsp 6.45b) (s.214) e 4 x sin( 4 x) dx u ( x) sin( 4 x) , v( x) e 4 x // Diese Faktoren wurden deshalb so gewählt, weil man beim Differenzieren und Integrieren dieser Faktoren sich leichter tut als umgekehrt. u ( x) 4 cos( 4 x) , v( x) v ( x) dx e => 4 x e 4 x 4 e 4 x e 4 x sin( 4 x) dx sin( 4 x) 4 cos( 4 x) dx 4 4 e 4 x sin( 4 x) e 4 x cos( 4 x) dx 4 Hier wurde der 4er gekürzt und das MinusZeichen wurde aus dem Integral herausgehoben und wurde zum + Das neu entstandene Integral kann wiederum mit der part. Integration gelöst werden. u ( x) cos( 4 x) , v( x) e 4 x u ( x) 4 sin( 4 x) , v( x) => 4 x e sin( 4 x) dx e 4 x 4 e 4 x e 4 x e 4 x sin( 4 x) cos(4 x) 4 sin( 4 x) dx 4 4 4 => e 4 x e 4 x sin( 4 x) cos( 4 x) sin( 4 x) e 4 x dx 4 4 => e 4 x e 4 x sin( 4 x) cos( 4 x) sin( 4 x) e 4 x dx 4 4 Alexander Zettler Seite 9 // Würde man den Integralausdruck am Schluss weiter integrieren würde man auf keine Lösung kommen da der Intergrierprozess nie endet. Daher bringt man diesen Ausdruck auf die andere Seite Computer und Medien im Mathematikunterricht WS 2010/11 2 e 4 x sin( 4 x) dx e 4 x e 4 x sin( 4 x) cos( 4 x) / 2 4 4 e 4 x e 4 x sin( 4 x) cos( 4 x) 8 8 e 4 x 4 x e sin( 4 x ) dx sin( 4 x) cos( 4 x) C 8 4 x e sin( 4 x) dx Alexander Zettler Seite 10 / durch Herausheben ergibt sich / Lösung