Mitteilung – zur Kenntnisnahme

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Drucksache 15/ 3254
23.09.2004
15. Wahlperiode
Antrag
der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS
Antidiskriminierungs- und Integrationsfördermaßnahmen für Berlin
Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:
a)
Der Senat wird aufgefordert, einen Aktionsplan „Freiräume
und Integrationschancen für zugewanderte Frauen und
Mädchen“ zu erarbeiten und umzusetzen. Dieser soll
insbesondere folgende Einzelmaßnahmen und Aspekte
beinhalten:




Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote für Familienund Erziehungsberatungsstellen beim Erkennen von und
im
Umgang
mit
religiösen
und
kulturellen
Alltagskonflikten,
Mädchen
mit
Migrationshintergrund
erhalten
Ansprechpartnerinnen an den Schulen für ihre
spezifischen Probleme,
Qualifizierung der Jugendämter für spezifische Probleme
jugendlicher Migrantinnen, z.B. im Bereich von
Zwangsverheiratungen,
Der Senat wird zusammen mit den Partnern am Runden
Tisch Ausbildungsplätze darauf hinwirken, dass
Benachteiligungen wegen Rasse, Herkunft, Religion oder
Weltanschauung vermieden werden.
b) Der Senat wird aufgefordert einen Arbeitskreis „Islam und
Schule“ einzurichten. In diesem Arbeitskreis sollen neben den
Senatsverwaltungen für Bidung, Jugend und Sport, für
Wissenschaft und Kultur sowie dem Beauftragten des Senats
für Migration und Integration vor allem pädagogische und
islamwissenschaftliche Kompetenz aus den Berliner
Universitäten, interreligiöse Kompetenz sowie Vertreterinnen
und Vertreter von Religionsgemeinschaften mitwirken.
Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen.
Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28.
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Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode
Drucksache 15/ 3254
Der Arbeitskreis soll:




c)
bereits jetzt - im Vorgriff auf bundesgesetzliche
Regelungen zur Umsetzung der EU Richtlinien
zur Bekämpfung von Diskriminierungen wegen
Rasse, Herkunft, Religion, Weltanschauung eine
Stelle
zur
Förderung
der
Gleichbehandlung
(Antidiskriminierungsstelle) nach folgenden
Maßgaben und mit folgenden Aufgaben
einzurichten:
Handreichungen für Schulen, Lehrkräfte,
Eltern
und
Schüler
für
praktikable
Lösungswege bei interreligiösen Konflikten
insbesondere
Zusammenhang
mit
der
Nichtteilnahme von Muslima am Sport- und
Schwimmunterricht, an der Sexualerziehung,
an Klassenfahrten, an Freizeitaktivitäten und
Arbeitsgemeinschaften, sowie zum Frauenbild,
zum
Kontrolldruck
auf
muslimische
Schülerinnen und zu Konflikten unter
Schülerinnen und Schülern entwickeln,
Fortbildungsangebote für Hintergründe, zum
Erkennen von und den Umgang mit
interreligiösen Konflikten an der Schule
entwickeln,
darauf hinwirken, dass islamwissenschaftliche
Kenntnisse und Fähigkeiten beim Umgang mit
interreligiösen Konflikten in die Ausbildung
von
Lehrerinnen
und
Lehrer
sowie
Erzieherinnen und Erzieher einfließen.
einen Diskussionsprozess mit den islamischen
Religionsgemeinschaften über Standards für den
islamischen Religionsunterricht führen.



Der Senat wird aufgefordert gemeinsam mit der
Landeszentrale für Politische Bildung, den
Stiftungen
der
politischen
Parteien
Informations- und Aufklärungsmaßnahmen
zu initiieren, die das Ziel haben, sowohl über
die Bedeutung des Islam für hier lebende
Muslime, die multireligiöse Realität, und über
die Situation von muslimischen Frauen und
Mädchen aufzuklären, als auch über die
besondere
Rolle
des
islamischen
Fundamentalismus zu informieren.

1.
Der Senat wird aufgefordert, folgendes
sicherzustellen
und
nötigenfalls
hierzu
gesetzliche Regelungen zu erarbeiten und dem
Abgeordnetenhaus vorzulegen:
Das Land Berlin fördert die Einstellung
mehrsprachiger Bürgerinnen und Bürger mit
Migrationshintergrund in der Berliner
Verwaltung. Zur Förderung der interkulturellen
Kompetenz werden bei Einstellungen und
Stellenbesetzungen besondere Kenntnisse von
Herkunftssprachen nach Berlin zugewanderter
Bevölkerungsgruppen
als
besondere
Qualifikation gewertet.
d) Der Senat wird aufgefordert, Angebote des
community
coachings,
die
sich
mit
antidemokratischen,
antisemitischen und
rassistischen
Tendenzen
auch
unter
Migrantinnen und Migranten beschäftigen,
weiterzuentwickeln.
Besondere
Aufmerksamkeit gilt hier dem Islamismus. Sie
sollen antidemokratische Tendenzen erfassen,
Hilfe beim Konfliktmanagement anbieten und
Verwaltung und Zivilgesellschaft bei der
Entwicklung von Gegenstrategien beraten.
e)
Beim Beauftragten des Senats für
Migration und Integration wird eine Stelle
für
Antidiskriminierungspolitik
bei
Diskriminierungen wegen Herkunft, Rasse,
Weltanschauung oder Religion eingerichtet.
Die Stelle nimmt Beschwerden über
Diskriminierungen und Konflikte wegen
Herkunft, Rasse, Weltanschauung oder
Religion entgegen und geht ihnen nach. Sie
hat das Recht und die Pflicht, in
Konfliktfällen zwischen den Beteiligten zu
vermitteln. Dabei wird sie von öffentlichen
Verwaltungen und Einrichtungen des
Landes Berlin unterstützt.
Die Stelle veröffentlicht Berichte und legt
Empfehlungen zu allen Aspekten vor, die
mit
diesen
Diskriminierungen
in
Zusammenhang stehen.
Sie fungiert als Interventions- und
Beratungsstelle
bei
interreligiösen
Konflikten.
Dem Abgeordnetenhaus ist hierüber bis zum
31.03.2005 Bericht zu erstatten.
Der Senat wird aufgefordert gegenüber dem
Bund auf eine umfassende Umsetzung der drei
EU-Richtlinien 2000/43, 2000/78, 2002/73 zu
drängen und sich auf die Umsetzung in Berlin
vorzubereiten. Dies beinhaltet auch, dass
öffentliche Aufträge des Landes Berlin nicht an
Bewerber vergeben werden dürfen, die andere
Menschen wegen ihrer Herkunft, Rasse
Religion
oder
Weltanschauung
diskriminieren.Der Senat wird aufgeordert
Begründung:
Nach einer breiten öffentlichen Debatte aus Anlass
des
sogenannten
Kopftuchstreites
über
Notwendigkeit und Sinn gesetzlicher Regelungen
zur Sicherstellung der weltanschaulich-religiösen
Neutralität
des
Staates
sowie
deren
integrationspolitischer Risiken beantragen SPD und
PDS ein Paket konkreter Antidiskriminierungs- und
Integrationsfördermaßnahmen. Damit soll der
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Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode
Drucksache 15/ 3254
Gesetzentwurf zur Regelung der weltanschaulichreligiösen Neutralität des Staates, der vom Senat
vorgelegt worden ist, flankiert werden.
Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und
Erzieher, Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie die
Öffentlichkeit insgesamt sind auf diese Konflikte
unzureichend vorbereitet.
Ziel dieses Maßnahmepaketes ist:
-
Der einzurichtende Arbeitskreis „Schule und Islam“
soll sowohl Kompetenz zur Beratung von
Verwaltung bündeln, als auch helfen zwischen der
Gesellschaft
und
Muslimischen
Religionsgemeinschaften vermitteln helfen. Deshalb
sollen in ihm neben den Senatsverwaltungen für
Bildung,
Jugend
und
Sport,
der
für
Religionsgemeinschaften
zuständigen
Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur
sowie dem Beauftragten des Senats für Migration
und Integration auch Islamwissenschaftliche
Kompetenz und Vertreterinnen und Vertreter von
muslimischen Religionsgemeinschaften mitarbeiten.
ein deutliches Zeichen gegen Stigmatisierung
von hier lebenden Muslimen zu setzen,
Angebote
zur
Bearbeitung
realer
Integrationsprobleme zu schaffen und
Hilfestellung bei der Bewältigung konkreter
interkultureller Probleme zu geben.
Jedem Anschein von Stigmatisierung von Muslimen
muss entgegengetreten werden. Sie sind ein Teil
dieser Gesellschaft. Konflikte die sich aus dem
Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und
Religionen ergeben, sind daher Probleme dieser
Gesellschaft.
In diesem Sinne sind die Vorschläge ein Angebot an
hier lebende Migrantinnen und Migranten insbesondere muslimischen Glaubens - zur besseren
Integration.
Der Arbeitskreis soll Plattform des Dialogs
zwischen
Öffentlichkeit
und
muslimischen
Religionsgemeinschaften sein und sich damit zu
einer
akzeptierten
gesellschaftlichen
Vermittlungsinstanz
entwickeln.
Er
soll
Ansprechpartner bei interreligiösen Konflikten sein.
Er soll Kompetenz bündeln und Konzepte des
Umgangs mit solchen Konflikten erarbeiten.
Insbesondere sollen Hilfsangebote für den Umgang
mit solchen Konflikten an der Schule erarbeitet
sowie Konzepte entwickelt werden, wie Lehrerinnen
und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher in ihrer
Aus- und Fortbildung auf solche Konflikte
vorbereitet werden können. Außerdem soll er - im
Dialog mit Religionsgemeinschaften des Islam –
Standards für den Islamischen Religionsunterricht
erarbeiten.
zu 1.) Frauen
und
Mädchen
mit
Migrationshintergrund bedürfen in besonderem
Maße der Förderung zur Sicherung gleicher
Lebenschancen.
Sie sind in besonders betroffen von Konflikten
zwischen ihrem kulturellen und familiären
Hintergrund und der Gesellschaft.
Deshalb
sollen
die
Erziehungsund
Familienberatungen
sowie
die
Jugendämter
sensibilisiert werden um in diesen Konflikten Hilfe
anbieten zu können.
Insbesondere
soll
Mädchen,
die
von
Zwangsverheiratungen betroffen sind, Hilfe und
Beratung gewährt werden.
An den Schulen werden Mädchen mit
Migrationshintergrund
spezielle
Ansprechpartnerinnen für Probleme und Konflikte
zwischen Elternhaus und Schule erhalten.
Zu 3.) Im öffentlichen Bewusstsein dominieren
Unsicherheit und Vorurteile gegenüber der
drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland.
Der Islam ist hier gesellschaftliche aber zugleich
verdrängte Normalität. Hier soll öffentliche
Aufklärung ansetzen und helfen Vorurteile und
Ängste
abzubauen
aber
auch
die
Auseinandersetzung mit Islamismus befördern
Um ihre Chancen auf Ausbildung und
Beschäftigung zu verbessern sollen am Runden
Tisch für Ausbildung gemeinsam mit den dort
Beteiligten Wege gegen Diskriminierungen beim
Zugang zu Ausbildung gefunden werden.
Zu 4.) Islamistischen Bestrebungen erfordern
Gegenwehr. Im Unterschied zur übergroßen
Mehrheit hier lebender Muslime richten sich
Islamisten gegen eine offene, demokratische
Gesellschaft.
Zu 2.) Der Dialog und der Umgang mit der
drittgrößten konfessionellen Gruppe in Deutschland
ist unterentwickelt. Daraus resultieren eine Reihe
von
Vorurteilen,
Missverständnissen
und
Konflikten.
Islamistische Tendenzen müssen aufgedeckt werden.
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit
antidemokratischen,
antisemitischen
und
rassistischen Tendenzen soll deshalb befördert
werden – im Großen wie im Kleinen.
Zudem verstärken die vielfältigen Auslegungen des
Islam die Unsicherheiten im Umgang damit.
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Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode
Drucksache 15/ 3254
Das community caoching hat sich bisher vor allem
in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus
und Rassismus aber auch bereits in Ansätzen mit
Islamismus bewährt. Durch Kommunalanalysen
sollen islamistische Tendenzen in den Bezirken
erkannt und zur öffentlichen Debatte gestellt
werden. Gleichzeitig sollen Verwaltung und
gesellschaftliche
Akteure
für
die
Auseinandersetzung
In Berlin kann darauf nicht gewartet werden.
Die
Antidiskriminierungsstelle
wird
beim
Beauftragten des Senats für Migration und
Integration eingerichtet, um die dort vorhanden
Erfahrungen und Kompetenzen nutzen zu können.
Im Einzelnen soll die Stelle Beschwerden über
Diskriminierungen und Konflikte wegen Herkunft,
Rasse,
Weltanschauung
oder
Religion
entgegennehmen und ihnen nachgehen. Sie soll in
Konfliktfällen zwischen den Beteiligten zu
vermitteln. Dabei wird sie von öffentlichen
Verwaltungen und Einrichtungen des Landes Berlin
unterstützt. Die Stelle veröffentlicht Berichte und
legt Empfehlungen zu allen Aspekten vor, die mit
diesen Diskriminierungen in Zusammenhang stehen.
Zudem soll die Stelle als Interventions- und
Beratungsstelle bei interreligiösen Konflikten
fungieren.
Gewonnen, dabei unterstützt sowie bei der
Erarbeitung von Gegenstrategien beraten werden.
Zu 5.) Diskriminierungen von Migrantinnen und
Migranten aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer
Religion oder Weltanschauung sind nach wie vor im
Alltag präsent. Sie sind ein Hindernis für Integration
und gleichberechtigtes Zusammenleben.
Neuzuwanderer, Flüchtlinge - aber auch die große
Zahl von Personen unterschiedlicher Herkunft und
ihrer hier geborenen Kinder, die sich schon viele
Jahre in Berlin aufhalten - sehen sich vielfältigen
Diskriminierungen auf Grund ihrer ethnischen
Herkunft, ihrer Weltanschauung und ihrer Religion
ausgesetzt.
Die
Umsetzung
anderer
EU-Richtlinien
beispielsweise hinsichtlich der Bekämpfung der
Diskriminierung wegen des Geschlechts wird durch
die Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle bei
Diskriminierungen
wegen
Herkunft,
Rasse,
Weltanschauung oder Religion nicht berührt.
Es bedarf intensiver Anstrengungen, um solche
Diskriminierung zu bekämpfen.
Zu einer wirksamen Antidiskriminierungspolitik
gehört auch, dass der Senat dafür sorgt, dass
öffentliche Aufträge des Landes Berlin nicht an
Bewerber vergeben werden, die Menschen wegen
ihrer Herkunft, Rasse Religion oder Weltanschauung
diskriminieren.
Deshalb soll eine Leitstelle zu Förderung der
Gleichbehandlung (Antidiskriminierungsstelle) zur
Bekämpfung von Diskriminierungen wegen Rasse,
Herkunft, Weltanschauung und Religion eingerichtet
werden. Dies erfolgt im Vorgriff auf gesetzliche
Regelungen die auf der Bundesebene auf Grund der
EU-Richtlinien
zur
Bekämpfung
von
Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft
zu verabschieden sind. Die Richtlinien, die sich auf
Artikel 13 des Europäischen Gemeinschaftsvertrags
(EGV) stützen, hat der Rat der Europäischen Union
im Juni 2000 verabschiedet. Bezüglich der
Antidiskriminierungsstellen heißt es in der Richtlinie
2000/42/EG, dass „jeder Mitgliedstaat (...) eine oder
mehrere Stellen bezeichnet, deren Aufgabe darin
besteht, die Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung
aller
Personen
ohne
Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft
zu fördern.“
Zu 6.) Zur Förderung interkultureller Kompetenz
der Berliner Verwaltung und zur besseren
Integration von Migrantinnen und Migranten soll die
Einstellung mehrsprachiger Bürgerinnen und Bürger
mit Migrationshintergrund befördert werden. Bei der
Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern für
Stellenbesetzungen oder Einstellungen sollen
Kenntnisse von Herkunftssprachen nach Berlin
zugewanderter Bevölkerungsgruppen als besondere
Qualifikation in die Bewertung der Fähigkeiten und
der Eignung eingehen. Dies soll der Senat
sicherstellen und nötigenfalls hierfür gesetzliche
Regelungen erarbeiten und dem Abgeordnetenhaus
vorlegen.
Der Senat soll auf Bundesebene auf eine zügige
Umsetzung dieser Richtlinien drängen.
Berlin, den 23. September 2004
Müller Fischer Kleineidam
und die übrigen Mitglieder der Fraktion der SPD
Liebich Seelig Wolf
und die übrigen Mitglieder der Fraktion der PDS
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Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode
Drucksache 15/ 3254
Ausschuss-Kennung : GesSozMiVergcxzqsq
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