Traditionelle Konzeption des Entwicklungsbegriffs Von Entwicklung wird gesprochen, wenn: - Eine Veränderungsreihe mit mehreren Schritten vorliegt, die eine Richtung auf einen Endzustand aufweist, der gegenüber dem Ausgangszustand höherwertig ist, - wenn die Abfolge der Schritte unumkehrbar (irreversibel) ist - und die Veränderungen sich als qualitative strukturelle Transformationen im Unterschied zu nur quantitativen Wachstum beschreiben lassen. - Die Glieder der Veränderungsreihe gehen auseinander hervor, d.h. die früheren Glieder sind Voraussetzung für die späteren, - die entwicklungsmäßigen Veränderungen sind mit dem Lebensalter korreliert - und sie sind universell , natürlich und nicht kulturgebunden (Stichwort: geordnete Transformation) (Stichwort: Entfaltung eines inneren Bauplanes) Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Eine traditionelle Konzeption der Entwicklung unterscheidet grob eine Phase des Aufbaus oder des Wachstums, Phase der Reife oder Stabilität und eine Phase des Alterns oder des Abbaus. Die moderne Entwicklungspsychologie der Lebenspanne hat sich insbesondere gegen diese Gleichsetzung von Altern und Abbau gewandt. Sie hat aufgewiesen, daß Entwicklung über die gesamte Lebensspanne gleichzeitig die Aspekte Wachstum oder Gewinn und Abau oder Verlust enthält. Neue Funktionen ersetzen alte, Entwicklung ist immer auch Spezialisierung unter Vernachlässigung alternativer Optionen. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Typologie von Entwicklungstheorien Kernfrage: Ist das Subjekt Gestalter seiner Entwicklung oder wird seine Entwicklung von inneren und äusseren Kräften gelenkt Umwelt aktiv nicht aktiv ______________________________________________ aktiv interaktionistische Theorien Subjekt ______________________________________________________________ nicht aktiv Exogenistische Theorien SelbstgestaltungsTheorien endogenistische Theorien Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Methodische Zugänge zum vorsprachlichen Kleinkind Tagebücher Systematische Verhaltensbeobachtungen Bildgebende Verfahren für neurologische Prozesse Vergleichende Ethologie Verhaltenskanäle für das menschliche Neugeborene 1. Allgemeiner Erregungsgrad (“arousal“ und „state“) 2. Visuelle Aufmerksamkeitszuwendung 3. Veränderung im Saugverhalten 4. Mimische Ausdrucksverhalten Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Frühkindliche Entwicklungszeit im sozialhistorischen Kontext Überlebensrate z.b. kaum die Hälfte der 1865 in Berlin geborenen Kinder wurde älter als 5 Jahre; 1910 verstarb ca. 20 % der Kinder im ersten Lebensjahr. Heute liegt die Säuglingssterblichkeit in den industrialisierten Ländern bei unter 10 auf 1000 Geburten. Geburtenrückgang Trotz enorm langer Lebenszeit gibt es in Deutschland mehr Todesfälle unter älteren Erwachsenen als Geburten, mehr Menschen über 65 Jahre als Kinder unter 5 Jahren Veränderte Familienstrukturen Mehr vertikale als horizontale Verwandtschaft Verändertes Elternverhalten Hygiene, Tagesrhytmus, Ernährung, etc. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Vorgeburtliche Entwicklung Die Zeit von der Konzeption bis zur Geburt heißt in bezug auf die werdende Mutter : „Schwangerschaft“ Und in bezug auf das werdende Kind : „Gestationszeit“. Sie beträgt termingerecht 40 Wochen, gerechnet vom Zeitpunkt der letzten Menstruation. Der menschliche Keim heißt in den ersten 8-12 Wochen der Gestationszeit : „Embryo“. In dieser Zeit entwickeln sich die Körperstrukturen und die inneren Organe. An dem drittem Monat der Schwangerschaft wird das Kind als „Fötus“ bezeichnet. In dieser Zeit macht das Gehirn große Wachstumsschübe durch; es differenziert sich das zentrale Nervensystem, die Organe nehmen ihre Funktionen auf und das Kind entwickelt motorische Aktivität. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Vorgeburtliche Entwicklung Die Entwicklung des Zentralen Nervensystems u.a. erstreckt sich das Hirnwachstum weit in die postnatale Zeit, bei der Geburt sind erst 23% des später im Erwachsenenalter erreichten Hirnvolumens vorhanden. Zwei Wachstumsschübe charakterisieren das Gehirnwachstum. Der erste liegt zw. dem 3. Und 5. Gestationsmonat, es ist zugleich die Zeit der höchsten Gefährdung des Gehirns. Wenige Wochen vor der Geburt beginnt ein zweiter Wachstumsschub bis um den dritten bis vierten Monat nach der Geburt; in dieser Zeit differenzieren sich die Nervenzellen rapide. Drei Entwicklungsprinzipien charakterisieren die Gehirnentwicklung: Verschiedene Hirnbereiche, aber auch die Sinnesorgane entwickeln sich heterochron. 1. Entwicklung bedeutet sowohl Zunahme wie Abnahme und Selektion 2. Gehirn und Sinnesorgane entwickeln sich lange Zeit unabhängig voneinander, 3. Hirnentwicklung ist zunächst nicht auf die Stimulation über die Sinnesorgane angewiesen. Motorische Verhaltensentwicklung des Fötus Der Fötus ist ab der 8. bis 12. Gestationswoche aktiv, er zeigt spontane Aktivität und strukturierte Aktivität. Ab der 14. Woche beobachtet man eine Zyklisierung der Aktivität mit Schüben und Ruhepausen: Geschlechtsdifferenzierung des Fötus Wird durch das Sperma des Vaters chromosomal festgelegt. Die geschlechtsspezifische Ausbildung der Organe und des Gehirns werden in der Gestationszeit sowohl durch Hormone der Mutter als auch durch Hormone, die der Fötus selbst produziert, gesteuert ( bis 5. Monat neuronale Grundlagen für die Reproduktionsfunktionen und bis zum 7. Monat die neuronalen Grundlagen für geschlechtstypisches Verhalten. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Vorgeburtliche Risiken Von jeweils 100 befruchteten Eizellen gelangen nur etwa 18-20 zur Geburt 3% der Kinder kommen mit Mißbildungen der Gliedmaßen oder der Organe zur Welt ( Ursachen: spontan, Medikamente, Strahlen, Umweltgifte, Infektionskrankheiten der Mutter) Für die Organentwicklung der Embryonal- und Fötalzeit gibt es gefährdete Zeiten Durch intensive medizinische Betreuung ( Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen ) und Frühdiagnostik (Amniocentese, Chorionzottenbiopsie) können schwerwiegende Mißbildungen frühzeitig erkannt werden. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Die Geburt Die normale Geburt Die Riskogeburt Elterliche Bindungsprägung Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Die Normale Geburt Mitteleuropäische Babies sind 51-54 cm groß und wiegen zwischen 3 und 3,5 kg. „reifgeboren“ = Geburt Schwangerschaftswoche „frühgeboren“ = Geburt Schwangerschaftswoche „übertragen“ = Geburt Schwangerschaftswoche zw. 37.-42. vor der 37. nach der 42. Die unmittelbare Anpassungsleistung des Neugeborenen wird innerhalb der ersten 10 Minuten nach der Geburt mit dem sog. „APGAR“ – Index erfaßt. Dieser berücksichtigt folgende Kriterien: 1. Hautfärbung 2. Gleichmaß und Art der Atmung 3. Muskeltonus 4. Reflexauslösbarkeit 5. Puls Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Die Risikogeburt Risikokinder Frühgeborene Kinder mit unmittelbaren Geburtskomplikationen Kinder mit Störungen des endokrinen Systems (Enzymdefekte) Kinder mit Chromosomenfehlern Bedeutung der prä- und perinatalen Risiken für die psychologische Entwicklung Langfristig gesehen sind die pränatalen Probleme bedeutsamere Prädiktoren als die akuten peri- und postnatalen Komplikationen. Noch größere prädiktorische Bedeutung haben jedoch die psychosozialen Risikofaktoren während der frühen Kindheit. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Elterliche Bindungsprägung („bonding“) Nach der Geburt haben Neugeborene meist eine ungewöhnlich lange ruhige Wachperiode von fast einer Stunde. Vermutlich dient diese dazu, daß Eltern, Mutter und Vater, eine tiefe emotionale Bindung an das Kind entwickeln und fürsorgliches elterliches Pflegeverhalten aktivieren. Diese emotionale Bindung der Eltern an das Kind wird „bonding“ genannt. Diese Erkenntnisse haben großen Einfluß auf die Geburtspraxis gehabt ( z.B. „rooming-in“, Hausgeburten, Vater bei Geburt anwesend, usw.) Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Das Neugeborene Als Neugeborenenphase bezeichnet man den Zeitraum von Geburt an bis 8 Wochen danach Die Entwicklung des Sinnesrepertoire HÖREN ab der 24. SW bzw 24.GW möglich; dabei ist der Frequenzbereich, der besonders gut gehört wird, der der menschlichen Sprache SEHEN das Neugeborene kann in einer Entfernung von 25-3o cm scharf sehen, dabei bevorzugt es Gesichter gegenüber Gegenständen und interessiert sich mehr für Bewegung HAPTATION macht intrauterin schon Erfahrungen mit der Gebärmutterwand, suchen dort sozusagen "„Halt“, auch Frühgeborene gedeihen besser, wenn sie in einer Art „Nestchen „liegen Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Das Neugeborene Motorisches Verhaltensrepertoire Allgemeine Motorik Das NG ist- verglichen z.B. mit Pferden- sozusagen schwach auf den Beinen, die Motorik entwickelt sich langsam. Lediglich die Bewegungsfähigkeit der Augenmuskeln ( zur Einstellung der Augenbewegungen) ist gut entwickelt. Es gibt einen Aktivitätszyklus, der jedoch weitgehend von den Erlerntem und Essenszeiten abhängt. Erst nach einigen Monaten zeigt sich beim Kind ein eigener Zeitgenerator. Die Eltern sind auch hierbei wichtig als Zeit und Regulationshilfen. Saugen Das NG hat die Aufgabe zu wachsen und sein Gehirn weiterzuentwickeln. Dazu braucht es Nahrung und Erregung bzw. Aufmerksamkeit. Beides wird durch das Saugen geregelt. Das Saugen und seine Hauptfunktion, nämlich die Beruhigung zeichnet sich durch 3 Komponenten aus: motorische (orotaktile) : beruhigt unmittelbar gustatorische: Milch beruhigt ( opoid-vemittelt) endokrin-digestive: durch die spätere Verdauung ( endorphin-vermittelt) Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Das Neugeborene Nachahmung bereits ab Geburt vorhanden (z.B. Zunge herausstrecken und Mundöffnen etc.) Die Entwicklungsbedeutung von „Nachahmung“ liegt darin, daß es ein Mittel für interaktive Lernprozesse darstellt und unerläßlich für die Anpassung des Menschen an seine Umwelt ist. Organisationsstruktur des Verhaltens von Neugeborenen Das Entwicklungsmodell von Als und Bracelton: Entwicklung ist Differenzierung, Stabilisierung und hierarchische Integration von Teilsystemen des Verhaltens Man unterscheidetet 4 Teilsysteme: das autonome System (Atmung, Kreislauf, Körpertemperatur) das motorische System das Bewußtseinsniveau und seine Regulation die Stabilisierung des Aufmerksamkeitsniveaus, was die aktive Zuwendung des Kindes zur Stimulusaufnahme sichert. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Entwicklungsperiode vorherrschende Entwicklungsaufgaben Säuglingsalter 0 – ½ Jahr - physiologische Regulationen - sensomotorische Funktionen - Spannungs- und Erregungskontrolle - elementare Kommunikation mit der Umwelt und interpersonelle Bindung Kleinkindalter ½ Jahre - stabile interpersonelle Bindung - motorische Kontrolle - kognitive und sprachliche Funktionen - Erkundungsverhalten Kindergartenalter 2-4 Jahre - Grundlagen der Autonomieentwicklung - Sprachentwicklung - Phantasie und Spiel - Verbesserung der Selbstkontrolle (motorisch, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Entwicklungsperiode vorherrschende Entwicklungsaufgaben Vorschul- und frühes Schulalter 5 – 7 Jahre - Impulskontrolle - einfache moralische Entscheidungen - Geschlechtsrollenidentifikation - Beziehung zu Gleichaltrigen - Spiel in Gruppen mittleres Schulalter (Grundschulalter) 8 – 11 Jahre - Freundschaften - soziale Kooperation - Kulturtechniken ( Lesen, Schreiben) - körperliche und schulische Kompetenz und Selbstbewußtsein - Arbeitshaltung Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Kind 18-24 Monate Wichtige Entwicklungsbereiche: Sprache Vorstellungen von der Welt und von Beziehungen Von Baby zum Kleinkind Motorische Veränderungen: Bewegungen gewinnen an Routine und Eleganz Kognitive Veränderungen: auf ein Ziel hin zu planen und zu handeln Symbolspiel beginnt Emot. und Sozialverhalten: nimmt immer aktiver an triadischen Beziehungen teil Weitere Schritte: Entdeckung des „Selbst“ im Spiegel /= Begreifen von synchroner Identität, ist eine Voraussetzung zur Entwicklung von Empathie Entwicklung von kulturellen und sozialen Unterschieden Trotzverhalten ( Grund: zu große Starrheit in seinem Zielverhalten ) Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Kind im Alter von 12 Monaten Motorische Veränderungen: Freies Laufen wird möglich (hier sind die Eltern-Kind Interaktionen bedeutsam) Kognitive Veränderungen: Funktioneller Gebrauch von Gegenständen ( z.B. Löffel zum essen) wird immer selbstverständlicher Emot. und Kommunikationsverhalten: Zeigegeste und nonverbales Verhalten ( z.B. Kopfschütteln bei „nein“ wird verstanden. Trennungsangst tritt auf und bleibt bis zum ca. 3 Lebensjahr mehr oder weniger stark ; dies ist entwicklungspsychologisch aus dem sog. „Bindungsverhalten“ nach Bowlby „Attachment“ zu erklären: Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Bindungstheorie nach John Bowlby Jeder Mensch ist mit mehreren Verhaltenssystemen ausgestattet, die das Überleben der Spezies sichern, aus der Entwicklung hervorgegangen sind und für diese Spezies charakteristisch und stabil sind. Hierzu gehören beim Kind: - das System des „Bindungsverhaltens“ ( „Attachement“) Und beim Erwachsenen sein Komplement -das „Fürsorgeverhalten“ ( „Bonding und materna/paternall behavior“) Das Bindungsverhalten soll Sorge tragen, daß die Pflegepersonen in der Nähe bleibt und Schutz sowie Hilfe bietet wenn nötig. Es wird insbesondere in Alarmsituationen aktiviert. ALLE Kinder bilden personenbezogene Bindungen aus, vorausgesetzt ein Minimum an Interaktionsmöglichkeiten bestehen. Die Qualität der Bindungsbeziehung wird im sog. „FremdeSituationstest“ geprüft. Hier finden sich Kinder mit sicherem Bindungstil, mit vermeidend- unsicherem Bindungsstil und mit ambivalent-unsicherem Bindungsstil. Die Bindungsstile haben einen hohen Vorhersagewert für die Entwicklung von Sozialen Kompetenzen, Selbstvertrauen und der Persönlichkeitsentwicklung. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Kindheit 4 – 11 Jahre Dies ist ein kulturell definierter Lebensabschnitt. In vielen Kulturen muß das Kind schon für seinen Lebensunterhalt (mit) sorgen.: Allerdings trägt es noch nicht die Verantwortung von Erwachsenen. Entwicklungsthemen: - Selbständigkeit Autonomie Beziehung zu Gleichaltrigen („peers“) Geschlechtsidentität Spielverhalten (= zentrales Phänomen Entwicklungsabschnittes) dieses Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Das kindliche Spiel Das kindliche Spiel soll u.a.: - überschüssige Energie abbauen Leitungsverhalten einüben „existentielle Erregung“ vermitteln Bewältigungsmöglichkeiten für Konflikte und eine Ebene der Wunscherfüllung bieten. Die drei Merkmale des kindlichen Spiels 1. Selbstzweck Im Spiel wird das sog. „flow-Erlebnis“ erfahren; dies ist die besondere Erfahrung bei der ausgeführten Tätigkeit optimal beansprucht zu werden, der Handlungsablauf ist flüssig, die Konzentration erfolgt von selbst, das Zeiterleben ist weitgehend ausgeschaltet und man „geht ganz in der Tätigkeit auf“. 2. Wechsel des Realitätsbezuges Das Kind konstruiert eine andere Realität, das Spiel bildet einen anderen Handlungsrahmen; dies gibt es auch bei Jungtieren, z.B. in den sog. „Schaukämpfen“. 3. Wiederholung und Ritual Bestimmte Spielsequenzen werden oft exzessiv wiederholt, nehmen Ritualcharakter an. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Das kindliche Spiel Psychologische Theorien des kindlichen Spiels Die psychologischen Theorien des kindlichen Spiels haben verschiedene theoretische Hintergründe, doch kommen sie bei der Deutung des Spiels auf einen gemeinsamen Erklärungskern : Die Wunscherfüllung Sigmund Freud Betonte die wunscherfüllende Funktion des kindlichen Spiels; hier herrscht das Lustprinzip vor, durch das Spiel erfolgt auch eine Art „Katharsis“ ( = Reinigung, meint : Ausagieren von spannungsreichen Gefühlen und Konflikten) Wygotsky sieht im Spiel auch die Erfüllung unrealisierbarer Wünsche Jean Piaget Spiel entsteht aus einem Überhang an Assimilation, es ist eine Gegenreaktion gegen den Sozialisationsdruck und dem Zwang der allgemeinen Wirklichkeit Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Entwicklungsformen des kindlichen Spiels Sensumotorisches Spiel Mit dem Körper oder mit Rassel, etc. Informationsspiel Gegenstände erkunden Konstruktionsspiel Mit Werkzeug und oder Rohmaterial Das als-ob-Spiel, das Symbolspiel Dies stellt die eigentliche kindliche Spielform dar, Kind deutet z.B. einen Gegenstand um, gibt ihm eine andere Bedeutung, die Handlungen des sozialen Umfeldes werden dabei teilweise übernommen ( z.B. Holzklotz ist Auto, mit dem zu Tankstele gefahren wird, das einen Unfall hat etc.) Rollenspiel Personen werden fiktive Rollen zugewiesen, häufig sind hierbei mehrere Personen beteiligt Regelspiel Dies ist die soziale Form des Spiels, es wird nach Regeln gespielt, oft ist hierbei der Leistungsvergleich reizvoll Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Das kindliche Spiel Warum spielen Kinder??? Nach Oerter hat das kindliche Spiel eine existenzsichernde und existenzsteigernde Wirkung. Dies zeigt sich in: 1. Aktivierungszirkel Im Spiel findet eine sukzessive AktivierungsErregungssteigerung statt bis hin zum Höhepunkt darauffolgenden Abfall und und 2. Intensive Austauschprozesse zwischen Person und Umwelt z.B. Kneten, Wasserspiele und Sandspiele 3. Bewältigung spezifischer Probleme Verarbeitung von frühzeitigen Erfahrungen unangenehmer Art, die das Kind nicht einordnen kann 4. Bewältigung Thematiken entwicklungs- und alterstypischer Entwicklungsthemen sind z.B.: Ausspielen von Macht und Kontrolle Identität und Autonomie, etc. Beziehungsthemen, wie Erfahren und Erproben von Sozialbeziehungen, etc. Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Die Entwicklung von Freundschaften Vorschulzeit: Freundschaften entstehen durch körperliche ( räumliche) Nähe Reziprozität und gemeinsame Spielaktivitäten Grundschulzeit: Reziprozität, Gefühl der Zugehörigkeit, Akzeptanz und soziale Attraktivität soziale Jugend: Gemeinsame Interessen, Gefühl des Verstandenwerdens, Selbstverwirklichung durch die oder den andere(n) Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Hervorstechende Freundschaften Konversation in Vorschulzeit: Spielkoordination; Gespräche über Spielaktivitäten; Ausweitung und Beendigung des Spiels, Konflikte lösen Grundschulzeit: Negative Bewertung von anderen, tratschen über andere Jugend Selbstoffenbarung, Selbstmitteilung, Problemlösen Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Affektive Entwicklung Freundschaftsbeziehungen in Vorschulzeit: Kontrolle der Erregung in der Interaktion Grundschulzeit: Erwerb von regeln für Gefühlsausdruck, Ablehnung von Sentimentalität Jugend: Vereinigung von Logik und Emotion; Verständnis für die Bedeutung des Affektes für soziale Beziehungen Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik Prof.Dr.med. Karla Misek-Schneider, „Entwicklungspsychologie“, FH Köln, Fachbereich Sozialpädagogik