Andreas Matt, HpS Lektürekurs Alexis de Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika (II), Jena, WS 2010/11 Arbeitspapier zum 04.01.2011 Fragestellung: „Tocqueville hält zwei Elemente für besonders wichtig, die Demokratie zu stärken: die herausgehobene Stellung der Rechtsgelehrten und die Religiosität der Bevölkerung. Wie begründet er dies?“ (T.1): Alexis de Tocqueville, 1. Buch, II. Teil, Kapitel 8, 303-312; 332-340. 1) VOM RECHTSGEIST IN DEN VEREINIGTEN SAATEN, UND WIE ER EIN GEGENGEWICHT ZUR DEMOKARTEI BILDET Die Gesetze der USA räumen den Rechtsgelehrten enorme Macht und Einflussnahme auf die Regierung ein. (T.1 S. 303f) In Europa, wo die Rechtskundigen seit über 500 Jahren die Geschicke der Regierungen mitbestimmen zeigt sich, dass die Rechtskundigen sowohl für als auch gegen die Regierung arbeiten können: o Im Falle Englands sind sie mit der Aristokratie verbunden und stützen die Regierung. (T.1 S. 304f) o Im Falle Frankreich stehen sie gegen die Regierung. (T.1 S. 304) o Die Rechtskundigen waren ob ihrer Fähigkeiten sowohl in der Lage den Ausbau der Königsherrschaften voranzutreiben, aber auch in der Lage, wie in der Französischen Revolution, sich mit dem Volk zu verbinden und den Sturz der Monarchie voran zu treiben. (T.1 S. 304f) o Alle Regierungsformen profitieren von Rechtskundigen in Ihren Reihen und nehmen Schaden, wenn sie ihnen den Zugang zur Macht versagt oder sie bedrängen. (T.1 S. 305f) Rechtskundige sind anpassungsfähig Ihrem Wesen nach, so Tocqueville, seine die Rechtskundigen bei allen Völkern in ihren Neigungen und ihren Gewohnheiten denen der Aristokratie verwand. Bei hätten „eine unwillkürliche Vorlieb für die Ordnung, schätzen […] von Natur aus die Formen, […] hegen […]eine große Abneigung gegen das Tun der Menge und verachten insgeheim die Volksregierung.“ (T.1 S. 304f) Da die Rechtsgelehrten Ordnung und Formen schätzen, tendieren sie mehr zu „rechtsstaatlichen“ Regierungsform als zu willkürlichen (Despotismus und Tyrannei) und können der Tyrannei der Mehrheit in der Demokratie entgegenarbeiten. (T.1 S. 306) Andreas Matt, HpS Lektürekurs Alexis de Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika (II), Jena, WS 2010/11 In allen Regierungen und Parteien finden sich Rechtsgelehrte an der Spitze – unabhängig von der Staats- und Regierungsform. Je größer die Zahl der Rechtskundigen in diesen Positionen ist, desto konservativer ist der Kurs der Regierung. (T.1 S. 305) Da sich die Rechtsgelehren aufgrund ihrer aristokratischen Natur mit dem Adel und der Fürstenherrschaft assoziieren ist die Besinnung auf die einlegen Vorteile, die sie in der Demokratie mit dem Volk zusammen arbeiten lässt. (T.1 S. 306f) Das Volk weiß darum, dass es der Vorteil der Rechtskundigen ist die Sache der Demokratie zu vierteiligen und traut ihnen deswegen. (T.1 S. 307.) Da es in Amerika weder Adelige noch Schriftsteller gibt und das Volk den Reichen misstraut, bilden die Rechtsgelehrten die „höchste politische Klasse und den geistig geschultesten Teil der Gesellschaft“. (T.1 S. 309) Die Seelenverwandtschaft von Rechtsgelehrten und Aristokratie sein, nirgends so ausgeprägt, wie bei den Engländern und den Amerikanern da sie neben der „Liebe zum Geordneten und Gesetzlichen“ auch auf die „Achtung für das Alte“ erpicht sind. Den Grund hierfür sieht Tocqueville in der, im angelsächsischen Raum vorbereiteten, Praxis des Präzedenzrechtes, die auf dem althergebrachten und gewohnheitsmäßigen Recht fußt. (T.1 S. 307ff) Der bewahren Geist der Aristokratie, der den Makeln der Volksherrschaft, wie Wechselhaftigkeit von Regierung und Gesetzgebung und der Leidenschaftlichkeit des Volkes, entgegen steht, findet sich bei den amerikanischen Rechtsgelehrten. (T.1 S. 309f) Die Einflussnahme der Rechtsgelehrten auf die Regierung wird in Amerika über die Gerichte deutlich. (T.1 S. 310 ) Vor allem den Richtern, die Gesetze für verfassungswidrig erklären können, ist es möglich sich ständig in politische Angelegenheiten einzumischen, auch wenn das Volk durch Wahl und Einflussnahme auf die Gehälter ihre Machtstellung schwächt. (T.1 S. 310f) Die Rechtskundigen als oberste gesellschaftliche Klassen der das Volk vertraut, werden auch häufig Träger politischer Ämter und Beamte gewählt und können so auf die Gestaltung der Gesetze einwirken, auch wenn sie sich der öffentlichen Meinung beugen müssen. (T.1 S.311) Auf diesem Werg tragen die Rechtsgelehrten ihren bewahrenden Geist in die Regierung Die exponierte Position der Rechtsgelehrten in Politik und Gesellschaft führt dazu, dass ihr Denken und ihre Sprache sukzessive auf das Volk übergeht. (T.1 S.311) Andreas Matt, HpS Lektürekurs Alexis de Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika (II), Jena, WS 2010/11 2) ÜBER DIE RELIGION ALS POLITISCHE EINRICHTUNG BETRACHTET; WIE SIE ZUR ERHALTUNG DES DEMOKRATISCHEN STAATSWESEN IN DEN VEREINIGTEN SAATEN MACHTVOLL BEITRÄGT „Jede Religion wird von einer ihr verwandelten politischen Meinung begleitet“ (T.1 S.332) Die Siedler der USA waren überwiegend von Protestanten, die vom Papsttum abgefallen waren und in ihrer Religion einheitlich waren, besudelt, deren Charakter Tocqueville als demokratisch und republikanisch beschreibt. (T.1 S.332f) Erst mit der Einwanderung der Iren steig die Zahl der Katholiken in den USA, die die republikanischste und demokratischste Schicht der Gesellschaft bilden. (T.1 S.333) Die Gründe hierfür sind: o Katholiken bilden nur zwei Schichten: Priester und Gläubige; unterhalb der Priesterschaft sind alle gleich. (T.1 S.333) o Der Katholizismus unterwirft alle Menschen dem gleichen Recht und dem gleichen Maßstäben. Desweiteren erzieht er die Menschen zum gehorsam. Wohingegen der Protestantismus weniger zur Gleichheit als zu Unabhängigkeit motiviert. (T.1 S.333) o Darüberhinaus sind die meisten Katholiken in den USA arm und deshalb geneigt die Volksherrschaft zu bevorzugen. (T.1 S.334) Die Katholiken in den USA sind die „fügsamsten Gläubigen und die unabhängigsten Bürger“ (T.1 S.334) In den USA gibt es „nicht eine einzige Glaubenslehre […], die sich den demokratischen du Republikanischen Einrichtungen feindlich erweist.“ (T.1 S.334) Andreas Matt, HpS Lektürekurs Alexis de Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika (II), Jena, WS 2010/11 3) MITTELBARER EINFLUSS DER GLAUBENSHALTUNGEN AUF DIE POLITISCHE GESELLSCHAFT IN DEN VEREINIGTEN STAATEN Auch wenn es in den USA eine Vielzahl von Sekten gibt so predigen sie alle die selbe christliche Sittenlehre. (T.1 S.336) Für die Gesellschaft ist nicht die Frage entscheidend welcher religiösen Lehre seine Bürger anhängen sonder das sie einer Lehre anhängen. (T.1 S.336) Die USA sind der Ort, an dem das Christentum die größte Macht über die Menschen hat und dementsprechend für Tocqueville auch das aufgeklärteste und freiste Land der Welt. T.1 S.336 Die Geistlichen in den USA unterstützen die bürgerlich Freiheit präferieren aber kein spezifisches politisches System und halten sich aus den politischen Geschäften heraus. Über ihren ordnenden Einfluss auf die Familie wirken sie jedoch indirekt auf die Ordnung im Staat ein und lenken die Sitten. (T.1 S.337) Die Europäer, deren Familienleben wegen ihrer Leidenschaftlichkeit chaotisch ist tendieren Unordnung in die Gesellschaft zu tragen. Wenn der Amerikaner von den politischen Geschäften heimkehrt findet er die Familie wohl geordnet und kann dort Ordnungsliebe erfahren, die sich dann auf die Staatsgeschäfte überträgt. (T.1 S.337) Die große Sittenstenge in den USA findet ihren Ursprung in der Glaubenshaltung ihrer Bürger. Und dehnt sich bis auf das geistige Leben aus. (T.1 S.337f) Der sittliche Einfluss des unumschränkt herrschenden Christentums hemmt den Amerikaner hinsichtlich Neuerungen. (T.1 S.338) „So bewegt sich die Einbildungskraft der Amerikaner in ihren größeren Abschweifungen nur vorsichtig und tastend“. Dies wirkt auch in der Politik hemmend und Vorhaben werden nur teilweise umgesetzt. (T.1 S.338) = Gestückt zur Leidenschaftlichkeit der Bevölkerung. Auch wenn sich die Religion nicht in die Politik einmischt so führt ihr sittliches Wirken jedoch dazu, dass das Volk, das so große Freiheit besitzt nach dem Gesetzten alles zu tun und so wagen, dies nicht tut. Die Religion erleichtert es den Amerikanern durch ihre sittlichen Grenzen mit der gesetzmäßige Freiheit, die sie genießen, vernünftig zu gebrauchen. (T.1 S.338f) „Was soll man tun mit einem Volk, das als Herr seiner selbst nicht Gott untertan ist?“ (T.1 S.340) Die Religion trägt zur Erhaltung der republikanischen Einrichtungen bei. „Die Amerikaner Verschmelzen in ihrem Denken Christentum und Freiheit so vorkommen, daß man sie fast unmöglich dazu bringt, dieses ohne jenes zu denken;“ (T.1 S.339)