Manuskript: Zuflucht für Jesus

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Menschen und Landschaften 25.03.2005
Zuflucht für Jesus
Die Legende vom Heiligen Grab in Kaschmir
Von Michael Fischer
ATMO
Hindu-Musik, Priester, Stimmen
ERZÄHLER
Langsam steigt Professor Fida Hassnain die vielen Treppen zum
fast 3000 Jahre alten Shankaracharya-Tempel hinauf. HinduMusik tönt vom felsigen Berggipfel. Von hier oben, 300 Meter
über Kaschmirs Hauptstadt Srinagar und dem berühmten DalSee mit seinen zahllosen Hausbooten, gleicht das malerische,
von den verschneiten Bergketten des Himalaja gesäumte Tal
einem friedlichen Paradies, wären da nicht die vielen
Militärposten der indischen Armee. Sie bewachen ein
hinduistisches Heiligtum mitten in einem mehrheitlich
moslemisch geprägten Land, das von Indien besetzt gehalten
wird.
ATMO
Musik, Tür, Schritte
ERZÄHLER
Vor einer in die Tempelmauer eingelassenen Holztür bleibt der
80-jährige Professor schwer atmend stehen und wischt sich den
Schweiß mit dem Ende seines dunkelbraunen Kaftans von der
Stirn. Dann drückt er die niedrige Tür auf. Wir gehen hinein. In
einem kleinen Raum steht im Halbdunkel ein vergoldeter
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Schrein. Durch eine verschmutzte Fensterscheibe erkenne ich
auf einem mit rötlichem Stoff bedeckten Podest eine Statue aus
Stein. Der Professor zieht ein altes Buch aus einer Plastiktüte
und blättert suchend darin. Schließlich deutet er auf eine
Abbildung von Jesus Christus, die mit der Statue vor uns
identisch sein soll. Eine gewisse Ähnlichkeit kann man nicht
leugnen, sage ich zurückhaltend. Daraufhin zeigt der
weißhaarige Mann ehrfürchtig auf einen sechszackigen Stern
über der Steinfigur.
O-TON
Fida Hassnain: “The star of David ... there.”
SPRECHER 1
Der Stern Davids. Israels sechszackiger Stern. Das ist ein
Beweis. Wissen Sie, hier oben auf dem Shankaracharya-Gipfel,
dem Thron des Königs Salomon, gab es vier Inschriften, zwei
davon wurden zerstört, zwei gibt es noch. Eine der Inschriften
besagt: Dieser Stein wurde von Bin Mirgan, dem Sohn von
Mirgan, errichtet. Das ist der Name von Christus’ Sohn.
ERZÄHLER
Statue, Stern und Inschriften sind wichtige Glieder einer langen
Kette, die Fida Hassnain in den letzten 50 Jahren seines Lebens
zum Beweis seiner Theorie zusammengetragen hat.
O-TON
Fida Hassnain: „I am convinced ... descendants also.”
SPRECHER 1
Ich bin davon überzeugt, dass Jesus nicht am Kreuz gestorben
ist. Die Informationen, die wir aus östlichen Quellen haben, aus
Tibet, dem Sanskrit und Persien, belegen detailliert, dass Jesus
zwei Reisen nach Indien unternahm. Eine frühe Reise, nach der
er in seine Heimat zurückkehrte, und eine zweite Reise nach
seiner Kreuzigung, die ihn bis nach Kaschmir brachte.
Jusu, wie Christus sich hier nannte, heiratete eine Frau aus der
Gegend. Sie hieß Marijan und gehörte zur Familie von Christus.
Das bedeutet, dass er hier auch Nachkommen hatte.
MUSIK
CD Saaz Tih Awaaz, Folk Music of Kashmir, Track 9, Blend
3
of Instruments
ERZÄHLER
Vor einigen Jahren hatte ich das erste Mal von dieser Idee
gehört und fand sie faszinierend. Später entdeckte ich, dass es
anderen vor mir ebenso ergangen war. Es gibt eine Fülle von
Büchern, Artikeln und pseudowissenschaftlichen Abhandlungen
vor allem von US-Amerikanern. Aber dann stieß ich auf ein Buch
von Fida Hassnain. Der pensionierte Geschichts- und
Philosophieprofessor aus Kaschmir beschreibt eine andere,
östliche Sicht dieser Geschichte. Ich beschloss ihn aufzusuchen.
Doch die politische Situation machte mir Angst:
Bombenanschläge, Touristenentführungen, Krieg zwischen
Pakistan und Indien. Anfang 2004 fingen die verfeindeten
Parteien dann plötzlich an, miteinander zu reden. Die Zahl der
Anschläge nahm ab. Also machte ich mich auf den Weg nach
Kaschmir.
Meine erste Anlaufadresse ist das Büro der „Kashmir Liberation
Front“. Die Befreiungsfront ist eine von mehreren
Organisationen, die seit Ende der 80er Jahre für den Abzug der
indischen Besatzungstruppen kämpfen. Sie hat in Brüssel, wo
ich wohne, ein EU-Büro, und ihr Chef hatte mich bei seinen
Leuten in Srinagar bereits angekündigt.
ATMO
Straßenverkehr, Lautsprecher, Gebetsrufe, Treppe
ERZÄHLER
Gewagte Hauskonstruktionen aus Holz und Ziegeln reihen sich
mehrstöckig aneinander, teilweise bunt angestrichen, meistens
schief und halb verfallen. Im Durcheinander enger Gassen in der
Altstadt von Srinagar drängen sich Fußgänger, Fahrräder,
Rikschas und Autos zwischen Hühnern, Hunden und
Abfallhaufen. Schreiend und hupend suchen sich die Menschen
ihren Weg. Die ärmeren Geschäftsleute gehen hier auch ihrem
Handwerk nach. Da sitzt ein Messerschleifer mit fußbetriebenem
Schleifstein. Dort ein Metzger, der den Hühnern, wenn der
4
Kunde seine Wahl getroffen hat, auf offener Straße den Hals
umdreht. Darüber hängt an hölzernen Telegraphenmasten ein
schier unentwirrbares Knäuel alter Telefon- und Stromleitungen,
auf denen geierartige Vögel sitzen und auf Beute warten.
In einer ruhigeren Seitenstraße stoße ich schließlich auf ein
mehrstöckiges, ehemals rot gestrichenes Haus, an dessen
Fassade eine große Tafel mit gelben Schriftzügen angebracht
ist: Kashmir Liberation Front. Ich frage nach Yasin. Ein Mann
zeigt auf eine Treppe am Ende eines dunklen Korridors.
ATMO
Geplauder
ERZÄHLER
Im ersten Stock folge ich den Stimmen, die aus einem der
Räume dringen. Der Eingang ist mit verblichenem Stoff
verhängt. Mehrere Paar Schuhe stehen davor. Ich schiebe den
Vorhang zur Seite. Sechs bärtige Männer sitzen in einem
großen, mit Teppichen ausgelegten Raum. „Yasin Malik?“ frage
ich zaghaft. Einer der Männer winkt mich herein und bedeutet
mir, mich zu ihnen zu setzen. Ich ziehe meine Schuhe aus und
folge der Einladung. Ich habe ausgiebig Zeit, die spärliche
Einrichtung zu betrachten, ein Regal, darauf zwei Bücher, ein
Telefon und ein Fernseher. Erst als die Männer ihre
Unterhaltung in ihrer Muttersprache Urdu beendet haben,
wendet sich einer von ihnen an mich und fragt auf Englisch, was
ich von ihnen möchte. - „Ich suche die Nachfahren von Jesus
Christus.“
MUSIK
CD Saaz Tih Awaaz, Folk Music of Kashmir, Track 9, Blend
of Instruments
O-TON
Parvina (auf Urdu)
SPRECHERIN
Vor 14 Jahren sind indische Truppen mitten in der Nacht in mein
Haus eingedrungen und haben meinen damals 16-jährigen Sohn
verhaftet. Seitdem ist er verschollen, obwohl ich Himmel und
5
Hölle in Bewegung gesetzt habe, um zu erfahren, was aus ihm
geworden ist. Ich suchte in den Gefängnissen, ging vor Gericht,
schrieb Petitionen an die Regierungen in Srinagar und in Neu
Delhi. Nichts. Immer wieder nichts.
ATMO
Stimmen, Geraschel, Schlüssel
ERZÄHLER
Die kleine Frau mit den erschütternd traurigen Augen schüttelt
mit dem Kopf, um die Tränen zu unterdrücken, die auch nach 14
Jahren nicht versiegen wollen. Ihre Hände zupfen nervös an den
Enden des Hidschabs, eines dunklen Kopftuchs, das ihr Haar
bedeckt.
Aus einem mit mehreren Schlössern versperrten Wandschrank
im dunkelgrün gestrichenen und mit Teppichen ausgelegten
Wohnzimmer holt Parvina ein Foto ihres Sohnes. Ein schmaler,
hochaufgeschossener junger Mann, der etwas schüchtern in die
Kamera lächelt.
Ihr Schicksal veranlasste sie, eine Initiative von Eltern,
Verwandten und Ehefrauen zu gründen, deren Partner oder
Kinder ebenfalls vom Militär verschleppt worden sind. Seit 1989
sollen über 8000 Menschen spurlos verschwunden sein. Das ist
hart für die Verwandten, besonders aber für die Ehefrauen, die
ohne eine offizielle Sterbeurkunde nicht wieder heiraten können
und so allein auf die Hilfe ihrer Eltern oder Verwandten
angewiesen sind. Eines Tages bekam Parvina Besuch von
einem hochrangigen indischen Offizier. Er versprach der Frau,
deren Mann gelähmt ist und nicht arbeiten kann, die enorme
Summe von einer Million Rupien, falls sie ihre Aktivitäten
einstelle.
O-TON
Parvina
SPRECHERIN
Ich antwortete, er solle sein Geld behalten und mir stattdessen
6
doch endlich den toten Körper meines Jungen oder zumindest
ein Foto davon geben. Seitdem verfolgt die Polizei auch mich –
wegen Störung der öffentlichen Ordnung.
ATMO
Gerede, Teetassen
ERZÄHLER
Parvina arbeitet nun mit der Befreiungsfront zusammen. Einmal
die Woche trifft sie deren Chef, Yasin Malik, um gemeinsame
Aktionen zu planen. Der schmale Mann mit kurzgeschnittenem,
bläulich schwarzem Haar hat mich nach der Begrüßung in
seinem Hauptquartier zu dem heimlichen Treffen mitgenommen.
Die Geschichte von Jesus in Kaschmir habe für ihn zwar in der
gegenwärtigen Situation nicht gerade Priorität, meinte er
lachend. Aber vielleicht könne ja einer seiner Mitstreiter
weiterhelfen. Parvina schüttelt wieder, diesmal erstaunt, den
Kopf. Sicher, von der Geschichte habe sie gehört. Aber weder
kenne sie Fida Hassnain noch jemanden, der von sich behaupte,
ein Nachfahre von Jesus zu sein.
MUSIK
CD Saaz Tih Awaaz, Folk Music of Kashmir, Track 6, Katyoo
Chuk
ERZÄHLER
Während wir noch auf die anderen Oppositionellen warten, die
ebenfalls an dem Treffen teilnehmen werden, frage ich Yasin
Mailk, wie er es bloß aushält, sich ständig verstecken zu
müssen. Man gewöhnt sich daran, antwortet er. Die meisten
Freiheitskämpfer haben die Hälfte ihres Lebens in indischen
Gefängnissen zugebracht, wo sie auch gefoltert wurden. Viele
von ihnen sind gestorben. Die Überlebenden machen weiter. Sie
wollen, dass Indien und Pakistan einem Referendum zustimmen,
in dem die Kaschmiris über ihr Schicksal selbst abstimmen
7
können - zu Indien oder Pakistan zu gehören oder unabhängig
zu werden. Denn Kaschmir ist zwei- genauer gesagt sogar
dreigeteilt. Seit dem Abzug der englischen Kolonialtruppen 1947
wird der größere Teil – Jammu-Kaschmir genannt - von Indien,
der kleinere Teil von Pakistan und die nördliche Grenzregion von
China besetzt gehalten.
O-TON
Yasin Mailk: “We were in a ... struggle.”
SPRECHER 2
Zuerst kämpften wir gewaltfrei. 1985 wurde ich das erste Mal
verhaftet, weil ich Plakate mit der Forderung nach
Unabhängigkeit verteilt hatte. Ein Jahr später gründeten wir eine
Studentenorganisation und arbeiteten mit der ‚Muslim United
Front’, einem Forum verschiedener politischer und sozialer
Bewegungen, zusammen. 1987 fanden Wahlen statt. Das
Leitungskomitee, in dem ich als Vertreter der
Studentenorganisation saß, beschloss, an den Wahlen
teilzunehmen und im Falle eines Sieges im Parlament für das
Recht auf Selbstbestimmung einzutreten. Unsere Gruppe warnte
davor zu glauben, dass die indische Regierung uns gewinnen
lassen würde. Wir stellten keinen eigenen Kandidaten auf,
unterstützten aber die anderen.
ERZÄHLER
Yasin Malik hebt die Hände, so als könne er damit die
Vergangenheit noch einmal neu gestalten. Dann lässt er sie
wieder sinken.
O-TON
Yasin Mailk: “What happened...
SPRECHER 2
Was passierte? Die Verlierer wurden zu Gewinnern und die
Gewinner zu Verlierern ernannt. Alle Mitglieder der
Studentenorganisation wurden verhaftet. Ich verbrachte das
ganze Jahr 1987 im Gefängnis. Wir wussten nun, dass es in
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Kaschmir keinen Platz für einen gewaltfreien Widerstand gibt.
Das ist die Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet das Volk,
das der ganzen Welt das Konzept des gewaltfreien
Widerstandes vermacht hat und Leute wie Ghandi
hervorbrachte, unseren Widerstand mit allen möglichen
gewalttätigen Mitteln brechen wollte. So begannen wir den
bewaffneten Kampf.
ERZÄHLER
Yasin Malik streckt sich auf dem Teppich aus. Sein Gesicht ist
eingefallen, seine Stimme leise. Er ist erst 38, und doch scheint
ein alter Mann neben mir zu liegen – die Folge von
Isolationshaft, Folter und Krankheiten.
ATMO
Klopfen, Tee trinken
ERZÄHLER
Es klopft. Eine etwa 40-jährige, dynamisch wirkende Frau in
einem blauen Tschador kommt in Begleitung eines jungen
Mannes herein. Sie sind überrascht, hier einen Europäer zu
sehen. Wir werden einander vorgestellt. Hamida Khame ist
Linguistik-Professorin an der Universität von Srinagar und leitet
dort eine Oppositionsgruppe, seit ihr Mann, der ebenfalls
Professor ist, im Gefängnis sitzt. Auf dem Weg hierher mussten
sie sich zweimal vor der indischen Geheimpolizei verstecken.
Sie versucht, Zusammenkünfte wie diese zu verhindern, erzählt
ihr Begleiter Abdul. Die ständige Angst vor der Polizei ist schon
für Erwachsene schlimm, sagt Hamida, während sie an einer
Tasse Tee nippt. Ihr vier Jahre alter Sohn halte die enorme
Spannung kaum mehr aus.
O-TON
Hamida Khame: “He asks ... decision of the judiciary.”
SPRECHERIN
Er fragt ständig nach seinem Vater. Wo ist mein Papa? Dann
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weint er und jammert. Er hat viel an Gewicht verloren und kann
immer noch nicht richtig sprechen. Ich antworte immer, dein
Vater ist in Neu Delhi und kommt morgen zurück. Sein Leiden
spüre ich in jeder Faser meines Körpers. Das ist das
Hauptproblem. Aber sie lassen meinen Mann nicht frei, obwohl
sie nichts gegen ihn in der Hand haben. Einer seiner Mithäftlinge
ist bereits seit 14 Jahren im Gefängnis. Es ist ein Alptraum für
viele Leute. Mein Mann ist so gut wie freigesprochen, aber die
Regierung hält sich nie an Gerichtsentscheidungen.
ERZÄHLER
Und was geschieht mit den Frauen, frage ich.
O-TON
Hamida Khame: “It is extremely ... insecure.”
SPRECHERIN
Für die Frauen ist es extrem schwierig. Männer können getötet
werden. Das ist das Ende. Aber Frauen können auf vielfältige
Weise gefoltert werden, was Schmach und Schande über sie
bringt. Dessen sind sich die Frauen immer bewusst. Außerdem:
Wenn ihre Söhne oder Töchter zur Schule gehen, haben sie
ständig Angst, ob sie gesund zurückkommen. Das Leben hier ist
sehr unsicher.
ERZÄHLER
Hamida schaut mich an. Sie will wissen, was mich nach
Kaschmir geführt hat. Als ich ihr erzähle, dass ich einen
Christus-Forscher namens Fida Hassnain suche, mischt sich
Abdul, der neben ihr sitzt, in das Gespräch ein. Das sei sein
Großvater. Ein Interview? Das werde sich bestimmt machen
lassen, meint der junge Mann zuversichtlich. Vielleicht schon
übermorgen.
MUSIK
Cachemire, Sailgah
10
O-TON
Fida Hassnain: “Jesus belonged to ... descendants.”
SPRECHER 1
Jesus gehörte zum Osten. Er gehörte nie nach England,
Deutschland oder Frankreich oder überhaupt zum Westen. Er
war einer von uns aus dem Osten. Wir kennen viele Details, die
euch fehlen. Wir wissen mehr über ihn als die Christen. Und
dann gibt es noch Leute in Kaschmir, die behaupten, sie seien
seine Nachfahren.
ERZÄHLER
Jesus Nachfahren leben angeblich heute noch in der Gegend
um Srinagar, das einst auch Zufluchtsort mehrerer der
verlorenen Stämme Israels gewesen sein soll.
„Juden, Christen, Hindus, Buddhisten, Moslems – alle waren
früher hier zu Hause“, doziert Fida Hassnain auf dem Berg hoch
über Srinagar. In den letzten 1200 Jahren sind zwar viele
Kaschmiris Moslems geworden. Doch bisher waren sie für ihre
liberale und weltoffene Einstellung bekannt. Das werde sich wohl
ändern, fürchtet der Professor. Der über ein halbes Jahrhundert
währende Kampf gegen die indischen Besatzer fördere
Radikalität, Engstirnigkeit, Dogmatismus und Angst.
Die meisten Hindus sind nach Indien geflohen, auch Christen
gibt es nur noch wenige, die Buddhisten leben in der Bergregion
um Ladakh an der Grenze zu dem von China besetzten Tibet.
Der alte Mann lächelt. Dort hat vor 50 Jahren seine Suche nach
dem unbekannten Teil von Christus Leben begonnen.
O-TON
Fida Hassnain: “I went to Ladakh … of that book.”
SPRECHER 1
Ich ging mehrere Male nach Ladakh, wo ich die Manuskripte
über Jesus Reisen durch Indien und Kaschmir vermutete. Ein
englischer Abenteurer hatte sie in seinem Reisebericht aus dem
vorletzten Jahrhundert erwähnt. Ich konnte sie aber nicht
bekommen. Sie wurden in einer schwarzen Kiste in einem mit
zwei Schlössern versperrten Raum eines buddhistischen
Klosters verwahrt. Einen der Schlüssel besaß die Königin von
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Ladakh, den anderen hatte der oberste Lama, der in China im
Gefängnis saß. Ohne die beiden Schlüssel war also nichts zu
machen. Ich musste nach anderen Quellen suchen. Ich fuhr
nach Paris und London. Dort fand ich das Buch ‚Das Leben von
Jesus Christus’. Es war für mich wie eine Offenbarung, denn
darin stand, dass über das Leben von Jesus zwischen seinem
14. und 29. Lebensjahr nichts bekannt ist. Es gibt also ein Loch
von 17 oder 18 Jahren. Wo war er in dieser Zeit? Das
interessierte mich brennend und ich fing an, Nachforschungen
anzustellen. Ich studierte persische, buddhistische und HinduSchriften. Ich fand viele Quellen, in denen von seinen Reisen
nach Iran, Irak, Afghanistan und Kaschmir berichtet wird.
Darüber schrieb ich mein erstes Buch. Inzwischen ist es schon
ins Polnische, Italienische, ins Spanische und Russische
übersetzt worden.
ERZÄHLER
Eine so intensive Beschäftigung mit Jesus sei für einen Moslem
doch eher ungewöhnlich, werfe ich ein. Er sei ein Sufi, erwidert
der Professor.
O-TON
Fida Hassnain: “Before me...
SPRECHER 1
Für mich sind Moses, Christus, Mohamed, Krishna alle gleich.
Denn ich sage: Alle Religionen kommen von Gott. Alle
Propheten kommen von Gott. Es gibt nur eine Quelle. Ich habe
großen Respekt vor Jesus, weil er der Welt die Botschaft von
Liebe und Frieden gegeben hat. Ich verehre auch Buddha. Er
lehrte uns Gewaltfreiheit, Frieden und Liebe. Deswegen verehre
ich auch den Propheten Mohamed, er war der größte Demokrat.
Er wollte, dass alle Menschen gleich sind. Er lehrte uns, dass wir
als Moslems allen Propheten, allen Glaubensbüchern und Gott
folgen müssen.
Aber leider folgen die Moslems zur Zeit aus verschiedenen
Gründen nicht den Lehren unseres glorreichen Propheten. Sie
stecken zwischen Vergangenheit und Gegenwart fest. Das ist
12
ein historischer Prozess, aus dem sie sich befreien müssen. Ob
sie zurückgehen und von der Welt verschwinden oder vorwärts
gehen, das ist der Test, den die Moslems nun bestehen müssen.
Einige wollen zurückgehen. Sie argumentieren: Unsere
Vergangenheit war gut, deswegen müssen wir uns daran
orientieren. Andere sagen: Nein, wir müssen mit der Zeit gehen
und uns ändern. Also, die Moslems sind derzeit in einem
Dilemma. Es ist eine sehr kritische Phase für sie.
ERZÄHLER
Wegen dieser Einstellung werde er von den moslemischen
Freiheitskämpfern angefeindet, aber das sei nichts
Ungewöhnliches, sagt der Professor und schaut mich an. Sufis
würden schon seit Jahrhunderten von den orthodoxen Sunniten
und Schiiten bekämpft, weil sie die Liebe zwischen Gott und den
Menschen statt Gehorsam gegenüber Gott und den Imamen
predigen.
Das Zerwürfnis mit den Freiheitskämpfern hat aber noch einen
anderen Hintergrund, erfahre ich später: In den 80er Jahren
kidnappte eine Oppositionsgruppe eine Frau, um politische
Gefangene freizupressen. Das führte zu Protesten aller
Religionsgruppen im Land. Eine Frau zu entführen, ging einfach
zu weit. Als die Entführer bemerkten, dass sie sich einen
Bärendienst erwiesen hatten, ließen sie die Frau frei. Es war
Fida Hassnains Tochter. Sie lebt heute in Australien.
MUSIK
Cachemire, Ghazal
ATMO
Stadtgeräusche, Gebetsrufer
ERZÄHLER
Zurück in der Innenstadt von Srinagar. Ich begleite Fida
Hassnain zu einem moslemischen Geistlichen. Der Professor
möchte Jesus Grab wissenschaftlich untersuchen lassen. Dazu
benötigt er die Unterstützung des Imam. Schon von weitem sehe
ich das weiße Minarett, auf dessen Spitze der Lautsprecher
13
angebracht ist, aus dem eine schnarrende Stimme zum Gebet
ruft. Statt in die Moschee zu eilen, wie ich erwartet habe, biegen
wir ab und gehen über eine Brücke, die für den Verkehr gesperrt
ist. Unbeeindruckt von den Stopp- und Warnzeichen kurven
kleinere Autos, Mopeds und Fahrräder haarscharf zwischen zwei
wagengroßen Löchern hindurch, scheinbar ohne Furcht vor dem
drohenden Absturz in das bräunliche Rinnsal, das darunter fließt.
Die Ufer sind voller Müll. Es stinkt. Plastiktüten und Flaschen
stapeln sich bis zur Uferpromenade hinauf, die Hunderten kleiner
Holzhütten als Fundament dient. In einer Seitengasse hält der
Professor vor einem kleinen Laden. Die Scheiben sind weiß
angestrichen. Ehemals weiß waren auch die Regale, auf denen
sich bis unter die Decke Dosen, Fläschchen und Schachteln
stapeln. Wir sind in einer Apotheke.
ATMO
Gespräch
ERZÄHLER
Hinter dem Verkaufstisch sitzt ein bärtiger Mann in einem
braunen Kaftan und plaudert mit dem Apotheker, erkenntlich am
weißen Kittel. Fida Hassnain begrüßt beide, besonders aber den
Bärtigen, den er mir als Sheik Ahmed Molana Showket vorstellt.
Nach einigen weiteren Begrüßungsworten trägt er schließlich
sein Anliegen vor. Das sei schwierig, eigentlich ein Sakrileg,
antwortet der etwa 30-jährige Imam, weil Jesus nach Mohamed
der zweitwichtigste Prophet der Moslems ist. Seine Kirche ist mit
zwei Millionen Anhängern eine der größten in Jammu-Kaschmir,
dem von Indien besetzten Teil Kaschmirs. Plötzlich wendet sich
der Imam an mich. Europäern fehle das Verständnis für den
militanten Teil der Befreiungsbewegung, wirft er mir vor.
Besonders seit den Anschlägen in Madrid würden
Freiheitskämpfer und Terroristen zu schnell in einen Topf
geworfen, obwohl ein großer Unterschied zwischen ihnen
bestehe.
14
O-TON
Sheik Ahmed Molana Showket: “We believe ... Allah.”
SPRECHER 2
Wir glauben, dass derjenige, der im Namen Allahs für seine
Nation kämpft, keinen Unschuldigen töten kann. Er weiß ganz
genau, dass er, falls er nicht den Lehren Allahs und seiner
Propheten folgt, alles verlieren wird. Die Menschen werden ihn
hassen, und Allah wird ihm nach seinem Tode nicht danken.
Deswegen glaube ich nicht, dass jemand, der sein Leben opfert,
gegen die Prinzipien Allahs verstoßen kann. Wenn jemand für
die Besserung der Menschheit und gegen die Unterdrückung
kämpft, sei er Moslem, Hindu oder Christ, dann ist sein Kampf
ein heiliger Kampf. Das sagt der Koran. Das ist die Lehre Allahs.
ERZÄHLER
Diese Meinung ist unter Kaschmiris weit verbreitet, stelle ich bald
fest. Ihre Freiheitskämpfer sind keine Terroristen, weil sie für
eine gerechte Sache kämpfen – die Freiheit Kaschmirs. Darüber
lässt sich nicht diskutieren, schon gar nicht mit einem Besucher
aus Europa, von dem sie sich zwar Unterstützung erhoffen, aber
sicher keine Kritik. Zwei Wochen können in einer solchen
Situation ziemlich lang werden. Denn ohne den Austausch mit
meinen Gastgebern über das, was ich in ihrem Land erlebe,
fühle ich mich ausgeschlossen.
MUSIK
Cachemire, Maquam-e-Kalyan
ERZÄHLER
Enttäuscht verlässt der Professor die Apotheke. Das Grab Jesus
Christus wissenschaftlich untersuchen zu lassen, passt nicht in
das Weltbild des Imam. Der Antrag wurde kurz und bündig
abgelehnt.
ATMO
Straßenlärm
O-TON
Fida Hassnain: “We are under the slavery of...
SPRECHER 1
Wir leben unter dem Diktat der Mullahs. In diesem orthodoxen
Klima gibt es keine Offenheit, wissenschaftliche Untersuchungen
15
sind da nicht möglich.
ERZÄHLER
Das ärgert Fida Hassnain um so mehr, als er für die
Untersuchung des Grabes das Einverständnis des
moslemischen Vereins braucht, der die heilige Stätte verwaltet.
Der Verein weigert sich jedoch, dem Vorhaben des Professors
zuzustimmen. Deswegen sucht er nun seinen Rechtsbeistand im
Haus der Kaschmirischen Rechtsanwaltskammer auf, um die
juristischen Möglichkeiten einer Klage gegen den Verein zu
klären.
ATMO
Rechtsanwaltskammer
ERZÄHLER
Im Beratungsraum nebenan diskutieren mehrere Männer in
schwarzen, westlichen Anzügen, wie sie die Haftbedingungen
der politischen Gefangenen untersuchen lassen können. Die
Selbstmordrate habe enorm zugenommen. Die Rechtsanwälte
berufen sich auf den Sonderstatus, den das Land laut indischer
Verfassung genießt. Offiziell ist es eine autonome Provinz mit
eigener Regierung, eigenem Gerichtshof und eigener
Verwaltungshoheit. Die indische Zentralregierung darf eigentlich
nur in Fragen der Sicherheits- und Außenpolitik tätig werden,
sagt der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Abdul Qayoom.
Doch in der Realität wurde dieser Status durch Notstandsrechte
ausgehöhlt.
O-TON
Abdul Qayoom: “1984 ... jungle.”
SPRECHER 2
1984 beschloss eine von Indiens Gnaden abhängige Regierung,
das indische Gesetz zum Schutz der öffentlichen Ordnung auch
in Jammu-Kaschmir anzuwenden. Danach führten sie das
Gesetz zur Verhinderung terroristischer Akte ein. Seitdem fällt
jeder, der nach unserem Strafgesetzbuch verhaftet wird, unter
diese Gesetze, das heißt, er kann beliebig lange festgehalten
werden. Die Sicherheitsbehörden können in Jammu-Kaschmir
16
machen, was sie wollen. Es gibt keine Kontrollen mehr.
Stattdessen herrscht das Gesetz des Dschungels.
ERZÄHLER
Abdul Qayoom erlebte die Allmacht der Sicherheitskräfte am
eigenen Leib, wie er mir erzählt. Er hatte eine Demonstration
gegen die Ermordung von jungen Kaschmiris durch das indische
Militär angeführt, wurde verhaftet und verbrachte mehrere Jahre
im Gefängnis, obwohl ihn die Gerichte in verschiedenen
Instanzen freigesprochen hatten, was die Sicherheitskräfte
allerdings nicht weiter kümmerte.
Ich merke, wie ich beginne, diese Menschen zu bewundern, die
nach Jahrzehnten der Unterdrückung immer noch an ihrem
Traum festhalten – durch ein landesweites Referendum selbst
entscheiden zu können, was aus ihrem Land werden soll.
Gleichzeitig führt diese unbeugsame Haltung auf beiden Seiten
dazu, dass sich gar nichts bewegt. Wäre das die Grundhaltung
in Europa, wäre es nie zur Gründung der Europäischen Union
gekommen, die von den Kaschmiris so bewundert wird.
MUSIK
Cachemire, Lahra
ERZÄHLER
Fida Hassnains Anwalt hat ihm geraten, die Zustimmung für sein
Projekt auf höchster Ebene zu bewirken. Überraschend schnell
erhält der Professor einen Termin bei der Präsidentin der
regierenden Demokratischen Volkspartei im Regierungspalast
ihres Vaters. Der Staatsminister von Kaschmir war in den 90er
Jahren als Innenminister der indischen Zentralregierung
verantwortlich für die Niederschlagung des bewaffneten
Aufstands gegen die Besatzer. Entsprechend schwierig ist heute
das Verhältnis vieler Kaschmiris zu ihrer Regierung.
Der Regierungspalast mitten in Srinagar ist umstellt von Militär.
Fida Hassnain und ich müssen drei Sicherheitskontrollen
passieren, bevor wir zu der Politikerin vorgelassen werden.
17
ATMO
Präsidentenpalast, Türen, Auto
ERZÄHLER
Von einem Trupp Sicherheitskräften umringt, tritt Mehbooba
Mufti aus dem Präsidentenpalast ihres Vaters heraus und
besteigt die gepanzerte Limousine, die sie zu
Parteiveranstaltungen in die Bergdörfer am Fuße des Himalajas
bringen soll. Um Zeit zu sparen, sollen wir einfach ein Stück
mitkommen. Um uns herum ein Fahrzeugkonvoi mit bewaffneten
Sicherheitskräften. Auf einem LKW ist ein Jammer installiert, ein
riesiger weißer Kasten, der die elektronische Zündung von
Straßenbomben verhindern soll, aber nebenbei auch andere
elektrische Apparate wie mein Aufnahmegerät stört. Die Straße
ist gesäumt von Militärpatrouillen. Angst vor Anschlägen? Das
gehöre in Kaschmir zum politischen Alltag, sagt die etwa 35jährige Politikerin.
O-TON
Mehbooba Mufti: “I have kind of got used … face.”
SPRECHERIN
Ich habe mich daran gewöhnt. Entweder man überlebt, dann ist
es okay. Und wenn Sie nicht überleben, können Sie es auch
nicht ändern. Vor ein paar Tagen habe ich den vierten, nein den
fünften Anschlag überlebt. Ich habe keine Angst. Aber was mich
schreckt, ist die Vorstellung, dass meine Kleider bei einem
Anschlag zerrissen werden und ich halbnackt daliege oder mein
Gesicht entstellt ist. Das ist das Einzige, die Sorge, dass meine
Kinder mich so sehen könnten.
ERZÄHLER
Der Professor sitzt vorn auf dem Beifahrersitz und wartet darauf
angesprochen zu werden. Doch Mehbooba Mufti scheint eher
daran interessiert zu sein, sich mir, dem Europäer, als
aufgeklärte Frau darzustellen, als Politikerin, die lediglich ihre
Rolle als Mutter zweier Kinder nicht auf die Reihe bekommt.
O-TON
Mehbooba Mufti: “I hardly get… feeling.“
SPRECHERIN
Ich sehe sie kaum. Und wenn ich nach Hause komme, bin ich so
18
beschäftigt mit Telefonaten und anderen Dingen, dass ich sie
auch dann kaum zu Gesicht bekomme. Darüber bin ich nicht
sehr glücklich. Ich finde, ich bin keine gute Mutter. Aber ich
kümmere mich allein um sie. Meine Ehe ging schon vor langer
Zeit in die Brüche. Ich habe nur für meine Kinder gelebt, bis ich
Politikerin wurde, weil mir auffiel, dass Frauen zu vielem fähig
und sogar fähiger sind, da sie emotional und mental besser
ausgestattet sind als Männer. Sie sind stärker und
zielgerichteter. Aber seit Jahrhunderten gelingt es den Männern,
den Islam so zu manipulieren, dass Frauen ihrer Rechte beraubt
werden. Trotzdem hat es meiner Karriere nicht geschadet, eine
Frau zu sein. Im Gegenteil, es hat eher geholfen, die Menschen
zu verstehen und ihren Schmerzen und Leiden Ausdruck zu
geben.
ATMO
Auto
ERZÄHLER
Sie schaut aus dem Fenster auf die schneebedeckten Berge in
der Ferne. Gedankenverloren schnippt sie mit dem Finger.
Daraufhin macht der Fahrer das Autoradio an.
O-TON
Mehbooba Mufti: “I have experienced...
SPRECHERIN
Ich habe aufgehört zu träumen. Ich habe keine Träume mehr,
nur manchmal ein schlechtes Gewissen, weil ich denke, ich
sollte von meinen Kindern träumen. Ich sollte von deren Zukunft
träumen. Aber bin so mit den Menschen beschäftigt, dass nichts
Persönliches für mich übrig bleibt. Wenn ich von etwas träume,
betrifft es alle, die Allgemeinheit. Ich möchte, dass dieses Land
wieder ein Paradies wird, die erste und beste Adresse in der
ganzen Welt. Das, so scheint es mir, ist mein Auftrag. Aber
leider werde ich dieser Pflicht nicht wirklich gerecht. Ich fühle
mich in meiner Rolle als Politikerin nicht wohl. Ich gehe ungern
auf Hochzeiten oder Partys. Ich bin viel lieber allein oder mit
meiner Familie und meinen Freunden zusammen.
19
ATMO
Trommeln, Begrüßungsschreie
ERZÄHLER
Vor einem Dorf wird die Fahrzeugkolonne von begeisterten
Anhängern der Politikerin mit Trommelwirbel und
Begrüßungsschreien angehalten. Den Stopp nehmen der
Professor und ich zum Anlass auszusteigen. Während wir einen
Bus suchen, der uns zurück nach Srinagar bringt, fährt
Mehbooba Mufti weiter zu ihrer Parteiveranstaltung in den
Bergen.
MUSIK
Cachemire, Bambaro-Bambaro
ATMO
Stadtlärm, Musik
ERZÄHLER
Weil er auch die Politikerin nicht für sein Projekt erwärmen
konnte, macht sich Fida Hassnain nun direkt auf den Weg zum
Heiligen Grab, um zu versuchen, die Vereinsmitglieder doch
noch von der Wichtigkeit seines Vorhabens zu überzeugen.
Gegenüber einem mit bunten Plakaten indischer Stars
behängten Plattenladen versteckt sich zwischen unscheinbaren
Lehm- und Ziegelhäusern hinter einem kleinen Garten die
winzige, grün gestrichene Rozabal-Moschee aus Holz. Die
Eingangstür ist verschlossen. Durch die offenen Fenster ist ein
großer, mit dunklen Tüchern bedeckter Sarg zu erkennen, an
dessen Kopfende rußende Öllampen brennen. Da sollen die
Gebeine von Jesus begraben sein? Das Grab unseres
Glaubensgründers hatte ich mir schon beeindruckender
vorgestellt, mindestens so wie das Taj Mahal in Indien.
Bis vor kurzem gehörte das Grab einer der Familien, die von sich
behaupten, von Christus abzustammen, erzählt der Professor.
Aber sie hatten zu viel Ärger mit den Behörden und dem Imam,
weil ständig Ausländer kamen, die mit ihnen über ihre Herkunft
reden wollten.
20
O-TON
Fida Hassnain: “Now this shrine ... Jesus.”
SPRECHER 1
Sie haben das Grab nun einem moslemischen Verein
übergeben, der einer Untersuchung aber nicht zustimmt, weil es
im Prinzip ein privates Grab ist, das einem Mann gehörte, der
vor kurzem gestorben ist. Zu Lebzeiten hatte er allerdings
behauptet, dass Jesus eine Kaschmiri-Frau geheiratet habe, die
Marijan hieß, und dass er von dieser Verbindung mit Jesus
abstamme.
ERZÄHLER
Seine Verwandten verweigerten jedoch seit dem Tod des
Grabeigners jegliche Stellungnahme. Pech, denke ich bei mir.
Wahrscheinlich war meine Idee, die christliche Kirche in ihren
Grundfesten erschüttern zu können, ohnehin ein wenig naiv.
Aber schaden kann es in der jetzigen Zeit nicht, den
eurozentrischen Blick auf Jesus etwas aufzubrechen.
MUSIK
Cachemire, Tarana
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