Seite 1 Dr. Markus Junker* Neues zum elektronischen Vertragsabschluss und zur elektronischen Willenserklärung: Die Praxis zu § 312e BGB Inhalt I. Überblick 1. Rechtsgrundlage 2. Voraussetzungen 3. Rechtsfolge II. Ausgewählte Probleme 1. Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit 2. Angebot und Annahme 3. Anfechtung wegen Irrtums 4. Zugangsprobleme 5. Allgemeine Geschäftsbedingungen 6. Formmängel 7. Beweisprobleme III. Ausblick Anm.: Das Vortragsmanuskript einschließlich der verwendeten Internet-Fundstellen befindet sich auf dem Stand vom 15.09.2003. * Der Verfasser ist als Rechtsanwalt im Münchner Büro der PricewaterhouseCoopers Veltins Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Fachbereiche „Technology – Media – Communications“ und „Intellectual Property“; WWW: http://www.cybercourt.de/) und in Forschung und Lehre als freier Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik an der Universität des Saarlandes (Prof. Dr. Maximilian Herberger) tätig (WWW: http://www.jura.uni-sb.de/urheberrecht/junker/). Seite 2 I. Überblick 1. Rechtsgrundlage Mit Wirkung zum 01.01.2002 Schuldrechtsmodernisierung hat Regelungen der Gesetzgeber für Verträge im im Zuge der elektronischen Geschäftsverkehr geschaffen (§ 312e BGB). Sie bilden zusammen mit den Formvorschriften für die elektronische Form (§ 126a BGB) und für die Textform (§ 126b BGB) den Kern der Vorschriften im BGB für den E-Commerce und zusammen mit den Haustürgeschäften (§§ 312f. BGB) und den Fernabsatzverträgen (§§ 312b ff. BGB) die „besonderen Vertriebsformen“ des BGB. Ebenso wie die Regelungen der beiden anderen Vertriebsformen hat auch das Recht der Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr seinen Ursprung in einer europäischen Richtlinie, und zwar in Art. 10 und 11 der sog. E-Commerce-Richtlinie (ECRL).1 Der deutsche Gesetzgeber hat davon abgesehen, zur Umsetzung der Richtlinie besondere Regelungen für das Zustandekommen solcher Verträge zu schaffen, die vorhandenen Regelungen des BGB wurden mit Recht als ausreichend erachtet. Stattdessen hat er mit § 312e BGB eine zentrale Norm geschaffen, in welcher besondere Pflichten des Unternehmers gegenüber seinen Kunden normiert sind, und in § 3 BGB-InfoV einen Katalog mit besonderen Informationspflichten ausgelagert. Das nunmehr knapp zweijährige Bestehen der Regelung soll zum Anlass genommen werden, um ausgewählte Probleme des elektronischen Vertragsschlusses unter besonderer Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung darzustellen. Dabei handelt es sich überwiegend um Entscheidungen der Instanzgerichte. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs oder etwa des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, welche für die Auslegung der Richtlinie von besonderer Bedeutung wären, liegen noch nicht vor. 1 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.06.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. EG Nr. L 178 S. 1). Seite 3 2. Voraussetzungen Nach der Legaldefinition in § 312e Abs. 1 S. 1 BGB setzt ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr voraus, dass sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen eines Tele- oder Mediendienstes bedient. Wie auch im Fernabsatzrecht muss es sich um einen Vertrag über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen handeln. Anders als im Fernabsatzrecht ist aber kein Vertrag eines Unternehmers (§ 14 BGB) mit einem Verbraucher (§ 13 BGB) erforderlich („Business-to-Consumer“), der Vertragspartner wird in § 312e BGB neutral Kunde genannt, kann also auch selbst Unternehmer sein („Business-to-Business“). In diesem Fall können die Pflichten der Regelung beide Vertragspartner treffen. Die Differenzierung zwischen Unternehmer und Verbraucher ist aber auch hier von Bedeutung, und zwar im Hinblick auf § 312e Abs. 2 S. 2 BGB (Möglichkeit, einzelne Regelungen mit Ausnahme von § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB abzubedingen) und im Hinblick auf § 312e Abs. 3 S. 2 BGB („Schnittstelle“ zum Fernabsatzrecht durch den Fristbeginn für das Widerrufsrecht). Auf Verträge zwischen Verbrauchern findet § 312e BGB keine Anwendung. Entscheidendes Merkmal des Vertrags im elektronischen Geschäftsverkehr ist, dass sich der Unternehmer zum Vertragsabschluss eines Teledienstes (siehe § 2 Abs. 1 TDG) oder eines Mediendienstes (siehe § 2 Abs. 1 MDStV) bedient. Typisches Beispiel hierfür ist die Web-Site im Internet, wobei die Frage in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt, nach welchen Kriterien die Zuordnung zu einem der beiden Telemedien erfolgt. Sowohl Tele- als auch Mediendienste sind Fernkommunikationsmittel i.S.v. § 312b Abs. 2 BGB, der Begriff des Fernkommunikationsmittels ist also ein Oberbegriff. Hierzu gehören auch E-Mails, sie sind als solche keine Tele- oder Mediendienste. Wie sich aus § 312e Abs. 2 S. 1 BGB ergibt, wo von einem Vertragsschluss ausschließlich durch individuelle Kommunikation die Rede ist, findet auf einen Vertragsschluss mittels E-Mail lediglich § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB Anwendung, Seite 4 also die Pflicht, dem Vertragspartner die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern. § 312e BGB erfasst also zwei typische Fälle, nämlich den Vertragsschluss via Web-Formular und den Vertragsschluss via E-Mail. Nicht jeder Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr ist folglich ein Fernabsatzvertrag, und nicht jeder Fernabsatzvertrag ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr. Hinzu kommt, dass der Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts durch das nach § 312b Abs. 1 BGB erforderliche Vertriebssystem und die Ausnahmetatbestände in § 312b Abs. 3 BGB zusätzlich eingeschränkt wird. 3. Rechtsfolgen Liegt ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr vor, muss der Unternehmer 1. dem Kunden angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe er Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann, 2. den Kunden rechtzeitig vor Abgabe der Bestellung klar und verständlich informieren (§ 3 BGB-InfoV): - über einzelne technische Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen, - darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist, - darüber, wie der Kunde mit den zur Verfügung gestellten technischen Mitteln Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen kann, - über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen, - über sämtliche einschlägigen Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterwirft, sowie die Möglichkeit eines elektronischen Zugangs zu diesen Regelwerken. Seite 5 3. den Zugang der Bestellung des Kunden unverzüglich auf elektronischem Wege bestätigen, 4. dem Kunden die Möglichkeit verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern. Welche Sanktionen bei Verstößen gegen diese Pflichten drohen, ist § 355 BGB nicht zu entnehmen. Der Kunde hat jedenfalls einen (einklagbaren) Anspruch auf Erfüllung der Pflichten des § 312e Abs. 1 BGB. Ein Verstoß hat aber nicht die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge. Im Falle eines Eingabefehlers ist der Vertrag aber unter Umständen anfechtbar (§ 142 BGB i.V.m. § 119 BGB). Werden die Informationspflichten nicht erfüllt, kommt unter Umständen ein Anspruch des Kunden wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Betracht (culpa in contrahendo, § 280 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB i.V.m. 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 BGB-InfoV).2 Steht dem Kunden ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu wie beispielsweise bei Fernabsatzverträgen, so beginnt die Widerrufsfrist gemäß § 312e Abs. 3 S. 2 BGB nicht vor Erfüllung der Pflichten aus § 312e Abs. 1 S. 1 BGB; ein eigenes Widerrufsrecht gewährt § 312e BGB im Unterschied zu § 312 Abs. 1 BGB (Haustürgeschäfte) oder § 312d BGB (Fernabsatzverträge) aber nicht. Verstöße gegen § 312e BGB können aber wettbewerbswidrig sein und Ansprüche nach § 1 UWG oder § 3 UWG begründen, was zu teuren Abmahnungen führen kann. In Betracht kommt ferner eine Unterlassungsklage nach § 2 Abs. 1 UKlaG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UKlaG. Die Verbraucherschutzverbände haben bereits mit der Überprüfung von Unternehmens-Web-Sites begonnen. Nach einer Mitteilung der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. aus dem Jahr 2002 verstießen bei einem „Web-Check“ von insgesamt 500 Online-Shops etwa 80 % gegen gesetzliche Vorschriften.3 2 jurisPK/junker, 1. Aufl. 2003, BGB § 312e Abs. 1 Rn. 65ff. Pressemitteilung von Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. vom 18.12.2002, „Acht von zehn Online-Shops verstoßen gegen das Gesetz“, URL: http://www.vzbv.de/go/presse/164/5/20. 3 Seite 6 II. Ausgewählte Probleme 1. Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit Eine bei Internet-Sachverhalten stets mitzubedenkende Frage ist die nach dem anwendbaren Recht und – vorgelagert – der internationalen Zuständigkeit. Diese Frage stellt sich stets, wenn die Vertragspartner sich in zwei verschiedenen Staaten befinden. Für diesen Fall empfiehlt es sich, Klarheit zu schaffen, die Gerichte welchen Staates entscheiden sollen und welches Recht anwendbar oder auch nicht anwendbar sein soll (zwischen Unternehmern unter Umständen UN-Kaufrecht), und entsprechende Gerichtsstandsklausel und Rechtswahlklausel zu vereinbaren (Art. 27 EGBGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 1 TDG). Bei Verbraucherverträgen ist die Freiheit zur Gerichtsstandswahl (siehe nur Art. 17 EuGVVO) und zur Rechtswahl eingeschränkt (Art. 29 EGBGB bzw. Art. 29a EGBGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 TDG). In diesen Fällen darf beispielsweise die Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird (z.B. durch das Fernabsatzrecht, §§ 312b ff. BGB), wenn dem Vertragsabschluss beispielsweise eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). Werbung in diesem Sinne kann auch eine Web-Site im Internet sein. Entscheidend ist, ob die Web-Site bestimmungsgemäß in dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers abrufbar war bzw. ob die Werbung bestimmungsgemäß via Internet dort verbreitet wird.4 Die Ermittlung des bestimmungsgemäßen Abrufgebiets ist ein Problem, welches auch aus dem Internationalen Deliktsrecht und Immaterialgüterrecht bekannt ist.5 4 5 Rüßmann, JurPC Web-Dok. 108/1998 Abs. 49ff. (URL: http://www.jurpc.de/aufsatz/19980108.htm). Zu Lösungsvorschlägen Junker, Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen im Internet, Diss. Saarbrücken 2001 (URL: http://cgi.unikassel.de/~dbupress/download_frei.pdf.cgi?3-933146-78-X). Seite 7 Ein wichtiges Kriterium hierfür ist die verwendete Sprache. Wer beispielsweise die deutsche Sprache für Werbung auf seiner Web-Site verwendet, spricht damit jedenfalls Verbraucher in Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Für die Gestaltung des Online-Shops folgt insofern eine Vorgabe aus § 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 4 BGB-InfoV. Danach hat der Unternehmer den Kunden über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen zu informieren. Soll das Internet-Angebot mehrsprachig sein, empfiehlt es sich, auf der Eingangsseite des Online-Shops Abteilungen mit verschiedenen Sprachen einzurichten. Die bis zum 09.10.2004 umzusetzende Richtlinie für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen6 sieht sogar noch weitergehende Informationspflichten des Unternehmers vor. Hierzu hat die Bundesregierung im Juni 2003 einen Gesetzesentwurf vorgelegt.7 Der Unternehmer hätte danach unter Anderem über Folgendes zu informieren: - die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Recht der Unternehmer der Aufnahme von Beziehungen zum Verbraucher vor Abschluss des Fernabsatzvertrages zugrunde legt (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 BGB-InfoV-E), - Vertragsklauseln über das auf den Fernabsatzvertrag anwendbare Recht oder über das zuständige Gericht (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 BGB-InfoV-E), - Sprachen, in welchen die Vertragsbedingungen und die in dieser Vorschrift genannten Vorabinformationen mitgeteilt werden, sowie die Sprachen, in welchen sich der Unternehmer verpflichtet, mit Zustimmung des Verbrauchers die Kommunikation während der Laufzeit dieses Vertrages zu führen (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 BGB-InfoV-E) 6 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien des Rates 90/619/EWG, 97/7/EG und 98/27/EG. 7 URL: http://www.bmj.bund.de/images/11617.pdf. Seite 8 2. Angebot und Annahme a) Informationspflichten Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt (§ 311 Abs. 1 BGB). Ein Vertrag setzt zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen verschiedener Personen voraus, Angebot und Annahme (§§ 145ff. BGB). Eine Willenserklärung kann auch elektronisch abgegeben werden, beispielsweise per EMail oder durch das Anklicken eines Links auf einer Web-Seite. Gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 BGB-InfoV muss der Unternehmer den Kunden über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen, informieren. Kommt er dieser Informationspflicht nach, dürften sich zahlreiche Auslegungsprobleme, insbesondere zwischen Angebot und invitatio ad offerendum sowie zwischen Annahme und Empfangsbestätigung, nicht stellen. b) Abgrenzung von Angebot und invitatio ad offerendum Ob es sich bei der Präsentation des Waren- oder Dienstleistungsangebots eines Unternehmens auf seiner Web-Site bereits um ein Angebot i.S.v. § 145 BGB handelt oder lediglich um eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots durch den Kunden (invitatio ad offerendum), ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Es kommt darauf an, wie der Empfänger den erklärten Inhalt nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen darf (§§ 133, 157 BGB). In der Regel handelt es sich danach bei einer Web-Site um bloße Werbung, ein Rechtsbindungswille kann dieser regelmäßig nicht entnommen werden. Das kann aber im Einzelfall anders sein, je nach Gestaltung etwa bei der Einstellung einer Web-Seite mit einem Verkaufsangebot in einer Internet-Auktion.8 8 Siehe nur BGH, JurPC 255/2001 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20010255.htm); vgl. hierzu die Entscheidungen der Vorinstanzen OLG Hamm, JurPC 255/2000 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20000255.htm) und LG Münster, JurPC 60/2000 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20000060.htm). Seite 9 c) Formen der Annahme Die Annahme ist grundsätzlich eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Gemäß § 151 S. 1 BGB kommt ein Vertrag aber auch durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Eine solche Verkehrssitte besteht beispielsweise bei der Bestellung von Waren im Versandhandel, unabhängig davon, ob es sich um eine herkömmliche oder um eine elektronische Bestellung im Fernabsatz handelt. Die entscheidende Betätigung des Annahmewillens liegt in dem Absenden der bestellten Ware.9 Einen Sonderfall der Annahme stellt ferner der Zuschlag bei Versteigerungen dar (§ 156 BGB). Zwar gibt es auch im Internet Versteigerungen in diesem Sinne. In vielen Fällen handelt es sich bei Internet-Auktionen jedoch um Kaufverträge gegen Höchstgebot,10 u.a. mit der Folge, dass bei Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts das Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB nicht ausgeschlossen ist. 11 Besondere Probleme werfen Programme auf, die kurz vor Ende des Auktionszeitraums selbsttätig ein Gebot und damit eine automatisierte Willenserklärung abgeben (sog. Sniper-Software).12 d) Annahmefrist Ein per Web-Formular oder E-Mail abgegebenes Angebot ist eine Willenserklärung unter Abwesenden und kann daher bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB). Wird das Angebot nicht rechtzeitig angenommen erlischt es (§ 146 BGB). Die Übermittlungszeiten fallen bei Vertragsschlüssen im Internet regelmäßig nicht ins Gewicht, so dass sich die gesetzliche Annahmefrist nach der dem Empfänger zuzugestehenden Bearbeitungs- und Überlegungszeit 9 jurisPK/Backmann, 1. Aufl. 2003, BGB § 151 Rn. 10 und 15. 10 Wie BGH hat in seiner zweiten Entscheidung zu Internet-Versteigerungen festgestellt hat, verstößt die besondere Form der umgekehrten Versteigerung nicht gegen § 1 UWG (BGH, NJW 2003, 2096). 11 Siehe nur LG Hof, JurPC 368/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020368.htm). Seite 10 bemisst. Unsicherheiten lassen sich in der Praxis dadurch vermeiden, dass man von der Möglichkeit des § 148 BGB Gebrauch macht und für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt.13 e) Abgrenzung von Annahme und Empfangsbestätigung aa) Unterschied. Gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB muss der Unternehmer den Zugang der Bestellung des Kunden unverzüglich auf elektronischem Wege bestätigen. Von dieser Wissenserklärung ist die Annahme des Vertragsangebots, eine Willenserklärung, Empfangsbestätigung streng können zu unterscheiden. zusammen erklärt Annahme und werden. Die Empfangsbestätigung ist aber auch vorab möglich und sinnvoll. Im Unterschied zur Annahme hat sie nämlich in jedem Fall unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), zu erfolgen. bb) Rechtsprechung. Die durch die Abgrenzung beider Erklärungen aufgeworfenen Auslegungsfragen haben im vergangenen Jahr einige Gerichte beschäftigt. In einem vom AG Butzbach entschiedenen Fall bestellte der Kläger per E-Mail eine Ware und erhielt wenig später durch ein Auto-Reply die Nachricht der Beklagten „Vielen Dank für Ihre E-Mail. Wir werden Ihren Auftrag umgehend bearbeiten“. Das Gericht folgte der Auslegung der Beklagten, damit sei lediglich der Eingang der Bestellung bestätigt und nicht bereits die Annahme des Angebotes erklärt worden. Unerheblich war insbesondere, dass es sich bei dem Auto-Reply um eine automatisierte Erklärung handelte, denn es ist anerkannt, dass auch solche Willenserklärungen sein können.14 Das AG Westerburg hat in einer vergleichbaren E-Mail, in der für die Bestellung des Kunden allerdings nicht nur gedankt wurde, sondern auch die bestellten Gegenstände mit Preis aufgeführt waren, als Annahmeerklärung qualifiziert. 15 12 Das LG Hamburg hat das Anbieten von Sniper-Diensten aus wettbewerbsrechtlichen Gründen untersagt (LG Hamburg, MMR 2002, 755). 13 jurisPK/Junker, 1. Aufl. 2003, BGB § 312e Abs. 1 Rn. 9. 14 AG Butzbach, JurPC 348/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020348.htm). 15 AG Westerburg, JurPC 184/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030184.htm). Seite 11 Das LG Köln hat ein Auto-Reply als Annahmeerklärung ausgelegt, in welcher der Unternehmer mitteilte, er werde den Auftrag des Kunden bald „ausführen“. Die „Ausführung“ eines Auftrages liege – so das Gericht – in seiner Erledigung bzw. Erfüllung, während unter „Bearbeitung“ eines Auftrages – wie in dem vom AG Butzbach entschiedenen Fall – auch z.B. dessen Weitergabe zwecks Prüfung verstanden werden könne.16 Zu dem gleichen Ergebnis gelangte das OLG Frankfurt bei der Auslegung einer Auto-Reply mit derselben Formulierung („Vielen Dank für Ihren Auftrag, den wir so schnell als möglich ausführen werden“).17 Das AG Wolfenbüttel hatte hingegen einen Fall zu entscheiden, in dem nach seiner Auffassung eindeutig eine Empfangsbestätigung vorlag. Unterstützt wurde dies durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen es hieß: „Der eigentliche Vertrag kommt dann so zu Stande, dass wir die Bestellung bestätigen, wodurch wir in ein Kaufangebot einwilligen.“18 cc) Praxishinweis. Vor diesem Hintergrund kann nur empfohlen werden, die Erklärungen möglichst eindeutig zu formulieren, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Wenn der Unternehmer lediglich den Zugang bestätigen möchte, sich die Annahme des Angebotes aber noch offen halten will, muss er dieses eindeutig klarstellen. Zudem ist der Unternehmer gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 BGB-InfoV verpflichtet, über die einzelnen technischen Schritte zu informieren, die zu einem Vertragsschluss führen. Die Erläuterung des Zustandekommens des Vertrages in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen dürfte hierzu nicht ausreichen, denn die Informationen müssen dem Kunden rechtzeitig vor der Abgabe der Bestellung klar und verständlich mitgeteilt werden. Vielmehr dürfte in der Regel eine gesonderte Belehrung vor Vertragsschluss durch eine gesonderte Web-Seite erforderlich sein. 16 LG Köln, JurPC Web-Dok. 138/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030138.htm). 17 OLG Frankfurt, JurPC Web-Dok. 91/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030091.htm). 18 AG Wolfenbüttel, Urt. v. 14.03.2003 – 17 C 477/02, zum Teil abgedruckt in CR 2003 (Heft 8), 622. Seite 12 3. Anfechtung wegen Irrtums a) Allgemeine Probleme aa) Häufig hatte sich die Rechtsprechung bereits mit Fällen zu beschäftigen, in denen ein Vertragspartner den Kaufpreis versehentlich fehlerhaft angegeben hatte und sich daraufhin von dem Vertrag durch Anfechtung zu lösen versuchte. Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es nämlich gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. bb) Die Anfechtungserklärung kann wie jede Willenserklärung auch elektronisch und damit beispielsweise per E-Mail abgegeben werden (§ 143 Abs. 1 BGB). Sie muss den Gegenstand des Kaufvertrags bezeichnen. Das war in einem vom AG Westerburg19 zu entscheidenden Fall problematisch, da die Anfechtungserklärung ausdrücklich drei andere Kaufgegenstände aufführte, ohne jedoch den streitgegenständlichen zu erwähnen. cc) Die Anfechtungserklärung muss dem Anfechtungsgegner zugehen (§ 130 BGB). Das ist von besonderer Bedeutung für die Anfechtungsfrist, denn nach § 121 S. 1 BGB muss die Anfechtung in den Fällen der §§ 119, 120 BGB ohne schuldhaftes Zögern, d.h. unverzüglich, erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Bedingt entschärft wird das Problem dadurch, dass die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gemäß § 121 S. 2 BGB als rechtzeitig erfolgt gilt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist. b) Willensmängel aa) Typischer Anfechtungsgrund ist wie bereits erwähnt die fehlerhafte Angabe des Kaufpreises. Bereits der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu InternetAuktionen lag beispielsweise ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Versteigernde zunächst behauptete, den Startpreis für den PKW mit 10, - DM irrtümlich zu niedrig 19 AG Westerburg, JurPC 184/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030184.htm). Seite 13 eingegeben zu haben.20 Wird der Preis für Waren im Internet durch Eingabefehler falsch angegeben, ist dieser Eingabefehler mit dem Fall des Verschreibens nach § 119 Abs. 1 Var. 2 BGB gleichzustellen, wie das AG Westerburg21 bestätigt hat. bb) Das OLG Frankfurt22 hatte ein Anfechtungsrecht gemäß § 120 BGB bei einem online geschlossenen Kaufvertrag bejaht, bei dem der Kaufpreis aufgrund einer Softwareänderung versehentlich zu niedrig bezeichnet war. Ursache für den Unterschied zwischen dem tatsächlichen Preis und dem auf der Web-Site des Online-Shops angegeben Preis war eine Formeländerung in der Software des Providers bei der Übertragung der Daten an diesen. Dadurch verringerte sich der Preis jeden Artikels auf 1 % des tatsächlichen Preises. Auf die Bestellung des Käufers hin übersendete der Verkäufer per Auto-Reply-Funktion die Annahmeerklärung. Das Gericht war der Auffassung, dass der Irrtum des Verkäufers den Regeln des Übermittlungsirrtums gemäß § 120 BGB unterliege. Der Irrtum, der einer den Vertragserklärungen vorangegangenen invitatio ad offerendum anhafte, dürfe nicht in rechtlich relevanter Weise auf die Annahmeerklärung „fortwirken“. Anderer Auffassung war das LG Köln23 in einem ähnlichen Fall einer fehlerhaften Einstellung der Preise auf der Web-Site. Ein Recht zur Anfechtung der per AutoReply abgegebenen Annahmeerklärung scheide aus, weil der Irrtum nicht „bei Abgabe der Willenserklärung“ vorgelegen habe. Der Verkäufer sei auch nicht schutzwürdig, denn es stehe ihm frei, die gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB erforderliche Empfangsbestätigung so zu formulieren, dass eine anschließende Ablehnung des Vertragsangebots des Käufers möglich bleibt. cc) Ist die Angabe des Preises offensichtlich fehlerhaft da zu niedrig, so kann nach Auffassung des OLG München das Ausnutzen dieses Umstandes zum Vertragsschluss (im entschiedenen Fall einer Online-Buchung einer Flugverbindung) rechtsmissbräuchlich sein. Der Antragsteller hätte das Recht aus dem Vertrag nur als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer Zwecke ausüben wollen, indem er die offensichtlich auf einem Irrtum beruhende falsche Angabe des Preises 20 Siehe oben Fußnote 8. 21 AG Westerburg, JurPC 184/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030184.htm). 22 OLG Frankfurt, JurPC Web-Dok. 2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030091.htm). 23 LG Köln, JurPC Web-Dok. 138/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030138.htm). Seite 14 für einen Flug erster Klasse dazu benutzen wollte, die Antragsgegnerin zur Zahlung einer „Vergleichssumme“ zu veranlassen.24 Mit ähnlichen allgemeinen Erwägungen argumentierte das AG Herford in einem umgekehrten Fall. Nach seiner Auffassung war ein Online-Formular bewusst so gestaltet worden, dass für den unbefangenen, durchschnittlich informierten Gewerbetreibenden der Eindruck entstehen musste, der mittels des Formulars beantragte Eintrag in ein Firmen-Online-Verzeichnis sei kostenfrei, obwohl bereits dieser Grundeintrag kostenpflichtig war. Dieses Verhalten wertete es als betrügerisch und lehnte einen Anspruch auf Vergütung ab.25 c) Pflichten des Unternehmers aa) Um Erklärungsirrtümern auf Seiten des Kunden vorzubeugen, verpflichtet § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB den Unternehmer, dem Kunden angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann. Zudem hat der Unternehmer den Kunden gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 3 BGB-InfoV darüber zu informieren, wie der Kunde mit den zur Verfügung gestellten technischen Mitteln Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen kann. bb) Wie das OLG Nürnberg26 entschieden hat, kann in Ausnahmefällen auch eine Pflicht des Unternehmers bestehen, sich zur Vermeidung eines Irrtums bei dem Kunden zu erkundigen. Das berührt zwar nicht das Bestehen des Vertrages. Der Kunde hat jedoch gegen den Unternehmer einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Schutzpflicht in entsprechender Höhe. Das Gericht hatte eine solche Pflicht bei Aufträgen eines Kunden gegenüber einer Direktbank grundsätzlich bejaht, bei denen sich der Bank ein Fehler ohne Weiteres aufdrängen musste, da OLG München, JurPC Web-Dok. 65/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030065.htm). – Zur Vereinbarkeit eines Reservierungssystems für Linienflüge im Internet mit der Preisangabenverordnung siehe BGH, JurPC Web-Dok. 248/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030248.htm). 24 25 26 AG Herford, JurPC Web-Dok. 159/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030159.htm). OLG Nürnberg, JurPC Web-Dok. 85/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030085.htm). Siehe hierzu auch LG Nürnberg-Fürth, JurPC Web-Dok. 242/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030242.htm). Seite 15 Kontenguthaben, Größe des Depots und Auftrag außer jedem Verhältnis standen. Eine Verpflichtung, einen online erteilten Kommissionsauftrag stets zurückzuweisen, wenn der Auftrag nicht durch ein Guthaben des Auftraggebers gedeckt ist, bestehe aber nicht. Um die Aufträge auf Plausibilität hin zu prüfen, müssten Banken folglich entsprechende organisatorische Maßnahmen treffen.27 4. Zugangsprobleme Eine empfangsbedürftige Willenserklärung wird gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB erst bei ihrem Zugang wirksam. Das setzt voraus, dass sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne Kenntnis nehmen. Der Gesetzgeber hat dies in § 312e Abs. 1 S. 2 BGB aufgegriffen und angeordnet, die Bestellung (eine Willenserklärung) und die Empfangsbestätigung (i.S.v. § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB, eine Wissenserklärung) gelten als zugegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt sind, sie unter gewöhnlichen Umständen abrufen können.28 § 312e Abs. 1 S. 2 BGB ist zum Nachteil von Verbrauchern nicht abdingbar (§ 312f BGB i.V.m. § 312e Abs. 2 S. 2 BGB). Vereinbarungen über den Zugang im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern bleiben jedoch weiterhin möglich. Konkretisierungsbedürftig ist stets, was „unter gewöhnlichen Umständen“ im Sinne der Definition des Zugangs zu verstehen ist. Wie das LG Nürnberg-Fürth bestätigt hat, ist bei einer E-Mail im Geschäftsverkehr der Tag des Eingangs in den „elektronischen Empfängerbriefkasten“ entscheidend. Mit Eingang der Erklärung in die Mailbox des Empfängers gehe das Verlust- und Verzögerungsrisiko auf den Empfänger über, wenn Störungen in seinem Machtbereich aufträten. 29 27 Zu Organisationspflichten für die EDV von Banken siehe im Übrigen auch OLG Schleswig, JurPC Web-Dok. 87/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030087.htm). 28 Auf prozessuale Erklärungen ist die Vorschrift nicht anwendbar. Für deren Zugang enthält § 130a Abs. 3 ZPO eine eigene Regelung: Danach ist ein elektronisches Dokument eingereicht, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichts es aufgezeichnet hat. 29 LG Nürnberg-Fürth, JurPC Web-Dok. 158/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030158.htm) unter explizitem Hinweis auf Ultsch, NJW 1997, 3007 (3008). Seite 16 Dabei ist zu beachten, dass derjenige, der mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen via E-Mail rechnen muss, durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen sicherzustellen hat, dass ihn die Erklärungen auch erreichen. Wer vor diesem Hintergrund behauptet, eine E-Mail sei ihm aus technischen Gründen nicht zugegangen, ist für den unterbliebenen Zugang beweispflichtig.30 Allerdings muss der Empfänger seine E-Mail-Adresse auch dem geschäftlichen Verkehr und nicht etwa nur dem Freundeskreis bekannt gegeben und damit den EMail-Account als Empfangsvorrichtung gewidmet haben. Erst in einem solchen Fall kann eine Obliegenheit zur regelmäßigen Leerung seiner Mailbox angenommen werden.31 5. Allgemeine Geschäftsbedingungen Der Unternehmer hat zunächst gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 2 BGB-InfoV die Pflicht, den Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist. Er hat sodann bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr ebenso wie bei Vertragsschlüssen mittels individueller Kommunikation dem Kunden nach § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern. Ein Verstoß gegen diese Pflicht lässt die Frage unberührt, ob die AGB wirksam einbezogen wurden. Unter welchen Voraussetzungen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil werden, ergibt sich nämlich grundsätzlich aus § 305 Abs. 2 BGB. Werden die AGB gegenüber einem Unternehmer verwendet, findet die Vorschrift zwar gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB keine Anwendung. Auch im Verkehr zwischen Unternehmern gelten AGB aber nur dann, wenn sie durch rechtsgeschäftliche Einbeziehung Vertragsbestandteil geworden sind und wenn der Verwender dem 30 LG Nürnberg-Fürth, JurPC Web-Dok. 158/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030158.htm) unter Hinweis auf OLG München, NJW 1994, 527 zum Faxzugang. Seite 17 anderen Teil die Möglichkeit eröffnet, vom Inhalt der AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen.32 Was die Einbeziehung von AGB im Internet betrifft, so hat das OLG Hamburg33 die Auffassung vertreten, bezüglich der Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB im Internet sei entscheidend, dass der Verwender erkennbar auf seinen Einbeziehungswillen und seine AGB hinweise. Das könne etwa durch eine Verknüpfung des Textes der AGB mit den Angeboten oder mit einem eindeutigen Hinweis an einer Stelle geschehen, die jeder Nutzer passieren müsse. Es genüge jedoch nicht, dass der Vertragspartner lediglich die Möglichkeit habe, bei einer Recherche im Internet-Auftritt auf die AGB des Verwenders zu stoßen. 6. Formmängel Elektronische Erklärungen können grundsätzlich formfrei abgegeben werden. Ist ausnahmsweise durch Gesetz oder Vertrag eine Form angeordnet und wird diese nicht eingehalten, kann die Erklärung nichtig sein (§ 125 BGB). a) Elektronische Form aa) Ist für Verträge durch Gesetz die Schriftform vorgesehen, so kann diese gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form nach § 126a BGB ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, wie beispielsweise im Arbeitsrecht für den Nachweis der Vertragsbedingungen (§ 2 Abs. 1 S. 3 NachweisG), Aufhebungsvertrag oder Kündigungserklärung (§ 623 Hs. 2 BGB) sowie die Erteilung des Zeugnisses (§ 630 S. 3 BGB; für Arbeitnehmer seit 01.01.2003 34 § 630 S. 4 BGB i.V.m. § 109 Abs. 3 GewO unter gleichzeitiger Aufhebung von § 73 S. 2 HGB).35 31 jurisPK/Reichold, 1. Aufl. 2003, BGB § 130 Rn. 15. 32 Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003, § 305 Rn. 50 und 54. 33 OLG Hamburg, JurPC Web-Dok. 288/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020288.htm). Die Gesetzesänderung zum 01.01.2003 geht auf das „Dritte Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften“ zurück (im Internet abrufbar unter der URL http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl102s3412.pdf). 34 35 Siehe im Einzelnen jurisPK/Junker, 1. Aufl. 2003, BGB § 126 Abs 3 Rn. 6 und 7, auch zu den Parallelregelungen im SeemannsG. Seite 18 bb) Die für die gesetzliche elektronische Form erforderliche qualifizierte elektronische Signatur (§ 2 Nr. 3 SigG) ist von der Praxis aus verschiedenen Gründen bislang nicht angenommen worden und hat daher keine nennenswerte Bedeutung erlangt. Die Deutsche Post Signtrust GmbH, einer der vormals großen Anbieter, hat sich vollständig aus dem Markt zurückgezogen. Ein erwähnenswerter Anwendungsfall elektronischer Signaturen ist allerdings das „E-Invoicing“ mittels elektronischer Rechnungen, welche eine qualifizierte elektronische Signatur mit AnbieterAkkreditierung nach § 15 Abs. 1 S. 4 SigG erfordern (§ 14 Abs. 4 S. 2 UStG). 36 Es bleibt ferner abzuwarten, welche Auswirkungen die Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Einsatz der elektronischen Signatur im Öffentlichen Recht haben wird.37 Staat und Wirtschaft haben zu ihrer Förderung am 03.04.2003 ein „Bündnis für elektronische Signaturen“ gegründet.38 cc) Für die durch Rechtsgeschäft bestimmte Schriftform und elektronische Form gelten gemäß § 127 Abs. 1 BGB die Vorschriften für die Schriftform (§ 126 BGB) und für gesetzliche elektronische Form (§ 126a BGB) im Zweifel entsprechend, allerdings mit wichtigen Modifikationen. Zur Einhaltung der Schriftform reicht danach im Zweifel auch die telekommunikative Übermittlung und damit ein Fax oder eine (unsignierte) E-Mail aus (§ 127 Abs. 2 S. 1 BGB), zur Einhaltung der elektronischen Form auch eine fortgeschrittene elektronische Signatur wie beispielsweise PGP oder GnuPG (§ 127 Abs. 3 S. 1 BGB). In der Vertragspraxis empfiehlt es sich daher, in den weithin üblichen Schriftformklauseln klarzustellen, ob E-Mails der Schriftform genügen und ob diese gegebenenfalls signiert werden müssen. b) Textform Der Anwendungsbereich der zusammen mit der elektronischen Form eingeführten Textform (§ 126b BGB) nimmt kontinuierlich zu: Seit 01.01.2003 besteht 36 Zur elektronischen Rechnung im Umsatzsteuerrecht siehe Andres/Huss, JurPC Web-Dok. 99/2002 (URL: http://www.jurpc.de/aufsatz/20020099.htm). 37 Zur Anpassung des (Bundes-)Verwaltungsverfahrensgesetzes mit Wirkung zum 01.02.2003 siehe BGBl. I 2002, 3322ff.; zum Einsatz digitaler Signaturen in der Verwaltung siehe Meinel/Gollan, JurPC Web-Dok. 89/2003 (URL: http://www.jurpc.de/aufsatz/20030089.htm); zum elektronischen Personalausweis Meinel/Gollan, JurPC Web-Dok. 223/2002 (URL: http://www.jurpc.de/aufsatz/20020223.htm); zum elektronischen Verwaltungsakt Ibisch, JurPC WebDok. 210/2001 (URL: http://www.jurpc.de/aufsatz/20010210.htm). 38 URL: http://www.iid.de/iukdg/03-04-03erklaerung.pdf. Seite 19 beispielsweise im Arbeitsrecht nach § 108 Abs. 1 S. 1 GewO für den Arbeitgeber die Pflicht, dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen.39 Im Vergaberecht beispielsweise besteht seit dem 15.02.2003 gemäß § 13 S. 2 VgV für den Auftraggeber die Pflicht, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, in Textform zu informieren.40 7. Beweisfragen Wer einen Anspruch aus einem Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr geltend macht, muss die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen. Elektronische Dokumente werden im Wege des Augenscheinbeweises in das Gerichtsverfahren eingeführt. Der Beweis wird gemäß § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO durch Vorlegung oder Übermittlung der Datei angetreten. a) Identität des Vertragspartners Im virtuellen Raum des Internet besteht ein großes Problem darin, den Vertragspartner zuverlässig zu identifizieren. Sehr problematisch sind die durch die Presse publik gewordenen Fälle, in denen Kundendaten (z.B. Kreditkartennummern) durch den „Diebstahl“ von Datenbanken in Umlauf kommen. In Kalifornien ist zum 01.07.2003 ein Gesetz in Kraft getreten, welches die von Einbrüchen in IT-Systeme betroffenen Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Kunden über diese Vorfälle zu informieren (California Security Breach Information Act).41 Diese Informationen versetzen die Kunden in die Lage, sich gegen die Folgen des Identitätsdiebstahls zu wehren. Die Beweissituation stellt sich wie folgt dar.42 39 Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt gemäß § 108 Abs. 1 S. 2 GewO, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben. Zur Gesetzesänderung zum 01.01.2003 siehe bereits oben. 40 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 5 Buchst. a der Zweiten Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung (BGBl. 2003 I S. 168, URL: http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl103s0168.pdf); zur Bekanntmachung der Neufassung der Vergabeverordnung siehe ergänzend BGBl. 2003 I S. 169, URL: http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl103s0169.pdf). Zur elektronischen Angebotsabgabe siehe § 15 VgV. Zur Anwendbarkeit der Informations- und Schutzpflichten nach § 312e BGB bei der elektronischen Vergabe siehe Demmel/Herten-Koch, NZBau 2002, 482. 41 URL: html 42 http://info.sen.ca.gov/pub/01-02/bill/sen/sb_1351-1400/sb_1386_bill_20020926_chaptered. Zu den Folgen des Hacking einer Telefonanlage für die Beweislast siehe LG Hof, JurPC Web-Dok. 201/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030201.htm). Seite 20 aa) Beweissituation mit qualifizierter elektronischer Signatur Soweit elektronische Erklärungen mit qualifizierten elektronischen Signaturen i.S.v. § 2 Nr. 3 SigG versehen sind, greift der Anscheinsbeweis nach § 292a ZPO: Der Anschein der Echtheit einer solchen Erklärung kann nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernstliche Zweifel daran begründen, dass die Erklärung mit dem Willen des Signaturschlüssel-Inhabers abgegeben worden ist. Die qualifizierte elektronische Signatur kann darüber hinaus auch sinnvoll sein, um die Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners sicherzustellen. Bei elektronischen Vertragsschlüssen fehlen nämlich regelmäßig Möglichkeiten, um zuverlässig das Alter des Vertragspartners zu überprüfen. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 SigG kann ein qualifiziertes Zertifikat Angaben zu der Person des Antragstellers enthalten. Möglich ist auch die Angabe des Geburtsdatums. Dabei gilt der Grundsatz, dass der Zertifizierungsdiensteanbieter den Antragsteller zuverlässig zu identifizieren hat (§ 5 Abs. 1 S. 1 SigG).43 Eine qualifizierte elektronische Signatur kann zudem bei dem Nachweis Vertretungsmacht helfen. Ein qualifiziertes Zertifikat kann nämlich gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 SigG auf Verlangen des Antragstellers auch Angaben über seine Vertretungsmacht für eine dritte Person sowie berufsbezogene oder sonstige Angaben zu seiner Person (sog. Attribute) enthalten. Hinsichtlich der Angaben über die Vertretungsmacht ist die Einwilligung der dritten Person nachzuweisen (§ 5 Abs. 2 S. 2 SigG). Angaben über die Vertretungsmacht für eine dritte Person dürfen nur bei Nachweis dieser Einwilligung in ein qualifiziertes Zertifikat aufgenommen werden.44 bb) Beweissituation ohne qualifizierte elektronische Signatur Da sich qualifizierte elektronische Signaturen nicht durchgesetzt haben, werden in der Praxis in der Regel unsignierte E-Mails verwendet, für welche dieser Anscheinsbeweis weder direkt noch analog gilt. 43 jurisPK/Junker, 1. Aufl. 2003, BGB § 312e Rn. 10. 44 jurisPK/Junker, 1. Aufl. 2003, BGB § 312e Rn. 7. Seite 21 Die Rechtsprechung hatte sich darüber hinaus bereits mehrfach mit Fällen auseinander zu setzen, in denen der Vertragsschluss bei einer Internet-Auktion damit bestritten wurde, ein Dritter habe Kennung und Passwort oder sonstige Authentifizierungs- bzw. Zugangsdaten „entwendet“, beispielsweise durch einen Trojaner, und dann missbräuchlich den Vertrag abgeschlossen.45 Das Bestreiten hatte regelmäßig Erfolg, denn wer den Anspruch aus dem Vertrag geltend macht, muss darlegen und beweisen, dass und mit wem er einen Vertrag geschlossen hat. Dem beweisbelasteten Anspruchssteller kommt nach der Rechtsprechung keine Beweiserleichterung zugute,46 etwa durch einen Anscheinsbeweis wie bei dem Geldabheben mit einer EC-Karte,47 auch wenn dies in der Literatur zum Teil gefordert wird.48 Nach der Auffassung des OLG Köln lässt die Verwendung eines Passworts auf Grund der Sicherheitsstandards im Internet nämlich keine Schlüsse darauf zu, dass aus der Verwendung eines geheimen Passworts auf denjenigen als Verwender geschlossen werden kann, dem das Passwort ursprünglich zugeteilt wurde; auch ein Schadensersatzanspruch scheidet in der Regel mangels schuldhafter Pflichtverletzung aus.49 Das LG Konstanz war ebenfalls mit Beweisproblemen bei Internet-Auktionen konfrontiert: Sei einerseits streitig, ob ein Kaufvertragsangebot im Rahmen einer Internetauktion vom Käufer per E-Mail angenommen worden sei und andererseits die Möglichkeit, dass über einen Virus („Trojanisches Pferd“) das Passwort des Käufers von einem Dritten missbraucht worden ist, um die Angebotsannahme zu erklären, 45 Zu datenschutz- und sicherheitsrechtlichen Anforderungen an Authentifizierungssysteme siehe Spindler, CR 2003, 534. 46 So auch AG Durlach, JurPC Web-Dok. 63/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020063.htm) in einem Fall, in dem es um die Online-Zeichnung von Aktienemissionen ging. 47 Grundlage des Anscheinsbeweises beim Geldabheben mittels EC-Karte ist die generelle Annahme, dass die Kombination von PIN und EC-Karte hinreichend sicher ist (so die Rechtsprechung, siehe z.B. LG Hannover, JurPC Web-Dok. 2/1999, URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/19990002.htm). Aus Gründen der Vollständigkeit ist anzumerken, dass dieser Anscheinsbeweis beim Missbrauch von ECKarten nicht immer unumstritten war (siehe OLG Hamm, JurPC Web-Dok. 112/1998, URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/19980122.htm), wobei sich diese Diskussion im Zuge der Einführung neuer Sicherheitssysteme vorläufig erledigt hat. 48 49 Winter, JurPC Web-Dok. 109/2002 (URL: http://www.jurpc.de/aufsatz/20020109.htm). OLG Köln, JurPC Web-Dok. 364/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020364.htm). Anm.: Revision zum BGH zugelassen. Seite 22 nicht nur nicht auszuschließen, sondern als reale Gefahr zu sehen, sei der dem Veranstalter der Auktion obliegende Beweis für das Zustandekommen des Kaufvertrages nicht als geführt anzusehen.50 Auch das LG Bonn war der Auffassung, ein Anscheinsbeweis für das Zustandekommen des Vertrages dadurch, dass das Gebot von jemandem abgegeben wurde, der das Passwort eines Bieters kannte, greife angesichts der nicht feststehenden Sicherheitsstandards bei Passwörtern nicht ein.51 Das AG Erfurt hat im gleichen Sinne ausgeführt, dass die Angabe einer E-MailAdresse in Verbindung mit einem Passwort kein ausreichendes Indiz dafür sei, dass es eine bestimmte Person gewesen sei, die an einer Internet-Versteigerung teilgenommen habe; der Ausdruck einer mit der E-Mail Adresse versehenen Mail sei kein taugliches Beweisangebot für das Vorliegen einer Annahme des im Rahmen der Auktion abgegebenen Kaufangebots.52 Auch wenn die Beweislage nach der Rechtsprechung klar ist, bietet das Fernabsatzrecht für den Verbraucher in diesen Fällen ergänzenden Schutz durch das Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 BGB. Dieses ist zwar bei Versteigerungen ausgeschlossen (§ 312d Abs. 4 Nr. 5). Versteigerungen in diesem Sinne sind jedoch – wie bereits ausgeführt – nicht die üblichen Internet-Auktionen in der Form eines Kaufvertrags gegen Höchstgebot, da es insofern an dem nach § 156 BGB erforderlichen Zuschlag fehlt.53 Voraussetzung für die Anwendung des Fernabsatzrechts ist jedoch ein Fernabsatzvertrag und damit Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§ 312b Abs. 1 BGB); bei Verträgen aufgrund einer Internet-Versteigerungen zwischen zwei Verbrauchern findet es damit keine Anwendung. 50 LG Konstanz, JurPC Web-Dok. 292/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020291.htm). 51 LG Bonn, JurPC Web-Dok. 136/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020136.htm). 52 AG Erfurt, JurPC Web-Dok. 71/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020071.htm). 53 Siehe nur LG Hof, JurPC 368/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020368.htm). Seite 23 b) Inhalt der Erklärung Unsignierte E-Mails sind ohne großen Aufwand beliebig manipulierbar, was den Beweiswert stark mindern kann, aber nicht notwendigerweise aufhebt. 54 Empfehlenswert ist daher die Verwendung kostengünstig oder sogar kostenfrei erhältlicher fortgeschrittener elektronischer Signaturen (wie beispielsweise PGP oder GnuPG). Wer diesen Aufwand scheut, sollte E-Mails zur Beweissicherung zumindest in Kopie an einen Dritten senden, damit ein Zeuge dafür zur Verfügung steht. 55 c) Zugang Wer einen Anspruch aus einem Vertrag geltend macht, muss in der Regel darlegen und beweisen, dass seine auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung der anderen Partei zugegangen ist. Den Zugang einer E-Mail sollte man daher überwachen und sich im Zweifel vom Vertragspartner bestätigen lassen, wozu ein Unternehmer gegenüber dem Kunden hinsichtlich der Bestellung gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB verpflichtet ist. Es gibt keinen Anscheinsbeweis dafür, dass eine abgesendete E-Mail auch tatsächlich bei dem Empfänger angekommen ist.56 Auch wenn keine Empfangsbestätigung angefordert wird, empfiehlt es sich, zumindest zu überwachen, ob man vom Server eine Nachricht über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält, und im Zweifel bei dem Vertragspartner nochmals per E-Mail oder telefonisch nachzufragen, auch wenn dies im Streitfall zumindest für den Nachweis des Zugangs keine Bedeutung hat.57 Ein weiteres Problem, mit dem sich das OLG Hamburg auseinander zu setzen hatte, besteht darin, nicht nur nachzuweisen, dass eine Erklärung zugegangen ist, sondern 54 Zur Beweiswürdigung von E-Mail-Korrespondenz vor dem Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages siehe ArbG Frankfurt, JurPC Web-Dok. 125/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020125.htm). 55 jurisPK/Junker, 1. Aufl. 2003, BGB § 126b Rn. 52. 56 Ablehnend gegenüber einem Anscheinsbeweis durch Log Files OLG Düsseldorf, JurPC Web-Dok. 156/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030156.htm). Anders zum Beweis des ersten Anscheins durch ein Fax-Sendeprotokoll OLG München, JurPC Web-Dok. 153/1999 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/19990153.htm) entgegen BGH, NJW 1995, 665. 57 So das OLG Düsseldorf zu den Voraussetzungen für einen Wiedereinsetzungsantrag bei einem nicht zugestellten Rechtsmittelauftrag per E-Mail an den Rechtsanwalt, JurPC 167/2003 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030167.htm). Seite 24 auch, mit welchem Inhalt sie zugegangen ist. Das Gericht hielt es für denkbar, dass die maßgebliche Datei mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Fehler hatte, der eine Übermittlung ausschloss, dass im Rahmen des Übertragungsvorgangs Übermittlungsfehler aufgetreten sind oder dass zwar Allgemeine Geschäftsbedingungen übermittelt wurden, aber nicht diejenigen, die dem Gericht vorgelegt wurden.58 III. Ausblick Wie der Überblick über ausgewählte Probleme des elektronischen Vertragsabschlusses und der elektronischen Willenserklärung gezeigt hat, ergänzen sich die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln zum Vertragsabschluss und die besonderen Pflichten nach § 312e BGB. Die Rechtsprechung hatte sich mit neuen Fragestellungen zu beschäftigen, etwa der Abgrenzung der Annahmeerklärung von der Empfangsbestätigung. Die E-Commerce-Richtlinie hat das Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs EG-weit harmonisiert. Es wird abzuwarten bleiben, welche Erfahrungen die anderen und auch die 2004 beitretenden Mitgliedstaaten mit den im deutschen Recht in § 312e BGB geregelten Pflichten machen – dies auch vor dem Hintergrund, dass sich die Regeln für das Zustandekommen und die Wirksamkeit von Verträgen in den Mitgliedstaaten durchaus unterscheiden. Wie § 312e Abs. 3 S. 1 BGB deklaratorisch feststellt, bleiben neben den Informationspflichten Informationspflichten nach auf § Grund 312e anderer BGB bestehende Vorschriften weitergehende unberührt. Besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die Informationspflichten nach dem Fernabsatzrecht (§§ 312b ff. BGB). Bei der Gestaltung eines Online-Shops sind darüber hinaus insbesondere datenschutzrechtliche Pflichten zu erfüllen. Für Banken- und Versicherungsbranche stehen mit der Umsetzung der Richtlinie für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen im Jahr 2004 bereits die nächsten Änderungen an. 58 OLG Hamburg, JurPC Web-Dok. 288/2002 (URL: http://www.jurpc.de/rechtspr/20020288.htm).