Gerhard Wazel IIK Institut für Interkulturelle Kommunikation e.V. Ansbach Lernprogramme zum interkulturellen Lernen/Interkulturelle Übungstypologie Gliederung 1. Praxisrelevante Forschungen zur interkulturellen Kommunikation/zum interkulturellen Lernen 1 1.1. Der Begriff „interkulturell“ 1 1.2. Die theoretischen Reflexionen und Forderungen 2 2. Interkulturelle Lernprogramme auf CD-ROM und im Internet 3 3. Besonderheiten interkulturellen Lernens für Nutzer von TOURNEU-Lernprogrammen 17 3.1. Ziele 17 3.2. Auswahl bzw. Gestaltung von Texten, Aufgaben und Übungen in vorrangig interkulturell orientierten Lehr- und Lernmaterialien 28 3.3. Didaktische Gestaltung der Programme 29 3.4. Bevorzugte Aufgaben- und Übungsformen/Übungstypen bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz 30 4. Multimediale digitale Übungstypen für die selbstständige Arbeit auf der Projektseite und mit den CD-ROMs/DVDs des BL-Programms von TOURNEU 31 5. Literatur 32 6. Links 33 1. Praxisrelevante Forschungen zur interkulturellen Kommunikation/zum interkulturellen Lernen Bei der Übersicht über die theoretischen Forschungen wird wenigstens zweierlei deutlich: Mit der Interkulturellen Kommunikation ist es wie mit der großen Liebe und den Geistererscheinungen: Alle Welt spricht von ihnen, aber nur wenige haben sie gesehen bzw. wissen genau, was das ist. Will sagen: 1.1. Der Begriff „interkulturell“ wird wie seinerzeit etwa „Interferenz“ und jetzt „Multimedia“ zunehmend inflationär gebraucht; im Grunde genommen wartet fast jeder prominente Forscher mit einer eigenen Definition des Begriffes auf, und man muss deshalb eigentlich immer angeben, welcher Auffassung man zustimmt. B. Hufeisen warnt daher mit Recht in ihrer Internetrezension zu Bausch et al. 1997 (http://www.schule.de/mirror/ ejournal/basic/ bauschcenh.htm), der Begriff könne bald wissenschaftstheoretisch nicht mehr zu gebrauchen sein. Unseres Erachtens werden vor allem in der Praxis kulturvergleichende bzw. kulturkontrastive Forschungen, Fragestellungen und Ergebnisse gleichgesetzt mit interkulturellen. Erstere sind jedoch nur die Voraussetzung für letztere. Bei kulturvergleichenden Untersuchungen interessiert vor allem der inhaltliche Aspekt, d.h. die Frage, wo es a) Übereinstimmungen und b) Unterschiede zwischen den verglichenen Kulturen gibt. 2 Bei interkulturellen Untersuchungen bzw. Fragestellungen hingegen steht das Dazwischen im Vordergrund. Auch hier gibt es wieder zwei Möglichkeiten einer Betrachtung der Interkulturalität: a) eine transmissionsorientierte und b) eine interaktionale bzw. integrative. Derzeit steht die transmissionsorientierte, transkulturelle im Vordergrund der theoretischen Überlegungen und folglich auch der praktischen Lösungsvorschläge. Man fragt dabei, wie die kulturellen Unterschiede zwischen den Gesprächs- und Verhandlungspartnern zu überbrücken sind, um Kommunikationsinhalte effektiv zu transferieren. Ideal erscheint dabei die Konstruktion eines tertium comparationis, das jedoch den Nachteil hat, dass Beziehungs- und Interaktionsprozesse nicht oder nur eingeschränkt zum Tragen kommen. Bei interaktionaler bzw. integrativer Betrachtungsweise spielt neben dem inhaltlichen der Beziehungsaspekt eine gleichberechtigte Rolle. „Die Frage lautet jetzt nicht in erster Linie, wie unterschiedliche Elemente verschiedener Kulturen zusammengeführt werden können, sondern welche Auswirkungen dies auf das Verhalten der Interaktionsbeteiligten hat und wie sich in diesem Zusammenspiel die jeweiligen eigenkulturellen Denk- und Handlungsvoraussetzungen verändern. Anstelle des Begriffs ‚Synthese‘ verwendet man in diesem Zusammenhang den Begriff 'Synergie‘. Bezeichnet wird damit nicht das einmalige Zusammenfügen zweier Größen (These/Antithese) zu einer dritten (Synthese), sondern das kontinuierliche Erzeugen eines Handlungszusammenhangs, in dem gleichsam die Energiepotentiale der fremdkulturellen Kommunikationspartner zusammenfließen.“ (Bolten 1999: 19/20) Ein solcher höchst dynamischer Prozess ist natürlich schwer zu planen, und seine Ergebnisse sind wegen der Vielzahl der inhärenten Parameter, wie Selbst-, Fremd-, Metabilder, differente Erwartungshaltungen, Orts- und Zeitvariablen, Erfahrung der Partner, Zusammensetzung der Gruppe, Zielvorstellungen, Akzeptanztoleranz usw. schwer vorhersagbar oder gar wiederholbar. Der Erfolg eines derartigen Vorgehens hängt wesentlich davon ab, wie flexibel die Partner reagieren, in welchem Maße sie bereit und in der Lage sind, fremdkulturell bedingte Verhaltensweisen der Partner ebenso zu erkennen und zu interpretieren wie deren Bemühen, sich ihrerseits auf die andere Kultur einzustellen, dem Partner auf den verschiedenen kommunikativen Ebenen (verbal, nonverbal, paraverbal, extraverbal) entgegenzukommen, ohne seine Akzeptanzgrenzen und die der Partner zu überschreiten bzw. überschreiten zu müssen. 1.2. Die theoretischen Reflexionen und Forderungen überwiegen bei weitem die praktischen Lösungen. Es kommt ergo nun darauf an, die theoretischen Erkenntnisse in die Praxis zu überführen, will sagen: Lehrmaterialien zu produzieren, in denen die (bilaterale) Interkulturaliät sowohl explizit (in Erläuterungen zu Texten, Videos, Bildern, Skizzen, Diagrammen, Übungen sowie in Einleitungen usw.) als auch implizit (bei der Auswahl und Gestaltung sowie Schwerpunktsetzung von Texten, Themen, Situationen, Bildern, Videoclips, Fotos, Applikationen, Skizzen, Diagrammen, Lernstrategien, vor allem aber bei der Übungsgestaltung) umgesetzt wird. Dabei ist stets von der Prämisse auszugehen, dass nicht Deutsch, Englisch, Französisch etc. als Fremdsprache, sondern Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch usw. als Fremdkommunikation im Mittelpunkt steht, also nicht die bloße „Sprachfähigkeit“, „kein synthetisches Verfahren: Laut, Wort, Satz, Text, sondern das Miteinandersprechen der Menschen – ihre wie auch immer durch die Kultur gegebene Art zu kommunizieren“ (Slembek 1997: 7). 3 Betrachtet man die bis dato angebotenen Trainings- bzw. Übungsmaterialien, dann wird deutlich: Sowohl die immer zahlreicher vorliegenden (überwiegend aus den anglophonen Ländern stammenden) Trainingsmaterialien (vgl. z.B. Brislin 1993, Cushner/Brislin 1997, Gesteland 1999, Mole 1998, Müller 1991) als auch die für den Fremdsprachenunterricht im öffentlichen Bildungswesen und im Homebereich sind mehr oder weniger transkulturell ausgerichtet und zielen nicht bewusst auf die Ausbildung der o.g. Fähigkeiten und Fertigkeiten. Damit soll ihre Bedeutung keineswegs negiert werden, im Gegenteil: Es gibt – besonders in Europa und speziell in Deutschland - zu wenige von ihnen. Es wäre jedoch wünschenswert, bei der Ausarbeitung neuer, auch tatsächlich im engeren Sinne interkulturell, interaktional bzw. integrativ bestimmte Methoden und Verfahren anzuwenden. 2. Interkulturelle Lernprogramme auf CD-ROM und im Internet Im Folgenden wollen wir beispielhaft einige auf interkulturelles Lernen zielende interaktive Lernprogramme für das Selbstlernen bzw. Blended Learning vorstellen, die entweder auf CD-ROM (mit Internetanbindung) oder im Internet angeboten werden und als Anregung für das Projekt von TOURNEU interessant sein könnten. Eine auf vergleichenden Analysen basierenden, implizit interkulturellen Produktionen ist das „Multimediale Sprachübungs- und Informationsprogramm Deutsch/ Finnisch zur Werbesprache auf CD-ROM“ und es entstand im Rahmen eines LEONARDO-Pilotprojekts. Beteiligt waren drei Werbefirmen aus Finnland (Digital Information Architects, Helsinki) und Deutschland (treesign GmbH und designatelier Jena), die Universität Jyväskylä (Finnland), die Industrie- und Handelskammer zu Ostthüringen (Geschäftsstelle Jena) sowie last not least das IIK Institut für Interkulturelle Kommunikation e.V., Standort Berlin. Ausgehend von der inhaltlichen, medienspezifischen, strukturellen, linguistischen und interkulturellen Analyse von Websites deutscher und finnischer Unternehmen, erarbeiteten die Partner ein multimediales Lernprogramm mit dem Ziel, die berufssprachlichen Fremdsprachenkenntnisse Deutsch und Finnisch von Mitarbeitern kleiner und mittlerer Unternehmen der Bereiche Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zu vertiefen bzw. zu verbessern. Das Besondere am Programm ist dass – dem spezifischen Adressatenkreis entsprechend – aus den Übungen heraus Querverweise auf die o.g. Analyseergebnisse, ergo Referenzmaterialien, geboten werden. Schwerpunktmäßig wird im Programm die Rezeptionsfähigkeit geübt, was ebenfalls den in der Regel fortgeschrittenen fachsprachlichen Fremdsprachenlernern entgegenkommt. Als Hintergrund fungieren die originären Websites, die die Lerner demonstriert bekommen, wenn sie die Übung abgearbeitet haben und auf „Musterlösung“ klicken. Das Programm unterscheidet die Strukturteile „Banner Ads“ (Anzeigen bzw. Werbebanner) und die wegen ihres größeren Umfangs und ihrer Vielgestaltigkeit intensiver geübten „Target Ads“ (unternehmensbezogene Seiten). Letztere lassen Interaktionen zu und verdeutlichen stärker als die Banner Ads kulturspezifische Konventionen und interkulturell bedingte deutsch-finnische Unterschiede auf den verschiedenen Ebenen. 4 Das für unterschiedliche Zielgruppen differenziert gestaltete Programm ist leicht zu bedienen. Eine ausführliche Beschreibung findet sich in Hahn/Ylönen 2001, 135 ff.; die CD-ROM ist Bestandteil dieser Buchpublikation anlässlich des zehnjährigen Bestehens des IIK Instituts für Interkulturelle Kommunikation e.V. Wesentlich komplexer als das erstgenannten Programm ist das unter SOKRATES/ LINGUA 2 entwickelte Euromobil-Material, genauer: ein handlungsorientiertes, multimediales Übungs- und Informationsprogramm auf CD-ROM mit Links zum Internet, das im Selbststudium, jedoch auch im Kontaktunterricht für fortgeschrittene Lerner eingesetzt werden kann. Es zielt auf Studenten, die in den Partnerländern des Projekts – Deutschland, Großbritannien, Ungarn oder Finnland – studieren möchten. Dem entsprechen auch die Zielsprachen des Programms. Es besteht aus a) Übungen zur Bewältigung diverser kommunikativer Situationen in der jeweiligen Zielsprache (sowohl auf CD-ROM als auch im Internet) und b) Informationen über Zieluniversitäten, -länder und –kulturen (ebenfalls auf CD-ROM und im Web). Grundlage der Materialien sind wiederum Bedarfsanalysen in den Ländern der Projektpartner, die folgerichtig zu Differenzierungen führten. So steht im deutschen und englischen Programm eher die Bewältigung mündlicher Studiensituationen im Vordergrund, während bei den Programmen für die weniger bekannten bzw. beherrschten finno-ugrischen Sprachen auch Übungen zur sprachlich-kulturellen Bewältigung von Situationen aus dem Alltag angeboten werden. Auch deshalb wurden authentische und semiauthentische Videoaufnahmen zu Studienberatung, Vorlesung, Seminar, Prüfung, Dienstleistungen, Freizeit usw. als Grundlage bzw. Ausgangspunkt für die Übung zu allen vier Zieltätigkeiten gewählt. 5 Außer auf die einfach zu bedienenden Übungen können die Lerner auch auf ein Glossar, einen nützlichen Informationsteil (Sprache und Kultur des Zielsprachenlandes) und einen Programm-Bedienteil zugreifen. Eine Fülle von Zusatzmaterial findet sich auf der gefällig aufgemachten Projektwebseite (www.euro-mobil.org): Videotranskripte, weiterführende Informationen zur oben beschriebenen CD-ROM, aber vor allem auch eine außerordentlich nützliche Linksammlung zu Universitäten, Ländern und Kulturspezifika. Ferner kann sowohl ein Forum zur Lösung der Diskussionsaufgaben des Programms als auch zum allgemeinen Erfahrungsaustausch genutzt werden (weitere Links siehe IIK-Website www.iik.de). Ausschließlich im Internet wurden die „Online-Module zum interkulturellen Lernen“ von der Juniorfirma des Fachgebiets Interkulturelle Wirtschaftskommunikation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena unter www.e-interculture.de in Jena angeboten. Bisher können hier vier länderspezifische Module (zu Großbritannien, Russland, Polen und arabischen Ländern) als Demo erprobt werden. Das jeweilige Modul beginnt mit einer knappen Einleitung, in der auf die Notwendigkeit verwiesen wird, sich – bevor man interkulturelles Wissen und Können im engeren Sinne erwirbt – mit Geographie, Kultur, Geschichte etc. des Ziellandes zu befassen. Auch diese Vorinformationen sind auf Wunsch unter „Länderinformationen“ auf der Site verfügbar. 6 Russland - Look and See Im Programm selbst findet sich der Lerner in verschiedenen Alltagssituationen wieder, in denen er sich als Interessenvertreter eines Unternehmens, etwa in Großbritannien, zu bewähren hat. Hier sind es die Bereiche Geographie, Geschichte und Tradition, Politik und Recht, Gesellschaftsschichten, Religion, Kultur, Humor, Freizeit und Alltag. In diese Bereiche wird der Nutzer anhand einprägsamer, mit Fotos und Skizzen illustrierter Beispiele (etwa zu den verschiedenen Facetten des englischen Humors) eingeführt und man hat dann in der Regel gleich Gelegenheit, das erworbene Wissen zu testen. Humor Einführung Humor ist ein wichtiger Teil des britischen Alltags. Für Nicht-Muttersprachler ist er allerdings manchmal schwierig zu verstehen. Im britischen Fernsehen gibt es Comedies in Hülle und Fülle und auch die Werbung beinhaltet meist lustige Elemente und Wortspiele. Bei ersten Kontakten wird Humor oft als Eisbrecher verwendet, für Deutsche wirkt das manchmal ein bisschen deplaziert. 7 Die Frage ist, wie man als Deutscher damit umgehen sollte. Wie in den meisten interkulturellen Situationen gibt es hier keine einfache Antwort. Es ist wichtig, daran zu denken, dass Kommunikation in der englischsprachigen Welt viel indirekter und der Humor oft sehr fein ist. Weil die Scherze häufig nicht besonders offensichtlich sind, fühlen sich Deutsche manchmal nicht akzeptiert. Verstehen Sie diesen Witz? "I went to the doctor the other day and he said I was suffering from schizophrenic paranoia. Well he didn't actually say that but we know what he was thinking!" Übergeordnete Strukturelemente des Programms sind vorzugsweise Reisespiele, in denen sich der Lerner (Beispiel: Arabische Länder) von der Reisevorbereitung über Ankunft/Begrüßung, Aufenthalt in der Familie, erste Gesprächskontakte, Gespräche über die Religion, Marktspaziergang, Erfahrung mit der landestypischen Musik bis zum Abschied und den Nachkontakten zu informieren und mittels Tests zu bewähren hat. Beispiel: Nachdem Sie am Flughafen angekommen sind, werden Sie nicht nur vom Bruder Ihres Kollegen begrüßt, sondern von dessen ganzer Familie. Sie sind etwas verunsichert, wen Sie nun zuerst begrüßen sollen. Sie entscheiden sich, wie sich das für einen deutschen Geschäftsmann gehört, die Frauen vor den Männern zu begrüßen und strecken einer 8 von ihnen gut gelaunt und charmant lächelnd die Hand entgegen. Doch diese würdigt Sie keines Blickes. Die Männer hingegen umarmen, drücken und küssen Sie herzlichst. Sie sind verwundert über diese Reaktionen und fragen sich, warum das in den arabischen Ländern anders ist Aufgabe: Welche der folgenden Erklärungen halten Sie für plausibel? 1. Die Frauen in den arabischen Ländern sind sehr schüchtern und getrauen sich nicht mir die Hand zu geben. 2. Arabische Frauen dürfen europäischen Männern nicht die Hand geben. 3. In der arabischen Kultur gilt im Vergleich zu Europa ein unterschiedliches Distanzverhalten. 4. Viele arabische Männer sind homosexuell und suchen den Körperkontakt zum gleichen Geschlecht. Lösung: Variante 3 ist richtig. Zu Personen des anderen Geschlechts hält man allgemein eine größere Distanz als zu Personen des eigenen Geschlechts. Aus dem gesamten Material wird deutlich, dass es aus zeitnahen Forschungsprojekten gewonnen wurde. So wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass gerade in der Gegenwart ein rascher Wertewandel vonstatten geht und man daher nicht in den Fehler verfallen darf, traditionelle Klischees als immerwährend und allgemein gültig zu betrachten. Bezogen auf Russland wird auf den Wertewandel bei den nachstehenden kulturellen bzw. sozialen Aspekten hingewiesen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. Wachsende Bedeutung des Geldes gegenüber politischer Macht Rehabilitation des Reichtums gegen den altsozialistischen Egalitarismus Entwertung der intellektuellen Arbeit und des Status der Intelligenz Entwertung des Selbstwertgefühls (z.B. als ehemalige Sowjetbürger) und Aufstieg eines ethnozentrischen Menschenbildes Radikal veränderte Bedeutung des Zeitbegriffs – neuer Wert: entscheidenderes Gewicht des Zeitfaktors Entwertung der heroischen Geschichte: Der Stolz auf die „Errungenschaften des Sozialismus“ und der „Völkerfreundschaft“ verschwindet. Zum Wertewandel wird ferner mitgeteilt: Einstige Werte in Russland und anderen osteuropäischen Ländern aus den Zeiten des Sozialismus: Neue Werte, die den Erwartungen an das neue (westliche) marktwirtschaftlich-demokratischen System entspringen: Gleichheit aller Gesellschaftsmitglieder individuelle Freiheit und Elitenentwicklung soziale Sicherheit Kollektivismus Populismus (Das "Volk" stand im Mittelpunkt der Propaganda.) Totalitarismus autoritäres System Staatseigentum Ablehnung der Religion Risikobereitschaft Individualismus Nationalismus (Nationalitätenfragen drängen sich in den Vordergrund.) Toleranz antiautoritäres, demokratisches System Privateigentum Religionsfreiheit 9 Der Bezug zu den Forschungsprojekten wird auf den anderen Subpages der Website von www.interculture.de noch deutlicher als in den Lernmodulen, vorrangig in dem „Interkulturellen Assessment Center“, in dem man testen kann, wie fit man für internationale Geschäftskontakte ist. In der Standardversion besucht man dabei eine internationale Messe und macht dabei interkulturelle Erfahrungen. In den Länderversionen werden interkulturelle Ereignisse, etwa bei einem Marktrundgang, dargeboten. Die Auswertung sieht man direkt nach dem Besuch und man erhält Empfehlungen für die Weiterentwicklung seiner interkulturellen Kompetenz. Die Links der Site verweisen auf weitere interessante interkulturelle Angebote, z.B. der Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen. Das dort zu findende Programm „Interkulturelle Kompetenz online“ (www.ikkompetenz.thueringen.de), das ebenfalls von Mitarbeitern des Fachgebietes IWK bzw. des gemeinnützigen Vereins „Interculture“ gestaltet ist, besteht aus den folgenden Strukturteilen: Fit für die Fremde – ein Selbsttest (mit einprägsamen Fotos und zugeordneten Tests) Andere Länder – andere Spielregeln (Fallstudien mit Missverständnissituationen in Frankreich, Großbritannien, Indonesien, Island, Italien, Japan, Polen, Russland, Schweden, Tschechien) Fremdheitserfahrungen (mit Fotocollagen und mitgegebenen Anleitungen als Basis für Unterrichtsprojekte) Kontakt ist alles (interkulturelle Projekte für den Unterricht, die insbesondere der Initiierung interkultureller Kontakte, u.a. über E-Mail, aber auch im Rahmen von Schulpartnerschaften dienen) Strategien für das Wiedereinleben (ein im Allgemeinen unterschätztes Problem nicht nur bei Austauschschülern, die aus dem Auslandsaufenthalt zurückkehren, sondern auch und besonders bei Unternehmen) Interkulturelle Kompetenz von A bis Z (ein Mini-Lexikon mit wichtigen Begriffen zum interkulturellen Lernen und Arbeiten) Anregungen, Erfahrungen, Ergänzungen (Berichte von Usern der Website über eigene interkulturelle Erfahrungen, Dialogangebote u.a. in einem eigens eingerichteten Forum) Lediglich mit e i n e m Land, Brasilien, sind zwei Lernprogramme befasst, die auf der Website von Volker Lichtenthäler und Glaucia Maria de Queiroz (www.the-languageweb.de) zu finden sind. Da die Verfasser profunde eigene Erfahrungen sowohl in der deutschen als auch in der brasilianischen Kultur gesammelt und theoretisch aufgearbeitet haben, sind diese Programme von besonderem Interesse. Das landeskundliche, multimediale Sprachlernprogramm „Ubaldos Reise“ für brasilianisches Portugiesisch zielt auf Lerner der oberen Grund- oder der unteren Mittelstufe, ist 10 jedoch in den Programmteilen Musik und Landeskunde/interkulturelle Kommunikation auch für Fortgeschrittene von Interesse. Der inhaltliche Schwerpunkt des Lernprogramms liegt auf der Vielfalt des großen Landes Brasilien mit seinen Städten, Landschaften, Menschen und verschiedenen Facetten brasilianischer Kultur, Geschichte und Musik. Dem Umfang des Inhalts entspricht die gekonnte äußere Gestaltung: Bilder, Fotos, Grafiken, Übungen, Tests mit spielerischen Elementen machen das Programm ebenso interessant wie die Darbietung authentischer Stimmen muttersprachlicher Sprecher der verschiedenen Regionen sowie die Präsentation charakteristischer Musik. Der Unterstützung des didaktisch gut organisierten Lernprozesses dienen ein Glossar und eine Vielzahl von Hinweisen zu weiterführenden Informationen im Internet. Die E-Learning-Option ist indessen nur e i n e didaktische Variante der Programmabarbeitung. Weitere Optionen sind die Darbietung des WBTs auf CD-ROM, eine DistanceLearning-Variante (ein zweimonatiges Selbststudium mit Teledozent/in und einem Umfang von maximal 16 Stunden) und schließlich eine Blended-Learning-Fassung (WBT mit Online-Sprach-Support und 8 Stunden One-to-One-Sprachkurs), die der Tatsache Rechnung zu tragen versucht, dass diese Unterrichtsform (deutsch etwa „gemischtes“ oder „hybrides“ Lernen, sprich: Verbindung von Online- und Präsenzelementen) von vielen Theoretikern und Anbietern wegen ihrer außerordentlichen Flexibilität mit einer großen Zahl von Freiheitsgraden als Modell für die Zukunft angesehen wird (s. Karrasch/Krautgartner/Prowaznik 2004, 31), weil es den Rahmenbedingungen des heutigen und künftigen Lernens, aber auch den äußeren (materiellen) Bedingungen sowie den Vorlieben seitens der Lerner und der Bildungsanbieter gleichermaßen entgegenkommt. Ähnliche Überlegungen bewegen auch Lichtenthäler/Queiroz dazu, ihr zweites Programm „Vorbereitung auf einen Auslangseinsatz in Brasilien“ (vorrangig gedacht für Expatriates, deren Ehepartner, Geschäftsleute, Austauschstudenten) vorrangig als Blended-Learning-Konzept anzubieten (obwohl auch die anderen Optionen bereitgestellt werden), da es die notwendige Flexibilität und Adaptierbarkeit garantiert: „Die OnlineLernprogramme sprechen alle wesentlichen, im Zusammenhang mit einem Brasilieneinsatz auftauchenden Themenbereiche an und vermitteln ein solides Hintergrundwissen ohne allzu sehr in kulturwissenschaftliche Theoriebildung zu verfallen. Auf dieser Basis können in der Online-Diskussion und der Arbeit in Arbeitsgruppen während der Präsenzveranstaltung flexibel Schwerpunkte je nach betrieblichen und individuellen Bedürfnissen der Teilnehmer gesetzt werden, beispielsweise hinsichtlich der jeweiligen Unternehmenskultur, klimatischer Bedingungen in der Trockenzone Zentralbrasiliens, dem 11 Umgang mit der Kulturdimension Zeit im Projektmanagement, Lernstrategien im Fremdspracherwerb etc. etc. Der Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmern ergibt weitere Synergie-Effekte dieses Lehr-/Lern-Modells. Je nach Lernpräferenz und betrieblichen Vorgaben können auch One-to-One-Trainings oder persönliches Coaching genutzt werden. Andererseits kann sich aus zwingenden Gründen, etwa projektbedingter Zeitnot, auf einzelne sinnvolle Bausteine beschränkt und individuelle Lernwege beschritten werden.“ (Queiroz 2004, 24) Inhaltlich behandelt das Programm Themen wie Internationales Personalmanagement und Auswahlverfahren für Expatriates, Entsendungsvertrag, Individuelle Vorbereitung, Interkulturelle Kompetenz, Landeskunde Brasilien, Deutsch-brasilianische Zusammenarbeit, Relocation und Effektives Brasilianischlernen. Die Lernziele entsprechen der Klientel, d.h. insbesondere den Bedürfnissen der vorzubereitenden Fach- und Führungskräfte. Der Vermittlung von Kenntnissen über den Ablauf von Auswahlverfahren sowie der Entwicklung der Sensibilität für interkulturelle Prozesse und der Fähigkeit, weitere notwendige oder aktuelle Informationen schnell z.B. über Internetquellen recherchieren zu können, wird eine ebenso große Aufmerksamkeit gewidmet wie der Vermittlung von Faktenwissen zu den o.g. Themenbereichen. Diese Tatsache bringt es mit sich, dass im interkulturellen Lernprozess im Rahmen des Programms Methoden, Verfahren und Strategien artikuliert und angewandt werden mit dem Ziel, Berührungsängste abzubauen, individuell brennende Fragen zu beantworten, das Bewusstsein für interkulturelle Konfliktpotenziale zu schärfen, aber auch potenziell mögliche Erfahrungswerte zu schaffen, die „das Einfinden im fremdkulturellen Alltag und die Zusammenarbeit mit brasilianischen Kollegen erleichtern sollen“ (ebenda). Beispiel: Merkzettel zur interkulturellen Kompetenz Nehmen Sie möglichst oft die Gelegenheit wahr, mehr über Kulturstandards und Wahrnehmungs- weisen Ihres Gegenübers zu lernen. Versuchen Sie sich im Perspektivenwechsel zu übern und setzen Sie bewusst auch mal eine fremde „Kulturbrille“ auf. Wenn es die Situation erlaubt, sollten Sie versuchen herauszufinden, wie Ihr ausländischer Partner die Situation wohl wahrnimmt. Versuchen Sie, zumindest nach außen hin, deutsche Kulturstandards nicht als besser darzustellen. Kalkulieren Sie Missverständnisse ein. Schließlich kommt das auch innerhalb einer Kultur oft genug vor. Nehmen Sie es gelassen oder mit Humor, wenn Sie mal wieder ein kulturelles „Fettnäpfchen“ erwischt haben. Eine freundliche Entschuldigung wirkt Wunder. Nehmen Sie sich Zeit für die Anbahnung und die Pflege interkultureller Kontakte. Denken Sie daran, dass Sie erst einmal eine gemeinsame Verständigungsbasis schaffen müssen. Versuchen Sie Vertrauensleute und persönliche Verbündete vor Ort zu finden. Probleme lassen sich durch persönliche Beziehungen leichter lösen. Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie Ihre eigene kulturelle Identität verleugnen oder ablegen. Versuchen Sie also nicht alle Gepflogenheiten der fremden Kultur zu verstehen, gutzuheißen oder gar nachzuahmen. Wappnen Sie sich mit Geduld und Toleranz. Vergewissern Sie sich, dass Sie auch richtig verstanden wurden. Gehen Sie nicht davon aus, dass Ihr Gesprächspartner es schon sagen wird, wenn Sie sich beispielsweise zu schnell, unverständlich oder zu fachspezifisch ausgedrückt haben. Beispiel 12 Interkulturelles Bewusstsein Die komplexe Verschachtelung von Faktenwissen über Brasilien, Kulturebenen, Kulturwahrnehmungen, Kulturdimensionen und Kulturphänomenen verdeutlicht, dass der Erwerb interkultureller Kompetenz ein vielschichtiger Prozess ist, der oft sprunghaft, meist aber in Stufen erfolgt: 1. 2. 3. 4. Schritt: Bewusstwerdung Schritt: Verständnis Schritt: Kompetenz Schritt: Synergie Unser Lerntipp: Denken Sie einmal an Ihren beruflichen Alltag: - Entdecken Sie „typisch deutsche“ Verhaltensweisen? Erinnern Sie sich an Situationen, in denen diese zu Konflikten geführt haben, beispielsweise mit türkischen Mitarbeitern? Wie hätten sie vermieden werden können? Auch in dem vorliegenden Programm wird der Wiedereingliederung von Expatriates aus guten Gründen ein Kapitel gewidmet, denn besonders die Unternehmen mussten in den letzten Jahren die Erfahrung machen, dass beispielsweise ein großer Teil der Rückkehrer innerhalb eines Jahres seinen Job aufgab, was zu bedeutenden Know-how-Verlusten führte (ausführlicher s. Wazel 2001, 18). Im Programm werden Vorschläge unterbreitet, wie dem zu entgegnen ist. Beispiel: Erfahrungen anderer In der Entwicklungshilfe spricht man oft vom so genannten "Buscheffekt", der eine Wiedereingliederung erschwert. Auslandsentsandte von Firmen haben zwar selten ähnlich extreme Erfahrungen gemacht, leiden aber ebenso unter dem "reverse cultural shock". Wahrnehmungseffekte und der Gewöhnungseffekt bei Kulturstandards sind nicht zu unterschätzen: Expatriates und ihre Familien sollten die Rückkehr daher bewusst als Neuanfang begreifen und auch von Erfahrungen anderer profitieren. Der Daimler-Chrysler-Konzern arrangiert z. B. regelmäßige Treffen ehemaliger Expatriates, bei denen kräftig auf die Situation in Deutschland und in der Firma geschimpft und "Dampf abgelassen" wird. Häufig gibt es auch so genannte "Mentoren" oder "Paten" mit eigenen Auslandserfahrungen, die Expatriates verständnisvoll unterstützen. Sollte Ihr Unternehmen keine entsprechenden Erfahrungen aufweisen, sind Kulturvereine u.ä. ein guter Anlaufpunkt. Im Deutsch-Brasilianischen Kreis Erlangen beispielsweise treffen Sie viele Siemens-Ingenieure oder Führungskräfte, die in Brasilien tätig waren und sich diesem Land weiter verbunden fühlen. Gewissermaßen ein Allroundprogramm bezüglich der ausgewählten Länder ist das auch von cotec vertriebene PC-Lernprogramm „Xenophilia; Das interkulturelle Spiel über 13 dich und andere“. Es wurde vom bayerischen Forschungsverbund FORAREA entwickelt, der sich normalerweise mit Problemen der interkulturellen Kommunikation im Bereich der Wirtschaft befasst und in der Unternehmensberatung tätig ist. Das Spiel richtet sich vornehmlich an die 8. bis 10. Klasse aller Schularten und wurde unter Berücksichtigung der Lehrpläne für die Haupt- und Realschule sowie des Gymnasiums konzipiert. Infolge seiner fächerübergreifenden Relevanz kann es vor allem in den Fächern Ethik/Religionserziehung, Sozialkunde/Sozialwesen, Geschichte, Erdkunde und in den Fremdsprachen eingesetzt werden, in Fächern also, „in denen Fremdsein und das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in irgendeiner Form behandelt wird oder Themenfelder wie Ausländerhass/ Fremdenfeindlichkeit, Migration, fremde Kulturen oder Tourismus angesprochen werden“. (Kopp, H./Hock, 2001, 15) Das gefällig (mit Bildern, Zeichnungen, Skizzen, Statistiken) aufgemachte Spiel verfolgt das Ziel, die Jugendlichen für Probleme im Umgang mit Menschen aus anderen Ländern zu sensibilisieren und ein erstes Wissen über „Fremdsein“ zu vermitteln. Xenophilia Das Programm gliedert sich in zwei weiter unterteilte, voneinander spieltechnisch getrennte thematische Schwerpunkte: - Fremdsein im Ausland - Sich zurechtfinden in Ländern mit anderen Traditionen und Religionen Verständnisvoller Umgang mit den Einheimischen - Fremdsein in Deutschland - Probleme von Menschen ausländischer Herkunft in Deutschland Probleme beim Umgang mit ausländischen Mitbürgern 14 Beispielfrage zu FREMD SEIN IM AUSLAND Stichwort "NASEN-GORENG": Was würde ein Chinese in einem Restaurant nie tun? A. Nach der Mahlzeit laut rülpsen. B. Die Suppe schlürfen, wie heiß sie auch immer sein mag. C. Sich am Tisch die Nase putzen. Antwort C ist richtig. Die Nase putzen ist in China - wie auch in arabischen Ländern - so anstößig wie bei uns das Rülpsen. Ein Chinese würde dazu immer auf die Toilette gehen. Rülpsen und Schlürfen hingegen werden als Kompliment für den Koch verstanden. Vor ein paar hundert Jahren galt dies übrigens bei uns auch noch. Beispielfrage zu FREMD SEIN IN DEUTSCHLAND Stichwort "AUSLÄNDER": Bestimmt gibt es in deiner Schulklasse Ausländer und Deutsche, aber wer gilt eigentlich offiziell als Ausländer? A. Als Ausländer gelten in Deutschland Menschen, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben. B. Als Ausländer gelten Menschen, die sich durch ihr Aussehen (z.B. Hautfarbe) von Deutschen unterscheiden. C. Als Ausländer gelten in Deutschland Menschen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft - also keinen deutschen Pass - besitzen. Antwort C ist richtig. Ob ein Mensch offiziell als Ausländer oder Inländer gilt, richtet sich nach der Staatsbürgerschaft. Das Spiel kann in zwei Varianten gespielt werden: 1. Wissen und Verstehen Hier kann sich der Lerner über bestimmte Themenbereiche informieren und anschließend darüber diskutieren. Die beiden o.g. wählbaren Themenbereiche sind wiederum in jeweils vier Gebiete untergliedert. Fremd sein in Deutschland - Alltag und Sprache Vorurteile und Minderheiten 15 - Staatsangehörigkeit Migration Fremd sein im Ausland - Amerika Europa Afrika und Naher Osten Ferner Osten 2. Freies Spielen um Punkte – alle Fragen im Quiz-Mix Hierbei („Xenophilia Trophy“) werden dieselben Fragen nach dem Zufallsprinzip gestellt und es werden Punkte vergeben. Diese Variante kommt am besten nach Abschluss der ersten Variante zwecks Festigung zum Einsatz. Bei „Xenophilia Trophy“ erfolgreichen Spielern wird das Geschicklichkeitsspiel „Die Kappe des Globi“ angeboten, das eine unterhaltsame Abwechslung zum Lesen der Fragen und Antworten bietet. In der dem Programm beigefügten Lehrerbroschüre, aber auch auf der korrespondierenden Website www.xenophilia.de erhält der Unterrichtende vielfältige inhaltliche und didaktisch-methodische Hinweise für die Einbettung des Programms in seinen Unterricht. Bei der Untersuchung der Lernprogramme wird deutlich, dass man im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren vorangekommen ist. Man hat vor allem begriffen, dass die Auflistung von „Do/ Don’t“/Might-Listen, so wichtig sie auch zur Groborientierung sind, nicht ausreicht, um das Fremde zu verstehen und sich Menschen anderer Kulturen gegenüber angemessen zu verhalten. 16 Unverzichtbar ist darüber hinaus eine bescheidene, respekt- und verständnisvolle Grundhaltung, die Bereitschaft, sich in die Situation des Fremden hineinzuversetzen und sich ihm gegenüber so zu verhalten, wie man selbst behandelt werden möchte. Bereits in einem „Klassiker“ unter den EU-Programmen („Praktikum in Deutschland“ – s. unsere Darstellung in Blei/Zeuner 1998) von PIU, Hesselgarde 16, DK-2100 Kobenhavn in Kooperation mit dem Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung in München/Deutschland, Trident Transnational/Großbritannien, Tyneside Training and Enterprise Council/Großbritannien, Niels Brock Copenhagen Business School/Dänemark, Silkeborg Handelsskole/Dänemark und Tietgenskolen/Dänemark findet sich auch der Hinweis, man solle sicht nicht scheuen, Unsicherheiten zu artikulieren, um so mögliche Missverständnisse zu vermeiden bzw. mögliche Kommunikationsstörungen zu minimieren. 3. Besonderheiten interkulturellen Lernens für Nutzer von TOURNEU-Lernprogrammen 3.1. Ziele Wichtigstes Ziel des Lernens ist unter interkulturellem Aspekt u.E. auch in TOURNEUProgrammen die Entwicklung der interkulturellen Kompetenz seitens der Kursteilnehmer, anders gesagt: in deren Befähigung zu interkulturell kompetentem Handeln und Kommunizieren, was u.E. die immer wieder erwähnte Orientierungs- und Fragestellungskompetenz einschließt. Damit ist bei unserer Klientel in erster Linie die Kommunikations- und Handlungsfähigkeit in kulturellen Überschneidungssituationen gemeint. Das heißt Personen, die über eine interkulturelle Kompetenz verfügen, haben die Fähigkeit, mit Angehörigen einer anderen Kultur zur beiderseitigen Zufriedenheit unabhängig, kultursensibel und wirkungsvoll interagieren zu können. Interkulturelle Kompetenz beinhaltet vorrangig folgende Komponenten, i.e. Kenntnisse, Grundhaltungen bzw. Fertigkeiten (s. Bolten, J. 2001 sowie Website www.interculture.de): - Interkulturelle Kenntnisse (theoretisches und praktisches Wissen über die Eigenheiten der eigenen und der Zielkultur bzw. der Zielkulturen sowie deren Differenzen, über die kulturelle Bedingtheit von Verhaltensweisen) - Empathie (Einfühlungsvermögen in Bezug auf die Befindlichkeiten und Denkweisen der fremdkulturellen bzw. anderskulturellen Partner) = Fähigkeit, sich in die Position anderer hineinzuversetzen - Rollendistanz (Fähigkeit, die eigene Position zu verlassen und sie mit Abstand, von außen, zu sehen) = zu erkennen, dass die eigene Wahrnehmung der Welt von den soziokulturellen Faktoren des eigenen Lebensbereiches geprägt ist. = Fähigkeit, sich gleichsam selbst „auf den Kopf gucken“, sich also in seinem eigenen Handeln beobachten zu können. Damit vergegenständlicht man in gewisser Weise natürlich auch den gesamten (interkulturellen) Handlungskontext, was es erleichtert, die Differenz zwischen Eigenem und Fremdem zu reflektieren. Selbstbeobachtung in 17 diesem Sinne ist letztlich auch eine Grundlage für selbstkontrolliertes Handeln, was keineswegs auf Emotionslosigkeit hinauslaufen soll oder muss. = Es geht um das Bemerken der „eigenen Brille", durch die die eigene und die fremde Welt gesehen und interpretiert wird. - Ambiguitätstoleranz (Fähigkeit, das Spannungsverhältnis zwischen unvereinbaren Gegensätzen und Mehrdeutigkeiten „aushalten“ zu können; Fremdes nicht unreflektiert ablehnen; Fähigkeit, widersprüchliche Anforderungen und Erwartungen auszuhalten) - Befähigung zur Metakommunikation (Fähigkeit, über Kommunikationsprozesse zu kommunizieren oder m.a.W.: Probleme, die im interkulturellen Handeln auftreten, mit allen Beteiligten früh genug thematisieren können) = z.B. bei Unsicherheiten nachfragen, eigenes kulturbedingtes Handeln darstellen Anders gesagt: Interkulturelles Handeln beinhaltet folgende drei Dimensionen (Pauls/Krause, 2004, 4) Kognitive Dimension - Verständnis des Kulturphänomens in Bezug auf Wahrnehmung, Denken, Einstellungen sowie Verhaltens- und Handlungsweisen - Verständnis fremdkultureller Handlungszusammenhänge Affektive Dimension - Ambiguitätstoleranz - Frustrationstoleranz - Fähigkeit zur Stressbewältigung - Selbstvertrauen - Verständnis der Kulturunterschiede der Interaktionspartner - Verständnis der Besonderheiten interkultureller Kommunikationsprozesse - Metakommunikationsfähigkeit - Flexibilität Verhaltensbezogene Dimensionm - Kommunikationswille und Kommunikationsbereitschaft i.S. der initiierenden Praxis der Teilmerkmale der affektiven Dimension - Kommunikationsfähigkeit - Soziale Kompetenz (Beziehungen und Vertrauen zu fremdkulturellen Interaktionspartnern aufbauen können) - Empathie, Rollendistanz - Vorurteilsfreiheit, Offenheit, Toleranz - Geringer Ethnozentrismus - Akzeptanz/Respekt gegenüber anderen Kulturen - Interkulturelle Lernbereitschaft Bei IKUD (2004) wird folgende Unterscheidung getroffen: Sachkompetenzen (z.B. Alltagskompetenzen oder kulturstrategische Kompetenzen), Sozialkompetenzen (z.B. Empathie, kommunikative Kompetenz, Expressivität oder interkulturelle Teamfähigkeit) sowie Selbstkompetenzen (z.B. kulturelle Selbstreflexion und Selbstregulierung in interkulturellen Kontexten). 18 Jürgen Bolten weist mit Recht darauf hin, dass dies keine Kriseninstrumente sind, sondern permanent einzusetzende Mittel interkulturellen Handelns, das in der Regel auf einer „dritten“ Handlungsgrundlage geschieht, die ständig neu ausgehandelt und korrigiert wird, was aber meist unterschwellig erfolgt. Unsere Aufgabe besteht nun darin, interkulturelles Lernen so zu gestalten, dass auf der Lernerseite interkulturelle Kompetenz entsteht. Das Besondere an TOURNEU-Kursen besteht darin, dass es sich um das interkulturelle Training von Spezialisten auf dem Tourismussektor geht, die das Deutsche als Zielsprache benutzen. Dies setzt – den interkulturellen Aspekt betreffend – voraus, dass die Programme erstens Hinweise zu richtigem interkulturellen Verhalten generell enthalten sollten (siehe oben: Merkzettel zur interkulturellen Kompetenz und Übungsbeispiel 1); zweitens wäre es angebracht, auf kulturelle Eigenheiten des Zielsprachenlandes aufmerksam zu machen (siehe Übungsbeispiel Deutschland unten); drittens schließlich empfiehlt es sich u.E. auf Besonderheiten im kulturellen Verhalten der Vertreter bestimmter Ländergruppen oder geographischer Regionen hinzuweisen (s. Übungsbeispiel 3). Übungsbeispiel 1 Hinweise zu richtigem interkulturellem Verhalten generell Interkulturelle Regeln bei der beruflichen Kommunikation Expressive Leute kommunizieren fundamental anders als ihre eher reservierten Partner. Das betrifft die verbale ebenso wie die nonverbale und paraverbale Kommunikation. Die aus diesen Unterschieden resultierenden Verwirrungen machen immer wieder unsere größten Anstrengungen zunichte, Marketing, Verkauf, Anlagen, Verhandlungen oder Management quer durch die Kulturen zu betreiben. Warum? Natürlich weil es sich bei der Kommunikation im Business einfach um eine spezialisierte Form des Kommunizierens handelt. Und der Unterschied zwischen expressiven und reservierten Kulturen stellt einen schwer zu überwindenden Graben dar. o Bemühen Sie sich, langsam, einfach, deutlich und nicht im Dialekt zu sprechen. o Verbessern Sie Ihre eigenen Fremdsprachenkenntnisse, und zwar nicht nur in Englisch, sondern auch in der jeweiligen Landessprache – wenn eine Geschäftsbeziehung persönlich und zu einer Geschäftsfreundschaft werden soll, sind Fremdsprachenkenntnisse unabdingbar. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass der Geschäftspartner Deutsch oder Englisch spricht. o Achten Sie auf Unterschiede im Kommunikationsverhalten, vor allem in bezug auf Explizität und Implizität – es ist kulturgebunden. Bei Abweichungen vom eigenen Kommunikationsver- halten sollten Sie sich klarmachen, dass andere Konventionen zugrunde liegen und dass es deshalb in den seltensten Fällen unhöflich gemeint ist, auch wenn es aus der eigenen Per- spektive so erscheint. o Es sollten Geduld, Verständnis, Ausdauer und Rücksicht geübt werden – versetzen Sie sich immer in die Lage Ihres Geschäftspartners und überlegen Sie sich, wie Sie sich fühlen würden (z.B. bei einer Verhandlung in der Landessprache). o In vielen Ländern ist die schriftliche Tradition weniger ausgeprägt als in Deutschland – es handelt sich hierbei um einen kulturell bedingten Unterschied, der selten etwas mit Unzuverlässigkeit zu tun hat. o Duzen und Siezen haben in den verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Bedeutung – Duzen wird dabei nicht unbedingt wie in Deutschland als ein Zeichen persönlicher Nähe aufgefasst. o Es sollte nicht von der Kleidung des Geschäftspartners auf die hierarchische Stellung im Unternehmen geschlossen werden – in anderen Ländern gelten nicht dieselben (strikten) Regeln wie in Deutschland. o Vertrauensbildende Maßnahmen sollte mehr Zeit eingeräumt werden und zudem beachtet werden, wie das Vertrauen zwischen Geschäftsleuten aufgebaut wird – dies geschieht nicht unbedingt in der gleichen Weise wie in Deutschland, sondern es ist häufig der Fall, dass man sich zuerst kennen lernt und Vertrauen aufbaut, 19 o o bevor man verhandelt. Imagearbeit und ko- operatives Verhalten spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Beachten Sie die Zeitauffassung – nur in wenigen Ländern herrscht eine so monochrome Zeitauffassung wie in Deutschland. Berücksichtigen Sie Hinweise auf eine polychrone Zeitauffassung beim Geschäftspartner. Achten Sie auf Unterschiede in der Arbeitsweise und Planung – in anderen Ländern wird nicht ebenso systematisch gearbeitet und bei der Planung jedes Detail analysiert, sondern eher flexibel gearbeitet und improvisiert. Diese unterschiedliche Arbeitsweise ist ein Kulturunterschied und ist kein Indiz für die Unzuverlässigkeit des Geschäftspartners.“ Aufgaben: 1. Was ist expressives, was reserviertes bzw. explizites und implizites Kommunikationsverhalten? 2. Wie äußern sich diese Verhaltensweisen in verschiedenen Ländern? 3. Was muss man tun, damit es keine Probleme gibt? 4. Welche weiteren Unterschiede sind zu beachten – wie kann man Schwierigkeiten vermeiden? Übungsbeispiel 2 Kulturelle Eigenheiten in den Zielsprachenländern: Deutschland versus FrankreichFrankreich Stilunterschiede in der deutsch-französischen Wirtschaftskommunikation aus deutscher Perspektive von Prof. Dr. Otto Winkelmann Vorurteile auf französischer Seite: Deutsche sind nicht sehr sympathisch und offen. Deutsche sind überhaupt nicht flexibel und begeisterungsfähig. Deutsche halten verbissen an der Tagesordnung fest. Die Deutschen wollen uns mit ihren Konzepten überrollen und sind für keine anderen Ideen offen. Neben den Vorurteilen, die oft unbewusst sind, wird der Kommunikationsstil auch durch Einstellungen maßgeblich beeinflusst (vgl. zum Folgenden Breuer/de Bartha 1996, I, 62-68). Deutsche Geschäftsleute sind meist von der eigenen Sicht der Lage überzeugt und lassen keine andere Deutung zu. Sie wollen Probleme ausdiskutieren und achten vor allem auf das Was des Sagens, d.h. sie bewegen sich vornehmlich auf der Inhalts- oder Sachebene. Dabei drücken sie sich direkt und unumwunden aus, was von Franzosen als brutal eingestuft wird, und scheuen auch vor einem klaren Nein nicht zurück. Französische Geschäftsleute schweifen hingegen gerne vom Thema ab und lieben es zu improvisieren, was von Deutschen als unseriös bewertet wird. Sie lassen heiße Eisen vielfach links liegen oder streifen sie höchstens. Sie achten vor allem auf das Wie des Sagens und bewegen sich somit auf der Beziehungsebene. Außerdem ziehen sie es vor, Nachrichten indirekt zu übermitteln, was von Deutschen als schwammig ausgelegt wird, und vermeiden ein klares Nein. Breuer und de Bartha (1996, II, 446f.) führen aus, dass es im Französischen mindestens ein Dutzend Möglichkeiten gibt, "Nein" zu sagen, wie zum Beispiel: Croyez-vous? (Glauben Sie?), Je ne suis pas certain que (Ich bin nicht ganz sicher, dass …), A vrai dire (Offen gestanden), Si vous voulez (Wenn Sie wollen), Ça dépend (Das hängt davon ab), Malgré tout (Trotz allem). Solche und ähnliche Ausdrucksweisen werden von Deutschen nicht immer als diplomatisch formulierte Ablehnungen erkannt. Sprachliche Missverständnisse Zum Kommunikationsstil gehören m.E. nicht die rein sprachlichen Missverständnisse, wie z.B. das Phänomen der faux amis, der falschen Freunde. Von falschen Freunden spricht man bei Paaren von deutschen und französischen Wörtern, die jedoch unterschiedliche Bedeutungen haben. Dieses Problem kommt erschwerend hinzu und sorgt 20 ebenfalls für Irritationen. Ich beschränke mich auf einige wenige Beispiele (vgl. Breuer/de Bartha 1996, II, 449-450 und Kläsgen 2000): Frz. concours ‚Wettbewerb' hat eine völlig andere Bedeutung als dt. Konkurs. Frz. compromis bedeutet zwar dasselbe wie dt. Kompromiss, hat jedoch eine andere Konnotation (Nebenbedeutung). In Deutschland gilt ein Kompromiss als vernünftige Lösung, bei der beide Seiten im Sinne der Einigung Abstriche gemacht haben; in Frankreich wird ein Kompromiss als Niederlage eingestuft. Frz. improvisation gilt als die Kunst, auf Unvorhergesehenes flexibel und intelligent zu reagieren; in Deutschland wird Improvisation mit Dilettantismus gleichgesetzt. Unter frz. concept versteht man in Frankreich eine erste Idee, in Deutschland stellt ein Konzept einen ausgearbeiteten Entwurf dar. " Das frz. Wort stratégie bezieht sich im wirtschaftlichen Kontext auf machtpolitische Unternehmensziele und schließt taktische Maßnahmen ein. Im Sprachgebrauch deutscher Geschäftsleute bezieht sich Strategie auf die wirtschaftlichen Unternehmensziele und ihre Erreichung." Frz. synthèse meint das Wesentliche, das deutsche Wort Synthese meint eine Zusammenfassung des Für und Wider. Man kann sich übrigens leicht vorstellen, dass die sprachlichen Missverständnisse auf Grund von falschen Freunden noch verstärkt werden, wenn - wie häufig der Fall - deutsche und französische Geschäftsleute auf Englisch verhandeln. Dann kann es zu doppelseitigen Interferenzen kommen. Bei der Erörterung interkultureller und sprachlicher Missverständnisse darf ein Aspekt nicht aus den Augen verloren werden: Was verhaltensmäßig (nonverbal, Körpersprache) und sprachlich (verbal) wahrnehmbar ist, stellt nur die berühmte Spitze eines Eisbergs dar, von dem bekanntlich höchstens ein Fünftel aus dem Wasser ragt und der Rest sich unter der Wasseroberfläche verbirgt. Probleme der deutsch-französischen Kooperation und mögliche Lösungen Wenn ein deutsches und ein französisches Unternehmen kooperieren oder fusionieren, dann stoßen zunächst einmal zwei Welten aufeinander: verschiedene Firmengeschichten, verschiedene Firmenphilosophien, verschiedene Managementgrundsätze, verschiedene Unternehmenskulturen, verschiedene Führungsstile und verschiedene Kommunikationsstile. Dadurch kann es zu Reibungsverlusten kommen, die zur Auflösung der Kooperation führen können und schlimmstenfalls die Existenz der Firmen bedrohen können. In der Unternehmensberatungsbranche sind Klagen deutscher Manager über ihre französischen Kollegen sattsam bekannt, und auch französische Manager beschweren sich häufig über ihre deutschen Partner. Breuer und de Bartha geben als Faustregel: "In Frankreich ist meist alles entgegengesetzt wie in Deutschland" (I, 21). Tatsache ist, dass Deutschland, obwohl es mittlerweile über 2000 deutsch-französische Städtepartnerschaften gibt, in Frankreich oft noch als bedrohlich wahrgenommen wird, als Dampfwalze, die das eigene Land und die eigene Wirtschaft überrollt. Nicht umsonst hat Philippe Delmas das erste Kapitel seines Buches „Über den nächsten Krieg mit Deutschland“ mit der Überschrift "Angst vor Deutschland" versehen. Auch in der deutsch-französischen Wirtschaftskommunikation sind Ängste im Spiel, und zwar auf beiden Seiten: Franzosen fürchten, von den Deutschen überrollt und geschluckt zu werden, Deutsche fürchten, von den Franzosen hereingelegt zu werden (vgl. Breuer/de Bartha I, 123). Aus diesem Grund verhandeln Franzosen ausweichend und taktieren, während Deutsche krampfhaft an der Tagesordnung und an bereits getroffenen Vereinbarungen festhalten. Interkulturellen Missverständnissen, die aus unterschiedlichen Kommunikationsstilen resultieren, kann man erfahrungsgemäß nur durch den Aufbau einer interkulturellen kommunikativen Kompetenz auf beiden Seiten begegnen. 21 Was versteht man unter interkultureller Kompetenz? Vor allem muss man sich klar darüber werden, dass interkulturelle Kompetenz einen Lernprozess darstellt, der sich aus einer Reihe von Teilkompetenzen zusammensetzt (vgl. hierzu Bolten 2001, 84-86). Es geht zunächst einmal darum, den Anderen kennen zu lernen und in seinem Anderssein zu respektieren (Interkulturelle Lernbereitschaft, Akzeptanz). Anschließend muss man sich Wissen über die Gewohnheiten, Einstellungen, Vorurteile und Kommunikationsstil des Anderen erarbeiten (Kulturwissen, Empathie). Sprachkenntnisse alleine stellen noch keine interkulturelle Kompetenz her, aber Sprache ist der Schlüssel zum Kennenlernen der Welt des Anderen (Fremdsprachenkenntnisse, Kommunikationsfähigkeit, Metakommunikation). Des Weiteren muss man sich seiner eigenen Denkmuster und Verhaltensweisen bewusst werden und bereit sein, diese zu relativieren (Rollendistanz, Offenheit). Durch die Entwicklung interkultureller Kompetenz auf beiden Seiten kann die Zusammenarbeit von deutschen und französischen Geschäftspartner zum wechselseitigen Nutzen verbessert und optimiert werden, so dass es zu einem Synergieeffekt kommt, der darin besteht, dass beide zusammen mehr erreichen als die Summe dessen, was jeder allein erreichen kann. Übungsbeispiel 3 Kulturelle Besonderheiten von Vertretern aus verschiedenen Regionen Kommunikationsstile Kommunikation ist zwar sprachorientiert, aber sie impliziert auch nonverbale und andere Realisierungsweisen von Kommunikation, die Aufschluss über unsere Absichten, Erwartungen, Einstellungen und Überzeugungen geben. Dies betrifft auch den Grad der Expliziertheit von Äußerungen (Skandinavier, Holländer etwa wesentlich expliziter als Engländer), die Nutzung visueller Mittel (Tabellen, Diagramme z.B. bei Amerikanern deutlich intensiver), den Einsatz von Humor (bei Amerikanern, Engländern und Iren intensiver genutzt, um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, Spannungen zu vermeiden oder zu entschärfen; in anderen Kulturen hat der Humor bei Geschäftsverhandlungen keinen Platz und wird als unangemessen, frivol oder zynisch angesehen), die unterschiedliche Nutzung und Bewertung des Sprechens und Schreibens. In den nordeuropäischen Ländern bevorzugt man die Schriftlichkeit, in den südlichen und in Asien das gesprochene Wort, wie die nachstehende Grafik verdeutlicht. Quelle: Mole 1998, 191 In diesem Zusammenhang ist auch die Körpersprache zu erwähnen, deren Unkenntnis zu beträchtlichen Kommunikationsproblemen führen kann, da beispielsweise gleiche Gesten selbst in verschiedenen Ländern Europas sogar die gegenteilige Bedeutung haben können (gut/schlecht, Anerkennung/Beleidigung). Unterschiedlich sind auch die atmosphärischen Bedingungen bei Geschäftsverhandlungen und in deren Umfeld. Während man es in Nordamerika und Nordeuropa auch in der Mittagspause von Verhandlungen bei belegten Brötchen, Kaffee usw. belässt, um das Geschäftliche und dessen Seriosität zu betonen, ist in südlichen Ländern ein Geschäftsessen zur Vertiefung der sozialen und persönlichen Beziehungen obligatorisch. Gastfreundschaft und kleine Geschenke bzw. Aufmerksamkeiten dienen dem gleichen Zweck. Mole verdeutlicht dies mit der nachstehenden Grafik (geschäftlich/persönlich). 22 Quelle: Mole 1998, 193 Aufgaben Wie wird in Ihrem Herkunftsland bzw. dem Ihrer Vorfahren kommuniziert? Welche Ursachen hat dieser Stil? Endziel der interkulturellen Unterweisung im Rahmen von TOURNEU-Programmen ist – anders als etwa bei Migranten – nicht die Akkulturation, d.h. die Übernahme der Werte, Normen und Denkweisen eines Gastlandes, sondern lediglich die Akkomodation, d.h. die Aneignung fremdkulturellen Wissens, um im Kontakt mit Vertretern der fremden Gesellschaft handlungsfähig sein zu können. Akkomodation ist folglich eine funktionale Form der Anpassung, die nicht einschließt, dass man seine in der Primärsozialisation/der sog. Enkulturation erworbenen Werte und Denkweisen ändert. Der Unterschied wird aus der nachstehenden Skizze deutlich. Akkulturation Akkomodation Enkulturation Lebenswelt A Lebenswelt B Worum geht es bei der Gestaltung des interkulturellen Lernprozesses? 23 Interkulturelles Lernen hat seinen Ausgangspunkt in einer interkulturellen Bildung und interkulturellen Begegnungen. Dabei geht es vordergründig um - Abbau von Stereotypen (die sehr gut als Ausgangspunkt für Lernprozesse genutzt werden können) Aufbau von Akzeptanz Überwindung des Ethnozentrismus Verständnis der eigenen Enkulturation Fremdverstehen Entwicklung interkultureller Kommunikation und interkulturellen Verhaltens Diese Ziele sind nur ansatzweise in dem normalerweise ja sowieso viel zu kurzen Unterrichtsprozess selbst zu erreichen, selbst wenn man den anschließenden Orientierungskurs mit einbezieht. Daher ist es wichtig, die Lerner Methoden des interkulturellen Lernens zu lehren, sie mit Quellen bekannt zu machen, die sie beim interkulturellen Lernen auch außerhalb des Unterrichts nutzen können. Was ist nun, bezogen auf unsere Adressaten, bei der Auswahl der zu unterrichtenden Inhalte und der zu praktizierenden Methoden bzw. Verfahren zu beachten? Zielrelevante Stoffauswahl bzw. Schwerpunktsetzung beim interkulturellen Lernen in TOURNEU-Kursen Interkulturelle Kenntnisse Da es sich in unserem Falle ja vor allem um die Realisierung des interkulturellen Prinzips im Sprachunterricht handelt, stellt sich zunächst die Frage, welche sprachlichen bzw. nichtsprachlichen Kenntnisse und Zieltätigkeiten diesbezüglich vorrangig zu vermitteln bzw. zu entwickeln sind. Sprachliche und nichtsprachliche interkulturelle Kenntnisse - Bei den sprachlichen interkulturellen Kenntnissen dürfte die kulturell spezifische Lexik im Vordergrund stehen. - Eine wichtige Rolle spielen daneben Aussprache, Intonation/Sprechmelodie, Lautstärke, Sprecherwechsel/Interaktionsrituale, Kontextabhängigkeit bzw. Direktheit/Indirektheit von Äußerungen. - Interkulturell relevant sind auch Kenntnisse der nonverbalen Kommunikation (Gestik, Mimik, Distanzverhalten/Körperkontakt, Zahlensymbolik, Verwendung von Farben) - Kenntnisse betr. der Hierarchien, des sozialen Verhaltens, insbesondere des Verhältnisses der Geschlechter zueinander, des Umgangs mit Konflikten, Verhandlungstaktiken, ferner: Kritik, private/öffentliche Sphäre, Mündlichkeit/Schriftlichkeit, Zeitvorstellungen, Tabuthemen, langfristige/kurzfristige Handlungsorientierungen, Ess- und Trinkge- 24 wohnheiten, Lebenseinstellung, Einstellung zu Ordnung, Pünktlichkeit, Gastfreundschaft, Semantik von Geschenken usw. Doch noch etwas mehr zu den sprachlichen Kenntnissen: Hier sind besonders lexikalische Einheiten von Interesse, die die Lerner in ihrer Ausgangssprache nicht verwendeten. Mitunter wird es auch notwendig sein, auf regionale Dubletten hinzuweisen. Schwieriger zu erlernen und richtig anzuwenden sind indessen lexikalische Einheiten, die in beiden Sprachen scheinbar gleich sind, wie etwa am. friend, love, how are you? Ähnliches gilt für Zahlensymbolik, die Verwendung von Farben, Berührungen usw. Auch sollte man auf lexikalische Einheiten verweisen, die signifikant häufiger oder seltener verwendet werden (Schimpfwörter, Komplimente usw.) Bei den zu vermittelnden Kenntnissen müssen, wie gesagt, auch die zur nonverbalen Kommunikation genannt werden. Beispiel: Ja/Nein Ja: mit dem Kopf nicken: weltweit Kopf hin und her wiegen: Indien, Pakistan, Bulgarien Kopf zurückwerfen: Äthiopien Nein: Kopf schütteln: weit verbreitet Kopf zurückwerfen: arabische Kulturen, Griechenland, Türkei, Süditalien Augenbrauen hochziehen: Griechenland mit der Hand abwinken: weit verbreitet mit der Hand fächeln: Japan Hände überkreuzen: weit verbreitet Hand am Kinn hochschnippen: Süditalien, Sardinien mit dem Zeigefinger abwinken: weit verbreitet Beispiel: Körperkontakt Kontaktreiche Kulturen Kontaktarme Kulturen Araber Nordeuropäer Lateinamerikaner US-Amerikaner, Kanadier Griechen, Türken Asiaten 25 einige afrikanische Kulturen Bedeutungsunterschiedliche Wörter und Gesten sind relativ leicht zu erlernen, aber solche äußeren Marker sind nur die berühmte Spitze des Eisbergs. Das in der Kulturwissenschaft gerne verwendete Modell verdeutlicht, dass immer nur ein kleiner Teil kultureller Spezifik sichtbar oder wahrnehmbar ist. „Das Wahrnehmbare selbst (perceptas) ist wiederum „Zeichen“ für zugrundeliegende (aber als solche nicht sichtbare) Denk- und Handlungskonzepte (konzeptas): Hinter identischen Zeichen können sich - kulturspezifisch - durchaus sehr unterschiedliche Konzepte verbergen. Beispielsweise verweist die Bezeichnung – oder man kann auch sagen: das „Zeichen“ Team im japanischen Verständnis auf eine Gruppengesamtheit, während im deutschen Verständnis eher eine Gruppe i.S. der Summe einzelner Individuen gemeint ist. Spätestens dann, wenn es um die Zuschreibung von Verantwortlichkeit z.B. bei Produktionspannen geht, offenbart sich die Tragweite der unterschiedlichen Konzepte: im Deutschen sind individuelle Schuldzuschreibungen möglich, während im japanischen Verständnis eher das Team als Gesamtes haften würde. Erst unter Einbeziehung derartiger konzeptioneller Hintergründe wird eine Kultur erklärund verstehbar. So wie auf der Ebene der perceptas das Was einer Kultur beschrieben wird, so ermöglicht die konceptas-Ebene in einem zweiten Schritt Erklärungen des Warum bestimmter Eigenarten und Funktionszusammenhänge einer Kultur. Damit kommen letztlich auch immer historische Perspektiven ins Spiel, die ihrerseits Verknüpfungsmöglichkeiten bieten und in einem dritten Schritt Kulturen als offene Netzwerke von - sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit - unendlich vielen untereinander verbundenen Handlungen verstehen lassen.“ (Bolten 2001, 17) Jeweils andere Konzepte werden auch bei Strategien zum Umgang mit Konflikten deutlich: Strategien zum Umgang mit Konflikten (Kessel 2000, S. 83) Südostasien Erste Reaktion Deutschland Vermeidung des Konflikts durch Nichtbeachtung oder indirekte Ansprache positive Entwicklung negative Entwicklung Möglichst sachliche, aber direkte Ansprache des Problems positive Entwicklung negative Entwicklung 26 Maßnahmen Lösung Betonung der gemeinsamen Ziele/ der Beziehung ohne Detailanalyse des Problems Kompromisslösung, am besten mit Hilfe eines Vermittlers (beiden Parteien verbundene Autorität oder ein Freund) Ignorieren des indirekten Signals Offene, sachliche Debatte, in der möglichst alle Aspekte des Problems ausdiskutiert werden Dramatisierung Eskalation Stillstand Eskalation Beruhigung Konflikt Abbruch Kompromisslösung. Kompro„versandet“ der Kann auch auf Ba- misslösung Beziehung sis von Gesetzen oder Nachgefunden und mit geben Hilfe von Verträgen einer Partei festgeschrieben werden Eskalation Lösung durch unabhängige Instanz (Gericht) Einen großen Einfluss auf das unterschiedliche Verhalten spielen auch die spezifischen Hierarchien: Steile und flache Hierarchien (Kessel 2000, 62) steile Hierarchien mittlere Hierarchien flache Hierarchien Hongkong Philippinen Spanien ehem. UdSSR China Japan Singapur Malaysia Frankreich Indonesien Thailand Vietnam Australien Indien Belgien Italien Kanada Großbritannien Schweden Deutschland USA Niederlande Sprachliche Zielkompetenzen Bei den TOURNEU-Kursen geht es auch unter interkulturellem Aspekt in erster Linie um die Entwicklung der Zieltätigkeiten verstehendes Hören und Sprechen. 27 Bei der Entwicklung des Hörens ist zu beachten, dass es den Angehörigen mancher Kulturen schwer fällt, die Kerninhalte herauszufiltern. Sie versuchen, quasi den gesamten Text zu verstehen. Dies ist bei der Übungsgestaltung zu beachten. Bei der Entwicklung des Sprechens ist darauf zu achten, dass die Sprechmelodie und die Pausenlänge, die Intonation, z.T. auch die Lautstärke mindestens genau so wichtig sind wie die Aussprache. Selbst fortgeschrittene Sprecher erkennt man eher an der abweichenden Sprechmelodie als an der Aussprache. Selbst fortgeschrittene Sprecher erkennt man eher an der abweichenden Sprechmelodie als an der Aussprache, da diese ja in Deutschland wie in anderen Ländern sehr variieren kann Sehr unterschiedlich auch der Sprecherwechsel: Muster des Sprecherwechsels USA Japan Brasilien Quellen: Graham (1985, 90 f.) , Adler (1991, 211) und Stahl (1999, 2) Zu beachten ist ferner die Kontextabhängigkeit von Sprachäußerungen: Kontextabhängigkeit Japaner hoch Araber Lateinamerikaner Italiener/Spanier Franzosen Engländer Nordamerikaner Skandinavier Deutsche niedrig Schweizer explizit NACHRICHTEN implizit 28 3.2. Auswahl bzw. Gestaltung von Texten, Aufgaben und Übungen in vorrangig interkulturell orientierten Lehr- und Lernmaterialien Ausgehend vom jeweiligen Erkenntnis- und Wissensstand der TN sollten im Hinblick auf interkulturelles Lernen Texte, Aufgaben und Übungen ausgewählt oder gestaltet werden, die sich mit der Adressatengruppe und ihrem beruflichen Umfeld beschäftigen. Dies werden folglich vor allem Texte und Themen aus dem Tourismussektor selbst, aber auch solche sein, die wir aus der Geschäftssprache kennen, angefangen vom Telefonieren bis hin zur Darstellung des eigenen Unternehmens. Folgende Themenbereiche stehen dabei im Vordergrund der Übungsgestaltung: MANAGEMENT Unternehmensformen/Unternehmensstruktur (s. unser Diagramm Zertifikat) Produktion Darstellung des Unternehmens Umweltfreundliche, nachhaltige Gestaltung des Unternehmens Beschwerdemanagement MARKETING Corporate Identity Messen und Ausstellungen Kundenbetreuung Werbegestaltung SERVICE Service im Reisebüro Service im Hotel (Rezeption, Etagendienst/Housekeeping/Zimmer, Hotelsekretariat) Service im Restaurant (Begrüßung, Bedienung, Umgang mit Wünschen/Beschwerden, Verabschiedung) Speisen und Getränke Sport Wellness Freizeit-/Ausflugsprogramm/Animation für Erwachsene/Kinder/Senioren/Behinderte VERKAUF - Korrespondenz - Warenverkehr - Zahlungsverkehr - Bilanzierung - Absatz und Transport PERSONALWESEN - Personalwirtschaft - Bewerbungen 29 RECHTSVERKEHR - Gesundheits- und Versicherungsbestimmungen - Unternehmensform: Gründung, Führung, Insolvenz - Rechtliche Probleme von Reklamationen 3.3. Didaktische Gestaltung der Programme Die Programme sollten an den Vorstellungen und Einstellungen der TN, Stereotype eingeschlossen, anknüpfen an den Erfahrungen der TN ansetzen, Vorwissen und Wissen aktivieren, differenzieren und erweitern, dabei kulturell unterschiedliche Lernstile beachten eine aktive, kreative Beteiligung der TN an der Gestaltung des Unterrichts und der Wissensfindung ermöglichen die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen bzw. Herkunfts- und der Zielkultur bzw. anderen Fremdkulturen (stärker in gemischten Unterrichtsgruppen als in der Realität) in Gang setzen und ihnen helfen, Strategien (auch der Konfliktbewältigung) zu entwickeln. Die Unterweisung sollte also durch ihre Lernerorientierung geprägt sein, die sich nicht auf rein kognitive Wissensvermittlung beschränkt, sondern verstärkt die subjektiven und emotionalen Komponenten des kulturellen Fremdverstehens einbezieht. Er zielt auf die Eigenaktivität der Lerner, ihre Gefühle, ihre Assoziationen und die Bilder ihrer Vorstellungswelt. Die Lernerorientierung zeigt sich auch darin, dass die TN handlungsbezogen und entdeckend an der Text-, Aufgaben- und Übungsauswahl beteiligt und so zu schöpferischer Arbeit, zum selbstständigen Weiterlernen angeregt werden. Dabei sollten – unter Berücksichtigung der mehrheitlich nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden sprachlichen Mittel - alle aus dem modernen Fremdsprachenunterricht bekannten Aufgaben- und Übungsformen zum Einsatz kommen. 3.4. Bevorzugte Aufgaben- und Übungsformen bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz sind die folgenden: Fallstudien/Fallbeispiele: Critical Incident Exercises / Kulturassimilatorübungen („intercultural sensitizer“) = selbst erfahrene oder vorgegebene, didaktisierte interkulturelle Beispielgeschichten mit Quizfragen und (unterschiedlicher) Auswertung Selbsterfahrungsübungen, z.B. mit Listeninterpretationen und deren Auswertung; aber: nicht nur auf Unterschiede orientieren, sondern auch Gemeinsamkeiten verdeutlichen (Identifikationen) Rollenspiele (mit anschließendem Interview) zwischen Muttersprachlern und Lernern; Rollenwechsel, so dass Lerner Muttersprachler spielen und umgekehrt. Ziele: Bewusstmachung der Unterschiede (und Gemeinsamkeiten), Vorbereitung auf Begegnung mit Repräsentanten anderer Kulturen, vornehmlich der Zielkultur; Rollenspielvariante: „contrast-American“, interkulturelle Interaktionsspiele 30 Simulationen: In simulierten kritischen Situationen können fremde Kommunikationsgewohn- heiten vermittelt und zugleich eigene Gewohnheiten der Interpretation bestimmter Kontextualisierungshinweise hinterfragt werden; andere können als möglich erduldet und anerkannt werden. Beschreibung von Bildgeschichten und Fotos bzw. Collagen insbesondere humorvoller bzw. satirischer Art Abarbeiten kultureller Module, d.h. abgeschlossener u.U. multimedial aufbereiteter Lerneinheiten, die einen bestimmten Aspekt der Zielkultur thematisieren Lernertagebücher, das Verfassen von "Feldnotizen" durch die Lerner, Beobachtungen des Kommunikationsverhaltens von Ziel- und Eigenkulturträgern, Aufzeichnungen von "kritischen Situationen“ Geschriebene oder auf Tonband aufgezeichnete narrative Interviews über "kritische interkulturelle Situationen" Aufnahmen authentischer Gespräche ohne eigene Beteiligung und deren Auswertung Auch Verwendung von Multiple Choice-Aufgaben, Lückentexten, Fortsetzungsübungen, die beim Aufdecken und gemeinsamen Nachdenken über Stereotypen als gefährlich-fertige Vorurteile oder als lebensnotwendige Orientierungen durch vorläufige Hypothesen sehr hilfreich sein können; weniger empfohlen: Tests, da hier Gefahr der Verfestigung von Vorurteilen und unzulässigen Verallgemeinerungen; Prozesscharakter missachtet (gut vorbereitete) Projektarbeit (Projekt = Lernende gelangen durch selbstgesteuerte Arbeitsschritte zu Ergebnissen, die sich zumeist in einem Produkt - und nicht mehr in einem definierten Wissenskanon - konkretisieren) und deren Auswertung: Vorträge, Diskussionen, Wandzeitungen, Simulationen, lokale Erkundungen vor Ort, Medien-Erkundungen, SelbstErkundungen mit Kulturfragebogen Interpretation von Film-/Videoausschnitten usw. Spiele (insbesondere Sprachspiele) Ein allgemeines Prinzip besteht in Folgendem: Aufgaben, Übungen dürfen nicht nur die Probleme interkultureller Kommunikation aufzeigen oder gar Versagenserfahrungen vermitteln. Ziel ist die Vermittlung von konstruktiven Strategien zur Bewältigung interkultureller Kontaktsituationen, die eine Differenzierung und Modifizierung des erworbenen interkulturellen Wissens in aktuellen Kontaktsituationen möglich machen und berücksichtigen, dass sich die Realität schneller ändert als Lehrbücher, dass Kommunikationspartner ebenfalls interkulturell bewusst agieren können, was die eigene Vorbereitung konterkarieren kann, und kulturelle Unterschiede nicht notwendigerweise zu Problemen und Kommunikationskonflikten führen müssen. Wichtig ist der übergeordnete Handlungszusammenhang, der auch das Missverstehenspotential einzelner Code-Elemente neutralisieren kann. Die TN müssen erkennen, dass interkulturelles Wissen allein nicht ein erfolgreiches Handeln und Kommunizieren garantiert. Letztlich geht es ja – darauf weist R. Ehnert (2000, 7) mit Recht hin – nicht nur um die Absicherung eines besseren Geschäftserfolgs, sondern darum, das Miteinander der Menschen in der immer kleineren Welt zu befördern. Der Weg dahin führt gewiss über die Vermittlung bzw. Aneignung von (interkulturellem) Wissen. Aber für die Entwicklung einer interkulturellen Kompetenz gilt letztlich die Maxime, die in der Belletristik in vielen Varianten – von Goethe bis Saint Exupery und Böll - zu finden ist: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nie erjagen.“ (Faust) 4. Multimediale digitale Übungstypen für die selbstständige Arbeit auf der Projektseite und mit den CD-ROMs/DVDs des BL-Programms von TOURNEU 31 m BL-Programm kommen auf der Projektwebseite www.tourneu.eu und in den Selbstlernphasen mittels CD-ROM/DVD die folgenden Übungstypen zum Einsatz: Texterschließung (Hypothesen) Textmontage Ergänzungen in Schritten Multiple Choice 1 (Sehen/Hören/Entscheiden) = (Audio/Videosequenzen) Drag and drop Satzbau Multiple Choice 2 Lückentexte Zuordnungsübung (Verwürfelung) Ergänzungen Satz- Textbildung Satzbau Memory 5. Literatur Biesterfeldt, Ch.: Critical Incidents vs. Kulturassimilator; Von der Erzählung zur interkulturellen Übung – Der Kulturassimilator am Beispiel eines Integrationskurses für türkische ZuwandererInnen (2004). www.initiativgruppe.de/ Blei, D.;Zeuner, U. (Hrsgb.): Theorie und Praxis interkultureller Landeskunde im Deutschen als Fremdsprache. Reihe: Fremdsprachen in Lehre und Forschung 21. AKS-Verlag, Bochum, 1998. Bolten, J.: Interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Forschungsstand und Perspektiven eines neuen Fachgebiets. In: Wirtschaftsdeutsch International. Heft 1. Grimma 1999. Bolten, J. (1999): „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation. Forschungsstand und Perspektiven eines neuen Fachgebietes“. In: Wirtschaftsdeutsch International. 1/99, 9 – 25. Bolten, J.: Interkulturelle Kompetenz. Erfurt 2001 und 2007. Bolten, J./Schröter, D.: Im Netzwerk interkulturellen Handelns. Verlag Wissenschaft und Praxis. Bd. 6. Sternenfels 2001 Bolten, J./Ehrhardt, C.: Interkulturelle Kommunikation. Texte und Übungen. Verlag Wissenschaft und Praxis. Sternenfels 2002.. Bolten, J.: Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft. Verlag Wissenschaft und Praxis. Bd.9. Sternenfels 2004. Brislin, R. (1993).: Understanding Culture’s Influence on Behavior. Fort Worth: SAGE Publications. Cushner, K. & Brislin, R., eds. (1997): Improving Intercultural Interactions. Volume 1. Thousand Oaks: SAGE Publications. Ehnert, R. 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Unter : www.tu-dresden.de/sulifg/daf/home.htm Links zu weiteren interkulturell interessanten und im Beitrag genutzten Sites Zentralstelle für Auslandskunde (ZA): www.inwent.org Verein Interculture, Jena: www.e-interculture.de & www.ikkompetenz.thueringen.de Lehrstuhl für Sprachwissenschaft 2 der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sw2/ Lehrbereich DaF an der TU Dresden www.tu-dresden.de/sulifg/daf/home.htm http://www.tu-dresden.de/sulifg/daf/mailproj/kursbu11.htm Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht www.ualberta.ca/%7Egerman/ejournal/ejournal.html IIK Institut für Interkulturelle Kommunikation e.V. www.iik.de Daf-Portal www.daf-portal.de IMOVE www.imove-germany.de www.the-language-web.de www.xenophilia.de IKUD Institut für Interkulturelle Didaktik e.V. www.ikud.de/orientierung.htm Universität North Carolina: www.uncg.edu/~lixlpurc/german.html http://www.estlandia.de/ (Estland-Seite) http://www.deutschland-extranet.de/pdf/MI_Baltische_Staaten_2007(1).pdf http://www.kultura.lv/de/actualities/388/ (Lettland-Seite) http://www.euro-paths.net/ http://www.payer.de/kommkulturen/kultur042.htm#2 http://www.payer.de/kommkulturen/kultur01.htm