Analysis I WS 2015/2016 - Ruhr

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Analysis I WS 2015/2016
Holger Dette
Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Mathematik
44780 Bochum
Germany
email: [email protected]
FAX: +49 2 34 3214 559
Tel.: +49 2 34 32 2 8284
November 6, 2015
I. Mengen, Abbildungen, der Körper der reellen
Zahlen
1
Mengen
1.1 Definition: Eine Menge M ist eine Zusammenfassung von wohlbestimmten und
wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung und unseres Denkens, die Elemente
von M genannt werden (naiver Mengenbegriff).
Ist x Element der Menge M, so schreiben wir x ∈ M, ist x kein Element von M, x 6∈ M.
1.2 Definition: Für Mengen A, B heißt A Teilmenge von B (Schreibweise A ⊂ B) genau
dann, wenn gilt
x∈A⇒x∈B
Wir nennen die Mengen A und B gleich oder identisch (Schreibweise: A = B) genau
dann, wenn gilt A ⊂ B und B ⊂ A
A heißt nichtleer genau dann, wenn gilt: es gibt ein x ∈ A (Schreibweise ∃ x ∈ A).
A heißt leer oder die leere Menge (Schreibweise A = ∅) genau dann, wenn gilt: A ist
nicht nichtleer ⇐⇒ für alle x (Schreibweise: ∀ x) gilt x 6∈ A.
Die Menge P(A) := {M | M ⊂ A} heißt Potenzmenge von A.
1
1.3 Folgerungen: Es seien A, B, C Mengen.
(i) ∅ ⊂ A
(ii) A ⊂ A
(iii) A ⊂ B, B ⊂ C ⇒ A ⊂ C
1.5 Definition: Es seien A, B, X Mengen
A ∩ B := {x | x ∈ A und x ∈ B} heißt Durchschnitt von A und B.
A ∪ B := {x | x ∈ A oder x ∈ B} heißt Vereinigung von A und B.
A\B := {x | x ∈ A und x 6∈ B} heißt mengentheoretische Differenz von A und B.
Ist A ⊂ X, so heißt Ac := X\A das Komplement von A bezüglich X.
1.6 Schreibweisen: Es sei F System von Mengen
\
M := {x | x ∈ M für alle M ∈ F}
M ∈F
heißt Durchschnitt der Mengen, die zu F gehören.
[
M := {x | x ∈ M für mindestens ein M ∈ F}
M ∈F
heißt Vereinigung der Mengen, die zu F gehören.
1.7 Satz: Es seien A, B, C ⊂ M Mengen. Das Komplement werde jeweils bzgl. der
Menge M gebildet.
(i) A ∪ ∅ = A = A ∪ A; A ∩ ∅ = A ∩ Ac = ∅
A ∪ Ac = M = A ∪ M ; A ∩ A = A ∩ M = A
(ii) (Assoziativität)
A ∪ (B ∪ C) = (A ∪ B) ∪ C
A ∩ (B ∩ C) = (A ∩ B) ∩ C
(iii) (Distributivität)
A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C)
A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C)
(iv) (De-Morgan Regeln)
(A ∪ B)c = Ac ∩ B c
(A ∩ B)c = Ac ∪ B c
2
1.8 Aufgaben:
(a) Seien A, B Mengen, so gilt (Kommutativität)
A ∩ B = B ∩ A;
A∪B =B∪A
(b) Sei M0 Menge, F ein System von Mengen mit der Eigenschaft M ⊂ M0 für alle
M ∈ F. Dann gilt für die bzgl. M0 gebildeten Komplemente
\
[
(
M )c =
Mc
M ∈F
(
[
M ∈F
c
M) =
M ∈F
\
Mc
M ∈F
1.9 Definition: Für Mengen X, Y heißt die Menge aller geordneten Paare
X × Y := {(x, y) | x ∈ X; y ∈ Y }
das cartesische Produkt der Mengen X und Y.
2
Abbildungen
2.1 Definition: Es seien X, Y nichtleere Mengen. Eine Funktion f (oder Abbildung) von
der Menge X in die Menge Y ist eine Vorschrift, die jedem x ∈ X in eindeutiger Weise
ein y ∈ Y zuordnet, das mit f (x) bezeichnet wird. X heißt Definitionsbereich von f, f (x)
das Bild (oder der Funktionswert) von x unter der Abbildung f. Schreibweise:
(
X → Y
f:
x → f (x)
Für A ⊂ X heißt
f (A) := {f (x) | x ∈ A} = {y | ∃ x ∈ A mit f (x) = y} ⊂ Y
das Bild von A unter f. f (X) heißt Wertebereich von f. Die Menge
Graph f := {(x, f (x)) | x ∈ X} ⊂ X × Y
heißt Graph von f. Für B ⊂ Y heißt
f −1 (B) := {x ∈ X | f (x) ∈ B} ⊂ X
das Urbild von B.
Die Abbildungen f : X → Y und g : X → Y heißen gleich (Schreibweise: f = g) genau
dann, wenn gilt: f (x) = g(x) für alle x ∈ X.
3
2.2 Definition: Sei X 6= ∅ eine Menge, dann heißt die Funktion
(
X → X
I:
x → I(x) = x
die Identität auf X.
Sind X, Y, Z 6= ∅ Mengen und f : Y → Z, g : X → Y Abbildungen, dann heißt
(
X → Z
f ◦g :
x → (f ◦ g)(x) := f (g(x))
die Komposition von f und g (Sprechweise: f nach g).
2.3 Übung: Sind V, X, Y, Z 6= ∅ Mengen, f : V → X, g : X → Y, h : Y → Z
Abbildungen, so gilt:
h ◦ (g ◦ f ) = (h ◦ g) ◦ f
(daher werden die Klammern oft weggelassen).
2.4 Definition: Sei f : X → Y eine Abbildung
f heißt injektiv genau dann, wenn für alle x1 , x2 ∈ X gilt:
x1 6= x2 ⇒ f (x1 ) 6= f (x2 )
f heißt surjektiv genau dann, wenn f (X) = Y
f heißt bijektiv genau dann, wenn f injektiv und surjektiv ist.
Beachte: f ist injektiv, wenn gilt f (x1 ) = f (x2 ) ⇒ x1 = x2 . Ist f bijektiv, so existiert zu
jedem y ∈ Y genau ein x ∈ X mit f (x) = y. D.h. durch
(
Y → X
g:
y → x, wo f (x) = y
wird eine Abbildung von Y auf X definiert. g heißt Umkehrabbildung von f und wird
auch mit f −1 bezeichnet.
2.5 Bezeichnung: Ist f : X → Y eine Abbildung, ∅ =
6 A ⊂ X, so heißt die Abbildung
(
A →Y
h:
x →
h(x) := f (x)
Restriktion von f auf A und wird mit f|A bezeichnet.
4
2.6 Übung: Sei f : X → Y ; A und B Systeme von Teilmengen von X bzw. Y, Ac =
X\A, B c = Y \B. Man zeige
(1)
A1 , A2 ∈ A : A1 ⊂ A2 ⇒ f (A1 ) ⊂ f (A2 )
B1 , B2 ∈ B : B1 ⊂ B2 ⇒ f −1 (B1 ) ⊂ f −1 (B2 )
(2)
f −1 (
[
B∈B
B) =
[
f −1 (B) ;
f −1 (
B∈B
\
B) =
B∈B
\
f −1 (B)
B∈B
(3)
f −1 (B c ) = (f −1 (B))c
3
Der Körper der reellen Zahlen
3.1 Definition: Es sei K eine nichtleere Menge und es gebe zwei Abbildungen
(
(
K×K→K
K×K →K
+:
·:
(x, y) → x + y
(x, y) → x · y
(Addition und Multiplikation), die den folgenden Axiomen genügen sollen.
(A1) Für alle x, y, z ∈ K gilt: x + (y + z) = (x + y) + z
(A2) Es existiert ein Element 0 ∈ K mit: x + 0 = x für alle x ∈ K
(A3) Zu jedem x ∈ K existiert ein y ∈ K mit x + y = 0
(A4) Für alle x, y ∈ K gilt: x + y = y + x
(A5) Für alle x, y, z ∈ K gilt: x · (y · z) = (x · y) · z
(A6) Es existiert ein Element 1 ∈ K\{0} mit: 1 · x = x für alle x ∈ K
(A7) Zu jedem x ∈ K\{0} existiert ein y ∈ K mit x · y = 1
(A8) Für alle x, y ∈ K gilt: x · y = y · x
(A9) Für alle x, y, z ∈ K gilt x · (y + z) = x · y + x · z
Eine Menge K mit den obigen Eigenschaften heißt Körper. Die Eigenschaften (A1) und
(A5) heißen Assoziativitätsgesetz; (A4) und (A8) Kommutativitätsgesetz und (A9) Distributivgesetz.
5
3.2 Einfache Folgerungen:
(i) Die Elemente 0 und 1 aus (A2) und (A6) sind eindeutig bestimmt.
(ii) Die Elemente y ∈ K in (A3) und (A7) sind eindeutig bestimmt und werden mit −x
bzw. x−1 := x1 bezeichnet.
(iii) Für alle x ∈ K gilt:
0·x=0
(iv) (−1) · (−1) = 1
(v) Für alle x, y ∈ K gilt:
(a)
(b)
(−x) · y = −(x · y)
(−x)(−y) = x · y
1
x
:= x · (falls y 6= 0) dann gilt für alle
y
y
x, y ∈ K; a, b, c, d ∈ K mit b, d 6= 0 :
(vi) Wir definieren x − y := x + (−y),
(a) (x − y) · z = x · z − y · z
a c
ad + bc
(b) + =
b d
bd
a·c
a c
(c) · =
b d
b·d
(vii) Bezeichnung:
x + y + z : = x + (y + z) = (x + y) + z
x · y · z : = (x · y) · z = x · (y · z)
(viii) Sind x, y ∈ K\{0} dann gilt: x · y 6= 0
3.3 Definition: Es sei K Körper und P ⊂ K eine Teilmenge von K mit folgenden
Eigenschaften
(A10) Für jedes x ∈ K gilt entweder x ∈ P oder x = 0 oder −x ∈ P, wobei jede dieser
Eigenschaften die andere ausschließen soll.
(A11) x, y ∈ P ⇒ x + y ∈ P ; x · y ∈ P
K heißt angeordneter Körper, P heißt Menge der positiven Elemente.
x ∈ K heißt positiv : ⇐⇒ x ∈ P (Schreibweise: x > 0)
x ∈ K heißt negativ : ⇐⇒ x 6= 0, x ∈
/ P (Schreibweise: x < 0)
Beachte: Mit der Bezeichnung x < y : ⇐⇒ y − x > 0 gilt:
x < 0 ⇐⇒ 0 − x > 0 ⇐⇒ −x > 0 ⇐⇒ x 6= 0, x 6∈ P, d.h. x ist negativ.
6
3.4 Rechenregeln für Ungleichungen: Sei K angeordneter Körper, x, y, z, . . . ∈ K
(i) 1 > 0
(ii) x < 0; y < 0 ⇒ x · y > 0
(iii) x > 0; y < 0 ⇒ x · y < 0
(iv) x 6= 0 ⇒ x2 := x · x > 0
(v) x > 0 ⇒
1
x
>0
(vi) x < y;
y<z ⇒ x<z
(vii) x < y,
z >0 ⇒ x·z <y·z
(viii) x < y,
z ∈K ⇒ x+z <y+z
(ix) x < y;
(Transitivität)
z <0 ⇒ x·z >y·z
(x) 0 < x < y ⇒
1
y
<
1
x
(xi) x < y, u < v ⇒ x + u < y + v
3.5 Bezeichnung: Sei K angeordneter Körper, x, y ∈ K
(i)
x ≤ y : ⇐⇒ x < y oder x = y
x ≥ y : ⇐⇒ x > y oder x = y
(ii) Für x ∈ K heißt
(
| x | :=
x falls x ≥ 0
−x falls x < 0
Betrag von x (man beachte |x| ∈ K).
3.6 Einfache Eigenschaften: Seien x, y, δ ∈ K, K angeordneter Körper
(i) x < y ⇒ x ≤ y
(ii) | x | = | −x |
(iii) x ≤ | x |;
−x ≤ | x |;
−|x| ≤ x ≤ |x|
(iv) | x | < δ ⇐⇒ −δ < x < δ
| x | ≤ δ ⇐⇒ −δ ≤ x ≤ δ
7
3.7 Satz: Sei K angeordneter Körper, x, y ∈ K, dann gilt:
(i) | x | ≥ 0;
| x | = 0 ⇐⇒ x = 0
(ii) | x · y | = | x | · | y |
(iii) | x + y | ≤ | x | + | y |
(Dreiecksungleichung)
3.8 Folgerung: Sei K angeordneter Körper; x, y ∈ K, dann gilt:
(i) || x | − | y || ≤ | x + y | ≤ | x | + | y |
(ii) || x | − | y || ≤ | x − y | ≤ | x | + | y |
3.9 Definition: Sei K angeordneter Körper, M ⊂ K.
M heißt nach oben beschränkt : ⇐⇒ es existiert ein c ∈ K mit der Eigenschaft:
für alle x ∈ M gilt: x ≤ c.
c heißt in diesem Fall eine obere Schranke von M.
M heißt nach unten beschränkt : ⇐⇒ es existiert ein b ∈ K mit der Eigenschaft:
für alle x ∈ M gilt: x ≥ b.
b heißt in diesem Fall eine untere Schranke von M.
M heißt beschränkt : ⇐⇒ M ist nach oben und unten beschränkt.
γ ∈ K heißt kleinste obere Schranke von M oder Supremum von M (Schreibweise: γ =
sup M ) wenn gilt
(i) γ ist eine obere Schranke von M
(ii) ist γ 0 eine weitere obere Schranke von M ⇒ γ 0 ≥ γ
β ∈ K heißt größte untere Schranke von M oder Infimum von M (Schreibweise: β =
inf M ) wenn gilt
(i) β ist eine untere Schranke von M
(ii) ist β 0 eine weitere untere Schranke von M ⇒ β 0 ≤ β.
8
3.10 Definition: Ein angeordneter Körper K heißt vollständig, genau dann, wenn gilt
(A12) jede nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge von K besitzt ein Supremum in
K.
3.11 Satz: Es gibt einen vollständigen, angeordneten Körper, der im wesentlichen eindeutig bestimmt ist und mit R bezeichnet wird. R heißt Körper der reellen Zahlen, seine
Elemente heißen reelle Zahlen.
3.12 Satz: Jede nichtleere, nach unten beschränkte Teilmenge von R besitzt ein Infimum.
3.13 Satz: Sei ∅ =
6 M ⊂ R, γ ∈ R, dann gilt
(a)
(
(i) x ≤ γ ∀ x ∈ M
(ii) ∀ ε > 0 ∃ x ∈ M : x > γ − ε
(
(i) x ≥ β ∀ x ∈ M
(ii) ∀ ε > 0 ∃ x ∈ M : x < β + ε
γ = sup M ⇐⇒
(b)
β = inf M ⇐⇒
3.14 Übung: Sei ∅ =
6 A ⊂ B ⊂ R, dann gilt:
Ist B nach oben beschränkt ⇒ sup A ≤ sup B.
Ist B nach unten beschränkt ⇒ inf B ≤ inf A.
3.15 Definition: Sei ∅ =
6 M ⊂ R eine Teilmenge der reellen Zahlen.
M hat ein größtes (kleinstes) Element, wenn es ein x0 ∈ M gibt mit x ≤ x0 (x ≥ x0 ) für
alle x ∈ M. x0 heißt dann Maximum (Minimum) von M. Schreibweise x0 = max M (x0 =
min M ).
3.16 Beispiel: Seien x, y ∈ R, dann gilt:
1
{x + y+ | x − y |}
2
1
min{x, y} = {x + y− | x − y |}
2
max{x, y} =
9
3.17 Definition: Sei ∅ =
6 A ⊂ R. Eine Abbildung f : A → R heißt
monoton wachsend : ⇐⇒
∀ x1 , x2 ∈ A : x1 < x2 ⇒ f (x1 ) ≤ f (x2 )
streng monoton wachsend : ⇐⇒
∀ x1 , x2 ∈ A : x1 < x2 ⇒ f (x1 ) < f (x2 )
monoton fallend : ⇐⇒
∀ x1 , x2 ∈ A : x1 < x2 ⇒ f (x1 ) ≥ f (x2 )
streng monoton fallend : ⇐⇒
∀ x1 , x2 ∈ A : x1 < x2 ⇒ f (x1 ) > f (x2 )
f heißt nach oben (unten) beschränkt, falls f (A) nach oben (unten) beschränkt ist.
4
Die natürlichen, ganzen und rationalen Zahlen
4.0 Definition: Eine Menge M ⊂ R heißt induktive Menge, wenn gilt:
(i) 1 ∈ M
(ii) x ∈ M ⇒ x + 1 ∈ M
4.1 Bemerkung:
1) R, {x ∈ R | x > 0} sind induktive Mengen.
2) Der Durchschnitt beliebig vieler induktiver Mengen ist eine induktive Menge.
4.2 Definition: Sei F := {M ⊂ R | M induktive Menge}, und
\
N :=
M ⊂ R,
M ∈F
dann heißt N0 = N ∪ {0} die Menge der natürlichen Zahlen.
10
4.3 Satz: (Prinzip der vollständigen Induktion) Die Aussage A(n) sei für alle natürlichen
Zahlen n ≥ n0 definiert und es gelte:
(i) Die Aussage A(n0 ) ist richtig.
(ii) Für jedes n ≥ n0 : Ist die Aussage A(k) für k = n0 , n0 + 1, . . . , n richtig, dann ist
auch die Aussage A(n + 1) richtig.
Dann ist die Aussage A(n) für alle n ≥ n0 richtig.
4.4 Beispiele:
(i) ∀ n ∈ N :
1 + 2 + 3 + ... + n =
(ii) Seien x1 , . . . , xn ∈ R;
n(n + 1)
.
2
xj > 0 (j = 1, . . . , n) dann gilt:
x1 · x2 · · · xn = 1
⇒
x1 + x2 + . . . + xn ≥ n.
4.5 Satz:
(i) Für alle n ∈ N gilt: n ≥ 1.
(ii) Für alle m, n ∈ N gilt: m > n ⇒ m − n ≥ 1.
(iii) Jede nichtleere Teilmenge M von N besitzt ein kleinstes Element.
(iv) N ist nicht nach oben beschränkt.
4.6 Satz: (Archimedische Eigenschaft von N)
(i) Zu jedem a, b ∈ R, a, b > 0 existiert ein n ∈ N mit: na > b.
(ii) Zu jedem ε > 0 existiert ein n ∈ N mit:
1
n
< ε.
4.7 Bezeichnungen und Beispiele: (Summen- und Produktzeichen)
Sei n ∈ N, a1 , . . . , an ∈ R. Mit den Bezeichnungen
n
X
aj := a1 + . . . + an ;
0
X
j=1
j=1
n
Y
0
Y
aj := a1 · . . . · an ;
j=1
j=1
gilt
11
aj := 0
aj := 1
(i)
n
X
n(n + 1)
2
j = 1 + 2 + ... + n =
j=1
(ii)
n
X
j 2 = 1 2 + 2 2 + . . . + n2 =
j=1
(iii)
(vergl. 4.4)
n(n + 1)(2n + 1)
6
n
Y
j
1 2
n−1
n
1
=
· · ··· ·
·
=
j+1
2 3
n
n+1
n+1
j=1
(iv) Mit der Bezeicnung q k :=
n
X
Qk
j=1
q (k ∈ N) gilt für alle q ∈ R\{1}:
qj = 1 + q + . . . + qn =
j=0
1 − q n+1
.
1−q
(v) Sei h ∈ R, h ≥ −1, n ∈ N; dann gilt die Bernoullische Ungleichung
(1 + h)n ≥ 1 + nh.
4.8 Rechenregeln:
n
n
n
X
X
X
(i)
(aj + bj ) =
aj +
bj
j=1
(ii)
c·
j=1
n
X
aj =
j=1
(iii) na =
n
X
j=1
c · aj
j=1
n
X
a.
j=1
4.9 Bezeichnungen: (Fakultät, Binomialkoeffizient)
(i) 0! := 1; für n ∈ N : n! = 1 · 2 · . . . · n
(ii) Für α ∈ R, k ∈ N heißt
α
α
α(α − 1) . . . (α − k + 1)
:= 1
:=
0
k
k!
Binomialkoeffizient (Sprechweise: α über k).
Beachte:
12
1)
α
k
2)
Q0
3)
α
1
=
j=1
Qk
j=1
α−j+1
j
αj := 1
P0
j=1
αj := 0
=α
n!
4) ∀ k, n ∈ N, k ≤ n : nk = k!(n−k)!
α
5) ∀ k ∈ N : αk + k+1
= α+1
k+1
4.10 Satz: (Binomischer Lehrsatz) Für a, b ∈ R, n ∈ N gilt:
n
(a + b)
n X
n k n−k
=
a b .
k
k=0
4.11 Definition: Es sei k ∈ N, N(k) := {j ∈ N | j ≤ k} = {1, 2, . . . , k}. Eine Menge M
heißt endlich, wenn sie entweder leer ist oder es ein k ∈ N und eine bijektive Abbildung
von N(k) auf M gibt. In diesem Fall heißt #M := k die Anzahl der Elemente von
M (#∅ = 0).
M heißt unendlich, wenn M nicht endlich ist.
4.12 Beispiel: Es sei M Menge mit #M = n Elementen, dann gilt für k ∈ N0 , 0 ≤ k ≤ n
n
n
Ck := #{A ⊂ M | #A = k} =
.
k
D.h. die Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Menge ist nk .
4.13 Definition: Z := N ∪ {0} ∪ {x | −x ∈ N} heißt die Menge der ganzen Zahlen. Die
Menge
p
Q := {x ∈ R | x = ; p, q ∈ Z; q 6= 0}
q
heißt die Menge der rationalen Zahlen. Die Menge R\Q heißt die Menge der irrationalen Zahlen.
4.14 Satz: (die k-te Wurzel) Sei k ∈ N. √Zu jedem x ∈ R, x ≥ 0 gibt es genau ein
y ∈ R; y ≥ 0 mit y k = x. Dieses y wird mit k x oder x1/k bezeichnet.
13
4.15 Definition: Sei k ∈ N, R+
0 := {x ∈ R | x ≥ 0} die Menge der nichtnegativen Zahlen;
die Abbildung
(
+
R+
0 → R0
f:
x → f (x) = xk
heißt Potenzfunktion. Die Abbildung
(
+
R+
0 → R0
g:
x → g(x) := x1/k
heißt Wurzelfunktion (beachte: g ist die Umkehrfunktion von f ).
4.16 Definition: (Potenzen mit rationalen Exponenten) Sei a > 0, 0 < r =
p, q ∈ N. Wir definieren
√
(i) ar := ( q ap ) = (ap )1/q
(ii) a−r =
p
q
∈ Q und
1
ar
(iii) a0 = 1
4.17 Satz:
√
√
2= 22∈
6 Q, also ist R\Q 6= ∅.
4.18 Satz: (Q liegt dicht in R). Es sei x ∈ R
(i) Zu jedem ε > 0 existiert ein r ∈ Q mit | r − x |< ε.
(ii) Zu jedem ε > 0 existiert ein y ∈ R\Q mit | y − x |< ε.
4.19 Satz: Q ist angeordeter Körper aber nicht vollständig.
4.20 Definition: Eine Menge M heißt abzählbar, wenn es eine bijektive Abbildung von
N auf M gibt. Eine solche Abbildung a : N → M ; n → an := a(n) liefert eine Abzählung
der Menge M.
4.21 Übung: Es seien A, B Mengen, A abzählbar. Existiert eine bijektive Abbildung
von A auf B, so ist auch B abzählbar.
14
4.22 Satz: Ist A abzählbar, B ⊂ A, so ist B endlich oder abzählbar.
4.23 Satz: Jede unendliche Menge enthält eine abzählbare Teilmenge.
4.24 Übung: Sei A abzählbar und f : A → B surjektive Abbildung, dann ist B endlich
oder abzählbar.
4.25 Hilfssatz: Es seien A1 , A2 , . . . abzählbare Mengen
(i) A1 × A2 = {(a, b) | a ∈ A1 , b ∈ A2 } ist abzählbar.
S
(ii) A := n∈N An ist abzählbar (d.h. die abzählbare Vereinigung abzählbarer Mengen
ist abzählbar).
4.26 Satz: Die Menge der rationalen Zahlen Q ist abzählbar.
15
II. Der Grenzwertbegriff für Folgen und Reihen
5
Folgen, Konvergenz, Divergenz
5.1 Definition: Sei A 6= ∅ eine Menge. Eine Abbildung a : N → A heißt Folge in A. a
heißt reelle Zahlenfolge falls A ⊂ R.
5.2 Bezeichnungen: Das Bild von n unter der Abbildung a wird oft mit an statt a(n)
bezeichnet. Die Folge (bzw. Abbildung) wird oft in der Form
(an )n∈N ;
(an );
a1 , a2 , a3 , . . .
mit dem Zusatz an ∈ A angegeben. Die an heißen Glieder (oder Elemente) der Folge, n
heißt Index des Gliedes an . Wir betrachten hauptsächlich Folgen in R und nennen solche
Folgen (reelle) Zahlenfolgen.
5.3 Definition: Es sei A 6= ∅ eine Menge und a : N → A eine Folge in A.
(i) Ist b : N → N streng monoton wachsend, so heißt die Folge a ◦ b : N → A
Teilfolge von a.
(ii) Ist b : N → N bijektiv, so heißt die Folge a ◦ b : N → A Umordnung der Folge a.
5.4 Bemerkung: b ist selbst Folge. Man schreibt b oft in der Form b : N → N, k → nk ,
also
(nk )k∈N ; nk ∈ N.
Damit kann die Teilfolge (bzw. Umordnung) mit
(ank )k∈N
bezeichnet werden.
16
5.5 Definition: Eine reelle Zahlenfolge (an )n∈N heißt konvergent, wenn es ein a ∈ R gibt,
für das gilt:
Zu jedem ε > 0 existiert ein n0 (ε) ∈ N mit der Eigenschaft
| an − a |< ε
für alle n ≥ n0 (ε).
In diesem Fall heißt a Grenzwert (Limes) der Folge (an ) und man sagt: die Folge (an )
konvergiert gegen a. Schreibweisen:
n→∞
lim an = a oder an → a für n → ∞ oder an −→ a .
n→∞
Die Folge (an ) heißt divergent, wenn sie nicht konvergent ist.
5.6 Satz: Der Grenzwert einer konvergenten Folge ist eindeutig bestimmt.
5.7 Satz: Sei (an )n∈N konvergente Folge mit Grenzwert a.
(i) Jede Teilfolge von (an )n∈N ist konvergent mit Grenzwert a.
(ii) Jede Umordnung von (an )n∈N ist konvergent mit Grenzwert a.
5.8 Satz: (Konvergenzkriterien für monotone Folgen) Es sei (an )n∈N reelle Zahlenfolge.
(i) Ist (an )n∈N monoton wachsend und nach oben beschränkt, dann ist (an )n∈N konvergent mit Grenzwert sup{an | n ∈ N}.
(ii) Ist (an )n∈N monoton fallend und nach unten beschränkt, dann ist (an )n∈N konvergent
mit Grenzwert inf{an | n ∈ N}.
5.9 Satz: Jede konvergente reelle Zahlenfolge ist beschränkt.
5.10 Beispiele:
(i) Die Folge der Zahlen an = (−1)n+1 ist divergent.
(ii) Die Folge der Zahlen
an =
n
X
1
1
1
1
= 1 + + + ... +
j!
1! 2!
n!
j=0
17
ist konvergent. Der Grenzwert wird mit
e := lim an = lim
n→∞
n→∞
n
X
1
j!
j=0
!
bezeichnet und heißt Eulersche Zahl. Zahlenbeispiel (auf 8 Stellen gerundet)
n
an
1
2
2
2.5
3
2.6̄
4
2.7083̄
5
2.716̄
6
2.71805̄
7 2.71825397
8 2.71827877
(iii) Die Folge der Zahlen
bn =
n
X
1
j=1
j
=1+
1 1
1
+ + ... +
2 3
n
heißt harmonische Reihe und ist divergent.
5.11 Satz: Sind (an )n∈N , (bn )n∈N konvergente Zahlenfolgen mit Grenzwerten a bzw. b,
dann gilt:
(i) Die Folge (an + bn )n∈N ist konvergent mit Grenzwert a + b.
(ii) Die Folge (an · bn )n∈N ist konvergent mit Grenzwert a · b.
(iii) Ist a 6= 0, so gibt es ein n0 ∈ N, so dass an 6= 0 für alle n ≥ n0 gilt und die Folge
( a1n )n≥n0 ist konvergent mit Grenzwert a1 . Insbesondere ist ( abnn )n≥n0 konvergent mit
Grenzwert ab .
5.12 Satz: Es seien (an )n∈N , (bn )n∈N konvergente Zahlenfolgen mit Grenzwert a bzw. b,
n1 ∈ N
(i) Falls die Ungleichung an ≤ bn für alle n ≥ n1 erfüllt ist, so gilt für die Grenzwerte
a ≤ b.
(ii) Ist a = b und (cn )n∈N reelle Zahlenfolge mit an ≤ cn ≤ bn für alle n ≥ n1 , dann ist
auch die Folge (cn )n∈N konvergent mit Grenzwert a.
18
5.13 Beispiele:
3n2 + 5
= 3.
n→∞ (n + 2)(n + 3)
(i) lim
(ii) Für die Eulersche Zahl gilt: 2 ≤ e ≤ 3.
(iii) Für die Eulersche Zahl gilt:
e = lim (1 +
n→∞
1 n
) .
n
Zahlenbeispiel (auf 8 Stellen gerundet)
n
an
1
2
5
2.48832
10 2.59374246
100 2.70481383
1000 2.71692393
5.14 Beispiel: Für a > 0 sei die Funktion
(
R+ → R+
fa :
x → fa (x) = 12 (x + xa )
definiert. Für gegebenes a1 > 0 and n ≥ 1 definieren wir rekursiv an+1 = fa (an ). Dann
gilt
√
lim an = a.
n→∞
Zahlenbeispiel (auf 6 Stellen gerundet) für a = 3.
n
an
a2n
an
a2n
1
1
1
0.5
0.25
2
2
4
3.25
10.5625
3
1.75
3.0625 2.086538 4.353643
4 1.732142 3.000319 1.762163 3.105219
5 1.732051 3.000000 1.732308 3.000891
19
5.15 Definition: Es seien a, b ∈ R, a ≤ b
Die Menge [a, b] := {x ∈ R | a ≤ x ≤ b} heißt abgeschlossenes Intervall
Die Menge (a, b) := {x ∈ R | a < x < b} heißt offenes Intervall
Die Mengen [a, b) := {x ∈ R | a ≤ x < b} und (a, b] := {x ∈ R | a < x ≤ b} heißen
halboffene Intervalle.
Die Zahl b − a heißt Intervalllänge.
Ist x ∈ R, ε > 0, so heißt die Menge
Uε (x) = (x − ε, x + ε) = {z ∈ R | x − ε < z < x + ε}
eine ε-Umgebung von x.
5.16 Definition: Eine Folge ([an , bn ])n∈N von abgeschlossenen Intervallen heißt
Intervallschachtelung, wenn für alle n ∈ N gilt:
(i) [an+1 , bn+1 ] ⊂ [an , bn ]
(ii) limn→∞ (bn − an ) = 0.
5.17 Satz: Es sei ([an , bn ])n∈N eine Intervallschachtelung, dann existiert genau ein x ∈ R
mit x ∈ [an , bn ] für alle n ∈ N.
5.18 Übung: Es seien a, b ∈ R, 0 < a < b und für n ≥ 1
a1
=
an+1 =
√
√
ab
b1
=
an b n
bn+1 =
a+b
2
an + bn
2
dann wird durch die Folge ([an , bn ])n∈N eine Intervallschachtelung definiert. Die durch
diese Intervallschachtelung erfasste Zahl M (a, b) heißt arithmetisch-geometrisches Mittel.
Zahlenbeispiel (auf 6 Stellen gerundet) für a = 1, b = 2
n
an
bn
1 1.414213
1.5
2 1.456475 1.457106
3 1.456791 1.456791
20
6
Häufungswerte
6.0 Definition: x ∈ R heißt Häufungswert einer reellen Zahlenfolge (an )n∈N , wenn gilt:
für jedes ε > 0 gibt es unendlich viele Indizes n ∈ N mit |an − x| < ε.
6.1 Beispiele:
(i) x ist Häufungswert der reellen Zahlenfolge (an )n∈N genau dann, wenn gilt: für alle
ε > 0 ist die Menge
{n ∈ N | |an − x| < ε}
unendlich.
(ii) Für n ∈ N sei an = (−1)n + n1 . Die Punkte 1 und −1 sind Häufungswerte der Folge
(an )n∈N .
(iii) Nach Satz 4.26 ist Q abzählbar, d.h. es existiert eine bijektive Abbildung
(
N → Q
r:
n → rn
Jede Zahl x ∈ R ist Häufungswert der Folge (rn )n∈N .
6.2 Satz: x ∈ R ist genau dann Häufungswert der Folge (an )n∈N , wenn es eine Teilfolge
(ank )k∈N von (an )n∈N gibt, die gegen x konvergiert.
6.3 Satz: (Bolzano, Weierstraß) Jede beschränkte reelle Zahlenfolge hat mindestens
einen Häufungswert.
Genauer: Sei (an )n∈N beschränkte reelle Zahlenfolge, dann ist die Menge der Häufungswerte
von (an )n∈N nicht leer und besitzt ein größtes und kleinstes Element, das mit
lim sup an (oder lim an )
n→∞
n→∞
bzw.
lim inf an (oder lim an )
n→∞
n→∞
bezeichnet wird. Es gilt
lim sup an := max{x | x ist Häufungswert von (an )n∈N }
n→∞
= lim sup{ak | k ≥ n}
n→∞
lim inf an := min{x | x ist Häufungswert von (an )n∈N }
n→∞
= lim inf{ak | k ≥ n}.
n→∞
21
6.4 Übung: Eine beschränkte Zahlenfolge (an )n∈N ist genau dann konvergent, wenn
lim sup an = lim inf an .
n→∞
n→∞
6.5 Satz: Es sei (an )n∈N beschränkte reelle Zahlenfolge.
(i) x = lim inf an genau dann, wenn für jedes ε > 0 gilt:
n→∞
(a) an > x − ε mit Ausnahme von höchstens endlich vielen n
(b) an < x + ε für unendlich viele n
(ii) y = lim sup an genau dann, wenn für jedes ε > 0 gilt:
n→∞
(a) an < y + ε mit Ausnahme von höchstens endlich vielen n
(b) an > y − ε für unendlich viele n.
6.6 Übung: Für beschränkte Zahlenfolgen (an )n∈N , (bn )n∈N gilt:
(i) lim sup(an + bn ) ≤ lim sup an + lim sup bn
n→∞
n→∞
n→∞
(ii) lim inf (an + bn ) ≥ lim inf an + lim inf bn .
n→∞
n→∞
n→∞
6.7 Definition: Eine reelle Zahlenfolge (an )n∈N heißt Cauchy-Folge genau dann, wenn
gilt:
zu jedem ε > 0 existiert ein n0 ∈ N, so dass für alle n, m ≥ n0 gilt: |an − am | < ε.
Beachte: (an )n∈N ist eine Cauchy-Folge, wenn gilt:
∀ ε > 0 ∃ n0 ∈ N, so dass ∀ n ≥ n0 ∀ p ∈ N : |an+p − an | < ε.
6.8 Satz: Eine reelle Zahlenfolge (an )n∈N ist genau dann konvergent, wenn sie CauchyFolge ist.
22
6.9 Definition: Eine reelle Zahlenfolge (an )n∈N heißt bestimmt divergent gegen ∞ (bzw.
−∞), wenn es zu jedem K ∈ R ein n0 ∈ N gibt, so dass für alle n ≥ n0 gilt: an > K
(bzw. an < K). Schreibweise: an → ∞ (bzw. an → −∞).
Beachte: Anschaulich kann man +∞ und −∞ als zwei neue Elemente (keine reellen
Zahlen) auffassen und die erweiterte Zahlengerade R̄ = R ∪ {∞} ∪ {−∞} definieren. Die
Ordnungsaxiome können dann durch
∀ x ∈ R : −∞ < x;
x < ∞;
−∞ < ∞
auf R̄ ausgedehnt werden (die Relation ≤ wird entsprechend auf R̄ erweitert). Wir vereinbaren außerdem die folgenden Rechenregeln
−(∞)
−(−∞)
x+∞
x−∞
x·∞
x·∞
=
=
=
=
=
=
−∞
+∞
∞ + x = ∞ für − ∞ < x ≤ ∞
−∞ + x = −∞ für − ∞ ≤ x < ∞
∞ · x = ∞ für 0 < x ≤ ∞
∞ · x = −∞ für − ∞ ≤ x < 0
(insbesondere bleiben Ausdrücke wie 0 · ∞, ∞ − ∞ undefiniert).
6.10 Bezeichnungen: Sei (an )n∈N reelle Zahlenfolge. Wir setzen:
lim sup an = sup{an } = ∞, falls (an )n∈N nicht nach oben beschränkt ist
n→∞
lim inf an = inf{an } = −∞, falls (an )n∈N nicht nach unten beschränkt ist.
n→∞
Für Mengen M ⊂ R gilt durch sup M = ∞ (falls M nicht nach oben beschränkt),
inf M = −∞ (falls M nicht nach unten beschränkt) eine entsprechende Definition.
6.11 Übung: Sei (an )n∈N reelle Zahlenfolge, dann gilt:
lim sup an = ∞ ⇐⇒ (an )n∈N enthält eine gegen ∞ bestimmt divergente Teilfolge.
n→∞
lim inf an = − ∞ ⇐⇒ (an )n∈N enthält eine gegen −∞ bestimmt divergente Teilfolge.
n→∞
23
7
Reihen
7.1 Definition: Es sei (an )n≥k0 eine Folge , k0 ∈ Z, und für n ∈ N
sn :=
n
X
aj = ak0 + ak0 +1 + . . . + an
j=k0
(sn := 0 für n < k0 ). Die Folge (sn )n∈N heißt (die mit der Folge (an )n≥k0 gebildete)
unendliche Reihe. Schreibweise:
∞
X
aj = ak0 + ak0 +1 + . . .
j=k0
Das n-te Folgenglied von (sn )n∈N heißt n-te Partialsumme,
∞
X
aj
j=n+1
heißt der n-te Rest der Reihe.
Eine Reihe
∞
P
aj heißt konvergent, wenn die Folge (sn )n∈N ihrer Partialsummen kon-
j=k0
vergiert, sonst divergent. Ist lim sn = s, so heißt s der Wert der Reihe (oder Summe)
n→∞
und man schreibt:
∞
X
(∗)
aj = s.
j=k0
Die Schreibweise (∗) bedeutet also immer, dass die Reihe konvergent ist und ihr Wert s
ist.
7.2 Bemerkung:
(i) Ist bm = ak0 +m (m ≥ 0) und σn die n-te Partialsumme der Reihe
∞
P
bm , so gilt
m=0
sn = σn−k0 für n ≥ k0 und beide Reihen haben dasselbe Konvergenzverhalten.
Daher lässt man die Summation oft bei 0 oder 1 beginnen.
(ii) Das Konvergenzverhalten einer Reihe wird nicht geändert, wenn man endlich viele
Glieder der zugehörigen Folge ändert. Der Wert (im Fall der Konvergenz) kann sich
natürlich ändern.
24
7.3 Beispiele:
∞
X
1
=e
(i)
j!
j=0
(ii)
∞
X
1
j=1
j
= ∞
(harmonische Reihe)
(d.h. die Folge der zugehörigen Partialsummen ist bestimmt divergent).
(iii) Für |q| < 1 gilt
∞
X
qj =
1
;
1−q
qj =
q`
;
1−q
j=0
(iv) Für |q| < 1, ` ∈ N gilt:
∞
X
j=`
(v)
∞
X
j=1
7.4 Satz: Sind
∞
P
j=0
aj ,
∞
P
1
= 1.
j(j + 1)
bj konvergente Reihen, λ, µ ∈ R, so ist auch die Reihe
j=0
∞
X
(λaj + µbj )
j=0
konvergent und es gilt:
∞
X
(λaj + µbj ) = λ
j=0
∞
X
aj + µ
j=0
7.5 Satz: (Cauchy-Kriterium) Eine Reihe
∞
P
∞
X
bj .
j=0
aj ist genau dann konvergent, wenn es
j=0
zu jedem ε > 0 ein n0 ∈ N gibt mit:
Für alle n ≥ n0 , p ∈ N gilt: |
n+p
X
j=n+1
25
aj | < ε.
7.6 Folgerung: Es sei
∞
P
aj konvergente Reihe, dann gilt
j=0
(i) lim an = 0.
n→∞
(ii) lim
n→∞
∞
X
aj = 0
j=n+1
(d.h. die Folge der Reihenreste konvergiert gegen 0).
7.7 Definition: Eine Reihe
∞
P
aj heißt absolut konvergent, genau dann wenn
j=0
∞
P
|aj |
j=0
konvergent ist.
7.8 Satz: Ist
∞
P
aj absolut konvergent, so auch konvergent und es gilt:
j=0
|
∞
X
aj | ≤
j=0
∞
X
|aj |.
j=0
7.9 Satz: Es sei an ≥ 0 für alle n ∈ N, dann gilt:
∞
P
aj ist konvergent genau dann, wenn
j=0
die Folge ihrer Partialsummen beschränkt ist.
7.10 Satz: (Majoranten-/Minorantenkriterium) Es seien
∞
P
j=1
(i) Ist |an | ≤ bn für alle n ∈ N und ist
∞
P
aj ,
∞
P
bj Reihen.
j=1
bj konvergent, so ist die Reihe
j=1
∞
P
aj absolut
j=1
konvergent (Majorantenkriterium).
(ii) Ist 0 ≤ an ≤ bn für alle n ∈ N und ist die Reihe
∞
P
aj divergent, so ist auch die
j=1
Reihe
∞
P
bj divergent (Minorantenkriterium).
j=1
Beachte: Die Aussagen (i), (ii) bleiben richtig, wenn die Ungleichungen mit Ausnahme
von höchstens endlich vielen n ∈ N erfüllt sind.
26
7.11 Konvergenzkriterien: Es sei
∞
P
aj eine Reihe
j=0
(a) Wurzelkriterium: Ist
α = lim sup
p
n
|an | < 1 (bzw. α > 1),
n→∞
so ist die Reihe
∞
P
aj absolut konvergent (bzw. divergent).
j=0
(b) Quotientenkriterium: Ist
lim sup |
n→∞
so ist die Reihe
∞
P
an+1
an+1
| < 1 (bzw. lim inf |
| > 1),
n→∞
an
an
aj absolut konvergent (bzw. divergent).
j=0
7.12 Beispiele:
(i) Für jedes x ∈ R ist die Reihe
∞
X
xn
n=0
n!
= 1+
x
x2
+
+ ...
1!
2!
absolut konvergent. Der Wert der Reihe wird mit exp(x) bzw. ex bezeichnet. Die
Funktion
(
R → R
exp :
x → ex
heißt Exponentialfunktion. Die Zahl e = e1 heißt Eulersche Zahl.
(ii) Die Reihe
∞
P
2
n n
( n+1
) ist konvergent.
n=1
(iii) Die Reihe
∞
X
1
np
n=1
ist für 0 < p ≤ 1 divergent und für p > 1 konvergent.
27
∞
P
7.13 Definition und Satz: Eine Reihe
N gilt: an an+1 < 0. Ist
∞
P
an heißt alternierend, wenn für alle n ∈
n=0
an eine alternierende Reihe, so dass (|an |)n∈N eine mono-
n=0
ton fallende Folge mit lim |an | = 0 bildet, so ist die alternierende Reihe konvergent
n→∞
(Leibnizsches Konvergenzkriterium).
7.14 Beispiel: Die alternierende harmonische Reihe
s =
∞
X
(−1)n−1
n=1
1
1 1 1 1 1
= 1 − + − + − + ...
n
2 3 4 5 6
ist konvergent, aber nicht absolut konvergent. Die durch Umordnung erhaltene Reihe
1−
1
1
1
1 1 1 1 1 1
− + − − + −
−
+ − ...
2 4 3 6 8 5 10 12 7
ist konvergent mit Wert s/2.
7.15 Übung: (In konvergenten Reihen darf man Klammern setzen.) Sei (nk )k∈N
n
P
Teilfolge von (n)n∈N und
aj eine konvergente Reihe. Die durch
j=1
b1 =
n1
X
aj ;
bk =
j=1
nk
X
aj
(k ≥ 2)
j=nk+1
definierte Reihe ist konvergent und hat denselben Wert, d.h.
∞
X
aj =
j=1
∞
X
bk .
k=1
7.16 Satz: (kleiner Umordnungssatz) Es sei (an )n∈N eine Folge und (ank )k∈N eine
∞
∞
P
P
Umordnung von (an )n∈N . Ist
an absolut konvergent, dann ist auch
ank absolut
n=1
k=1
konvergent und es gilt
∞
X
n=1
an =
∞
X
k=1
28
ank .
7.17 Definiton und Satz: (großer Umordnungssatz) Es sei
∞
P
an eine absolut
n=1
konvergente Reihe, S1 , S2 , . . . paarweise disjunkte Mengen mit
[
N=
Sn
n∈N
und
(
ISj (n) =
1 falls n ∈ Sj
0 falls n 6∈ Sj
(n ∈ N) die charakteristische Funktion von Sj (ISj (n) = 0 für alle n ∈ N, falls Sj = ∅).
Die durch
∞
X
bj :=
an ISj (n) (j ∈ N)
n=1
definierte Reihe
∞
P
bj heißt totale Umordnung der Reihe
∞
P
an .
n=1
j=1
Jede totale Umordnung
∞
P
∞
P
bj von
an ist absolut konvergent und es gilt
n=1
j=1
∞
X
bj =
j=1
∞
X
an .
n=1
7.18 Definition: Eine Abbildung
(
a:
N×N →R
(i, j) → aij
heißt Doppelfolge [Schreibweise (aij )]. Sei ϕ : N → N × N eine Abzählung von N × N und
für n ∈ N : An := (a ◦ ϕ)(n). Unter der durch die Abzählung ϕ gegebenen Doppelreihe
∞
X
aij
i,j=1
versteht man die Reihe
∞
P
An . Die Doppelreihe heißt (absolut) konvergent (bezüglich der
n=1
Abzählung ϕ) wenn die Reihe
∞
P
An absolut konvergent ist. In diesem Fall setzt man
n=1
∞
X
aij =
∞
X
n=1
i,j=1
29
An .
7.19 Satz: (Der Wert einer absolut konvergenten Doppelreihe ist unabhängig
∞
P
von der gewählten Abzählung.) Ist eine Doppelreihe
aij bzgl. einer Abzählung
i,j=1
absolut konvergent, dann ist sie auch bzgl. jeder Abzählung absolut konvergent und es
ist (bzgl. jeder Abzählung)
∞
X
∞ X
∞
∞ X
∞
X
X
aij =
(
aij ) =
(
aij ).
i,j=1
7.20 Satz: Die Doppelreihe
i=1 j=1
∞
P
j=1 i=1
aij ist absolut konvergent genau dann, wenn mindestens
i,j=1
eine der beiden Reihen
∞ X
∞
X
(
|aij |) oder
∞ X
∞
X
(
|aij |)
i=1 j=1
j=1 i=1
konvergent ist. Ist eine der beiden Reihen konvergent, dann ist auch die andere konvergent
und beide Reihen haben denselben Wert.
7.21 Satz: Sind
∞
P
i=1
∞
P
ai ,
∞
P
bj absolut konvergente Reihen, so ist auch die Doppelreihe
j=1
ai bj absolut konvergent und es gilt:
i,j=1
∞
X
ai b j = (
i,j=1
∞
X
∞
X
ai )(
bj ).
i=1
j=1
7.22 Folgerung: (Cauchy Produkt) Es seien
∞
P
ai ;
i=0
∞
P
bj absolut konvergente Reihen
j=0
und für n ∈ N0
cn =
n
X
aj bn−j ,
j=0
dann gilt:
(
∞
X
i=0
Die Reihe
∞
P
∞
∞
X
X
ai )(
bj ) =
cn .
n=0
j=0
cn heißt Cauchy-Produkt der gegebenen Reihen und ist absolut konvergent.
n=0
30
7.23 Beispiel: Für die in Beispiel 7.12 für x ∈ R definierte Exponentialfunktion
exp(x) =
∞
X
xn
n=0
n!
gilt für alle x, y ∈ R
exp(x + y) = exp(x) · exp(y).
Es ist exp(x) > 0 für alle x ∈ R und die Exponentialfunktion ist streng monoton wachsend.
31
III. Stetige und differenzierbare Funktionen
8
Einfache topologische Grundbegriffe
8.1 Definition: Für x ∈ R, ε > 0 heißt Uε (x) := (x − ε, x + ε) ε-Umgebung von x.
U̇ε (x) = Uε (x)\{x}
heißt punktierte ε-Umgebung von x.
8.2 Definition: Es sei A ⊂ R. x ∈ R heißt innerer Punkt von A genau dann, wenn ein
ε > 0 existiert mit Uε (x) ⊂ A. Die Menge
A0 := {x ∈ R | x ist innerer Punkt von A}
heißt Inneres von A.
Eine Menge A ⊂ R heißt offen genau dann, wenn gilt A ⊂ A0 (d.h. jeder Punkt von A
ist auch innerer Punkt von A).
Eine Menge A ⊂ R heißt abgeschlossen, wenn R\A offen ist.
x ∈ R heißt Häufungspunkt von A genau dann, wenn für alle ε > 0 gilt: U̇ε (x) ∩ A 6= ∅.
H(A) bezeichnet die Menge aller Häufungspunkte von A. Die Menge
Ā := A ∪ H(A)
heißt abgeschlossene Hülle von A.
x ∈ R heißt Randpunkt von A genau dann, wenn für alle ε > 0 gilt:
Uε (x) ∩ A 6= ∅ und Uε (x) ∩ (R\A) 6= ∅.
Die Menge
∂A := {x ∈ R | x ist Randpunkt von A}
heißt Rand von A.
x ∈ A heißt isolierter Punkt von A, falls ein ε > 0 existiert mit Uε (x) ∩ A = {x} (beachte:
x ∈ A ist entweder Häufungspunkt oder isolierter Punkt von A).
32
8.3 Satz: Eine Menge A ⊂ R ist abgeschlossen genau dann, wenn gilt: H(A) ⊂ A.
8.4 Satz:
(i) Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist offen.
(ii) Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist offen.
(iii) Der Durchschnitt beliebig vieler abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen.
(iv) Die Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen.
8.5 Satz: Es sei A ⊂ R, dann gilt: y ∈ R ist Häufungspunkt von A genau dann, wenn es
eine Folge (xn )n∈N gibt mit xn ∈ A\{y} und lim xn = y.
n→∞
8.6 Folgerung: Es sei A ⊂ R, dann gilt: y ∈ R ist genau dann Häufungspunkt von A,
wenn in jeder ε-Umgebung von y unendlich viele Elemente aus A liegen.
8.7 Satz: (Bolzano-Weierstraß) Jede unendliche beschränkte Teilmenge von R besitzt
mindestens einen Häufungspunkt.
9
Grenzwerte von Funktionen, Stetigkeit
9.1 Definition: Es sei ∅ =
6 S ⊂ R; f : S → R eine Abbildung und x0 ∈ H(S). Die Funktion f hat an der Stelle x0 einen Grenzwert, wenn es ein L ∈ R gibt mit der Eigenschaft:
Zu jedem ε > 0 gibt es ein δ > 0, so dass gilt: |f (x) − L| < ε für alle x ∈ U̇δ (x0 ) ∩ S.
L heißt Grenzwert der Funktion f an der Stelle x0 .
x→x
Schreibweise: lim f (x) = L oder f (x) → L für x → x0 oder f (x) −→0 L.
x→x0
Sprechweise: der Grenzwert von f an der Stelle x0 existiert und ist gleich L.
9.2 Übung: Der Grenzwert einer Funktion f an einer Stelle x0 ist im Falle seiner Existenz
eindeutig bestimmt.
33
9.3 Definition: Sei ∅ 6= T ⊂ S, f : S → R und x0 ∈ H(S). Ist auch x0 ∈ H(T ), dann
versteht man unter
lim f (x)
x→x
0
x∈T
den Grenzwert
lim f|T (x)
x→x0
falls dieser existiert. Für die Mengen T> = {x | x > x0 } und T< = {x | x < x0 } benutzt
man die Schreibweisen:
f (x0− ) :=
f (x0+ ) :=
lim f (x) := x→x
lim f (x)
x→x0 −0
0
x∈T<
lim f (x) := x→x
lim f (x)
x→x0 +0
0
x∈T>
und spricht von dem links- bzw. rechtsseitigen Grenzwert.
9.4 Beispiel: Sei f : R → R gegeben durch
(
0 für x = 0
f (x) =
x
für x =
6 0,
|x|
dann ist lim f (x) = 1, lim f (x) = −1, aber lim f (x) existiert nicht.
x→0+0
x→0−0
x→0
9.5 Satz: Es sei ∅ 6= S ⊂ R, f : S → R eine Funktion und x0 ∈ H(S), dann gilt: der
Grenzwert von f an der Stelle x0 existiert genau dann, wenn für jede Folge (xn )n∈N , xn ∈
S\{x0 } mit xn → x0 die Folge (f (xn ))n∈N konvergent ist.
9.6 Satz (Übung): Es sei S 6= ∅ und f : S
sind die Funktionen

f +g : S →R

definiert durch
f ·g : S →R


α·f : S →R
→ R, g : S → R Abbildungen. Für α ∈ R


 (f + g)(x) := f (x) + g(x)
(f · g)(x) := f (x) · g(x)

 (α · f )(x) := α · f (x).
Für S0 = {x ∈ R | g(x) 6= 0} definiert man
(
S0 → R
1
:
x → g1 (x) :=
g
1
.
g(x)
Man zeige: ist x0 ∈ H(S), lim f (x) = L, lim g(x) = M, dann existieren die folgenden
x→x0
x→x0
Grenzwerte und haben die angegebenen Werte
34
(i) lim (f + g)(x) = L + M.
x→x0
(ii) lim (f · g)(x) = L · M ;
lim (α · f )(x) = α · L.
x→x0
(iii) lim ( g1 )(x) =
x→x0
1
M
x→x0
falls M 6= 0.
(iv) Gilt zusätzlich f (x) ≤ g(x) für alle x ∈ S\{x0 }, dann ist L ≤ M.
(v) Ist h : S → R eine Funktion mit f (x) ≤ h(x) ≤ g(x) für alle x ∈ S\{x0 } und ist
L = M, dann ist lim h(x) = L.
x→x0
Beachte: Die Aussagen (iv) und (v) bleiben gültig, falls die Ungleichungen nur in einer
Umgebung U̇δ (x0 ) ∩ S des Punktes x0 gelten.
9.7 Definition:
(i) Es sei ∅ =
6 S ⊂ R nach oben unbeschränkt. Eine Funktion f : S → R hat für x → ∞
einen Grenzwert ( lim f (x) existiert), wenn es ein L ∈ R gibt, mit der Eigenschaft
x→∞
Zu jedem ε > 0 gibt es ein x0 = x0 (ε) ∈ R, so dass für alle x ∈ S mit x > x0 gilt:
|f (x) − L| < ε.
(ii) Es sei ∅ 6= S ⊂ R nach unten unbeschränkt. Die Funktion f hat für x → −∞
einen Grenzwert ( lim f (x) existiert), wenn es eine Zahl L ∈ R gibt mit der Eigenx→−∞
schaft:
Zu jedem ε > 0 gibt es ein x0 = x0 (ε) ∈ R, so dass für alle x ∈ S mit x < x0 gilt
|f (x) − L| < ε.
Schreibweisen: lim f (x) = L; lim f (x) = L.
x→−∞
x→∞
9.8 Beachte:
(i) Die Grenzwerte in 9.7 sind eindeutig bestimmt.
(ii) Ist S̃ = {x > 0 |
1
x
∈ S}, g : S̃ → R definiert durch g(x) = f ( x1 ), dann gilt:
⇐⇒
lim f (x) = L
x→∞
lim g(x) = L
x→0
(ein entsprechendes Resultat gilt für lim f (x)).
x→−∞
35
(iii) Es gelten analoge Formen des Folgenkriteriums 9.5 und des Satzes 9.6. Z.B.
(a) lim f (x) = L ⇐⇒ für jede Folge (xn ) mit xn → ∞ gilt f (xn ) → L.
x→∞
(b) lim (f1 + f2 )(x) = lim f1 (x) + lim f2 (x)
x→∞
x→∞
x→∞
[im Fall der Existenz der Grenzwerte auf der rechten Seite].
(iv) Für S = N ergibt 9.7(i) den Konvergenzbegriff für Folgen.
9.9 Definition: Es sei ∅ 6= S ⊂ R, f : S → R und x0 ∈ H(S). Die Funktion f divergiert
bestimmt gegen ∞ für x → x0 , wenn für alle K ∈ R ein δ = δ(K) > 0 existiert, so dass
für alle x ∈ U̇δ (x0 ) ∩ S gilt: f (x) > K.
[Schreibweise: lim f (x) = ∞].
x→x0
f divergiert bestimmt gegen −∞ für x → x0 , : ⇐⇒ lim (−f (x)) = ∞.
x→x0
Beachte:
lim f (x) = ∞,
x→x0 +0
lim f (x) = −∞,
x→x0 +0
lim f (x) = ∞,
x→x0 −0
lim f (x) = −∞,
x→x0 −0
lim f (x) = ∞, lim f (x) = ∞, lim f (x) = −∞, lim f (x) = −∞ werden analog
x→∞
x→−∞
x→∞
x→−∞
definiert.
Sprechen wir von einem Grenzwert einer Funktion an der Stelle x0 oder für x → ∞, so
verstehen wir darunter immer, dass dieser aus R ist.
9.10 Beispiel: Für die in Beispiel 7.12(i) definierte Exponentialfunktion gilt:
(i) lim exp(x) = 0
x→−∞
lim exp(x) = ∞
x→∞
xk
= 0;
x→∞ exp(x)
(ii) ∀ k ∈ N : lim
exp(x)
=0
x→−∞
xk
lim
exp(x) − 1
= 1.
x→0
x
(iii) lim
9.11 Definition: Es sei ∅ 6= S ⊂ R, x0 ∈ S. Eine Funktion f : S → R heißt
stetig im Punkt x0 , wenn entweder x0 isolierter Punkt von S ist oder x0 Häufungspunkt
von S ist und der Grenzwert von f im Punkt x0 existiert und gleich dem Funktionswert
von f im Punkt x0 ist [das ist der interessante und wichtige Fall], d.h.
lim f (x) = f (x0 ).
x→x0
36
f heißt unstetig im Punkt x0 , wenn f in x0 nicht stetig ist. Ist T ⊂ S, so heißt f
stetig auf T, wenn f in jedem Punkt x0 ∈ T stetig ist. Ist T = S, so heißt f stetig.
9.12 Übung: f ist stetig im Punkt x0 ∈ S genau dann, wenn es zu jedem ε > 0 ein
δ > 0 gibt, so dass für alle x ∈ Uδ (x0 ) ∩ S gilt: |f (x) − f (x0 )| < ε.
9.13 Satz: Es sei ∅ 6= S ⊂ R, f : S → R eine Funktion. f ist im Punkt x0 ∈ S stetig
genau dann, wenn gilt: für jede Folge (xn ), xn ∈ S mit xn → x0 konvergiert f (xn ) gegen
f (x0 ).
9.14 Satz: Sei ∅ 6= S ⊂ R; sind die Funktionen f, g : S → R stetig im Punkt x0 , dann
sind auch f + g, f · g αf (α ∈ R) stetig im Punkt x0 . Ist g(x0 ) 6= 0, so ist auch g1 stetig
im Punkt x0 , wobei diese Funktion auf S0 = {x | g(x) 6= 0} definiert ist.
9.15 Satz: Es seien S, T ⊂ R, f : S → R, g : T → R Funktionen und f (S) ⊂ T. Es sei
x0 ∈ S, f (x0 ) = y0 . Ist f stetig im Punkt x0 und g stetig im Punkt y0 , dann ist g ◦ f stetig
im Punkt x0 .
9.16 Beispiele:
(i) Es sei f : R → R definiert durch
(
f (x) =
0 für x ∈ R\Q
1 für x ∈ Q,
dann ist f in jedem Punkt unstetig.
(ii) Die auf R durch f (x) = x und f (x) = c (c ∈ R) definierten Funktionen sind auf R
stetig.
(iii) Es seien a0 , . . . , an ∈ R; an 6= 0, dann heißt die durch
(
R → R
p:
x → p(x) = a0 + a1 x + . . . + an xn
definierte Funktion Polynom vom Grad n mit Koeffizienten aj und ist auf R stetig.
37
(iv) Die durch f : R → R, f (x) =
√
1 + 3x2 definierte Funktion ist auf R stetig.
(v) Sind P und Q Polynome, dann heißt die Funktion
(
{x | Q(x) 6= 0} → R
R:
P (x)
x → R(x) = Q(x)
rationale Funktion und ist auf ihrem Definitionsbereich {x ∈ R | Q(x) 6= 0} stetig.
(vi) Die Exponentialfunktion ist auf R stetig.
(vii) Ist ∅ =
6 S ⊂ R, f : S → R eine Funktion, x0 ∈ S. Ist f stetig im Punkt x0 , dann ist
auch |f | im Punkt x0 stetig.
9.17 Satz: Es sei ∅ =
6 S ⊂ R die Funktion; f : S → R sei im Punkt x0 ∈ S stetig mit
f (x0 ) > 0. Dann gibt es ein α > 0 und ein δ > 0, so dass f (x) ≥ α für alle x ∈ Uδ (x0 ) ∩ S
gilt.
9.18 Definition: Es sei ∅ 6= S ⊂ R; f : S → R eine Funktion, x0 ∈ S und x0 ∈
H(S). Die Funktion f heißt rechtsstetig (linksstetig) im Punkt x0 , wenn der rechtsseitige
(linksseitige) Grenzwert von f an der Stelle x0 existiert und mit dem Funktionswert an
der Stelle x0 übereinstimmt. D.h.
lim f (x) = f (x0 ) ( lim f (x) = f (x0 )).
x→x0 −0
x→x0 +0
Existieren rechts- und linksseitiger Grenzwert von f an der Stelle x0 und sind diese verschieden, dann heißt x0 Sprungstelle von f.
9.19 Beispiele:
(i) Die durch
(
f:
R → R
x → bxc := sup{k ∈ Z | k ≤ x}
definierte Funktion ist auf R\Z stetig, in jedem Punkt z ∈ Z rechtsstetig und hat
dort eine Sprungstelle.
(ii) Sei f : [a, b] → R monoton wachsende Funktion
(a) Ist f in x0 unstetig ⇒ x0 ist Sprungstelle.
38
(b) Die Menge der Unstetigkeitsstellen von f ist höchstens abzählbar.
9.20 Satz: Es seien a, b ∈ R, a < b und die Funktion f : [a, b] → R auf dem Intervall
[a, b] stetig. Dann gilt:
(i) f ist beschränkt.
(ii) f hat auf dem Intervall [a, b] ein Maximum M und ein Minimum m. Genauer:
M := sup f ([a, b]) ∈ f ([a, b])
m := inf f ([a, b]) ∈ f ([a, b]).
(iii) Jeder Wert zwischen dem Minimum und Maximum wird von f angenommen
(Zwischenwertsatz). Genauer:
f ([a, b]) = [m, M ].
9.21 Folgerung: Es sei f : [a, b] → R stetig und f (a) · f (b) < 0, dann existiert ein
x0 ∈ [a, b] mit f (x0 ) = 0. x0 heißt Nullstelle von f.
9.22 Satz: Es sei J ein Intervall der Form [a, b], (a, b)[a, b), (a, b], [a, ∞), (a, ∞), (−∞, b],
(−∞, b), (−∞, ∞) und f : J → R streng monoton wachsend, W = f (J). Ist g : W → J
die Umkehrfunktion von f, so ist g stetig auf W .
9.23 Beispiele:
(i) Für n ∈ N ist die Funktion
(
f:
+
R+
0 → R0
x → xn
+
stetig und streng monoton wachsend und f (R+
0 ) = R0 (warum?). Damit ist auch
die Wurzelfunktion
(
+
R+
0 → R0
−1
f :
√
x → n x = x1/n
stetig.
39
(ii) Die in Beispiel 7.12 definierte Exponentialfunktion ist streng monoton wachsend,
stetig (vgl. 7.23, 9.16) und es gilt exp(R) = R+ . Die Umkehrfunktion
(
R+ → R
log :
x → log x := log(x)
heißt Logarithmus(funktion) und ist nach 9.22 ebenfalls stetig. Sie ist streng monoton wachsend und besitzt die folgenden Eigenschaften:
1) log 1 = 0; log e = 1,
2) Für alle x, y ∈ R+ gilt: log(x · y) = log x + log y; log x = − log x1 .
3) Für alle x > −1 gilt:
x
≤ log(1 + x) ≤ x.
1+x
9.24 Beispiele: Es sei a > 0, a 6= 1, für x ∈ R sei
ax := exp(x · log a).
Für a > 0 ist die Abbildung x → ax bijektiv von R auf R+ und die zugehörige Umkehrfunktion wird mit Logarithmus zur Basis a bezeichnet
(
R+ → R
loga :
x → loga x := loga (x)
(i) loga ist stetig auf R+ .
(ii) loga x =
(iii) a−x =
log x
.
log a
1
, ax+y = ax · ay , log ax = x log a, (ax )y = axy .
x
a
Für α ∈ R heißt die Funktion
(
f:
R+ → R
x → xα
allgemeine Potenzfunktion.
40
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