1 I.Einleitung: Die Schuldrechtsreform hat sich eine deutliche Vereinfachung des Rücktrittsrechts zum Ziel gesetzt. Der Rücktritt ist nunmehr unabhängig vom Vertretenmüssen des Schuldners zulässig. Gemäß § 325 BGB kann der Gläubiger neben dem Rücktritt auch Schadensersatz verlangen, die bisherige Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz entfällt damit. Kauf- und Werkvertragsrecht werden durch entsprechende Verweisungen eng an die Regelungen des Allgemeinen Leistungsstörungsrechts angebunden. Die Wandlung alter Form entfällt, die Rückabwicklung ist nunmehr auch im Kaufrecht eindeutig als Gestaltungsrecht ausgeformt. Damit entfallen die bisherigen theoretischen Schwierigkeiten hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Anspruch auf bzw. aus Wandlung. Das Rücktrittsfolgenrecht wurde grundlegend überarbeitet. Die bisherige Regelung gehörte zu den umstrittensten und schwierigsten im Zivilrecht überhaupt. Die bisherigen Probleme werden durch eine weitgehende Gleichstellung von gesetzlichem und vertraglichem Rücktrittsrecht beseitigt. In den §§ 346 ff. BGB findet sich jetzt ein einheitliches Modell der Rückabwicklung dem Werte nach. Daher kann der Rücktritt insbesondere nicht mehr deswegen ausgeschlossen sein, weil der Rücktrittsberechtigte den Untergang des empfangenen Gegenstandes verschuldet hat. II.Allgemeines Rücktrittsrecht Die allgemeinen Voraussetzungen des Rücktritts finden sich in den §§ 323 326 BGB. Kauf- und Werkvertragsrecht verweisen jeweils auf diese Normen (§§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB). Die Rechtsanwendung wird dadurch erleichtert, daß sich diese Vorschriften in ihren Voraussetzungen von den Schadensersatzregelungen in den §§ 281283 BGB nur ausnahmsweise unterscheiden1. Für jedes Schadensersatzrecht findet sich ein korrespondierendes Rücktrittsrecht. 1 BT-Drs. 14/6040 S.183 2 a.)§ 323 BGB Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung § 323 BGB enthält die allgemeinen Rücktrittsvoraussetzungen, auf die nunmehr auch das Kauf- und Werkvertragsrecht verweisen und entspricht damit der Schadensersatznorm des § 281 BGB2. 1.Gegenseitiger Vertrag § 326 BGB a.F. galt, zumindest theoretisch, nur für synallagmatische Pflichten3. Der neue § 323 BGB verzichtet auf dieses Erfordernis, das Vorliegen eines gegenseitigen Vertrages genügt also4. 2.Fälliger und durchsetzbarer Anspruch auf Leistung Die Leistungspflicht des Schuldners muß fällig und möglich sein. Ist die Leistung nach § 275 I-III BGB unmöglich, scheidet ein Rücktritt gem. § 323 BGB aus5. Vielmehr findet eine automatische Leistungsbefreiung nach § 326 BGB statt. Für den Fall, daß dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 II-III BGB zusteht, gilt § 326 BGB aber natürlich erst dann, wenn der Schuldner dieses geltend gemacht hat6. Im ursprünglichen Entwurf (§ 323 III Nr.4 DiskE) war eine Bestimmung vorgesehen, wonach der Rücktritt ausgeschlossen sei, wenn dem Schuldner eine bereits erhobene oder zumindest unverzüglich nach dem Rücktritt geltend gemachte Einrede zusteht. Die Vorschrift wurde jedoch nicht in die endgültige Fassung übernommen, die Problematik sollte weiterhin Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen bleiben7. Heranziehen kann man jedoch den bisherigen Meinungsstand über die Auswirkungen der bloßen Einredemöglichkeit auf den Verzug. Diese galten auch für den Rücktrittsausschluss8. Vertreten wurde, daß der Verzugseintritt in diesem Fall an mangelnder Fälligkeit beziehungsweise Wirksamkeit der 2 BT-Drs. 14/6040 S.183 BT-Drs. 14/6040 S.183; Palandt-Heinrichs § 326 Rn.1 4 BT-Drs. 14/6040 S.183; Schwab JuS 2002 S.5; Teichmann BB 2001 S.1489 5 BT-Drs. 14/6040 S.184; Canaris JZ 2001 S.510 6 Canaris JZ 2001 S.508 7 Canaris JZ 2001 S.511,527 8 Roth Die Einrede des bürgerlichen Rechts S.151,153 3 3 Leistung scheitere oder aber am fehlenden Verschulden des Schuldners9. Obwohl im Detail umstritten, bestand somit Einigkeit darüber, daß denjenigen, der sich mit einer Einrede gegen den Gläubigeranspruch wehren könnte, keine nachteiligen Folgen aufgrund der Nichtleistung treffen dürfen10. Dies wird auch weiterhin gelten können, das bloße Bestehen der Einredelage schließt den Rücktritt aus11. 3.Der Schuldner erbringt die geschuldete Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß Wie auch § 281 BGB für den Schadensersatz statt der Leistung erfaßt § 323 I BGB die Nichtleistung (trotz Möglichkeit s.o.) und die nicht vertragsgemäße Leistung (Schlechtleistung)12. Teilweise wurde die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dahingehend interpretiert, daß ein Rücktritt selbst bei erfolgreicher Nacherfüllung zulässig sein sollte, wenn diese mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Käufer verbunden war13. Der deutsche Gesetzgeber hat eine solche Regelung jedenfalls nicht umgesetzt. Bislang war der Rücktritt nur bei Verzug zulässig, der seinerseits Verschulden voraussetzte (§§ 326 I , 285 BGB a.F.). § 323 BGB verzichtet nunmehr auf dieses Erfordernis. Es macht nur Sinn für den Schadensersatz, der Gläubiger hat zudem regelmäßig keinen Einblick in die Verhältnisse des Schuldners. Klarheit im Hinblick auf den Rücktritt soll für ihn daher schon dann bestehen, wenn die Leistung trotz Fristsetzung ausbleibt14. 4.Fristsetzung Gemäß § 323 I BGB muß der Gläubiger dem Schuldner eine angemessene Frist bestimmt haben, nach deren erfolglosen Ablauf er erst zurücktreten 9 Brox Allgemeines Schuldrecht Rn. 273; Erman-Battes § 284 Rn.14,15; MüKo-Thode § 284 Rn.19,20; Palandt-Heinrichs § 284 Rn.11 10 Medicus BR Rn 219 a; Soergel-Wiedemann § 284 Rn.14,15 11 Anwaltkommentar-Dauner-Lieb § 323 Rn.8; Palandt-Heinrichs Ergbd. 61 Aufl. § 286 Rn.12, § 323 Rn. 9,11 12 BT-Drs.14/6040 S.183,184; Canaris JZ 2001 S.509; Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.29 13 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.115; Gsell JZ 2001 S.70; Westermann JZ 2001 S.537 14 BT-Drs. 14/6040 S.184; Teichmann BB 2001 S.1489 4 kann. Auf diese Weise soll der Vorrang der ordnungsgemäßen Erfüllung gewahrt werden15. In Bezug auf die Angemessenheit der Frist gilt das gleiche wie bisher (§ 326 BGB a.F.16): Die Frist muß daher nur ausreichen, um eine bereits angefangene Leistung beenden zu können17. Wird eine unangemessen kurze Frist gesetzt, läuft stattdessen eine angemessen Frist18. Anders als bisher (§ 326 BGB a.F.) muß die Fristsetzung nicht mit einer Ablehnungsandrohung verbunden werden, da deren Anforderungen in der Praxis oft verfehlt wurden19. Der Gläubiger muß dem Schuldner nicht zu erkennen geben, ob er beabsichtigt Schadensersatz zu verlangen bzw. von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen20. Es reicht also die einfache Aufforderung zur Nacherfüllung. Damit wurde die Entwurfsbestimmung (§ 323 I l. Hs.KE21) fallengelassen, wonach dem Gläubiger trotz Fristablauf der Rücktritt verwehrt sein sollte, wenn der Schuldner mangels eindeutigem Hinweis nicht mit diesem zu rechnen brauchte. Darüber hinaus wird jetzt aber, entgegen dem Wortlaut des § 323 I BGB, teilweise sogar die Pflicht des Gläubigers in Frage gestellt, dem Schuldner überhaupt eine bestimmte Frist setzen zu müssen. Laut Gesetzesbegründung soll das Fristsetzungserfordernis „nicht zu einer Hürde werden, an der“ der Gläubiger „aus formalen Gründen scheitert“22. Im Anschluß an diese Formulierung wird daher in der Literatur eine richtlinienkonforme Auslegung Verbrauchsgüterkaufrichtlinie des selbst § 323 sehe BGB gefordert: nämlich gar Die kein Fristsetzungserfordernis vor, vielmehr gestatte sie den Rücktritt schon dann, wenn nach der Aufforderung zur Leistung nur rein tatsächlich eine 15 Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.29; Schubel JuS 2002 S.317 BGH NJW 1982,1279,1280; Palandt-Heinrichs § 326 Rn. 16 17 BT-Drs. 14/6040 S.138; Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.116 18 BT-Drs. 14/6040 S.138; Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.93,94 19 BT-Drs. 14/6040 S.139; Haas BB 2001 S.1316; Teichmann BB 2001, 1489 20 BT-Drs. 14/6040 S.139,185 21 Canaris JZ 2001 S.510,527 22 BT-Drs. 14/6040 S.185 16 5 angemessene Frist abgelaufen ist, ohne daß der Schuldner nacherfüllt hat23. Vom Gläubiger sei daher lediglich zu verlangen, daß er überhaupt sein Nacherfüllungsverlangen zum Ausdruck bringt. Eine derartige Interpretation der Richtlinie lehnt die Gesetzesbegründung selbst allerdings ab24. Überlegungen werden auch dahingehend angestellt, ob eine Fristsetzung schon vor Fälligkeit möglich ist25. Der bisherigen Regelung des § 326 BGB a.F. zufolge konnte die Fristsetzung frühestens gleichzeitig mit dem Verzugseintritt erfolgen, also nicht vor Fälligkeit. Da die Neuregelung in § 323 BGB keinen Verzug mehr voraussetzt, könnte der Gläubiger für den Fall der späteren Nichtleistung nunmehr schon bei Vertragsschluß, etwa in AGB, eine Aufforderung zur Nacherfüllung mit Fristsetzung bestimmen. Zumindest der Wortlaut des § 323 BGB („bestimmt hat“) könne der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens nicht entgegenstehen. Diese Überlegungen werden schließlich jedoch wieder verworfen, da die Gesetzesbegründung nur von Fällen einer tatsächlich vorliegenden, nicht nur hypothetischen zukünftigen Nichtleistung ausgehe26. Wie schon erwähnt, verlangt § 323 BGB nicht mehr, daß der Schuldner sich im Verzug befindet. Dieser wird nach erfolgter Fristsetzung jedoch regelmäßig vorliegen, da hierin konkludent eine Mahnung zu erblicken ist27. 5.Entbehrlichkeit der Fristsetzung Die Fristsetzung, d.h. das Abwarten einer Frist überhaupt, ist unter Umständen ganz entbehrlich: Gemäß § 323 II Nr.1 BGB bei ernsthafter und endgültiger Leistungsverweigerung durch den Schuldner (sogenannte Vertragsaufsage). In diesem Fall wäre eine Fristsetzung mit Aufforderung zur Nacherfüllung eine unnötige Förmelei28. 23 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.116;Gsell JZ 2001 S.68 BT-Drs. 14/6040 S.222 25 Anwaltkommentar-Dauner-Lieb § 323 Rn.12 26 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.94 27 BT-Drs. 14/6040 S.138; Canaris JZ 2001 S.515; Teichmann BB 2001 S.1489 28 Schubel JuS 2002 S.317 24 6 § 323 II BGB entbindet jedoch nicht von dem Fälligkeitserfordernis des § 323 I BGB. Den Fall, daß der Schuldner seine Leistung schon vor Fälligkeit endgültig verweigert (vorweggenommener Vertragsbruch), hat der Gesetzgeber daher in § 323 IV BGB geregelt. Danach kann der Gläubiger schon vor Fälligkeit zurücktreten, wenn der künftige Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen offensichtlich ist. Genau dies ist aber bei Vertragsaufsage des Schuldners vor Fälligkeit der Fall. Die Reform hat damit lediglich ein allgemein anerkanntes Ergebnis normiert, dessen dogmatische Grundlage bisher jedoch umstritten war: Teilweise wurde das Rücktrittsrecht bei Vertragsaufsage vor Fälligkeit aus pvv abgeleitet, teilweise wurde § 326 BGB a.F. doppelt analog angewendet29. Gemäß § 323 II Nr. 2 BGB ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn die Leistung ausdrücklich an einen bestimmten Termin gebunden sein sollte. Gemeint ist mithin ein relatives Fixgeschäft30, das absolute Fixgeschäft führt bekanntlich schon zur Unmöglichkeit (§ 275 I BGB)31. Die bisherige Regelung (§ 361 BGB a.F.) bestimmte lediglich eine dahingehende Auslegungsregel, daß bei einem relativen Fixgeschäft im Zweifel dem Gläubiger ein vertragliches Rücktrittsrecht zukomme32. Die Neuregelung sieht jetzt ausdrücklich ein gesetzliches und sofortiges Rücktrittsrecht vor. Insofern weicht § 323 BGB von dem ansonsten gleichlaufenden § 281 BGB ab, da das Vorliegen eines relativen Fixgeschäfts allein dort noch nicht zum sofortigen Schadensersatz statt der Leistung ohne Fristsetzung berechtigt. Gemäß der Ausnahmevorschrift des § 323 II Nr. 3 BGB schließlich ist die Fristsetzung entbehrlich wenn besondere Umstände unter Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Es sollen also Fälle erfaßt werden, in denen man genausogut über § 242 BGB zu dem gleichen Ergebnis gelangen würde. Die Gesetzesbegründung bezieht sich 29 BT-Drs. 14/6040 S.185,186; Medicus BR Rn.308 BT-Drs. 14/6040 S.185,186; Krebs DB 2000 Beil. 14;12 31 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.62 32 Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.340,341 30 7 insbesondere auf sogenannte Just-in-time-Verträge33. Bei solchen ist die eine Vertragspartei auf pünktliche Lieferung angewiesen, um ihren Produktionsbetrieb aufrechtzuerhalten. Bei Ausbleiben der Leistung besteht daher ein berechtigtes Interesse an einer schnellen Ersatzbeschaffung. Erfaßt sind also die Fälle, in denen die Annahme eines Fixgeschäfts ausscheidet, weil die besondere Bedeutung des Termins im Vertrag nicht ausreichend hervorgehoben wurde34. Als besondere Umstände i.S.d. § 323 II Nr.3 BGB gelten wohl auch die Fälle des Interessewegfalls (§ 326 II BGB a.F.) sowie der Zwecklosigkeit oder Unzumutbarkeit der Nachfristsetzung allgemein35. Die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung kann sich stets auch aus einer entsprechenden Verzichtsvereinbarung zwischen den Parteien ergeben36. Insofern ändert sich nichts. Ein solcher Verzicht ist jedoch gem. § 309 Nr. 4 BGB nur individualvertraglich zulässig, nicht in AGB 6.Abmahnung Kommt nach Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, soll der Gläubiger stattdessen eine Abmahnung aussprechen (§ 323 III BGB). Gemeint sind damit die Fälle, in denen die geschuldete Leistung in einem Unterlassen besteht37. 7.Erfolgloser Fristablauf Der Rücktritt ist zulässig, wenn der Schuldner innerhalb der gesetzten Frist die geschuldete Leistung nicht bzw. nicht vertragsgemäß erbringt. Hierbei kann es, wie bislang auch, nur auf die Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung ankommen, nicht darauf, ob der Leistungserfolg ebenfalls innerhalb der Frist eintritt38. Denn durch die ordentlich vorgenommene Leistungshandlung entfällt schon die bisherige Pflichtverletzung, es können sich daraus keine 33 BT-DRs.14/6040 S.140; Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.95,96 34 BT-Drs.14/6040 S.186 35 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.96 36 BGH NJW 1982,1036; Palandt-Heinrichs § 326 Rn.19 37 Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.37 38 Anwaltkommentar-Dauner-Lieb § 323 Rn.13 8 nachteiligen Folgen in Form von Rücktritt oder Schadensersatz mehr ergeben. Im Rahmen des § 326 BGB a.F. muß sich der Gläubiger selbst bis zum Fristablauf weiterhin vertragstreu verhalten („tu quoque“ bzw. „clean hands“-Grundsatz39). Dies gilt auch in Zukunft40. Bisher erlosch der ursprüngliche Leistungsanspruch automatisch mit Fristablauf (§ 326 I S.2 2 Hs. BGB a.F.). Dies ist nunmehr anders. Der Leistungsanspruch erlischt erst nach Abgabe der Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) bzw. nach der Erklärung des Gläubigers, daß er Schadensersatz statt der Leistung verlange (§ 281 IV BGB)41. Bis dahin kann der Gläubiger genausogut weiter auf der Nacherfüllung bestehen. Bis dahin kann aber auch noch Unmöglichkeit der ursprünglichen Leistungspflicht eintreten. Anstelle der §§ 281 ,323 BGB gelten dann die §§ 283, 326 BGB für den Schadensersatz statt der Leistung und für den Rücktritt. 8.Teilrücktritt und Gesamtrücktritt gem. § 323 V BGB Für den Fall, daß der Schuldner nur eine nicht genehmigte Teilleistung erbringt, sieht § 323 V 1 BGB vor, daß der Gläubiger nur dann zurücktreten kann, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Eine niedrigere Schwelle enthält § 323 V 2 BGB: Danach ist im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung (Schlechtleistung) der Rücktritt nur dann ausgeschlossen, wenn diese Pflichtverletzung als unerheblich anzusehen ist. Der Käufer einer mangelhaften Sache ist dann z.B. auf die Minderung beschränkt (diese war nach altem Recht bei unwesentlichen Mängeln gar nicht zulässig, § 459 I 2 BGB a.F.). Die beiden Fälle des § 323 V BGB sind voneinander abzugrenzen, insbesondere sollen einzelne mangelhafte Stücke beim Kaufvertrag über mehrere Sachen als Gesamtheit nicht etwa eine Teilleistung i.S.d. § 323 V 1 BGB darstellen42. Beispiel43: 39 Palandt-Heinrichs § 326 Rn.10 Palandt-Heinrichs Ergbd. 61. Aufl. § 323 Rn.29 41 BT-Drs. 14/6040 S.185; Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.37 42 BT-Drs. 14/6040 S.187 43 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.146 40 9 K kauft von V ein mehrteiliges Service aus Meissner Porzellan. Nach Abnahme fällt ihm ein kleiner, kaum zu sehender Sprung an einem der Stücke auf. Nachdem V die ihm gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung hat verstreichen lassen, will K das gesamte Service zurückgeben und den Kaufpreis zurückerstattet bekommen. Das Rücktrittsrecht des V hinsichtlich des einzelnen Stücks ergibt sich hier aus den §§ 323, 437 Nr.2 1.Alt., 434 BGB. Fraglich ist jedoch, an welcher der Alternativen des § 323 V BGB der Rücktritt vom gesamten Vertrag zu messen ist. Anstatt als Schlechtleistung i.S. des § 323 V 2 BGB könnte man die teilweise Mangelhaftigkeit des Service ja auch als Teilleistung i.S.d. § 323 V 1 BGB verstehen. Dann wäre ein Rücktritt in Bezug auf das gesamte Service nur bei fehlendem Interesse des K an der Teilleistung zulässig. Im vorliegenden Fall würde man letzteres aber wohl ohnehin bejahen (genau wie die Erheblichkeit dieser Schlechtleistung gemäß § 323 V 2 BGB), da das gesamte Service in seinem Sammlerwert beeinträchtigt ist. Abgesehen von dieser Unbeachtlichkeit im Ergebnis des Beispielsfalls kommt in der Gesetzesbegründung aber auch deutlich zum Ausdruck, daß § 323 V 1 BGB nicht gelten soll, wenn ein Käufer wegen eines Sachmangels vom Vertrag zurücktritt44. Um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, solle nur § 323 V 2 BGB Anwendung finden, der eine niedrigere Rücktrittsschwelle enthalte. Der Käufer hat somit die Wahl, ob er nur wegen des mangelhaften Teiles oder in Bezug auf den gesamten Vertrag zurücktreten will45. Einschränkend wird aber in Anlehnung an den nunmehr gestrichenen § 469 2 BGB a.F. verlangt, daß ein Gesamtrücktritt bei einem Kauf von mehreren Sachen nur dann in Betracht komme, wenn diese auch wirklich als zusammengehörend gekauft wurden46. Dies ist der Fall, wenn sie nach dem Parteiwillen als Einheit anzusehen sind47. Wird anläßlich des Kaufs über das mangelhafte Meissner-Service also einfach noch ein schlichter aber 44 BT-Drs. 14/6040 S.187 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.146 46 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.147 45 10 wenigstens intakter Kochtopf erworben, kann im Hinblick auf diesen nicht zurückgetreten werden. Aus der vom Gesetzgeber gewünschten Anwendung des § 323 V 2 BGB auf alle Sachmängel ergibt sich jedoch ein Folgeproblem: Gemäß § 434 III BGB ist im Kaufrecht die Zuweniglieferung (d.h. gerade eine Teilleistung) einem Sachmangel gleichgestellt. Wenn auf Sachmängel aber stets nur § 323 V 2 BGB Anwendung finden soll, liefe § 323 V 1 BGB, der die Teilleistung behandelt, ja weitgehend leer48. Daher wird dafür plädiert, zumindest auf die Zuweniglieferung § 323 V 1 BGB anzuwenden49. 9.Ausschluß des Rücktritts gemäß § 323 VI BGB Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand während des Gläubigerverzuges eintritt. Beim Schadensersatzanspruch statt der Leistung wird eine Mitverantwortung des Gläubigers über § 254 BGB berücksichtigt. Eine solche Teilung ist beim Rücktritt als Gestaltungsrecht aber nicht möglich („ganz oder gar nicht“). Daher wird das Rücktrittsrecht gem. § 323 VI BGB nur dann ausgeschlossen, wenn das Verschulden des Gläubigers so gravierend ist, daß auch ein Schadensersatzanspruch über § 254 BGB ganz ausgeschlossen wäre50. Was der Gläubiger genau „zu verantworten“ hat regelt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich, denn die §§ 276-278 BGB gelten nur für den Schuldner. In Anlehnung an die bisherigen Ansichten zu § 324 BGB a.F.51 wird man aber diese Normen auf den Gläubiger entsprechend anwenden dürfen52. 9.Verjährung 47 Palandt-Putzo § 469 Rn.3 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.131 49 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.131 50 BT-Drs. 14/6040 S.187; Canaris JZ 2001 S.511; Teichmann BB 2001 S.1488,1489 51 Palandt-Heinrichs § 324 Rn.4 48 11 Da der Rücktritt keinen Anspruch , sondern ein Gestaltungsrecht darstellt, unterliegt er nicht unmittelbar der Verjährung53. Daher bindet § 218 I BGB ihn an die Durchsetzbarkeit des Leistungs- bzw. Nacherfüllungsanspruchs. Ist dieser verjährt, kommt auch ein Rücktritt nicht mehr in Betracht. Zu achten ist auf eine genaue Unterscheidung: Im Kaufrecht z.B. verjährt der Nacherfüllungsanspruch gem. § 438 I Nr.3 BGB schon in zwei Jahren nach Übergabe, wohingegen der ursprüngliche Erfüllungsanspruch der dreijährigen Regelverjährung gem. § 195 BGB unterliegt. b.)§ 324 Rücktritt wegen Verletzung einer Pflicht nach § 241 II BGB § 324 BGB setzt voraus, daß der Schuldner nichtleistungsbezogene Nebenpflichten i.S.v. § 241 II BGB verletzt hat54. Auf deren Erfüllung hat der Gläubiger in der Regel zwar keinen einklagbaren Primäranspruch55, ihre Verletzung aber hat für den Schuldner nachteilige Konsequenzen. Mit den in § 241 II BGB erwähnten Rücksichtspflichten hat der Gesetzgeber einen Anhaltspunkt im Gesetz für die bislang schon im Rahmen der pvv-Haftung herausgearbeiteten Pflichten geschaffen56. Ihr Schutz soll, wie bislang auch, über den des allgemeinen Deliktsrecht hinausgehen, beispielsweise soll die Formulierung „Rechtsgüter“ auch das bloße Vermögen umfassen57. Durch die Bezugnahme auf § 241 II BGB entspricht die Rücktrittsvorschrift des § 324 BGB der Schadensersatznorm des § 282 BGB58. Beiden gemeinsam ist, daß sie nur zur Anwendung kommen, wenn die verletzte Nebenpflicht nicht leistungsbezogen ist. Beispiel59: Ein Maler führt den von ihm geschuldeten Zimmeranstrich zwar ordentlich durch, auf dem Weg dorthin verschmutzt er aber immer wieder andere Teile der Wohnung in erheblichem Maße. Dem Gläubiger ist wegen dieser 52 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.23 BT-Drs. 14/6040 S.124; Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.36 54 BT-Drs.14/6040 S.187; Canaris JZ 2001 S.509 55 Teichmann BB 2001 S.1492 56 Teichmann BB 2001 S.1486 57 Canaris JZ 2001 S.519; Krebs DB 2000 Beil. 14; 9 58 Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.37; Teichmann BB 2001 S.1491 59 BT-Drs. 14/6040 S.141; Teichmann BB 2001 S.1490 53 12 Verletzung einer nichtleistungsbezogenen Rücksichtspflicht (der eigentliche Zimmeranstrich ist tadellos) ein Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten. Anders als § 282 BGB (i.V.m. § 280 I BGB) verlangt § 324 BGB keine schuldhafte Pflichtverletzung. Der Begriff Pflichtverletzung impliziert kein Verschulden sondern stellt rein objektiv einen Verstoß gegen das Pflichtenprogramm des Vertrages dar60. Sobald die Verletzung einer Pflicht des § 241 II BGB auf die Hauptleistung durchschlägt, liegt natürlich eine nicht vertragsgemäße Leistung vor, das Rücktrittsrecht bemißt sich dann nicht nach § 324 BGB , sondern nach § 323 BGB61. Bei der Verletzung von Pflichten i.S.v. § 241 II BGB ist eine Fristsetzung nicht denkbar. Der Vorrang der ursprünglich geplanten Vertragsdurchführung vor Sekundäransprüchen wird bei den §§ 282, 324 BGB dadurch gewahrt, daß dem Gläubiger die Leistung durch den unzuverlässigen Schuldner nicht mehr zuzumuten sein darf62. An das Vorliegen einer solchen Unzumutbarkeit sind hohe Anforderungen zu stellen63. Als Beispiel werden diskriminierende Äußerungen am Arbeitsplatz genannt64 Orientieren kann man sich hier an dem bisher aus pvv gewährten Rücktrittsrecht65: Es muß sich in der Regel um zahlreiche unterschiedliche Pflichtverletzungen handeln, eine einmalige Pflichtverletzung wird nur ausreichen, wenn sie so schwerwiegend ist, daß schon dadurch die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien zerstört ist (vorsätzliche Schädigungen, Straftaten gegenüber dem Gläubiger)66. c.)§ 325 Schadensersatz und Rücktritt 60 BT-Drs. 14/6040 S.135; Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.9,10,14; Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.29; Westermann JZ 2001 S.536 61 Anwaltkommentar-Dasuner-Lieb § 324 Rn.6; Palandt-Heinrichs Ergbd. 61.Aufl. § 324 Rn. 2;Westermann JZ 2001 S.538 62 Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.33 63 Teichmann BB 2001 S.1491 64 Teichmann BB 2001 S.1490 65 BT-Drs.14/6040 S.142; Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.191,192 66 Palandt-Heinrichs § 276 Rn 124,125 13 Diese Vorschrift bringt die Zulässigkeit der Kumulation von Rücktritt und Geltendmachung von Schadensersatz zum Ausdruck. Damit ist das bisherige strenge Alternativverhältnis67, das dem historischen Gesetzgeber zufolge bestehen sollte, aufgehoben68. So konnte zum Beispiel der Gläubiger nach fruchtlosem Fristablauf im Rahmen des § 326 BGB a.F. seinen Schadensersatz nicht im Wege der Differenztheorie berechnen, wenn er seine Gegenleistung schon erbracht hatte. Denn für eine Berechnung im Wege der Differenztheorie hätte er seine Leistung zurückverlangen müssen, genau das wäre aber eine unzulässige Kombination von Rücktritt und Schadensersatz gewesen69. Der Gläubiger war auf die Berechnung nach der Surrogationsmethode angewiesen. Seine Gegenleistung konnte er somit nur unter Verzicht auf seinen Schadensersatzanspruch zurückfordern, indem er den Rücktritt gem. § 326 I 2 BGB a.F.erklärte70. Durch die Neuregelung entfällt auch die „Rücktrittsfalle“ des alten Rechts71. Hatte der Gläubiger nach Fristablauf von seinem ius variandi versehentlich zugunsten des Rücktritts Gebrauch gemacht, sollte er danach nicht mehr zum Schadensersatzverlangen Gestaltungswirkung der übergehen können. Erklärung war Denn kraft bereits der ein Rückgewährschuldverhältnis entstanden72. Zugunsten des Gläubigers wurde daher versucht, die ursprüngliche Rücktrittserklärung in ein Schadensersatzbegehren umzudeuten73. d.)§ 326 Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt bei Ausschluß der Leistungspflicht § 326 I 1 BGB regelt kein Rücktrittsrecht. Vielmehr wird der Gläubiger schon kraft Gesetzes von seiner Pflicht zur Gegenleistung befreit, wenn die 67 Brüggemeier JZ 2000 S.537; Kaiser Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge S.521 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.103; Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.148 69 Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.338 70 Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.338 71 Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.148 72 BGH NJW 1985,2697,2698 73 BT-Drs.14/6040 S.188; Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.103 68 14 Leistung des Schuldners nach § 275 I- III BGB unmöglich ist. Bei einer Teilleistung findet das Minderungsrecht des § 441 III BGB Anwendung (§ 326 I 1 2.Hs. BGB). Die Norm entspricht daher § 323 BGB a.F., so daß sie, anders als der neue § 323 BGB, das Vorliegen einer synallagmatischen Pflicht verlangt („Gegenleistung“)74. Auf den ersten Blick ist nicht verständlich, wieso § 326 V BGB für die Fälle des Ausschlusses der Leistungspflicht gem. § 275 I -III BGB noch ein sofortiges Rücktrittsrecht des Gläubigers vorsieht75. Hintergrund dieser Regelung ist, daß der Gläubiger die Ursache für das Ausbleiben der ihm zustehenden Leistung oftmals nicht kennen wird76. Hat er keinen Einblick in die Verhältnisse des Schuldners, ist er auf dessen Mitteilungen angewiesen. Damit er Gewissheit darüber erlangt, ob er selbst noch leisten muß, soll er daher selbst dann zurücktreten können, wenn das Ausbleiben der Schuldnerleistung auf Unmöglichkeit beruht77. In der Praxis könne dann offenbleiben, ob der Rücktritt nach § 326 V BGB erfolgt ist oder nach § 323 BGB (für den Fall, daß doch keine Unmöglichkeit vorlag)78. Die Fristsetzung kann sich der Gläubiger allerdings nur dann ersparen, wenn § 326 V BGB wirklich greift oder aber wenigstens § 323 II BGB79. Den § 326 V BGB wird man aber bei abweichenden Gefahrtragungsregeln nicht anwenden können. Beispiel80: A verkauft B unter Eigentumsvorbehalt ein wertvolles Buch. Nach Übergabe, aber vor Zahlung der letzten Raten, verbrennt das Buch bei B wegen eines Blitzeinschlag. Mit der Übergabe des Buches ging gem. § 446 74 Canaris JZ 2001 S.508; Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.16 75 Otto Jura 2002 S.10 76 Dauner-Lieb/Arnold/Dözsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.16; Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.38 77 Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.38 78 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.16; Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.38 79 Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.38; Palandt-Heinrichs Ergbd. 61. Aufl. § 326 Rn.17 80 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.27 dazu auch PalandtHeinrichs Ergbd. 61 Aufl. § 326 Rn.3 15 BGB (als Ausnahmenorm zu § 326 I BGB) die Gefahr des zufälligen Untergangs auf B über. A kann also weiterhin Zahlung verlangen. Eigentlich wäre dem Wortlaut nach § 326 V BGB anwendbar (A kann B das Eigentum am Buch gem. § 275 I BGB nicht mehr verschaffen). Danach könnte B noch zurücktreten. Da dies aber der Wertung des § 446 BGB widersprechen würde, soll § 326 V BGB wegen teleologischer Reduzierung hier nicht greifen. Zu beachten ist zudem Satz 2 des § 326 I BGB: Danach gilt § 326 I 1 BGB dann nicht, wenn im Fall der Schlechtleistung dem Schuldner die Nacherfüllung (Nachbesserung bzw. Lieferung einer neuen Sache) gem. § 275 I-III BGB unmöglich ist (irreparable Schlechtleistung)81. Stattdessen kommt dem Gläubiger dann nur ein Rücktrittsrecht gem. § 326 V BGB zu (vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung ist dann entbehrlich). Sinn dieser Regelung: Die irreparable Schlechtleistung soll gerade nicht als Teilunmöglichkeit unter § 326 I 1 2.Hs. BGB fallen (das galt auch schon zu § 323 BGB a.F.82). Andernfalls käme es zu einer Minderung kraft Gesetzes neben einem Rücktrittsrecht, was jedoch zu Wertungswidersprüchen gegenüber denjenigen Vertragstypen führen würde, bei denen die Minderung ausdrücklich geregelt ist (etwa im Kaufrecht) und nur anstelle des Rücktritts ausgeübt werden darf83. § 326 IV BGB regelt ebenfalls kein Rücktrittsrecht. Wenn der Gläubiger jedoch die wegen § 326 II BGB zwar nicht geschuldete aber schon erbrachte Leistung zurückfordern möchte, verweist diese Norm auf die Regeln des Rücktrittsfolgenrechts (§§ 346 ff. BGB). Bisher galt hier das Bereicherungsrecht entsprechend (Verweis des § 323 III BGB a.F.), welches jedoch weniger gut auf die Abwicklung fehlgeschlagener Verträge 81 Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.37 Palandt-Heinrichs § 323 Rn.9 83 Anwaltkommentar-Dauner-Lieb § 326 Rn. 7; BT-Drs. 14/6040 S.189 82 16 zugeschnitten ist84. Damit entfällt künftig die Möglichkeit, sich auf Entreicherung gem. § 818 III BGB berufen zu können85. In der Literatur wird jedoch eine teleologische Reduktion des § 326 IV BGB und eine Anwendung des milderen Bereicherungsrechts für den Fall erwogen, daß der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat86. III.Rechtsfolgen des Rücktritts §§ 346 ff.BGB a.)Einleitung Die wohl bedeutsamsten Änderungen haben sich bei der Überarbeitung des Rücktrittsfolgenrechts ergeben. Die alte Regelung galt als kompliziert und unverständlich und war vielfach umstritten87. Durch die Reform sollte ein für alle Fälle einheitliches Modell der Rückabwicklung geschaffen werden, ohne Verweisungen auf das Bereicherungsrecht und das Eigentümer-Besitzerverhältnis88. Die §§ 346 ff. BGB gelten daher grundsätzlich sowohl für das vertragliche als auch für das gesetzliche Rücktrittsrecht89. Insbesondere die Norm des § 327 BGB mit ihrem Verweis ins Bereicherungsrecht sorgte für vielfachen Streit90, der sich durch die Streichung nunmehr jedoch erledigt hat. An die Stelle der alten Regelung ist eine einfache Systematik getreten mit zwei grundsätzlichen Wertungen: Die Parteien des Rückabwicklungsverhältnisses müssen die empfangenen Leistungen zurückgewähren (§ 346 I BGB). Wo dies nicht ordnungsgemäß möglich ist, ist stattdessen Wertersatz zu leisten (§ 346 II BGB). Eine deutliche Vereinfachung ergibt sich auch dadurch, daß mit der Einführung der grundsätzlichen Wertersatzpflicht des § 346 II BGB die bisherigen §§ 350 -353 BGB a.F. gestrichen wurden. Damit wird den 84 BT-Drs. 14/6040 S.189 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.16; Teichmann BB 2001 S.1488 86 Canaris JZ 2001 S.509 87 Kaiser Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge S.517 88 BT-Drs.14/6040 S.93,189; Kaiser JZ 2001 S.1068; Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.149 89 Krebs DB 2000 Beil.14;12; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.341 90 BT-Drs. 14/6040 S.191; Kohler JZ 2001 S.328; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.341 85 17 zahlreichen Streitigkeiten wegen diesen Normen ein Ende gesetzt91. So schloss z.B. § 351 BGB a.F. den Rücktritt aus, wenn der Rücktrittsberechtigte eine wesentliche Verschlechterung des empfangenen Gegenstandes verschuldet hatte. War die Verschlechterung nicht wesentlich, konnte der Berechtigte zurücktreten, mußte allerdings Wertersatz gem. § 347 BGB a.F. leisten. Umstritten war daher, wann eine Verschlechterung wesentlich war und wann nicht92. Der Neuregelung zufolge kann der Rücktritt durch den Untergang der Sache nun gar nicht mehr ausgeschlossen sein, allenfalls ist Wertersatz zu leisten93. In „krass liegenden Fällen“ soll allerdings weiterhin ein Ausschluß des Rücktrittsrechts wegen Rechtsmißbrauchs über § 242 BGB zu erwägen sein94. Ob das wirklich angezeigt ist, kann man bezweifeln, da der Rücktrittsgegner ja durch die Wertersatzpflicht des § 346 II BGB geschützt ist95. Auch der komplizierte Streit um den Verschuldensbegriff96 in § 351 BGB a.F. sollte beendet werden97. Auch war umstritten, wie die Wertungen der §§ 350-353 BGB a.F. mit denen der Saldotheorie in Einklang zu bringen seien, wenn z.B. nach Anfechtung gem. § 123 BGB eine Rückabwicklung über das Bereicherungsrecht erfolgt98. Durch die Streichung der bisherigen §§ 350353 BGB dürften sich hier nunmehr gleichlaufende Lösungen ergeben99. b.)§ 346 I BGB § 346 I BGB regelt die grundsätzliche Rückgewährpflicht der Parteien sowohl für das vertragliche als auch für das gesetzliche Rücktrittsrecht. Die empfangenen Leistungen sind zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. 91 BT-Drs. 14/6040 S.192 BT-Drs. 14/6040 S.195; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.343; Palandt-Heinrichs § 351 Rn 2 93 BT-Drs. 14/6040 S.194; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.343 94 BT-Drs. 14/6040 S.195; Kohler JZ 2001 S.329 95 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.261 96 dazu Wanner Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt S.30ff. 97 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.248;Lorenz in Schulze/Schulte Nölke S.343 98 Medicus BR Rn 228 ff.; Wanner Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt S.49 99 Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.346; kritisch dazu Kohler JZ 2001 S.331 92 18 c.)§ 346 II BGB Anstelle dieser Rückgewähr- und Herausgabepflichten ist verschuldensunabhängig Wertersatz zu leisten in den drei Fällen des § 346 II BGB: 1.§ 346 II 1 Nr.1 BGB Gem. Nr. 1 wenn Rückgewähr bzw. Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen sind. § 347 BGB a.F. stellte bei Verschlechterung, Untergang oder einer sonstigen Unmöglichkeit der Herausgabe auf die verschuldensabhängigen Normen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ab. 2.§ 346 II 1 Nr.2 BGB Gem. Nr.2 wenn der Rückgewährschuldner den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat. Die bisherigen §§ 352, 353 BGB a.F. schlossen in diesem Fall den Rücktritt des Empfängers ganz aus. Die Neuregelung drängt die Rückgewähr in natura stark zurück, da sie dem Rücktrittsgläubiger auch dann nur Wertersatz zukommen läßt, wenn der Schuldner Veräußerung, Belastung, Verarbeitung oder Umgestaltung ohne großen Aufwand rückgängig machen könnte100. Obwohl die Norm nur vom empfangenen Gegenstand spricht, wird man hierunter doch auch die gezogenen Nutzungen verstehen müssen, für die § 346 I BGB ja auch eine Wertersatzpflicht vorsieht. Es wäre beispielsweise nicht verständlich, warum hier keine Wertersatzpflicht bestehen sollte, wenn der Schuldner die Nutzungen weiterveräußert101. 3.§ 346 II 1 Nr.3 BGB Gem. Nr.3 wenn der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat (nachhaltige Substanzverletzungen, Abnutzung durch übermäßigen, nicht 100 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.247; Krebs DB 2000 Beil.14;12,13 101 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.272 19 jedoch durch den bestimmungsgemäßen Verbrauch102) oder untergegangen ist. Daß die Verschlechterung ein größeres Ausmaß annimmt, ist allerdings nicht erforderlich103. Ein bestimmungsgemäßer Gebrauch liegt nicht etwa deswegen vor, weil der empfangene Gegenstand nur anläßlich einer normalen Nutzung zufällig untergeht104. Beispiel: Das gekaufte Rad wird bei der ersten Fahrt durch Verschulden eines anderen Verkehrsteilnehmers zerstört105. 4.§ 346 II 2 BGB Höhe des Wertersatzes Bei der Ermittlung der Wertersatzpflicht muß gem. § 346 II 2 BGB die im Vertrag für den empfangenen Gegenstand festgelegte Gegenleistung zugrundegelegt werden. Auf diesem Weg soll das vertraglich ausgehandelte Verhältnis der Leistungen erhalten bleiben. Erst wenn dies nicht möglich ist (etwa wegen Anfechtung des Vertrages gem. § 123 BGB und Abwicklung über das Bereicherungsrecht), sollen objektive Wertmaßstäbe gelten106. Ist die zurückzugewährende Leistung mangelhaft, wird man nur einen entsprechend § 441 III BGB geminderten Kaufpreis als Maßstab für den Wertersatz nehmen können: Beispiel: Der Käufer verschuldet grob fahrlässig eine Zerstörung des erworbenen Fahrrades. Be diesem Anlaß entdeckt er, daß das Rad schwerwiegende, aber verdeckte Mängel aufwies. Wenn K dann zurücktritt, wird man den von ihm gem. § 346 II Nr.3 BGB zu leistenden Wertersatz wegen der Mängel nur nach einem entsprechend geminderten Kaufpreis berechnen können107. d.)§ 346 III BGB Ausschluss der Wertersatzpflicht Ausgeschlossen ist die Wertersatzpflicht in den Fällen des § 346 III 1 BGB: 102 Anwaltspraxis-Hager S.162; BT-Drs. 14/6040 S.196 Krebs DB 2000 Beil 14;12 104 Arnold Jura 2002 S.157; Gaier WM 2002 S.8 105 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.259 106 BT-Drs. 14/6040 S.196 103 20 1.§ 346 III 1 Nr. 1 BGB Gem. Nr. 1 wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst bei der Verarbeitung oder Umgestaltung des empfangenen Gegenstandes gezeigt hat (dies entspricht dem Rechtsgedanken des bisherigen § 467 1 2.Hs BGB a.F. wonach die kaufrechtliche Wandlung in diesem Fall nicht gem. § 352 BGB a.F. ausgeschlossen sein sollte108). 2.§ 346 III 1 Nr.2 BGB Gem. Nr. 2 wenn der Rückgewährgläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden auch bei ihm eingetreten wäre. Damit wird der Rückgewährschuldner teilweise vom Zufallsrisiko entlastet109. 3.§ 346 III 1 Nr.3 BGB Gem. Nr. 3 wenn im Fall eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser die eigenübliche Sorgfalt (diligentia quam in suis § 277 BGB) beobachtet hat. Hier ergibt sich also doch noch ein Unterschied zwischen vertraglichem und gesetzlichem Rücktrittsrecht. Der gesetzlich zum Rücktritt Berechtigte wird gegenüber dem vertraglich Rücktrittsberechtigten privilegiert. Grund: Der Gegner eines gesetzlichen Rücktritts hat sich diesen selbst zuzuschreiben, da er eine objektive Pflichtverletzung begangen haben muß (etwa Lieferung einer mangelhaften Sache), die er durch ordnungsgemäße Nacherfüllung auch nicht beseitigt hat110. Insbesondere die Gefahr des zufälligen Untergangs hat der Zurücktretende damit nicht zu tragen111. Teilweise wird allerdings angezweifelt, ob es wirklich angebracht sei, daß das Gesetz von zwei schuldlosen Parteien der einen, dem Verkäufer also, die Gefahr des Sachverlust in dieser Weise auferlegt112. 107 Anwaltspraxis-Hager S.163; Gaier WM 2002 S.9 Krebs DB 2000 Beil. 14;12; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.344 109 Arnold Jura 2002 S.156 110 BT-Drs. 14/6040 S.196; Krebs DB 2000 Beil 14;13; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.344 111 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.248 112 Kohler JZ 2001 S.332; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.345,354 108 21 Fraglich ist zudem, ob diese Privilegierung nur den Zeitraum vor oder auch den nach Kenntnis vom Rücktrittsgrund erfaßt. Nimmt man an, daß auch nach Kenntnis vom Rücktrittsgrund der Schuldner nur die eigenübliche Sorgfalt zu beachten hat, stellt sich die weitere Frage, ob eine Weiternutzung der Sache trotz dieser Kenntnis als grob fahrlässig i.S. d. § 277 BGB zu bewerten wäre113. Dann könnte sich der Schuldner also nicht befreiend auf die eigenübliche Sorgfalt berufen. Beispiel114: Der Käufer eines Fahrrads mit schwer erkennbar verrostetem Rahmen benutzt es auch nach Entdeckung dieses Mangels weiter. Soll er nach mangelbedingtem Rücktritt dann von seiner Wertersatzpflicht befreit sein, wenn das Rad ohne sein Verschulden von einem anderen Verkehrsteilnehmer zerstört wird ? 4. § 346 III 2 BGB Herausgabe der verbleibenden Bereicherung Gemäß § 346 III 2 BGB ist eine verbleibende Bereicherung herauszugeben (Rechtsfolgenverweis ins Bereicherungsrecht115). e.) § 346 IV BGB Verletzung der Pflichten des Rückgewährschuldverhältnis Eine Verletzung der in § 346 I BGB normierten Pflichten kann zu einer Haftung nach den allgemeinen Schadensersatzregeln der §§ 280-283 BGB führen (§ 346 IV BGB). Die Haftung erstreckt sich somit also auch auf Folgeschäden, die über die Verschlechterung des empfangenen Gegenstandes hinausgehen, und daher von der bloßen Wertersatzpflicht nicht erfaßt sind116. Diese Ersatzzpflicht soll zumindest beim vertraglichen Rücktrittsrecht auch dann greifen, wenn der Gegenstand schon vor Erklärung des Rücktritts untergegangen ist117. Zu beachten ist allerdings, daß der Verweis auf § 280 BGB natürlich auch dessen Verschuldenserfordernis mitumfaßt. Damit stellt sich die Frage, 113 Dauner-Lieb/Arnol/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.259;Krebs DB 2000 Beil.14;13 114 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.259 115 BT-Drs. 14/6040 S.196 116 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.248 22 wann den Rückgewährschuldner überhaupt ein Verschulden trifft. Beim vertraglichen Rücktrittsrecht wird man wohl wie bisher § 276 BGB heranziehen können: Der Schuldner weiß hier um die Möglichkeit der Rückabwicklung, ihm obliegt daher eine entsprechende Sorgfalt118. Nicht ausdrücklich geregelt ist jedoch die Anwendung auf das gesetzliche Rücktrittsrecht. Dort wird man eine Pflicht, die der Schuldner schuldhaft verletzten könnte, wohl erst ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund (z. B. Entdeckung des zum Rücktritt berechtigenden Mangels) annehmen können119. Gerade solche Unklarheiten sollten aber angesichts der bisher schon deswegen bestehenden Streitigkeiten durch die Reform ja eigentlich beseitigt werden120. f.) Nutzungsersatz § 346 BGB I regelt auch die Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen. Im Vergleich zu dem bisherigen Verweis des § 347 BGB a.F. auf das EBV (§ 987 I BGB) ergeben sich kaum Unterschiede121. Werden Nutzungen entgegen den Regeln ordnungsmäßiger Wirtschaft nicht gezogen, obwohl dies möglich gewesen wäre, macht sich der Rückgewährschuldner wertersatzpflichtig (§ 347 I 1 BGB). Dies entspricht also weitestgehend dem bisherigen Recht122. Der gesetzlich zum Rücktritt Berechtigte wird wiederum privilegiert, weil er nur die eigenübliche Sorgfalt zu beachten hat (§ 347 I 2 BGB). g.)§ 347 II BGB Verwendungsersatz § 347 II 1 BGB gilt nur für notwendige Verwendungen (d.h. die zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache objektiv erforderlichen Maßnahmen123). 117 BT-Drs. 14/6040 S.195 Kaiser JZ 2001 S.1062; Wanner Gefahrtragung und Rücktritt beim gesetzlichen Rücktritt S.39 119 BT-Drs. 14/6040 S.195; Gaier WM 2002 S.12; Kohler JZ 2001 S.326 120 Anwaltspraxis-Hager S.165; Kohler JZ 2001 S.326 121 Kaiser JZ 2001 S.1066; Kohler JZ 2001 S.334; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.343 122 Krebs DB 2000 Beil.14;13 123 Palandt-Bassenge § 994 Rn.1 118 23 Diese sind dem Rückgewährschuldner gem. § 347 II 1 BGB zu ersetzen, wenn er den Gegenstand zurückgibt, Wertersatz leistet oder seine Wertersatzpflicht gem. § 346 III Nr.1 und 2 BGB ausgeschlossen ist (weil der zum Rücktritt berechtigende Mangel sich erst bei der Verarbeitung/ Umgestaltung gezeigt hat bzw. weil der Gläubiger den Untergang/ die Verschlechterung zu vertreten hat bzw. der Schaden auch bei ihm eingetreten wäre). Andere als notwendige Verwendungen kann der Schuldner ersetzt verlangen, soweit der Gläubiger durch sie bereichert ist (§ 347 II 2 BGB). Die Neuregelung verbessert damit die Stellung des Rückgewährschuldners, weil der Ersatz nützlicher Verwendungen nach § 996 BGB von der bisherigen Verweisung des § 347 BGB a.F. nicht erfaßt war124. Hier kann sich, wie bislang auch, das Problem der aufgedrängten Bereicherung stellen125, welches in der Gesetzesbegründung jedoch nicht behandelt wird: Befürwortet wird bisher eine Beschränkung der Ersatzpflicht auf die Höhe desjenigen Wertes, den die Verwendung für den angeblich Bereicherten selbst hat126. Es wird also darauf abgestellt, ob der Rückgewährsempfänger aus den auf die Sache getätigten Verwendungen tatasächlich einen Nutzen ziehen kann127. Diese Ansicht wird man wohl beibehalten können128. IV.Rückabwicklung bei Störung der Geschäftsgrundlage Das bisher nur gewohnheitsrechtlich anerkannte Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (WGG) ist nunmehr als Störung der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB geregelt. Bislang war streitig, ob eine Rückabwicklung gem. § 346 BGB oder über das Bereicherungsrecht zu erfolgen habe, wenn eine Vertragsanpassung nicht möglich war129. 124 Anwaltspraxis.Hager S.168; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.347 Anwaltspraxis-Hager S.168; Gaier WM 2002 S.7 126 Medicus BR Rn.899 ff. 127 MüKo-Lieb § 812 Rn.258,262 128 Arnold Jura 2002 S.160 129 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum Neuen Schuldrecht S.237; MüKo/Roth § 242 Rn. 551;Teichmann BB 2001 S.1491 125 24 Nach der Reform kommt nur noch eine Abwicklung über die §§ 346 ff. in Betracht. § 313 III BGB sieht jetzt in den entsprechenden Fällen ausdrücklich ein Rücktrittsrecht der benachteiligten Partei vor. Damit handelt es sich dann aber um ein gesetzliches Rücktrittsrecht und § 346 I BGB bringt deutlich zum Ausdruck, daß bei Vorliegen eines solchen die Rückabwicklung nach dieser Norm zu erfolgen habe130. Dies hat etwa Folgen für die Rückabwicklung eines Finanzierungsleasingvertrages: Überwiegend wird angenommen, daß im Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer von vornherein die Geschäftsgrundlage fehlt, wenn es zwischem Letzterem und dem Lieferanten zum Vollzug der Wandlung kommt131. Die Reform wird an dieser Konstruktion zwar grundsätzlich nichts ändern132. Die Rückabwicklung zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber sollte aber bisher über das Bereicherungsrecht erfolgen und ließ damit insbesondere den Einwand der Entreicherung gem. § 818 III BGB zu133. Dies wird nun nicht mehr möglich sein, denn die Rückabwicklung bei Störung der Geschäftsgrundlage richtete sich jetzt, wie gesehen, nach den §§ 346 ff. BGB. V.Vertragsauflösung durch Naturalrestitution wegen Haftung aus cic § 311 II BGB normiert nunmehr ausdrücklich die bisher im Rahmen der cic anerkannten Fälle eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses134. Eine Verletzung der damit verbundenen Pflichten kann i.V. m. § 280 ff. BGB zum Schadensersatz führen. Der Klärung durch Rechtsprechung und Literatur bleibt jedoch weiterhin die Frage überlassen, ob über eine solche Haftung auch eine Rückabwicklung 130 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum neuen Schuldrecht S.238; Teichmann BB 2001 S.1491 131 BGH 109,139; Graf von Westphalen Der Leasingvertrag Rn.480 132 Graf von WestphalenDB 2001 S.1293 133 BGH DB 1990 S.106; Graf von Westphalen Der Leasingvertrag Rn.513, 514 134 Marx/Wenglorz Schuldrechtsreform 2002 S.84 25 des Vertrages im Wege der Naturalrestitution (§ 249 BGB) erreicht werden kann. Problematisch bleibt vorvertraglichen also Haftung wie zum bislang auch das Verhältnis Gewährleistungsrecht und der den Anfechtungsregeln: Hinsichtlich des Gewährleistungsrechts wird vertreten: Eine Rückabwicklung über §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB (bisherige cic) soll ausgeschlossen sein, wenn der Verkäufer den Käufer schuldhaft nicht über einen Sachmangel aufgeklärt hat135. Grund seien die nach wie vor bestehenden Unterschiede bei der Verjährung. Diese beträgt in der kaufrechtlichen Gewährleistung in der Regel nur zwei Jahre (§ 438 I Nr.3 BGB). Bei der Haftung über §§ 280, 311 II, 241 II BGB greift jedoch die Regelverjährung (§ 195 BGB) von drei Jahren, die zudem erst ab Erkennbarkeit der anspruchsrelevanten Umstände zu laufen beginnt (§ 199 I Nr.2 BGB). Durch ein Recht zum sofortigen Rücktritt nach bisheriger cic würde auch der Vorrang der Nacherfüllung mißachtet136. Denn einen solchen wird man zumindest bei einer bloß fahrlässigen Nichtaufklärung weiter annehmen müssen (bei Vorsatz dürfte sich die Entbehrlichkeit der Fristsetzung schon aus § 323 II Nr. 3 BGB ergeben). Teilweise wird allerdings auch dafür plädiert, nunmehr die Gewährleistungsrechte mit dem allgemeinen Regeln frei konkurrieren zu lassen137. Die cic wäre damit uneingeschränkt neben den Käuferrechten aus § 437 BGB anwendbar. Erhalten bleibt wohl auch der hinlänglich bekannte Streit über das Verhältnis des Rücktritts aus cic (auch bei lediglicher Fahrlässigkeit) zur Anfechtung wegen arglistiger (d.h. vorsätzlicher) Täuschung gem. §§ 123, 124 BGB: Das Problem mag zwar dadurch entschärft sein, daß die Naturalrestitution über §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB nunmehr an die dreijährige Regelverjährung (§ 195 BGB bisher 30 Jahre) gebunden ist138. Eine ausdrückliche Lösung ist aber im Zuge der Reform eben nicht 135 Dauner-Lieb/ Arnol/Dötsch/Kitz Fälle zum neuen Schuldrecht S. 120 Dauner-Lieb/ Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum neuen Schuldrecht S. 120 137 Köndgen in Schulze/Schulte-Nölke S.239 136 26 erfolgt139. Die hierzu vertretenen Meinungen140 werden also weiterhin zu hören sein141. VI. Fall: Die Vorzüge der Reform lassen sich an einem klassischen Fall aufzeigen, dessen Lösung sich bisher nicht aus dem Gesetz ergab: K kauft Anfang April 1990 von V in dessen Elektrowarengeschäft einen Farbfernseher. Da K den Kaufpreis nicht sofort aufbringen kann, wird 138 Köndgen in Schulze/Schulte-Nölke S.239; Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.330,331 Canaris JZ 2001 S.519 140 BGH NJW 1998, 302; Medicus BR Rn.150 139 27 vereinbart, daß der Fernseher bis zur völligen Bezahlung im Eigentum des V verbleiben solle. Nachdem K die erste Rate gezahlt hatte, geriet er in finanzielle Schwierigkeiten. Der Buchhalter des V ist jedoch alkoholabhängig, so daß die Nichtzahlung nicht weiter auffällt. Erst als im Januar 1993 der V einen neuen Buchhalter einstellt, fällt diesem die noch offene Rechnung des K auf. V verlangt von K Bezahlung. K beruft sich jedoch auf Verjährung. Für den Fall, daß die Forderung wirklich verjährt sein sollte, will V von K wenigstens den Fernseher herausverlangen. Die Lösung nach altem Recht bereitete Probleme: V könnte von K den Anspruch auf Kaufpreiszahlung gem. § 433 BGB geltend machen.Die Forderung war zwar wirksam entstanden, jedoch möglicherweise verjährt. Gem. § 196 I Nr. 1 BGB a.F. verjähren die Ansprüche eines Kaufmanns aus einer Warenlieferung in 2 Jahren, es sei denn, daß diese für den Gewerbebetrieb des Schuldners erfolgt. V ist Kaufmann, der Verkauf des Fernsehers gehörte auch zu seiner Kaufmannstätigkeit und war für K ein Privatgeschäft. Damit griff die kurze Verjährung des § 196 I Nr.1 BGB a..F. Gem. §§ 201 1, 198 BGB a.F. begann die Verjährung des Kaufpreisanspruchs am 31.12.1990 um 24.00 Uhr. Gem. §§ 187 I, 188 BGB a.F. war der Anspruch des V mit Ablauf des 31.12.1992 verjährt. Damit konnte sich V im Januar 1993 auf Verjährung des Kaufpreisanspruchs berufen. Möglicherweise konnte V jedoch wenigstens die Rückgabe des Fernsehers gem. § 346 BGB verlangen. Dann müßte ihm ein vertragliches oder gesetzliches Rücktrittsrecht zustehen. V und K hatten hier einen Kauf unter Eigentumsvorbehalt vereinbart (§§ 929 1, 158 I BGB). Entsprechend der Auslegungsregel des § 455 BGB a.F. galt im Zweifel beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt ein vertragliches Rücktrittsrecht als vereinbart für den Fall, daß der Käufer mit seinen Zahlungen in Verzug gerät. 141 Lorenz in Schulze/Schulte-Nölke S.331,332,333 28 Dann müßte K in Verzug geraten sein. V könnte ihn spätestens mit der Zahlungsaufforderung im Januar 1993 in Verzug gesetzt haben (§ 284 BGB a.F.). Der Verzug wurde aber jedenfalls dadurch beendet, daß K sich auf die Verjährung berief. In Fall der Verjährungseinrede fehlt es an der Verzugsvoraussetzung der Durchsetzbarkeit des Anspruchs142. Ein Rücktritt des V und ein Rückgewähranspruch gem. § 346 BGB schied damit aus. Möglicherweise konnte V jedoch gem. § 985 BGB Herausgabe des Fernsehers verlangen. Da die aufschiebende Bedingung für den Eigentumsübergang (Bezahlung des Restkaufpreises) noch nicht eingetreten war, wäre V Eigentümer des Fernsehers geblieben. Etwas anderes würde nur gelten, wenn mit Verjährungseintritt das Eigentum am Fernseher automatisch auf K übergegangen wäre. Da der Eigentumsvorbehalt gerade die Zahlung des Kaufpreisanspruchs des V sichern sollte, dieser Anspruch jedoch mittlerweile verjährt und damit nicht mehr durchsetzbar war (§ 222 BGB a.F.), könnte man der Meinung sein, daß der Eigentumsvorbehalt nach Verjährung der zu sichernden Forderung wegfällt. Diese Überlegung trägt jedoch letztlich nicht, da schließlich auch der Kaufpreisanspruch gem. § 433 II BGB nach Eintritt der Verjährung bestehen bleibt, nur dessen Erfüllung nicht mehr erzwungen werden kann. V blieb also Eigentümer des Fernsehers. Der geschlossene Kaufvertrag gab dem K jedoch grundsätzlich ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I BGB. Weil der Rücktritt des V, wie gesehen, ausgeschlossen war, blieb der Kaufvertrag auch weiterhin bestehen. Ein derartiges dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz sollte jedoch nach Möglichkleit vermieden werden143. Ganz überwiegend wurde daher auf Fälle dieser Art § 223 II BGB a.F. analog angewandt, da die Sicherung durch Eigentumsvorbehalt der dort behandelten Übertragung eines Rechts als Sicherheit vergleichbar sei144. Der Unterschied liegt allein darin, daß gerade nur eine bedingte Übertragung 142 Palandt-Heinrichs § 284 Rn.11 Medicus BR Rn.294 144 BGH NJW 1979 S.2195,2196; Palandt-Heinrichs § 223 Rn.3; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung Band I S.441 ff.; a.A.Staudinger-Peters § 223 Rn.10 143 29 stattfindet, zudem leistet ausnahmsweise der Verkäufer als eigentlicher Gläubiger selbst die Sicherheit. Der Verkäufer sollte daher seine unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Sache trotz Verjährung herausverlangen können gem. § 985 BGB. Teilweise wurde allerdings vertreten, daß dies nur zum Zwecke der Verwertung geschehen dürfe, ein dabei anfallender Überschuß sei an den Käufer auszukehren145. Lösung nach neuem Recht: Die aufgezeigte, bislang erst mittels Analogie gewonnene Lösung der Problematik ergibt sich nunmehr aus dem Gesetz selbst (§ 216 II 2 BGB). Die Reform hat damit lediglich die bisherige Rechtsprechung umgesetzt146. Da der Gesetzgeber trotz Kenntnis der entsprechenden Ansichten in der Literatur nicht bestimmt hat, daß die Herausgabe nur zum Zwecke der Verwertung verlangt werden könne, darf man davon ausgehen, daß der Vorbehaltsverkäufer die Herausgabe ohne Einschränkung verlangen kann147. Zu beachten ist für den Eigentumsvorbehalt desweiteren: Die Entbehrlichkeit einer Nachfristsetzung gem. § 455 BGB a.F. entfällt, der Rücktritt richtet sich jetzt nach der allgemeinen Norm des § 323 BGB. 145 Palandt-Heinrichs § 223 Rn. 3; Serick a.a.O.; BT-Drs.14/6040 S.123 147 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz Fälle zum neuen Schuldrecht S.335 146