Universität Rostock Institut für Mathematik VORKURS MATHEMATIK: TEIL ANALYSIS Friedrich Liese 15. September 2014 1 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 2 3 4 5 Das 1.1 1.2 1.3 1.4 Rechnen im Bereich der reellen Zahlen Reelle Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechenregeln: Vertauschungs-und Klammerregeln Bruchrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechnen mit Ungleichungen und Beträgen . . . . . . . . . . . . Potenzen, Wurzeln und Logarithmen 2.1 Potenzen mit ganzzahligen Exponenten . . . . . . . 2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz . . . . . . 2.2.1 Binomial-Koeffizienten . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Binomischer Lehrsatz . . . . . . . . . . . . . 2.3 Potenzen mit rationalen und irrationalen Exponenten 2.4 Logarithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reelle Funktionen 3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen . . . 3.2.1 Beschränktheit . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Monotonie . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Gerade und ungerade Funktionen . . . . 3.2.4 Periodische Funktionen . . . . . . . . . . 3.2.5 Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Mittelbare Funktionen . . . . . . . . . . 3.2.7 Vererbung qualitativer Eigenschaften . . 3.2.8 Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 3 6 9 . . . . . . 11 11 13 13 15 16 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 19 23 23 24 25 26 26 28 29 30 Elementare Funktionen 4.1 Polynome und rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . 4.2 Gebrochen-rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Potenzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Exponential-und Logarithmusfunktion . . . . . . . . . . . 4.5 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Arkusfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Weitere elementare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen 4.8.1 Lineare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2 Quadratische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 4.8.3 Weitere Gleichungen für elementare Funktionen . . 4.9 Numerische Lösungen von Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 31 32 32 33 35 36 36 37 37 37 39 41 . . . . . 42 42 45 46 47 49 Differentialrechnung 5.1 Der Begriff der Ableitung . . . . . . . 5.2 Monotonie und Ableitung . . . . . . . 5.3 Extremstellen . . . . . . . . . . . . . 5.4 Konvexität, Konkavität, Wendepunkte 5.5 Kurvendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis 6 Integralrechnung 6.1 Bestimmtes Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung . . . 6.3 Berechnung unbestimmter und bestimmter Integrale 6.4 Flächenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 50 51 53 55 1.1 Reelle Zahlen 1 Das Rechnen im Bereich der reellen Zahlen 1.1 Reelle Zahlen Bereits aus der Schule sind verschiedene Typen von Zahlen bekannt, die alle zu der umfassenden Menge der reellen Zahlen gehören. Wir starten mit der Menge der natürlichen Zahlen 1, 2, ... . Diese Zahlen bezeichnen in der Regel Anzahlen. Das kann die Anzahl von Personen in einem bestimmten Raum, die Anzahl der Universitäten in Deutschland oder Ähnliches sein. Die Zahl 0 bezeichnet dann z.B. die Situation, dass sich keine Person in dem betreffenden Raum befindet. Die Menge {0, 1, 2, ...} ist die Menge der natürlichen Zahlen, die wir stets mit N bezeichnen. Nimmt man die negativen Zahlen −1, −2, ... hinzu, so erhält man alle ganzen Zahlen G = {..., −3, −2 − 1, 0, 1, 2, 3, ...}. Wir haben hierbei die geschweiften Klammern {....} als Symbol für eine Menge verwendet. Es handelt sich also hier und im Weiteren um die Menge der Elemente, die in der geschweiften Klammer aufgeführt sind. Die nächste größere Klasse sind die so genannten rationalen Zahlen, die man als Quotient von ganzen Zahlen erhält, wo der Nenner natürlich nicht Null sein darf. Will man z.B. 2 Pizzen gerecht zwischen drei Personen aufteilen, so erhält jede Person 23 einer Pizza. Wir können rationale Zahlen auch als Dezimalbruch schreiben. Es gilt z.B. 2 117 1 = 0, 25; = 0, 6666.... , = −0, 243243243... 4 3 −481 Wir sehen also, dass rationale Zahlen stets darstellbar sind als abbrechende Dezimalzahlen oder als unendliche aber periodische Dezimalzahlen, wobei prinzipiell jede natürliche Zahl als Periode auftreten kann. Darüber hinaus gibt es√auch reelle Zahlen, die nicht so darstellbar sind, also keine rationalen Zahlen sind. So ist z.B. 2 keine rationale Zahl. Weitere Beispiele sind die Kreiszahl π, deren Anfangsziffern gegeben sind durch 3, 1415927 und die Eulersche Zahl e, deren erste Ziffern lauten 2, 7182818. Solche nicht abbrechenden oder nicht periodischen Dezimalzahlen nennt man irrationale Zahlen. Die rationalen und die irrationalen Zahlen bilden zusammen die Menge R der reellen Zahlen. Eine anschauliche Vorstellung von den reellen Zahlen gewinnt man mittels der Zahlengeraden. Das ist eine horizontale Strecke, auf der der Nullpunkt fixiert ist und von dort eine Einheitsstrecke abgetragen ist, womit die Zahl 1 festgelegt ist. Alle anderen Zahlen sind dann auf dieser Geraden fixiert. Ganze Zahlen haben einen Abstand vom Nullpunkt, der ein ganzzahliges Vielfaches der Länge der Einheitsstrecke ist. Unterteilt man die Einheitsstrecke in q Strecken gleicher Länge, so hat jede dieser Strecken die Länge q1 . Fügt man p dieser kleinen Strecken zusammen, so hat die neue Strecke die Länge qp . Rationale Zahlen entstehen also durch Zerlegen von großen Strecken in kleine gleichlange Strecken und durch Zusammenfügen dieser kleinen Strecken. Wir fassen unsere Betrachtungen zusammen. Reelle Zahlen sind Punkte auf der Zahlengeraden. Sie können ganzzahlig, rational oder irrational sein. Alle reellen Zahlen können als Dezimalzahlen geschrieben werden, die entweder endlich viele oder unendlich viele Ziffern hat. Eine Zahl ist genau dann rational, wenn sie als Dezimalzahl mit endlich vielen Ziffern oder als periodische Dezimahlzahl geschrieben werden kann. Irrationale Zahlen haben unendlich viele Stellen, die nicht periodisch auftreten. Wichtige Beispiele sind Wurzeln, die Kreiszahl π und die Eulersche Zahl e. 1.2 Rechenregeln: Vertauschungs-und Klammerregeln Im Bereich R der reellen Zahlen sind die vier Grundrechenarten erklärt. Das sind die Addition, die Subtraktion, die Multiplikation und die Division mit Ausnahme der Null. Beim Ausführen dieser Rechenoperationen treten bestimmte Gesetzmäßigkeiten auf, die zu beachten sind. Es gilt z.B. 3 + 4 = 4 + 3 4 1.2 Rechenregeln: Vertauschungs-und Klammerregeln oder 3 · 4 = 4 · 3. Die linke Seite der ersten Gleichung besagt, dass man ausgehend von der Zahl 3 auf der Zahlengeraden vier Einheitsschritten nach rechts geht. Die rechte Seite besagt, dass man beginnend mit 4 drei Schritte nach rechts geht. Man gelangt immer zur Zahl 7. Um solche und ähnliche Aussagen allgemein, knapper und in übersichtlicher Form formulieren zu können, arbeitet man mit allgemeinen Zahlen (Buchstaben), die dann alle möglichen Werte annehmen können. Nur durch das Rechnen mit allgemeinen Zahlen gelangt man in der Mathematik zu allgemein gültigen Aussagen. Wir erinnern zunächst an die so genannten Kommutativgesetze oder Vertauschungsgesetze. Es gilt 3 + 7 = 7 + 3 = 10 und 3 · 7 = 7 · 3 = 21. Allgemein formuliert führen diese Aussagen zu den Kommutativgesetzen der Addition und der Multiplikation a + b = b + a, a · b = b · a, a, b ∈ R a, b ∈ R. Hierbei bedeutet a, b ∈ R, dass die entsprechende Aussage für alle reellen Zahlen a, b gelten soll. Die oben formulierten Kommutativgesetze gelten nicht nur für zwei Summanden oder Faktoren, sondern auch für eine größere Anzahl von Summanden und Faktoren. Beispiele: 1. x +y +a+5=5+x +y +a =a+y +5+x, weitere Gleichheiten könnte man hinzufügen. 2. Kommutativgesetze werden verwendet, um gleichnamige Glieder zusammenzufassen. Es gilt 2 + x + a + 5 + 3x + 4a = 7 + 4x + 5a und 6abx · 7 = 6 · 7 · abx = 42abx. Der Malpunkt · kann geschrieben oder weggelassen werden. Wenn man konkrete Zahlen am Ende hat wird er in der Regel geschrieben: 6ac · 7 bzw. man setzt eine Klammer (6ac)7. Auch bei gleichen Faktoren schreibt man den Malpunkt: a · x · x · a = a2 · x 2 . Weitere Gesetze sind die Assoziativgesetze der Addition und der Multiplikation (a + b) + c = a + (b + c), (ab)c = a(bc), a, b, c ∈ R a, b, c ∈ R. Das Assoziativgesetz der Addition besagt inhaltlich, dass es bei der Addition von drei reellen Zahlen gleichgültig ist, ob man zuerst die beide ersten Zahlen addiert und danach die dritte Zahl addiert oder zuerst die beiden letzten Zahlen addiert und danach die erste Zahl. Man kann also Klammern beliebig setzen und schreibt deshalb auch kürzer durch Weglassen der Klammern (a + b) + c = a + (b + c) = a + b + c, a, b, c ∈ R. Eine analoge Interpretation gilt für die Multiplikation und wir erhalten durch Weglassen der Klammern (ab)c = a(bc) = abc, a, b, c ∈ R. Die Operationen Addition und Multiplikation werden durch das Distributivgesetz miteinander verknüpft. Es lautet a(b + c) = ab + ac, a, b, c ∈ R. Das Distributivgesetz besagt, dass man einen Faktor vor einer Klammer auf beide Summanden anwenden muss. Das gilt entsprechend, wenn in der Klammer mehr als ein Summand steht. Beispiele: 1. a(b + c + d + e) = ab + ac + ad + ae, a, b, c, d, e ∈ R. 5 1.2 Rechenregeln: Vertauschungs-und Klammerregeln 2. (x1 + x2 + ... + xn )y = x1 y + x2 y + ... + xn y 3. b(7a + 5b + c) = 7ab + 5b2 + bc Das Distributivgesetz ist auch Grundlage für das Multiplizieren von Klammern: (a + b)(c + d) = a(c + d) + b(c + d) = ac + ad + bc + bd. Beim Ausmultiplizieren zweier in Klammern stehender Summen muss man jedes Glied der einen Klammer mit jedem Glied der anderen Klammer multiplizieren und die entstehenden Produkte addieren. Beispiele: 1. (x + 2y )(4a + 3b) = 4ax + 3bx + 8ay + 6by 2. (6a + 2b + 4c)(4a + 4b + 5c) = 24a2 + 24ab + 30ac + 8ab + 8b2 + 10bc +16ac + 16bc + 20c 2 = 24a2 + 32ab + 46ac + 8b2 + 26bc + 20c 2 . Das Distributivgesetz kann auch verwendet werden, um gemeinsame Faktoren auszuklammern und so Terme zu vereinfachen. Wenn ein Faktor in jedem Glied einer Summe auftritt, dann kann man diesen Faktor ausklammern. Beispiele: 1. abc + ad + 4a = a(bc + d + 4) 2. 2xy + 4x 2 y 2 + 8xy z = 2xy (1 + 2xy + 4z). Wir wenden uns jetzt den Vorzeichenregeln zu. Ist a eine reelle Zahl, also ein Punkt auf der Zahlengeraden, so erhält man durch Spiegelung am Nullpunkt die entgegengesetzte Zahl −a. Ist a positiv dann liegt a rechts vom Nullpunkt. Die Zahl −a ist dann negativ und liegt links der Null. Ist a negativ, so ist −a positiv. Es gelten folgende Vorzeichenregeln a − b = a + (−b) −(−a) = a (−a)b = a(−b) = −(ab) = −ab (−a)(−b) = ab. Die erste Vorzeichenregel besagt, dass man die Differenz durch Addieren der entgegengesetzten Zahl erhält. Die zweite und die vierte Regel entsprechen den Merksätzen ’Minus mal Minus ist Plus’. Der Merksatz für die dritte Regel ist ’Minus mal Plus ist Minus’. Diese Regel ist sinngemäß auch in Kombination mit dem Distributivgesetz anzuwenden. Beispiele: 1. (−3)(a + b − c) = −3a − 3b + 3c 2. 6a(−3a + 5b − c) = −18a2 + 30ab − 6ac 3. (x − y )(x + 2y )(a − b) = (x 2 + 2xy − xy − 2y 2 )(a − b) = (x 2 + xy − 2y 2 )(a − b) = ax 2 − bx 2 + axy − bxy − 2ay 2 + 2by 2 6 1.3 Bruchrechnung Durch Ausmultiplizieren des Produktes von zwei Klammern erhält man (a + b)2 = (a + b)(a + b) = a2 + ab + ba + b2 = a2 + 2ab + b2 (a − b)2 = (a − b)(a − b) = a2 − ab − ba + b2 = a2 − 2ab + b2 (a + b)(a − b) = a2 − ab + ba − b2 = a2 − b2 . Zusammenfassend erhalten wir die drei binomischen Formeln. (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 (a + b)(a − b) = a2 − b2 1. binomische Formel 2. binomische Formel 3. binomische Formel 1.3 Bruchrechnung Zur Zeit des Rechenmeisters Adam Ries, im 16. Jahrhundert, galt die Bruchrechnung als besonders schwierig. Auch heute haben einige Menschen damit Probleme. Besonders einfach sind die Multiplikation und die Division von Brüchen: ac a c · = (1) b d bd Für die Division gilt a ad a d b · = (2) c = b c bc d Man multipliziert Brüche, indem man Zähler und Nenner jeweils multipliziert.Man dividiert einen Bruch durch einen zweiten Bruch, indem man den ersten Bruch mit dem Kehrwert des zweiten Bruchs multipliziert. Beispiele: 1. xy x x 2y · = 2 a ab a b 2. 2(a − b) a + b 2(a − b)(c − d) : = c c −d c(a + b) An diesem Beispiel sieht man, dass die Bruchstriche gleichzeitig die Funktion einer Klammer haben. Werden sie in ihrer Eigenständigkeit im ersten Schritt aufgehoben, so muss man Klammern setzen. Setzt man in (1) b = 1 und in (2) d = 1 bzw. b = 1 so gilt a· c ac = d d a :c = b b a: = c a b c 1 a 1 b c a bc ac = b = Man multipliziert einen Bruch mit einer Zahl, indem man den Zähler mit dieser Zahl multipliziert und den Nenner unverändert läßt. Man dividiert einen Bruch durch eine Zahl, indem man den Nenner mit dieser Zahl multipliziert und den Zähler unverändert läßt. Man dividiert eine Zahl durch einen Bruch, indem man diese Zahl mit dem Kehrwert des Bruchs multipliziert. 7 1.3 Bruchrechnung Beispiele: 1. 7· 2. x 5 35 = 3 3 x2 − 1 x3 − x = y y 3. x2 − y2 x −y x +y x −y + = + (x − y ) x +y y x +y y 1 x +y = (x − y )( + ) x +y y 4. xy z x2 xy y = 2 x z xz α−b 7a + 7b = 7(a + b) = 7(a − b) a+b a+b a−b = Setzt man in der Regel (1) d = c, so ergeben sich die Regeln für das Kürzen und das Erweitern. ac a = . bc b Hat ein Bruch im Zähler und Nenner einen gemeinsame Faktor, so kann dieser Faktor gekürzt, d.h. weggelassen werden. In einem Bruch kann man den Zähler und den Nenner mit derselben Zahl multiplizieren, ohne den Wert zu ändern. Beispiel: 1. 2−x 1 2−x = = 4 − x2 (2 − x)(2 + x) 2+x 2. a(a + 5b) a + 5b a2 + 5ab = = . a2 c a(ac) ac Das Erweitern von Brüchen mit −1 liefert die Vorzeichenregeln. − a a −a = (−1) · = b b b 1 a a · = . = −1 b −b Beispiel: x −y y −x y −x = − 2 =− 2 2 2 y −x y −x (y − x)(y + x) 1 = − y +x Die Addition und die Subtraktion von Brüchen ist einfach, wenn die Brüche gleiche Nenner haben. Man sagt dann auch, dass sie gleichnamig sind. a b a+b + = c c c a b a−b − = c c c 8 1.3 Bruchrechnung Gleichnamige Brüche werden addiert oder subtrahiert, indem man ihre Zähler addiert bzw. subtrahiert und den gleichnamigen Nenner unverändert lässt. Beispiele: 1. a c −d a+c −d + = 3b 3b 3b 2. a c −d a−c +d − = 3b 3b 3b Sind Brüche nicht gleichnamig, so können sie nicht direkt addiert oder subtrahiert werden. Durch Erweitern der Brüche muss man sie erst gleichnamig machen. Man muß einen gemeinsamen Nenner finden, der Hauptnenner genannt wird a c ad bc ad + bc + = + = . b d bd bd bd Entsprechend kann man auch bei drei und mehr Brüchen vorgehen: a b c ay z − bxz − cxy − − = . x y z xy z Es ist nicht immer notwendig und günstig den Hauptnenner als Produkt der einzelnen Nenner zu ermitteln. Beispiel: a b c ay 2 + by − c + − 2 = . x xy xy xy 2 Bei ganzen Zahlen als Nenner ist das kleinste gemeinsame Vielfache der einfachste Nenner. Wir erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass das kleinste gemeinsame Vielfache (kgV) von natürlichen Zahlen gerade die kleinste natürliche Zahl ist, in der diese Zahlen als Faktor vorkommen. Wir fassen die Überlegungen zum Hauptnenner zusammen. Zur Bildung der Summe und der Differenz von Brüchen benötigt man den Hauptnenner. Bei seiner Bestimmung sucht man einen Ausdruck, in dem alle beteiligten Nenner als Faktoren enthalten sind. Das Produkt aller Nenner leistet das. Oft gibt es einfachere Ausdrücke. Sind die Nenner natürliche Zahlen, so ist das kgV der kleinste Hauptnenner. Beispiele: 1. 1 7 1·3−1·2+6·7 43 1 − + = = 8 12 4 24 24 Hierbei ist das kgV von 8, 12 und 4 gerade 24. 2. x 2x y + + y −x x +y x −y x 2x y + + x −y x +y x −y y −x 2x 2x = + = −1 + x −y x +y x +y 2x − x − y x −y = = x +y x +y = − 9 1.4 Rechnen mit Ungleichungen und Beträgen 1.4 Rechnen mit Ungleichungen und Beträgen Bei der Einführung der reellen Zahlen hatten wir diese mit den Punkten auf der Zahlengeraden identifiziert. Man sagt, dass eine reelle Zahl a kleiner als die reelle Zahl b ist, falls a links von b liegt. Wir schreiben dann a < b. Wir schreiben a ≤ b falls a entweder (echt) links von b liegt, also a < b gilt oder a = b erfüllt ist. Liegt a (echt) rechts von b, so schreiben wir a > b. Ist auch a = b zugelassen, so drücken wir das durch a ≥ b aus. Die reelle Zahl a heißt positiv, falls a > 0 gilt, sie heißt nicht negativ, falls a ≥ 0 gilt. Die Relationen ’<’ und ’≤’ sind transitiv 3 < 4 und 4 < 12 ergibt 3 < 12. Zur Formulierung von Aussagen werden wir oft den Doppelpfeil ⇐⇒ verwenden. Er bedeutet, dass die Aussage auf der linken Seite des Pfeils genau dann gilt, wenn die Aussage auf der rechten Seite des Pfeils gilt. Wird der Pfeil =⇒ verwendet, so bedeutet dies, dass aus der Aussage links die Aussage rechts folgt. a < b ⇐⇒ a + c < b + c a < b ⇐⇒ a − c < b − c Eine Ungleichung bleibt bestehen, wenn auf beiden Seiten die gleiche Zahl addiert oder subtrahiert wird. Beispiele: 1. −6 < −3 | + 5 =⇒ −1 < 2 2. 8 < 17 | − 12 =⇒ −4 < 5 Bei der Multiplikation bzw. Division einer Ungleichung mit einer Zahl gelten folgende Rechengesetze. a < b ⇐⇒ ac < bc a < b ⇐⇒ ac > bc falls c > 0 falls c < 0 Diese Rechenregeln sind gleichzeitig die Rechenregeln für die Division, wenn man c durch 1/d ersetzt. Eine Ungleichung darf mit einer positiven Zahl multipliziert und durch eine positive Zahl dividiert werden, ohne dass sich die Ungleichung ändert. Ist die Zahl negativ, so muß das Ungleichheitszeichen umgekehrt werden. Sind die Seiten einer Ungleichung beide positiv oder beide negativ, so kann man auf beiden Seiten zum Kehrwert übergehen, wenn man das Ungleichheitszeichen umkehrt. Beispiele: 1. |·3 ⇐⇒ 22, 8 < 30. | · (−2) ⇐⇒ −14 > −20. 7, 6 < 10 2. 7 < 10 3. 7 < 10 1 1 > . 7 10 =⇒ 4. −3 < −2 =⇒ − 1 1 >− . 3 2 5. Für welche x ist −3x + 2 < 4x − 9 ? −3x + 2 < 4x − 9 ⇐⇒ 2 + 9 < 4x + 3x ⇐⇒ 11 11 < 7x ⇐⇒ x > . 7 10 1.4 Rechnen mit Ungleichungen und Beträgen Unter dem Betrag einer Zahl a (bezeichnet mit |a|, gelesen ’Betrag von a’) versteht man den Abstand des Punktes a auf der Zahlengeraden zum Punkt 0. Der Abstand ist nie negativ und der Betrag kann auch so ausgedrückt werden: a für a ≥ 0 . |a| = −a für a < 0 Hierbei ist zu beachten, dass trotz des Minus in der zweiten Zeile der Betrag immer nicht negativ ist, weil für negatives a die Zahl −a positiv ist. Weiterhin bemerken wir |a| = | − a|, was aus der Tatsache folgt, dass a und −a den gleichen Abstand zum Nullpunkt haben. Wir wollen jetzt den Betrag verwenden, um den Abstand von zwei reellen Zahlen einzuführen. |a − b| ist der Abstand von a und b. Für den Betrag gilt die Dreiecksungleichung |a + b| ≤ |a| + |b|. (3) Es ist unmittelbar klar, dass in dieser Ungleichung das Gleichheitszeichen steht, wenn gilt a ≥ 0 und b ≥ 0 oder a ≤ 0 und b ≤ 0 gilt. Liegen unterschiedliche Vorzeichen vor, dann heben sich Teile dieser Zahlen bei der Summenbildung weg und man hat dann des Kleinerzeichen. Beispiele: 1. Die Zahlen a = −8 und b = 4 haben den Abstand 12, weil a 8 Einheiten links vom Nullpunkt und b 4 Einheiten rechts vom Nullpunkt liegt. Es gilt |a − b| = | − 8 − 4| = | − 12| = 12. 2. Für a = 4 und b = 7 ist der Abstand 3 Einheiten |4 − 7| = | − 3| = 3. 3. Sei a = 4 und b = 2. Dann gilt |a + b| = |6| = 6. Es gilt also das Gleichheitszeichen in der Dreiecksungleichung. Das liegt daran, dass a und b beide positiv sind. 4. Sei a = 10 und b = −3. Dann gilt |a + b| = |10 − 3| = 7 |a| + |b| = |10| + | − 3| = 10 + 3 = 13. Es gilt also das Kleinerzeichen 7 < 13 in der Dreiecksungleichung, was daran liegt, dass a und b unterschiedliche Vorzeichen haben. Das Rechnen mit Ungleichungen soll jetzt mit dem Rechnen mit dem Betrag kombiniert werden. Beispiel: Wir fragen nach allen x, für die gilt |x − 2| ≤ 4. Wir müssen zwei Fälle unterscheiden. 1. Fall: x − 2 ≥ 0. Dann gilt |x − 2| = x − 2 ≤ 4 x ≤ 6. 2. Fall x − 2 < 0. Dann gilt |x − 2| = 2 − x ≤ 4 −x ≤ 2 =⇒ x ≥ −2. Insgesamt gilt also −2 ≤ x ≤ 6. Dieses Ergebnis erhält man auch durch Betrachtung auf der Zahlengeraden, weil −2 und 6 gerade den maximalen Abstand 4 von der Zahl 2 haben. 11 2.1 Potenzen mit ganzzahligen Exponenten 2 Potenzen, Wurzeln und Logarithmen 2.1 Potenzen mit ganzzahligen Exponenten Ähnlich wie man für die Summe von n gleichen Zahlen a + ... + a auch na schreiben kann, führen wir jetzt eine entsprechende Bezeichnung für das Produkt ein. Wir setzen für jede reelle Zahl a und jede natürliche Zahl n an = a| · a {z · ... · a} . (4) n Faktoren Dieser Ausdruck wird gelesen als a hoch n. an heißt die n−te Potenz von a. a ist die Basis und n heißt der Exponent. Wir erweitern jetzt diesen Begriff auf negative Potenzen und auf die Potenz mit Exponenten Null. Zunächst setzen wir für a 6= 0 a0 = 1 und für n = 1, 2, ... a−n = (5) 1 1 1 · · ... · a} |a a {z n Faktoren Beispiele: 1. (−2)4 = (−2) · (−2) · (−2) · (−2) = 16 . 2. (2a − b)4 = (2a − b) · (2a − b) · (2a − b) · (2a − b) = 16a4 − 32a3 b + 24a2 b2 − 8ab3 + b4 . 3. x −3 y −2 = 1 . x 3y 2 Addieren und subtrahieren lassen sich Potenzen nur, wenn sie in der Basis und im Exponenten übereinstimmen. Beispiel: 7x 3 + 3x 2 + 6x − 1 − (2x 3 − x 2 + x − 7) = 5x 3 + 4x 2 + 5x + 6 Wir betrachten jetzt Produkte und Quotienten von Potenzen. Es gilt an bn = a| · a{z· · · a} · b | · b{z· · · b} n Faktoren n Faktoren = (ab) · (ab) · · · (ab) = (ab)n . | {z } n Faktoren Eine entsprechende Aussage ergibt sich, wenn b durch folgende Aussage 1 b ersetzt wird. Damit erhalten wir insgesamt Potenzen mit gleichen Exponenten werden multipliziert (dividiert), indem man die Basen multipliziert (dividiert) und die Exponenten unverändert läßt. Ein Bruch wird potenziert, indem man Zähler und Nenner potenziert und die entsprechenden Potenzen dividiert. an bn = (ab)n an a n = ( ) . bn b 12 2.1 Potenzen mit ganzzahligen Exponenten Beispiele: 1. (−2ab)4 = (−2)4 a4 b4 = 16a4 b4 2. (q − 1)3 (q + 1)3 = ((q − 1)(q + 1))3 = (q 2 − 1)3 3. 2x−3y 4 4 4x 2 −9y 2 8 2x−3y 4 4x 2 −9y 2 8 4 = = !4 = 8(2x − 3y ) 4(4x 2 − 9y 2 ) 2(2x − 3y ) (2x − 3y )(2x + 3y 4 = 4 2 2x + 3y 4 . Nachdem wir oben die Multiplikation und Division von Potenzen mit gleichem Exponenten betrachtet hatten, wollen wir jetzt Potenzen mit gleicher Basis untersuchen. Es gilt für natürliche Zahlen m und n an am = |a · a {z · ... · a} · a| · a {z · ... · a} n Faktoren m Faktoren m+n = |a · a {z · ... · a} = a . n+m Faktoren Also haben wir an am = an+m . (6) Es läßt sich zeigen, dass diese Aussage erhalten bleibt, wenn eine oder beide der Zahlen m, n negativ sind. Außerdem ergibt sich durch mehrfache Anwendung von (6), dass das Potenzieren einer Potenz der Potenz mit dem Produkt der Exponenten entspricht, d.h. es gilt (am )k = ak·m . Damit haben wir für ganzzahlige Exponenten folgende Potenzgesetze erhalten. Potenzen mit gleicher Basis werden multipliziert, indem die Exponenten addiert werden. Sie werden dividiert, indem die Exponenten subtrahiert werden. Eine Potenz wird potenziert, indem die Exponenten multipliziert werden. Es gelten also für alle ganzen Zahlen m, n und p die Potenzgesetze an am = an+m (an )p = an·p (7) Beispiele: 1. x −3 y −2 = 1 1 1 · 2 = 3 2 3 x y x y 2. Der Bruch x 2 y −3 z 5 u −2 v −1 soll so umgeformt werden, dass keine Potenzen mit negativen Exponenten vorkommen. x 2 y −3 z 5 = u −2 v −1 = x 2z 5 u2v y3 = 1 1 u2 v 2 2 5 u vx z y3 13 · x 2z 5 y3 2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz 2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz 2.2.1 Binomial-Koeffizienten Wir wollen untersuchen, auf wie viele verschiedene Weisen man n Objekte anordnen kann. Dazu stellen wir uns vor, dass diese Objekte nummeriert sind und die Nummern 1, 2, ..., n tragen. Jede Anordnung der Objekte entspricht dann einer Folge von Zahlen, wobei jede Zahl genau einmal an irgendeiner Stelle auftritt. Die entsprechenden auftretenden Zahlenfolgen wollen wir in runde Klammern einschließen. Für n = 1 gibt es nur die eine Folge der Länge 1, die aus der Zahl 1 besteht. Für n = 2 erhalten wir (1, 2), (2, 1). (8) (1, 2, 3), (1, 3, 2), (2.1, 3), (2, 3, 1), (3, 1, 2), (3, 2, 1). (9) Für n = 3 ergibt sich Man sieht, dass sich ausgehend von (1, 2, 3) die anderen Folgen durch Vertauschen von Ziffern ergeben. Diese Vertauschungen nennt man auch Permutationen. Wie viele Permutationen gibt es? Diese Anzahl wird gegeben durch das Produkt der Zahlen 1, 2, ..., n. Hierfür gibt es einen speziellen Namen. n! = 1 · 2 · 3 · · · n heißt n−Fakultät. Als Ergänzung setzt man noch 0! = 1. Wir prüfen nach, ob n! gerade die Anzahl der Permutationen ist. Für n = 1 ist 1! = 1. Für n = 2 ist 2! = 1 · 2 = 2. Diese Zahl 2 entspricht den beiden Paaren in (8). Die Zahl 3! = 1 · 2 · 3 = 6 entspricht den 6 Tripeln in (9). Wie kommt man zu den Permutationen der Länge 4 ? Diese erhalten wir aus (9), indem wir die Zahl 4 jedem Tripel hinzufügen. Nehmen wir etwa (2, 3, 1), dann erhalten wir (4, 2, 3, 1), (2, 4, 3, 1), (2, 3, 4, 1), (2, 3, 1, 4). Insgesamt erhalten wir also 6 · 4 = 1 · 2 · 3 · 4 = 24 verschiedene Permutationen. Für n = 5, 6, .. kann man ähnlich argumentieren, wodurch bewiesen ist, dass n! wirklich die Anzahl der verschiedenen Permutationen ist. Ausgehend von den n Objekten wollen wir für ein festes k, 0 ≤ k ≤ n eine Gruppe von k Objekten zusammenstellen. Mathematisch gesprochen wollen wir aus der Menge {1, ..., n} eine k−elementige Teilmenge auswählen. Bei einer Menge, die immer durch geschweifte Klammern symbolisiert ist, kommt es nicht darauf an, in welcher Reihenfolge die Elemente in den Klammern aufgeführt sind. Es ist nur wichtig, ob die Elemente zu dieser Menge gehören oder nicht. So ist z.B. {1, 2, 3} = {1, 3, 2} = {2, 1, 3} = {2, 3, 1} = {3, 1, 2} = {3, 2, 1}. Wie kommen wir zur Anzahl der k−elementigen Teilmengen, die wir mit A bezeichnen wollen ? Haben wir die Teilmenge {l1 , .., lk } ausgewählt, so bleiben noch die Zahlen m1 , ..., mn−k übrig. Bauen wir hiermit eine Permutation auf, so ergibt sich (l1 , .., lk , m1 , ..., mn−k ). 14 2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz Vertauschen wir die li unter sich und die kj unter sich, ändert sich hinsichtlich der ausgewählten Menge nichts. Weil wir so durch Auswahl einer Menge und anschließende Permutationen in der Menge {l1 , .., lk } und der Restmenge {m1 , ..., mn−k } alle Permutationen erhalten, ergibt sich A · k! · (n − k)! = n! n! . k! · (n − k)! Dieser Ausdruck heißt Binomialkoeffizient und wird durch kn bezeichnet, gelesen n über k. Es gilt also n! n , k = 0, 1, ..., n. k = k! · (n − k)! A = Der Binomialkoeffizient gibt die Anzahl der verschiedenen k−elementigen Teilmengen einer Menge vom Umfang n. Aus der Definition des Binomial-Koeffizienten ergibt sich unmittelbar die folgende Symmetriebeziehung n n = k n−k . Beispiel: Sei n = 5 und k = 2. Dann gibt es die 10 zweielementigen Teilmengen {1, 2}, {1, 3}, {1, 4}, {1, 5}, {2, 3}, {2, 4}, {2, 5}, {3, 4}, {3, 5}, {4, 5}. Andererseits gilt 1·2·3·4·5 4·5 5! = = = 10. 2! · 3! 1·2·1·2·3 2 Für konkrete Rechnungen mit dem Binomial-Koeffizienten formen wir diesen noch etwas um, indem wir die Fakultäten explizit als Produkt hinschreiben und dann in dem entstehenden Bruch kürzen 5 2 n k = n! k! · (n − k)! 1 · 2 · 3 · · · (n − k) · (n − k + 1) · · · n = 1 · 2 · 3 · · · (n − k) · 1 · 2 · 3 · · · k n · (n − 1) · · · (n − k + 1) . = 1·2·3···k = Beispiel: 18 · 17 · 16 · 15 = 3060 1·2·3·4 101 · 100 · 99 101 = = 16650 3 1·2·3 18 4 = Wir betrachten eine Anwendung auf das Lottospiel. Wie viele Möglichkeiten gibt es, aus 49 Zahlen 6 Zahlen auszuwählen? Das sind 49 6 = 49 · 48 · 47 · 46 · 45 · 44 = 13983816 1·2·3·4·5·6 Möglichkeiten. Damit ist die Wahrscheinlichkeit für einen richtigen 6−er Tipp 1/13983816, also sehr klein. 15 2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz Abschließend wollen wir die Beziehung zum Pascalschen Dreieck herstellen, mit dessen Hilfe man sehr einfach die ersten Binomial-Koeffizienten berechnen kann. Die Spitze des Pascalschen Dreiecks lautet 1 1 1 1 1 1 2 3 4 1 3 6 1 4 1 Die Bildungsvorschrift besagt, dass die Zahl in der nächsten Zeile gerade die Summe der beiden Zahlen ist, die in der vorigen Zeile über dieser Zahl stehen. Durch direkte Berechnung von kn für n = 1, 2, 3, 4 erkennt man, dass die Zahlen im obigen Dreieck gerade die entsprechenden Binomial-Koeffizienten sind. Dass die Bildungsvorschrift für die Binomial-Koeffizienten auch allgemein gilt, erkennt man so n k + n k+1 n! n! + k! · (n − k)! (k + 1)! · (n − (k + 1))! n! 1 1 = ( + ) k! · (n − k − 1)! n − k k +1 n! k +1+n−k = · k! · (n − k − 1)! (n − k)(k + 1) (n + 1)! n+1 = = k+1 . (k + 1)! · (n − k)! = 2.2.2 Binomischer Lehrsatz Wir haben schon früher die binomischen Formeln kennen gelernt. Diese wollen wir jetzt auf höhere Potenzen verallgemeinern. Dazu betrachten wir zunächst Spezialfälle. Durch direktes Ausmultiplizieren erhält man (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 (a + b)3 = a3 + 3a2 b + 3ab2 + b3 (a + b)4 = a4 + 4a3 b + 6a2 b2 + 4ab3 + b4 . Wir erkennen sofort eine Gesetzmäßigkeit. In den Summen auf der rechten Seite stehen Terme der Form an b0 , an−1 b, ..., a1 bn−1 , bn a0 , die noch mit Koeffizienten behaftet sind. Durch Vergleich mit dem oben angegebenen Pascalschen Dreieck erkennt man, dass dies gerade die Binomial-Koeffizienten sind. Diese Aussage gilt nun nicht nur bis n = 4, sonders ist allgemein gültig. Will man (a + b)n = (a + b) · (a + b) · · · (a + b) berechnen, so muss man jeden Summanden jeder Klammer mit jedem Summanden jeder anderen Klammer multiplizieren. Da es beim Produkt nicht auf die Reihenfolge ankommt, muss man also für festes k von den n Klammern k Klammern auswählen, daraus a nehmen und aus den restlichen Klammern b entnehmen und die ausgewählten Größen multiplizieren. Das gibt dann ak bn−k . Hierfür gibt es kn Auswahlmöglichkeiten. Binomischen Lehrsatz: Für alle reellen Zahlen a, b und alle natürlichen Zahlen n = 1, 2, .. gilt (a + b)n = Pn n k=0 k 16 k n−k a b . 2.3 Potenzen mit rationalen und irrationalen Exponenten Beispiele: 1. Es gilt 6 0 6 4 = 6, 62 = 15, = 15, 65 = 6, 66 = 1. = 1, 6 1 6 3 = 20 Damit folgt (a + b)6 = a6 + 6a5 b + 15a4 b2 + 20a3 b3 + 15a2 b4 + 6ab5 + b6 2. (2u − 3v )4 = (2u)4 + 4(2u)3 (−3v ) + 6(2u)2 (−3v )2 + 4(2u)(−3v )3 + (−3v )4 = 16u 4 − 96u 3 v + 216u 2 v 2 − 216uv 3 + 81v 4 2.3 Potenzen mit rationalen und irrationalen Exponenten Wir starten mit einem Beispiel aus der Zinseszinsrechnung. Jemand hat den Betrag von 13000 Euro mit einem Zinssatz von 3% angelegt. Dann besitzt er nach einem Jahr (in Euro) 13000 + 3% von 13000 = 13000(1 + 0, 03) = 13390. Er besitzt nach k Jahren 13000(1 + 0, 03)k Euro. Allgemein gilt folgende Aussage: Ist K0 das Anp fangskapital (in Euro) und ist der Zinssatz p %, mit q = 1 + 100 , so besitzt man nach n Jahren Kn = K0 q n Euro. Wir wollen jetzt aus dem Anfangskapital und dem Endkapital den Zinssatz p errechnen. Es sei bekannt, dass K0 = 13000 gilt und das Endkapital nach 6 Jahren den Wert K6 = 16929, 38 hat. Um den Zinssatz p zu ermitteln, müssen wir zunächst q bestimmen. Es gilt q 6 · 13000 = 16929, 38 16929, 38 = 1, 30226. q6 = 13000 Wir müssen jetzt diese Gleichung nach q auflösen, also das Potenzieren umkehren. Das führt zum Begriff der Wurzel. √ Die n−te Wurzel aus b ≥ 0 (geschrieben n b) ist diejenige nicht negative Zahl, deren n−te Potenz √ n n den Wert b ergibt. Die Auflösung von a = b (b ≥ 0) nach a liefert b oder √ n an = b ⇔ a = b für b ≥ 0. b heißt der Radikand, n der Wurzelexponent und a der Wurzelwert. Aus der Definition der Wurzel ergibt sich sofort folgende Rechenregel √ √ √ n n c · d = n c · d. Wir kombinieren jetzt den Begriff der Wurzel mit dem der Potenz, indem wir eine einheitliche Bezeichnung einführen. Wir setzen für b ≥ 0 √ 1 n bn = b 17 2.4 Logarithmen und führen für alle ganzen Zahlen m, n > 0 die gebrochene Potenz durch √ m n bn = bm und m 1 b− n = √ n bm ein. Es läßt sich nun zeigen, dass die Potenzgesetze (7) erhalten bleiben. Wir haben bisher die Potenz bp für rationale p erklärt. Weil man jede reelle Zahl p durch eine Folge rationaler Zahlen p1 , p2 , ... approximieren kann, also limn→∞ pn = p gilt, setzen wir bp = lim bpn . n→∞ Im Sinne einer strengen mathematischen Herleitung müßte gezeigt werden, dass dieser Limes tatsächlich existiert und von der approximierenden Folge unabhängig ist. Außerdem läßt sich zeigen, dass die Potenzgesetze (6) auch für alle reellen Zahlen x, y als Exponenten statt m und n richtig bleiben. Obwohl die allgemeine Potenz bx später noch systematisch als Funktion von x untersucht wird, bemerken wir bereits jetzt eine wichtige Eigenschaft. Jede positive Potenz einer Zahl b ≥ 1 ist wieder größer oder gleich 1. Ebenso ist jede negative Potenz einer Zahl b ≤ 1eine Zahl zwischen 0 und 1. Damit erhalten wir für b ≥ 1 folgende Eigenschaft der Potenzfunktion bx > 1 für x > 0 b0 = 1 bx < 1 für x < 0. (10) Potenzgesetze: Sind a, b positive Zahlen und x, y , p reelle Zahlen, so gilt bx · by = bx+y , (a · b)x = ax · bx (bx )p = bx·p . (11) Potenzen mit gleicher Basis werden multipliziert, indem die Exponenten addiert werden. Potenzen mit gleichen Exponenten werden multipliziert, indem die Basen multipliziert werden. Eine Potenz wird potenziert, indem die Exponenten multipliziert werden. Wegen a0 = 1 erhalten wir aus der ersten Beziehung in (11) mit y = −x b−x = Beispiele: 1. 1 . bx √ √ √ √ 1 1 10 21 7 21 3 b · b = b 3 · b 7 = b 21 = b10 = ( b)10 2. √ 7 3 3 x3 x7 − 14 7 √ = 1 = x 4 x x4 √ 12−7 5 28 = x 28 = x 28 = x 5 . 2.4 Logarithmen Zur Motivierung des Begriffs des Logarithmus gehen wir von einem Beispiel der Zinseszinsrechnung aus. Wie lange muss man 10000 Euro zu 5, 1% anlegen, um 16000 Euro zu erhalten. Wir suchen also die Zahl x mit 10000 · 1, 051x = 16000 18 2.4 Logarithmen oder mit b = 1, 051 16000 = 1, 6. (12) 10000 Wir wollen also jetzt nicht wie bei den Wurzeln nach der Basis b auflösen, sondern einen geeigneten Exponenten x finden. bx = Denjenigen Exponenten x, mit dem man die Basis b > 0, b 6= 1 potenzieren muss, um a zu erhalten, nennt man den Logarithmus von a zur Basis b. Man schreibt für diesen Exponenten x = logb a. Es gilt also bx = a b logb a = a ⇔ und x = logb a (13) x logb (b ) = x. Beispiele: 1. log10 100 = 2, weil 102 = 100 2. log5 125 = 3, weil 53 = 125 3. 1 1 1 1 log8 0, 5 = − , weil 8− 3 = √ = = 0, 5 3 3 2 8 Die Logarithmen im obigen Beispiel konnten wir nur angeben, weil man den gesuchten Exponenten, also den Logarithmus, leicht erraten kann. Um die allgemeine Situation zu behandeln, untersuchen wir, wie Logarithmen mit verschiedenen Basen miteinander zusammenhängen. Es seien b1 , b2 zwei positive Zahlen, die uns als Basen für Logarithmen dienen sollen. Dann gilt nach der Definition des Logarithmus logb a logb b2 a = b2 2 und b2 = b1 1 . Also log b logb a (logb b2 )(logb2 a) 2 2 b a = b1 1 = b1 1 . Das ergibt logb1 a = (logb2 a)(logb1 b2 ). (14) Wir betrachten jetzt spezielle Basen für Logarithmen. Zunächst sei b = 10. Die zugehörigen Logarithmen nennt man die dekadischen Logarithmen und bezeichnet sie einfach mit log . Es gilt also a = 10log a . 1 = −1, log 100 = 2, .... Weiterhin ergibt sich Speziell erhalten wir hieraus log 1 = 0, log 10 = 1, log 10 aus (14) mit b2 = b und b1 = 10 log a = (logb a)(log b) log a . logb a = log b (15) Wir betrachten jetzt eine sehr spezielle Zahl, nämlich die Eulersche Zahl e, als Basis für den Logarithmus. Zunächst soll e motiviert werden. Dazu stellen wir uns vor, dass jemand bei einer Geldanlage von 1000 Euro einen Zins von 100% bekommt. Dann hat nach einem Jahr (in Euro) (1 + 1)1 · 1000 = 2 · 1000. 19 3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen Stellen wir uns vor, dass monatlich mit (100/12)% verzinst wird. Dann hat der Geldanleger nach einem Jahr 1 (1 + )12 · 1000 Euro = 2, 61303 · 1000 Euro. 12 Wird jetzt täglich verzinst, so ist der Betrag (1 + 1 365 ) · 1000 Euro = 2, 71456 · 1000 Euro. 365 Vergleicht man die erhaltenen Faktoren, so sieht man, dass sich diese Faktoren der Eulerschen Zahl e nähern. Man kann nachweisen, dass folgende Grenzbeziehung besteht 1 lim (1 + )n = e = 2, 71828183... . n→∞ n Nimmt man diese Zahl als Basis, so nennt man den zugehörigen Logarithmus den natürlichen Logarithmus und bezeichnet ihn mit ln . Die Werte von ln a kann man im Allgemeinen nur mit numerischen Methoden ermitteln, die in jedem Taschenrechner implementiert sind. Wir wollen jetzt wichtige Rechenregeln angeben, die für jeden Logarithmus gültig sind und sich aus den Potenzgesetzen 11 ergeben. Logarithmengesetze: Für positive Zahlen x, y eine positive Basis b 6= 1 und jede reelle Zahl p gilt logb (x · y ) = logb x + logb y logb ( yx ) = logb x − logb y logb (x p ) = p · logb x Obwohl die Verwendung der zunächst etwas künstlichen Basis e unnötig kompliziert erscheint, hat gerade der natürliche Logarithmus eine zentrale Stellung in der Mathematik. Deshalb und weil man durch die einfache Umrechnung in (15) den Logarithmus zur Basis a auf den natürlichen Logarithmus zurückführen kann, arbeitet man eigentlich nur mit dem natürlichen Logarithmus und verwendet dabei die Beziehungen bx = e x·ln b und ln(bx ) = x ln b, (16) die sich aus der Rechenregel (15) ergeben. Beispiel: Wir wollen zu dem einführenden Beispiel zurückkehren und die Gleichung (12) lösen. Durch Logarithmieren erhält man mit Hilfe von (16) x ln b = ln 1, 6 ln 1, 6 = (Taschenrechner) x = ln 1, 051 = 9, 45. Bei einem Prozentsatz von 5, 1 benötigt man 9, 45 Jahre, damit sich das Kapital von 1000 Euro auf 1600 Euro erhöht. 3 Reelle Funktionen 3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen In unzähligen Situationen des täglichen Lebens und in der Wissenschaft hängen bestimmte Größen (Variablen) von anderen Größen (Variablen) ab und das Ziel der Untersuchungen besteht gerade 20 3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen darin, diese Abhängigkeit zu ermitteln, um damit Gesetzmäßigkeiten in der Physik, Technik oder der Ökonomie zu formulieren. Innermathematisch dienen Funktionen zum Aufbau eines mathematischen Apparates, mit dessen Hilfe sich z.B. geometrische Zusammenhänge beschreiben lassen. Beispiele 1. Unter fixierten Bedingungen hängt der Energieverbrauch einer Anlage von der Zeit ab. 2. Der Bremsweg eines bestimmten PKW in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit. 3. Die Größe eines Rechtecks in Abhängigkeit von der Länge a und der Breite b. Typisch für die obigen Situationen ist folgende Konstellation. Gegeben ist eine bestimmte Menge, z.B. die Menge aller reellen Zahlen und eine Zuordnungsvorschrift, die jedem Objekt dieser Menge eine reelle Zahl zuordnet. Gegeben sei eine Menge X und eine Teilmenge D ⊆ X . Wenn jedem x ∈ D in eindeutiger Weise eine reelle Zahl y zugeordnet ist, so sagt man, y ist eine Funktion von x, und man schreibt y = f (x). Die Menge D, oder auch durch D(f ) bezeichnet, heißt die Definitionsmenge oder der Definitionsbereich. Die Menge W(f ), die aus allen möglichen Funktionswerten besteht, heißt der Wertebereich von f . Die Größe x heißt die unabhängige Variable oder das Argument, die Größe y heißt die abhängige Variable oder der Funktionswert und f ist das Symbol für die Zurodnungsvorschrift. Um den Definitionsbereich hervorzuheben schreiben wir auch f : D → R, was bedeutet, dass jedem x ∈ D durch die Vorschrift f eine reelle Zahl zugeordnet wird. Ist der Definitionsbereich der Funktion f eine Teilmenge der reellen Achse, so ist f oft geschlossen durch analytische Ausdrücke definiert, die aber nicht für alle x sinnvoll sind. Unter dem natürlichen Definitionsbereich D(f ) versteht man dann die Menge aller der x, für die f (x) sinnvoll definiert ist. Beispiele: 1. Wir betrachten die Funktion f (x) = x 2 − 1. Dieser Ausdruck ist für alle reellen Zahlen x definiert und deshalb stimmt der natürliche Definitionsbereich D(f ) mit der gesamten reellen Achse überein. Die durch f gegebene Zuordnungsvorschrift besagt, dass man zur Berechnung des Funktionswertes das Argument x quadrieren muss und dann muss man noch 1 subtrahieren. Weil x 2 stets nicht negativ ist, gilt f (x) = x 2 − 1 ≥ −1. Der Wertebereich W(f ) dieser Funktion ist also [−1, ∞) = {x : x ∈ R, x ≥ −1}. Kommen nun wirklich alle Werte y ∈ [−1, ∞) als Funktionswerte von f vor? Sei y irgendeine Zahl mit y ≥ −1. Wir fragen nach einer Lösung der Gleichung x2 − 1 = y oder x 2 = y + 1. √ Weil y + 1 ≥ 0 gilt, können wir die Wurzel ziehen und erhalten x = y + 1. Durch Einsetzen erkennt man nochmals, dass dieses x tatsächlich eine Lösung der Gleichung liefert p ( y + 1)2 − 1 = y + 1 − 1 = y . Insgesamt haben wir also W(f ) = [−1, ∞) erhalten. 21 3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen 1 2. Sei f (x) = x−1 . Der natürliche Definitionsbereich D(f ) ist hier die reelle Achse mit Ausnahme des Punktes x = 1, weil hier der Nenner verschwindet und der Bruch nicht definiert ist. Zur Bestimmung 1 des Wertebereichs lösen wir die Gleichung y = x−1 nach x auf. Es gilt y (x − 1) = 1 yx − y = 1 1+y x = . y Dieser Ausdruck ist für alle y 6= 0 definiert. Damit ist W(f ) die Menge aller reellen Zahlen mit Ausnahme des Nullpunktes. √ 3. Sei f (x) = x. Hier besteht D(f ) aus allen nicht negativen reellen Zahlen und der Wertebereich besteht auch aus dieser Zahlenmenge. √ 4 4. Sei f (x) = x 2 − 1. Der natürliche Definitionsbereich D(f ) besteht aus allen reellen Zahlen x, die der Bedingung x 2 − 1 ≥ 0 genügen, weil nur für diese x der Radikand nicht negativ und somit die Wurzel definiert ist. x 2 − 1 ≥ 0 ist äquivalent mit |x| ≥ 1 und damit besteht D(f ) aus der Vereinigung von zwei Intervallen D(f ) = (−∞, −1] ∪ [1, ∞). Aus der reellen Achse musste also das offene Intervall (−1, 1) entfernt werden. In vielen Fällen sind die betrachteten Funktionen nicht durch einen geschlossenen analytischen Ausdruck für alle Argumente definiert. Dann ist der Definitionsbereich in mehrere Teilbereiche zerlegt, für die dann getrennt definierte Zuordnungsvorschriften oder analytische Ausdrücke zur Berechnung der Funktionswerte zu verwenden sind. Vorbereitend erinnern wir an verschiedenen Typen von Intervallen der reellen Achse. Hierzu seien a, b fest gewählte reelle Zahlen. [a, b] = {x : a ≤ x ≤ b}, (a, b] = {x : a < x ≤ b}, [a, b) = {x : a ≤ x < b} (a, b) = {x : a < x < b} Diese Intervalle haben alle die endliche Länge b − a. Die Zeichen [ bzw. ] symbolisieren, dass die entsprechenden Randpunkte zum Intervall gehören sollen. Die Intervalle sind also dort abgeschlossen. Dagegen symbolisieren ( bzw. ), dass die entsprechenden Randpunkte nicht zum Intervall gehören sollen. Wir betrachten auch unendliche Intervalle der Form (−∞, a) = {x : x < a}, (b, ∞) = {x : x > b}, (−∞, a] = {x : x ≤ a} [b, ∞) = {x : x ≥ b}. Allgemein wird ein Intervall immer mit dem Buchstaben I bezeichnet und ist von einem der obigen acht Typen. Beispiele: 1. Es sei √ x 2 − 1 für |x| > 1 f (x) = (17) x2 − 1 für |x| ≤ 1. Bei dieser Funktion gibt es zwei verschiedene Zuordnungsvorschriften. Im Bereich |x| > 1 oder x 2 > 1 ist die erste Zuordnungsvorschrift sinnvoll, sie ist aber nicht sinnvoll im zweiten Bereich. In diesem gilt die zweite Zuordnungsvorschrift, die aber auch im ersten Bereich sinnvoll ist, dort aber nicht zur Konstruktion der Funktion f eingesetzt wird. 2. Für ein Intervall I setzen wir 1 für x ∈ I f (x) = 0 für x ∈ / I. Diese Funktion heißt die Indikatorfunktion des Intervalls I. Der Name besagt, dass f anzeigt, ob das Argument x in dem Intervall I liegt oder nicht. 22 3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen 3. Wir wollen jetzt eine stückweise konstante Funktion definieren, betrachten dazu eine Zerlegung des Intervalls [0, 1] in die disjunkten (durchschnittsfremden) Teilintervalle 1 [0, ), 4 und setzen 1 1 [ , ), 4 2 1 2 [ , ), 2 3 1 für −1 für f (x) = 2, 5 für 0, 2 für x x x x 2 [ , 1] 3 ∈ [0, 14 ) ∈ [ 41 , 12 ) ∈ [ 12 , 23 ) ∈ [ 23 , 1]. (18) Dann ist D(f ) = [0, 1] und die Funktion f nimmt für 0 ≤ x < 41 den Wert 1, für 14 ≤ x < 12 den Wert −1, für 12 ≤ x < 23 den Wert 2, 5 und schließlich für 23 ≤ x ≤ 1 den Wert 0, 2 an. Mit Hilfe der oben angegebenen Indikatorfunktion kann man f auch als geschlossene Formel darstellen. Es gilt f (x) = 1 · I[0, 1 ) (x) + (−1) · I[ 1 , 1 ) (x) + 2, 5 · I[ 1 , 2 ) (x) + 0, 2 · I[ 2 ,1] (x) 4 4 2 2 3 3 = I[0, 1 ) (x) − I[ 1 , 1 ) (x) + 2, 5 · I[ 1 , 2 ) (x) + 0, 2 · I[ 2 ,1] (x). 4 4 2 2 3 3 Wir überprüfen diese Beziehung beispielhaft. Sei x ∈ D(f ) = [0, 1]. Dann liegt x in genau einem der vier Intervalle. Weil sie disjunkt sind, kann x nicht in zwei Intervallen gleichzeitig liegen. Sei etwa x ∈ [ 12 , 23 ). Dann gilt I[ 1 , 2 ) (x) = 1 und 2 3 I[0, 1 ) (x) = I[ 1 , 1 ) (x) = I[ 2 ,1] (x) = 0. 4 4 2 3 Das ergibt f (x) = 2, 5. 4. Wir verwenden jetzt die Indikator-Funktionen, um kompliziertere Funktionen zusammenzusetzen. Es sei f (x) = xI(−∞,1) (x) + (2x − 1)I[1,3) (x) + (−3x + 14)I(3,∞) (x). (19) Ist D eine Teilmenge der reellen Achse, also f auf einem Teilbereich oder der ganzen reellen Achse definiert, dann ist es vorteilhaft die Funktion graphisch darzustellen, um einen schnellen Überblick über den Funktionsverlauf zu gewinnen. Man versteht unter dem Graphen der Funktion f oder dem zu f gehörigen Bild die in das rechtwinklige Koordinatensystem eingezeichnete Menge der Punkte (x, y ), wobei x ∈ D(f ) und y = f (x) gilt. Der Graph ist also die Kurve (x, f (x)), wenn x die Menge D(f ) durchläuft. Um den Graphen dieser Funktion zu finden, stellt man zunächst für ausgewählte Argumente eine Wertetabelle auf und versucht dann den Verlauf des Graphen zu skizzieren. Das wird um so besser gelingen, je mehr Punkte in die Wertetabelle aufgenommen werden. Gegebenenfalls muss man die Wertetabelle noch verfeinern. Wie man besonders interessante Punkte des Graphen findet, z.B. Maxima, Minima, Wendepunkte und Schnittpunkte mit der x−Achse (Nullstellen), werden wir später erörtern. An einem ersten einfachen Beispiel wollen wir demonstrieren, wie man grob den Graphen skizzieren kann. Beispiel: Wir betrachten die Funktion f (x) = x 2 − 1, wählen die x Werte −2; −1; −0, 5; 0; 0, 5; 1; 2 aus und betrachten die zugehörige Wertetabelle. x y −2 3 −1 0 −0, 5 0 0, 5 1 2 −0, 75 −1 −0, 75 0 3 Aus dieser Tabelle erhalten wir 7 Punkte auf dem Graphen mit den Koordinaten (−2, 3), (−1, 0), (−0, 5, −0, 75), (0, −1), (0, 5, −0, 75), (1, 0), (2, 3). Die Punkte tragen wir in das rechtwinklige x − y Koordinatensystem ein und erhalten durch Verbinden der Punkte die folgende Darstellung. 23 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen Das folgende Bild zeigt den Graphen der Funktionen (18). Schließlich stellen wir (19) graphisch dar. Wir haben bisher gesehen, dass eine auf einem Intervall definierte Funktion stets eine gewisse Kurve in der Ebene produziert. Wir wollen jetzt überlegen, ob zu jeder Kurve der Ebene auch eine sie erzeugende Funktion gehört. Beispiel: Wir untersuchen die Kurve, die durch folgendes Bild gegeben ist. Aus dieser Darstellung ist ersichtlich, dass zum Wert x = 1 zwei Punkte der Kurve, nämlich (1, 1)und (1, 3) gehören. Nach der Definition einer Funktion gehört aber zu jedem x Wert genau ein y Wert. Diese Forderung ist hier verletzt. Sind eine Funktion f und ein Punkt (x, y ) in der Ebene gegeben, so entsteht die Frage, ob der Punkt (x, y ) zum Funktionsgraphen gehört. Das ist genau dann der Fall, wenn y = f (x) gilt. Beispiel: Welche der Punkte (0, −1), (2, 4) , (−1, −1), (1, −1), (3, 24) liegen auf dem Graphen von f (x) = x 3 − x − 1 ? f (0) = −1, f (2) = 5, f (−1) = −1, f (1) = −1, f (3) = 23, (0, −1) liegt auf dem Graphen. (2, 4) liegt nicht auf dem Graphen. (−1, −1) liegt auf dem Graphen. (1, −1) liegt auf dem Graphen. (3, 24) liegt nicht auf dem Graphen. 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen 3.2.1 Beschränktheit Wir beginnen mit dem Begriff der Beschränktheit. Die Funktion f : D → R heißt nach oben beschränkt, falls es eine Konstante C1 gibt, mit f (x) ≤ C1 für alle x ∈ D. Entsprechend heißt f nach unten beschränkt, falls es eine Konstante C2 gibt, mit f (x) ≥ C2 für alle x ∈ D. Schließlich heißt f beschränkt (ohne Zusatz), falls f nach oben und unten beschränkt ist. 24 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen Aus dieser Definition erkennt man, dass die Funktion f genau dann beschränkt ist, wenn die Funktion |f | nach oben beschränkt ist. Dann gibt es also eine Konstante C mit |f (x)| ≤ C für alle x ∈ D. Die Funktionswerte liegen dann im Intervall [−C, C] und der Graph der Funktion verläuft in dem Streifen, der parallel zur x−Achse liegt und für den die entsprechenden y −Werte die Bedingung −C ≤ y ≤ C erfüllen. Bei nach oben beschränkten Funktionen liegt der Graph unterhalb der Parallelen y = C1 zur x−Achse und bei nach unten beschränkten Funktionen oberhalb der Parallelen y = C2 zur x−Achse. Beispiele: 1. Die Funktion f (x) = x 2 ist nach unten beschränkt, weil f (x) ≥ 0 gilt. Sie ist aber nicht nach oben beschränkt. 2. Wir untersuchen die Funktion x2 f (x) = . 1 + x4 Gilt |x| ≥ 1, so ist x 2 ≤ x 4 ≤ 1 + x 4 . Das ergibt |f (x)| ≤ 1. Gilt |x| ≤ 1, so ist x 2 ≤ 1 ≤ 1 + x 4 und damit |f (x)| ≤ 1. Damit gilt |f (x)| ≤ 1 für alle x und f ist beschränkt. 3. Die Funktion f (x) = x 3 ist weder nach oben, noch nach unten beschränkt. Schränkt man sie aber auf (−∞, 0] ein, so ist sie dort nach oben beschränkt. Analog ist ihre Einschränkung auf [0, ∞) nach unten beschränkt. 3.2.2 Monotonie Wir wollen jetzt Eigenschaften von Funktionen untersuchen, die die geometrische Gestalt des Graphen beeinflussen. Der erste Begriff betrifft das Wachsen oder Fallen der Funktionswerte mit wachsendem Argument. Eine Funktion f mit dem Definitionbereich D ⊆ R heißt monoton wachsend (fallend), falls für alle ˙ Sie heißt streng wachsend (fallend), falls x1 , x2 ∈ D mit x1 < x2 folgt f (x1 ) ≤ f (x2 ) (f (x1 ) ≥ f (x2 )). in den letzten Ungleichungen sogar f (x1 ) < f (x2 ) (f (x1 ) > f (x2 ))˙ erfüllt ist. Beispiel: 1. Wir betrachten die lineare Funktion f (x) = a + bx, wobei a, b feste reelle Zahlen sind und die Variable x alle Werte aus D(f ) = R annehmen kann. Das Monotonieverhalten von f hängt entscheidend von b ab. Wir bilden für x1 < x2 die Differenz f (x2 ) − f (x1 ) = b(x2 − x1 ). Ist b = 0, dann folgt f (x2 ) − f (x1 ) = 0 und f ist die konstante Funktion, die den konstanten Wert a für alle x annimmt. Diese Funktion ist sowohl monoton wachsend als auch monoton fallend. Jetzt sei b > 0. Wegen x2 − x1 > 0 ergibt sich f (x2 ) − f (x1 ) > 0 und f ist streng monoton wachsend. Ist jetzt b < 0, so ergibt sich f (x2 ) − f (x1 ) < 0 und f ist streng monoton fallend. 2. Wir betrachten die Funktion f (x) = x 2 mit dem Definitionsbereich D(f ) = R. Sei x1 = 0 und x2 = 1, dann folgt f (x1 ) < f (x2 ). Das deutet scheinbar auf eine monoton wachsende Funktion hin. Jetzt betrachten wir x1 = −1 und x2 = 0. Dann gilt x1 < x2 und f (x1 ) > f (x2 ). Damit ist f weder monoton wachsend noch monoton fallend. Schränkt man jedoch den Definitionsbereich auf [0, ∞) ein, so ist die Funktion dort streng monoton wachsend. Ebenso ist sie auf (−∞, 0] streng monoton fallend. Damit spiegelt die Funktion f (x) = x 2 das typische Verhalten vieler Funktionen wieder. In bestimmten Intervallen sind sie monoton wachsend, in anderen sind sie monoton fallend. Es liegt also insgesamt eine gemischte Situation vor. 2. Für festes b > 1 betrachten wir die Funktion f (x) = bx , x ∈ D(f ) = R. Sei x1 < x2 . Es gilt f (x1 ) b x1 = x2 = bx1 −x2 < 1 f (x2 ) b 25 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen wegen (10). Damit erhalten wir f (x1 ) < f (x2 ), woraus folgt, dass f streng monoton wachsend ist. 3.2.3 Gerade und ungerade Funktionen Wir wollen jetzt einen Eigenschaft von Funktionen betrachten, die eine Symmetrie-Beziehung bzw. eine Antisymmetrie ausdrückt. Sei D ⊆ R symmetrisch, d.h. aus x ∈ D folgt −x ∈ D. Eine Funktion f : D → R heißt gerade wenn f (−x) = f (x), ungerade wenn f (−x) = −f (x) für alle x ∈ D gilt. Diese Eigenschaften lassen sich geometrisch so interpretieren: Bei einer geraden Funktion verläuft der Graph spiegelbildlich zu y −Achse. Bei einer ungeraden Funktion muss man für x < 0 zusätzlich zum anderen Vorzeichen übergehen. Beispiele: 1. Die Funktion 1 f (x) = 1 + x2 ist eine gerade Funktion, weil f (−x) = 1 1 = = f (x) 1 + (−x)2 1 + x2 gilt. Das folgende Bild gibt eine Darstellung des Funktionsverlaufs. 2. Die Funktion g(x) = x 3 − x ist ungerade, weil g(−x) = (−x)3 − (−x) = −x 3 + x = −(x 3 − x) = −g(x) gilt. 3. Die Funktion f (x) = x 3 − x 2 + x + 1 ist weder gerade noch ungerade. Man muss zum Nachweis dieser Aussage nur ein x finden, so dass keine der beiden Bedingungen gilt. Es gilt f (2) = 7 und f (−2) = −13 6= f (−1). 26 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen 3.2.4 Periodische Funktionen Wir betrachten jetzt eine Eigenschaft von Funktionen, die bei der Beschreibung von Schwingungsvorgängen verwendet wird. Die Funktion f : R → R heißt periodisch mit der Periode T, falls f (x + T ) = f (x) für alle x gilt. Beispiele: 1. Die Funktion f (x) = sin x ist periodisch mit der Periode T = 2π. Das nächste Bild zeigt die Funktionen f (x) = sin x (gestrichelte Linie) und f (x) = cos x. 2. Es sei [x] die so genannte Gaußklammer einer reellen Zahl x. Hierbei ist [x] die größte ganze Zahl k, die kleiner oder gleich x ist. Dann gilt offensichtlich x − 1 < [x] ≤ x. Sei g(x) eine auf dem Intervall [0, 1] definierte Funktion. Wir setzen für jede reelle Zahl x f (x) = g(x − [x]). Dann ist f eine Fortsetzung von g auf die ganze reelle Achse. Aus der Definition von [x] ergibt sich [x + 1] = [x] + 1 und deshalb f (x + 1) = g(x + 1 − [x + 1]) = f (x + 1). Somit ist f periodisch mit der Periode 1. Das nächste Bild zeigt die Funktion g(x), wenn f (x) = x für 0 ≤ x < 1 gilt. 3. Die Funktion f (x) = sin x + x ist nicht periodisch. Zum Nachweis bemerken wir, dass eine periodische Funktion, die auf [0, T ] betragsmäßig durch eine Konstante C beschränkt ist, durch die gleiche Konstante auf der ganzen Achse beschränkt ist. Da die Funktion f in jedem endlichen Intervall beschränkt ist, müsste sie im Falle der Periodizität auch auf der ganzen Achse beschränkt sein, was nicht der Fall ist. 3.2.5 Stetigkeit Dem Begriff der Stetigkeit liegt die Frage zu Grunde, ob bei einer gegebenen Funktion kleine Änderungen des Arguments auch nur kleine Änderungen der Funktionswerte zur Folge haben, oder ob es abrupte Änderungen der Funktionswerte an bestimmten Stellen gibt. Eine Funktion f : D → R heißt stetig im Punkt x ∈ D , falls für jede Folge xn ∈ D die gegen x strebt die Beziehung f (x) = lim f (xn ) (20) n→∞ gilt. Gilt diese Aussage für alle x ∈ D, so heißt f stetig (auf D). 27 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen Die Eigenschaft (20) kann man auch so interpretieren. Liegt der Punkt xe nahe bei x, so muss auch f (e x ) nahe dem Wert f (x) sein. Beispiele: 1. Wir untersuchen die lineare Funktion f (x) = 3x + 4 hinsichtlich möglicher Stetigkeit. Sei xn eine gegen x strebende Folge. Dann gilt |f (xn ) − f (x)| = |3xn + 4 − (3x + 4)| = |3xn − 3x| = 3|xn − x| Wegen xn → x strebt die rechte Seite gegen Null. Damit strebt auch die linke Seite gegen Null und es gilt somit limn→∞ f (xn ) = f (x). Eine lineare Funktion ist also in jedem Punkt stetig. 2. Es sei 3 für 0 < x ≤ 3 x f (x) = . x − 1 für x > 3 Wir untersuchen die Stelle x = 3. Es gilt f (3) = 1. Sei xn = 3 + n1 . Dann gilt 1 lim f (xn ) = lim ((3 + ) − 1) = 2 6= f (3). n→∞ n→∞ n Damit ist f an der Stelle x = 3 nicht stetig. Hätten wir xn = 3 − n1 gewählt, so wäre limn→∞ f (xn ) = f (x). Der entscheidende Punkt bei der Stetigkeit ist aber, dass die Limesbeziehung (20) für jede Folge gelten muss, die gegen x strebt. Wir wollen jetzt typische Situationen kennen lernen, in denen keine Stetigkeit vorliegt. Fall 1: Sei x0 ∈ D fest gewählt. Für jede Folge xn → x0 streben die Funktionswerte f (xn ) gegen die gleiche Zahl A, die aber vom Funktionswert f (x) verschieden ist. In diesem Fall spricht man von einer hebbaren Unstetigkeit. Die Unstetigkeit an der Stelle x0 lässt sich beheben, wenn man zu der neuen Funktion f (x) für x 6= x0 ∗ f (x) = A für x = x0 übergeht. Fall 2: f (xn ) strebt nicht gegen die gleiche Zahl für jede Folge xn → x. Dann sind verschiedene Fälle möglich. Beispielsweise könnte der Fall vorliegen, dass f (xn ) für keine Folge xn → x konvergiert und z.B. gegen unendlich strebt. In vielen Fällen streben die Folgen f (xn ) gegen unterschiedliche Werte, wenn man sich entlang unterschiedlicher Folgen dem Wert x nähert. So könnten Folgen, die von links gegen x streben, einen anderen Limes von f (xn ) nach sich ziehen als Folgen, die von rechts gegen x streben. Beispiele: 1. Wir betrachten die Indikator-Funktion des Intervalls [0, 1] 1 für 0≤x ≤1 f (x) = I[0,1] (x) = . 0 sonst Offensichtlich sind die kritischen Punkte gerade die Stellen 0 und 1. Es gilt f (1) = 1 und f (1 + n1 ) = 0 strebt nicht gegen f (1). Aber f (1 − n1 ) = 1 strebt gegen f (1). 2. Sei 0 für x < 0 1 für x = 0 . f (x) = 2 1 für x > 0. Dann strebt für keine Folge xn = 6 0, die gegen Null strebt, die Folge f (xn ) gegen den Funktionswert f (0) = 12 , obwohl die Folgen f (xn ) selbst konvergieren können, wenn sie jeweils von einer Seite kommen. 3. Sei 1 f (x) = 2 , x 6= 1, x 6= −1. x −1 28 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen Diese Funktion ist in allen Punkten stetig mit Ausnahme von x = 1 und x = −1. An diesen Stellen ist der Nenner Null und der Ausdruck x 21−1 nicht definiert. Strebt eine Folge xn gegen 1, so streben die zugehörigen Funktionswerte gegen unendlich. An den obigen Beispielen haben wir gesehen, dass gewisse unstetige Funktionen Sprünge haben und damit zwischen ihrem maximalen Wert und ihrem minimalen Wert gewisse Werte auslassen. Für stetige Funktionen gilt das nicht. Zwischenwertsatz: Sei −∞ < a < b < ∞. Ist f im abgeschlossenen Intervall [a, b] stetig, so gibt es wenigstens eine Stelle x mit a ≤ x ≤ b, globale Minimumstelle genannt, mit f (x) ≥ f (x) für alle a ≤ x ≤ b, und wenigstens eine Stelle x mit a ≤ x ≤ b, globale Maximumstelle genannt, mit f (x) ≤ f (x) für alle a ≤ x ≤ b. Die Funktion f nimmt alle Werte zwischen f (x) und f (x) an, d.h. es gibt für jedes η ∈ [f (x), f (x)] wenigstens eine Stelle a ≤ ξ ≤ b mit f (ξ) = η. Aufgrund der oben formulierten Eigenschaften einer stetigen Funktion ist der Graph einer stetigen Funktion immer eine durchgezogene Linie. 3.2.6 Mittelbare Funktionen Zur Bildung neuer Funktionen aus gegebenen Funktionen kann man diese mit den üblichen Rechenregeln für Zahlen miteinander verknüpfen. Man kann sie aber auch ineinander einsetzen. Das ist nicht immer möglich und bedarf einer Präzisierung hinsichtlich der auftretenden Definitions- und Wertebereiche. Es seien f : D(f ) → R und g : D(g) → R zwei Funktionen mit W(g) ⊆ D(f ). Dann heißt h(x) = f (g(x)) die Verkettung von f und g. Die Bedingung W(g) ⊆ D(f ) sichert, dass der Ausdruck f (g(x)) tatsächlich sinnvoll ist. √ Beispiele: 1. Sei f (x) = x für x ∈ D(f ) = [0, ∞) und g(x) = sin x für x ∈ D(g). Dann ist f (g(x)) nicht für alle x sinnvoll definiert, weil sin x auch negative Werte annehmen kann. Die Bedingung W(g) ⊆ D(f ) ist nicht erfüllt. Umgekehrt ist aber g(f (x)) immer definiert. Es gilt W(f ) ⊆ D(g) = R. 2. Sei f (x) = e x und g(x) = sin x. Dann sind beide Funktionen auf der ganzen reellen Achse definiert. Damit ist D(f ) = D(g) = R und die Forderung W(g) ⊆ D(f ) gilt damit automatisch. Man kann also f (g) bilden und erhält f (g(x)) = e sin x . Umgekehrt kann man auch g(f ) bilden und erhält g(f (x)) = sin(e x ). So entstehen zwei völlig verschiedene Funktionen. Die Reihenfolge bei der Verkettung ist also entscheidend. 29 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen 3.2.7 Vererbung qualitativer Eigenschaften Eine wichtige Frage ist, ob eine bestimmte Eigenschaft, z.B. die Monotonie bei den üblichen Rechenoperationen und bei der Verkettung von Funktionen erhalten bleibt. Wir sprechen dann von der Vererbung dieser Eigenschaft. Vererbung der Monotonie: Es seien f und g monoton wachsende Funktionen mit W(g) ⊆ D(f ). Wir prüfen, ob f (g) wieder monoton wachsend ist. Dazu sei x1 < x2 . Dann gilt g(x1 ) ≤ g(x2 ). Weil f monoton wachsend ist, können wir f auf beide Seiten anwenden, ohne die Ungleichung zu verletzen. Also ergibt sich f (g(x1 )) ≤ f (g(x2 )) und damit sehen wir, dass f (g) monoton wachsend ist. Wenn f und g beide monoton fallend sind, so ist f (g) monoton wachsend. Ist jedoch eine der beiden Funktionen monoton wachsend und die andere monoton fallend, so ist f (g) monoton fallend. Sind f , g zwei monoton wachsende Funktionen. Es seien a, b nicht negative Zahlen und h(x) = af (x) + bg(x). Dann gilt für x1 < x2 h(x1 ) = af (x1 ) + bg(x1 ) ≤ af (x2 ) + bg(x2 ) = h(x2 ). Damit ist h wieder monoton wachsend. Sind a und b beide nicht positiv, so dreht sich die Ungleichung um und h ist monoton fallend. Ist eine der Zahlen a, b positiv und die andere negativ, so ist h im Allgemeinen weder monoton wachsend noch monoton fallend. Vererbung der Stetigkeit: Eine wichtige Eigenschaft der Stetigkeit ist, dass diese Eigenschaft bei der Verknüpfung von zwei oder mehr Funktionen mit Hilfe der Rechenoperationen +, −, · und : erhalten bleibt. Ebenso führt die Multiplikation mit einer festen Zahl wieder zu einer stetigen Funktion. Sind f und g stetige Funktionen und a, b reelle Zahlen, so sind af (x) + bg(x), f (x) + g(x), f (x) − g(x) und f (x)g(x) f (x) stetig. Weiterhin ist g(x) an allen Punkten stetig, wo g ungleich Null ist. Die Eigenschaft der Stetigkeit bleibt bei der Verkettung von Funktionen auch erhalten. Wir erinnern zunächst daran, dass nach (20) die Forderung der Stetigkeit gerade besagt, dass man dass Funktionssymbol und den Limes vertauschen kann, d.h. es gilt für jede konvergente Folge xn lim f (xn ) = f ( lim xn ). n→∞ n→∞ Seien f und g stetige Funktionen mit W(g) ⊆ D(f ). Für eine gegen x konvergente Folge xn setzen wir yn = g(xn ). Dann folgt aus der Stetigkeit von g : limn→∞ yn = y = g(x) und wir erhalten aus der Stetigkeit von f lim f (g(xn )) = f ( lim g(xn )) n→∞ n→∞ = f ( lim yn ) = f (y ) = f (g(x)). n→∞ Die Verkettung stetiger Funktionen ist also wieder stetig. 30 3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen 3.2.8 Umkehrfunktion Im Allgemeinen ordnet eine Funktion unterschiedlichen Argumenten nicht notwendig verschiedene Funktionswerte zu. Man denke etwa an die Funktion f (x) = x 2 für die gilt f (−3) = f (3) = 9. Gilt dagegen, dass aus x1 6= x2 =⇒ f (x1 ) 6= f (x2 ), (21) so kann man jedem Funktionswert sein eindeutig bestimmtes Argument zuordnen. Die Bedingung (21) ist z.B. für streng monotone Funktionen erfüllt. Ist die Bedingung (21) erfüllt und y = f (x), so heißt die durch g(y ) = x definierte Funktion die Umkehrfunktion von f . Es gilt für die Definitions- bzw. Wertebereiche der Funktionen f und g D(g) = W(f ), W(g) = D(f ), f (g(y )) = y und g(f (x)) = x. sowie Bei der Berechnung einer Umkehrfunktion geben wir uns ein y vor und suchen das x mit f (x) = y , wir suchen also die Stelle, wo die Funktion f das Niveau y schneidet. Umgekehrt schneidet die Umkehrfunktion das Niveau x an der Stelle y . Insgesamt ergibt sich also die Umkehrfunktion durch Spiegelung an der Geraden y = x. Beispiele: 1. Sei f (x) = a + bx und b 6= 0, Dann können wir die Gleichung y = a + bx nach x auflösen und erhalten y −a x= . b Also ist die Umkehrfunktion gegeben durch y −a . g(y ) = b 2. Für f (x) = x 2 mit dem Definitionsbereich D(f ) = R existiert keine Umkehrfunktion, weil z.B. zum Wert y = 9 die beiden Argumente 3 und −3 führen. Weil f aber auf [0, ∞) und auf (−∞, 0] jeweils streng monoton sind, kann man für die Einschränkungen der Funktion f getrennte Umkehrfunktionen √ finden. Für die Einschränkung von f auf D = [0, ∞) existiert die Umkehrfunktion g = y und das folgende Bild zeigt die Spiegelung g von f an der Geraden y = x. Die durchgezogene Linie ist x 2 und √ die gestrichelte Linie ist x. 3. Gesucht ist die Umkehrfunktion von 1−x , D(f ) = (−3, ∞). x +3 Wir untersuchen zunächst den Wertebereich. Nähert sich x von rechts dem Wert −3 so strebt f gegen unendlich. Für x = 1 ist f (x) Null und für x → ∞ strebt f (x) gegen −1. Damit gilt W(f ) = (−1, ∞). Die Auflösung der Gleichung y = f (x) nach x ergibt f (x) = 1−x =⇒ y (x + 3) = 1 − x x +3 =⇒ xy + 3y = 1 − x 1 − 3y x(y + 1) = 1 − 3y =⇒ x = y +1 y = Damit lautet die Umkehrfunktion g(y ) = 1 − 3y , y +1 D(g) = (−1, ∞). 31 4.1 Polynome und rationale Funktionen 4 Elementare Funktionen 4.1 Polynome und rationale Funktionen Eine flexible und mathematisch einfach handhabbare Klasse von Funktionen bilden die ganzen rationalen Funktionen oder Polynome. Jede Funktion Xn ai x i = a0 + a1 x + ... + an x n f (x) = i=0 heißt Polynom. Die reellen Zahlen ai heißen die Koeffizienten und der Exponent der höchsten vorkommenden Potenz heißt der Grad (also n falls an 6= 0). Beispiele: 1. f (x) = 2x 2 − x + 1, also a0 = 1, a1 = −1, a2 = 2, Grad 2 2. f (x) = −x + 4, a0 = 4, a1 = −1, Grad 1 also 3. f (x) = 6, also a0 = 6, Grad 0. Wir untersuchen jetzt, ob Polynome die oben diskutierten qualitativen Eigenschaften besitzen. Beispiele: 1. Wir starten mit der konstanten Funktion f (x) = a, wobei a eine reelle Zahl ist. Diese Funktion ist zugleich monoton wachsend und monoton fallend, natürlich nicht streng. Sie ist stetig. Diese Funktion besitzt keine Umkehrfunktion. 2. Die lineare Funktion f (x) = a + bx, b 6= 0. ist stetig. Sie ist streng monoton wachsend für b > 0 und streng monoton fallend für b < 0. Die lineare Funktion besitzt für b 6= 0 eine Umkehrfunktion, die man durch Auflösen der Gleichung a + bx = y nach x erhält. Damit folgt g(y ) = y −a . b 3. Wir betrachten jetzt die quadratische Funktion f (x) = a + bx + cx 2 , c 6= 0. Diese Funktion ist stetig. Sie ist aber im Allgemeinen nicht mehr monoton und besitzt deshalb keine Umkehrfunktion. Pn Betrachtet man jetzt eine allgemeine rationale Funktion f (x) = i=0 ai x i , so ist diese wieder stetig. Alle anderen Eigenschaften, wie Monotonie und Existenz einer Umkehrfunktion gehen im Allgemeinen aber verloren. Es zeigt sich aber, dass es zu jeder solchen Funktion immer gewisse Intervalle gibt, in denen diese Eigenschaften für f erfüllt sind. 32 4.2 Gebrochen-rationale Funktionen 4.2 Gebrochen-rationale Funktionen Den Quotienten zweier Polynome nennt man eine gebrochen-rationale Funktion. Sie hat die Gestalt Pn i i=0 ai x f (x) = Pm j j=0 bj x und ihr Definitionsgebiet besteht aus allen x, für die der Nenner ungleich Null ist. Während man durch Addition, Subtraktion und Multiplikation von Polynomen wieder Polynome erhält, bleibt man in der größeren Klasse der gebrochen-rationalen Funktionen auch bei der Division in dieser Klasse. Beispiel: Sei x 1 + x2 f (x) = und g(x) = . 1 + x2 1 + 2x 4 Dann gilt für das Produkt 1 + x2 x · 1 + x 2 1 + 2x 4 x(1 + x 2 ) = (1 + x 2 )(1 + 2x 4 ) x3 + x = 2x 6 + 2x 4 + x 2 + 1 f (x)g(x) = und für den Quotienten f (x) = g(x) = x 1+x 2 1+x 2 1+2x 4 = x 1 + 2x 4 · 1 + x2 1 + x2 2x 5 + x x(1 + 2x 4 ) = . (1 + x 2 )(1 + x 2 ) x 4 + 2x 2 + 1 4.3 Potenzfunktionen Wir hatten früher bereits die allgemeine Potenz bp kennengelernt, wobei b eine positive Zahl war und p beliebig reell war. Hier treten zwei Variablen b und p auf. Wir wollen jetzt p festhalten und b als unabhängige Variable betrachten. Deshalb schreiben wir dann auch x statt b. Für festes reelles p heißt die Funktion f (x) = x p , x > 0 die Potenzfunktion mit Potenz p. Speziell heißt für p = 1 f (x) = x n = √ n x, 1 n die Funktion x ≥0 die n−te Wurzel. Für ganzzahlige p = n ist x p = x n für alle x definiert, wobei für n < 0 der Wert x = 0 auszuschließen ist. Für alle Potenzfunktionen gilt: 1. Sie sind nicht negativ, also nach unten durch 0 beschränkt. 2. f (x) = x p geht durch (1, 1). 3. Für x → ∞ und p > 0 wächst f (x) = x p unbegrenzt und strebt gegen unendlich. Für p < 0 strebt f (x) = x p für x → ∞ gegen Null. 4. f (x) = x p ist streng monoton wachsend für p > 0 und streng monoton fallend für p < 0. 33 4.4 Exponential-und Logarithmusfunktion 5. f (x) = x p ist stetig. Seien f1 (x) = x p1 , f2 (x) = x p2 und zwei Potenzfunktionen. Dann sind f1 (x)f2 (x) = x p1 +p2 f1 (x) = x p1 −p2 f2 (x) f1 (f2 (x)) = (f2 (x))p1 = (x p2 )p1 = x p1 ·p2 wieder Potenzfunktionen. Wir betrachten jetzt die Frage der Umkehrfunktion der Funktion y = x p . Nach den Potenzgesetzen gilt 1 1 1 y p = (x p ) p = x p· p = x. Damit ist 1 g(y ) = y p die Umkehrfunktion der Potenzfunktion f (x) = x p . Speziell ist also die n−te Wurzel gerade die Umkehrfunktion der Potenzfunktion x n , wenn man diese nur in dem Bereich x ≥ 0 betrachtet. 4.4 Exponential-und Logarithmusfunktion In der allgemeinen Potenz bp halten wir jetzt das b > 0, b 6= 1 fest und lassen p als unabhängige Variable laufen, die wir dann mit x bezeichnen. Für b > 0, b 6= 1 heißt die Funktion f (x) = bx , −∞ < x < ∞ die Exponentialfunktion mit Basis b. Ist b = e die Eulersche Zahl, so wird e x die Exponentialfunktion (ohne Zusatz) genannt. Das folgende Bild zeigt Exponentialfunktionen zu den Basen 3 (durchgezogene Linie), e (fette Linie) und 1/3 (gestrichelte Linie). Wir tragen jetzt qualitative Eigenschaften von Exponentialfunktionen zusammen. Jede Exponentialfunktion besitzt folgende Eigenschaften. 1. Sie ist nicht negativ, also nach unten durch 0 beschränkt. 2. f (x) = bx geht durch den Punkt (0, 1). 3. Für x → ∞ und b > 1 wächst f (x) = bx unbegrenzt und strebt gegen unendlich. Für b < 1 strebt f (x) = bx für x → ∞ gegen Null. Für x → −∞ gelten analoge Aussagen. 4. f (x) = bx ist streng monoton wachsend in x für b > 1 und streng monoton fallend für b < 1. 34 4.4 Exponential-und Logarithmusfunktion 5. f (x) = bx ist stetig. Wir betrachten jetzt die Umkehrfunktion, d.h. die Lösung der Gleichung y = bx , b > 0, b 6= 1. Die Auflösung ergibt nach der Definition des Logarithmus zur Basis b, siehe (13) x = logb y . Wir wollen jetzt die Logarithmusfunktion systematisch studieren und bezeichnen die unabhängige Variable mit x, wir untersuchen also die Funktion f (x) = logb x. Nach der Definition der Umkehrfunktion gilt blogb x = x. Bilden wir jetzt den natürlichen Logarithmus auf beiden Seiten, so erhalten wir (ln b) · (logb x) = ln x ln x logb x = . ln b Hieraus sehen wir, dass sich die verschiedenen Logarithmusfunktionen nur um einen Faktor unterscheiden. Dieser Faktor kann positiv oder negativ sein. Trotzdem reicht es also prinzipiell aus, mit dem natürlichen Logarithmus zu arbeiten. Das folgende Bild zeigt den Verlauf des natürlichen und des dekadischen Logarithmus (dünne Linie). Beispiel: Ein Kapital K0 wird zum Zeitpunkt t = 0 mit einem Zinssatz von p% angelegt. Bei kontinuierlicher Verzinsung ist das Kapital zur Zeit t dann Kt = K0 · exp{ p t}. 100 Hierbei ist exp{x} nur ein anderes Symbol für e x , das bei komplizierteren Exponenten verwendet wird. Gesucht ist jetzt die Zeit τ bis zu der sich das Kapital verdoppelt hat. Dann gilt Kτ = K0 · exp{ Das ergibt exp{ p τ } = 2K0 100 p τ } = 2. 100 Bilden des natürlichen Logarithmus ergibt p τ = ln 2 100 100 · ln 2 τ = . p Bei einem Zinssatz von p = 4, 75% folgt τ= 100 · ln 2 ≈ 14, 59. p Eine Verdopplung des Kapitals erfolgt etwa in 14 Jahren und 7 Monaten. 35 4.5 Trigonometrische Funktionen 4.5 Trigonometrische Funktionen Bei der Einführung der trigonometrischen Funktionen messen wir den Winkel mit Hilfe des Bogenmaßes. Ist also irgendein Winkel 0◦ ≤ α ≤ 360◦ gegeben, so bezeichnen wir durch ϕ die Länge desjenigen Kreisstücks auf dem Einheitskreis, für die die eingezeichneten Radien gerade den Winkel α einschließen. Nach Konstruktion entspricht der Vollwinkel dem Bogenmaß 2π, dem rechten Winkel entspricht π/2 und der Winkel 180◦ entspricht der Bogenlänge π. Wir betrachten jetzt ein rechtwinkliges Dreieck mit den Kathetenlängen a und b und der Länge der Hypothenuse p c = a2 + b 2 . Die Kathete mit der Länge a sei gegenüber dem betrachteten Winkel α (im Bogenmaß ϕ gemessen). Wir führen dann die trigonometrischen Funktionen Sinus und Cosinus in der bekannten Weise ein sin ϕ = a Gegenkathete = c Hypotenuse und cos ϕ = b Ankathete = . c Hypotenuse (22) Das können wir auch am Einheitskreis veranschaulichen. Im Dreieck im Einheitskreis ist c = 1 die Radiuslänge und somit b = cos ϕ und a = sin ϕ. Damit lassen sich also die Punkte des Einheitskreises schreiben als (cos ϕ, sin ϕ). Aus der Definition (22) folgt, dass beide Funktionen (sin ϕ und cos ϕ) periodisch mit der Periode 2π sind, d.h. es gilt sin ϕ = sin(ϕ + 2π) und cos ϕ = cos(ϕ + 2π) Ihre Werte liegen stets zwischen −1 und 1. Das folgende Bild veranschaulicht den Verlauf dieser beiden trigonometrischen Funktionen. In einem nicht notwendig rechtwinkligen Dreieck mit den Winkeln α, β, γ und den gegenüberliegenden Seiten mit den Längen a, b, c gilt der Sinussatz und der Kosinussatz. sin β sin γ sin α = = Sinussatz a b c a2 = b2 + c 2 − 2bc cos α Kosinussatz. Bei der Bildung der Quotienten der beiden trigonometrischen Funktionen sin ϕ und cos ϕ müssen wir beachten, dass sin ϕ an den Stellen kπ und cos ϕ an den Stellen (k + 21 )π Nullstellen hat. Wir setzen sin ϕ , cos ϕ cos ϕ cot ϕ = , sin ϕ tan ϕ = 1 ϕ 6= (k + )π 2 ϕ 6= kπ. Im Gegensatz zu den Funktionen sin ϕ und cos ϕ sind die Funktionen tan ϕ und cot ϕ nicht beschränkt. Durchläuft ϕ das Intervall (− π2 , π2 ) so nimmt tan ϕ alle Werte zwischen −∞ und ∞ an. Analog nimmt cot ϕ alle Werte zwischen −∞ und ∞ an, wenn ϕ das Intervall (0, π) durchläuft. Das folgende Bild zeigt den Verlauf von tan ϕ und cot ϕ wobei die letzte Funktion gestrichelt gezeichnet wurde. 36 4.6 Arkusfunktionen Zwischen den trigonometrischen Funktionen gibt es vielfältige Beziehungen. Wir listen einige von ihnen auf cos(−ϕ) = cos ϕ sin(−ϕ) = − sin ϕ sin2 ϕ + cos2 ϕ = 1 cos(ϕ1 + ϕ2 ) = cos ϕ1 cos ϕ2 − sin ϕ1 sin ϕ2 sin(ϕ1 + ϕ2 ) = sin ϕ1 cos ϕ2 + cos ϕ1 sin ϕ2 gerade Funktion ungerade Funktion trigonometrischer Pythagoras Additionstheorem Additionstheorem Aus der letzten Formel folgt π ) = cos ϕ 2 sin(2ϕ) = 2 sin ϕ cos ϕ. sin(ϕ + Wir listen einige speziellen Werte von sin ϕ und cos ϕ auf: π 0 π6 4 0 300 45√0 1 sin ϕ 0 12 √ 2 √2 1 cos ϕ 1 2 3 12 2 ϕ π 3 π 2 0 60√ 1 2 1 2 90 3 1 0 2π 3 0 3π 4 0 120 √ 1 2 3 − 12 5π 6 0 135 √ 1 2 2 √ 1 −2 2 π 150 1800 1 0 2 √ 1 − 2 3 −1 0 (23) 4.6 Arkusfunktionen Bei der Einführung von Umkehrfunktionen müssen wir beachten, dass die periodischen trigonometrischen Funktionen nicht monoton sind und deshalb keine Umkehrfunktion besitzen. Wir können aber Intervalle finden, in denen diese Funktionen streng monoton sind und deshalb auf diesen eingeschränkten Bereichen Umkehrfunktionen besitzen. Beginnen wir zunächst mit der Sinusfunktion sin ϕ. Sie ist im Intervall [− π2 , π2 ] streng monoton wachsend. Der Wertebereich ist hierfür [−1, 1]. Ähnlich ist die Kosinusfunktion streng monoton im Intervall [0, π]. Deshalb schränken wir uns bei der Einführung der Umkehrfunktionen (Arkussinus und Arkuskosinus) auf diese Intervalle ein. y = sin x, y = cos x, π π ≤ x ≤ ⇔ x = arcsin y , −1 ≤ y ≤ 1 2 2 0 ≤ x ≤ π ⇔ x = arccos y , −1 ≤ y ≤ 1. − Das bedeutet, dass arcsin y derjenige Winkel ist, für den der Sinus gerade den Wert y hat und entsprechend für den Kosinus. Analog führen wir durch Einschränkung auf Monotonieintervalle von tan ϕ und cot ϕ die entsprechenden Umkehrfunktionen ein, die mit Arkustangens und Arkuskotangens bezeichnet werden. π π y = tan x, − < x < ⇔ x = arctan y , −∞ < y < ∞ 2 2 y = cot x, 0 < x < π ⇔ x = arccot y , −∞ < y < ∞. 4.7 Weitere elementare Funktionen Potenz-, Wurzel-, Exponential-, Logarithmusfunktion und trigonometrische Funktionen und deren Umkehrfunktionen sind Grundfunktionen. Jede Funktion, die sich aus den Grundfunktionen und Konstanten durch die Grundrechenarten und das Bilden mittelbarer Funktionen in endlich vielen Schritten erzeugen lässt, heißt elementare Funktion. Damit sind z.B. alle Polynome und alle gebrochen rationalen Funktionen elementare Funktionen. Wir betrachten weitere Beispiele. Beispiele: 1. Die Funktion sinh x = 1 x (e − e −x ), 2 37 −∞ < x < ∞ 4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen heißt der hyperbolische Sinus. Ähnlich heißt cosh x = 1 x (e + e −x ), 2 −∞ < x < ∞ der hyperbolische Kosinus. 2. Wir betrachten die Funktion f (x) = (cos(x 2 ) + 3)(ln x)−1/2 − 2 exp{sin x} Wegen ln x > 0 für x > 1 ist der natürliche Parameterbereich gegeben durch D(f ) = (1, ∞). 3. Die Funktion cos t für t ≤ 0 f (t) = −0,2·t e cos t für t > 0 beschreibt eine Schwingung, die für t ≤ 0 harmonisch ist und für t > 0 durch den Faktor e −0,2·t exponentiell gedämpft ist. 4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen 4.8.1 Lineare Funktionen Wir wollen jetzt Gleichungen untersuchen, in die lineare und nichtlineare elementare Funktionen eingehen. Die lineare Funktion f (x) = a + bx besitzt genau eine Nullstelle, die für b 6= 0 durch x0 = − ba gegeben ist. 4.8.2 Quadratische Funktionen Wir betrachten mögliche Nullstellen eines quadratischen Polynoms, d.h. Lösungen der Gleichung a + bx + cx 2 = 0. Sei c 6= 0. Nach Division durch c und durch eine Änderung der Bezeichnung der Koeffizienten läßt sich diese Gleichung in der Form x 2 + px + q = 0 mit reellen Koeffizienten p und q schreiben. Jetzt sind drei Fälle zu unterscheiden. 1. Es gilt p2 − q > 0. 4 Dann existieren zwei reelle Nullstellen, die gegeben sind durch p √ p √ x1 = − + D und x2 = − − D. 2 2 Diskriminante = D = Die Parabel y = x 2 + px + q schneidet die x−Achse in den beiden Punkten x1 , x2 . 2. Es gilt p2 D= − q = 0. 4 Dann fallen x1 und x2 zusammen. Es gibt eine doppelte Nullstelle p x1 = x2 = − 2 und die Parabel y = x 2 + px + q berührt die x−Achse im Punkt − p2 38 (24) 4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen 3. Es gilt p2 − q < 0. 4 Dann existieren keine reellen Nullstellen. Die Parabel y = x 2 + px + q liegt vollständig oberhalb der x−Achse. D= Beispiele: 1. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung x 2 − x − 2 = 0. Es gilt 1 9 p2 − q = (−1)2 + 2 = > 0. 4 4 4 Es existieren also zwei verschiedene Nullstellen D= 1 √ 1 3 + D= + =2 2 2 2 1 √ = − D = −1. 2 x1 = x2 2. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung x2 − x + 1 = 0. 4 Es gilt D= p2 1 1 − q = (−1)2 − = 0. 4 4 4 Es existiert eine doppelte Nullstelle x1 = x2 = − p 1 = . 2 2 3. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung x 2 − x + 2 = 0. Es gilt D= p2 1 7 − q = (−1)2 − 2 = − < 0, 4 4 4 es existiert keine Nullstelle. Beispiel: Gesucht sind alle x ∈ R, die der Ungleichung x 2 − 2x − 3 > 3 − x genügen. Wir bestimmen zunächst die Nullstellen der Funktion f (x) = x 2 − 2x − 3 − (3 − x) = x 2 − x − 6. 39 4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen Dazu berechnen wir die Diskriminante 1 1 25 D = (− )2 − (−6) = + 6 = > 0. 2 4 4 Also liegen zwei verschiedene Nullstellen vor. x1 x2 r √ 1 1 25 = − (−1) + D = + =3 2 2 4 r √ 1 1 25 = − (−1) − D = − = −2. 2 2 4 Die Parabel f schneidet die x−Achse in den Punkten −2 und 3. Liegt der Scheitelpunkt unterhalb oder oberhalb der x−Achse? Der zugehörige x−Wert liegt genau in der Mitte zwischen den Nullstellen, ist also 12 (−2 + 3) = 12 . Wie groß ist der Funktionswert? 1 1 1 25 f ( ) = ( )2 − − 6 = − < 0. 2 2 2 4 Damit gilt also f (x) ≤ 0 f (x) > 0 für für −2 ≤ x ≤ 3 x∈ / [−2, 3]. Die gesuchte Lösungsmenge ist also (−∞, −2) ∪ (3, ∞). Die folgende Abbildung illustriert die obige Ungleichung. 4.8.3 Weitere Gleichungen für elementare Funktionen Wir berechnen jetzt die Nullstellen von Funktionen, die Wurzel-Ausdrücke, die Exponentialfunktion oder trigonometrische Funktionen enthalten. Hierbei kommt es darauf an, die entsprechenden Ausdrücke zunächst geeignet umzuformen. Beispiel für Wurzelgleichung: Gesucht sind die Lösungen der Gleichung √ √ √ x − x − 1 = 2x − 1 Damit die Wurzelausdrücke sinnvoll sind, muss gelten x ≥ 0, x −1≥0 und 2x − 1 ≥ 0. (25) Das bedeutet insgesamt x ≥ 1. Quadrieren der obigen Gleichung ergibt √ √ x − 2 x x − 1 + x − 1 = 2x − 1 √ √ −2 x x − 1 = 0 p x(x − 1) = 0 x(x − 1) = 0 Hieraus folgt, dass wenigstens ein Faktor Null sein muss, also x = 0 oder x = 1. Der Wert x = 0 erfüllt nicht die Nebenbedingung x ≥ 1. Also ist x = 1 die gesuchte Nullstelle. Beispiele für Exponentialgleichungen und logarithmische Gleichungen: 1. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung 25x+1 = 32x+2 . 40 4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen Wir bilden auf beiden Seiten den Logarithmus zur Basis 2. Das ergibt 5x + 1 = (log2 3)(2x + 2) x(5 − 2 log2 3) = 2 log2 3 − 1 2 log2 3 − 1 x = . 5 − 2 log2 3 Bei der numerischen Berechnung, muss man log2 3 ermitteln. Das kann man mit der Umrechnungsformel für Logarithmen machen, wobei dann der Taschenrechner für die Berechnung der natürlichen oder dekadischen Logarithmen verwendet wird. Einfacher und systematischer wird der Lösungsweg, wenn man gleich die natürlichen Logarithmen verwendet. Dann ergibt sich (5x + 1) ln 2 = (2x + 2) ln 3 x(5 ln 2 − 2 ln 3) = 2 ln 3 − ln 2 2 ln 3 − ln 2 x = ≈ 1, 1857 5 ln 2 − 2 ln 3 2. Bei festem b > 0, b 6= 1 sind die Lösungen der Gleichung logb (2x + 3) = logb (x − 1) + 1 gesucht. Durch Umformung erhalten wir logb 2x + 3 =1 x −1 Nimmt man die linke und die rechte Seite als Potenz von b, so folgt 2x+3 blogb x−1 = b 2x + 3 = b x −1 (b − 2)x = b + 3 Für b = 2 gibt es keine Lösung. Für b 6= 2 ist x= b+3 b−2 die gesuchte Lösung. Beispiele für goniometrische Gleichungen: 1. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung cos x + 2 cos2 x − 1 = 0. Wir setzen y = cos x und erhalten 2y 2 + y − 1 = 0 1 1 y2 + y − = 0. 2 2 Mit der Formel (24) für die Nullstellen ergibt sich r r 1 1 1 1 9 1 y1 = − + + =− + = 4 16 2 4 16 2 r r 1 1 1 1 9 y2 = − − + =− − = −1. 4 16 2 4 16 41 4.9 Numerische Lösungen von Gleichungen Also gilt cos x = 1 2 oder cos x = −1. Wegen cos(± π3 ) = x =± 1 2 (siehe Tabelle (23)) ist im ersten Fall π + 2kπ 3 Im zweiten Fall ist wegen cos π = −1 x = π + 2kπ = (2k + 1)π. 2. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung 2 cos2 x + 2 cos x = 0. Hieraus folgt 2 cos x(1 + cos x) = 0. Also gilt cos x = 0 oder 1 + cos x = 0. Im ersten Fall ist x = (2k + 1)π. π 2 + kπ im zweiten Fall ist x = π + 2kπ = 4.9 Numerische Lösungen von Gleichungen Die im vorigen Abschnitt betrachteten nichtlinearen Gleichungen waren gewisse Spezialfälle, die aufgrund ihrer einfachen Struktur eine formelmäßige Auflösung gestatteten. In der Mehrzahl der Fälle ist man jedoch auf numerische Verfahren angewiesen. Wir wollen hier eine sehr einfache, aber breit anwendbare Methode kennen lernen. Es sei f eine im Intervall [a, b] definierte stetige Funktion. Dann nimmt diese Funktion jeden Wert zwischen dem Maximum und dem Minimum an. Haben also f (a) und f (b) unterschiedliche Vorzeichen, so gibt es wenigstens eine Nullstelle im Intervall [a, b]. Wir betrachten jetzt die Intervalle [a, 12 (a + b)] und [ 12 (a + b), b]. Dann liegt genau einer der beiden folgenden Fälle vor: 1 f (a) und f ( (a + b)) haben unterschiedliche Vorzeichen 2 1 f ( (a + b)) und f (b) haben unterschiedliche Vorzeichen. 2 Möge etwa der erste Fall vorliegen. Dann muss im Intervall [a, 12 (a + b)] wenigstens eine Nullstelle liegen. Jetzt halbieren wir dieses Intervall wieder und betrachten die Intervalle 3 1 [a, a + b], 4 4 und 3 1 1 [ a + b, (a + b)]. 4 4 2 Für eines dieser Intervalle haben die Funktionswerte von f an den Endpunkten unterschiedliche Vorzeichen. Dann wird dieses Intervall wieder halbiert und das Intervall ausgewählt, für das die Vorzeichen der Funktionswerte von f an den Endpunkten unterschiedlich sind. Insgesamt erhält man so eine Folge von Intervallen [an , bn ] mit der Eigenschaft [a0 , b0 ] = [a, b] und bn − an = 2−n (b − a). Die Intervalllänge strebt also sehr schnell gegen Null. Es läßt sich nun nachweisen, dass die Zahlenfolgen an , bn gegen eine Zahl x0 streben, die eine Nullstelle von f ist. Dieses Verfahren der approximativen Nullstellenbestimmung heißt das Halbierungsverfahren. Wir demonstrieren das Vorgehen an einem Beispiel. Beispiel: Es sei f (x) = e x + x 3 − 2. 42 5.1 Der Begriff der Ableitung Es gilt f (0) = 1 + 0 − 2 < 0 und f (1) = e + 1 − 2 > 0. Deshalb können wir a0 = 0 und b0 = 1 wählen. Die folgende Tabelle gibt die weiteren Arbeitsschritte an. ai 0 0, 5 0, 5 0, 5 0, 5625 0, 5625 0, 5781 0, 5859 ai +bi 2 0, 5 0, 75 0, 625 0, 5625 0, 5938 0, 5781 0, 5859 0, 5898 bi 1 1 0, 75 0, 625 0, 625 0, 5938 0, 5938 0, 5938 f (ai ) −1 −0, 2263 −0, 2263 −0, 2263 −0, 067 −0, 067 −0, 02 −0, 0021 i f ( ai +b f (bi ) 2 ) −0, 2263 1, 7183 0, 5389 1, 7183 0, 1124 0, 5389 −0, 067 0, 1124 0, 02 0, 1124 −0, 02 0, 02 −0, 002 0, 02 0, 0089 0, 02 Also ist x0 ≈ 0, 59 eine Approximation für die gesuchte Nullstelle. Das folgende Bild illustriert den Verlauf der Funktion f (x) = e x + x 3 − 2. 5 Differentialrechnung 5.1 Der Begriff der Ableitung Wir haben bisher schon einige qualitative Eigenschaften von Funktionen kennen gelernt. Dies waren Beschränktheit, Monotonie und Stetigkeit. Allerdings hatten wir zum Nachweis der Monotonie bisher keine systematischen Hilfsmittel zur Verfügung. Die Idee besteht jetzt darin, den Zuwachs f (x0 + h) − f (x0 ) einer Funktion näher zu untersuchen. Wenn f stetig ist, so strebt diese Differenz gegen Null. Die entscheidende Idee ist, den relativen Zuwachs zu betrachten, also den Zuwachs f (x0 + h) − f (x0 ) am Zuwachs h des Arguments zu messen, also zum Differenzen-Quotienten überzugehen: ∆f (x0 , h) = f (x0 + h) − f (x0 ) . h (26) Dieser Ausdruck hängt noch von h ab. Da wir vor allem an sehr kleinen Zuwächsen interessiert sind, lassen wir h gegen Null streben. Sei I ein offenes Intervall und f : I → R eine in I definierte Funktion. Die Funktion f heißt im Punkt x0 ∈ I differenzierbar, falls es eine durch f 0 (x0 ) bezeichnete reelle Zahl derart gibt, dass für jede Folge hn → 0 gilt f (x0 + hn ) − f (x0 ) f 0 (x0 ) = lim . (27) n→∞ hn Die Zahl f 0 (x0 ) heißt dann die Ableitung von f an der Stelle x0 . Ist f in jedem Punkt des Intervalls I differenzierbar, dann heißt die Funktion x 7→ f 0 (x) die Ableitung der Funktion f . Ist diese wieder differenzierbar, dann heißt die Ableitung (f 0 )0 der Ableitung f 0 die zweite Ableitung und wird mit f 00 bezeichnet. Analog sind weitere höhere Ableitungen definiert, vorausgesetzt sie existieren. Weil der Limes in (27) für jede gegen Null strebende Folge hn existiert und den gleichen Wert hat schreibt man auch f (x0 + h) − f (x0 ) f 0 (x0 ) = lim . h→0 h Interpretation als Differential: 43 5.1 Der Begriff der Ableitung Wie kann man näherungsweise den Funktionswert f (x + h) berechnen, wenn f (x) bekannt ist? Aus (26) und (27) ergibt sich für kleine h ∆f (x, h) ≈ f 0 (x) f (x + h) ≈ f (x) + f 0 (x) · h. Um zu betonen, dass h betragsmäßig sehr klein ist, setzt man dx = h und bezeichnet dx als Differential. Dann liefert das Differential dy = f 0 (x)dx näherungsweise (für kleines dx) den Zuwachs der Funktionswerte. Interpretation als Anstieg der Tangente Wir betrachten die Sekante, die durch die Punkte (x0 , f (x0 )) und (x0 + h, f (x0 + h)) geht. Die entsprechende Geradengleichung lautet f (x0 + h) − f (x0 ) (x − x0 ) h = f (x0 ) + ∆f (x0 , h)(x − x0 ), h = 6 0. gh (x) = f (x0 ) + Das ist eine Schar von Geraden, die alle durch den Punkt (x0 , f (x0 )) gehen, aber unterschiedliche Anstiege ∆f (x0 , h) haben, die für h → 0 gegen den Anstieg lim ∆f (x0 , h) = f 0 (x0 ) h→0 streben. Setzen wir jetzt g0 (x) = f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 ), dann gilt lim gh (x) = g0 (x). h→0 Die durch g0 (x) definierte Gerade wird als Tangente von f in x0 bezeichnet. Das folgende Bild illustriert den Übergang von der Sekante zur Tangente. Wir betrachten eine einfaches Beispiel, das zeigt, wie man vom Differenzen-Quotienten zur Ableitung gelangt. Beispiele: 1. Sei f (x) = a + bx die lineare Funktion. Dann gilt a + b(x0 + h) − (a + bx0 ) h bh = =b h f 0 (x0 ) = lim ∆f (x0 , h) = b = Anstieg der Geraden ∆f (x0 , h) = h→0 Ist b = 0, dann ist f (x) = a + bx = a die konstante Funktion deren Ableitung gleich Null ist. 2. Es sei f (x) = x 2 . Dann gilt (x0 + h)2 − x02 h 2 x + 2hx0 + h2 − x02 = 0 h = 2x0 + h. ∆f (x0 , h) = Somit gilt lim ∆f (x0 , h) = 2x0 h→0 44 5.1 Der Begriff der Ableitung und deshalb (x 2 )0 = 2x. Durch ähnliche Überlegungen erhält man, dass alle elementaren Funktionen differenzierbar sind und die Gestalt der Ableitung. (c)0 = 0, c ist eine Konstante (x n )0 = nx n−1 , n ganzzahlig (x a )0 = ax a−1 , x > 0 falls a nicht ganzzahlig ist (e x )0 = e x , −∞ < x < ∞ (ax )0 = ax ln a, a > 0, −∞ < x < ∞ (ln x)0 = x1 , x >0 (28) Alle trigonometrischen Funktionen und ihre Umkehrfunktionen sind differenzierbar. (sin x)0 = cos x, (cos x)0 = − sin x, (tan x)0 = 1 cos2 x = 1 + tan2 x, x 6= (cot x)0 = − sin12 x = −1 − cot2 x, (arcsin x) = √ 1 , 1+x 2 (arctan x)0 = 1 1+x 2 , 0 −∞ < x < ∞ π 2 + kπ, k ganz x 6= kπ, k ganz (29) −1 < x < 1 −∞ < x < ∞. Oft werden aus den elementaren Funktionen durch die Grundrechenarten und durch Verkettung einer oder mehrerer Funktionen definiert. Dann möchte man das Bilden der Ableitung mit Hilfe von Rechenregeln auf die oben angegebenen Ableitungen der elementaren Funktionen zurückführen. Ohne Beweis listen wir jetzt die wichtigsten Rechenregeln für die Ableitung auf. (f + g)0 = f 0 + g 0 (cf )0 = cf 0 , c Konstante (f · g)0 = f 0 · g + f · g 0 , Produktregel ( gf )0 = f 0 ·g−f ·g 0 , g2 (30) g(x) 6= 0, Quotientenregel (f (g))0 = f 0 (g) · g 0 , Kettenregel (Ableitung der Verkettung) Beispiele: 1. Sei f (x) = 3x 2 − 8 sin x. Hier wenden wir die ersten beiden Regeln an f 0 (x) = (3x 2 − 8 sin x)0 = (3x 2 )0 − (8 sin x)0 = 3(x 2 )0 − 8(sin x)0 = 6x − 8 cos x. 2. Zur Bildung der Ableitung von f (x) = x 2 sin x wenden wir die Produktregel an f 0 (x) = (x 2 sin x)0 = (x 2 )0 sin x + x 2 (sin x)0 = 2x sin x + x 2 cos x. 3. Die Anwendung der Quotientenregel auf f (x) = x2 sin x , x 6= kπ ergibt (sin x)(x 2 )0 − x 2 (sin x)0 sin2 x 2x sin x − x 2 cos x = . sin2 x f 0 (x) = 45 5.2 Monotonie und Ableitung 4. Die Funktion f (x) = exp{cos2 x} ist die Verkettung der Funktionen f1 (x) = e x , f2 (x) = x 2 und f3 (x) = cos x f (x) = f1 (f2 (f3 (x))). Die doppelte Anwendung der Kettenregel ergibt f 0 (x) = f10 (f2 (f3 (x))) · f20 (f3 (x)) · f30 (x) = −2 sin x · cos x · exp{cos2 x} = − sin(2x) · exp{cos2 x}. 5. Höhere Ableitungen erhält man durch schrittweise Bildung der ersten Ableitung. Sei f (x) = cos x. Dann folgt f 0 (x) = − sin x f 000 (x) = sin x f 00 (x) = − cos x und f (4) (x) = cos x = f (x). und 5.2 Monotonie und Ableitung Wir erinnern daran, dass eine auf einem Intervall I definierte Funktion f monoton wachsend (fallend) genannt wurde, falls gilt: x1 , x2 ∈ I und x1 ≤ x2 =⇒ f (x1 ) ≤ (≥) f (x2 ). Wir betrachten zunächst den Fall, in dem f monoton wachsend ist und setzen x1 = x und x2 = x + h. Für h > 0 folgt dann x < x + h und f (x) ≤ f (x + h). Damit ist f (x + h) − f (x) ≥ 0. h ∆f (x, h) = Ist jetzt h < 0, dann ist x + h < x. Weil f monoton wachsend ist, gilt f (x + h) ≤ f (x). Der Bruch ist wieder nicht negativ. Ist jetzt f differenzierbar, so ergibt der Grenzübergang für h → 0 die Ungleichung f 0 (x) ≥ 0. Analog kann man vorgehen, wenn f monoton fallend ist. Ist f im offenen Intervall I differenzierbar, so gilt: f 0 (x) ≥ 0 0 f (x) ≤ 0 ⇔ f ist monoton wachsend ⇔ f ist monoton fallend Hinsichtlich der strengen Monotonie gilt nur die eine Richtung der Aussagen. f 0 (x) > 0 0 f (x) < 0 ⇒ f ist streng monoton wachsend ⇒ f ist streng monoton fallend. Beispielsweise ist f (x) = x 3 streng monoton wachsend. Es gilt aber f 0 (x) = 3x 2 und somit f 0 (0) = 0. Beispiel : Wir betrachten die Funktion f (x) = 1 3 3 2 9 x − x + x + 1, 8 4 8 46 −∞ < x < ∞. 5.3 Extremstellen Zunächst bilden wir die Ableitung 3 2 3 9 x − x+ . 8 2 8 Wir untersuchen, wo diese Funktion nicht negativ ist. Dazu bestimmen wir die Nullstellen 9 3 2 3 x − x+ = 0 8 2 8 x 2 − 4x + 3 = 0 f 0 (x) = Die Lösungsformel (24) für die quadratische Gleichung ergibt p x1 = 2 + 22 − 1 = 3 p x2 = 2 − 22 − 1 = 1. Damit hat f 0 innerhalb der Intervalle (−∞, 1), (1, 3), (3, ∞) immer das gleiche Vorzeichen. Welches Vorzeichen vorliegt erkennt man am einfachsten, wenn man für x spezielle Werte einsetzt. 9 3 9 f 0 (0) = > 0, f 0 (2) = − < 0, f 0 (4) = > 0. 8 8 8 Damit ist f in (−∞, 1) streng monoton wachsend, in (1, 3) streng monoton fallend und schließlich in (3, ∞) streng monoton wachsend. Das folgende Bild zeigt den Verlauf von f und f 0 . Die gestrichelte Linie ist der Verlauf der Ableitung f 0 . 5.3 Extremstellen Wir schränken die oben betrachtete Funktion f (x) = 18 x 3 − 34 x 2 + 89 x + 1 auf das Intervall [−1, 5] ein. Dort hat f das globale Minimum an der Stelle x = −1 und das globale Maximum an der Stelle x = 5. Die Punkte x1 = 1 und x2 = 3 liefern ein Maximum bzw. ein Minimum der Funktion f , wenn man die Funktion f auf eine kleine Umgebung dieser Punkte einschränkt. Sei f in einem Intervall I definiert. Dann heißt x globale Maximumstelle, wenn gilt f (x) ≤ f (x) für alle x ∈ I. Eine Stelle x ∗ heißt lokale Maximumstelle, wenn es ein hinreichend kleines ε > 0 derart gibt, dass gilt f (x) ≤ f (x ∗ ) für alle x mit x ∗ − ε < x < x ∗ + ε. Entsprechend sind eine globale bzw. lokale Minimumstelle x bzw. x∗ definiert, wenn ≤ durch ≥ ersetzt wird. Zusammenfassend werden Minimum-bzw. Maximumstellen auch als Extremstellen bezeichnet (lokal bzw. global). Liegt ein lokales Maximum in x ∗ vor, so ist, zumindest in einer kleinen linksseitigen Umgebung von x ∗ , die Funktion f monoton wachsend und somit f 0 (x) ≥ 0 für x ∗ − ε < x ≤ x ∗ . Entsprechend ist f monoton fallend und somit f 0 (x) ≤ 0 für x ∗ ≤ x < x ∗ + ε. Speziell gilt also f 0 (x ∗ ) = 0. Führt man eine entsprechende Überlegung für ein lokales Minimum durch, so folgt f 0 (x∗ ) = 0. Wie kann man an der ersten Ableitung ablesen, ob ein lokales Minimum oder Maximum vorliegt? Ist die zweite Ableitung an x ∗ kleiner als Null, so ist f 0 streng fallend. Wegen f 0 (x ∗ ) = 0 ist also f 0 links von x ∗ größer oder gleich Null und rechts davon kleiner oder gleich Null. Die Funktion f selbst ist also links von x ∗ monoton wachsend und rechts davon fallend. Es liegt also ein lokales Maximum vor. Eine entsprechende Aussage gilt für lokale Minima. Ermittlung der lokalen Extremstellen: f sei in dem Intervall I zweimal differenzierbar. 47 5.4 Konvexität, Konkavität, Wendepunkte 1. Bestimme alle Nullstellen der Gleichung f 0 (x) = 0. 2. Ist x0 eine Nullstelle von f 0 (x) = 0 und gilt f 00 (x0 ) < 0, so liegt ein lokales Maximum an x0 vor. Gilt f 00 (x0 ) > 0, so liegt ein lokales Minimum an x0 vor. Gilt f 00 (x0 ) = 0 so sind weitere Untersuchungen nötig, die im nächsten Abschnitt erfolgen. Beispiel: Wir betrachten die Funktion f (x) = 1 3 3 2 9 x − x + x + 1, 8 4 8 −∞ < x < ∞, und bilden die ersten beiden Ableitungen 3 2 3 9 x − x+ 8 2 8 3 3 00 x− . f (x) = 4 2 f 0 (x) = Wir hatten bereits die Nullstellen der Gleichung f 0 (x) = 0 ermittelt. Es galt x1 = 3 und x2 = 1. Wegen f 00 (3) = 3 3 3 ·3− = >0 4 2 4 hat die Funktion f für x = x1 = 3 ein lokales Minimum. Analog ist f 00 (1) = 3 3 3 · 1 − = − < 0. 4 2 4 Also hat die Funktion f für x = x2 = 1 ein lokales Maximum. 5.4 Konvexität, Konkavität, Wendepunkte Die folgende Eigenschaft beschreibt das Krümmungsverhalten einer Funktion. Eine im Intervall I definierte Funktion heißt konvex, falls für alle x1 , x2 ∈ I und alle 0 < α < 1 gilt f (αx1 + (1 − α)x2 ) ≤ αf (x1 ) + (1 − α)f (x2 ). (31) Die Funktion f heißt konkav, falls statt ≤ das Zeichen ≥ steht. Sie heißt streng konvex bzw. streng konkav, falls < bzw. > statt ≤ bzw. ≥ für x1 6= x2 steht. Aus der obigen Definition ergibt sich, dass für eine konvexe Funktion f die Funktion −f konkav ist. Um die geometrische Interpretation vorzubereiten, betrachten wir die Funktion gs (x) = x − x1 x2 − x f (x1 ) + f (x2 ). x2 − x1 x2 − x1 g ist eine lineare Funktion in x mit den Eigenschaften gs (x1 ) = f (x1 ) und g(x2 ) = f (x2 ). Damit ist g die Sekante durch die Punkte (x1 , f (x1 )) und (x2 , f (x2 )) und die Punkte (x, gs (x)) sind gerade die Punkte, die auf der Sekante liegen. Mit α= x2 − x x2 − x1 und ergibt sich aus (31) folgende Aussage. 48 1−α= x − x1 x2 − x1 5.4 Konvexität, Konkavität, Wendepunkte Eine Funktion ist genau dann konvex, wenn der Graph für x1 ≤ x ≤ x2 unterhalb der Sekante liegt, die durch die Punkte (x1 , f (x1 )) und (x2 , f (x2 )) geht. Das folgende Bild zeigt die Beziehung zwischen dem Graphen einer konvexen Funktion und der Sekante. Jetzt wollen wir weitere Charakterisierungen für die Konvexität mit Hilfe der Ableitungen angeben. Ist f eine in dem Intervall I zweimal differenzierbare Funktion,dann sind folgende Aussagen gleichwertig: 1. f ist konvex 2. Für alle x0 und alle x liegt f (x) oberhalb der Tangente gt (x) = f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 ) im Punkt x0 . 3. Es gilt f 00 (x) ≥ 0 für alle x. Das folgende Bild illustriert den Übergang von der Sekante zur Tangente. Unter einem Wendepunkt versteht man eine Stelle x0 , wo für die Kurve Konkavität in Konvexität (oder umgekehrt) übergeht. Hier muss dann die zweite Ableitung links von diesem Punkt kleiner oder gleich Null sein und rechts größer oder gleich Null (oder umgekehrt). Insbesondere gilt f 00 (x0 ) = 0. Ist f 000 (x0 ) < 0, so ist f 00 (x) > 0 für x < x0 . Also liegt links von x0 Konvexität und rechts von x0 Konkavität vor. Bei f 000 (x0 ) > 0 dreht sich die Reihenfolge von Konvexität und Konkavität gerade um. Ermittlung der Wendepunkte: f sei in dem Intervall I dreimal differenzierbar. 1. Bestimme alle Nullstellen der Gleichung f 00 (x) = 0. 2. Ist x0 eine Nullstelle von f 00 (x) = 0 und gilt f 000 (x0 ) < 0, so geht Konvexität in Konkavität über. Für f 000 (x0 ) > 0 dreht sich diese Aussage um. Was geschieht, wenn die erste und mehrere höhere Ableitungen verschwinden? Sei also x0 ein Punkt mit f 0 (x0 ) = f 00 (x0 ) = 0. Eventuell gilt sogar noch f 000 (x0 ) = 0. Zur Illustration betrachten wir f (x) = x 3 und g(x) = x 4 . Dann gilt f 0 (0) = f 00 (0) = g 0 (0) = g 00 (0) = 0. Weiter gilt f 000 (0) = 6 > 0, also liegt ein Wendepunkt vor, wo Konkavität in Konvexität übergeht. Dagegen gilt g 000 (0) = 0 und g (4) (0) = 24 > 0 und es liegt ein Minimum der Funktion g(x) = x 4 vor. Allgemein läßt sich folgende Aussage nachweisen. Gilt f 0 (x0 ) = f 00 (x0 ) = 0 und ist die erste natürliche Zahl k mit f (k) (x0 ) 6= 0 eine ungerade Zahl, dann liegt ein Wendepunkt vor. Ist diese Zahl gerade, so liegt ein relatives Extremum vor. Hierbei muss natürlich vorausgesetzt werden, dass die Ableitungen bis zur Ordnung k tatsächlich existieren. 49 5.5 Kurvendiskussion 5.5 Kurvendiskussion Für eine gegebene Funktion hatten wir in den vorigen Kapiteln Nullstellen bestimmt, Monotoniebereiche untersucht und das Krümmungsverhalten betrachtet. Die Untersuchungen sind Bestandteile einer genaueren Analyse einer Funktion. Man nennt eine solche Analyse eine Kurvendiskussion. Dabei werden folgende Schritte gemacht. Kurvendiskussion: 1. Definitionsbereich 4. Relative Extrema 7. Krümmungsverhalten 2. Nullstellen 3. Unstetigkeitsstellen 5. Wendepunkte 6. Monotoniebereiche 8. Verhalten im Unendlichen 9. Graphische Darstellung Wir demonstrieren die einzelnen Schritte am Beispiel der Funktion f (x) = 1. 2. x2 3. 4. x2 − 1 . x2 − 4 Definitionsbereich: f ist für alle x, außer x = −2 und x = 2 definiert (Nullstellen des Nenners). Nullstellen: f (x) = 0 zieht x 2 − 1 = 0 nach sich. Damit sind die beiden Nullstellen x1 = −1 und = 1. Der Nenner ist dort ungleich Null. Unstetigkeitsstellen: f ist an den Nullstellen des Nenners unstetig und sonst stetig. Relative Extrema: Es gilt f 0 (x) = − 6x 2 (x − 4)2 und f 00 (x) = 18x 2 + 24 . (x 2 − 4)3 f 0 (x) = 0 bedeutet −6x = 0, x0 = 0. f 00 (0) = − 24 64 < 0. Bei x0 = 0 liegt ein relatives Maximum vor. Der Funktionswert des Maximums ist f (0) = 41 . 5. Wendepunkte: f 00 (x) = 0. Also 18x 2 + 24 = 0. Diese Gleichung hat keine reellen Lösungen. Es gibt keine Wendepunkte. 6. Monotoniebereiche: Da (x 2 − 4)2 stets positiv ist, richtet sich das Vorzeichen von f 0 (x) nach dem Vorzeichen von −6x. Also ist f wachsend für x ≤ 0, x 6= −2 und fallend für x > 0, x 6= 2. 7. Krümmungsverhalten: 18x 2 + 24 f 00 (x) = . (x 2 − 4)3 Da 18x 2 + 24 stets positiv ist, richtet sich das Vorzeichen von f 00 (x) nach dem Vorzeichen von (x 2 − 4)3 . Das hat aber das gleiche Vorzeichen wie x 2 − 4. Damit ist f 00 (x) ≥ 0 für |x| ≥ 2 und sonst ist f 00 (x) < 0. Somit ist f konvex für −∞ < x < −2 und 2 < x < ∞ und konkav für −2 < x < 2. 8. Verhalten im Unendlichen: Es gilt x2 − 1 x2 − 1 = lim = 1. x→∞ x 2 − 4 x→−∞ x 2 − 4 lim 9. Graphische Darstellung: 50 6.1 Bestimmtes Integral 6 Integralrechnung 6.1 Bestimmtes Integral In diesem einführenden Kapitel zur Integralrechnung gehen wir von folgender Fragestellung aus. Gegeben ist eine im Intervall [a, b] definierte nicht negative Funktion f und es soll die von dem Graphen und der x−Achse eingeschlossene Fläche berechnet werden. Wir zerlegen hierzu das Intervall mit Hilfe von Zwischenpunkten xn,i , wobei gilt a = xn,0 < xn,1 < ... < xn,n = b. Die maximale Schrittweite dieser Zerlegung bezeichnen wir mit δn = max (xn,i − xn,i−1 ). 1≤i≤n Wir betrachten jetzt Rechtecke über den einzelnen Intervallen [xn,i−1 , xn,i ] mit einer (konstanten) Höhe, die gut zu dem Verlauf der Funktion f im Intervall [xn,i−1 , xn,i ] paßt. Wir wählen also einen Zwischenpunkt ξn,i mit xn,i−1 ≤ ξn,i ≤ xn,i und approximieren die betrachtete Fläche durch die Gesamtfläche der Rechtecke über [xn,i−1 , xn,i ] mit der Höhe f (ξn,i ). Diese Fläche ist gegeben durch Xn Sn = f (ξn,i )(xn,i − xn,i−1 ). i=1 Das nächste Bild illustriert die Approximation der Fläche unter der Kurve durch Rechtecke. 51 6.2 Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung Der folgende Begriff des Integrals basiert auf der Vorstellung, dass die Approximation der gesuchten Fläche immer besser wird, wenn n → ∞ und dabei δn gegen Null strebt. Die Funktion f heißt über [a, b] Riemann-integrierbar, R b falls für jede Zerlegungsfolge mit δn → 0 die Folge Sn gegen die gleiche Zahl strebt, die wir mit a f (x)dx bezeichnen und das bestimmte Integral von f von a bis b nennen. Ohne auf weitere Details einzugehen, bemerken wir, dass jede stetige Funktion Riemann-integrierbar ist. Auch jede Funktion, die stückweise stetig ist und dazwischen Sprünge hat, ist Riemann-integrierbar. 6.2 Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung Eine direkte Berechnung des Integrals mit Hilfe des Grenzübergangs im vorigen Abschnitt ist sicher in Spezialfällen möglich, ist aber ein sehr mühsames Verfahren. Die entscheidende Idee besteht jetzt darin, anstatt des bestimmten Integrals mit festen Grenzen die obere Grenze als Variable zu betrachten und damit die Funktion Z x F (x) = f (t)dt a als Funktion von x zu untersuchen. Wir haben in den vorigen Kapiteln gesehen, dass die Ableitung sehr hilfreich bei der Analyse von Funktionen ist. Deshalb betrachten wir für stetiges f den DifferenzenQuotienten von F F (x + h) − F (x) . h Es gilt (Fläche über [a, x + h]) − (Fläche über [a, x]) Z x+h = Fläche über [x, x + h] = f (t)dt x Z x+h f (t)dt. F (x + h) − F (x) = (32) x Dieser Zusammenhang wird durch das folgende Bild illustriert. F (x + h) − F (x) F (x) a x x+h b Weil sich für eine stetige Funktion f die Funktionswerte in dem kleinen Intervall [x, x + h] wenig R x+h ändern, gilt dort f (t) ≈ f (x) und somit ist x f (t)dt approximativ die Fläche des Rechtecks mit Höhe f (x) und Breite h, d.h. F (x + h) − F (x) 1 ≈ f (x) · h = f (x). h h Ist z.B. f monoton wachsend, so erhält man aus dem folgenden Bild 52 6.2 Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung h · f (x + h) h · f (x) a ←h→ b die Ungleichung f (x) ≤ F (x + h) − F (x) ≤ f (x + h). h Aus der Stetigkeit von f folgt dann F (x + h) − F (x) = f (x) h→0 h lim oder F0 = f. Ähnlich wie in (32) sieht man für beliebige a1 < a2 Z a2 F (a2 ) − F (a1 ) = Fläche über [a1 , a2 ] = f (t)dt. a1 Ist jetzt G eine weitere Funktion mit G0 = f , dann folgt (G − F )0 = G 0 − F 0 = 0. (33) Deshalb unterscheiden sich F und G nur um eine Konstante, d.h. G(x) = F (x) + c. Dann ist aber Z a2 G(a2 ) − G(a1 ) = F (a2 ) − F (a1 ) = f (t)dt. a1 Man kann also die Fläche auch mit Hilfe von G berechnen. Wir fassen unsere Betrachtungen zusammen. Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung: Die Funktion f sei im Intervall [a, b] stetig. Jede Funktion F mit F 0 = f heißt Stammfunktion von f . Ist F irgendeine Stammfunktion und a ≤ a1 < a2 ≤ b, so gilt Z a2 F (a2 ) − F (a1 ) = f (t)dt. a1 53 6.3 Berechnung unbestimmter und bestimmter Integrale 6.3 Berechnung unbestimmter und bestimmter Integrale R Die Gesamtheit aller Stammfunktionen wird auch unbestimmtes Integral genannt und durch f (x)dx bezeichnet. Zur Bestimmung der Stammfunktion muss man eine Funktion F mit F 0 = f finden und erhält dann das unbestimmte Integral als Z f (x)dx = F (x) + c, wobei c eine beliebige Konstante ist. Weil die Ableitung einer Stammfunktion oder des unbestimmten Integrals gerade die ursprüngliche Funktion ist, ist also in diesem Sinne das Bilden des unbestimmten Integrals die Umkehrung des Differenzierens. Für einige elementare Funktionen lassen sich die Stammfunktionen direkt formelmäßig angeben. Man erhält die entsprechenden Formeln, wenn man die entsprechenden Beziehungen für die Ableitung in (28) und von (29) rechts nach links liest. Das ergibt R 0dx = c R n 1 x n+1 + c, −∞ < x < ∞, n 6= −1 ganzzahlig x dx = n+1 R a 1 x dx = a+1 x a+1 + c, x > 0, a 6= −1 R x (34) e dx = e x + c, R x a dx = ln1a ax + c, a > 0, a 6= 1 R 1 x 6= 0. x dx = ln(|x|) + c, Entsprechend kann man auch für die trigonometrischen Funktionen die unbestimmten Integrale finden. R cos xdx = sin x + c, R sin xdx = − cos x + c, R 1 cos x 6= 0 cos2 x dx = tan x + c, R 1 (35) dx = − cot x + c, sin x 6= 0 sin2 x R 1 √ dx = arcsin x + c, −1 < x < 1 1−x 2 R 1 1+x 2 dx = arctan x + c, Ähnlich wie bei der Bildung der Ableitung gibt es auch bei der Berechnung des unbestimmten Integrals allgemeine Rechenregeln, von denen wir hier einige auflisten wollen. Linearität: R (a · f (x) + b · g(x))dx Variablensubstitution: R f (g(x))g 0 (x)dx wobei =a R f (x)dx + b R g(x)dx (36) = F (g(x)), R F (u) = f (u)du Die erste Regel ist ziemlich einleuchtend. Hinsichtlich der zweiten Regel bemerken wir, dass F folgender Bedingung genügt: F 0 (u) = f (u). Aus der Kettenregel für die Ableitung ergibt sich somit (F (g(x))0 = f (g(x))g 0 (x) 54 6.3 Berechnung unbestimmter und bestimmter Integrale und das ist gerade die behauptete Beziehung. Beispiele: 1. Wir berechnen das Integral Z 4 (−3x 3 + 7x 2 + 4x + 5)dx. −2 Zur Bestimmung einer Stammfunktion verwenden wir die Linearität, d.h. die erste Regel in (36) und die Regel für die Integration von Potenzfunktionen mit ganzzahligem Exponenten, d.h. Regel 2 in (34). Das ergibt 4 Z 4 3 4 7 3 3 2 2 (−3x + 7x + 4x + 5)dx = − x + x + 2x + 5x . 4 3 −2 −2 Hierbei bedeutet [F (x)]ba = F (b) − F (a). Somit erhalten wir für den Wert des betrachteten bestimmten Integrals 3 7 (− 44 + 43 + 2 · 42 + 5 · 4) 4 3 7 3 − (− (−2)4 + (−2)3 + 2 · (−2)2 + 5 · (−2)) = 42 4 3 2. Wir berechnen Z 4 √ 3 xdx. 1 Hierzu schreiben wir die Wurzel als Potenz und wenden die dritte Regel in (34) an. Das ergibt 4 Z 4 Z 4 √ 1 3 1/3 1/3+1 x dx = xdx = x 1 + 13 1 1 1 4 3 4/3 ≈ 4, 0122. x = 4 1 3. Zur Berechnung von Z 4 1 dx 1 3x + 4 bemerken wir, dass sich der Integrand schreiben läßt als 1 1 = f (g(x))g 0 (x) 3x + 4 3 mit f (u) = 1/u, g(x) = 3x + 4 und g 0 (x) = 3. Auf das Integral Z f (g(x))g 0 (x)dx wenden wir die Substitutionsregel an und erhalten mit Z 1 du = ln |u| u das Zwischenresultat Z 1 1 dx = ln |3x + 4|. 3x + 4 3 Hieraus ergibt sich das bestimmte Integral 4 Z 4 1 1 dx = ln |3x + 4| 3 1 3x + 4 1 1 1 = ln 16 − ln 7 ≈ 0, 2756. 3 3 55 6.4 Flächenberechnung 6.4 Flächenberechnung Aus der Konstruktion des bestimmten Integrals mit Hilfe des Limes von Xn f (ξn,i )(xn,i − xn,i−1 ). Sn = i=1 hatten wir erkannt, dass das bestimmte Integral die Fläche zwischen der x−Achse, dem Graphen der Funktion und den Geraden x = a und x = b ist, falls die Funktion in diesem Intervall nicht negativ ist. Ist f negativ, so ist auch das bestimmte Integral negativ. Als Wert für die Fläche muss man dann den Betrag nehmen. Wenn f im Intervall [a, b] das Vorzeichen wechselt, so liefert das bestimmte Integral nicht die Fläche. In diesem Fall muss man das Intervall in Teilintervalle zerlegen in denen f immer das gleiche Vorzeichen hat. Beispiele: 1. Wir wollen die Fläche berechnen, die von der x−Achse, dem Graphen der Funktion f (x) = x 3 und den Grenzen −1 und 1 eingeschlossen wird. Das folgende Bild zeigt den Verlauf der Funktion und die gesuchte Fläche. Im Intervall [−1, 0] ist f nicht positiv. Deshalb ist der erste Fächenanteil Z 0 0 1 1 1 4 4 3 F1 = x dx = x = 0 − (−1) = . 4 4 4 −1 −1 Im Intervall [0, 1] ist f nicht negativ und die Betragsbildung entfällt. Deshalb erhalten wir für den zweiten Flächenanteil Z 1 1 F2 = x 3 dx = . 4 0 Die Gesamtfläche hat also die Größe 1/2. 2. Wir berechnen die Gesamtfläche zwischen der Kurve und x−Achse in den Grenzen von a = −2 und b = 2 für f (x) = x 3 − x. Es ist f (x) = x(x − 1)(x + 1). Hieraus ergibt sich, dass f die Nullstellen x1 = −1, x2 = 0 und x3 = 1 hat. Das folgende Bild zeigt den Verlauf der Funktion und die gesuchte Fläche. 56 6.4 Flächenberechnung Folglich ist die gesuchte Fläche Z −1 Z 0 Z 1 Z 2 3 3 3 F = (x − x)dx + (x − x)dx + (x − x)dx + (x 3 − x)dx −1 1 0 −2 −1 0 1 2 1 1 4 1 2 1 4 1 2 1 2 1 4 1 2 4 = x − x + x − x + x − x + x − x 4 4 2 4 2 2 4 2 −2 −1 0 1 9 1 1 9 = − + + − + = 5. 4 4 4 4 57