Infodienst Nr. 62 v. Juni 2005 - Arbeitskreis Asyl Rheinland

Werbung
Asyl in RheinlandPfalz
Infodienst des Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
Juni 2005, Nr.62
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Impressum
Herausgeber
Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
Postfach 28 51
55516 Bad Kreuznach
Tel: 0671 / 8459152
Fax: 0671 / 8459154
E-Mail: [email protected]
Internet: www.asyl-rlp.org
Anschrift:
Kurhausstraße 8
55543 Bad Kreuznach
Koordinierungsgruppe
Malteser Hilfsdienst Mainz
Behrouz Asadi
Dagobertstraße 1c
55116 Mainz
Tel. 06131 / 226042
Mobil: 0171 / 2279232
Fax: 06131 / 230413
E-Mail: [email protected]
Zentrum für selbstbestimmtes
Leben Behinderter
Ismael Sackan
Rheinstr. 43-45
55116 Mainz
Tel. 06131 / 14674535
E-Mail: [email protected]
Pfarramt für Ausländerarbeit
Siegfried Pick
Postfach 2851
55543 Bad Kreuznach
Tel. 0671 / 8459152
Fax. 0671 / 8459154
E-Mail: [email protected]
„Asyl in Rheinland-Pfalz“ wird als Projekt
vom Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF)
finanziell gefördert.
Der Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
wird finanziell gefördert von der
Landesbeauftragten für Ausländerfragen
bei der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz,
Frau Maria Weber und der bundesweiten
Arbeitsgemeinschaft
PRO ASYL.
Humanitäre Hilfe für Asylbewerber Ingelheim
Ingrid Meyer und Karin Mehandru
Im Schneckenbangert 19
55263 Wackenheim
Tel. 06132 / 440360
Fax: 06132 / 440360
E-Mail: [email protected]
Diakonisches Werk Pfalz
Manfred Asel
Karmeliterstraße 20
67346 Speyer
Tel. 06232 / 664262
Fax: 06232 / 6642422
E-Mail: [email protected]
Ev. Dekanat Mainz,
Flüchtlings- und Migrationshilfe
Gisela Apitzsch
Kaiserstrasse 37
55116 Mainz
Tel : 06131/9600426
Mail: [email protected]
Mainzer Flüchtlingsrat
Bernd Drücke
E-Mail: [email protected]
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Inhalt:
Das Wichtigste in Kürze
4
AK Asyl RLP:
Protokoll des Plenums am 10.6.2005
Brief an Innenminister Bruch (7.6.2005) - ethnische Minderheiten in das Kosovo
„Speyerer Morgenpost“ (11.6.2005) – „AK Asyl kritisiert politische Taktik“
Brief an Innenminister Bruch (28.6.2005) - Nach dem Scheitern der Innenministerkonferenz
Innenministerkonferenz:
PRO ASYL - Forderungen und Hintergrundinformationen zur IMK
Brief von Heiko Müller (ai) an Innenminister Bruch zum Thema IMK
IMK – Presseerklärung (24.6.2005)
Presseerklärung (28.6.2005) - Bleiberecht für lange hier lebende Flüchtlinge
PRO ASYL – 2 Presseerklärungen (24.6.2005)
BMI – Otto Schilly – Bleiberechtsregelung für Kinder und Jugendliche
SPD-Bundestagsfraktion zur IMK
Schulpflicht für Flüchtlingskinder:
tdh - „Wir bleiben draußen“
Bildungsministerium RLP - Schulbesuch von Kindern von Asylbewerbern
Landtagsfraktion FDP RLP - Schulpflicht und Schulrecht von Flüchtlingen in Deutschland
Schreiben aus Innenministerium
IM – Erlass vom 31.5.2005
IM – Brief an Café Asyl
IM- „Landesinitiative Rückkehr 2005“
Rhein-Zeitung - Geld für Rückkehr von Asylbewerbern
Zuwanderungsgesetz
BM für Wirtschaft und Arbeit - Anwendung der §§ 8 und 9 Besch VerfV
PRO ASYL
PRO ASYL Presseerklärung vom 6. Juni 2005
PRO ASYL Presseerklärung vom 16. Juni 2005
Und was gibt’s sonst noch
UNHCR zu Beendigungsklauseln bei irakischen und afghanischen Flüchtlingen
Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V. – Aufruf (Lagerkampagne)
Aufruf zur Demo in Ingelheim
5
7
8
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Das Wichtigste in Kürze
Schulpflicht für Flüchtlingskinder
Manchmal dauert es ein bisschen länger. Seit nunmehr 18 Jahren fordert der AK Asyl RheinlandPfalz die Landesregierung auf, endlich die Schulpflicht für Flüchtlingskinder im laufenden
Verfahren und mit Duldung einzuführen. Das wurde bisher mit für uns nicht überzeugenden
Gründen abgelehnt. Es ging faktisch darum, dass Flüchtlinge nicht integriert werden sollen.
Nun hat Frau Ahnen auf die Initiative von Terre des Hommes geantwortet, dass man in RheinlandPfalz demnächst definiere, dass die von der Zentralen Aufnahmestelle in Trier auf die Kommunen
verteilten Asylsuchenden dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und damit eine Schulpflicht für
die Kinder besteht (siehe unten). Immerhin, „und sie bewegt sich doch“, die Landesregierung.
Hier geblieben!
Die IMK hat kein Bleiberecht beschlossen, stattdessen angeregt, eine Regelung in ein
Änderungsgesetz zum Aufenthaltsgesetz (irgendwann einmal) einzubringen.
Bruch will in den Kosovo
In einem SWR1-Beitrag, ausgestrahlt am 23, 6., erklärte Innenminister Bruch, dass er sich ein Bild
von der Lage der Minderheiten im Kosovo machen wolle und evtl. nach den Sommerferien dort hin
reisen möchte.
Gegen Abschiebehaft - Demo in Ingelheim
Am 16. Juli wird in Ingelheim gegen Abschiebehaft demonstriert (siehe Aufruf). Es gibt ein breites
Spektrum von aufrufenden Gruppen aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und dem Rhein-MainGebiet. Der AK Asyl Rheinland-Pfalz ist mit dabei und bittet alle Flüchtlingsfreundinnen und –
freunde um Teilnahme an der Demo. Für den 9. Dezember planen wir eine Tagung zum Thema
Abschiebungshaft.
Termine:
16.7. 13 Uhr
Demo gegen Abschiebungshaft in Ingelheim
23.9. 10-16 Uhr
Plenum des AK Asyl in Mainz, Schwerpunkt: Erste Erfahrungen aus der
Arbeit der Härtefallkommission
30.9. 05
Bundesweit Tag des Flüchtlings
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
AK Asyl Rheinland-Pfalz
Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
Protokoll – Plenum des AK-Asyl RLP am 10.6.2005 in Mainz
Anwesende: Siggi Pick, Sedat Bunjaku, Hannes
Greven, Tobias Gerth (alle Pfarramt für
Ausländerarbeit Bad Kreuznach), Elke Käfler
(Caritas Zentrum Migrationserstberatungsstelle,
Pirmasens),
Susanne
Döhlemann,
Alice
Herzhauser, Susanne Döhlemann (alle drei Caritas
Zentrum- allg. Lebensberatung), Gabi Kercher
(Sozialarbeiterin Verbandsgemeinde Mutterstadt),
Markus Kercher (Praktikant), Bernd Drücke,
Ingrid Meyer, Karin Mehandru, Behrouz Asadi
(alle KO- Gruppe des AK Asyl RLP), Christof
Kinader (Caritas-Verband Mainz), Ines ReichHilweg (Mitarbeiterin Landtagsfraktion B90 Die
Grünen),
Ina
Fischer
(Ökumenische
Flüchtlingshilfe, Bad Neuenaht), Wolfgang
Jungheim (Pax Christi, Rhein-Lahn), Jürgen
Pirrong (KV Rhein- Lahn), Nicole Schmidt (KV
Rhein-Lahn), Irene Schmoldt, (DW MainzBingen), Ute Mewes (Diakonisches Werk
Altenkirchen), Manfred Asel (DW Speyer),
Marion Schmidt, Reinhold Wendl (Rechtsanwalt),
Hans Schuh (Mannheim), Yildiz, Dr. Wiegräbe
(AK Asyl Neustadt), Hannah Amann (DCV
Mainz), Peret Onangolo (AWO Mainz), Peter
Kallusek (Initiative für deutsch ausländische
Begegnung), Fr. Prem-Schwind (Multikulturelles
Zentrum Trier)
Austausch und Diskussion über aktuelle
Fragen in der Arbeit:
Wolfgang Jungheim wirft den Fall einer
Migrantin auf, die ein Bleiberecht aufgrund
geschlechtsspezifischer Verfolgung bekommt.
Nicole Schmidt: Die Ausländerbehörde RheinLahn erteilt zügig Arbeitserlaubnisse. Es gibt
Probleme der psychischen Verfassung von
Kindern (viele Verhaltensstörungen), doch es gibt
kaum Anspruch auf professionelle Hilfe.
Siggi
Pick
erhielt
eine
E-mail
über
Flüchtlingskinder in Schweden, die in die Apathie
verfallen, wahrscheinlich durch Traumas, die sie
erlitten haben. Gibt es solche Fälle auch in
Deutschland? R. Wendl: kennt Fälle, das gelangt
aber nicht an die Öffentlichkeit
Dr. Wiegräbe: Eine Askhali-Familie soll in den
Kosovo abgeschoben werden, es gibt keine
Aufenthaltserlaubnis, wenn freiwillige Ausreise
möglich ist. Ist eine illegale Abschiebung bei
Verweigerung der freiwillige Ausreise möglich?
R. Wendl: Jeder kann freiwillig zurück, es besteht
nur die Frage nach der Zumutbarkeit, die Situation
des Einzelnen muss hierfür geprüft werden. Der
§25 wird von Ausländerbehörden falsch
ausgelegt,
Jürgen Pirrong: Ein Iraner hat keine Zustimmung
für Pass bekommen (wegen Mangel an iranischen
Papieren),
deshalb
bekam
er
weniger
Sozialleistungen mit der Begründung der
mangelnden Mitwirkung.
Ina Fischer: ABH Bad Neuenahr schickt keine
Ashkali in den Kosovo, weil sie gefährdet wären.
Dr. Wiegräbe: Die Ausländerbehörde in Neustadt
wendet sich gegen eine Härtefallkommission.
Siggi
Pick:
Bei
der
Umsetzung des
ZuwanderungsG gab es Fälle von Arbeitsverboten
durch Ausländerbehörden wegen Nicht-Vorlage
des Passes
Frage an R. Wendl: was dürfen die Behörden?
R. Wendl: AB darf Arbeitsverbote erteilen bei
Geduldeten,
wenn kein Pass vorhanden ist
(Beschäftigungsverfahrensverordnung)
-
§10: Arbeitserlaubnis bei einem Jahr
Duldung;
§11: Versagung der Erlaubnis  es darf
jedoch kein Arbeitsverbot für Leute geben,
die nicht abgeschoben werden dürfen (z.B.
Iraker) auch wenn sie an der
Passbeschaffung nicht mitwirken
Gegen Ein Arbeitsverbot kann Widerspruch
gemacht werden.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Ina Fischer: Die Ausländerbehörde benötigt bis zu
5 Arbeitsgänge für Arbeitserlaubnis bzw. verlängerung
Behrouz Asadi: Wegen dieser langen Dauer
verlieren die Leute ihre Arbeitsplätze, sie werden
ersetzt, da ihre Arbeitserlaubnis zu lange auf der
Kippe steht.
Jürgen Pirrong: Es gibt stark unterschiedlich lange
Bearbeitungszeiten für die Arbeitserlaubnis bei
verschiedenen Ausländerbehörden.
Tarife machen Probleme- Viele Ausländer werden
unter Tarif bezahlt und dürfen deshalb nicht mehr
in der jeweiligen Arbeit tätig sein
Bernd Drüke: Kampagne gegen Abschiebeknast:
Es gibt ein internationalen Fest am 1. Juli, um die
Ingelheimer Bevölkerung zu informieren, am 16.
7. ist die Demo (siehe Aufruf)
Ingrid Meyer zur Situation im Abschiebeknast
Ingelheim: Es sind derzeit ca. 90 Personen im
Knast. Mitarbeiter des Abschiebeknastes geben
Informationen über Beratungsmöglichkeiten an
die Inhaftierten nur selten oder gar nicht weiter,
demnach wissen viele Inhaftierte gar nicht, dass
sie ein Recht auf Beratung haben. Die Ärztliche
Betreuung im Knast ist absolut unbefriedigend;
Härtefallkommission
Da die HFK erst am 30. 6. zusammen tritt und am
13. Juli erstmals berät, gibt es noch keine
Informationen aus dem Innenministerium Auch
die bestimmten Mitglieder wissen nichts Neues.
Nach den uns vorliegenden Informationen sind in
der Härtefallkommission drin
Vorsitz: Harald Wolters, IMS
-Herr Muth für das Innenministerium, Frau
Blessing-Zwiebelberg für die LBA (beratend), ein
Protokoll: Hannes Greven, Tobias Gerth
Juni 2005
Vertreter des Bürgerbeauftragten, Heiko Müller
für ai (Vertreterin: Marie Weber), Pfr. Friedrich
Vetter für die Evangelischen Kirchen (V:
Reimhard Schott), für die Karholischen Kirchen
Herr Bertholt Tapp, (V:Prälat Theis), Liga der
Wohlfahrtspflege: Herr Scholz, (V: Frau Dr.
Samadi), je ein Vertreter von Landkreistag und
Städtetag. Bei Entscheidungen der HK ist faktisch
eine 3/4-Mehrheit notwendig, von acht müssen
also sechs zustimmen, bei drei Enthaltungen oder
Gegenstimmen ist ein Härtefall abgelehnt.
Bisher erreichte die HK 34 Anträge, da viele
Antragsteller noch warten, bis sich die Kriterien
geklärt haben.
Die Antragssteller müssen ihre Gründe darlegen,
die HK wird nicht selbst ermitteln.
Als Ausschlussgrund gilt, wenn der Flüchtling die
aufgeschobene Ausreise selbst zu verschulden hat.
Das ist problematisch, da es Interpretationssache
ist, was Verschulden ist.
Ines: Für jeden der Fälle bräuchte man einen
kleinen Unterstützerkreis (Schule, Freunde, etc.),
die das Gremium beeindrucken würde.
Siggi Pick: Jetzt können auch schon Anträge
gestellt werden, aber die Mitglieder der
Kommission müssen ihre Anträge selbst
mitbringen, daher muss überlegt werden, wer die
„Vertrauensperson“ im Gremium ist.
Es ist unklar, ob es einen schriftlichen
Kriterienkatalog geben wird, wann ein Fall als
Härtefall gilt. Es gibt u. U. eine Regelung für
Aufschiebung der Abschiebung bei Eingang eines
Antrages bei der HK (kein Gesetz, eher eine
Regel, um „Missbrauch“ zu vermeiden)
Die HK muss Ablehnungen nicht begründen. Ihre
Mitglieder haben Schweigepflicht.
Die Entscheidung der HK wird vom Minister
umgesetzt und ist in Rheinland- Pfalz rechtlich
bindend. In NRW hingegen „bittet“ die HK die
Ausländerbehörde. neu zu entscheiden, sie macht
also nur einen Vorschlag.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
7.6.2005
An
Herrn Minister Karl Peter Bruch
Ministerium des Innern und für Sport
Rückführungen von Angehörigen ethnischer Minderheiten in das Kosovo
Rundschreiben vom 11.5.2005 (siehe Infodienst 61)
Sehr geehrter Herr Minister Bruch,
leider sind nun auch in Rheinland-Pfalz
Abschiebungen
von
Angehörigen
von
Minderheiten aus dem Kosovo begonnen worden.
Nach unseren Informationen wurde am 19.5.05
eine Ashkali-Familie aus der Pfalz abgeschoben.
Wir protestieren gegen diese und weitere geplante
Abschiebungen
von
Angehörigen
der
Minderheiten. Diese
Abschiebemaßnahmen
sowie der Erlass vom 11. Mai stehen im
Widerspruch zu Ihrer Erklärung am selben Tag
bei der Veranstaltung in Neustadt, wo Sie
erklärten, dass sich Rheinland-Pfalz für ein
Bleiberecht für die Flüchtlinge aus dem Kosovo
einsetzen werde. Wenn dies zutrifft, dann sollten
Sie sicherstellen, dass bis zu einer Entscheidung
über einen Abschiebestopp zwischenzeitlich in
Rheinland-Pfalz keine Minderheiten-Flüchtlinge
abgeschoben werden.
Auch wenn wir den Erlass in seiner Zielsetzung
grundsätzlich ablehnen, wollen wir trotzdem auf
Widersprüche hinweisen: Der Erlass stimmt in
zentralen Punkten nicht mit Vorgaben der
Vereinbarung mit der UNMIK überein.
Bei dem Rundschreiben finden wir erstaunlich,
dass hier auch Albaner in die Abschiebungen
einbezogen worden sind. Diese Gruppe ist bei der
„Abgestimmten Niederschrift“ vom Ende April 05
überhaupt nicht einbezogen. Die Vereinbarung
bezieht sich ausschließlich auf die Angehörigen
der Minderheiten-Gruppen.
Im Übrigen wird mit dem Rundschreiben der
Eindruck erweckt, auch alle bereits früher
angemeldeten Personen könnten ohne erneute
Anmeldung jetzt abgeschoben werden. Die
Vereinbarung
enthält
eine
abschließende
Regelung darüber, wie mit Ashkali und Ägyptern
umzugehen ist, die bisher nicht abgeschoben
werden konnte: hier ist ein zumindest
beschleunigtes
Verfahren,
ansonsten
ein
Prüfverfahren nach Ziffer 3 durchzuführen.
Ziffer 5 der „Abgestimmten Niederschrift“
bezieht sich nur auf Ashkali und Ägypter, die
künftig nach einem noch durchzuführenden
Prüfverfahren zunächst noch nicht abgeschoben
werden können. Hier müsste bei jeder neuen
Anmeldung ein weiteres Prüfverfahren mit dem
entsprechenden Vorlauf gemacht werden.
Der Erlass steht hier im Widerspruch zur
„Abgestimmten Niederschrift“.
Angehörige der Minderheiten in Rheinland-Pfalz
sind in Angst und voller Panik, dass ihnen nun
unmittelbar die Abschiebung droht. Die Wirkung
auch eines zahlenmäßig begrenzten Kontingents
von Abzuschiebenden ist ein massiver Druck,
freiwillig
auszureisen.
Diese
„freiwillige
Abschiebung“ führt die Flüchtlinge genauso in
eine ausweglose Lage im Kosovo.
Wir bitten Sie eindringlich darum, dass das
Rundschreiben vom 11. Mai außer Kraft gesetzt
wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
S. Pick
im Auftrag der Koordinierungsgruppe des Arbeitskreises Asyl Rheinland-Pfalz
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Arbeitskreis Asyl kritisiert politische Taktik
Gegen Abschiebung angehen
Bad Kreuznach/Ludwigshafen (epd) - Der
rheinland-pfälzische Arbeitskreis Asyl hat Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) wegen der
Abschiebung von Kosovo-Flüchtlingen scharf
kritisiert. Die jüngste Abschiebung einer
vierköpfigen Flüchtlingsfamilie aus Ludwigshafen
stehe Im Widerspruch zu Bruchs öffentlicher
Zusage
vom
11.
Mai,
bei
der
Innenministerkonferenz eine Bleiberechtsregelung
für Balkan-Flüchtlinge anzustreben, kritisierte der
Sprecher des Arbeitskreises und Bad Kreuznacher
Ausländerpfarrer Siegfried Pick in einem
Schreiben.
Rheinland-Pfalz
weitere Abschiebungen bisher geduldeter
ausreisepflichtiger Kosovo-Flüchtlinge.
Aufforderung zur verbindlichen Regelung
Der Arbeitsreis Asyl forderte Bruch auf, eine
verbindliche Bleiberechtsregelung für KosovoFlüchtlinge aus humanitären Gründen bei der
Innenministerkonferenz am 23. und 24. Juni zu
erwirken. Bis zu einer Entscheidung über einen
Abschiebestopp dürften keine Minderheiten-Flüchtlinge
mehr
aus
Rheinland-Pfalz
abgeschoben werden.
Angehörige von bisher geduldeten Minderheiten
lebten inzwischen in Angst und voller Panik,
ebenfalls abgeschoben zu werden, erklärte der
Arbeitskreis weiter.
Nach seinen Angaben werden in Rheinland-Pfalz
derzeit fast 2800 ausreisepflichtige Serben, Roma
und Ashkali sowie etwa 1180 Albaner aus dem
Kosovo geduldet.
Weitere Abschiebungen
Die betroffene Flüchtlingsfamilie aus der Pfalz
habe zur Minderheit der Ashkali gehört und sei
am 19. Mai mit anderen Flüchtlingen aus
Nordrhein-Westfalen
von
Düsseldorf
aus
abgeschoben worden, ergänzte Pick. Nach einem
Rundschreiben vom 11. Mai plane das Land
„Speyerer Morgenpost“, 11.6.2005
÷
Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
28.6.2005
An
Herrn Minister Karl Peter Bruch
Ministerium des Innern und für Sport
Nach dem Scheitern der Innenministerkonferenz
Sehr geehrter Herr Minister Bruch,
obwohl die Innenministerkonferenz
in
„konstruktiven
Gesprächen
konstruktive
Lösungen gefunden“ haben will (so Innenminister
Rech), sehen wir nur ein Versagen auf der ganzen
Linie. Die Beton-Fraktion der CDU-Innenminister
hat die sogar von Otto Schily unterstützte
Bleiberechts-Initiative aus Berlin verhindert. Was
die Minister als konstruktiv empfinden mögen ,ist
für uns ein Scheitern eines Mindestmasses an
humanitärer Politik gegenüber Flüchtlingen, von
denen die meisten auch von CDU-Ministern in
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
den nächsten Jahren nicht in dem intendierten
Masse abgeschoben werden können.
Die geplanten Abschiebungen von Afghanen und
von Minderheiten aus dem Kosovo sind in
unseren
Augen
eine
Beihilfe
bei
Menschenrechtsverletzungen.
In Afghanistan herrscht weiter ein instabiler
Noch-Kriegs-Zustand: „Die OMF- opposing
militant forces, also Reste des Taliban-Regimes
und ihre neuen Verbündeten, zum Beispiel
Hekmatyar und seine Hizb-e-Eslami – bedrohen
nicht nur den Südwesten, sondern auch den Osten
des Landes. Dazu Massenaufruhr in zahlreichen
Städten und Provinzen mit vielen Toten und
Verletzten – wegen eines Artikels in Newsweek
über angebliche Koranschändung in Guantanamo.
... Regionale afghanische Militärmachthaber
haben nur schweres, untauglich gewordenes
Militärgerät abgeliefert. Was für den zähen
Bürgerkrieg benötigt werden sollte, haben sie
behalten ... Solange US-Militär Afghanistan
sichern muss, gibt es gerade deswegen keine
Stabilität“. Unter der Überschrift „Gestrandet im
Elend:
Was
droht
Abgeschobenen
in
Afghanistan?“ hat Pro Asyl die Gefährdung für
Rückkehrer nach Afghanistan analysiert.
Jede Abschiebung nach Afghanistan sehen wir als
Menschenrechtsverletzung an.
Auch die Lage im Kosovo verbietet die
Abschiebung von Angehörigen der Minderheiten,
vor allem der nun bedrohten Ashkali und Ägypter
und Roma. Die Innenminister bilanzieren, dass
sich die Lage soweit normalisiert habe, dass einer
Rückkehr von Minderheiten nichts mehr im Wege
steht, so deren grandiose Fehleinschätzung. Die
Sicherheit der Abgeschobenen wird nur in von der
KFOR bewachten Lagern gewährleistet sein. Von
verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
S. Pick
für den Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
Juni 2005
einer sicheren Zukunft und dem Aufbau einer
sozialen Existenz kann keine Rede sein.
Die Abschiebung der Minderheiten hat wohl eher
was mit den kommenden Statusverhandlungen im
Kosovo zu tun als mit der aktuellen Lage.
Wir bitten Sie eindringlich, dass die 2.800 in
Rheinland-Pfalz lebenden Angehörigen der
Minderheiten hier ein Bleiberecht bekommen.
Sehr geehrter Herr Minister Bruch, wir
appellieren an Sie: Machen Sie nicht mit bei
dieser bundesweiten
Abschiebepolitik. Wir
wissen, dass Rheinland-Pfalz
sich für ein
Bleiberecht nicht nur für die Minderheiten aus
dem Kosovo und die Flüchtlinge aus Afghanistan,
sondern auch für hier integrierte Familien
einsetzt.
Wir bitten Sie eindringlich darum, dass die
Landesregierung nach Lösungen sucht für die ca.
4500 langjährig in Rheinland-Pfalz geduldeten
Flüchtlinge.
Wir und mit uns viele Flüchtlinge - setzen unsere
Hoffnung auf die Härtefall-Kommission, die in
dieser
Woche
am
30.6.05
erstmals
zusammenkommt.
Nach unserer Auffassung erfüllen Flüchtlinge,
insbesondere Familien mit Kindern, die sich
jahrelang hier aufhalten und integriert sind, die
Kriterien eines sozialen Härtefalls. In den weitaus
meisten Fällen würde eine Rückkehr neben der
allgemeinen Gefährdung in eine sozial schwierige
bis auswegslose Lage führen.
In der Hoffnung, dass es für langjährig geduldete
Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz konstruktivere
Lösungen gibt als die in Stuttgart bei der IMK
erarbeiteten.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Innenministerkonferenz
23./24.6.2005 - Stuttgart
PRO ASYL
Forderungen und Hintergrundinformationen zur Innenministerkonferenz
am 23./24. Juni in Stuttgart
übereinstimmenden Medienmeldungen in den
PRO ASYL hat der Innenministerkonferenz in
Stuttgart unsere Anliegen bezüglich der Situation
der Flüchtlingsgruppen aus Afghanistan, Kosovo,
Tschetschenien, Togo und dem Irak vortragen.
Wir halten es in allen diesen Fällen für
erforderlich,
dass
von
zwangsweisen
Rückführungen abgesehen wird und sinnvolle
Aufenthaltsregelungen für die hier lebenden
Flüchtlinge getroffen werden. Da die Praxis
inzwischen
gezeigt
hat,
dass
das
Zuwanderungsgesetz in der großen Mehrzahl der
Fälle nicht zu einer Abschaffung von
Kettenduldungen führt, haben wir die IMK erneut
zu einer konstruktiven Befassung mit einer
allgemeinen Bleiberechtsregelung aufgefordert.
Nachdem
mehrere
EU-Staaten
in
den
vergangenen Jahren Bleiberechtsregelungen für
verschiedene Personengruppen erlassen haben und
Spanien sich anschickt über 700.000 statuslosen
Menschen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren,
halten wir es für schwer nachvollziehbar, dass die
vergleichsweise sehr viel kleinere Gruppe der in
Deutschland über viele Jahre hinweg Geduldeten
hierzulande keine Zukunftsperspektive erhält.
PRO ASYL begrüßt die Ankündigung
verschiedener Innenminister, sich bei der
kommenden Innenministerkonferenz für eine
Bleiberechtsregelung einzusetzen. Gleichzeitig
haben wir die IMK aufgefordert, die Bedingungen
einer solchen Regelung so auszugestalten, dass sie
von den Menschen erfüllbar sind. Schwer
erfüllbar
angesichts
der
derzeitigen
Arbeitsmarktsituation und der Folgewirkungen
der Beschäftigungsverordnung ist insbesondere
das
Erfordernis
der
selbstständigen
Lebensunterhaltssicherung aus Erwerbstätigkeit.
Flüchtlinge aus Afghanistan
Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich nach
letzten Wochen verschlechtert. Betroffen sind
nicht nur etliche Provinzen, in denen es weiterhin
zu ethnischen Auseinandersetzungen kommt,
sondern auch Kabul. Mehrfach gab es dort in
letzter Zeit
Anschläge mit einer Vielzahl von Todesopfern
(vgl. u.a. „Helfer in Afghanistan leben
gefährlich“,
Frankfurter
Rundschau
vom
18.5.2005). Eine neue Eskalationsstufe wurde
Mitte Mai erreicht, als antiamerikanische Proteste
sich auf 10 von 34 Provinzen ausgeweitet haben,
in der Stadt Jalalabad Büros der Vereinten
Nationen angegriffen wurden und ausländisches
Personal evakuiert werden musste. Im Süden und
besonders im Südosten entlang der Grenze zu
Pakistan nehmen die Kämpfe zwischen den
Streitkräften der Enduring Freedom Koalition und
einsickernden Taliban zu, die in einigen Regionen
zunehmend Unterstützung erhalten.
Im April hielt sich eine Delegation der
Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände
und von PRO ASYL in Afghanistan auf. Sie
bestand
aus
der
Vizepräsidentin
des
Verwaltungsgerichtes Frankfurt/M., Buchberger,
Rechtsanwältin
Arendt-Rojahn,
Berlin,
Rechtsanwalt Freckmann, Hannover, und
Rechtsanwalt Pfaff, Frankfurt /M. Die Delegation
führte in verschiedenen Landesteilen Gespräche
mit Ministern der afghanischen Regierung,
regionalen Gouverneuren, UNHCR, der deutschen
Botschaft,
ISAF
und
afghanischen
Staatsangehörigen ohne offizielle Funktion,
darunter auch Rückkehrer aus anderen Staaten.
Der Reisebericht der Delegation wird in Kürze
vorliegen.
Einer der Reiseteilnehmer, Rechtsanwalt Victor
Pfaff, hat für PRO ASYL seine Eindrücke
zusammengefasst (s. Anlage). Er berichtet über
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
einige der Probleme, von denen Rückkehrer
betroffen sind. Auch der afghanische Minister für
Repatriierung und Flüchtlinge, Dadfar, hält –
anders als der hamburgische Innensenator Nagel,
der sich ebenfalls im April in Afghanistan
aufgehalten hat - die Lage für „hochexplosiv“.
Offiziere der ISAF halten sie für „äußerst fragil“.
Die letzten Wochen haben eine Antwort darauf
gegeben, wie die Realitäten sich entwickeln und
welche Gefahrenprognose zu stellen ist: Die OMF
(Opposing
militant
forces),
Reste
des
Talibanregimes samt ihrer Verbündeten, bedrohen
nicht mehr nur den Südwesten, sondern auch den
Osten des Landes. Hinzu kommt der
Massenaufruhr in zahlreichen Städten und
Provinzen mit vielen Toten und Verletzten wegen
eines Artikels in der Zeitschrift Newsweek über
angebliche Koranschändungen in Guantanamo.
Die Angriffe der letzten Zeit haben sich auch
gegen
UN-Einrichtungen
und
Nichtregierungsorganisationen
gerichtet.
Im
Norden wurden vor kurzem drei UNMitarbeiterinnen getötet. Eine italienische
Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation wurde
entführt. Angesichts des jüngsten Anschlags auf
ein Internetcafé mit Toten, angesichts von
Entführungsversuchen und Entführungen in Kabul
ist die Sichtweise des Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge, Kabul sei eine zumutbare
Zufluchtsalternative ebenso wenig akzeptabel wie
die Behauptung einer ausreichenden Stabilität, die
es rechtfertigen könne, mit Zwangsrückführungen
zu beginnen.
Zur instabilen Gesamtsituation kommt die
zunehmende Kriminalität, gegen die Polizei und
Justiz keinen Schutz bieten. Sogar die Regierung
räumt ein, dass Polizeikräfte in die organisierte
Kriminalität involviert sind. Eine handlungsfähige
Justiz gibt es nach wie vor nicht, was ein Grund
dafür ist, dass die gerade im Zusammenhang mit
Rückkehrern wichtigen Eigentumsansprüche
entweder nicht realisiert werden können oder zum
Teil zu gewalttätigen Auseinandersetzungen
führen.
Bereits jetzt sind viele Menschen, darunter gerade
auch
Binnenvertriebene
und
Rückkehrer
obdachlos oder leben in illegal errichteten, gegen
das
Wetter
nicht
Schutz
bietenden
Behelfsbehausungen – ohne Zugang zu sauberem
Wasser, der lebensnotwendigen Grundversorgung
mit
Nahrungsmitteln
oder
medizinischer
Versorgung. Der Zugang zu medizinischer
Grundversorgung ist nicht gewährleistet.
Juni 2005
Angesichts dieser Tatsachen ist die Durchführung
von Zwangsrückführungen nach Afghanistan
nicht zu verantworten. Die Lage hat sich
gegenüber der Situation im Herbst 2004, die
Hintergrund des Beschlusses in der 175. Sitzung
der
Innenministerkonferenz
war,
noch
verschlechtert.
Flüchtlinge aus dem Kosovo
Die blutigen Unruhen im Kosovo und die
Pogrome gegen Minderheiten liegen erst ein Jahr
zurück. Die schweren Vorfälle vom März 2004
haben zu einer Eskalation ethnisch motivierter
Gewalt im ganzen Kosovo geführt und die Region
an den Rand eines bewaffneten Konflikts
gebracht. Weder KFOR noch UNMIK waren in
der Lage, den Gewalttaten Einhalt zu gebieten.
Das Resultat: außer Toten und Verletzten die
Vertreibung von mehr als 4.000 Kosovo-Serben,
Ashkali, Roma sowie Angehörigen anderer
Minderheiten.
UNHCR hat in einem Positionspapier vom März
2005 darauf hingewiesen, dass die Sicherheitslage
im Kosovo weiterhin zerbrechlich und
unberechenbar bleibe und ein erneutes Umkippen
der Sicherheitslage sowie der Ausbruch
neuerlicher Gewalttätigkeiten in diesem Jahr nicht
ausgeschlossen werden könnten. Dies könnte zu
einem Dominoeffekt führen und sich binnen
kurzer Zeit auf das gesamte Gebiet des Kosovo
ausweiten.
Für uns nicht nachvollziehbar ist, dass UNHCR
hinsichtlich von Angehörigen der Volksgruppe
der Ashkali und der „Ägypter“ nur noch in
Einzelfällen ein Bedürfnis nach internationalem
Schutz sieht, das in einem umfassenden
individuellen Verfahren geprüft werden soll.
Gerade Ashkali und „Ägypter“ waren Opfer der
Pogrome des Jahres 2004. Die veränderte
Lageeinschätzung ist zu sehen vor dem
Hintergrund anstehender Verhandlungen über den
Status des Kosovo. Offenbar besteht erheblicher
Druck insbesondere auf UNMIK, die Lage der
Menschen- und Minderheitenrechte zumindest so
zu beschreiben, dass von einer Verbesserung
gegenüber der Vergangenheit gesprochen werden
kann. Mit den Realitäten hat dies wenig zu tun.
PRO ASYL hält Abschiebungen von Ashkali und
„Ägyptern“ wie auch von Serben und Roma nicht
für
vertretbar.
Bereits
zur
letzten
Innenministerkonferenz
hatten
mehrere
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Bundesländer vorgeschlagen, abweichend von der
bisherigen
Beschlusslage
der
Innenministerkonferenz ein Bleiberecht zu
ermöglichen. Nach Ansicht von PRO ASYL hat
diese Initiative nichts von ihrer Aktualität
verloren.
Juni 2005
Entführungen, sexuelle Gewalt, Ehrenmorde,
Zwangsheirat und politische Aktivität). Separate
Hintergrundinformationen liegen von Seiten des
UNHCR zu religiösen Minderheiten und Frauen
vor.
Flüchtlinge aus Tschetschenien
Flüchtlinge aus dem Irak
Die Lage im Irak ist weiterhin von Instabilität und
einer Vielzahl von Anschlägen gekennzeichnet,
gegen die die alliierten Militärs und die
Übergangsregierung keinen Schutz bieten können.
Die in den Lageberichten des Auswärtigen Amtes
benannten
Rückkehrund
Rückführungshindernisse bestehen weiterhin.
PRO ASYL erwartet deshalb, dass die
Innenministerkonferenz keine Beschlüsse zur
Rückführung irakischer Staatsangehöriger fassen
wird.
Bereits in einem Schreiben vom 8. November
2004 hatte PRO ASYL anlässlich der letzten
Sitzung der Innenministerkonferenz auf die
fragwürdigen
Widerrufsverfahren
des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gegen
irakische Flüchtlinge hingewiesen. Die Praxis der
Massenwiderrufe ist ein Verstoß gegen die Genfer
Flüchtlingskonvention
und
hält
bislang
unvermindert an, während die Lage im Irak eine
Rückführung irakischer Flüchtlinge auf längere
Zeit hinaus nicht möglich macht. Deshalb erneuert
PRO ASYL die Forderung, irakischen
Flüchtlingen einen sicheren Aufenthaltsstatus
einzuräumen, sie nicht im Zustand der Duldung zu
belassen oder Widerrufsverfahren einzuleiten.
UNHCR hat im April 2005 Materialien zum
Schutzbedürfnis irakischer Flüchtlinge und
Asylsuchender im aktuellen Kontext und zur
Rückkehr in den Irak vorgelegt. Die lange Liste
besonders schutzbedürftiger Gruppen ist ein
deutlicher Beleg für die Sicherheitslage im Irak.
Unter Verweis auf konkrete Anschläge und
Tötungen nennt UNHCR: irakische Zivilisten, die
für die Koalition, die Vereinten Nationen, NGOs
oder ausländische Firmen arbeiten, Angehörige
der irakischen Übergangsregierung, Angehörige
lokaler Behörden, Mitglieder irakischer Parteien,
Medienschaffende, Akademiker, Mitglieder der
früheren Baath-Partei und sonstige Angehörige
des früheren Regimes, Angehörige religiöser
Minderheiten, insbesondere Christen, religiöse
Würdenträger,
Angehörige
ethnischer
Minderheiten, Frauen (unter Hinweis auf
PRO ASYL fordert die Innenministerkonferenz
auf,
sich
mit
der
Schutzbedürftigkeit
tschetschenischer Flüchtlinge endlich auseinander
zu setzen. Es liegen neue Berichte vor, dass eine
sichere
Aufenthaltsmöglichkeit
für
tschetschenische Flüchtlinge in der Russischen
Föderation nicht gegeben ist. Trotz einer bereits
seit Mitte 2004 verbesserten Entscheidungspraxis
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
erhalten viele schutzbedürftige Tschetschenen
keinen adäquaten Schutz in Deutschland.
Die
Menschenrechtslage
ist
weiterhin
katastrophal. Human Rights Watch schildert in
einem Bericht vom 21. März 2005 die inzwischen
weit verbreitete Praxis des Verschwindenlassens,
das inzwischen den Charakter eines Verbrechens
gegen die Menschlichkeit angenommen habe. Das
Menschenrechtszentrum Memorial hat sich in
einem Bulletin vom 17. März 2005 insbesondere
mit neuen Methoden des Anti-Terrorkrieges
beschäftigt und u.a. auf verstärkte Repressionen
gegen
Familienmitglieder
tschetschenischer
Kombattanten hingewiesen, ebenso auf Fälle von
Kidnapping, Mord, Geiselnahme, illegaler
Inhaftierung, Gewaltanwendung und Zerstörung
von Eigentum, die über den engeren Begriff der
Sippenhaft weit hinausgehen. Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat
Russland
wegen
schwerwiegender
Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien
am 24. Februar 2005 in mehreren Fällen zu hohen
Geldstrafen verurteilt.
Unter den tschetschenischen Flüchtlingen sind
viele Menschen, die als Opfer oder Zeugen
schwerster
Menschenrechtsverletzungen
psychische Schädigungen davongetragen haben
und zum Teil behandlungsbedürftig sind. PRO
ASYL beobachtet mit Sorge, dass in großem
Maße
tschetschenische
Flüchtlinge
in
osteuropäische Staaten, insbesondere nach Polen
im Rahmen
der
Dublin II-Verordnung
zurücküberstellt werden. Mangels geeigneter
therapeutischer Einrichtungen für Folteropfer
unterbleibt in vielen Fällen die notwendige
Behandlung. Dies ist kein originäres Thema der
Innenministerkonferenz,
wirft
jedoch
ein
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Schlaglicht auf den problematischen Zustand der
Schutzgewährung
für
tschetschenische
Flüchtlinge in ganz Europa.
PRO ASYL fordert die IMK auf, sich dafür
einzusetzen,
dass
Abschiebungen
tschetschenischer Flüchtlinge ausgesetzt werden
und
eine
bundeseinheitliche
und
rechtsverbindliche Schutzregelung beschlossen
wird.
Togoische Flüchtlinge
Mit Unverständnis hat PRO ASYL die Nachricht
aufgenommen, dass eine Konsultation der
Innenminister zu den Konsequenzen der Lage in
Togo zu dem Ergebnis kam, man sehe keine
Notwendigkeit für einen Abschiebungsstopp.
Damit werden bei einer Fortführung von
Abschiebungen
in
diem
immer
noch
unübersichtliche Situation in Togo Menschen
großen Risiken ausgesetzt, insbesondere solche,
die exilpolitisch aktiv sind. Die aktuelle Krise hat
Aspekte,
die
eine
Neubewertung
des
Rückkehrrisikos durch das Auswärtige Amt nötig
machen, bis zur Erstellung des entsprechenden ad
Der katholische Nachrichtendienst „Fides Dienst“
berichtet am 14. Mai 2005 darüber, dass
Todesschwadronen trotz der augenscheinlichen
Ruhe die Bevölkerung terrorisieren. Menschen,
die in der Politik, in der Gesellschaft oder der
Kirche Verantwortung tragen, müssten sich
verstecken, weil sie Morddrohungen erhalten
hätten, so ein Beobachter. Mit Unterstützung der
Gendarmerie und der Armee sollen Milizen mit
Waffen versorgt werden, deren Aufgabe es ist,
Bevölkerungsteile zu terrorisieren, die der
Opposition nahe stehen. Allein in der Stadt
Atakpame sollen bei den Übergriffen einer
solchen Miliz innerhalb von drei Tagen dreißig
Menschen umgekommen sein.
Bleiberechtsregelung
Die ersten Erfahrungen mit der Umsetzung des
Zuwanderungsgesetzes
zeigen,
dass
die
angekündigte Abschaffung der Kettenduldungen
so nicht erreicht wird. Zahlreiche Menschen mit
langjährigem Aufenthalt, die einen Antrag nach §
25 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz stellen, sehen sich
mit der Behauptung konfrontiert, sie könnten
freiwillig ausreisen – auch in Staaten bzw.
Regionen, deren angespannte Sicherheitslage
weiter oben geschildert wurde. Hinzu kommt eine
Juni 2005
hoc Lageberichtes aber einen Abschiebungsstopp
nahe legen. Die Zerstörung des Goethe-Instituts in
Lomé und die Hetzkampagne gegen Deutsche in
Togo haben deutlich gemacht, dass die illegitime
Regierung Togos Deutschland verantwortlich
macht für die Unterstützung oppositioneller
Kräfte. Dass sich der bisherige Innenminister
zunächst unter den Schutz der deutschen
Botschaft gestellt hat, bevor er im Drittstaat
offenbar einen Flüchtlingsstatus erhielt, dürfte den
Verdacht des Regimes Gnassingbé nähren. Damit
liegt es auf der Hand, dass Flüchtlinge aus Togo,
die sich nach Deutschland geflüchtet haben und
jetzt vor der Abschiebung stehen, in Gefahr
stehen, als oppositionell und illoyal eingestuft zu
werden.
Spekulationen, die Lage werde sich relativ
kurzfristig beruhigen, hält PRO ASYL vor dem
Hintergrund widersprüchlicher Meldungen für
unangebracht. Vertreter der Welthungerhilfe
haben sich besorgt über die Sicherheitslage im
Grenzgebiet zwischen Togo und Benin geäußert.
Es kämen weiterhin Flüchtlinge über die Grenze
nach Benin, von denen viele Schussverletzungen
aufwiesen.
Vielzahl
zu
Unrecht
eingeleiteter
Widerrufsverfahren
beim
Bundesamt
für
Migration
und
Flüchtlinge,
die
neue
Kettengeduldete produzieren, wenn dem nicht
Einhalt geboten wird. Überdies haben zahlreiche
Geduldete
in
Folge
des
neuen
Arbeitserlaubnisrechts ihren Arbeitsplatz und
damit die selbstständige Existenzsicherung
verloren. Zwar hat das Bundesinnenministerium
über ein Rundschreiben im März 2005 noch
versucht, die Situation zu korrigieren, dennoch
bleibt in der Praxis das Problem vielerorts
bestehen. Dabei sind die Stellen, die zumeist im
Niedriglohnsektor angesiedelt sind, nicht ohne
Weiteres mit anderen Menschen zu besetzen.
Über die politischen Lager hinweg wurde die
Abschaffung der Kettenduldungen befürwortet
und
angestrebt.
Wenn
aber
das
Zuwanderungsgesetz dies nicht einlöst, dann ist es
an der Zeit, sich erneut mit einer
Bleiberechtsregelung zu beschäftigen, wie PRO
ASYL
sie
gemeinsam
mit
Kirchen,
Gewerkschaften,
Wohlfahrtsverbänden
und
anderen gesellschaftlichen Gruppen fordert.
Selbst wenn die Innenminister die Auffassung von
PRO ASYL nicht teilen und verstärkten
Abschiebungsdruck auch in die beschriebenen
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Krisengebiete
entfalten
sollten,
ist
realistischerweise nicht zu erwarten, dass man fast
200.000 Menschen innerhalb weniger Jahre in
diese Länder transportieren kann. Das Problem
wird so weiter verschoben, zu Lasten der
Betroffenen und der Gesellschaft.
Bleiberechtsregelung bietet also die Chance, zu
einer konstruktiven und für alle Beteiligten
befriedigenden
Lösung
in
der
Kettenduldungsfrage zu kommen.
Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention
der Vereinten Nationen
Angesichts der zahlreichen Arbeitsplatzverluste
seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes
müsste eine Bleiberechtsregelung, die tatsächlich
wirksam werden soll, zwingend von dem strikten
Erfordernis
der
eigenständigen
Lebensunterhaltssicherung
absehen.
Altfallregelungen
früherer
Jahre
haben
diesbezüglich die Möglichkeit einer so genannten
„Schnupperbefugnis“ vorgesehen. Erst ein
Bleiberecht eröffnet vielen Geduldeten die
Chance, sich aussichtsreich um Arbeit zu
bemühen oder eine alte Stelle wieder zu besetzen
und damit Sozialhilfeabhängigkeit zu vermeiden.
Gerade
eine
diesbezüglich
weitgefasste
PRO ASYL begrüßt, dass sich Bund und Länder
in dieser Frage verständigt haben und offenbar zu
einer völkerrechtsfreundlichen Lösung kommen
wollen. Die Ausgestaltung des unabhängigen
Überwachungsmechanismus sollte allerdings so
beschaffen sein, dass dieser auch wirklich
effizient arbeiten kann. Was bisher über die
geplante
Ausstattung
des
Präventionsmechanismus bekannt geworden ist,
wäre ein im internationalen Vergleich peinliches
Zurückbleiben
hinter
vergleichbaren
demokratischen Staaten.
÷
amnesty international
Landesbeauftragter für Asylfragen
Rheinland-Pfalz
Heiko P. Müller
8. Juni 2005
An
Herrn Staatsminister
Karl Peter Bruch - persönlich
Ministerium des Innern und für Sport
Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) am 23./24.
Juni 2005 in Stuttgart
Sehr geehrter Herr Staatsminister,
lieber Karl Peter,
anläßlich der nächsten Innenministerkonferenz am
23./24. Juni 2005 in Stuttgart wendet sich unsere
Organisation an Dich, um über die Anliegen von
amnesty international
zu informieren. Dies
betrifft Themen, die auf der Tagesordnung der
Innenministerkonferenz stehen oder Themen, die
nach der Ansicht von amnesty international auf
ihr behandelt werden sollten. Unsere Anliegen
betreffen die Umsetzung des Zusatzprotokolls der
Antifolterkonvention der Vereinten Nationen und
den Abschiebungsschutz von verschiedenen
Flüchtlingsgruppen. Bei einer Rückkehr wären
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
nach unserer Ansicht insbesondere togoische,
afghanische,
irakische,
tschetschenische
Flüchtlinge und Flüchtlinge, die einer
Minderheit im Kosovo angehören, gefährdet.
1. Zusatzprotokoll zur Antifolterkonvention
der Vereinten Nationen
amnesty international beobachtet die derzeitigen
Überlegungen
zur
Umsetzung
des
Zusatzprotokolls der UN-Antifolterkonvention
(OPCAT) in Deutschland aufmerksam und
kritisch.
Wir begrüßen, daß nunmehr von fast allen
Bundesländern die notwendige Zustimmung für
die
Zeichnung und
Ratifikation
dieses
internationalen Abkommens vorliegt und hoffen,
daß auch die letzten noch ausstehenden
Erklärungen von Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Niedersachsen
in
unmittelbarer
Zukunft
abgegeben werden.
Nicht akzeptabel ist jedoch das Modell des
nationalen Präventionsmechanismus in der zur
Zeit diskutierten Form. Nach uns vorliegenden
Informationen sieht das auf Druck der Länder
ausgehandeltes Kompromißmodell vor, daß sich
das in
Deutschland als Länderkommission bezeichnete
Gremium aus nur vier ehrenamtlich tätigen
Experten zusammensetzen soll und von einem
sehr kleinen Sekretariat, bestehend lediglich aus
einem Oberregierungsrat, in seiner Arbeit
unterstützt werden wird. Mit dieser geringen
Ausstattung aber ist die Länderkommission, die
das zentrale Element des OPCAT bildet, nicht in
der Lage, die mehreren hundert ihrer
Zuständigkeit unterliegenden Einrichtungen wie
unter anderem Gefängnisse, Polizeistationen,
Psychiatrien
und
Alteneinrichtungen
flächendeckend aufzusuchen und nachhaltige
Empfehlungen abzugeben. Zum Vergleich sei hier
auf die weitaus kleinere Schweiz verwiesen, deren
Kommission voraussichtlich mit 12 bis 20
Experten besetzt werden wird.
Das geplante Besuchsmodell wird dem OPCAT
zugrundeliegenden Gedanken der Prävention von
Menschenrechtsverletzungen in der besonders
gefährlichen Situationen des Freiheitsentzugs
nicht gerecht. Insbesondere vor dem Hintergrund
des
starken
internationalen
Engagements
Deutschlands für dieses Protokoll und im Sinne
einer
konsequenten
und
glaubwürdigen
Antifolterpolitik besteht aber die Verpflichtung,
mit gutem Beispiel voranzugehen. amnesty
international fordert die Innenminister und –
Juni 2005
senatoren der Länder daher auf, sich für eine
wirkungsvolle
Umsetzung
des
OPCAT
einzusetzen
und
ein
Modell
einer
Länderkommission zu entwickeln, dessen
personelle und finanzielle Ausstattung eine
effektive
Präventionsarbeit
gegen
Folter
gewährleistet.
2. Afghanistan
Die Ständige Konferenz der Innenminister und –
senatoren der Länder hat sich am 18./19.11.2004
darauf verständigt, mit der afghanischen
Regierung ein Memorandum of Understanding
zur Rücknahme von Flüchtlingen auszuhandeln
und auf dieser Grundlage zwangsweise
Rückführungen afghanischer Flüchtlinge in
größerem
Umfang
durchzuführen.
Diese
Entscheidung stößt bei amnesty international auf
Unverständnis, da sich die Sicherheits- und
Menschenrechtslage in Afghanistan über das
gesamte letzte Jahr nicht verbessert, in mancher
Hinsicht
sogar
verschlechtert
hat.
Wir
wiederholen daher die Forderung, von
zwangsweisen Rückführungen nach Afghanistan
abzusehen und kritisieren insbesondere den
Alleingang Hamburgs, das als erstes Bundesland
und
ohne
ein
bestehendes
Rückübernahmeabkommen mit Abschiebungen
beginnt.
Nach Erkenntnissen von amnesty international ist
die
Sicherheit
der
nach
Afghanistan
zurückkehrenden Flüchtlinge nicht gewährleistet.
Diese Einschätzung wird durch die Ergebnisse
einer Delegationsreise von Rechtsanwälten und
einer Verwaltungsrichterin im April 2005
bestätigt. Eine Stabilisierung der Lage in
absehbarer Zukunft ist auch nicht zu erwarten,
vielmehr muß von einer weiteren Verschärfung
der Situation im Vorfeld der für September
angekündigten Parlamentswahlen ausgegangen
werden. Auch Human Rights Watch verzeichnet
einen deutlichen Anstieg von gewaltsamen
Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten,
Entführungen und politisch motivierten Morden.
Am 11. Mai 2005 wurde ein Parlamentskandidat
erschossen. Verschiedene Hilfsorganisationen
erwägen
aufgrund
der
katastrophalen
Sicherheitslage mittlerweile den Abzug ihrer
Mitarbeiter oder eine Einschränkung ihres
Tätigkeitsfelds. Die Kämpfe zwischen regionalen
Warlords und den verschiedensten politischen und
ethnischen Fraktionen in weiten Teilen des
Landes dauern an und eine Entwaffnung der
Milizen erfolgt sehr langsam. Nach wie vor
herrscht eine Atmosphäre der Rechtlosigkeit des
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Einzelnen bei gleichzeitiger Straflosigkeit der
Menschenrechtsverletzer. Es ist bisher nicht
gelungen, ein funktionierendes Justiz- und
Polizeisystem
aufzubauen.
Unter
diesen
Umständen müssen vor allem ethnische und
religiöse Minderheiten weiterhin mit Verfolgung,
Repression und Binnenvertreibung rechnen.
Besonders besorgniserregend bleibt die Situation
von Frauen und Mädchen, die unter der prekären
Sicherheitslage leiden und in erschreckendem
Maße Opfer von Diskriminierung, Bedrohung und
Gewalttaten werden.
Erst vor wenigen Wochen wurden eine 29-jährige
Frau wegen Ehebruchs gesteinigt und drei für
Hilfsorganisationen tätige Afghaninnen brutal
ermordet.
Auch eine zwangsweise Rückkehr in die vom
Hamburger Innensenator Nagel als sicher
eingestufte Hauptstadt Kabul hält amnesty
international nicht für vertretbar. Die vom
Bürgerkrieg immer noch schwer zerstörte Stadt ist
in den letzten Jahren explosionsartig von 1,5 Mio.
auf über 4 Mio. Einwohner gewachsen und mit
der Aufnahme der vor allem aus Pakistan und Iran
zurückkehrenden Flüchtlingen völlig überfordert.
Es gibt fast keinen Wohnraum, immer mehr
Menschen errichten am Stadtrand illegale
Slumhütten, die Arbeitslosigkeit ist hoch und eine
medizinische Grundversorgung kann nicht
gewährleistet werden. Die Sicherheitslage in
Kabul hat sich vor diesem Hintergrund
verschlechtert, Raubüberfälle und Schießereien
nehmen zu. Anläßlich eines Selbstmordattentats
auf ein Internetcafé in der Hauptstadt am 7.05.05
hat sich auch UN-Generalsekretär Kofi Annan
sehr besorgt über die in letzter Zeit zunehmende
Gewalt gegen afghanische Zivilisten geäußert.
Angesichts dieser desolaten Situation fordert
amnesty international eindringlich, keine
Abschiebungen
nach
Afghanistan
durchzuführen. Vielmehr appellieren wir an die
Innenministerkonferenz, insbesondere vor dem
Hintergrund
einer
über
lange
Zeit
unangemessenen Entscheidungspraxis sowohl des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge als auch der Verwaltungsgerichte
endlich
eine
großzügig
bemessene
Bleiberechtslösung für die in Deutschland
lebenden afghanischen Flüchtlinge zu finden.
3. Togo
amnesty international beobachtet mit großer Sorge
die jüngste Entwicklung der Menschenrechtslage
in Togo, die auch Auswirkungen auf die
Einschätzung
der
Gefährdungslage
für
Juni 2005
Rückkehrer hat. Nach uns vorliegenden
Erkenntnissen ist es in Togo seit dem Tod des
Präsidenten
Eyadéma,
dem
sich
daran
anschließenden Staatsstreich und gefälschten
Wahlen im Februar diesen Jahres zu gravierenden
und systematischen Menschenrechtsverletzungen
gekommen. In den letzten Monaten verzeichnete
amnesty international einen extremen Anstieg
exzessiver
Gewaltanwendung
durch
Sicherheitskräfte und bewaffnete Banden;
vergleichbare Gewaltausbrüche in den letzten
Jahren hat es in Togo nicht gegeben.
Auch nach der offiziellen Bekanntgabe der
Wahlergebnisse durch das Verfassungsgericht
halten die Repressionen gegen die Bevölkerung
an. Zahlreiche Personen wurden durch Schüsse
und Schläge getötet und verletzt. Oppositionelle
und mutmaßliche Oppositionelle wurden inhaftiert
und gefoltert. Der Regierung nahestehende
Milizen drangen wahllos in Häuser ein, die
Bewohner wurden geschlagen und beraubt und die
Häuser verwüstet. Viele Frauen wurden Opfer von
Vergewaltigungen. Es gab zahlreiche extralegale
Hinrichtungen durch die Sicherheitskräfte und
Morde
durch
bewaffnete
Milizen.
Die
Bevölkerung ist systematischen Mißhandlungen
auf den Straßen, bei den Hausdurchsuchungen
und in den Haftanstalten ausgesetzt.
amnesty international ist die genaue Anzahl der
Opfer - Tote und Verletzte - nicht bekannt. Ärzte
im Land, die Verletzte betreuen, sind angewiesen
worden, nicht mit Medienvertretern zu sprechen.
Familien, die Opfer zu beklagen haben, melden
diese aus Angst vor weiteren Verfolgungen nicht.
Berichte aus unterschiedlichen Quellen geben
Anlaß zu der Befürchtung, daß Dutzende, wenn
nicht Hunderte von Personen getötet, mehrere
Tausend verletzt wurden.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind
inzwischen mehr als 31.000 Togoer nach Benin
und Ghana geflohen, auch zahlreiche Ausländer
haben das Land verlassen. Die Sicherheitslage in
den Flüchtlingscamps ist prekär; Übergriffe durch
das togoische Militär werden befürchtet, wie die
vor Ort tätige Deutsche Welthungerhilfe unserer
Organisation berichtete.
Auch häufen sich Berichte über Übergriffe gegen
Personen, die aus Benin und Ghana wieder nach
Togo zurückgekehrt sind.
Mit einer Beruhigung der Lage und einer
Beendigung
der
massiven
Menschenrechtsverletzungen ist in unmittelbarer
Zukunft nicht zu rechnen.
amnesty international bedauert es sehr, daß bei der
Konsultation der Innenminister und –senatoren
der Länder zu der Lage in Togo und den etwaigen
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Auswirkungen auf den Aufenthalt der Togoer in
Deutschland dieser Situation nicht Rechnung
getragen wurde. amnesty international ist der
Auffassung, daß die instabile Sicherheits- und
Menschenrechtslage
zur
Zeit
keine
Abschiebungen nach Togo zuläßt.
4. Irak
Wir begrüßen die Entscheidung der Ständigen
Konferenz der Innenminister und –senatoren der
Länder vom 18./19. November 2004, auch
weiterhin von der zwangsweisen Rückführung
irakischer Flüchtlinge Abstand zu nehmen. Diese
Entscheidung stimmt mit der Position unserer
Organisation überein. Darüber hinaus ist amnesty
international jedoch entgegen der gegenwärtigen
Verwaltungspraxis unverändert der Auffassung,
daß keine Widerrufsverfahren gegen in der
Bundesrepublik lebende irakische Flüchtlinge
eingeleitet
werden
sollten.
Nach
den
Erkenntnissen von amnesty international sind die
Voraussetzungen für die Einleitung von
Widerrufsverfahren im Irak nach wie vor nicht
gegeben, da sich die Lage im Irak nicht dauerhaft
und stabil geändert hat und die irakischen
staatlichen Institutionen der Zivilbevölkerung und
gefährdeten Personengruppen keinen wirksamen
Schutz bieten können.
Die häufig geäußerte Hoffnung, daß sich mit der
Durchführung von Wahlen Ende Januar 2005 und
der Bildung einer irakischen Übergangsregierung
die Sicherheitslage im Land verbessern würde, hat
sich leider nicht erfüllt: die alltägliche Gewalt ist
stattdessen in den vergangenen Wochen und
Monaten weiter angestiegen. Nach jüngsten
Meldungen sind allein in den drei Wochen seit
Vereidigung des irakischen Kabinetts 550
Menschen getötet worden, darunter zahlreiche
Zivilisten. Die Zahl der Verletzten liegt um ein
Vielfaches höher. Nach US-Angaben sind seit
Ende Februar allein in Bagdad 126 Autobomben
explodiert oder entdeckt worden. Ende April
mußte der US-General Richard Myers einräumen,
daß täglich 50 bis 60 gewaltsame Angriffe im Irak
zu verzeichnen sind. Von einer Verbesserung oder
Stabilisierung der Sicherheitslage im Irak kann
seit dem Sturz der Baath-Regierung unter Saddam
Hussein vor zwei Jahren daher nicht die Rede
sein.
Darüber hinaus kommt es im Zuge von
Kampfhandlungen zwischen den US-geführten
Truppen und der irakischen Armee einerseits und
den bewaffneten Gruppen andererseits immer
wieder zu neuen Fluchtbewegungen der
irakischen Zivilbevölkerung. So haben die
Juni 2005
andauernden Kämpfe in und um die Stadt
Falludschah im Zeitraum von November 2004 bis
Januar 2005 Schätzungen zufolge zur Vertreibung
von 200.000 Bewohnern der Stadt geführt. Auch
die jüngste Militäroperation von Anfang Mai im
Westen der Provinz Anbar hatte allein in der Stadt
Qaim die Flucht von 100 Familien zur Folge.
Nach Angaben des UNHCR vom April 2005 wird
die Zahl der Binnenflüchtlinge im Irak auf 1.2
Mio. beziffert.
Die
humanitäre
Situation
und
die
Lebensbedingungen der irakischen Bevölkerung
haben sich zwei Jahre nach dem Sturz der
Regierung unter Saddam Hussein nicht spürbar
verbessert. Einer aktuellen Studie, die gemeinsam
vom
UNDP
und
dem
irakischen
Planungsministerium Mitte Mai veröffentlicht
wurde, sind alarmierende Fakten zu entnehmen:
57% der ländlichen Bevölkerung haben keinen
Zugang
zu
sauberem Trinkwasser, die
Elektrizitätsversorgung ist für rund 80% der
Bevölkerung unregelmäßig, fast 25% der Kinder
bis fünf Jahren leiden unter Mangelernährung.
Vor dem Hintergrund dieser Fakten und der sich
auf einem hohen Niveau unverändert schlecht
darstellenden Sicherheitslage im gesamten Land
wiederholt amnesty international die dringende
Forderung an die Ständige Konferenz der
Innenminister und –senatoren der Länder,
irakischen
Flüchtlingen
einen
sicheren
Aufenthaltsstatus zu erteilen. Weiterhin kritisiert
amnesty international erneut die Einleitung von
Widerrufsverfahren durch das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge, da sich aus der seit
nunmehr zwei Jahren andauernden Situation im
Irak ergibt, daß die Voraussetzungen für die
Beendigung der Flüchtlingseigenschaft nicht
erfüllt sind.
5. Kosovo
Am 26. April 2005 hat Deutschland mit der UNVerwaltung im Kosovo (UNMIK) eine „Agreed
Note“ unterzeichnet, nach der nunmehr in
begrenztem
Umfang
die
zwangsweise
Rückführung von Minderheitenangehörigen der
Ashkali und Ägypter sowie von straffällig
gewordenen Roma in den Kosovo möglich ist. In
dieser Vereinbarung wird von einer sich
fortsetzenden Stabilisierung der Sicherheitslage
im Kosovo ausgegangen. amnesty international
verurteilt diese Vereinbarung und die nun
folgenden
Abschiebungen
dieser
Personengruppen aufs Schärfste.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Das
Ausbleiben
von
gewaltsamen
Ausschreitungen gegen ethnische Minderheiten,
die denen im März 2004 vergleichbar wären, ist
kein Hinweis auf eine dauerhafte Stabilisierung
der Sicherheitslage in der Provinz. Es mag nach
den März-Ereignissen nicht in großer Zahl zu
gewaltsamen Übergriffen auf Angehörige
ethnischer Minderheiten wie die der Roma,
Ashkali und Ägypter gekommen sein. Die
Tatsache,
daß
die
Mehrheit
der
Minderheitenangehörigen in Enklaven lebt und in
ihrer Bewegungsfreiheit unverändert auf den
Schutz von Kfor und Polizeikräften angewiesen
ist und daß Häuser, die für die Rückkehr von
Flüchtlingen wieder aufgebaut werden, immer
wieder geplündert werden, zeigt jedoch
unmißverständlich, wie prekär die Sicherheitsund Menschenrechtslage weiterhin ist. Das gilt
insbesondere für Angehörige der Serben, Roma,
Ashkali
und
Ägypter.
Zwangsweise
Rückführungen in den Kosovo wären nur dann
zulässig,
wenn
von
einer
dauerhaften
Stabilisierung der Sicherheitslage ausgegangen
werden kann, was gegenwärtig jedoch nicht der
Fall ist. Vielmehr ist wegen der im September
anstehenden Verhandlungen über den Status des
Kosovo eine Verschärfung der Gefährdungslage
gerade für ethnische Minderheiten nicht
auszuschließen. Sollte dies der Fall sein, ist von
einer erneuten Zunahme ethnisch motivierter
Gewalt auszugehen. Gerade für September von
einer weiteren Verbesserung der Situation
auszugehen, ist vor diesem Hintergrund abwegig.
Die Schutzbedürftigkeit insbesondere von Serben,
Roma, Ashkali und Ägyptern steht somit
weiterhin nicht in Frage. Die Politik des Bundes
und der Länder sollte dies endlich in Rechnung
stellen. Die zwangsweise Rückführung straffällig
gewordener Roma darf kein erster Schritt sein bei
dem Versuch, Angehörige der Roma in größerer
Zahl in den Kosovo zurückzuführen. Roma sind
dort keinesfalls sicher. Daher fordert amnesty
international, daß sich die Innenminister und senatoren auf ihrer bevorstehenden Konferenz
endlich auf eine Bleiberechtsregelung für Roma
und andere Minderheitenangehörige aus dem
Kosovo einigen.
Zu unserem Bedauern konnte zwischen der
deutschen Seite und UNMIK in den
Verhandlungen am 25. und 26. April 2005 keine
Einigung über die Frage erzielt werden, in
welcher Ausführlichkeit die deutschen Behörden
Daten über den gesundheitlichen Zustand der
Rückzuführenden an UNMIK übermitteln
müssen.
Juni 2005
Ich möchte Dich eindringlich daran erinnern, daß
es UNMIK im Vorfeld von geplanten
Rückführungen traumatisierter und schwer
kranker Menschen nicht möglich ist, eine
Bewertung
des
Gesundheitszustandes
vorzunehmen, wenn UNMIK nicht ausführliche
Informationen, einschließlich ärztlicher Atteste,
übermittelt
werden.
UNMIK
ist
darin
beizupflichten,
daß
eine
zwangsweise
Rückführung traumatisierter Menschen in
Kosovo zu unterlassen ist. Ich halte dies auch im
Lichte des Menschenwürdegebotes unseres
Grundgesetzes für unverantwortbar.
Weder Traumatisierung noch andere schwere
psychische Erkrankungen sind im Kosovo
behandelbar.
Darauf
weist
auch
eine
Stellungnahme der UNMIK vom Januar 2005 in
aller Deutlichkeit hin. Ursächlich für ein Trauma
bei Kosovo-Albanern und Angehörigen ethnischer
Minderheiten aus dem Kosovo sind in den
meisten
Fällen
schwere
Menschenrechtsverletzungen.
Durch
eine
Abschiebung besteht für die Betroffenen eine
ernstzunehmende Gefahr für Leib und Leben.
6. Tschetschenien
amnesty international hat kein Verständnis dafür,
daß die Schutzbedürftigkeit tschetschenischer
Flüchtlinge aus der Russischen Föderation auch
auf der letzten Innenministerkonferenz im
November 2004 zum wiederholten Male nicht
Gegenstand der Erörterungen war.
Nach Beendigung der Asylverfahren bleibt nach
wie vor die Mehrheit tschetschenischer
Flüchtlinge in Deutschland schutzlos und muß
jederzeit ihre Abschiebung in die Russische
Föderation befürchten. Dies erfüllt unsere
Organisation anhaltend mit großer Besorgnis,
denn tschetschenische Flüchtlinge sind nach den
Erkenntnissen von amnesty international in der
übergroßen Mehrheit unverändert schutzbedürftig.
Auch in den letzten Monaten hat sich die Lage für
tschetschenische Flüchtlinge in Rußland nicht
verbessert. Um Wiederholungen zu vermeiden,
möchte
ich
Dich
gern
auf
unsere
vorangegangenen Schreiben an die Innenminister
und –senatoren verweisen, denen Du Details zu
unserer Lageeinschätzung entnehmen kannst. Für
manche Personengruppen hat sich die Situation in
der letzten Zeit sogar verschärft, wie zum Beispiel
für Angehörige von Menschen, die aus
unterschiedlichen Gründen in das Visier
russischer Sicherheitskräfte oder „Moskau-treuer“
tschetschenischer Milizen geraten sind.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Da tschetschenische Volkszugehörige keinen
dauerhaft sicheren Aufenthalt in der Russischen
Föderation finden können, fordert amnesty
international für diese Flüchtlingsgruppe einen
Abschiebungsstopp. Angesichts der drohenden
Gefahr für diese Gruppe im Falle einer
zwangsweisen Rückführung ist es politisch
geboten, daß sich die Innenminister und –
senatoren auf ihrer bevorstehenden Konferenz im
Juni mit dieser Thematik auseinandersetzen.
Juni 2005
Ich möchte Dich hiermit eindringlich bitten, die
angesprochenen Themen auf der Konferenz in
diesem Sinne zu thematisieren und würde mich
freuen, wenn wir uns nach der Konferenz darüber
und über die anderen - hoffentlich erfreulichen Ergebnisse der Konferenz unterhalten könnten.
Herzliche Grüße
Heiko
Bundesministerium des Innern
Pressemitteilung
Berlin, 23.6.2005
Bundesminister Otto Schily schlägt eine Bleiberechtsregelung
für Kinder und Jugendliche vor
Bundesinnenminister Otto Schily wird auf der
heute beginnenden Innenministerkonferenz in
Stuttgart eine Regelung vorschlagen, mit der
ausländischen Kindern und Jugendlichen, die seit
langem in Deutschland leben und integriert sind,
ein Bleiberecht im Sinne einer generellen
Härtefallregelung gegeben wird. Mit einer solchen
humanitären Lösung soll berücksichtigt werden,
dass diese Minderjährigen hier im Lande
aufgewachsen und heimisch geworden sind, und
dass sie meist weder einen sprachlichen noch
einen kulturellen Bezug zum Heimatland ihrer
nach Deutschland eingereisten Eltern haben.
Das Schicksal der Kinder und Jugendlichen soll
bei dieser Regelung im Vordergrund stehen,
ungeachtet des Verhaltens der Eltern. Selbst wenn
die Eltern nach dieser Regelung dann mit ihren
Kindern in Deutschland bleiben dürfen, ändert
dies nichts daran, dass sie ursprünglich
ausreisepflichtig waren, und dass ihr Aufenthalt in
Deutschland rechtlich nicht hinzunehmen wäre,
wenn ihre Kinder nicht hier lebten. Dies gilt umso
mehr, als sie häufig durch Ausnutzen aller
Verfahrensmöglichkeiten
ihren
Aufenthalt
verlängert haben, um ein Bleiberecht in der
Bundesrepublik Deutschland zu erhalten. Die
Kinder sollen aber nicht dafür büßen, dass ihre
Eltern ihren Pflichten nicht nachgekommen sind.
Die Kinder und Jugendlichen, die sich in die
hiesigen sozialen Lebensverhältnisse integriert
haben, die einerseits hier Kindergarten und
Schule besucht haben und gut Deutsch sprechen,
die andererseits meist weder die Sprache ihrer
Eltern beherrschen noch Bindungen an deren
Heimatland besitzen, haben im Herkunftsland
ihrer Eltern keine Zukunftsperspektive, werden
aber in absehbarer Zukunft - wie auch Vertreter
der Gemeinden und der Wirtschaft immer wieder
bestätigen - in Deutschland als Fachkräfte
benötigt.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Viele Initiativen und Einzelpersonen sowie die
Kirchen haben sich immer wieder dafür
eingesetzt, dass diesen Kindern und Jugendlichen
ein Bleiberecht in Deutschland gewährt wird. Eine
solche Regelung findet also eine breite
Unterstützung in der Gesellschaft.
Die Einzelheiten der Regelung werden
Gegenstand der Beratung in der IMK sein.
Ständige Konferenz
der Innenminister und -senatoren der Länder
Der Vorsitzende
Innenminister Heribert Rech
Pressemitteilung vom 24. Juni 2005
(gekürzte Fassung)
Die 178. Konferenz der Innenminister und -senatoren hat
unter dem Motto „Mit SICHERHEIT was los“ in Stuttgart getagt
Innenminister Heribert Rech:
„In konstruktiven Gesprächen haben wir konsensfähige Lösu ngen gefunden“
Die Innenminister und -senatoren der Länder
haben
unter
Vorsitz
des
badenwürttembergischen Innenministers Heribert
Rech mit Bundesinnenminister
Otto Schily in Stuttgart getagt. „Wir haben
trotz
mancher
unterschiedlicher
Auffassungen in allen Punkten konsensfähige
Lösungen gefunden“, sagte der Vorsitzende
der
Innenministerkonferenz,
Minister
Heribert Rech, am Freitag, 24. Juni 2005, in
Stuttgart.
Nach
der
Erörterung
der
Sicherheitslage,
der
Bekämpfung
des
internationalen
Terrorismus
und
ausländerpolitischer Fragen seien folgende
Beschlüsse gefasst worden:
[…]
Rückführung von Minderheiten
in das Kosovo
Die Innenminister und - senatoren der Länder
hätten den Bundesminister des Innern
gebeten, mit der Verwaltungsmission der
Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK)
rechtzeitig über die Ausweitung der
Rückführungsmöglichkeiten
von
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
ausreisepflichtigen Minderheiten in den
Kosovo zu verhandeln. Der Bürgerkrieg im
Kosovo sei seit längerem beendet und die
Flüchtlinge
könnten
auf
Grund
der
Sicherheitslage und unter dem Schutz der
internationalen Friedenstruppen wieder in
ihre Heimat zurückkehren. Trotzdem hielten
sich noch sehr viele Kosovaren, vor allem
Angehörige der ethnischen Minderheiten, in
der Bundesrepublik auf. Zwar habe die
Rückführung von Minderheiten wegen der
Unruhen im Kosovo Mitte März 2004
unterbrochen werden müssen, aber schon ab
April des gleichen Jahres habe sich die Lage
wieder entspannt und die Rückführung von
Albanern sei fortgesetzt worden. Ab Juni
2004 sei die Rückführung von Minderheiten
der Bosniaken, Gorani, Torbesh und Türken
wieder möglich gewesen. Seit Mai 2005 sei
die
Rückführung
von
Minderheitenangehörigen der Ashkali und
Ägypter wieder möglich sowie ab Juni 2005
die Rückführung straffälliger Roma.
Rech: „Allein in Baden-Württemberg halten
sich zurzeit noch circa 7.600 Angehörige von
Minderheiten auf, davon rund 4.200
ausreisepflichtige Roma. Jetzt haben sich die
Verhältnisse im Kosovo soweit normalisiert,
dass einer Rückkehr von Minderheiten nichts
mehr im Wege steht.“ Ein Bleiberecht wäre
ein falsches Signal und könnte den gesamten
Rückführungsprozess zum Stillstand bringen.
Befürworter
einer
Bleiberechtsregelung
sollten bedenken, dass diese die ethnischen
Vertreibungen im Kosovo zementieren
würden und so das Völkerrecht unterliefen.
Rückführung von Flüchtlingen
nach Afghanistan
Die Innenministerkonferenz sei sich einig,
dass jetzt die Vorraussetzungen für den
Beginn der Rückführung nach Afghanistan
gegeben seien. (Siehe Anlage „Grundsätze
zur Rückführung und weiteren Behandlung
der afghanischen Flüchtlinge“). „Damit
machen wir deutlich, welche afghanischen
Staatsangehörigen in Deutschland bleiben
können beziehungsweise das Bundesgebiet
verlassen müssen“, so Heribert Rech. „Ich
hoffe, dass dadurch auch die Bereitschaft zur
freiwilligen Rückkehr wächst.“ Wer nicht
unter die Bleiberechtsregelung falle, müsse
ausreisen - sei es freiwillig oder im Wege der
Abschiebung. Die Innenminister und -
Juni 2005
senatoren bekräftigten erneut, dass die
freiwillige Rückkehr auch weiterhin Vorrang
vor der zwangsweisen Rückführung genieße
und unterstützt werde.
Rückkehr
irakischer Staatsangehöriger
Die
Innenministerkonferenz
sei
der
Auffassung, dass eine Rückführung von
Personen in den Irak, die schwere Straftaten
begangen haben und die Innere Sicherheit
gefährden, so bald wie möglich begonnen
werden
sollte.
Obwohl
bisher
die
Sicherheitslage im Irak einer Rückführung
entgegengestanden hätte, müsse man sich mit
dieser Thematik rechtzeitig befassen. Vor
dem
Hintergrund
der
Terrorismusbekämpfung
stehe
die
Beendigung
des
Aufenthaltes
von
islamischen Extremisten im Vordergrund.
„Personen die schwere Straftaten begangen
haben, verstoßen gegen unser Gastrecht und
müssen die Konsequenzen spüren“, so der
IMK-Vorsitzende Rech. Sobald es die
Sicherheitslage im Irak zulasse, müsse
deshalb mit der Rückkehr begonnen werden.
Nachzug
ausländischer Ehegatten
Die
Innenministerkonferenz
habe
den
Bundesminister des Innern um die Aufnahme
einer Regelung in das 2. Gesetz zur
Änderung des Aufenthaltsgesetzes gebeten,
das derzeit vorbereitet werde. Damit soll der
Familiennachzug
eines
ausländischen
Ehegatten in der Regel davon abhängig
gemacht werden, dass beide Partner das 21.
Lebensjahr vollendet haben und der
nachziehende Ehegatte über Grundkenntnisse
der deutschen Sprache verfügt.
Durch ein Mindestalter beider Partner von 21
Jahren sowie den Nachweis zumindest von
Grundkenntnissen der deutschen Sprache
beim nachziehenden Ehegatten könnten
Zwangsehen verhindert werden. Rech:
„Zwangsehen sind ein Verstoß gegen die
Menschenwürde,
gegen
die
Gleichberechtigung von Mann und Frau und
sind daher nicht mit unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung vereinbar.“
Familienmitglieder im Herkunftsland würden
häufig erwarten, das ihre im Ausland
lebenden Angehörigen durch arrangierte
Eheschließungen die Einreise weiterer
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Angehöriger der Großfamilie ermöglichten.
Nicht selten seien darunter sehr junge
Mädchen, die bei freier Wahl niemals einer
solchen Verbindung zustimmen würden.
Ähnlich stark sei der Druck auf junge in
Deutschland lebende Männer, ein Mädchen
aus der Heimat zu heiraten. So käme es oft
zu einer verhängnisvollen Entwicklung. Es
werde eine nicht gewollte Ehe eingegangen
und es reisten gezwungenermaßen junge
Menschen nach Deutschland ein, die sich
wegen ihres Alters nicht gegen den auf sie
ausgeübten Druck wehren könnten. Mangels
Juni 2005
jeglicher Kenntnis der deutschen Sprache
und des sozialen und kulturellen Umfeldes
hätten sie zudem sehr geringe Chancen, in
einer gleichberechtigten Partnerschaft eigene
Ziele und Interessen zu verwirklichen. „ Zum
Schutz dieser jungen Menschen muss nun der
Gesetzgeber aktiv werden“, betonte Rech.
„Um menschliche Dramen auszuschließen,
sollten in Härtefällen Ausnahmen möglich
sein.“
[…]
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Anlage:
Grundsätze zur Rückführung und weiteren Behandlung der afghanischen Flüchtlinge
(Anlage zur Presseerklärung des IMK-Vorsitzenden, Herrn Minister Rech, anlässlich der
Innenministerkonferenz am 24. Juni 2005 in Stuttgart)
1. In
Abhängigkeit
von
den
Rückführungsmöglichkeiten sollen mit Vorrang
zurückgeführt werden:
- Afghanische Staatsangehörige, die wegen einer
im Bundesgebiet begangenen Straftat verurteilt
wurden, wobei Geldstrafen von bis zu 50
Tagessätzen (additiv) außer Betracht bleiben
können
- Afghanische Staatsangehörige, gegen die
Ausweisungsgründe nach den §§ 53, 54, 55 Abs.2
Nr. 1-5, 8 AufenthG vorliegen,
Personen, bei denen sonstige Hinweise für eine
die Innere Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland gefährdende Betätigung bestehen,
wenn die Sicherheitsbedenken nicht innerhalb
einer gesetzten angemessenen Frist vom
Betroffenen ausgeräumt werden.
-
Von einem Klärungsbedarf ist insbesondere
auszugehen, wenn es Anhaltspunkte für Kontakte
zu extremistischen Organisationen gibt, insb.
solche, die in den Verfassungsschutzberichten
ausgeführt sind. Insoweit kann auf das Vorbringen
im Asylverfahren abgestellt werden.
2. Ebenfalls mit Vorrang zurückzuführen sind
volljährige, allein stehende männliche afghanische
Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung noch keine sechs Jahre im
Bundesgebiet aufhalten.
3. Im Übrigen können die Ausländerbehörden bei
den Entscheidungen über Rückführungen
folgende Gesichtspunkte berücksichtigen:
Die Dauer des bisherigen Aufenthaltes
dahingehend, dass die Personen, die zuletzt
eingereist sind, wegen der im Vergleich zu
anderen
geringeren
Eingliederung
und
Verfestigung des Aufenthaltes auch zuerst wieder
zurückgeführt werden.
-
Der Familienstand mit der Maßgabe, dass allein
stehende Erwachsene, Ehepaare ohne Kinder und
Erwachsene, deren Kinder und/oder Ehepartner in
Afghanistan leben, grundsätzlich vor Familien mit
Kindern zurückgeführt werden.
-
- Arbeitslose
und
Empfänger
von
Sozialleistungen
sollen
grundsätzlich
vor
Personen, die in einem Beschäftigungsverhältnis
stehen
zurückgeführt
werden.
Zukünftig
beabsichtigte Beschäftigungsverhältnisse führen
nicht
zu
einer
Zurückstellung
von
Rückführungsmaßnahmen.
Bei Schülern und Auszubildenden kann im
Einzelfall nach Ermessen die Durchsetzung der
Ausreiseverpflichtung vorübergehend ausgesetzt
werden, sofern sich der Schüler oder
Auszubildende bereits im letzen Schul- bzw.
Ausbildungsjahr befindet, oder wenn ein sonstiges
Schuljahr nur noch wenige Wochen dauert. Bei
den Ermessenserwägungen ist zu berücksichtigen,
ob der Lebensunterhalt des Ausländers im Sinne
des § 2 Abs. 3 AufenthG gesichert ist. Ein
Anspruch anderer Familienmitglieder auf die
vorübergehende Aussetzung der Abschiebung
(Duldung) kann hieraus nicht abgeleitet werden.
-
4. Die Innenminister und –senatoren der Länder
und der Bundesminister des Innern stellen fest,
dass afghanische Staatsangehörige in bestimmten
Fällen aus humanitären Gründen und zur
Vermeidung außergewöhnlicher Härten auf der
Grundlage des § 23 AufenthG dauerhaft von der
Durchsetzung
der
Rückkehrverpflichtung
ausgenommen werden können.
5. Der weitere Aufenthalt von afghanischen
Staatsangehörigen kann zugelassen werden, wenn
5.1. sie am 24.06.05 das 65. Lebensjahr
vollendet haben, sie in Afghanistan keine Familie,
dafür aber im Bundesgebiet Angehörige (Kinder
oder Enkel) mit dauerhaftem Aufenthalt bzw.
deutscher Staatsangehörigkeit haben und soweit
sichergestellt ist,
dass
für
diesen
Personenkreis
keine
Sozialleistungen
mit
Ausnahme von Leistungen für die Versorgung im
Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit in
Anspruch genommen werden, oder
5.2. sie sich am 24.06.05 seit mindestens sechs
Jahren
ununterbrochen
im
Bundesgebiet
aufhalten,
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
5.2.1 seit mehr als zwei Jahren in einem
dauerhaften Beschäftigungsverhältnis stehen.
Kurzfristige
Unterbrechungen
des
Arbeitsverhältnisses sind unschädlich, sofern eine
Beschäftigung auf Dauer möglich ist. Die Dauer
der Kurzzeitigkeit der Unterbrechung bestimmt
sich nach dem Gesamtbeschäftigungszeitraum.
5.3 Ausreichend Wohnraum muss vorhanden
sein.
5.2.2 Der Lebensunterhalt muss am 24.06.05
durch eigene legale Erwerbstätigkeit ohne
zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert sein.
5.5 Die Einbeziehung einer Person in diese
Regelung scheidet aus, wenn:
5.5.1 behördliche
Maßnahmen
zur
Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert
oder behindert wurden oder die Ausländerbehörde
über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände
getäuscht wurde;
Ausnahmen können in besonderen Härtefällen
gemacht werden:
- bei
Auszubildenden
in
anerkannten
Lehrberufen,
- bei Familien mit Kindern, die vorübergehend
auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt
angewiesen
sind,
- bei Alleinerziehenden mit Kindern, soweit
ihnen nach § 18 Abs. 3 BSHG eine
Arbeitsaufnahme nicht zumutbar ist,
- bei erwerbsunfähigen Personen, deren
Lebensunterhalt
einschließlich
einer
erforderlichen Betreuung und Pflege in sonstiger
Weise ohne Leistungen der öffentlichen Hand
dauerhaft gesichert ist, es sei
denn, die
Leistungen beruhen auf Beitragszahlungen.
Die Anordnung der Länder kann vorsehen,
eine Aufenthaltsgewährung in ZweifelsHärtefällen
nur
erfolgt,
wenn
Verpflichtungserklärung nach §§ 23 Abs. 1
2, 68 AufenthG vorliegt.
dass
und
eine
Satz
5.2.3 Einbezogen sind der Ehegatte und die
minderjährigen Kinder. Ebenfalls einbezogen sind
die bei ihrer Einreise minderjährig gewesenen,
unverheirateten Kinder, sofern es gewährleistet
erscheint, dass sie sich auf Grund ihrer bisherigen
Ausbildung und Lebensverhältnisse dauerhaft
integrieren werden. Im Bundesgebiet lebende
Ehegatten und einbezogene Kinder können eine
Aufenthaltserlaubnis auch dann erhalten, wenn ihr
Aufenthalt weniger als sechs Jahre beträgt.
5.4 Der tatsächliche Schulbesuch aller Kinder
für den gesamten Zeitraum zwischen dem Beginn
und dem Ende des schulfähigen Alters muss durch
Zeugnisvorlage nachgewiesen werden.
5.5.2 Ausweisungsgründe nach §§ 53, 54, 55
Abs. 2 Nr. 1-5, 8 AufenthG vorliegen;
5.5.3 wegen einer im Bundesgebiet begangenen
vorsätzlichen Straftat eine Verurteilung erfolgt ist;
Geldstrafen von bis zu 50 Tagessätzen (additiv)
bleiben außer Betracht.
5.6 Ein Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis kann innerhalb von drei
Monaten nach dem (Tag nach Ziff. 5.1) gestellt
werden.
5.7 Rechtsmittel und sonstige auf den weiteren
Verbleib im Bundesgebiet gerichtete Anträge
müssen innerhalb der vorstehenden Antragsfrist
zum Abschluss gebracht werden.
5.8 Die Aufenthaltserlaubnis wird befristet auf
zwei Jahre erteilt. Die Verlängerung erfolgt,
sofern
die
für
die
Erteilung
der
Aufenthaltserlaubnis
erforderlichen
Voraussetzungen erfüllt sind.
5.9 Die Länder entscheiden abschließend
innerhalb von neun Monaten über die Anträge.
5.10
Die
Länder
unterrichten
das
Bundesministerium des Innern vierteljährlich über
die freiwilligen Ausreisen, Rückführungen und
erteilten Aufenthaltstitel nach dieser Regelung.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
Presseerklärung vom 28.6.2005
Hier geblieben! Rheinland-Pfalz muss Bleiberecht für lange hier lebende Flüchtlinge gewähren
Innenminister Bruch muss dafür Sorge tragen, dass
lange in Rheinland-Pfalz lebende Flüchtlinge hier
bleiben können, nachdem eine Bleiberechts-Lösung
bei der Innenministerkonferenz am 23./24. Juni in
Stuttgart gescheitert ist.
Insgesamt 4500 Flüchtlinge hoffen auf eine Lösung
und damit auf eine Zukunft in Rheinland-Pfalz.
Obwohl
die
Innenministerkonferenz
in
„konstruktiven Gesprächen konstruktive Lösungen
gefunden“ haben will (so der Vorsitzende,
Innenminister Rech), sieht der Arbeitskreis Asyl
Rheinland-Pfalz ein Versagen auf der ganzen Linie.
Die Beton-Fraktion der CDU-Innenminister hat die
sogar von Otto Schily unterstützte BleiberechtsInitiative aus Berlin verhindert. Was die Minister als
konstruktiv empfinden mögen ist ein Scheitern eines
Mindestmasses an humanitärer Politik gegenüber
Flüchtlingen. Die weitaus meisten können auch von
CDU-Ministern in den nächsten Jahren nicht in dem
intendierten Masse abgeschoben werden.
Die geplanten Abschiebungen von Flüchtlingen nach
Afghanistan und von Minderheiten aus dem Kosovo
sind in unseren Augen eine Beihilfe bei
Menschenrechtsverletzungen.
Hintergrund:
In Afghanistan herrscht weiter ein instabiler NochKriegs-Zustand: „Die OMF - opposing militant
forces - also Reste des Taliban-Regimes und ihre
neuen Verbündeten, zum Beispiel Hekmatyar und
seine Hizb-e-Eslami – bedrohen nicht nur den
Südwesten, sondern auch den Osten des Landes.
Dazu Massenaufruhr in zahlreichen Städten und
Provinzen mit vielen Toten und Verletzten – wegen
eines Artikels in Newsweek über angebliche
Koranschändung in Guantanamo. ... Regionale
afghanische Militärmachthaber haben nur schweres,
untauglich gewordenes Militärgerät abgeliefert. Was
für den zähen Bürgerkrieg benötigt werden sollte,
haben sie behalten ... Solange US-Militär
Afhganistan sichern muss, gibt es gerade deswegen
keine Stabilität“. Unter der Überschrift „Gestrandet
im Elend: Was droht Abgeschobenen in
Afghanistan?“ hat Pro Asyl im Mai 2005 die
Gefährdung
für Rückkehrer nach Afghanistan
analysiert.
Gez.
S. Pick
für den Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
Jede Abschiebung nach Afghanistan sehen wir
als Menschenrechtsverletzung an.
Minderheiten aus dem Kosovo:
Auch die Lage im Kosovo verbietet die
Abschiebung von Angehörigen der Minderheiten,
vor allem der nun bedrohten Ashkali und Ägypter
und Roma. Die Innenminister bilanzieren, dass sich
die Lage soweit normalisiert habe, dass einer
Rückkehr von Minderheiten nichts mehr im Wege
steht, so deren grandiose Fehleinschätzung. Die
Sicherheit der Abgeschobenen wird nur in von der
KFOR bewachten Lagern gewährleistet sein. Von
einer sicheren Zukunft und dem Aufbau einer
sozialen Existenz kann keine Rede sein.
Die Abschiebung der Minderheiten hat wohl eher
was mit den kommenden Statusverhandlungen im
Kosovo zu tun als mit der aktuellen Lage.
Für die 2.800 in Rheinland-Pfalz lebenden
Angehörigen der Minderheiten fordert der
Arbeitskreis Asyl ein Bleiberecht.
An Innenminister Bruch appelliert der AK Asyl:
„Machen Sie nicht mit bei dieser bundesweiten
Abschiebepolitik. Rheinland-Pfalz muss sich für
ein Bleiberecht nicht nur für die Minderheiten
aus dem Kosovo und die Flüchtlinge aus
Afghanistan, sondern auch für hier integrierte
Familien einsetzen“.
Hoffnung
für
Härtefallkommission
4500
Geduldete:
Flüchtlinge und die sie unterstützenden Initiativen
setzen die Hoffnung auf die Härtefall-Kommission,
die in dieser Woche am 30. 6. 05 erstmals
zusammenkommt.
„Nach unserer Auffassung erfüllen Flüchtlinge,
insbesondere Familien mit Kindern, die sich
jahrelang hier aufhalten und integriert sind, die
Kriterien eines sozialen Härtefalls. In den weitaus
meisten Fällen würde eine Rückkehr neben der
allgemeinen Gefährdung in eine sozial schwierige
bis auswegs- lose Lage führen“, so Siegfried Pick
für den AK Asyl.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
PRO ASYL
Presseerklärung vom 24. Juni 2005
Ergebnisse der Innenministerkonferenz in Stuttgart:
Kein Bleiberecht für in Deutschland aufgewachsene Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien
Abschiebungen von Afghanen und Kosovo-Minderheiten gehen weiter
PRO ASYL: Die Betonköpfe bestimmen die Richtung
Als enttäuschend wertet die bundesweite
Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL
die Ergebnisse der heute zu Ende gegangenen
Innenministerkonferenz in Stuttgart. Das von
Bundesinnenminister Otto Schily vorgeschlagene
Bleiberecht für seit langen Jahren hier lebende
Kinder und ihre Familien, unterstützt von den
Innenministern mehrerer Bundesländer, hat keine
Mehrheit gefunden. Maßgeblich verantwortlich
dafür sind die Innenminister der unionsregierten
Bundesländer, die dafür gesorgt haben, dass auch
künftig statt menschlichen Augenmaßes und
christlicher Werte das Prinzip gilt: Kinder haften
für ihre Eltern. Die Folge: Es wird weiterhin
Abschiebungen von Kindern, Jugendlichen und
ihren Familien geben, die seit fünf, zehn oder
mehr Jahren in Deutschland leben. Mit den längst
integrierten Kindern und Jugendlichen werden
Menschen abgeschoben, die Bestandteil von
Deutschlands Zukunft sein könnten. Die
Betonköpfe haben die Richtung bestimmt.
Abschiebungen nach Afghanistan, mit denen
einige Bundesländer bereits begonnen haben,
gehen verstärkt weiter. Die Sicherheitslage in
Afghanistan, nach aktuellen Medienmeldungen
geprägt von den heftigsten Kampfhandlungen seit
Monaten und prekärer denn je, sowie Berichte
über das erbärmliche Leben von Binnenvertriebenen und Rückkehrern aus dem
Ausland haben die Innenminister nicht zu besserer
gez. Bernd Mesovic
Referent
Einsicht und menschlichem Handeln bewegen
können.
Die Minderheiten der Ashkali und der sog.
Ägypter aus dem Kosovo werden auf dem Altar
der beginnenden Statusverhandlungen im Kosovo
geopfert. Obwohl sie erst vor einem Jahr Opfer
massiver Pogrome geworden sind und immer
noch
massiver
Diskriminierung
und
Anfeindungen ausgeliefert sind, müssen sie als
Beleg dafür herhalten, dass die Voraussetzungen
für ein multi-ethnisches Kosovo gegeben sind.
Nach
den
Vorstellungen
der
Innenministerkonferenz sind die hier Lebenden
„abschiebungsreif“.
Diese Innenministerkonferenz hatte die Chance,
sich von ihrer Politik der andauernden
Realitätsverweigerung und des Sträubens gegen
alle humanitären Regelungen zu verabschieden.
Kirchen,
Gewerkschaften,
Flüchtlingsorganisationen und gerade auch die
betroffenen Kinder und Jugendlichen hatten sich
dafür eingesetzt. Sie werden auch künftig die
Innenminister – ungeachtet ihrer parteipolitischen
Couleur – nicht aus der Verantwortung entlassen.
Schüler
und
Schülerinnen
werden
den
Innenministern auch zwischen den Sitzungen der
Innenministerkonferenz weiterhin klar machen:
Wir wollen nicht, dass morgens jemand in der
Schule fehlt – weil er gerade abgeschoben worden
ist.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
PRO ASYL
Presseerklärung vom 24.6. 2005
2. Meldung vom Tage
Enttäuscht, erbittert und entschlossen reagieren betroffene Kinder und Jugendliche auf den Beschluss
der Innenministerkonferenz – Das Aktionsbündnis „Hier geblieben!“ macht weiter
Enttäuscht zeigt sich das Aktionsbündnis „Hier
geblieben!“ über den Entschluss der Innenminister, das
Bleiberecht für Kinder, Jugendliche und deren
Familien abzulehnen. Mit diesem Beschluss haben die
Innenminister leider die Chance verpasst, dem Vorstoß
des Berliner Innensenators Dr. Körting und des
Bundesinnenministers Schily in die richtige Richtung
zu folgen.
gezeigt, dass sie ein gestörtes Verhältnis haben zu den
Kinderrechten, wie sie in der UN-Kinderrechtskonvention verankert sind.
Erbittert sind die Bündnisorganisationen darüber, dass
Innenminister, die meist selber Kinder und Familie
haben, nicht bereit sind, ein so leicht nachvollziehbares
Anliegen aufzugreifen. Die Innenminister haben
Am 14. August 2005 wird ein SchülerInnenbündnis in
Frankfurt am Main unter dem Motto „Hier geblieben!“
erneut für das Bleiberecht eintreten.
Entschlossen ist das Aktionsbündnis, weiter für das
Bleiberecht von Kindern, Jugendlichen und deren
Familien und die vollständige Umsetzung der UNKinderrechte einzutreten.
Ansprechpartner:
Meike Herminghausen (GRIPS Theater + Aktionsprogramm) 0163/6431147
Kerstin Böffgen (PRO ASYL) 069/230688
Jens Uwe Thomas (Flüchtlingsrat Berlin) 030/243445762
÷
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Nachfolgend ein Brief von Herrn Weißflog, der im Namen der SPD-Bundestagsfraktion und im Namen von Herrn
Müntefering versichert, dass die SPD sich "weiterhin für eine Bleiberechtsregelung einsetzen" werde... Kommentar
überflüssig.
gez. Kai Weber
SPD-Bundestagsfraktion
20. Juni 2005 - Internationaler Tag der Flüchtlinge
Sehr geehrte Frau Eggers,
vielen Dank für Ihr Schreiben an den Vorsitzenden den
SPD, Franz Müntefering, in dem Sie sich für eine
Bleiberechtsregelung einsetzen. Wie Sie vielleicht der
Presse entnehmen konnten, ist unterdessen auch
Bundesinnenminister Schily für dieses Thema
sensibilisiert
worden.
Im
Rahmen
der
Innenministerkonferenz hat er sich für eine
Bleiberechtsregelung, insbesondere für Kinder und
Jugendliche, eingesetzt. Die SPD-Fraktion unterstützt
eine derartige Regelung ebenfalls. Da nach ersten
Erfahrungen aus der Anwendungspraxis seit
Inkrafttreten
des
Zuwanderungsgesetzes
keine
Erstarkung der rechtlichen Situation von Geduldeten in
Sicht ist, bleibt dieses Thema für uns aktuell. Leider ist
die
vorgeschlagene
Bleiberechtsregelung
am
Widerstand der Union gescheitert, so dass die IMK
nicht als Forum für eine derartige Regelung genutzt
werden konnte. Die SPD-Fraktion wird sich jedoch
weiterhin für eine Bleiberechtsregelung einsetzen. Im
Hinblick auf die Rücknahme der Vorbehalte zur
Kinderrechtskonvention
haben
sich
die
Regierungskoalitionen in einem Antrag im Bundestag
ausdrücklich dafür ausgesprochen. Problem ist hier
allerdings, dass die Zustimmung der Länder (im
Rahmen des Lindauer Übereinkommens) erforderlich
ist. Insoweit können wir als Regierungsfraktion
lediglich an die unionsgeführten Länder appellieren,
die bisherige Verweigerungshaltung aufzugeben.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Weißflog
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Schulpflicht für Flüchtlingskinder
Terre des hommes
„Wir bleiben draußen“ – Schulpflicht und Schulrecht
von Flüchtlingskindern in Deutschland
Rheinland-Pfalz
Rechtsgrundlage für die Schulpflicht in Rheinland
Pfalz ist das Schulgesetz (SchlG)
vom 30.03.2004.
Beginn der Schulpflicht:
Der Beginn der allgemeinen Schulpflicht bestimmt sich
nach § 57 SchlG. Alle Kinder, die bis zum 30.Juni das
sechste Lebensjahr vollenden, besuchen die Schule mit
dem Anfang des Schuljahrs. Auf Antrag der
Erziehungsberechtigten können Kinder, die noch nicht
schulpflichtig sind, in die Schule aufgenommen
werden, wenn auf Grund ihrer Entwicklung zu
erwarten ist, dass sie mit Erfolg am Unterricht
teilnehmen werden (vgl. § 58 I 1 SchlG). Schulleiter
und Schularzt treffen die Entscheidung. Des Weiteren
besteht die Möglichkeit, dass Kinder auf Antrag der
Eltern aus wichtigem Grund für die Dauer eines
Schuljahres
zurückgestellt
werden.
Eine
Zurückstellung soll in der Regel nur vorgenommen
werden, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen
erforderlich ist (vgl. § 58 II SchlG). Diese Kinder
können im Schulkindergarten oder in der
Kindertagesstätte gefördert werden. Das Schuljahr
beginnt am 01. August und endet am 31. Juli des
folgenden Kalenderjahres (§ 8 SchlG). Die Schulpflicht
beginnt damit grundsätzlich im Alter von sechs Jahren.
Dauer der Schulpflicht:
Grundsätzlich beträgt die Dauer der Schulpflicht in
Rheinland-Pfalz 12 Schuljahre (vgl. § 7 SchlG).
Besteht nach Ablauf der 12 Schuljahre noch ein
Berufsausbildungsverhältnis,
so
muss
der
Auszubildende bis zum Abschluss der Ausbildung in
die Berufsschule gehen (vgl. § 61 I SchlG).
Auszubildende, bei denen erst nach Beendigung der
Pflicht zum Besuch der Schule, also nach 12
Schuljahren,
ein
Berufsausbildungsverhältnis
eingegangen wird, haben bis zur Vollendung des 25.
Lebensjahres das Recht, die Berufsschule zu besuchen
(vgl. § 61 III SchlG).
Gemäß Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für
Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung vom
28.08.2000 »Unterricht von Schülerinnen und
Schülern, deren Muttersprache oder Herkunftssprache
nicht Deutsch ist« besuchen diese Schüler
grundsätzlich die ihrem Alter und ihrer Vorbildung
entsprechenden Regelklassen (vgl. Ziffer 2). Das
Nähere regelt die Schulordnung. Dabei kann auf Grund
der bestehenden Leistungsfähigkeit des Schülers mit
besonderer Begründung eine Klassenrückstufung
vorgenommen werden. Eine Zurückstellung vom
Schulbesuch wegen mangelnder Sprachkenntnisse ist
unzulässig.
Schulpflicht in Rheinland-Pfalz:
Gemäß Art. 24 I 1 der Verfassung des Landes
Rheinland-Pfalz hat jedes Kind ein Recht auf
Entwicklung und Entfaltung. Nach § 3 I SchlG nehmen
die Schüler in der Schule ihr Recht auf Bildung und
Erziehung wahr. Das SchlG von Rheinland Pfalz
manifestiert somit ein Recht auf Bildung und
Erziehung für alle Schüler, sofern sie Schüler im Sinne
des SchlG sind.133 Die allgemeine Pflicht zum Besuch
der Schule wird in § 56 I SchlG kodifiziert.
»Der Besuch einer Schule ist Pflicht für alle Kinder,
Jugendlichen und Heranwachsenden, die in Rheinland
Pfalz ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt
haben;...«
Kinder, Jugendliche und Heranwachsende:
Kinder im Sinne des § 56 I SchlG sind diejenigen
Personen, die zwischen 6 und 13 Jahre alt sind;
Jugendliche sind zwischen 14 und 17 Jahre alte Schüler
und Heranwachsende sind zwischen 18 und 20 Jahre
alt (vgl. § 1 II JGG).
Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt:
Der Wohnsitz bestimmt sich nach § 7 I BGB. Wer sich
an einem Ort ständig niederlässt, begründet an diesem
Ort seinen Wohnsitz. Dabei richtet sich der Wohnsitz
von Minderjährigen nach dem Wohnsitz der
Erziehungsberechtigten, bzw. derjenigen Personen, die
das Sorgerecht haben (§ 11 BGB).
Für die Situation von Flüchtlingen wird dies
regelmäßig für Deutschland nicht zutreffen, da ihr
Aufenthalt grundsätzlich nur vorübergehender Natur
ist. Dennoch kann es bei einer Betrachtung des
Einzelfalls zu anderen Ergebnissen kommen.
Voraussetzung für den »gewöhnlichen Aufenthalt« im
Schulgesetz von Rheinland-Pfalz ist, dass es sich um
einen längeren Aufenthalt handelt (z. B. keine kurzen
Verwandtenbesuche
o.ä.).
Der
»gewöhnliche
Aufenthalt« ist nicht abhängig vom Willen des
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Betroffenen, sondern wird vielmehr tatsächlich
begründet.134
Bezüglich der Definition des unbestimmten
Rechtsbegriffs des »gewöhnlichen Aufenthalts« wird
auf die Herleitung auf den Seiten 17-19 verwiesen.
Erziehungsberechtigten oder
bei
unbegleiteten
minderjährigen
Flüchtlingen
von
dem
Sorgeberechtigten ab. Nach Aussage des Ministeriums
sind die Schulen in der Regel nicht berechtigt, einen
Antragsteller abzuweisen.
Definitionsvorschlag:
Entscheidend ist für den unbestimmten Rechtsbegriff
des »gewöhnlichen Aufenthalts« im schulrechtlichen
Sinne, ob der Lebens- und Daseinsmittelpunkt eines
Menschen sich im jeweiligen Bundesland befindet und,
ob unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls
und des Rechts auf Bildung und Erziehung, eine
Beschulung für einen sinnvollen Zeitraum möglich
erscheint.
Einschränkung durch das Ministerium für Bildung,
Wissenschaft und Weiterbildung Rheinland-Pfalz:
In Stellungnahmen vom 09.04.2001 und 19.12. 2003
erklärte das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und
Weiterbildung, dass
• Kinder von anerkannten Asylberechtigten
• Kinder von Ausländern, die im Rahmen einer
humanitären Hilfsaktion aufgenommen worden
sind (§§ 32, 32 a, 33, 35 AuslG; § 1 I HumHiG etc.)
• und Kinder von Asylbewerbern, deren Antrag
abgelehnt worden ist, deren Aufenthalt aber
längerfristig geduldet wird,
schulpflichtig im Sinne von § 56 I SchlG sind und
somit ihren »gewöhnlichen Aufenthalt« in RheinlandPfalz haben.
Damit werden im Umkehrschluss die Flüchtlinge
nicht schulpflichtig, bei denen der eigene Asylantrag
oder der Asylantrag eines Erziehungsberechtigten
rechtskräftig abgelehnt worden ist oder nur eine
kurzfristige Duldung für Rheinland-Pfalz erteilt
worden ist.
Diesbezüglich stellt sich die Frage, was unter einer
kurzfristigen Duldung zu verstehen ist. Grundsätzlich
wird eine Duldung gem. §§ 55, 56 AuslG (zukünftig
60a AufenthG) nur befristet erteilt und soll ein Jahr
nicht übersteigen. Nach Ablauf der Frist kann die
Duldung erneut erteilt werden (vgl. § 56 II AuslG).
Unter Berücksichtigung dieser »Soll-Frist« von einem
Jahr ist wohl unter einer kurzfristigen Duldung eine
Frist von weniger als sechs Monaten zu verstehen, so
dass diese Personen nicht schulpflichtig i. S. v. § 56 I
SchlG werden.
Des weiteren kann im Erst-Recht-Schluss davon
ausgegangen werden, dass alle ausländischen Kinder
und Jugendlichen, die eine Aufenthaltsgenehmigung
im Sinne des Ausländerrechts (zukünftig § 7 oder § 9
AufenthG) erteilt bekommen haben, schulpflichtig
sind.
Dies
deswegen,
weil
eine
Aufenthaltsgenehmigung ein stärkeres Recht darstellt
als eine Duldung und grundsätzlich auch nur für eine
längere Zeit (im oben genannten Sinne), also nicht für
einen kurzen Zeitraum, erteilt wird.
Sonstige
Gesetze,
Rechtsund
Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung der
Schulpflicht von Ausländern in Rheinland-Pfalz:
In einer Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für
Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung vom
28.08.2000 »Unterricht von Schülerinnen und
Schülern, deren Muttersprache oder Herkunftssprache
nicht Deutsch ist« (VV) wird die allgemeine
Schulpflicht von ausländischen Schülern teilweise
konkretisiert.
Ziel der Verwaltungsvorschrift ist es, eine möglichst
gute Integration und das Erreichen schulischer
Abschlüsse für ausländische Schüler zu ermöglichen,
sowie einen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung der
betroffnen Schüler zu leisten (vgl. Ziffer 1 II VV). Des
Weiteren wird festgestellt, dass Schülerinnen und
Schüler, deren Muttersprache oder Herkunftssprache
nicht Deutsch ist, grundsätzlich alle Rechte und
Pflichten haben, die in den schulrechtlichen
Bestimmungen festgelegt sind.
Umfassend wird auf die Aufnahme in die Schule,
besondere Förderung, Leistungsanforderungen und
Leistungsbeurteilung, muttersprachlichen Unterricht
oder Unterricht in der Herkunftssprache, besondere
Sprachprüfungen etc. eingegangen.
Bezüglich der allgemeinen Schulpflicht wird in Ziffer
2 S. 4 VV ausdrücklich festgestellt, dass Asylbewerber
und
Kinder
von
Asylbewerbern
nicht
schulbesuchspflichtig sind. Während eines laufenden
Asylverfahrens sind diese Personen demnach nicht
schulpflichtig; sie »sollen« aber die Schule besuchen.
Dieses »sollen« bedeutet, dass Personen, die sich im
laufenden Asylverfahren befinden, bzw. deren Kinder
ein
Schulantragsrecht
besitzen.
Ob
dieses
wahrgenommen
wird,
hängt
von
den
Zahlen:
In Rheinland-Pfalz hielten sich nach Angaben des
Ausländerzentralregisters am 31.12.2004 ca. 7.348
Flüchtlinge im Alter zwischen 6 und 17 Jahren auf.
Davon befanden sich 577 im Asylerstverfahren. 1.873
waren ausländerrechtlich geduldet.135
Ergebnis:
In Rheinland Pfalz besteht grundsätzlich Schulpflicht
für Ausländer im schulpflichtigen Alter. Wichtige
Ausnahme ist, dass innerhalb des gesamten
Asylverfahrens keine Schulpflicht besteht. Ferner
besteht keine Schulpflicht, wenn nur eine kurzfristige
Duldung erteilt worden ist (ca. sechs Monate). Für
diese Personen besteht nur ein Schulantragsrecht. Für
die Auswirkungen des Schulantragsrechts in
Rheinland-Pfalz
wird
auf
das
Kapitel
»Schulantragsrecht (Schulbesuchsrecht)« auf den
Seiten 19-23 verwiesen.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Aus: terre des hommes „Wir bleiben draußen – Schulpflicht und Schulrecht von Flüchtlingskindern in Deutschland“ (S.
56-58) – www.tdh.de
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Rheinland-Pfalz
Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend
18.5.2005
An
terre des hommes Deutschland e.V.
Bundesgeschäftsstelle
Schulbesuch von Kindern von Asylbewerbern
Ihr Schreiben vom 11.04.2005;
Schreiben meines Hauses vom 01.04.2005, Aktenzeichen 941 B Tgb.-Nr. 2601/05
Sehr gewehrter Herr Harmening,
mit Interesse habe ich Ihre Expertise zu
Schulbesuchspflicht
und
-recht
von
Flüchtlingskindern in Deutschland zur Kenntnis
genommen.
Die Ihnen bekannte Rechtslage In RheinlandPfalz, wonach Kinder von Asylbewerberinnen und
Asylbewerbern ein Schulbesuchsrecht haben, hat
aus meiner Sicht den Vorteil, dass Menschen, die
sich ohnehin in einer schwierigen persönlichen
Situation befinden, nicht durch eine weitere
Pflicht zusätzlich belastet werden, sondern sich
freiwillig für einen Schulbesuch entscheiden
können.
Man muss frei Asylbegehrenden unterscheiden
zwischen
der
Zeit
in
einer
Erstaufnahmeeinrichtung, die auf längstens drei
Monate begrenzt ist, und der Zeit nach der
Aufnahme und Unterbringung durch eine
Kommune. Die erstgenannte Zeit ist geprägt
durch das Asylantragstellungsverfahren; die
Asylbegehrenden sollen dabei in dem ihnen
unbekannten Land zunächst zur Ruhe kommen.
Während der Zeit in der Erstaufnahmeeinrichtung
wird daher in Rheinland-Pfalz den Kindern eine
dieser Situation entsprechende schulpädagogische
Betreuung vor Ort geboten, die gerade auch die
Fluchtsituation und deren Folgen für die Kinder
berücksichtigen kann. Kinder von Asylsuchenden
können allerdings bereits zu dieser Zeit auf
eigenen Wunsch die der Aufnahmeeinrichtung
Mit freundlichen Grüßen
Doris Ahnen
nächstgelegene Schule besuchen. Nach Verteilung
auf eine Kommune kann sich dann ein weiterer
Schulbesuch anschließen.
Trotz dieser im Grunde positiven Situation habe
ich vor dem Hintergrund der aktuellen
Diskussionen und Entwicklungen in anderen
Bundesländern nochmals die Rechtslage durch
mein Haus und das Ministerium des Innern und
für Sport überprüfen lassen.
Diese Prüfung hat ergeben, dass auch bei
Asylbegehrenden, die eine Aufenthaltsgestattung
erhalten, sobald eine Zuweisung von der
Erstaufnahmeeinrichtung in eine Gemeinde
stattgefunden hat, ein „gewöhnlicher Aufenthalt“
im Sinne von § 56 Abs.1 SchuIG angenommen
werden kann. Gleiches gilt insbesondere unter
Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung bei
Aufenthaltsduldungen von auch nur kurzer Dauer. .
Somit gehen wir zukünftig davon aus, dass Kinder
von
Asylbewerberinnen
und
-bewerbern
schulbesuchspflichtig sind, sobald sie einer
Gemeinde zugewiesen sind.
Bei einer ohnehin in nächster Zeit anstehenden
Überarbeitung unserer Verwaltungsvorschrift
„Unterricht von Schülerinnen und Schülern, deren
Mutter- oder Herkunftssprache nicht Deutsch ist“
werden wir die Hinweise auf Schulbesuchsrecht
und -pflicht entsprechend anpassen.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Landtagsfraktion FDP – Rheinland-Pfalz
Nicole Morsblech MdL
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende
23.5.2005
An
terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Bundesgeschäftsstelle
Schulpflicht und Schulrecht von Flüchtlingen in Deutschland
Sehr geehrter Herr Harmening,
für Ihr Schreiben vom 12. Mai 2005, in dem Sie
mich über den aktuellen Stand der Rechtslage in
anderen Bundesländern und die rechtliche
Verankerung einer Schulpflicht für Kinder und
Jugendliche von Asylbewerbern informieren,
danke ich Ihnen sehr herzlich.
Meine Rückfrage im zuständigen Ministerium für
Bildung, Frauen und Jugend hat ergeben, dass die
geltende Rechtslage vor dem Hintergrund der
aktuellen Diskussionen und Entwicklungen in
anderen Bundesländern nochmals - auch durch das
Ministerium des Innern und für Sport - überprüft
wurde. Diese Prüfung hat ergeben, dass auch bei
Asylbegehrenden, die eine Aufenthaltsgestattung
erhalten, ein „gewöhnlicher Aufenthalt“ i.S. von §
56 Abs.1 SchulG angenommen werden kann,
sobald
eine
Zuweisung
von
der
Mit freundlichen Grüben
Nicole Morsblech MdL
Erstaufnahmeeinrichtung in eine Gemeinde
stattgefunden hat; gleiches gelte insbesondere
unter
Berücksichtigung
der
neueren
Rechtsprechung bei Aufenthaltsduldungen von
auch nur kurzer Dauer.
Das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend
wird daher künftig davon ausgehen, dass Kinder
von Asylbewerbern schulbesuchspflichtig sind,
sobald sie einer Gemeinde zugewiesen sind. Dies
werde im Rahmen der in nächster Zeit
anstehenden Überarbeitung der VV „Unterricht
von Schülerinnen und Schülern, deren Mutteroder Herkunftssprache nicht Deutsch“ ist,
entsprechend berücksichtigt und geändert werden.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur
Verfügung.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Schreiben aus Innenministerium
Rheinland-Pfalz
Ministerium des Innern und für Sport
31.5.2005
Einbürgerung serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo
Nach den von ihnen auf Grund des
Bezugsschreibens berichteten Erfahrungen sind
Bemühungen von serbisch-montenegrinischen
Staatsangehörigen aus dem Kosovo um die
Entlassung
aus
der
überkommenen
Staatsangehörigkeit praktisch aussichtslos, wenn
 die Geburtsmatrikel der oder des Betroffenen
vernichtet wurde;
 die Ausstellung eines serbisch-montenegrinischen (blauen jugoslawischen) Reisepasses, die
von
der
Vorlage
eines
Staatsangehörigkeitsnachweis abhängig ist, nicht
erreichbar war;
 die Entgegennahme des Entlassungsantrages
oder seine positive Bescheidung von der
vorherigen
Regelung
der
Wehrdienstangelegenheit abhängig gemacht
wird.
Nach vorliegenden Erkenntnissen hat das
serbisch-montenegrinische Generalkonsulat in
Frankfurt/Main
in
der
Vergangenheit
Bescheinigungen erteilt, mit denen das Vorliegen
der
vorgenannten
„Entlassungshindernisse“
bestätigt wurde. Ist im Einzelfall belegt oder
glaubhaft gemacht, dass ein solches Hindernis
besteht, kann die Einbürgerung der betroffenen
Person auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 StAG unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit
erfolgen. Hinsichtlich der Wehrdienstproblematik
verweise ich ergänzend auf den letzten Absatz
Im Auftrag
Dr. Alois Steffens
meines Schreibens vom 13.01.2005.
Die Einschaltung eines Vertrauensanwaltes vor
Ort hat sich - bis auf wenige Ausnahmen - in der
Praxis nicht bewährt. Bei den von Anwälten
übermittelten Entlassungnachweisen handelte es
sich
oftmals
um
Fälschungen.
Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerbern soll
daher die Beauftragung eines Anwalts nicht mehr
empfohlen werden.
Nach einer Mitteilung der Bundesbehörden liegen
Erkenntnisse vor, dass ethnisch albanische
Personen
serbisch-montenegrinischer
Staatsangehörigkeit ungeachtet der bestehenden
Rechtslage in Serbien und Montenegro von der
Gewährung
konsularischer
Dienstleistungen
seitens
der
serbisch-montenegrinischen
Auslandsvertretungen teilweise ausgeschlossen
sind. Auch in diesen Fällen ist davon auszugehen,
dass Betroffene nicht in der Lage sind, den für die
Einleitung eines förmlichen Verfahrens zur
Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen
Staatsangehörigkeit zu erfüllenden Erfordernissen
nachzukommen.
Ich
bitte
Sie,
die
anhängigen
Einbürgerungsverfahren
des
betroffenen
Personenkreises von Amts wegen aufzugreifen
und zu prüfen, ob im Hinblick auf die
vorgenannten Verfahrenserleichterungen ein
Einbürgerungsvollzug in Betracht kommt.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Rheinland-Pfalz
Ministerium des Innern und für Sport
Der Minister
7. Juni 2005
An
Café Asyl
Frau Lisa Blumentrath-Eschweiler
Einbürgerung von Menschen aus dem Kosovo
Sehr geehrte Frau Blumentrath-Eschweiler,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 05.05.2005,
mit dem Sie mich auf die Situation von
Einbürgerungsbewerberinnen
und
Einbürgerungsbewerbern aus dem Kosovo
hinsichtlich
der
Aufgabe
der
serbischmontenegrinischen
Staatsangehörigkeit
ansprechen.
Hinweise über Probleme des von Ihnen
angesprochenen Personenkreises bei Entlassungsverfahren
aus
der
serbischmontenegrinischen Staatsangehörigkeit insbesondere auch bei der Beschaffung der in solchen
Verfahren
vorzulegenden
Personenstandsurkunden wurden seit geraumer Zeit an
das Ministerium des Innern und für Sport
herangetragen. Andererseits hatten serbischmontenegrinische Stellen darauf hingewiesen,
dass die in Entlassungsverfahren Betroffener
beobachteten administrativen Schwierigkeiten
ihre Ursache in den in den letzten Jahren erfolgten
Umwälzungen in Jugoslawien hätten und es
wurden Verbesserungen für die betroffenen Personen in Aussicht gestellt.
Um ein Gesamtbild über die Entlassungspraxis
von Serbien und Montenegro bei Personen aus
dem Kosovo zu gewinnen, sind die in RheinlandPfalz
für
Einbürgerungen
zuständigen
Kreisverwaltungen und Stadtverwaltungen der
kreisfreien Städte sowie die Aufsichts- und
Dienstleistungsdirektion in Trier gebeten worden,
das Ministerium des Innern und für Sport
umfassend über ihre Erfahrungen aus den
anhängigen Einbürgerungsverfahren des besagten
Personenkreises zu unterrichten. Eine Auswertung
dieser Berichte ergab, dass in einer Vielzahl von
Fällen trotz langfristiger Bemühungen der
Betroffenen eine Entlassung aus der serbischmontenegrinischen Staatsangehörigkeit nicht
erreicht werden konnte.
Angesichts dieses Befundes hat das Ministerium
des Innern und für Sport mit Blick auf die
bundesweite Relevanz der Problematik eine
Erörterung der Fragen auf Bund-Länder-Ebene
angestoßen. Zwischenzeitlich haben sich mehrere
Bundestender auf eine einheitlich Vorgehensweise
bei einzubürgernden Personen aus dem Kosovo
verständigt. In Rheinland-Pfalz wurde die
Neuregelung mit Schreiben des Ministeriums des
Innern und für Sport vom 31.05.2005 umgesetzt.
Danach können die Einbürgerungsbehörden
künftig davon ausgehen, dass eine Entlassung aus
der
serbisch-montenegrinischen
Staatsangehörigkeit bei einzubürgernden Personen
aus dem Kosovo praktisch aussichtslos ist, wenn
die Geburtsmatrikel der oder des Betroffenen im
Kosovo vernichtet wurde, wenn die Ausstellung
eines serbisch-montenegrinischen Reisepasses, die
von
der
Vorlage
eines
Staatsangehörigkeitsnachweises abhängig ist, nicht erreichbar
war oder wenn die Entgegennahme des
Entlassungsantrages
oder
seine
positive
Bescheidung von der vorherigen Regelung der
Wehrdienstangelegenheit abhängig gemacht wird.
Ist im Einzelfall belegt oder glaubhaft gemacht,
dass ein solches Hindernis besteht, kann die
Einbürgerung auf der Grundlage des § 12 Abs. 1
Satz 2 Nr. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes
unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen.
Nach einer Mitteilung der Bundesbehörden liegen
Erkenntnisse vor, wonach ethnisch albanische
Personen
serbisch-montenegrinischer
Staatsangehörigkeit ungeachtet der bestehenden
Rechtslage in Serbien und Montenegro von der
Gewährung
konsularischer
Dienstleistungen
seitens
der
serbisch-montenegrinischen
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Auslandsvertretungen teilweise ausgeschlossen
sind. Auch in diesen Fällen ist davon auszugehen,
dass Betroffene nicht in der Lage sind, den für die
serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit
zu erfüllenden Erfordernissen nachzukommen.
Einleitung eines förmlichen Verfahrens zur
Entlassung
aus
der
Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Kosovo
gebührend Rechnung tragen können, Soweit Sie
in Ihrem Schreiben konkrete Einzelfälle
angesprochen haben, empfehle ich den
Betroffenen zu raten, zur Beschleunigung ihrer
Angelegenheit von sich
aus auf die
Einbürgerungsbehörde zuzugehen und um
Prüfung zu bitten, ob auf der Grundlage der
Neuregelung die Verleihung der deutschen
Staatsangehörigkeit ohne den Nachweis der
Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen
Staatsangehörigkeit möglich ist.
Das Ministerium des Innern und für Sport hat die
rheinland-pfälzischen
Einbürgerungsbehörden
gebeten, die anhängigen Einbürgerungsverfahren
des betroffenen Personenkreises von Amts wegen
aufzugreifen und zu prüfen, ob im Hinblick auf
die eingeführten Erleichterungen nunmehr ein
Einbürgerungsvollzug in Betracht kommt.
Die vorgenannten Festlegungen sind nach meiner
Auffassung geeignet, dass die Behörden den
Besonderheiten bei der Einbürgerung von
Mit freundlichen Grüßen
Karl Peter Bruch
÷
Rheinland-Pfalz
Ministerium des Innern und für Sport
08.06.2005
Zuwanderung/Kommunen
„Landesinitiative Rückkehr 2005“
5 Millionen Euro für die freiwillige Rückkehr
Das rheinland-pfälzische Kabinett hat in seiner
jüngsten Sitzung ein Änderungsgesetz zum
Landesaufnahmegesetz beschlossen, wie
Innenminister Karl Peter Bruch mitteilte. Mit
diesem Gesetz setze die Landesregierung die
Regelungen des Zuwanderungsgesetzes auf
Landesebene um. Gleichzeitig habe das Kabinett
eine „Landesinitiative Rückkehr 2005“
beschlossen. „Mit dieser Initiative soll die
Rückkehrförderung – insbesondere für abgelehnte
Asylbegehrende – verstärkt werden. Hierfür stellt
das Land, neben den bisherigen Leistungen an die
Rückkehrer, den Kommunen zusätzlich 5
Millionen Euro sowie weitere Hilfen zur
Verfügung“, so Bruch.
Im Einzelnen sieht die Initiative vor:
 Finanzielle Hilfen für die Kommunen:
Den Kommunen werden im Rahmen der
„Landesinitiative Rückkehr 2005“ zusätzlich 5
Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit
wird ihnen die Möglichkeit eröffnet, eigene
Rückkehrmaßnahmen oder konkrete
Einzelfalllösungen zu entwickeln und zu
finanzieren. Hierbei können beispielsweise die
Mittel als Geld- oder Sachleistungen an den
Betroffenen ausgezahlt, für Aufbauhilfen oder
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Heimatland
und für Transportkosten des Betroffenen
verwendet oder zur Beseitigung von
Abschiebungshindernissen genutzt werden. Die
Gesamtsumme von 5 Millionen Euro wird
entsprechend einem an der Einwohnerzahl
orientierten Schlüssel, nach dem auch die
Flüchtlinge auf die Landkreise und kreisfreien
Städte verteilt werden, an die Kommunen
zugewiesen.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
 Beratungsunterstützung beim
Rückkehrmanagement:
Das Land stellt Mittel zur Finanzierung einer
Beratungsstelle für die Kommunen zur
Verfügung. Diese Stelle soll Beratungshilfe
bieten, die von den Kommunen zur Entwicklung
von Einzelhilfeplänen und Rückkehrkonzepten
genutzt werden kann, um so vor Ort
Rückkehrförderung ganz individuell auf die
Bedürfnisse des jeweiligen Falles zuschneiden zu
können.
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Geld für Rückkehr von Asylbewerbern
Die Rückkehr abgelehnter Asylbewerber ist Ziel
der „Landesinitiative Rückkehr 2005", die von
der Landesregierung mit zusätzlichen fünf
Millionen Euro verstärkt werden soll. Dieses
Geld wird laut einem Kabinettsbeschluss in die
kommunalen
Haushalte
fließen,
wie
Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) erklärte.
Die fünf Millionen Euro sollen den Kommunen
die Möglichkeit eröffnen, eigene Rückkehrmaßnahmen oder konkrete Einzelfalllösungen zu
entwickeln und zu finanzieren. Nach Angaben des
Ministers könn-
ten die Mittel als Geld- oder Sachleistungen an die
Betroffenen gezahlt, für Aufbauhilfen oder
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Heimatland
oder auch für Transportkosten der Betroffenen
verwendet
werden.
Auch
Abschiebungshindernisse könnten mit diesem
Geld beseitigt werden. Die Gesamtsumme wird
entsprechend einem an der Einwohnerzahl
orientierten Schlüssel zugewiesen, nach dem auch
die Flüchtlinge auf die Landkreise und kreisfreien
Städte verteilt werden. Außerdem soll eine
Beratungsstelle für die Kommunen entstehen.
„Rhein-Zeitung“ - Bad Kreuznach: 9.6.2005
Zuwanderungsgesetz
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
10.11.2004
Beschäftigungsverfahrenverordnung - Anwendung der §§ 8 und 9 Besch VerfV
Bezug: Ihr Schreiben vom 10. September 2004
Sehr geehrte Frau Röseler,
nachdem
das
Bundeskabinett
die
Beschäftigungsverfahrensverordnung - Besch
VerfV - am 3. November 2004 zustimmend zur
Kenntnis genommen hat, bestätige ich Ihnen, dass
bei als minderjährig eingereisten Jugendlichen
oder jungen Erwachsenen, die trotz einer über 18
Monaten hinausbestehenden Unmöglichkeit der
Abschiebung und einer im konkreten Fall nicht
bestehenden zumutbaren Möglichkeit der
freiwilligen Ausreise keine Aufenthaltserlaubnis
bekommen, das Ministerium für Wirtschaft und
Arbeit ggf. im Wege der Weisung dafür sorgt,
dass die Dienststellen der Bundesagentur für
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Schaltat
Arbeit im Rahmen der Härtefallregelung des § 7
Besch VerfV eine Zustimmung zur Ausübung
einer Beschäftigung oder Berufsausbildung
erteilen können.
In der Ausländerreferentenbesprechung Ende
September 2004 haben die Vertreter des BMWA
wie zugesagt, die Notwendigkeit dargestellt, dass
ein Leerlaufen des § 25 Abs. 5 AufenthG
vermieden werden soll, um damit das von der
Bundesregierung verfolgte Ziel der Beendigung
der Praxis der Kettenduldungen zu erreichen. Ein
Protokoll über diese Sitzung liegt bisher nicht vor.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
PRO ASYL
PRO ASYL
Presseerklärung vom 6. Juni 2005
Abschiebungen nach Afghanistan:
Die Bundesländer überbieten sich gegenseitig beim Abschiebungsdruck
Hessen hat bereits allein stehende Frauen und alte Menschen im Visier
PRO ASYL: Hessen vorn mit den brutalstmöglichen Planungen
Nachdem Hamburg mit Abschiebungen nach
Afghanistan
begonnen
hat,
wetteifern
verschiedene Bundesländer noch vor der
Innenministerkonferenz in Ländererlassen um die
gnadenloseste Abschiebungspraxis.
In einem Erlass vom 17. Mai 2005 nimmt das
Hessische Ministerium des Innern und für Sport
bereits die Abschiebung von allein stehenden
Frauen in den Blick. Ausgenommen werden von
Rückführungen sollen alte Menschen, die am 19.
November 1998 das 65. Lebensjahr vollendet
haben – also jetzt mindestens 71 Jahre alt sind.
Auch
wenn
diese
„Rentnerabschiebungsregelung“, nach der sogar
65- bis 71-jährige abgeschoben werden könnten,
sich als Redaktionsversehen im Innenministerium
erweist – die Mentalität, mit der zwischen
Gedankenlosigkeit
und
Vorsatz
die
Existenzvernichtung von Menschen geplant wird,
ist deutlich: Die brutalstmögliche Variante ist der
Planungshorizont.
Die Abschiebung alter Menschen, die keine
Familie in Afghanistan haben, in ein Land, in dem
nicht einmal rudimentäre Strukturen der
Existenzsicherung vorhanden sind, kann im
Ernstfall eine Art Todesurteil darstellen.
Entsprechende Planungen stehen in eklatantem
Widerspruch
zu
Berichten
von
Menschenrechtsorganisationen
und
dem
Lagebericht des Auswärtigen Amtes. „Die
Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung
liegt bei etwa 45 Jahren“ (Lagebericht S. 26).
Die Idee, über kurz oder lang allein stehende
Frauen nach Afghanistan abschieben zu wollen,
beurteilt der Frankfurter Rechtsanwalt Victor
Pfaff, Mitglied von PRO ASYL, der sich vor
einigen Wochen in Afghanistan auch über die
Lage der Frauen informiert hat, so: „Hat eine
Frau keinen familiären Rückhalt oder ist sie von
ihrer Familie fallen gelassen worden, dann ist sie
Freiwild – trotz ihrer formalen Gleichstellung
durch die Verfassung. Es ist undenkbar, dass sich
eine allein stehende Frau – mit oder ohne Kinder
– Wohnraum mietet, auch wenn sie Geld hätte.“
Eine Witwe z.B. könne nicht alleine leben. Wer
sich nicht in die patriarchalische Gesellschaft
Afghanistans einordnen wolle oder könne, laufe
Gefahr, Gewalttätigkeit und Willkür ausgesetzt zu
sein – nicht nur von einzelnen Fanatikern, sondern
auch von Seiten des Staates. Von 16 Frauen, die
sich im April in der Kabuler Übergangshaftanstalt
befunden hätten, seien allein 14 der Unzucht
beschuldigt. Unzucht sei in Afghanistan bereits:
mit einem Mann, der nicht der Ehemann ist, auf
der Straße zu sprechen.
Der hessische Erlass spiegelt wider, wie das
Bundesinnenministerium
den
Länderinnenministern
den
Verlauf
der
Verhandlungen
mit
einer
afghanischen
Regierungsdelegation im Februar 2005 in Kabul
geschildert hat – als den Versuch einer
Durchsetzung
deutscher
Interessen
im
Kolonialstil. Der Druck wird deutlich: „Die
afghanische Delegation erklärte weiterhin, dass
sie einseitig von Deutschland vorgenommene
Rückführungsmaßnahmen hinnehmen werde“, so
die Darstellung im Erlass.
Warum es nicht zum Abschluss eines formellen
Rückübernahmeabkommens gekommen ist, steht
nicht im Erlass, ist aber bekannt. Die deutsche
Seite wollte anders als andere Staaten kein
Dreiparteienabkommen unter Beteiligung des
Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten
Nationen (UNHCR). In einem solchen
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
„Rückkehr
Abkommen hätten auch die internationalen
Kriterien, die auf die Freiwilligkeit einer
len, eine Rolle spielen müssen. Deutsche
Abschiebungspolitik aber bedeutet: Solche
Maßstäbe und die sie vertretenden Institutionen
möglichst zu umgehen.
in
Würde“
abstel
Rand der afghanischen Städte gestrandeter
Menschen unverantwortlich sind. Afghanistan
braucht weiter deutsche Unterstützung. Dazu
gehört es auch, dass man das nach 23 Jahren
Krieg mit fast unlösbaren Problemen konfrontierte
Land nicht auch noch mit einem weiteren belastet:
der unmöglichen Versorgung von Landsleuten,
die deutsche Innenminister systematisch aus
Deutschland vertreiben wollen.
PRO ASYL vertritt die Auffassung, dass
Abschiebungen nach Afghanistan vor dem
Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage und des
Massenelendes von Hunderttausenden bereits am
gez. Bernd Mesovic
Referent
÷
PRO ASYL
Presseerklärung vom 16. Juni 2005
Memorandum zur derzeitigen Situation des deutschen Asylverfahrens
„Umgang mit Asylbegehren widerspricht Verfassungs- und Völkerrecht“
Ein
breites
Bündnis
aus
Wohlfahrtsorganisationen,
Richterund
Anwaltsvereinigungen
sowie
Menschenrechtsorganisationen hat heute in Berlin
ein gemeinsames „Memorandum zur derzeitigen
Situation
des
deutschen
Asylverfahrens“
vorgestellt. Zu diesem Bündnis gehören amnesty
international (ai), der Bundesverband der
Arbeiterwohlfahrt,
die
Arbeitsgemeinschaft
Ausländer- und Asylrecht im Deutschen
Anwaltverein, der Deutsche Caritasverband, der
Paritätische Wohlfahrtsverband, das Diakonische
Werk der EKD, die Neue Richtervereinigung,
PRO
ASYL,
der
Republikanische
AnwältInnenverein
und
die
Rechtsberaterkonferenz
der
mit
den
Wohlfahrtsverbänden
und
UNHCR
zusammenarbeitenden Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälte. Sie kritisieren dass die deutsche
Praxis, Asylbegehren zu behandeln, verfassungsund völkerrechtlichen Vorgaben widerspricht. Das
Asylverfahren befindet sich in einem beständigen
Prozess des Verfalls. Sorge bereitet den
Unterzeichnern des Memorandums insbesondere
die Qualität von Anhörungen und Entscheidungen
in Asylverfahren.
Ziel der Bündnisorganisationen ist eine
öffentliche Debatte sowie ein Kurswechsel der
Politik. Asylantragsteller müssen fair behandelt
und ihre
Fluchtschilderungen ohne Vorbehalte mit
kritischem Wohlwollen geprüft werden.
Im Einzelnen wird kritisiert:
- Die meisten Asylbewerber der vergangenen
fünf Jahre stammen aus Herkunftsländern, in
denen
es
zu
massiven
Menschenrechtsverletzungen kommt (Türkei,
Irak, Syrien, Russische Föderation, Afghanistan).
Dennoch betrug die Anerkennungsquote im
Verwaltungsverfahren für Asylberechtigte im Jahr
2004 lediglich 1,5 Prozent und für Flüchtlinge im
Sinne der Genfer
Flüchtlingskonvention 1,8 Prozent. Diese
Anerkennungsquoten vermitteln den Eindruck, als
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
kämen kaum noch schutzbedürftige Personen
nach Deutschland. Dies entspricht nicht der
Realität.
- Die Politik der westeuropäischen Staaten ist
von einer Abdrängungshaltung geprägt. Die
Verantwortung für Flüchtlinge soll auf andere
Staaten und letztlich auf die Staaten der
Herkunftsregionen der Flüchtlinge abgewälzt
werden. Gleichzeitig ist in Deutschland ein
Verfahrensklima
entstanden,
das
nicht
flüchtlingsfreundlich ist. Es ist stattdessen von
polizeirechtlichen
Grundsätzen
und
einer
insgesamt verhärteten Grundhaltung geprägt.
- Diese abwehrende Grundhaltung zeigt sich
unter anderem bei der unzureichenden und
lediglich widerwilligen Anwendung der Genfer
Flüchtlingskonvention
seitens
Politik,
Asylbehörden und Gerichten. Das wichtigste
internationale Schutzinstrument für Flüchtlinge ist
in den vergangenen 25 Jahren aus dem deutschen
Asylverfahren gedrängt worden. Nicht einmal der
Begriff Flüchtling existierte in dieser Zeit im
deutschen Asyl- und Ausländerrecht.
- Das Asylverfahren ist zum „Ort eines
verdichteten Misstrauens“ geworden. Das
staatliche Interesse an einer Abschiebung der
Flüchtlinge überlagert das Prüfungsverfahren bis
in die in der Anhörung gestellten Fragen hinein.
- Die persönliche Anhörung ist das Herzstück
des Asylverfahrens. Das Bundesamt erweckt den
Eindruck, dass es kein wirkliches Interesse an
einer gerechten Entscheidung hat, weil in der
Praxis die persönliche Anhörung und die
Abfassung des Bescheides häufig von zwei
verschiedenen Beamten vorgenommen werden.
Standardisierte
Handlungsanleitungen
der
Amtsleitung führen zu Abstumpfung und
Gleichgültigkeit bei den Einzelentscheidern.
- Die Qualität der Entscheidungsfindung beim
Bundesamt ist mangelhaft. Statt sich mit
individuellen Fluchtgründen auseinander zu
setzen, werden zunehmend Textbausteine
verwendet. Die persönliche Anhörung des
Asylsuchenden wird darauf zugeschnitten.
- Eine
Qualitätskontrolle
der
Bundesamtsentscheidungen innerhalb des Amtes
findet
nicht
statt.
Im
Zuge
der
Günter Burkhardt
PRO ASYL
Wolfgang Grenz
amnesty international
Aufgabenerweiterung des Bundesamtes – nun
auch zuständig für Migration – ist der bisherige
Kernbereich der Arbeit vernachlässigt worden, so
dass sich die strukturellen Defizite im
Asylverfahren ohne Gegenmaßnahmen verfestigt
haben.
- Die Asylbehörde ist durch die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichtes gehalten, dem
Asylantragsteller mögliche Widersprüche und
Unklarheiten vorzuhalten und von Amts wegen
aufzuklären. In der Praxis geschieht dies oft nicht.
- Asylsuchende sind in Deutschland in vieler
Hinsicht bloßes Objekt des Verwaltungshandelns.
Verfahrensgerechtigkeit hieße, sie fair in den
Prozess der Tatsachenfeststellung einzubeziehen.
Bislang wird ihnen aber nicht einmal der Zugang
zu unabhängigen Beratungssystemen ermöglicht.
- Die aktuelle Praxis der in großer Zahl
eingeleiteten Widerrufsverfahren gegen einmal
gewährtes
Asyl
widerspricht
den
flüchtlingsrechtlichen Grundsätzen der Genfer
Flüchtlingskonvention. Die Widerrufspraxis des
Bundesamtes blendet die Sicherheitsbedingungen
in den jeweiligen Herkunftsländern aus. Mit dem
Widerruf werden aus Flüchtlingen in vielen Fällen
lediglich
noch
Geduldete.
Diese
Statusverschlechterung geschieht, obwohl die
Betroffenen auf absehbare Zeit nicht abgeschoben
werden können.
- Die Verwaltungsgerichte sind oft nicht gewillt,
fehlerhafte Bescheide durch vorbehaltlose neue
Ermittlungen zu korrigieren. Sie haben es in den
letzten Jahren versäumt, die zu beachtenden
verfahrens- rechtlichen Garantien zugunsten der
Asylsuchenden und Flüchtlinge zu stärken. So
fallen sie als effektives Kontrollsystem
weitgehend aus.
Das Memorandumsbündnis schlägt konkrete und
großenteils kurzfristig umsetzbare Maßnahmen
vor, um zu gewährleisten, dass Schutzbedürftige
ihren Schutzanspruch in einem fairen Verfahren
geltend machen können. Voraussetzung für die
Umsetzung wäre allerdings der erklärte Wille der
politisch Verantwortlichen, durch eine adäquate
Ausgestaltung
des
Verfahrens
ihrer
Verantwortung
beim
internationalen
Flüchtlingsschutz Rechnung zu tragen.
Dr. Reinhard Marx
Rechtsanwalt
Barbara Stolterfoht
Paritätischer Wohlfahrtsverband
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Und was gibt’s noch?
UNHCR
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen
Vertretung in Deutschland
20.4.2005
An den Präsidenten
des Verwaltungsgerichts Wiesbaden
Herrn Hans Peter Faber
Anmerkung zur Anwendung der Beendigungsklauseln
auf irakische und afghanische Flüchtlinge
Sehr geehrter Herr Präsident,
seit Ende 2003 hat das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) seine
Praxis, im Rahmen von Widerrufsverfahren den
Fortbestand der Schutzbedürftigkeit anerkannter
Flüchtlinge zu überprüfen, erheblich ausgeweitet.
Mit nahezu 9.000 Widerrufsentscheidungen sind
hiervon - neben Flüchtlingen aus dem ehemaligen
Jugoslawien - irakische Flüchtlinge in besonderem
Maße betroffen. Im Hinblick auf die durch das
Zuwanderungsgesetz eingeführte Regelüberprüfung
der Flüchtlingsanerkennung spätestens nach Ablauf
von drei Jahren seit Rechtskraft der Anerkennungsentscheidung werden Widerrufsverfahren künftig
auch für weitere Flüchtlingsgruppen zunehmend an
Bedeutung gewinnen.
UNHCR hat diese Entwicklung in den vergangenen
Monaten aufmerksam beobachtet und dabei mit
Sorge zur Kenntnis genommen, dass die Prüfung der
Widerrufsvoraussetzungen durch die zuständigen
deutschen Behörden und Gerichte häufig nicht unter
hinreichender Beachtung der in Art. 1 C (5) der
Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) geregelten
Kriterien
für
die
Beendigung
der
Flüchtlingseigenschaft erfolgt. Insbesondere setzt
sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
nicht ausreichend mit der Frage der Dauerhaftigkeit
und Stabilität der im Herkunftsstaat stattgefundenen
politischen Veränderungen sowie der Erreichbarkeit
effektiven Schutzes im Herkunftsstaat auseinander.
Es besteht deshalb die akute Gefahr, dass
Flüchtlinge als Folge der Entscheidungen des
Bundesamtes grundlegende Konventionsrechte
vorzeitig verlieren, obwohl die in Art. 1 C (5) S. 1
GFK geregelten Voraussetzungen für eine
Beendigung der Flüchtlingseigenschaft in den
Mit freundlichen Grüßen
betroffenen Herkunftsländern noch nicht vorliegen.
Nachdem sich viele der vom Widerruf ihrer
Flüchtlingsanerkennung betroffenen Personen auf
der Suche nach Rechtsschutz an die für die
Überprüfung
der
Widerrufsbescheide
des
Bundesamtes zuständigen Verwaltungsgerichte
gewandt haben, sieht sich UNHCR in Wahrnehmung
seines Mandates veranlasst, Ihnen mit den
beiliegenden Stellungnahmen nochmals die Position
des Amtes zur Auslegung und Anwendung der
Beendigungsklauseln auf irakische und afghanische
Flüchtlinge nahe zu bringen.
Gemäß Art. 35 GFK haben sich die Signatarstaaten
der Genfer Flüchtlingskonvention zur umfassenden
Zusammenarbeit mit UNHCR bei der Auslegung
und Umsetzung der Bestimmungen der Genfer
Flüchtlingskonvention verpflichtet. Im Beschluss
Nr. 69 (XLIII) (1992) des UNHCR-Exekutivkomitees haben die Vertragsstaaten darüber hinaus ihren
ausdrücklichen Willen erklärt, UNHCR bei der
Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen für
die
Anwendung
der
Beendigungsklausel
angemessen zu beteiligen.1
Wir möchten Sie vor diesem Hintergrund bitten, die
in den Stellungnahmen enthaltenen rechtlichen und
tatsächlichen Beurteilungen des UNHCR im
Rahmen
Ihrer
Entscheidungen
über
die
Rechtmäßigkeit von Widerrufsbescheiden zu
berücksichtigen.
1
Beschluss Nr.69 (XLIII) (1992) des UNHCRExekutivkomitees
zur
Beendigung
des
Flüchtlingsstatus, Artikel (b).
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Stefan Berglund - Vertreter in der Bundesrepublik Deutschland
Anlage:
UNHCR-Hinweise zur Anwendung des Art. 1 C (5) der Genfer Flüchtlingskonvention 1
(„Wegfall der Umstände" - Klausel)
auf afghanische Flüchtlinge
1. Vorbemerkung
Der
auf
Grundlage
der
Genfer
Flüchtlingskonvention
(GFK)
gewährte
Flüchtlingsstatus ist grundsätzlich temporärer
Natur. Er endet nach Maßgabe des Art. 1 C GFK,
wenn der Betroffene des hiermit verbundenen
internationalen Schutzes nicht länger bedarf.
Gründe hierfür können gemäß Art. 1 C (1) - (4)
GFK entweder ein bestimmtes Verhalten des
Flüchtlings - beispielsweise die erneute
Niederlassung in seinem Herkunftsstaat - oder
(unabhängig vom Verhalten des Flüchtlings) eine
objektive Veränderungen der Umstände im
Herkunftsland des Betroffenen sein, aufgrund
deren er es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz
seines Herkunftsstaates wieder in Anspruch zu
nehmen, Art. 1 C (5) GFK2. Die zuletzt genannte
Regelung wird üblicherweise als „Wegfall der
Umstände" - Klausel oder „Allgemeine
Beendigungsklausel“ bezeichnet.
Zur Beurteilung der Voraussetzungen der
Beendigung der Flüchtlingseigenschaft gemäß
Art. 1 C (5) GFK sind das UNHCR-Handbuch
Ober Verfahren und Kriterien zur Feststellung der
Flüchtlingseigenschaft3, die Richtlinie zur
Beendigung der Flüchtlingseigenschaft4 sowie der
Beschluss des UNHCR-Exekutivkomitees über
den Wegfall der Flüchtlingseigenschaft5 als
maßgebende Auslegungshilfe heranzuziehen. Die
nachfolgenden Ausführungen basieren auf diesen
Dokumenten und fassen deren zentrale Aspekte
zusammen.
Grundsätzlich bleibt die einer Person zuerkannte
Flüchtlingseigenschaft so lange bestehen, bis die
Voraussetzungen einer der Beendigungsklauseln
erfüllt sind. Diese konsequente Haltung ergibt
sich aus der Erwägung, dass Flüchtlinge die
Sicherheit haben müssen, dass ihr Status nicht
ständig aufgrund vorübergehender Veränderungen
der in ihrem Heimatland herrschenden
Verhältnisse überprüft wird.6
Der internationale Flüchtlingsschutz hat neben
dem unmittelbaren Schutz vor erlittener oder
drohender Verfolgung die Schaffung dauerhafter
Lösungen für Flüchtlinge zum Ziel.7 Auch die
Anwendung der Beendigungsvorschriften sollte
sich an dieser Zielsetzung orientieren. Die
Beendigung der Flüchtlingseigenschaft sollte
daher nicht dazu führen, dass Personen mit
unsicherem Aufenthaltsstatus im Aufenthaltsstaat
verbleiben müssen. Sie sollte ebenso wenig dazu
führen, dass Personen zur Rückkehr in instabile
Verhältnisse gezwungen sind. Dies könnte die
Gefahr der Entstehung neuer Flüchtlingsströme
erhöhen
und
zur
Destabilisierung
und
Verzögerung des Wiederaufbauprozesses im
Herkunftsland führen und damit letztlich
Bemühungen um die Schaffung dauerhafter
Lösungen für Flüchtlinge entgegenstehen. Die
Anwendung der Beendigungsklauseln setzt
folglich nicht nur den Wegfall der konkreten
Verfolgungsgefahren voraus, sondern erfordert
auch die dauerhafte Beseitigung anderer
gravierender Menschenrechtsgefährdungen.
Die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im
Sinne des Art. 1 C (5) 1 GFK kommt deshalb erst
dann in Betracht, wenn sich die Verhältnisse im
Herkunftsland
a) grundlegend und
b) dauerhaft verändert haben
und
aufgrund
dieser
Veränderungen
sichergestellt ist, dass
c) der Betroffene im Herkunftsstaat
effektiven Schutz erlangen kann.
Im
Hinblick
auf
das
Kriterium
der
grundlegenden Änderung der Umstände im
Herkunftsland ist zu untersuchen, in welchem
Umfang die politischen Veränderungen im
Herkunftsstaat die Flucht auslösenden Umstände
beseitigt haben. Dabei sind neben den
ursprünglichen
auch
neu
entstandene
Verfolgungsrisiken zu berücksichtigen.8
Eine dauerhafte Veränderung der politischen
Situation im Herkunftsstaat kann erst dann
festgestellt werden, wenn nach einer Phase der
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Konsolidierung vernünftigerweise nicht mehr mit
dem
Wiederaufleben
der
ursprünglichen
Fluchtgründe oder der Entstehung neuer
Fluchtgründe gerechnet werden muss.9 Im Falle
gewaltsam herbeigeführter Veränderungen der
politischen
Situation
im
Herkunftsstaat,
beispielsweise durch einen Umsturz des
bisherigen politischen Regimes oder den
militärischen Sieg einer Bürgerkriegspartei,
bedarf die Feststellung des dauerhaften Charakters
hingegen einer längeren sorgfältigen Beobachtung
der Entwicklungen vor Ort.10 Einerseits besteht in
diesen Fällen in besonderem Maße die Gefahr der
Entstehung neuer Verfolgungs- und Fluchtgründe,
wenn sich beispielsweise die gewaltsam an die
Macht gelangte Gruppierung nicht eindeutig zur
Einhaltung
grundlegender
Menschenrechte
verpflichtet oder diese nicht wirksam durchsetzt.
Zum anderen besteht in solchen Situationen auch
ein erhöhtes Risiko einer Umkehr der
eingeleiteten Veränderungen.
Im
Mittelpunkt
der
Prüfung
der
Beendigungsvoraussetzungen steht jedoch die
Frage, ob der Flüchtling aufgrund der
Veränderungen
in
seinem
Herkunftsstaat
effektiven nationalen Schutz erlangen kann.
Erforderlich hierfür ist das Vorhandensein einer
funktionsfähigen Regierung und grundlegender
Verwaltungsstrukturen, wie sie z.B. in einem
funktionierenden Rechtsstaat vorliegen, sowie das
Vorhandensein einer angemessenen Infrastruktur,
innerhalb derer die Einwohner ihre Rechte
ausüben können, einschließlich des Rechts auf
eine Existenzgrundlage. Eine rein physische
Sicherheit für Leib und Leben ist nicht
ausreichend.11
Wichtiges
Indiz
für
die
Wiederherstellung effektiven staatlichen Schutzes
stellt dabei dir allgemeine Menschenrechtslage
dar, bei deren Beurteilung den folgenden Kriterien
eine besondere Bedeutung zukommt:
- Stand der demokratischen Entwicklung im
Land einschließlich der Durchführung freie
und gerechter Wahlen,
- Beitritt zu Menschenrechtsabkommen,
- Zulassung unabhängiger nationaler und
internationaler Beobachter.12
Eine lückenlose Beachtung der Menschenrechte
ist
zwar
nicht
erforderlich.
Mindestvoraussetzungen
sind
jedoch
die
Beachtung des Rechts auf Leben und Freiheit, da:
Verbot der Folter, bedeutende Fortschritte beim
Aufbau einer unabhängigen Justiz, faire
Gerichtsverfahren und Zugang zu den Gerichten
Juni 2005
sowie der Schutz fundamentaler Grundrechte wie
der
Vereinigungs-,
Meinungsund
Religionsfreiheit.13
Gemäß Art. 36 GFK haben sich die
Vertragsstaaten der GFK und des Protokolls von
1967 zur innerstaatlichen Umsetzung der
Bestimmungen der GFK verpflichtet. Im Hinblick
auf die in Art. 1 C (5) 1 GFK geregelte allgemeine
Beendigungsklausel wird diese Verpflichtung
nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers in §
73 (1) 1 AsyIVfG umgesetzt.14 Hiernach Ist die
Entscheidung über die Asylgewährung bzw. die
Flüchtlingsanerkennung
unverzüglich
zu
widerrufen, wenn die Voraussetzungen hierfür
nicht mehr vorliegen. Wenngleich der Wortlaut
der Vorschrift die in Art. 1 C (5) 1 GFK
genannten Kriterien für die Beendigung der
Flüchtlingseigenschaft
nicht
ausdrücklich
aufnimmt,
gebietet
der
Grundsatz
der
völkerrechtskonformen Auslegung nationaler
Normen die Vorschrift im Sinne des Art. 1 C (5)
GFK zu interpretieren.15 Hierbei sollten auch die
von UNHCR entwickelten Auslegungs- und
Anwendungshinweise berücksichtigt werden.
2. Voraussetzungen für die Beendigung der
Flüchtlingseigenschaft im Hinblick auf die
gegenwärtige Situation in Afghanistan
Fundamentaler Charakter der politischen
Veränderungen. Der mit dem Fall der TalibanHerrschaft und der Bonner Afghanistan
Konferenz
Ende
2001
begonnene
Überleitungsprozess in Afghanistan markiert den
Beginn umfassender politischer Veränderungen,
die in erheblichem Umfang auch die Gründe für
Flucht und Vertreibung der afghanischen
Bevölkerung betreffen. Bevor jedoch auf der
Grundlage dieser Veränderungen die Anwendung
der
Allgemeinen
Beendigungsklausel
in
Erwägung gezogen werden kann, muss nach
Auffassung von UNHCR zunächst der
erfolgreiche Abschluss des Überleitungsprozesses
abgewartet werden. Hierbei kommt der Abhaltung
von Parlamentswahlen, die eine umfassende
Beteiligung
von
Repräsentanten
unterschiedlichster Herkunft an der Regierung
eines derzeit politisch noch immer stark
zersplitterten
Landes
gewährleisten,
entscheidende Bedeutung zu. Die Abhaltung freier
und geheimer Parlamentswahlen ist eines der
Schlüsselkriterien für die Stabilität des Landes
und Grundvoraussetzung für den erfolgreichen
Abschluss des Überleitungsprozesses.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Verbunden
mit
dem
Wegfall
der
Hauptfluchtursachen und dem Ende der
Feindseligkeiten stellen die Wiederherstellung
von Frieden und Stabilität sowie der vollständige
Abschluss de; Überleitungsprozesses wichtige
Merkmale einer grundlegenden, fundamentalen
Veränderung der politischen Situation und damit
Voraussetzungen für die Anwendung der
Allgemeiner Beendigungsklauseln dar. Angesichts
der fortdauernden Notwendigkeit des Einsatzes
militärischer
Gewalt
zur
Bekämpfung
regierungsfeindlicher Aktivitäten in zahlreichen
Provinzen des Landes, von denen einige noch
immer nicht unter vollständiger Kontrolle der
afghanischer
Regierung
und
seiner
Sicherheitskräfte sind, kann derzeit nicht von
einem Ende militärische Auseinandersetzungen
ausgegangen werden. Obwohl diesbezüglich
bereits Fortschritte erziel wurden, haben in vielen
Landesteilen noch immer weder die afghanischen
Polizei noch die afghanischen Streitkräfte die
ausschließliche Gebietsgewalt errungen. Eine
durchgreifende
Wiederherstellung
des
Gewaltmonopols der afghanischen Regierung
kann bei realistischer Betrachtung auch nicht vor
dem Jahr 2007 oder 2008 erwartet werden, wenn
die volle Stärke der afghanischen Armee und
Polizeikräfte erreicht sein soll. Fortschritte sind
auch bei der Durchführung des Entwaffnungs-,
Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramms
der afghanischen Regierung16 zu verzeichnen. Das
Programm ist jedoch noch nicht abgeschlossen
und insbesondere der Umgang mit so genannten
inoffiziellen Milizen bereitet nach wie vor
erhebliche Probleme.
Von einer Wiederherstellung stabiler Verhältnisse
kann daher in Afghanistan noch nicht gesprochen
werden.
Dauerhafter Charakter der Veränderungen.
UNHCR weist darauf hin, dass Entwicklungen,
die auf wesentliche und tief greifende
Veränderungen der politischen Verhältnisse
hindeuten, zunächst eine gewisse Phase der
Konsolidierung benötigen. Dies gilt insbesondere
in Situationen, in denen der politische Wandel
durch einen gewaltsamen Sturz des vorherigen
Regimes eingeleitet wurde. Vor dem Hintergrund
der Schwierigkeiten bei der nachhaltigen
Befriedung von Konflikten, in denen verschiedene
ethnische und politische Gruppierungen involviert
sind, erfordert gerade eine solche Situation eine
besonders genaue Beobachtung der Einhaltung
von
Friedensvereinbarungen
sowie
der
Bei Entscheidungen über den Widerruf der
Juni 2005
grundlegenden Menschenrechtssituation. Wie
bereits erläutert, stellt in Afghanistan die
Abhaltung von Wahlen zum Ober- und Unterhaus
einen entscheidenden Aspekt bei der Feststellung
einer Beendigungssituation dar, da nur durch eine
angemessene parlamentarische Vertretung der
verschiedenen landesweit und lokal agierenden
politischen Institutionen eine repräsentative
Beteiligung unterschiedlicher Strömungen der
zersplitterten und ethnisch vielgestaltigen
afghanischen Gesellschaft an einem friedlichen
politischen Dialog ermöglicht wird. Weitere
Voraussetzungen für dauerhafte und stabile
Veränderungen der Situation in Afghanistan sind
ein
spürbarer
Rückgang
von
Menschenrechtsverletzungen
durch
örtliche
Kommandeure und andere bewaffnete Kräfte
sowie ein Ende der Diskriminierung ethnischer
Minderheiten.
Wiederherstellung
nationalen
Schutzes.
Ausschlaggebendes Kriterium für die Feststellung
einer
grundlegenden
und
dauerhaften
Veränderung im Herkunftsstaat, die die
Beendigung der Flüchtlingseigenschaft auf der
Grundlage des Art. 1 C (5) GFK zu rechtfertigen
vermag, ist die Frage, ob ein Flüchtling im
Herkunftsstaat effektiven Schutz in Anspruch
nehmen kann. Indizien für die Wiederherstellung
nationalen Schutzes sind die prinzipielle
Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte,
insbesondere
aber
die
Wiederherstellung
funktionsfähiger Regierungs- und grundlegender
Verwaltungsstrukturen
einschließlich
eines
effektiven Justizsystems, zu dem der Betroffene
diskriminierungsfreien Zugang hat. Mit Blick auf
die in Afghanistan herrschenden besonderen
sozialen und ethnischen Strukturen ist dabei der
Aufbau funktionsfähiger Institutionen auf der
Ebene unterhalb der Zentralregierung von
besonderer Bedeutung. Nach Feststellung von
UNHCR arbeiten lokale Regierungen und
Verwaltungsbehörden gegenwärtig noch nicht
zuverlässig genug. Insbesondere ist derzeit eine
hinreichende Unabhängigkeit lokaler Institutionen
von militärisch oder wirtschaftlich dominierenden
Kräften noch nicht gewährleistet. Auch ist der
Zugang zu Gerichten nur in eingeschränktem
Umfang gegeben bzw. gänzlich ausgeschlossen.
Nach wie vor können insbesondere einflussreiche
Personen weitgehend ohne jede Furcht vor
rechtlicher Verfolgung agieren.
3. Humanitäre Gesichtspunkte.
Flüchtlingsanerkennung
und
die
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Aufenthaltsbeendigung afghanischer Flüchtlinge
sollte überdies die nach wie vor Besorgnis
erregende humanitäre Situation in Afghanistan
Berücksichtigung finden.
In diesem Zusammenhang Ist insbesondere auf
fehlende
Beschäftigungsmöglichkeiten,
den
Mangel an Wohnraum, die schwierige
Ernährungslage und gravierende Mängel des
Gesundheits- und Bildungswesens sowie der
gesamten öffentlichen Verwaltung in Afghanistan
Juni 2005
hinzuweisen.17 Nach Angaben des UNEntwicklungshilfeprogramms (UNDP) zählte
Afghanistan im Jahre 2004 mit einer
durchschnittlichen Lebenserwartung von 43
Jahren und einer Kindersterblichkeit (bis zum
fünften Lebensjahr) von knapp 26 Prozent zu den
am wenigsten entwickelten Staaten der Welt;
weniger als 13 Prozent der afghanischen
Bevölkerung hatten Zugang zu sauberem
Trinkwasser und etwa 70 Prozent der
Bevölkerung leidet an Unterernährung.18
UNHCR Deutschland,
April 2005
1
Abkommen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge.
Eine entsprechende Regelung für staatenlose Flüchtlinge findet sich in Art. 1 C (6) 1 GFK.
3
Handbock an Procedures and Criteria for Determining Refugee Status, UNHCR Genf, September 1979 (Re-edited
1992), nicht-amtliche Übersetzung: Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft,
Neuauflage UNHCR Österreich, Dezember 2003.
4
Guidelines on lntemational Profection: Cessation of Refugee Status under Article 1C(5) and (6) of fhe 1951
Convention relating to the Status of Refugees (the „Ceased Grcumstances“ Clauses), Deutsche Fassung: Richtlinien
zum Internationalen Schutz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) des Abkommens von
1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge („Wegfall der Umstände“ – Klausel), UNHCR, Genf (HCR/GIP/03/03),
10. Februar 2003.
5
ExCom Conclusion No. 69 (XLIII), 43d session (1992).
6
Handbock an Procedures and Criteria for Determin(ng Refugee Status, UNHCR Genf, September 1979 (Re-edited
1992), nicht-amtliche Übersetzung: Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft,
Neuauflage UNHCR Osterreich, Dezember 2003, Rn.112.
7
Vgl. die Beschlüsse Nr. 29 (XXXIV) (1983), Nr. 50 (XXXIX) (1988), Nr. 58 (XL) (1989), Nr. 79 (XLVII) (1996), Nr.
81 (XLVIII) (1997), Nr. 85 (XLIX) (1998), Nr. 87 (L) (1999), Nr. 98 (L) (2000) und Nr. 90 (LII) (2001) des UNHCRExekutivkomitees.
8
Richtlinien zum Internationalen Schutz Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) des
Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge („Wegfall der Umstände“ - Klausel), Ziffern 10ff..
9
Richtlinien zum Internationalen Schutz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) des
Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge („Wegfall der Umstände“ - Klausel), UNHCR, Genf
(HCRIGIP/03/03),10. Februar 2003, Ziffer 13.
10
Richtlinien zum internationalen Schutz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) und (6)
des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge („Wegfall der Umstände“ - Klauseln), UNHCR Genf, 10.
Februar 2003 (Deutsche Fassung: UNHCR Berlin), Ziffer 14.
11
Richtlinien zum Internationalen Schulz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) und (6)
des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge („Wegfall der Umstände“ - Klauseln), UNHCR Genf, 10.
Februar 2003 (Deutsche Fassung: UNHCR Berlin), Ziffer 15.
12
Richtlinien zum internationalen Schutz Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C (5) und (6)
des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge („Wegfall der Umstände“ - Klauseln), UNHCR Genf, 10.
Februar 2003 (Deutsche Fassung: UNHCR Berlin), Ziffer 16.
13
Ibid.
14
Vgl. BT-Drs.9/875, S.18. Die genannte Gesetzesbegründung bezieht sich auf den Entwurf des geplanten § 11
AsyIVfG von 1982 dessen Vorbild die Regelung des Art. 1 C GK war, Auf diese Tatsache verweist auch das
grundlegende Urteil des BVerwG vom 19.9.2000 (EZAR 214 Nr. 13) sowie der Beschluss des VGH Mannheim vom
16. April 2004, A 6 S 219/04, S. 4: „[kann] ohne weiteres davon ausgegangen werden ..., dass die Anlehnung [des § 73
Abs. 1 AsylVfG) an die Verlustregeln der Genfer Flüchtlingskonvention [trotz zwischenzeitlicher weiterer
Gesetzesänderungen] Bestand haben sollte“.
15
Vgl. BVerwGE 2000, 9 C 12.00 vom 9.9.2000 = EZAR 214 Nr. 13, S.3.
16
Demilitarisation, Demobilisation and Reintegration Programme.
17
Vgl. Report of the Secretary-General on the Situation in Afghanistan and its implications for international peace and
security: Emergency international assistance for peace, normalcy and reconstruction of war-stricken Afghanistan (18
March 2005), A/59/744 - S/2005/183.
18
UNDP, Human Development Report 2004.
2
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V.
Köln Mai 2005
Aufruf
Wider der Errichtung von Lagern in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union –
Für einen Umgang mit Asyl Suchenden, Flüchtlingen und MigrantInnen,
der unseren menschenrechtlichen Ansprüchen entspricht!
In der Bundesrepublik Deutschland und der
Europäischen Union erlauben Gesetze und auf
ihnen gründende
Institutionen und Maßnahmen, mit Asyl
Suchenden, Flüchtlingen und MigrantInnen ihrer
und unserer unwürdig umzugehen:
• Von der Bevölkerung getrennt, werden sie in
krank machende Behausungen gepfercht und in
lagerähnliche
Masseneinrichtungen gezwungen. Diese werden
euphemistisch
„Gemeinschaftsunterkünfte“
genannt.
• In „Ausreiseeinrichtungen“, so verharmlosend
dem neuen Zuwanderungsgesetz nach benannt, als
handele es sich um Tourismusunternehmen,
werden sie mit Hilfe zermürbender Verfahren –
wie Verhöre, Kontrollen und Durchsuchungen
persönlicher Sachen und Räume und andere an
Folter grenzende Methoden – unter massiven
Druck gesetzt, um „freiwillig“ auszureisen.
• Abschiebeknäste berauben sie ihrer Freiheit
allein zu dem Zweck, sie bei erstmöglicher
Gelegenheit ins ungewisse Schicksal abschieben
zu
können.
Diese
Einrichtungen
und
Handhabungen
der
Flüchtlingsverwaltung
kennzeichnen Lager. Das sind Orte, an denen
Menschen wie nackt und bloß behandelt werden.
Es sind Orte struktureller und aktueller Gewalt.
• Freiheit und Selbstbestimmung werden
systematisch eingeschränkt. Freiheit beginnt mit
der Chance, sich bewegen zu können, selbst zu
entscheiden, wie man sich ernährt, mit anderen
Menschen, die man schätzt, verkehren zu können.
All diese Freiheiten, die den Grund des Menschen
bilden, werden im Lager und durch ergänzende
gesetzliche
Bestimmungen
wie
die
„Residenzpflicht“ versagt.
• Die eigene Wohnung ist das soziale Kleid des
Menschen. Darum ist Art. 13 GG so wesentlich.
Ihm entsprechen die ältesten menschenrechtlichen
Ausdrücke. Im Lager ist der eigene Raum
unmäßig eng. Die Privat- oder Intimsphäre, im
März 2004 vom Bundesverfassungsgericht als
absolute Norm bestätigt, wird beseitigt. Die
sanitären Anlagen in einem überfüllten Raum
müssen mit anderen Menschen benutzt werden.
Das
Grau
in
Grau
der
schäbigen
Wohnbedingungen bedrückt, traumatisiert.
• In Lagern leben heißt, sich an einem dichten,
starren Regelnetz andauernd zu stoßen, zu
verletzen. Dauernde Kontrollen inmitten der
Sorge um die nahe, aber gänzlich dunkle Zukunft
reiben die Menschen physisch und psychisch auf.
• In Lagern leben heißt vegetieren. Von der
Außenwelt abgeschnitten, als handele es sich um
eine gefährliche Rasse, werden die im Lager
internierten Menschen mit fremden Anderen auf
engstem Raum zwangsweise vergemeinschaftet.
Zynisch werden Konflikte, die daraus erwachsen,
zum Anlass genommen, Restriktionen und
Kontrollen zu verschärfen.
Es gibt unterschiedliche Lager. Aber es gibt keine
akzeptablen Lager. Denn sie zielen darauf,
Menschen sozial zu desintegrieren und ihnen
jegliche Perspektive zu nehmen. Mit den Lagern
wird nach außen offen signalisiert, dass es sich bei
den Eingezäunten und nur notdürftig Behausten
um Menschen handelt, die nicht erwünscht sind
und die keiner menschenwürdigen Unterbringung
und Behandlung bedürfen. Wer Menschen in
Lager presst, verlagert die Menschenrechte.
Darum verstößt die Einrichtung von MenschenLagern, deren zwangsweise Insassen als Lager Menschen zu Menschen dritter Klasse gemacht
werden, gegen alle Grund - und Menschenrechte.
Lager sind grundsätzlich verfassungswidrig. Kein
aktuell irgendwo in der Bundesrepublik
Deutschland oder in Europa gegebener Notstand
kann Lager auch nur vorübergehend, geschweige
denn ihre neue Einrichtung rechtfertigen. In
Lagern werden Menschen wie Objekte behandelt.
Lager verstoßen systematisch gegen den
kategorischen Imperativ Kants, der allen Grundund Menschenrechten, allem humanen Umgang
von Menschen mit Menschen zugrunde liegt: die
andere und den anderen nie primär als Objekt zu
behandeln und als Instrument zu missbrauchen.
Wir, Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Deutschland, schämen uns, einem Land
zuzugehören, das die wichtigste Botschaft seiner
schlimmen nationalsozialistischen Vergangenheit
vergessen hat. Darüber können all die aktuellen
Feierinszenierungen nicht hinwegtäuschen. Sich
verantwortlich deutscher Vergangenheit zu
erinnern heißt,
• gegenwärtige Folgen zu ziehen;
• Grund- und Menschenrechte nicht nur im Munde
zu führen, sondern ihren Normen praktisch zu
entsprechen, selbst und gerade dann, wenn es
zuweilen schwer fallen sollte;
• in dieser Bundesrepublik Deutschland, der
Rechtsnachfolgerin
nicht
nur
des
Nationalsozialistischen Deutschlands, nicht zu
dulden, dass Menschen erneut in Lager gepfercht
und als Menschen degradiert werden.
Darum rufen wir uns und alle ähnlich denkenden
Bürgerinnen und Bürger auf, sich bei jeder sich
bietenden Gelegenheit gegen die bestehenden und
die Einrichtung neuer Lager auszusprechen, den
politischen Kampf in den Lagern zu unterstützen
und Kontakte zu den staatlich ausgesonderten
Menschen aufzunehmen. Gegenwärtig werden mit
bundesdeutscher Hilfe Lager auch außerhalb der
EU geplant und betrieben, um Menschen in einem
Juni 2005
Meer von Armut von den europäischen
Wohlstandsinseln fernzuhalten. Dies ist ein in
Lagern sich ausdrückender repressiver Rassismus,
auch wenn er nur „ökonomisch“ und zum Zwecke
der eigenen Wohlstandssicherung ausgeübt wird.
Darum wollen wir, und so hoffen wir mit der
Unterstützung vieler, die Unterbringung und
Internierung von Menschen in Lager immer erneut
skandalisieren und öffentlich zu Widerspruch und
gewaltfreiem Widerstand aufrufen. Wir wollen sie
auch, wenigstens exemplarisch und gewaltfrei,
aber unfürsorglich unsererseits belagern. Nur
wenn
wir
Bürgerinnen
und
Bürger
zukunftgerichtet, der Vergangenheit eingedenk,
mehr für die Grund- und Menschenrechte tun,
gegen Lager aller Art an erster Stelle, können wir
die Welt, in der wir leben, demokratisierend ein
Stückweit mitbestimmen. Nur dann können wir
auch die Repräsentanten etablierter Politik
vielstimmig dazu bringen, eine Politik der
Verlagerung
von
Demokratie
und
Menschenrechten
zu beenden und alle
Lagereinrichtungen aufzulösen. Denn diese
Politik beruht auf Vorurteilen und sie erneuert
beständig Gewalt hervorrufende Vorurteile.
Ich unterstütze und verbreite / wir unterstützen und verbreiten den Aufruf:
Ich / wir möchten über Aktionsvorbereitungen und Protesttage informiert werden.
Name, Vorname
Anschrift: Straße, PLZ, Ort, eMail
Unterschrift
Unterschriftenlisten bitte bis zum 1. September 2005 einsenden an:
Komitee für Grundrechte und Demokratie, Aquinostr. 7 -11, 50670 Köln
Auch um finanzielle Unterstützung wird gebeten
Spendenkonto: Volksbank Odenwald, 64734 Beerfelden, Konto-Nr.: 8 024 618, BLZ 508 635 13
Dieser Aufruf ist Teil einer vom Komitee zusammen mit anderen Organisationen getragenen Initiative gegen
die Errichtung von Lagern. Zum Widerstand gegen Lager siehe: http://idash.org/~nolager/index.html
Wir wollen am 24. September diesen Jahres dazu einen Aktionstag gestalten, über den wir noch weiter
informieren werden. Ein Appell gegen die Einrichtung exterritorialer Lager der EU in Nordafrika befindet
sich auf der homepage des Komitees unter: www.grundrechtekomitee.de/ub_showarticle.php?articleID=151
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
V.i.S.d.P.: Thomas Hohlfeld / Dirk Vogelskamp, Köln
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
29 Juni 2005
An
Herrn Minister Karl Peter Bruch
Ministerium des Innern und für Sport
Drohende Abschiebung des türkischen Staatsbürgers Taylan Sarigül
Sehr geehrter Herr Minister Bruch,
Wir wenden uns an Sie in der Sorge der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung des türkischen
Staatsbürgers Taylan Sarigül aus der Abschiebehaftanstalt Ingelheim.
Nach den uns vorliegenden Informationen müssen wir davon ausgehen, dass Herrn Sarigül nach seiner
Rückkehr in die Türkei Misshandlung und Folter sowie langjährige Inhaftierung droht.
Taylan Sarigül wurde am 16. Juni 2005 vom OLG Koblenz wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung (§129 StGB) zu einer Freiheitsstrafe vom 2 Jahren verurteilt wegen seiner Aktivitäten für die
PKK und die damit verbundenen Straftaten. Als Angehöriger des „Funktionärskörpers der PKK“ habe er
zwischen September 2003 und Juni 2004 die PKK-Gebiete Darmstadt und Mannheim geleitet. Es wurde ihm
auch vorgeworfen, für das „Heimatbüro Europa“ verantwortlich gewesen zu sein, was im Verfahren aber von
der Bundesanwaltschaft nicht bewiesen werden konnte. Die Verurteilung wird von uns nicht in Frage
gestellt.
Die Bundesanwaltschaft betrieb nach der Verurteilung über die zuständige Ausländerbehörde in BadenWürttemberg die Abschiebung, hier ist in Amtshilfe die Kreisverwaltung Alzey-Worms tätig.
Nach der Verurteilung wurde Taylan Sarigül von der JVA Koblenz nach Ingelheim verbracht. Am 23. 6.
wurde er zur Ausstellung der Rückreisedokumente zum Generalkonsulat der Türkei in Mainz verbracht.
Derzeit läuft ein Asylfolgeverfahren. Daneben ist vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe ein Eilverfahren
anhängig, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als Ausländerbehörde den Rechtsanwalt von Herrn
Sarigül einen Arbeitstag vor einer geplanten Abschiebung benachrichtigen soll. Es steht zu befürchten, dass
dieser Antrag abgelehnt wird, damit der Anwalt keinen Rechtsschutz gegen die Abschiebung einlegen kann.
Nach unseren Informationen steht eine mögliche Abschiebung unmittelbar bevor.
Herr Sarigül ist der konkreten Gefahr ausgesetzt, als PKK-Funktionär und wegen seiner Verurteilung in
Deutschland in der Türkei menschenrechtswidrig behandelt zu werden. Amnesty International und UNHCR
sind eingeschaltet worden und prüfen derzeit, welche Schritte möglich sind, um die Abschiebung zu
verhindern.
Wir sind der Auffassung, dass es keinen Grund gibt, die Abschiebung unmittelbar zu vollziehen.
Es wäre angemessen, wenn Taylan Sarigül die gegen ihn verhängte Strafe hier in Deutschland verbüßen
müsste.
Es ist uns bewusst, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe die Abschiebung betreibt. Wir sind aber der
Auffassung, dass auch das Land Rheinland-Pfalz dafür Sorge tragen muss, dass Herr Sarigül nicht in
Gefahren für Leib und Leben ausgeliefert wird.
Wir bitten Sie, das Ihnen mögliche zu tun, damit die Abschiebung nicht vollzogen wird.
Mit freundlichen Grüßen
S. Pick
für den Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Demonstration in Ingelheim
Abschiebehaft abschaffen - In Ingelheim und überall
Am Samstag, 16.7.2005 ab 13.00Uhr
Treffpunkt: Bahnhof Ingelheim
-Auftakt am Bahnhof
-Zwischenkundgebung an der Kreisverwaltung
-Kundgebung vor´m Knast
Aufruf zur Demo:
Der Abschiebeknast in Ingelheim
Wo sich ehemals eine Aufnahmeeinrichtung für
Asylbegehrende befand, existiert seit dem
17.04.01 ein Hochsicherheitsknast für bis zu 150
Abschiebehäftlinge.
Der alleinige Zweck ist es, die Abschiebung
durchzusetzen, denn die Behörden gehen davon
aus, dass sich diese Menschen sich dieser
entziehen würden. Bis zu achtzehn Monate
können sie aus diesem Grund inhaftiert werden,
und nicht etwa, weil sie eine Straftat begangen
haben.
Seit April 2005 sind in Ingelheim auch Frauen
inhaftiert,
die
bislang
in
der
"Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige"
in Zweibrücken-Birkhausen untergebracht waren,
die zum 30.06.05 geschlossen wird. Auch
schwangere Frauen und solche, die kurz vor einer
Heirat standen und so einen legalen
Aufenthaltsstatus erhalten hätten, sowie akut
suizidgefährdete Frauen, wurden nach Ingelheim
verlegt, um abgeschoben zu werden, bevor sich
ihr Rechtsstatus verbessert.
Die Haftbedingungen in Ingelheim sind durch den
Hochsicherheitsknast massiv geprägt: Die
Häftlinge sind 23 Stunden am Tag in den
verschlossenen Zellen isoliert. Ein einstündiger
Hofgang findet in zwei kleinen, hoch umzäunten
Käfigen statt, die zusätzlich von Wachleuten mit
scharfen Hunden im Auge behalten werden.
Fünf Meter hohe Betonmauern mit dreifachem
Nato-Stacheldraht,
zusätzlich
gesicherte
Metallzäune, Kameraüberwachung, Einschluss
allein in Angst und Unsicherheit: das ist eine
Realität für die Menschen, die krank macht.
Die hohen Mauern suggerieren auf der anderen
Seite
der
Bevölkerung
dort
säßen
"Schwerkriminelle" ein.
Abschiebehaft ist Zermürbetaktik!
Sie ist nicht nur unmenschlich, sondern verstößt
häufig auch gegen geltendes Recht. In 200 Fällen,
in denen ein Rechtsbeistand eingeschaltet wurde,
wurden 90 der Einsitzenden entlassen.
Während
des
häufig
monatelangen
Abschiebegewahrsams bleiben die Eingesperrten
oft im Unklaren über den Stand ihres Verfahrens.
Die Angst vor der Abschiebung und die
unerträgliche
Situation
in
einem
Hochsicherheitsknast führen zu Suizidversuchen
und Selbstverstümmlungen.
In der Abschiebehaft, mit der Flüchtlinge in der
BRD konfrontiert werden, finden aft,einen sehr
deutlichen und menschenrechtswidrigen Ausdruck
des repressiven Systems der BRD.
Etwa 50.000 Menschen werden jährlich von
deutschen Behörden abgeschoben.
Am 16. Juli wollen wir daher in Ingelheim gegen
Abschiebehaft
und
Abschiebeknäste
demonstrieren.
Abschiebeknäste und Ausreisezentren abschaffen
Residenzpflicht und rassistische Sondergesetze
abschaffen
Bleiberecht durchsetzen – jetzt!
Die andere Seite : "Humankapital" als wichtiger
Rohstoff
Während Abschiebehaft und Illegalisierung von
Unerwünschten die eine Seite bilden, wurden mit
dem "Zuwanderungsgesetz" Zugänge für die
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Nützlichen,
den
nach
kapitalistischen
Gesichtspunkten Verwertbaren geschaffen. Zur
Erhaltung
der
Konkurrenzfähigkeit
im
kontrollieren und zu steuern, so dass nur Menschen, die ökonomischen Kriterien im Sinne der
Standortlogik entsprechen, der Zugang nach
Europa ermöglicht wird.
Die Festung Europa
Nicht willkommen im grenzenlosen Europa sind
diejenigen, die vor Verfolgung, Krieg oder
Perspektivlosigkeit in der Hoffnung auf ein
besseres
Lebens
geflohen
sind.
Ihrer
Existenzgrundlage oft durch den kapitalistischen
Weltmarkt beraubt, von dem die reichen
Industrieländer wie die BRD profitieren.
Juni 2005
internationalen Wettbewerb wird versucht, Flucht
und Migration zu kontrollieren und zu steuern, so
dass
nur
Men
Durch die immer besser abgeschotteten Grenzen
kommen nur noch Menschen mit ausreichend
Geld auf gefährlichen Fluchtwegen nach Europa.
Auf diesen verlieren in den Wüsten Afrikas, dem
Mittelmeer oder an den als Bollwerk genutzten
Ostgrenzen Europas jährlich Hunderte von
Flüchtlingen das Leben.
Gelingt es ihnen, die BRD zu erreichen, sehen sie
sich mit einem repressiven System konfrontiert,
das durch soziale Ausgrenzung, eine Vielzahl von
rassistischen Sondergesetzen, Lagern und Knäste
geprägt ist.
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Platz für Notizen
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Infodienst Asyl in Rheinland-Pfalz
Juni 2005
Herunterladen