Europarecht (Grundlagen)

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Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
Überblick über den Gang der Veranstaltung
I.
Europäische Integration
II.
Europäische Union
III.
Europäische Union und Mitgliedstaaten
IV.
Organe (der Europäischen Gemeinschaften)
V.
Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaften
VI.
Rechtsschutz
VII.
Grundfreiheiten des Binnenmarktes
VIII. Grundrechte
 Abschlussklausur:
29.01.2004
 Klausurbesprechung:
05.02.2004
Folie Nr. 1
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Europarecht (Grundlagen)
I. Europäische Integration
1. Motive und Mittel zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften
-
Sicherung des Friedens zwischen traditionell
rivalisierenden Staaten mittels sektoraler Übertragung
von Souveränität auf supranationale Gemeinschaften
in einem rechtlich verankerten Verfahren
2. Verschiedene konkrete Integrationsbemühungen
-
Diverse Pläne zur Integration
Briand
W. Churchill: „Züricher Rede” 19.09.1946
-
1948 Gründung von Westeuropäischer Union und
OEEC (später OECD)
-
1949 Gründung des Europarates, Gründung des RGW
Rede von R. Schuman: 09.05.1950
-
1951/52 Europäische Gemeinschaft für Kohle und
Stahl (EGKS, Montanunion)
Folie Nr. 2
Professor Dr. Helmut Goerlich
-
Europarecht (Grundlagen)
1957/58 „Verträge von Rom“: Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Europäische
Atomgemeinschaft (EAG)
Sechser-Gemeinschaft:
Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien,
Niederlande, Luxemburg
-
1960 Gründung der Europäischen Freihandelszone
(EFTA) durch sieben andere westeuropäische Staaten.
3. Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften
-
1965: Fusionsvertrag
-
Erweiterung auf „Gemeinschaft der Zwölf“:
ab 1.1.1973: Großbritannien, Irland, Dänemark;
ab 1.1.1981: Griechenland;
ab 1.1.1986: Spanien, Portugal.
-
1986/87 Einheitliche Europäische Akte (EAA)
-
1992/93 Vertrag von Maastricht (Unionsvertrag)
-
Erweiterung auf „Union der Fünfzehn“
ab 1.1.1995: Österreich, Schweden, Finnland
Folie Nr. 3
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Europarecht (Grundlagen)
-
1997/99 Vertrag von Amsterdam
-
1999 - 2002 Übergang zu einer gemeinsamen
Währung
-
2000 feierliche Proklamation der von einem Konvent
erarbeiteten Charta der Grundrechte der Europäischen
Union
-
2001 Vertrag von Nizza (seit 1.2.2003 in Kraft)
-
18.7.2003 Entwurf einer „Verfassung für Europa“
durch Verfassungskonvent (tagte von 2002-2003)
zum 1.5.2004 (nach Ratifizierung der Beitrittsverträge):
Beitritt Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen,
Tschechische Republik, Slowakei, Slowenien, Ungarn und
Zypern
Geplant:
-
Noch vor der Wahl zum Europäischen Parlament am
13.6.2004: Unterzeichnung der neuen Verfassung in
Rom
-
2007 Beitritt Bulgariens und Rumäniens
-
bisher kein Beitrittstermin für Türkei
Folie Nr. 4
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Europarecht (Grundlagen)
II. Europäische Union
„Rahmen“/“Dach“, in/unter dem die Integrationsziele auf
verschiedenen Gebieten in unterschiedlicher Form und
Intensität verwirklicht werden.
Europäische Union
Art. 1-7 EUV
EG(en)
GASP
ZBJI
(EG, EGKS, EAG)
(“Supranationale Säule”)
(“Intergovernmentale Säulen”)
Die Frage nach der Rechtspersönlichkeit:
- Für EU nicht im EUV bestimmt. Aber auch ihr Fehlen ist
nicht ausdrücklich normiert. Rat ist lt. EUV internationale
Verträge schließen (vgl. Art. 24 EUV), wozu es eigentlich
der Völkerrechtsfähigkeit bedürfte.  Umstritten!
- Für die EG im EGV ausdrücklich festgelegt (Art. 281
EGV).
Folie Nr. 5
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Europarecht (Grundlagen)
1. Europäische Gemeinschaft(en)
-
Die Europäische Gemeinschaft basiert auf dem
Gemeinschaftsvertrag (EGV). Sie besitzt:
o Völkerrechtssubjektivität (Art. 281 EGV)
o Verbandskompetenz (Art. 5 I EGV)
o Rechtspersönlichkeit gemäß staatlichem Recht (Art.
282 EGV)
-
Der EGV ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen
den Mitgliedstaaten.
-
Vertragsänderungen sind möglich durch
o die
Mitgliedstaaten
mit
vorgeschalteter
Gemeinschaftsphase (Abweichung vom Völkerrecht,
Art. 48, 49 EUV), Evolutivklauseln (z.B. Art. 190 IV
EGV)
o jüngste Entwicklung: Einrichtung eines besonderen
Gremiums (Konvent) zur Erarbeitung wichtiger
Neuerungen (bislang: Charta der Grundrechte,
Verfassungsentwurf)
o Durch Gemeinschaftsorgane („autonome“ Vertragsänderung, z.B. Art. 221 IV EGV: Erhöhung der Zahl
der Richter am EuGH durch den Rat u.a.)
Folie Nr. 6
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-
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Auslegung der Verträge
o Sprachenfrage: Vertragssprachen (Art. 314 EGV);
Regelung der Amtssprachen durch den Rat (Art. 290
EGV).
o Auslegungsgrundsätze
Der EuGH folgt grundsätzlich den anerkannten Auslegungsmethoden: (Wortlaut, System, Sinn und Zweck,
Entstehungsgeschichte) Er gewährt dabei derjenigen
Auslegungsmethode den Vorzug, die die Verwirklichung der Vertragsziele am meisten fördert und
die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften sichert.
o Textdivergenz verschiedener Sprachfassungen
Durch die teilweise bestehende Divergenz werden
semantische Argumente bei der Auslegung einerseits
entwertet, andererseits zieht der EuGH in Zweifelsfällen auch verschiedene authentische Versionen des
Vertragstextes heran.
-
Vertragsdauer:
auf unbegrenzte Zeit (Art. 312 EGV)
Folie Nr. 7
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2. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
-
Art. 11 – 27 EUV
3. Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in
Strafsachen
-
Art. 29 – 42 EUV
4. Verfassung der Europäischen Union
-
„Verfassung“ der Union bislang Gesamtheit der
Verträge und Grundwerte
-
Seit 18.07.2003 gibt es den vom dafür eingesetzten
Konvent erarbeiteten Entwurf eines geschriebenen
Verfassungsvertrages.
Folie Nr. 8
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III. Europäische Union und Mitgliedstaaten
1. Verhältnis zwischen EG und Mitgliedstaaten allgemein
-
Verpflichtung zur Vertragserfüllung,
o Art. 10 EGV.
o Gegenseitige Loyalitätspflicht.
-
Kompetenzverteilung
o vertikal: Rechtsetzung durch Gemeinschaft;
grundsätzlich Vollzug durch Mitgliedstaaten,
Ausnahme: Gemeinschaftsvollzug (z.B. Kartellrecht)
o horizontal: Rechtsetzungskompetenzen ausschließlich,
parallel, konkurrierend (Grundsatz).
Folie Nr. 9
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Europarecht (Grundlagen)
2. Anwendung des Gemeinschaftsrechts im staatlichen
Rechtsraum
-
Transformation oder Vollzug?
o Zustimmungsgesetz
Änderungsverträgen)
-
zum
EG-Vertrag
(bzw.
innerstaatliche Geltung und Vorrang des
Gemeinschaftsrechts
o Gemeinschaftsrechtliche Verankerung: Art. 10, 249
EGV; Grundsatz der Funktionsfähigkeit der
Gemeinschaft (Costa/ENEL).
o verfassungsrechtliche Verankerung der Übertragung
von Hoheitsrechten: Art. 23 I 2 GG (neu)
Funktion: Ermächtigung, Öffnung der staatlichen
Rechtsordnung, Vorrang (= Unanwendbarkeit entgegenstehenden staatlichen Rechts, aber keine
Nichtigkeit).
-
Sicherung des Vorrangs
o unmittelbare Befolgungspflicht für Behörden und
Gerichte.
o Amtshaftung des Staates bei Nichtbeachtung.
o Verfassungsbeschwerde (Art. 101 I 2 GG: Recht auf
gesetzlichen Richter) gegen letztinstanzliche
Gerichtsentscheidung wegen Nichtvorlage an EuGH
(BVerfGE 82, 159 st. Rspr.).
o evtl. Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 ff. EGV).
Folie Nr. 10
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-
Europarecht (Grundlagen)
Grenzen des Vorrangs?
EuGH
Nein. Notwendigkeit gleichmäßiger Anwendung des
Gemeinschaftsrechts, Art. 220 EGV genügt.
BVerfG
- 1974: Ja. Kein Einbruch in die die Verfassung
konstituierenden Strukturen (Solange I, BVerfGE 37,
271),
- 1986: Wie Art. 23 I 3 GG (neu): Bei fortdauerndem
GrundRechtsschutz durch EuGH wird BVerfG seine
Gerichtsbarkeit über Anwendbarkeit von sekundärem
Gemeinschaftsrecht
nicht
ausüben,
solange
Grundrechtsstandard des GG nicht generell und
offenkundig unterschritten wird (Solange II, BVerfGE 73,
339).
- 1993: „Kooperationsverhältnis“ zwischen BVerfG und
EuGH dergestalt, dass der EuGH den GrundRechtsschutz
durch die Gemeinschaftsgrundrechte garantiert, das
BVerfG sich dagegen auf eine generelle Gewährleistung
der unabdingbaren Grundrechtsstandards beschränkt.
(Maastricht-Urteil, BVerfGE 89, 155).
- 2000: Bananenmarktverordnung; Das VG Frankfurt hatte
dem EuGH eine Verordnung, die es für nicht
gemeinschaftsrechtskonform hielt, zur Normenkontrolle
vorgelegt. Nachdem der EuGH die Vorlage
zurückgewiesen hatte, legte das VG Frankfurt sie dem
BVerfG vor. Nach drei Jahren entschied das BVerfG, dass
es aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht
zuständig sei und verweigerte die Annahme. (BVerfGE
Folie Nr. 11
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Europarecht (Grundlagen)
102, 147, vgl. auch Fall Alcan, EuGRZ 2000, S. 177)
Folie Nr. 12
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Europarecht (Grundlagen)
3. Die Verankerung der Europäischen Union im
deutschen Verfassungsrecht
-
Von Artikel 24 Abs. 1 zu Artikel 23 Abs. 1 GG
-
Übertragung von Hoheitsrechten
-
Staatszielbestimmung, Struktursicherung und
Bestandssicherung in Artikel 23 Abs. 1 GG
-
Rechtsprechung des BVerfG
Folie Nr. 13
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Europarecht (Grundlagen)
IV. Organe (der Europäischen Gemeinschaften)
Überblick
Die Gemeinschaftsorgane (Organe der EG)
- Hauptorgane (Art. 7 I EGV):
o
o
o
o
o
-
Rat der Europäischen Union
Kommission
Europäisches Parlament
Europäischer Gerichtshof
Rechnungshof
Neben- und Hilfsorgane
o Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA), Ausschuss
der Regionen (Art. 7 II EGV)
o EZB (Art. 8 EGV), EIB (Art. 9 EGV)
o im Vertrag vorgesehene Hilfsorgane
o im Vertrag nicht vorgesehene Hilfsorgane
Fusion der Organe:
Ursprünglich hatte jede der drei selbständigen Europäischen
Gemeinschaften eigene Organe. Durch das Fusionsabkommen vom 25.3.1957 und den Fusionsvertrag vom
8.4.1965 wurden die jeweils funktionell zusammenhängenden Organe unter Übernahme der Befugnisse
fusioniert.
Folie Nr. 14
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Funktion der Organe
- Charakterisierung
Die Organe werden im Bereich der Gemeinschaften und
auch im Bereich der Union tätig. (vgl. Art. 3 I, 5 EUV).
Identität der Organe?
 Umstritten!
-
Institutionelles Gleichgewicht
Zwischen den Organen der Gemeinschaft („horizontal“) soll
nach Maßgabe des Vertrages ein Gleichgewicht herrschen.
Hier ergeben sich erhebliche Unterschiede zum klassischen
staatlichen System der Gewaltenteilung, die in
Funktionsweise und daraus resultierendem Aufbau der
Union begründet liegen.
1. Rat der Europäischen Union
Der Rat der Europäischen Union ist das „föderale“ Organ
der Gemeinschaften, in dem die Interessen der
Mitgliedstaaten geltend gemacht werden können.
-
Zusammensetzung (Art. 203 EGV)
Es gibt nur einen Rat der Europäischen Union. Die
Staats- und Regierungsmitglieder (bzw. ggf. deren
Vertreter) können allerdings in unterschiedlichen
Funktionen und Zusammensetzungen tagen:
- Als Gemeinschaftsorgan „Rat der Europäischen
Union“ (Art. 202 ff. EGV)
- Als Rat der jeweiligen Fachminister
- u.a., z.B. „Euro-Gruppe“ – Minister der dem EuroWährungsgebiet angehörigen Mitgliedstaaten
Folie Nr. 15
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-
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Hilfsorgane
o Ausschuss der Ständigen Vertreter, Art. 207 I EGV
o Generalsekretariat, Art. 207 II EGV)
-
Geschäftsordnung (Art. 207 III EGV)
-
Aufgaben des Rates (Art. 202 EGV):
o Koordination
der
Wirtschaftspolitik
der
Mitgliedstaaten
o Rechtsetzung
o Regelung der Außenbeziehungen (Art. 300 EGV),
Mitwirkung bei Vertragsänderungen und beim Beitritt
von Drittstaaten (Art. 48 I, 49 I EUV)
o Budgetrecht
(Art.
272
III
EGV)
und
Organisationsbefugnisse.
o Haushaltsverfahren (Art. 272 III-VI, IX, X EGV);
o Regelung der Rechtsstellung der Ausschüsse (Art. 209
EGV) sowie Ernennungen der Ausschussmitglieder
(z.B. Art. 258 EGV),
o Kontrollrechte gegenüber der Kommission und dem
Europäischen
Parlament
(Klagebefugnis
Nichtigkeitsklage, Art. 230 EGV)
-
Beschlussfassungssystem
o Abstimmungsgrundsätze(Art. 205 EGV)
– Einstimmigkeit, Einfache Mehrheit, Qualifizierte
Mehrheit (häufigste, im Vertrag vorgesehene Form,
Tendenz steigend)
– Keine
Vertragsänderungen:
Luxemburger
Kompromiss vom 29.1.1966 und Kompromiss von
Folie Nr. 16
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Europarecht (Grundlagen)
Ioannina 29.3.1994
– Seit Nizza: Stimmwägung (Art. 3 Protokoll über die
Erweiterung der Europäischen Union) u.a.
Neuerungen.
-
Verfassungsrechtliche Bindung des deutschen
Ratsmitglieds (Art. 23 II-VII GG, Gesetz über die
Zusammenarbeit von BReg und DtBT in
Angelegenheiten der EU; EUZBLG
Vom Rat der Europäischen Union ist zu unterscheiden:
2. Der Europäische Rat (Art. 4 EUV)
Der Europäische Rat ist ein Organ der EU mit Funktionen
auch in der EG (vgl. z.B. Art. 99 II EGV), obwohl er in Art.
7 EGV nicht genannt ist.
-
Besteht aus Regierungschefs und
Kommissionspräsident.
-
Erarbeitet Impulse und Zielvorstellungen, deren
Umsetzung vorrangig dem Rat der Europäischen
Union und der Kommission obliegen, zuständig für
grundsätzliche Fragen des Ausbaus und der Vertiefung
der Integration.
Folie Nr. 17
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3. Kommission
-
Allgemeine Charakterisierung
Die Kommission ist ein „supranationales“ Organ, ihre
Mitglieder sind unabhängig (Art. 213 II EGV).
-
Zusammensetzung (aktuell)
20 Mitglieder, Art. 213 I EGV, min. 1, max. 2
Mitglied(er) aus jedem Mitgliedstaat. Zum Beitritt: Art.
4 Protokoll über die Erweiterung der Europäischen
Union
-
Ernennung der Mitglieder (Art. 214 EGV)
o Seit Nizza neues Verfahren: Rat in Zusammensetzung
der Staats- und Regierungschefs benennt den
Kommissionspräsidenten mit Zustimmung des EP
(Art. 214 II EGV).
o Rat benennt die übrigen Kommissionsmitglieder mit
Zustimmung des designierten Kommissionspräsidenten Art. 214 II EGV).
o Das EP erklärt seine Zustimmung zur Gesamtheit der
Kommission.
o Kommissionspräsident und übrige Kommissionsmitglieder werden vom Rat ernannt.
-
Amtszeit
Die Amtszeit beträgt 5 Jahre, die Wiederwahl ist
zulässig (Art. 214 I EGV).
Folie Nr. 18
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-
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Organisation
o Präsident, Vizepräsidenten
(Art. 217 EGV)
o interne Organisation
– Kommission ist Kollegialorgan (Art. 219 EGV, Art.
1 GO d. Kommission)
– Ressortverteilung und Spezialisierung für
vorbereitende und ausführende Arbeiten
Verwaltungsapparat: 23 Generaldirektionen, 12
besondere Dienste, jeweils einzelnen Kommissionsmitgliedern unterstellt.
o Delegation von Befugnissen auf einzelne Mitglieder
oder Beamte durch „Zeichnungsermächtigung“ (Art.
13 GeschO) „unter der Voraussetzung, dass der
Grundsatz der kollegialen Verantwortlichkeit voll
gewahrt bleibt“
-
Aufgaben (Art. 211 EGV)
o Initiativrecht (vgl. Art. 250 I EGV sowie die jeweilige
Kompetenznorm, z.B. 49 S. 2 EGV);
o Kontrollfunktion („Hüterin der Verträge“); Auskunftsund Nachprüfungsrechte, vorbeugende Empfehlungen,
vorgerichtliche
und
gerichtliche
Verfahren,
Sanktionierung
von
Verstößen
gegen
Gemeinschaftsrecht
Die Kommission selbst kann gegen natürliche oder
juristische Personen Sanktionen verhängen, nicht aber
gegen Mitgliedstaaten (vgl. Art. 256 S. 1 EGV, zu
Ausnahmen vgl. z.B. Art. 228 II EGV).
Folie Nr. 19
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o Kommission als Anwenderin der Verträge
Insbesondere: vom Rat übertragene Entscheidungsbefugnisse (Art. 202 EGV). Problem der Verwaltungsund Regelungsausschüsse.
o Funktionen bei der Außenvertretung (Art. 133 III, 300
I, 302 EGV) sowie Vertretung der Gemeinschaft vor
mitgliedstaatlichen Gerichten (Art. 282 EGV)
o Haushaltsführung (Art. 274 S. 1 EGV)
Rechnungslegung (Art. 275 EGV)
-
Beschlussfassung mit Mehrheit der Mitglieder (Art.
219 EGV)
4. Europäisches Parlament
-
Allgemeine Charakterisierung Art. 189 EGV
-
Zusammensetzung und Wahlverfahren (Art. 190, 189
S. 2 EGV)
Maximal 732 Mitglieder, derzeit 625
Seit 1979 wird das EP direkt gewählt. Die Wahlperiode
beträgt 5 Jahre. Allerdings konnten sich die
Mitgliedstaaten bislang nicht auf ein einheitliches
Wahlverfahren einigen. Die Sitze sind fest auf die
Mitgliedstaaten verteilt, damit fehlt es an der Gleichheit
der Wahl (Ungleichheit des Erfolgswertes der
Wählerstimmen).
Folie Nr. 20
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-
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Aufgaben
o Mitwirkung an der Rechtsetzung (Art. 192 EGV).
Beteiligung durch Anhörung, Verfahren der
Zusammenarbeit (Art. 252 ), Verfahren der
Mitentscheidung (Art. 251 ), Zustimmung.
o Kontrollrechte: z.B. Misstrauensvotum gegenüber
Kommission (Art. 201 EGV).
– Untersuchungsausschüsse (Art. 193 EGV);
– Petitionsrecht (Art. 194 EGV);
– Bürgerbeauftragter (Art. 195 EGV).
o Haushaltsbefugnisse
– insbesondere Aufstellung des Haushaltsplans (Art.
272 EGV).
– Obligatorische/nicht-obligatorische Ausgaben
– Höchstsatz der Erhöhung der nicht-obligatorischen
Ausgaben
– Haushaltsplan als Rechtsakt des EP (Art. 272 VII
EGV).
Die Kompetenzen des EP sind seit 1970 massiv
erweitert worden, dadurch wurde seine Rechtsstellung
insgesamt gestärkt. Der EuGH hat dementsprechend
auch seine Rechtsprechung zur aktiven und passiven
Klagebefugnis des EP angepasst. Inzwischen trägt Art.
230 EGV diesem Wandel Rechnung.
Folie Nr. 21
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Europarecht (Grundlagen)
5. Rechnungshof
-
Vorschriften: Art. 246 ff. EGV.
-
Aufgabe: Unabhängige Rechnungsprüfung (Art. 248
EGV).
6. Europäischer Gerichtshof
-
Allgemeine Charakterisierung Art. 220 EGV
-
Organisation
o Zusammensetzung
Seit Nizza: Ein Richter je Mitgliedstaat (Art. 221 EGV)
 Vergrößerung bei Erweiterung der Union,
8 Generalanwälte (Art. 222 EGV).
o Ernennung
Durch die Regierungen der Mitgliedstaaten im
gegenseitigen Einvernehmen auf 6 Jahre (Art. 223
EGV.
o Überblick zum Verfahren
– Rechtsquellen: Art. 226 ff. EGV; Satzung und
Verfahrensordnung (Art. 245 EGV).
– Verfahrensabschnitte: schriftliches Verfahren;
mündliche Verhandlung; Antrag des GA;
Verkündung des Urteils.
o seit Nizza: Regelzuständigkeit für die Verfahren liegt
beim EuG, zur Vereinfachung der Tätigkeit des
Gerichts gewinnt die Satzung an Gewicht, zudem gibt
Folie Nr. 22
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Europarecht (Grundlagen)
es erweiterte Möglichkeiten zu deren Änderung.
-
Aufgaben
Traditionell drei hauptsächliche Tätigkeiten:
o Entscheidung über Rechtmäßigkeit des Verhaltens von
Mitgliedstaaten (Art. 226 ff. EGV)
o Entscheidung über Rechtmäßigkeit des Verhaltens von
EG-Organen (Art. 230 ff. ); Art. 235 EGV.
o Entscheidung über Auslegung des Gemeinschaftsrechts
und
Gültigkeit
sekundären
Gemeinschaftsrechts auf Vorlage nationaler Gerichte.
(Art. 234 EGV).
Damit ist der Gerichtshof wesentlich an der
Durchsetzung, Entfaltung und Fortbildung des
Gemeinschaftsrechts beteiligt. Die Rechtsprechung ist
ein wesentlicher Faktor der Integration insgesamt.
-
(funktionale) Zuständigkeit des EuGH:
Traditionell:
- Rechtsmittelinstanz für Entscheidungen des EuG;
- erste und einzige Instanz für alle Klagen, die nicht
dem EuG zugewiesen sind.
Seit Nizza:
- Eingangsinstanz nur nach Maßgabe der Satzung die
Regelzuständigkeit für die meisten Klagearten liegt
nach dem Vertrag beim EuG, aber: Art. 51 Protokoll
über die Satzung des Gerichtshofs.
- Das EuG kann in bestimmten Fällen
Rechtsmittelinstanz sein.
Folie Nr. 23
Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
7. Gericht erster Instanz (EuG)
-
Entwicklung:
o 1989 wurde dem Gerichtshof ein Gericht Erster
Instanz (EuG) „beigeordnet“;
o durch den Vertrag von Nizza erfuhr das EuG eine
Aufwertung im Rang (jetzt: Art. 220 EGV);
-
Aufgabe und Arbeitsweise
o Regelzuständigkeit für die meisten Klagearten des
EGV (Art. 225 EGV, aber: Art. 51 Protokoll über die
Satzung des Gerichtshofs);
o Übertragung
von
Zuständigkeiten
für
Vorabentscheidungsverfahren durch Satzung möglich.
o Möglichkeit der Beiordnung „gerichtlicher Kammern“
nach Art. 220, 225a EGV.
Folie Nr. 24
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Europarecht (Grundlagen)
V. Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaften
1. Grundlagen
-
Stufen des Gemeinschaftsrechts
o Primäres Gemeinschaftsrecht:
– Verträge mit Änderungen und Ergänzungen,
Vertragsprotokolle
– allgemeine
Rechtsgrundsätze,
insbesondere
Grundrechte
– zukünftig: geschriebene Verfassung?
o sekundäres Gemeinschaftsrecht:
– Rechtsakte der Gemeinschaft
-
Unmittelbar anwendbares/nicht unmittelbar
anwendbares Gemeinschaftsrecht.
o Unterscheidungsmerkmal: Verhältnis zum Unionsbürger. Nicht zu verwechseln mit Verbindlichkeit oder
Geltung.
o Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit.
-
Die Gemeinschaftskompetenz und ihre Schranken
o Aufgabe / Handlungsermächtigung (Art. 5 I EGV)
– Verbandskompetenz;
– Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung
– Kompetenzabrundung durch Art. 308 EGV.
o Das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 II EGV)
Folie Nr. 25
Professor Dr. Helmut Goerlich
-
Europarecht (Grundlagen)
Spezifizierte / unspezifizierte
Gemeinschaftshandlungen
o Rechtsaktekatalog Art. 249 EGV
o Unspezifizierte Handlungsarten
2. Die Rechtsakte im einzelnen
-
Verordnung, Art. 249 II EGV
„Europäisches Gesetz“.
-
Entscheidung, Art. 249 IV EGV
Regelung eines Einzelfalls.
-
Richtlinie, Art. 249 III EGV
Instrument der Kooperation.
Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren.
Wirkung:
- Pflicht zur Durchführung,
- Sperrwirkung,
- Auslegungsmittel,
- Direkte Wirkung (nur vertikal, nicht horizontal),
- Nur gegen einen Träger öffentlicher Gewalt.
- Weitere Sanktion: Staatshaftungsanspruch.
-
Empfehlung und Stellungnahme (Art. 249 I EGV
-
Nicht spezifizierte Rechtshandlungen
Folie Nr. 26
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Europarecht (Grundlagen)
3. Gemeinsame Vorschriften
-
Veröffentlichung und Bekanntgabe (Art. 254 EGV
-
Begründungspflicht Art. 253 EGV
4. Rechtsakte der Gesamtheit der Mitgliedstaaten
-
Beschlüsse der im Rat vereinigten Vertreter der
Mitgliedstaaten
-
Vereinbarungen gemäß Art. 293 EGV
Folie Nr. 27
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Europarecht (Grundlagen)
VI. Rechtsschutz
1. Allgemeines
-
Klagearten
o Überblick
– Nichtigkeitsklage (Art. 230, 231 EGV)
– Untätigkeitsklage (Art. 232, 233 EGV)
– Amtshaftungsklage (Schadensersatzklage, Art. 235
i.V.m. 288 II EGV)
– Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 / Art. 227
EGV)
– Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 EGV).
Die in Art. 241 EGV geregelte inzidente
Normenkontrolle ist keine eigene Klageart, sie setzt
vielmehr die Zulässigkeit einer Klage voraus, bei der die
Rechtswidrigkeit einer Verordnung inzident geltend
gemacht werden kann.
(Dieser Fall hat Ähnlichkeit mit der Überprüfung einer
Satzung im Rahmen einer Anfechtungsklage durch die
deutschen Verwaltungsgerichte).
– Einstweiliger Rechtsschutz (Art. 243 EGV)
Folie Nr. 28
Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
2. Die einzelnen Klagearten
Nichtigkeitsklage
(Art. 230, 231 EGV)
I. Zulässigkt.
1. Zust. Gericht
2. Beteiligtenfähigkeit
Untätigkeitsklage
(Art. 232, 233 EGV)
Art. 225 EGV: grundsätzlich EuG, EuGH nach Maßgabe der Satzung; Art. 51 Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs:
EuGH für Klagen der Mitgliedstaaten (MSt.), Gemeinschaftsorgane und der EZB zuständig.
aktiv:
MSt, EP, R, K (Art. 230 II EGV);
aktiv:
MSt, alle Gem.-Org. (Art. 232 I
EGV);
RH, EZB (Art. 230 III EGV);
nat. u. jur. Pers. (Art. 232 III EGV)
nat. u. jur. Pers. (Art. 230 IV EGV)
EZB (Art. 232 IV EGV)
passiv:
3. Klagegegenstand
4. Klageberechtigung
5. Vorverfahren
6. Klageerhebung
(Form)
7. Klagefrist
8. Sonstiges
II. Begründetheit
gem. Hdlg. R+EP, R, K, EZB
passiv: EP, R, K, (Art. 232 I EGV)
sowie EP mit Außenwirkung (Art. 230 I EGV)
EZB (Art. 232 IV EGV)
Handl. eines bekl. Gemeinschaftsorgans die dazu bestimmt ist, - bei Kl. der MSt oder der Gem.-Org.: jedes Unterlassen einer
Rechtswirkungen zu erzeugen (z.B. verbindl. Rechtsakt n. Art. Beschlussfassung
249 EGV).
- bei Kl. nat. o. jur. Pers.: Art. 232 III EGV
- privilegierte Kläger nach Art. 230 II EGV:
- privilegierte Kläger nach Art. 232 I EGV:
keine weiteren Voraussetzungen
keine weiteren Voraussetzungen
- EP, RH, EZB nach Art. 230 III EGV:
- nicht privilegiert nach Art. 232 III EGV:
wenn Klage auf Wahrung ihrer Rechte zielt
Kläger müsste aus dem unterlassenen Rechtsakt unmittelbar
- nicht privilegiert nach Art. 230 IV EGV:
und individuell betroffen sein
angegriffene Maßnahme muss Kläger unmittelbar und
individuell betreffen
kein Vorverfahren
Art. 232 II 1 EGV
- Art. 19 Satzung EuGH, Art. 37 ff. VerfOEuGH
- ausdrücklicher Vortrag wenigstens eines zulässigen Klagegrundes
Art. 230 V EGV: zwei Monate
keine Besonderheiten
Wenn einer der in Art. 230 II EGV genannten
Nichtigkeitsgründe vorliegt
Art. 232 II 2 EGV: zwei Monate
subsidiär gegenüber Nichtigkeitsklage!
Wenn bekl. Organ gem. EGV zur Tätigkeit verpflichtet
gewesen wäre
Folie Nr. 29
Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
o Amtshaftungsklage (Schadensersatzkl.) gegen die
Gemeinschaft (Art. 235 i.V.m. 288 II EGV)
Unterscheide: Amtshaftung der Gemeinschaft/
Staatshaftung der Mitgliedstaaten.
Außervertragliche Haftung / vertragliche Haftung.
– Zuständig ist das EuG nach Maßgabe des Art. 225
EGV bzw. der EuGH nach Maßgabe des Art. 51
Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs
– Aktiv beteiligtenfähig ist der Inhaber des
materiellrechtlichen Schadensersatzanspruchs
(z.B. MSt, nat. u. jur. Pers.).
– Passiv beteiligtenfähig ist die Gemeinschaft,
vertreten durch eines ihrer Organe.
– Die Klage ist subsidiär gegenüber der
Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage sowie
gegenüber Klagen nach nationalem Recht, wenn
diese zum gleichen Erfolg führen.
– Die Klage ist begründet, wenn die dem jeweiligen
Organ vorgeworfene Handlung rechtswidrig und
ein tatsächlicher Schaden eingetreten ist sowie
zwischen dieser Handlung und dem Schaden ein
ursächlicher Zusammenhang besteht, vgl. EuGH
1982, 753 ("Krohn"). Verschulden ist nicht
erforderlich.
Folie Nr. 31
Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
o Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226/Art. 227
EGV)
Es handelt sich um eine Feststellungsklage.
Sie ist begründet, wenn die von der Kommission
bzw. dem klagenden Mitgliedstaat behaupteten
Tatsachen zutreffen und sich hieraus ein dem
beklagten Staat zurechenbarer Verstoß gegen
Gemeinschaftsrecht ergibt.
Im Urteil wird lediglich die Verletzung des
Vertrages ausgesprochen.
Die damit korrespondierende Handlungspflicht
des jeweiligen Mitgliedstaates ergibt sich direkt
aus Art. 228 I EGV.
o Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 EGV).
Im Rahmen dieses Verfahrens entscheidet der
EuGH über die Auslegung des EGV sowie über
die Auslegung und Gültigkeit von Sekundärrecht.
– Vorlageberechtigt
sind
Gerichte
der
Mitgliedstaaten (Art. 234 II EGV)
– Vorlagepflicht (Art. 234 III EGV), vgl. BVerfGE
82, 159 (st. Rspr.)
– Durchsetzung der Vorlagepflicht
- Gemeinschaftsrecht
- nationales Recht: Verfassungsbeschwerde
– Vorlageverfahren
– Urteilswirkung / Bindungswirkung
Folie Nr. 32
Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
VII. Grundfreiheiten des Binnenmarktes
-
Arten
Freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr,
Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsfreiheit
der Selbständigen, Freiheit von Kapital- und
Zahlungsverkehr.
Ergänzung durch Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen
durch staatliche Tätigkeit, insbes. durch Verbot oder
Kontrolle staatlicher Subventionen (Beihilfen) und durch
private Tätigkeit (insbes. durch Kartellverbot).
1. Freier Warenverkehr
-
Die Zollunion
Abschaffung der Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben
gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten;
gemeinsamer Zolltarif gegenüber dritten Ländern (Art.
23, 25 EGV).
-
Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen
des Warenverkehrs und der Maßnahmen gleicher
Wirkung (Art. 28 ff. EGV)
Folie Nr. 33
Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
o Art. 28 EGV als zentrale Vorschrift zur Garantie des
freien Warenverkehrs, betrifft die Einfuhr aus
anderen Mitgliedstaaten.
o Entsprechendes Verbot für die Ausfuhr: Art. 29
EGV; Ausnahmen: Art.30 EGV.
o Gegenstand ist die „Gemeinschaftsware“ Art. 23 II
EGV: Ware mit Ursprung in anderen
Mitgliedstaaten, Ware aus Drittstaaten, die sich in
einem Mitgliedstaat bereits im freien Verkehr
befindet.
o Verbot mengenmäßiger Beschränkungen
o Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie
mengenmäßige Beschränkungen
– EuGH Dassonville (1974, 837): „Jede
Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet
ist, den innergemeinschaftlichen Handel
unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder
potentiell zu behindern.“
– Vom
Diskriminierungsverbot
zum
Beschränkungsverbot (EuGH, Cassis de Dijon
1979, 649) verbietet Handelshemmnisse auch bei
Gleichbehandlung mit Inlandsware. Ausnahmen
nur bei „zwingenden Erfordernissen“ des Gemeinwohls. Begrenzung des Anwendungsbereichs des
Art. 30 EGV: „Verkaufsmodalitäten“ im
Bestimmungsstaat (Fall Keck, 1993).
-
Prüfungsschema „Maßnahmen gleicher Wirkung“
(Art 28 EGV)
Folie Nr. 34
Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
o Ware (Art. 23 II EGV)?
o Mengenmäßige Beschränkung?
o Maßnahme gleicher Wirkung?
– Dem Mitgliedstaat zurechenbar?
– Behinderung des gemeinschaftlichen Handels?
– Einschränkungen des Anwendungsbereichs:
“Verkaufsmodalitäten” ohne Diskriminierung
(Keck)?
– Dassonville -Formel erfüllt?
o Rechtfertigung
– Diskriminierend für eingeführte Ware?
Wenn ja: Rechtfertigung gemäß Art. 30 EGV –
Gründe abschließend; Verhältnismäßigkeit
– Nichtdiskriminierend für eingeführte Ware?
Wenn ja: Rechtfertigung gemäß CassisRechtsprechung des EuGH durch: zwingende
Gründe des Gemeinwohls (Gründe über Art. 30
EGV hinaus; Verhältnismäßigkeit)
-
Fälle
o
o
o
o
Leclerc (EuGH 1985, 1 – Leclerc)
Keck (EuGH, EuZW 1993, 770)
Sekt . (EuGH 1975, 181)
Buy Irish (EuGH 1982, 4005)
Folie Nr. 35
Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
2. Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 ff. EGV)
Möglichkeit der Wahl des Arbeitsplatzes im gesamten
Gemeinschaftsgebiet - „Mobilität des Produktionsfaktors
Arbeit“.
Arbeitnehmer ist jede Person, die während einer
bestimmten Zeit für eine andere unter deren Leitung
Arbeitsleistungen gegen Entgelt erbringt (EuGH 1988,
3208 – Brown).
Unmittelbar
sind
Unionsbürger
begünstigt;
Drittstaatenangehörige oder Staatenlose können aber als
Familienangehörige des Arbeitnehmers von dessen
Freizügigkeitsrechten eigene Rechte ableiten.
Problem: Inländerdiskriminierung
- Inhalt
Diskriminierungsverbot, Begleitrechte (Aufenthaltsrecht,
soz. und steuerliche Vergünstigungen, Verbleiberechte)
- Vorbehalt und Ausnahmen
Ein ordre public - Vorbehalt ist in Art. 39 Abs. 3 EGV
enthalten. Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit
und Gesundheit können Beschränkungen rechtfertigen.
Auch gilt die Freizügigkeit nicht für Beschäftigte in der
öffentlichen Verwaltung , Art. 39 Abs. 4 EGV
-
Fälle
o
o
o
o
Student (EuGH 1991 I, 5531 – Le Manoir)
Levin (EuGH 1982, 1035)
Bosman (EuGH 1995 I, 5040)
Casagrande (EuGH 1974, 773)
Folie Nr. 36
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Europarecht (Grundlagen)
3. Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EGV)
Art. 43 EGV gewährt die Freizügigkeit des selbständig
Erwerbstätigen; erfasst werden gewerbliche Tätigkeiten
und auch die sog. freien Berufe. Begünstigt sind die
Unionsbürger.
Gewährt wird nur Inländergleichbehandlung.
Zusätzlich erfolgt aber eine Ausdehnung des Rechts auf
Gesellschaften durch Art. 48 EGV.
-
Inhalt
Diskriminierungsverbot (unmittelbar anwendbar), richtet
sich an die Mitgliedstaaten, aber auch an öffentlichrechtliche Körperschaften und auch an Private (soweit sie
Kollektivregelungen treffen).
Das Gebot der Förderung der Niederlassungsfreiheit
zwingt die Mitgliedstaaten zur Beseitigung allgemeiner
Hindernisse.
Aus Art. 43 EGV ergeben sich unmittelbar Einreise- und
Aufenthaltsrechte.
Folie Nr. 37
Professor Dr. Helmut Goerlich
-
Europarecht (Grundlagen)
Vorbehalte und Ausnahmen
o Zwingende Gründe des Gemeinwohls können
Beschränkungen rechtfertigen. Erforderlich ist dann
die Erfüllung von 4 Voraussetzungen (siehe Fall
Gebhard):
– Anwendung in nicht-diskriminierender Weise
– Rechtfertigung durch zwingende Gründe des
Allgemeininteresses
– Eignung zur Verwirklichung des mit ihnen
verfolgten Zieles
– Erforderlichkeit zur Erreichung des Ziels
o Beschränkungen wegen Ausübung von öffentlicher
Gewalt, Art. 45 EGV; ein Beschluss nach Abs. 2 ist
bisher nicht ergangen.
o Ordre public – Vorbehalt in Art. 46 EGV
-
Fälle
o Reyners (EuGH 1974, 631)
o Vlassopoulou (EuGH 1991 I, 2357)
4. Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EGV)
-
Allgemeines
o Das Recht gilt nur für Angehörige der
Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat
ansässig sind, Art. 49 I EGV. Eine Gleichstellung
erfolgt von bestimmten juristischen Personen und
Gesellschaften gemäß Art. 55, 48 EGV.
o Dienstleistungsdefinition in Art. 50 EGV.
Erforderlich ist eine selbständige, entgeltliche
Folie Nr. 38
Professor Dr. Helmut Goerlich
Europarecht (Grundlagen)
Tätigkeit, die vorübergehend in einem anderen
Mitgliedstaat erbracht wird
o Art. 49 EGV ist ein Auffangtatbestand; abzugrenzen
sind die Vorschriften über den freien Waren- und
Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der
Personen
o Zu unterscheiden sind die aktive, die passive
Dienstleistungsfreiheit und die Produktverkehrsfreiheit (Korrespondenzdienstleistung).
-
Inhalt
Art. 49 stellt ein Diskriminierungsverbot auf und damit
eine Förderungspflicht. Einreise und Aufenthalt werden
garantiert.
-
Vorbehalte und Ausnahmen
Verweis von Art. 55 auf Art. 45 – 48 , damit gelten
ebenfalls die ordre-public-Vorbehalte und die
Beschränkungen hinsichtlich der Ausübung der
öffentlichen Gewalt.
-
Fälle
o
o
o
o
Fall: Kommission/Spanien (EuGH 1994 I, 916)
Fall: Cowan (EuGH 1989, 195)
Fall: Schindler (EuGH 1994 I, 1039)
Abgrenzungsfragen zur Übung
Folie Nr. 39
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Europarecht (Grundlagen)
5. Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs
-
Allgemeines (Art. 56 EGV )
Umfasst werden sowohl der Verkehr mit Sachkapital als
auch mit Geldkapital, die nicht direkt durch den Warenoder Dienstleistungsverkehr gedeckt sind.
Geschützt werden der innergemeinschaftliche Verkehr
und auch der Verkehr mit Drittstaaten.
Die Vorschrift wirkt unmittelbar und nicht lediglich für
Angehörige der Mitgliedstaaten.
-
Beschränkungsverbot
Eine Beschränkung ist jede staatliche Maßnahme, die für
Kapitalausfuhr oder –einfuhr eine gegenüber dem
inländischen Kapitalverkehr formell oder materiell
abweichende Regelung vorsieht.
-
Ausnahmen
o Art. 57 EGV statuiert Ausnahmen für den
Kapitalverkehr mit Drittländern
o Art. 58 EGV beinhaltet Ausnahmeregelungen der
Mitgliedstaaten
(z.B.
Steuerrecht
–
Differenzierungen
nach
Wohnsitz
des
Steuerpflichtigen oder nach Ort der Kapitalanlage
sind möglich).
-
Fall
o Luisi und Carbone (EuGH 1984, 377ff.)
Folie Nr. 40
Professor Dr. Helmut Goerlich
VIII.
Europarecht (Grundlagen)
Grundrechte
1. Geschichte und Zusammensetzung der Charta der
Grundrechte der Europäischen Union
-
in Köln (3./4. Juni 1999) und in Tampere
(15./16.10.1999) wurde der Beschluss gefasst, eine
Charta der Grundrechte der EU zu erarbeiten
-
Entschließung des EP vom 18.11.1999
-
Der Konvent bestand aus 62 Mitgliedern (15
Beauftragte der Staat- und Regierungschefs der
Mitgliedstaaten, ein Beauftragter der Kommission,
16 Mitglieder des Europäischen Parlaments und 30
Mitglieder der nationalen Parlamente) und wurde
von Roman Herzog geleitet
-
Feierliche Proklamation am 7.12.2000 in Nizza
2. Bedeutung der Charta
-
Wozu bedarf es einer Charta, wenn alles „..was in
der Charta formuliert wird,...bereits geltendes Recht
[ist]“ (R. Herzog)?
-
Charta als integrierender Bestandteil eines damit
Folie Nr. 41
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Europarecht (Grundlagen)
eröffneten „verfassungsgebenden Prozesses“
o EuGH sprach bisher vom EGV als einer
„Verfassungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft“,
die eine Komplementärverfassung zu den
Verfassungen der Mitgliedstaaten bildet und mit
ihnen materiell ein Rechtssystem, einen
„Verfassungsverbund“ darstellt.
o Der Diskurs über die gemeinsame Wertebasis der
Union soll legitimierend, identitätsfördernd und
integrierend wirken.
o Gewinnung von Profil und Glaubwürdigkeit nach
innen und nach außen.
3. Einzelfragen
-
Verhältnis zur EMRK
-
Verhältnis zu nationalen Rechteerklärungen
-
EGMR und EuGH
o Keine direkte Anwendung (EU/EG nicht
Konventionsstaaten)
o Methode der „wertenden Rechtsvergleichung“,
Berücksichtigung
von
„allgemeinen
Rechtsgrundsätzen“ (vgl. Art. 220 EGV: „Wahrung
des Rechts“)
-
Zunkunftsperspektiven:
o Wirkung der EMRK durch EU und EG?
o Charta und Verfassungsvertrag
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Europarecht (Grundlagen)
4. Schlussbemerkungen
Folie Nr. 43
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