Aachener Europarechtsatelier – Veranstaltung Nr. 2 – Institutionen der Europäischen Gemeinschaften Die Institutionen der Europäischen Gemeinschaften Der Begriff der Institutionen umfaßt alle Einrichtungen der Gemeinschaft. Sie lassen sich in Organe, Hilfsorgane und sonstige Einrichtungen unterteilen. Eine Aufzählung der Organe enthält Art. 7 Abs. 1 EGV. Dies sind das Europäische Parlament, der Rat, die Kommission, der EuGH und der Rechnungshof. Hierzu kommen der Wirtschaftsund Sozialausschuß und der Ausschuß der Regionen als Hilfsorgane, Art. 7 Abs. 2 EGV. Zu den Institutionen der Europäischen Gemeinschaften gehören zudem die Europäische Zentralbank und die Europäische Investitionsbank. I. Der Rat der EU, Art. 202 –210 EGV Das bedeutendste der in Art. 7 I EGV aufgezählten Organe ist der Rat der EU. Auf europäischer Ebene bestehen mehrere Institutionen, die die Bezeichnung „Rat“ führen, jedoch voneinander unterschieden werden müssen. In Art. 7 Abs. 1 EGV ist der Rat der EU bezeichnet. 1. Aufgaben Der Rat ist das Hauptrechtssetzungsorgan für sekundäres Gemeinschaftsrecht und erläßt die wesentlichen Rechtsakte. Im Verfahren nach Art. 251, 252 EGV wirkt er mit dem Europäischen Parlament zusammen. Der Rat sorgt für die Abstimmung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten (Art. 202 EGV) und ist für die Regierungszusammenarbeit im Zweiten und Dritten Pfeiler der EU sowie für die Außenbeziehungen der Union zuständig (Art. 300 f. EGV). Im Rechtssetzungsverfahren wird der Rat grundsätzlich nur auf Initiative der Kommission tätig, er kann die Kommission aber auffordern, eine entsprechende Initiative zu ergreifen (Art. 208 EGV). Bezüglich der Durchführung der vom Rat erlassenen Rechtsakte besteht das sog. Prinzip der Regeldelegation. Demzufolge überträgt der Rat der Kommission die Befugnisse zur Durchführung der betreffenden Vorschriften, Art. 202 3. Spiegelstrich in Verbindung mit Art. 211 4. Spiegelstrich EGV. 2. Zusammensetzung und Beschlußfassung Der Rat setzt sich aus je einem Vertreter der Mitgliedstaaten auf Ministerebene zusammen, der befugt ist, für die Regierung des Mitgliedsstaats verbindlich zu 1 Aachener Europarechtsatelier – Veranstaltung Nr. 2 – Institutionen der Europäischen Gemeinschaften handeln, Art. 203 Abs. 1 EGV. Gewohnheitsrechtlich anerkannt ist die Entsendung von Staatssekretären zur Vertretung der Mitgliedstaaten in den Rat. Die Ratsmitglieder sind an die Weisungen der Regierungen der Mitgliedstaaten gebunden. Der Rat tritt grundsätzlich jeweils in der Besetzung der Fachminister zusammen, die für den betreffenden Bereich zuständig sind. Der Vorsitz im Rat wechselt alle sechs Monate und wird von den Mitgliedstaaten nacheinander wahrgenommen, Art. 203 Abs. 2 EGV. Im Ersten Halbjahr 2000 führt Portugal den Vorsitz, gefolgt von Frankreich und Schweden. Grundsätzlich entscheidet der Rat mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder, wobei jedes Ratsmitglied über eine Stimme verfügt, Art. 205 Abs. 1 EGV. Im Rechtsetzungsverfahren ist jedoch regelmäßig die Beschlußfassung des Rates mit qualifizierter Mehrheit vorgesehen, dies gilt insbesondere in den Verfahren nach Art. 251, 252 EGV. Beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit, so werden die Stimmen der Mitgliedstaaten nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft unterschiedlich gewichtet (sog. Pondierung), Art. 205 Abs. 2 EGV. Der Beschluß muß mit mindestens 62 der insgesamt 87 Stimmen gefaßt werden. Eine einstimmige Beschlußfassung des Rates ist in sensiblen Politikbereichen von besonderer Bedeutung für die Mitgliedstaaten vorgesehen, z.B. in Art. 93, 94, 308 EGV. Die Stimmenthaltung eines Mitgliedsstaates steht dem Zustandekommen eines einstimmigen Ratsbeschlusses nicht entgegen, Art. 205 Abs. 3 EGV. Eine Übertragung des Stimmrechts ist nach Maßgabe des Art. 206 EGV möglich. Der Ausschuß der ständigen Vertreter (AstV oder COREPER, Art. 207 Abs. 1 EGV) tritt wöchentlich zur Vorbereitung der Ratssitzungen zusammen. 3. Abgrenzung zu anderen Organen Die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen sind mit dem Rat der EU personengleich, stellen aber ein anderes Gremium dar. Sie sind eine Staatenkonferenz und werden auf Gebieten tätig, die in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verblieben sind. Sie fassen sog. uneigentliche Ratsbeschlüsse, die im Rahmen der Zweiten und Dritten Säule der EU von Bedeutung sind und Abkommen auf dem Gebiet des Völkerrechts darstellen (sog. begleitendes Gemeinschaftsrecht). Der Europäische Rat der Regierungschefs kann grundlegende Entscheidungen fällen, insbesondere eine Änderung der Verträge beschließen. Der Europäische Rat (Art. 4 EUV) setzt sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie dem 2 Aachener Europarechtsatelier – Veranstaltung Nr. 2 – Institutionen der Europäischen Gemeinschaften Präsidenten der Kommission zusammen und tritt mindestens zwei mal jährlich zusammen. Durch die EEA wurde der Europäische Rat zu einer vertraglichen Gemeinschaftsinstitution und dem Rat durch eine Weisungsbefugnis faktisch übergeordnet. Er gibt Impulse für die Entwicklung der Union und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen in allen EU-Tätigkeitsbereichen fest, zudem befaßt er sich mit strittigen Fragen, die auf Ministerebene ungeklärt blieben. Der Europarat hingegen ist kein Gemeinschaftsorgan, sondern eine Staatenkonferenz zum Schutz der Menschenrechte nach der EMRK. II. Die Kommission, Art. 211 – 219 EGV Das zweitwichtigste Organ der Gemeinschaft ist die Kommission. Regelungen über die Kommission finden sich in den Art. 211 – 219 EGV. 1. Aufgaben und Befugnisse Innerhalb der Ersten Pfeilers der EU hat die Kommission das alleinige Initiativrecht (Art. 251, 251 EGV) und ist deswegen für die Ausarbeitung von Vorschlägen für gemeinschaftliche Rechtsakte zuständig. Die Kommission achtet als sog. „Hüterin der Verträge“ auf die Einhaltung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und leitet gegebenenfalls das Vertragsverletzungsverfahren ein (Art. 211, 226 EGV), um die Mißachtung von Gemeinschaftsrecht zu sanktionieren. Besitzt das Gemeinschaftsrecht ausnahmsweise Vollzugsbefugnisse nach außen, so werden diese von der Kommission wahrgenommen. Sie wird zudem nach dem Prinzip der Regeldelegation zur Durchführung der vom Rat erlassenen Rechtsakte ermächtigt und ist somit Exekutivorgan. Die Kommission vertritt die Gemeinschaft im Privatrechtsverkehr (Art. 282 EGV) und unterhält die notwendigen Kontakte zu internationalen Organisationen und Drittstaaten (Art. 302 EGV). 2. Zusammensetzung und Beschlußfassung Die 20 Mitglieder der Kommission werden von den Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen ernannt. Sie sind nur den Interessen der Gemeinschaft verpflichtet und an Weisungen nicht gebunden. Ein Mitglied der Kommission nimmt die Präsidentschaft wahr. Der ebenfalls im gegenseitigen Einvernehmen durch die Mitgliedstaaten benannte Präsident bedarf der Zustimmung des Europäischen Parlaments, der designierte Präsident und die übrigen Mitglieder der Kommission 3 Aachener Europarechtsatelier – Veranstaltung Nr. 2 – Institutionen der Europäischen Gemeinschaften müssen als Kollegium vom Europäischen Parlament bestätigt werden, bevor sie für fünf Jahre ernannt werden. Die Kommission übt ihre Tätigkeit unter der politischen Führung des Präsidenten aus. Die Beschlußfassung erfolgt nach dem Mehrheitsprinzip (Art. 219 EGV). III. Das Europäische Parlament, Art. 189 – 201 EGV Die Bedeutung des Europäischen Parlaments ist mitgliedstaatlichen Parlamente, es verfügt geringer über viel als die der schwächere Kontrollmöglichkeiten und Mitwirkungsbefugnisse im Bereichen der Rechtssetzung. 1. Aufgaben und Befugnisse Das Europäische Parlament beteiligt sich an Gemeinschaftsakten nach der Maßgabe und in den Beteiligungsformen des Art. 192 EGV. An der Rechtssetzung der EU wirkt es im Rahmen der Verfahren der Mitentscheidung und der Zusammenarbeit nach Art. 251, 252 EGV mit. Im Verfahren der Mitentscheidung nach Art. 251 EGV und im Fall der vom EGV geforderten Zustimmung (z.B. nach Art. 49 Abs. 1 EUV) besitzt das Europäische Parlament ein echtes parlamentarisches Vetorecht. Im Verfahren der Zusammenarbeit nach Art. 252 EGV und in der Beteiligungsform der Stellungnahme ist seine Rechtsstellung. Auch außerhalb des Rechtssetzungsverfahrens ist eine Anhörung des Europäischen Parlaments in den Verträgen vorgesehen, z.B. in Art. 48 EUV. Zudem nimmt das Europäische Parlament Kontrollfunktionen wahr, indem der Jahresbericht der Kommission diskutiert wird und ein Mißtrauensantrag gegen die Kommission gestellt werden kann, Art. 200, 201 EGV. Auch ein nichtständiger Untersuchungsausschuß kann eingesetzt werden, Art. 193 EGV. 2. Zusammensetzung und Beschlußfassung Das Europäische Parlament besteht aus in den Mitgliedstaaten gewählten Abgeordneten, Art. 189 EGV. Die vollkommen unabhängigen Abgeordneten werden für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Die Zahl der Abgeordneten pro Mitgliedsstaat ist unterschiedlich, Art. 190 Abs. 2 EGV. Sie bestimmt sich nach Bevölkerung und wirtschaftlicher Bedeutung der Mitgliedstaaten. Derzeit umfaßt das Europäische Parlament 626 Abgeordnete, dem Vertrag von Amsterdam zufolge darf auch nach 4 Aachener Europarechtsatelier – Veranstaltung Nr. 2 – Institutionen der Europäischen Gemeinschaften einer Erweiterung der EU die Zahl der Abgeordneten 700 nicht überschreiten. Beschlüsse werden grundsätzlich mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt, Art. 198 Abs. 1, 199 EGV). IV. Der Europäische Gerichtshof, Art. 220 – 245 EGV Der EuGH besteht aus 15 Richtern und 8 Generalanwälten, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen ernannt werden, Art. 221, 223 EGV. Die Richter und Generalanwälte genießen richterliche Unabhängigkeit und werden für eine Dauer von 6 Jahren ernannt; eine teilweise Neubesetzung des Gerichtshofs findet alle drei Jahre statt. Der EuGH hat die Aufgabe der Sicherung und Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts, Art. 220 EGV. Er besitzt das Entscheidungsmonopol für die Auslegung und Verwerfung des Gemeinschaftsrechts, Art. 234 Abs. 1 b), Abs. 3 EGV. Neben dem EuGH besteht das Gericht Erster Instanz, Art. 225 EGV. Es gehört nicht zu den Institutionen der Gemeinschaft. Das Gericht Erster Instanz ist gem. Art. 3 des Beschlusses zur Errichtung eines Gerichts Erster Instanz in den Fällen der Art 236, 230 Abs. 2, 232 Abs. 3, 125 und 138 EGV zuständig. Im Rahmen dieser Zuständigkeit ist der EuGH dann Rechtsmittelinstanz, Art. 225 Abs. 1 EGV. VI. Sonstige Organe Ein weiteres Organ der EU ist der mit der Finanzkontrolle betraute Rechnungshof (Art. 246 – 248 EGV). Der Wirtschafts- und Sozialausschuß (Art. 257 – 262 EGV) und der Ausschuß der Regionen (Art. 263 – 267 EGV) sind Nebenorgane der EU. Sie üben eine beratende Tätigkeit aus und besitzen Anhörungsrechte. Zudem existieren die europäische Investitionsbank, die europäische Imsvestitionsprojekte finanziert (Art. 9, 266 f. EGV) und die EZB mit Sitz in Frankfurt (Art. 8, 105 ff. EGV), die die Geldpolitik der Gemeinschaft regelt. 5