Solothurn, im Januar 2014 Hormontherapie (=HT) in der Menopause (=MP) Liebe Patientin, Nachdem dieses Thema über viele Jahre kontrovers diskutiert wurde, kann zum jetzigen Zeitpunkt folgendes festgehalten werden: 1. Die Resultate der WHI-Studie, die für einige Verunsicherungen sorgten, gelten nur für die späte Menopause (MP) und können nicht auf die frühe MP oder das Klimakterium präcox (=vorzeitige MP) übertragen werden. Bei Beginn einer Hormontherapie innerhalb des „günstigen Fensters“ (d.h. vor dem 60. Altersjahr oder spätestens innert 10 J. nach der MP) überwiegen die Vorteile einer HT die möglichen Risiken bei weitem, wobei es keine Obergrenze bez. HT-Dauer gibt, jedoch sollte die Indikation für eine HT grundsätzlich einmal jährlich vom zuständigen Facharzt neu beurteilt werden. Grundsatz: so lange und so tief dosiert wie nötig und individualisierte Therapie! 2. Sehr gute Indikation für eine HT sind klimakterische Beschwerden wie depressives Verstimmtsein, Hyperhidrosis, unspezifische Glieder- und Gelenkschmerzen, … Ist eine HT nicht möglich kann ab 2 J. nach der MP auch Tibolon (Livial)- ein Steroid mit östrogenen und gestagenen Eigenschaften- eingesetzt werden, welches speziell bei Libido-Minderung gut wirkt. Nicht vergessen darf man die alternative Phytoöstrogen-Therapie, welche sich bezüglich diverser perimenopausaler Beschwerden positiv auswirkt. Beispiele: Mönchspfeffer (Agnolyt, Premens), Traubensilberkerze (Cimifemin, Klimavita), pontischer oder türkischer Rhabarber (Phytoestrol N). Zuträglich ist auch eine hochdosierte Sojatherapie (Isoflavonoide) und eine Therapie mit Getreidekörnern, Beeren, Obst und Gemüse angereicherte Kost (Lignane). 3. Bei nur urogenitalen Beschwerden (Schmerzen beim GV, Inkontinenz, Scheidenbrennen,trockene Scheide) wirkt die lokale hormonelle Therapie in Form von Supp. oder Crèmen besser als eine systemische Therapie. Ferner kann die Hautalterung verlangsamt, jedoch nicht aufgehalten werden. 4. Eine wichtige Indikation für eine HT ist der vorzeitige Verlust der Ovarfunktion (z.B. nach beidseitiger Eierstockentfernung oder bei vorzeitiger MP). Hier sollten die Hormone mindestens bis zum Erreichen der rechnerischen Menopause mit ca. 50 Jahren grosszügig gegeben werden. 5. Die HT ist die Therapie der Wahl zur Prävention der postmenopausalen Osteoporose und von osteoporotischen Frakturen. Für die Primärprävention gilt, dass ein Schutzeffekt bereits nach einem Jahr gegeben ist, die minimale empfohlene Therapiedauer 5 besser 10 Jahre beträgt und durch diese Therapie die Anzahl Frakturen (Schenkelhals und Wirbelkörper) um 25-75% reduziert werden kann. Auch eine niedrig dosierte Hormontherapie scheint noch wirksam zu sein. Empfohlen wird sie speziell bei Frauen mit diesbezüglichen Risikofaktoren (familiäre Belastung, Untergewicht, Immobilität, Amenorrhoe, langfristiger Mangel an Sexualsteroiden, frühzeitige oder vorzeitige Menopause, Malabsorption, Status nach Darmresektion, Dauertherapie mit Cortisonpräparaten oder Heparin, Nikotinabusus). Alternativ können auch Tibolon (Livial) und - bei Frauen ohne klimakterische BeschwerdenSERM’s (zB Evista) eingesetzt werden. Bei den SERM’s ist zu beachten, dass sie das Thromboembolie-Risiko erhöhen und klimakterische Symptome verstärken, dafür senken sie das Risiko Oestrogenrezeptor-positiver Mammakarzinome , Zur Sekundärprophylaxe, d.h. eine Osteoporose ist bereits eingetreten mit radiologisch dokumentiertem Knochenverlust (DEXA !) und entsprechenden klinischen Symptomen und Beschwerden (Höhenverlust von mehr als 4 cm, Tannenbaumphänomen, reitender Rippenbogen, Frakturen ohne adäquates Trauma) sind folgende Massnahmen stets zu treffen: ausreichende Calcium- und Vitamin DZufuhr (Ernährung, Medikamente), auf genügend Bewegung achten und Vorbeugen von Sturzereignissen (bauliche Massnahmen zu Hause, Hüftschoner). Zusätzlich haben sich folgende knochenabbauhemmende Präparate als effektvoll erwiesen: Biphosphonate (z.B. Fosamax, Bonviva) und - bei Frauen ohne klimakterische Beschwerden- SERM‘s (vor allem Evista). Als knochenaufbauendes Präparat ist Fosteo zu empfehlen (Indikation: manifeste Osteoporose mit hohem Frakturrisiko; Therapiedauer 18 Monate, meist gefolgt von anschliessend Biphosphonat-Therapie). Aktuell gilt der Konsens, dass Biphosphonate während ca. 5 Jahren verabreicht werden in Abhängigkeit des Ausmasses der Osteoporose. 6. Kontroverse Daten gibt es ob eine Hormontherapie eine Risikominderung der Alzheimerdemenz bewirkt. 7. Bezüglich kardiovaskulärem Risiko (Myokardinfarkt, Arteriosklerose) darf – entgegen der ersten, negativen Berichte der WHI-Studie- festgehalten werden, dass bei Beginn im „günstigen Fenster“ bis zu einer Anwendungsdauer von 15 J., das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Todesfälle reduziert wird. Dabei spielt es keine Rolle ob Oestrogene isoliert oder in Kombination mit SW-neutralen Gestagenen ( v.a. Progesteron,, Dihydrogesteron und auch Dienogest, Drospirenon) gegeben werden; vermeiden sollte man Gestagene vom MPA-Typ. Bei einer arteriellen Hypertonie ist die transdermal Oestrogengabe der peroralen vorzuziehen. Das Diabetes mellitus-Risiko wird durch eine HT gesenkt! 8. Hormontherapie und Tumore: Ein Schutzeffekt wird bezüglich Ovarialkarzinom, Kolorektalkarzinom und eventuell auch bezüglich hepatozellulärem Karzinom postuliert. Das Risiko an Mamma-CA zu erkranken wird bei bei HT mit Beginn im „günstigen Fenster“ reduziert, unabhängig ob Oestrogene isoliert oder kombiniert mit Gestagenen gegeben werden, einzig MPA-Gestagene sollten vermieden werden ! Sogar bei erhöhtem Mamma-CA-Risiko kommt es zu keiner zusätzlichen Risikoerhöhung (auch nicht zu einer Reduktion). Endometriumkarzinom-Risiko ist nicht erhöht falls Oestrogene kombiniert mit Gestagentherapie - Mirena reicht!gegeben werden; Grundsatz: keine isolierte Oestrogentherapie bei uterus in situ ! 9. Unbestritten ist, dass das Thromboembolierisiko (TVT, LE) alters- und gewichtsabhängig durch eine HT leicht erhöht wird, ausser wenn Oestrogene transdermal appliziert werden. Negative Zusatzfaktoren: Nikotin, Hämophilie und negative Gestagene vom MPA-Typ. Ebenso unbestritten: Risiko für Hirnschlag ist erhöht, ausser bei Frauen unter 60 J. ohne Risikokonstellation (Adipositas, Hypertonie). Es scheint, dass durch niedrig dosierte Oestrogentherapie (< 50 ug Oestradiol) dieses Risiko vermieden wird. Soviel zum aktuellen Stand des Wissens zu diesem spannenden Thema. Dr. med. Daniel Rossel, Solothurn