Theorie - Universität Tübingen

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Kurstag 2
Maßanalyse 2. Teil
Titration von starken und schwachen Säuren
Stichworte zur Vorbereitung
Massenwirkungsgesetz, Prinzip von Le Chatelier, Broenstedt, korrespondierendes
Säure-Base-Paar, pH-Wert-Berechnung und Titration.
Ziel des Versuchstags
Das Hauptziel des Versuchtags ist es, mit Hilfe der Titration qualitative Analysen von
Säuren durchzuführen. Zudem sollen die Grundlagen der Säure-Base-Theorie
vermittelt und das Berechnen von pH-Werten erlernt werden.
Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Theorie
Massenwirkungsgesetz
Man
informiere
sich
anhand
von
chemischen
Lehrbüchern
über
das
Massenwirkungsgesetz (Hinreaktion, Rückreaktion, dynamisches Gleichgewicht,
Gleichgewichtszustand, reversible Reaktion, Gleichgewichtskonstante).
Säuren und Basen: Definition nach Broenstedt
Nach Broenstedt sind Säuren Verbindungen, die Protonen abgeben können, diese
werden auch als Protonendonatoren bezeichnet.
Basen sind Verbindungen, die Protonen aufnehmen können, sie werden auch als
Protonenakzeptoren bezeichnet.
Korrespondierendes Säure-Basenpaar
Nach obiger Definition wäre eine Verbindung HA, die in wässriger Lösung (dem
wichtigsten Lösemittel) nach der Gleichung:
HA → H+ + Areagiert, eine Säure.
Zwar kann man bei manchen Reaktionen praktisch davon ausgehen, dass sie nur in
einer Richtung verlaufen, real besteht aber jede chemische Reaktion aus einer Hinund einer Rückreaktion. Folglich stellt sich bei jeder chemischen Reaktion ein
Gleichgewicht zwischen den Edukten und den Produkten der Reaktion ein.
Das
Verhältnis
Gleichgewichtslage
der
der
Edukte
und
Reaktion
Produkte
wird
durch
zueinander
das
und
damit
die
Massenwirkungsgesetz
beschrieben.
Auf obige Reaktion angewandt bedeutet dies, dass auch die Rückreaktion der
Reaktion betrachtet werden muss:
H+ + A- → HA
Wie man erkennen kann, nimmt das A--Teilchen in diesem Fall ein Proton auf und ist
damit nach der Definition von Broenstedt eine Base, also ein Protonenakzeptor.
Kombiniert man beide Reaktionsgleichungen, ergibt sich:

 H+ + AHA 

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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Je nachdem auf welcher Seite der Reaktion das Gleichgewicht liegt (d.h. ob die
Reaktion eher nach links oder rechts verläuft), fungiert das Teilchen A als Säure HA
oder als Base A-.
Es existiert zu jedem Teilchen HA ein Teilchen A-, das das gleiche Grundgerüst wie
das HA-Teilchen besitz und bei Aufnahme eines Protons zu diesem wird.
Ebenso existiert zu jedem Teilchen A- ein Teilchen HA, das das gleiche Grundgerüst
wie das A--Teilchen besitz und bei Abgabe eines Protons zu diesem wird.
Die beiden Teilchen HA und A- bilden miteinander ein korrespondierendes SäureBase-Paar.

 H+ + AHA 

Obige Gleichung ist insofern nicht ganz korrekt, als in wässriger Lösung (dem
wichtigsten Lösemittel) freie H+-Ionen (Protonen) nicht stabil sind: sie lagern sich
sofort an ein Molekül H2O zum H3O+-Ion an. Korrekt müsste obige Gleichung lauten:

 H3O+ + AHA + H2O 

 Jede Säure liefert durch Protonenabgabe ihre korrespondierende Base,
umgekehrt
wird
bei
der
Protonenaufnahme
aus
einer
Base
ihre
korrespondierende Säure gebildet.
Beispiele für Säure-Basen-Paare:

 Proton + korrespondierende Base
Säure 


 H+ + ClHCl 


 H+ + H2O
H3O+ 


 H+ + NH3
NH4+ 


 korrespondierende Säure
Base + Proton 


 NH4
NH3 + H+ 


 H3O+
H2O + H+ 


 H2O
OH- + H+ 


 Ac- + H3O+
HAc + H2O 

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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Eine wässrige Lösung wird als sauer bezeichnet, wenn sich in ihr viele H +- bzw.
H3O+-Ionen befinden.
Als basisch werden wässrige Lösungen bezeichnet, die viele OH--Ionen enthalten.
Die Eigenschaft als Säuren oder Basen zu fungieren ist keine absolute Eigenschaft:
Säuren geben bei der Reaktion ihr Proton immer an eine Base ab, die dieses
aufnimmt und damit in ihre korrespondierende Säure übergeht.
Basen nehmen bei einer Reaktion immer das Proton einer Säure auf und überführen
die Säure so in ihre korrespondierende Base.
 An einer Säure-Base-Reaktion müssen immer zwei korrespondierende SäureBase-Paare beteiligt sein.

 H3O+ + ClHCl + H2O 

In dieser Reaktion fungiert von links nach rechts HCl als Säure und H 2O als Base,
von rechts nach links H3O+ als Säure und Cl- als Base.
Einige Teilchen wie z.B. Wasser haben die Fähigkeit entweder als Säure oder als
Base reagieren zu können. D.h. sie können je nach Reaktionspartner entweder ein
Proton aufnehmen oder ein Proton abgeben. Solche Verbindungen bezeichnet man
als amphoter (Ampholyte).
So reagiert Wasser mit HCl nach folgender Gleichung:

 H3O+ + ClHCl + H2O 

Wasser fungiert in diesem Fall als Base, weil es von der Salzsäure ein Proton
aufnimmt.
Mit NH3-Gas reagiert Wasser jedoch wie folgt:

 NH4+ + OHNH3 + H2O 

In diesem Fall gibt Wasser an NH3 ein Proton ab, reagiert also als Säure.
Ein weiteres Beispiel hierfür wäre die stufenweise Dissoziation einer mehrprotonigen
Säure, etwa der Schwefelsäure:

 H3O+ + HSO4H2SO4 + H2O 


 H3O+ + SO42HSO4- + H2O 

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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Das HSO4--Ion reagiert in der ersten Rückreaktion als Base, in der zweiten
Hinreaktion als Säure.
Ionogen abspaltbarer Wasserstoff
Nicht alle Wasserstoff enthaltenden Verbindungen können diesen als Proton
abspalten. Im wesentlichen besitzen diese Eigenschaft nur solche Verbindungen, bei
denen das Wasserstoffatom an stark elektronegative Elemente der 6. und 7.
Hauptgruppe gebunden ist, z.B. an F, Cl, J, O, S.
Dies lässt sich am Beispiel der Essigsäure anschaulich zeigen. Essigsäure mit der
Formel
O
H3C
O H
enthält 2 Arten von H-Atomen: 3 H-Atome am Kohlenstoff gebunden, 1 H-Atom am
Sauerstoff gebunden. Die C-H-Bindung ist sehr fest und wegen dem geringen
Elektronegativitätsunterschied kaum polarisiert, während die OH-Bindung durch die
elektronenziehende Wirkung des Sauerstoffs sehr stark polarisiert ist.
Essigsäure kann daher in wässriger Lösung nur das am Sauerstoff gebundene H als
H+-Ion nach folgender Gleichung abdissoziieren:
O
H3C
+
H2O
O H




O
H3C
+
H3O+
O
Starke und schwache Säuren bzw. Basen
In einem korrespondierenden Säure-Base-Paar gilt immer folgende Regel:
Je stärker eine Säure ist, desto schwächer ist die aus ihr entstehende
korrespondierende Base und umgekehrt.
Starke Säuren
Verbindungen, die in wässriger Lösung (d.h. Wasser reagiert als Base) praktisch zu
100% dissoziiert vorliegen.
Bsp.: In der Salzsäure ist z.B. die elektronenziehende Wirkung des Chloratoms so
stark, dass nahezu 100% Dissoziation erfolgt:
HCl + H2O → H3O+ + Cl-
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Entsprechend ist das Cl- als korrespondierende Base der HCl äußerst schwach
basisch.
Starke Basen
Salze, die in wässriger Lösung ebenfalls zu 100% dissoziiert vorliegen.
Bsp.: wie etwa NaOH oder KOH die in Na+ bzw. K+ und OH- dissoziieren. Bei ihrer
Lösung in Wasser zerfallen diese Salze also direkt in OH--Ionen und ihr Kation. Die
OH--Ionen, die die Lösung basisch machen, müssen also nicht erst durch eine
Reaktion mit Wasser gebildet werden.
Mittelstarke Säuren
Verbindungen, die in wässriger Lösung nur teilweise dissoziieren.
Bsp.: Phosphorsäure (siehe auch mehrprotonige Säure)
Schwache Säuren
Verbindungen, die in wässriger Lösung nur zu einem geringen Prozentsatz
dissoziieren. Hier stellt sich ein Dissoziationsgleichgewicht ein.
Bsp.: Essigsäure
Da die Essigsäure eine schwache Säure ist, ist die korrespondierende Base Acetat
relativ stark basisch. Sie nimmt also zu einem nicht geringen Teil Protonen aus der
Lösung auf und reagiert zurück zu Essigsäure. Dies hat zur Folge, dass Essigsäure
nur sehr schwach dissoziiert ist (abhängig von der Konzentration zu ca. 1%).
Mehrprotonige Säuren
Verbindungen, bei denen die Abspaltung der H+-Ionen in der Regel stufenweise
erfolgt.
Bsp.: Schwefelsäure
H2SO4 + H2O  H3O+ + HSO4HSO4- + H2O
H3O+ + SO42-
Bei der Schwefelsäure dissoziiert das erste H+ praktisch quantitativ ab, während das
zweite H+ nur noch teilweise dissoziiert.
Das HSO4--Ion ist daher im Gegensatz zu H2SO4 als eher mittelstarke Säure
aufzufassen.
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Bsp.: Phosphorsäure (3-protonige Säure)
H3PO4 + H2O
H3O+ + H2PO4-
H2PO4- + H2O
H3O+ + HPO42-
HPO42- + H2O
H3O+ + PO43-
Hier stellt sich schon beim ersten Dissoziationsgrad ein Gleichgewicht ein, die
Phosphorsäure ist daher nur eine mittelstarke Säure.
Quantitative Erfassung der Dissoziation von schwachen Säuren mit Hilfe des
Massenwirkungsgesetzes
Massenwirkungsgesetz, Dissoziationskonstante
Mit
Hilfe
des
Massenwirkungsgesetzes
(MWG)
lässt
sich
die
Lage
des
Gleichgewichts einer Reaktion in Form einer Gleichgewichtskonstanten berechnen.
Handelt es sich um eine Säure-Base-Reaktion und damit um eine Dissoziation, so
wird die Gleichgewichtskonstante auch Dissoziationskonstante genannt.
Für die allgemeine Reaktion
aA+bB
AaBb
ergibt sich nach dem Massenwirkungsgesetz die Gleichgewichtskonstante K:
[A a Bb ]
[A]a  [B]b
K=
Wie aus der Formel ersichtlich wird, ist K groß, wenn das Gleichgewicht weit auf
Produktseite liegt bzw. ist K klein, wenn das Gleichgewicht weit auf der Eduktseite
liegt.
Bezüglich der Dissoziation von Säuren in wässriger Lösung nach der allgemeinen
Gleichung:
HA + H2O
A- + H3O+
ergibt sich nach dem MWG:
K=
[A - ]  [H3O+ ]
[HA]  [H 2O]
Da sich jedoch die Konzentration von Wasser während der Reaktion im Gegensatz
zu denen der anderen Reaktionspartner nur minimal ändert, kann man diese
Konzentration als konstant ansehen und in die Dissoziationskonstante mit
einbeziehen. Damit ergibt sich die neue Dissoziationskonstante KS:
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
[A- ]  [H3O+ ]
KS = K  [H 2O] =
[HA]
Analog lässt sich eine Dissoziationskonstante KB für die Reaktion von Basen mit
Wasser ableiten:
K B = K  [H 2O] =
[HA]  [OH- ]
[A- ]
Für starke Säuren bzw. Basen, die praktisch vollständig dissoziiert sind, ist demnach
der Wert von KS bzw. KB sehr groß. Für schwache Säuren bzw. Basen, die nur zu
geringen Teilen dissoziiert sind, ist der Wert von KS bzw. KB sehr klein.
Hier einige Beispiele:
Säure
KS
starke/schwache Säure
HCl → H+ + Cl-
vollständig dissoziiert
stark
H2SO4 → H+ + HSO4-
vollständig dissoziiert
stark
HSO4-
H+ + SO42-
1,3 ∙10-2
mittelstark
H3PO4
H+ + H2PO4-
1,1 ∙10-2
mittelstark
1,8 ∙10-5
schwach
H+ + CH3OO-
CH3COOH
H2PO4
H+ + HPO42-
1,2 ∙10-7
schwach
HPO42-
H+ + PO43-
1,8 ∙10-12
sehr schwach
1,8 ∙10-16
sehr schwach
H2O
H+ + OH-
Wie man sieht, sind die Werte der Dissoziationskonstanten KS und auch KB in vielen
Fällen sehr klein und deshalb ungünstig zu handhaben. Um die Säure- bzw.
Basenstärken besser vergleichen zu können, werden der pK S- und der pKB-Wert
eingeführt. Diese sind wie folgt definiert:
pK B = - logK B
pK S = - logKS
Durch diese mathematische Umformung werden die Zahlenwerte vereinfacht.
Säure
KS
HCl → H+ + Cl-
vollständig dissoziiert
H2SO4 → H+ + HSO4-
vollständig dissoziiert
HSO4-
1,3 ∙10-2
H+ + SO42-
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pKS
1,89
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
H+ + H2PO4-
H3PO4
H+ + CH3OO-
CH3COOH
1,1 ∙10-2
1,96
1,8 ∙10-5
4,74
H2PO4-
H+ + HPO42-
1,2 ∙10-7
6,92
HPO42-
H+ + PO43-
1,8 ∙10-12
11,74
1,8 ∙10-16
15,75
H2O
H+ + OH-
In diesem Fall bedeutet ein großer pKS- bzw. pKB-Wert, dass es sich um eine
schwache Säure bzw. Base handelt, ein kleiner pKS- bzw. pKB-Wert, dass es sich um
eine starke Säure bzw. Base handelt.
Ionenprodukt des Wassers
Wasser ist nur zu einem sehr geringen Prozentsatz nach folgender Gleichung in
Ionen gespalten:
H2O
H+ + OH-
Für die Dissoziationskonstante des Wassers gilt also:
 H +   OH - 
K=
= 1,8  10-16
H
O
 2 
Wegen der sehr geringen Dissoziation des Wassers kann man die Größe [H 2O] in
obiger Gleichung als konstant betrachten und in K mit einbeziehen. Man erhält dann
eine neue Konstante KW, das so genannte Ionenprodukt des Wassers:
K W = K   H 2O  =  H +  OH - 
Setzt man für K den Wert 1,8  10-16 ein und überlegt sich, dass in einem Liter Wasser
55,5Mol Wasser enthalten sind, so ergibt sich für KW = 99,9  10-16 ≈ 10-14.
Und damit: KW = [H+]  [OH-] = 10-14
Bei der Dissoziation von reinem Wasser entstehen H+ und OH- in gleichen Mengen,
also im Verhältnis 1:1. Um die H+-Ionen-Konzentration berechnen zu können, stellt
man folgende Überlegung an:
Die Konzentrationen an H+- und OH--Ionen sind gleich groß: [H+] = [OH-].
2
Eingesetzt in obige Formel ergibt sich: K W = H +  = 10-14 .
Nach der Konzentration der H+-Ionen aufgelöst:  H +  = 10-14 = 10-7
Wegen [H+] = [OH-] ist auch die Konzentration der OH--Ionen:  OH -  = 10-7 .
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
pH-Wert
Wie schon erwähnt, sind in sauren Lösungen die H+-Ionen, in basischen Lösungen
die OH--Ionen für deren chemischen Charakter verantwortlich. Um den Charakter
dieser Lösungen quantifizieren und vergleichen zu können, ist es notwendig, die
Konzentration einer der beiden Ionenarten zu bestimmen. Konventionsgemäß hat
man sich darauf verständigt, die H+-Konzentration zu bestimmen und anzugeben. Da
diese Werte jedoch wie die KS- und KB-Werte unhandlich sind, wurde der pH-Wert
wie folgt definiert:
pH = - log  H + 
Eine Lösung ist neutral, wenn sie den pH = 7 hat. Als sauer bezeichnet man
Lösungen mit pH < 7, als basisch Lösungen mit pH > 7.
Analog dazu gibt es auch einen pOH-Wert, der folgendermaßen definiert ist:
pOH = - log OH - 
Der Zusammenhang zwischen pH und pOH ergibt sich durch Logarithmieren
folgender Formel: K W =  H +  OH -  = 10-14


 +  -lg OH  
-lg10-14 = - lg  H +  OH - 
 14 = -lg  H +
-
 14 = pH + pOH
pH-Wert-Berechnung für starke Säuren
Da bei starken Säuren HA angenommen werden kann, dass sie zu 100%
dissoziieren, gilt für die H+-Ionen-Konzentration in wässrigen Lösungen, die starke
Säuren enthalten:
[HA] = [H+]
Somit lässt sich der pH durch Einsetzen in
pH = - log  H + 
direkt aus der Konzentration der Säure berechnen.
Für mehrprotonige starke Säuren wie Schwefelsäure ist zu beachten, dass pro
Säuremolekül mehrere - in diesem Fall 2 Protonen – abgegeben werden können und
damit die H+-Ionen-Konzentration entsprechend größer ist als die Konzentration der
starken Säure – in diesem Fall doppelt so groß.
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Bsp.: pH-Wert einer 1M HCl
Für die H+-Konzentration gilt:
[H+] = [HCl]=1mol/l
Also ergibt sich für den pH-Wert:
pH = - lg 1 = 0
Da der pH-Wert nichts anderes als eine mathematische Umformung der H+Konzentration ist, kann aus diesem ebenso die Konzentration einer Säure berechnet
werden.
Bsp.: Konzentration einer HCl-Lösung mit pH = 2
Für die H+-Konzentration gilt:
- lg  H +  = pH = 2
 lg  H +  = - 2


10
lg  H + 
 
= 10-2
[H + ] = 10-2 = 0,01
Also ergibt sich für die HCl-Konzentration: [H+] = [HCl] = 0,01mol/l
pH-Wert-Berechnung für schwache Säuren
Im Gegensatz zu starken Säuren sind schwache Säuren nur zu einem sehr geringen
Prozentsatz dissoziiert. Diese Eigenschaft macht es schwieriger als bei starken
Säuren die Konzentration an H+-Ionen zu bestimmen.
Dies soll am Beispiel der Essigsäure im Folgenden erläutert werden.
Essigsäure dissoziiert in Wasser nach folgender Gleichung:
CH3COOH
CH3COO- + H+
Wendet man auf diese Gleichung das Massenwirkungsgesetz an, ergibt sich:
CH 3COO -   H + 
KS =
CH3COOH 
Da
bei
der
Dissoziation
von
Essigsäure
CH3COO-
und
H+
in
gleichen
Konzentrationen auftreten, gilt:
CH3COO-  =  H + 
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Eingesetzt folgt:
2
 H + 
KS =
 CH3COOH 
Da Essigsäure nur zu einem sehr geringen Prozentsatz dissoziiert ist, kann man zur
Vereinfachung annehmen, dass sich die Konzentration an nicht dissoziierter
Essigsäure nicht merklich von der Anfangs-Essigsäurekonzentration unterscheidet
und diese Konzentrationen gleichsetzen.
2
 H + 
KS =
CH3COOH Anfang
Löst man nach der Konzentration der H+-Ionen auf, ergibt sich:
 H +  = K S   CH 3COOH Anfang
Logarithmiert man diese Formel, erhält man auch für schwache Säuren den pH-Wert:
pH = -lg  H +  = -lg


K S   CH 3COOH Anfang =

1
pK S - lg CH 3COOH Anfang
2

Bsp.: pH-Wert der 1M Essigsäure (pKS = 4,74)
Also ergibt sich für den pH-Wert:
pH =


1
1
pK S - lg  CH 3COOH Anfang =  4,74-lg1 = 2,37
2
2
pH-Berechnung für Basen
Da in basischen Lösungen die OH--Ionen und nicht die H+-Ionen den chemischen
Charakter der Lösung bestimmen, ist es bei diesen notwendig, zunächst die
Konzentration der OH--Ionen und daraus den pOH zu bestimmen. Aus diesem Wert
kann mit Hilfe des Ionenprodukts des Wassers der pH-Wert folgendermaßen
bestimmt werden:
14 = pH + pOH
 pH = 14 - pOH
pH-Berechnung für starke Basen
Analog den vorhin erwähnten Überlegungen bezüglich des chemischen Verhaltens
starker Säuren, kann auch bei starken Basen davon ausgegangen werden, dass sie
zu 100% dissoziieren. Man kann also ebenfalls Folgendes annehmen:
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
[A-] = [OH-]
Daraus ergibt sich der pOH- und somit der pH-Wert.
Bsp.: pH-Wert einer 1M NaOH-Lösung
Für die OH--Konzentration gilt:
[OH-] = [NaOH] = 1 mol/l
Also ergibt sich für den pOH-Wert:
pOH = - lg 1 = 0
Mit dem Ionenprodukt des Wasser ergibt sich der pH:
pH = 14 – pOH = 14 – 0 = 14
pH-Berechnung für schwache Basen
Schwache Basen verhalten sich ebenfalls analog zu schwachen Säuren. Man kann
also alle Annahmen und daraus abgeleiteten Formeln übernehmen, wenn man
folgende Parameter ersetzt:
KS → KB
pKS → pKB
[H+] → [OH-]
pH → pOH
Man muss ebenfalls beachten, dass die oben abgeleiteten Gleichungen für die
Dissoziation einer Säure in Wasser gelten und dem entsprechend das MWG
aufgestellt wurde.
Jetzt wird die Dissoziation einer Base in Wasser behandelt, also folgende Reaktion:
A- + H2O
HA + OH-
Das MWG für diese Reaktionsgleichung lautet:
KB =
 HA  OH - 
 A - 
Der pOH-Wert ergibt sich folglich aus:
pOH = -lg OH -  = -lg

K B   A - 
 = 12  pK - lg A  
-
Anfang
B
Anfang
Dann kann der pH-Wert wie bereits gezeigt aus dem Ionenprodukt des Wassers
berechnet werden.
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Bsp.: pH-Wert für 1M Acetat-Lösung
Zur
Berechnung
des
pOH = -lg OH -  = -lg

pOH
verwendet
man
 
1
K B   A - 
=
pK B - lg  A - 
Anfang
Anfang
2
folgende
Formel:

Wie man sieht, benötigt man analog zur pH-Berechnung bei schwachen Säuren den
KB- bzw. den pKB-Wert. Diese sind in der Literatur nur selten angegeben, da sie sich
leicht aus dem KS- bzw. pKS-Wert der korrespondierenden schwachen Säure
ableiten lassen.
Ähnlich dem pH- und pOH-Wert besteht auch hier eine Beziehung über das
Ionenprodukt des Wassers:
K B  KS = 10-14
pK B + pKS = 14
Im
Fall
der
Essigsäure
ergibt
sich
der
pKB
des
Acetat
zu:
pK B (Acetat) = 14 - pKS (Essigsäure) = 14 - 4,74 = 9,26
Nun kann der pOH berechnet werden:
pOH =


1
1
pK B - lg  A - 
=  9,26 - lg1 = 4,63
Anfang
2
2
Damit ergibt sich für den pH-Wert:
pH = 14 - pOH = 14 - 4,63 = 9,37
Titrationskurven
Bisher wurden nur Lösungen beschrieben, in denen entweder eine Säure oder eine
Base vorlag. Wie schon in Kurstag 1 beschrieben, reagieren Säuren und Basen in
einer Neutralisationsreaktion miteinander. Dieses Prinzip macht man sich in der
Maßanalyse – bei der Titration – zu Nutze.
Ebenso kann die Titration genutzt werden, um eine unbekannte Säure oder Base
bezüglich ihrer Stärke, Wertigkeit und auf einen geeigneten Indikator (für die
quantitative Analyse) hin zu überprüfen. Zu diesem Zweck ist es notwendig, den
gesamten Verlauf der Titration in Form einer Titrationskurve zu visualisieren. Dies
kann entweder im Labor mit Hilfe eines pH-Meters (s.u.) oder – wenn der AnfangspH bekannt ist – durch theoretische Berechnung geschehen.
Titrationskurven erhält man, indem man den pH-Wert der zu untersuchenden Lösung
während des gesamten Titrationsvorganges bestimmt und ihn in einem Diagramm
gegen das zugegebene Volumen (in ml) der Maßlösung aufträgt:
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
In den Diagrammen lassen sich 4 bzw. 3 wichtige Punkte erkennen:
1) Anfangs-pH-Wert der Analyse: hier wurde noch keine Maßlösung zugegeben
2) Nur bei schwachen Säuren! Halbäquivalenzpunkt: es wurde genau soviel
Maßlösung hinzugegeben, dass der pH-Wert der Lösung dem pKS-Wert bzw.
pKB-Wert der Analysensubstanz entspricht.
3) Äquivalenzpunkt: hier wurde gerade so viel Maßlösung zugegeben, dass sich
gleich viele Maßlösung-Teilchen wie Analyse-Teilchen (gleiche Stoffmengen)
in der Lösung befinden. Der Äquivalenzpunkt entspricht dem Endpunkt bei
quantitativer Titration.
4) End-pH: wenn der Äquivalenzpunkt überschritten wurde, trägt nur noch die
Maßlösung zu einer pH-Änderung bei. Gibt man weitere Maßlösung hinzu, so
nähert sich der pH-Wert der Lösung dem pH-Wert der reinen Maßlösung an.
pH-Wert-Berechnung bei Titrationen
Bezüglich der pH-Wert-Berechnung bei Titrationen sind zwei Fälle zu unterscheiden:
1) Man titriert eine starke Säure mit einer starken Base oder umgekehrt.
2) Man titriert eine schwache Säure mit einer starken Base oder umgekehrt.
Im Weiteren werden die Berechnungen am Beispiel der Titration von Säuren mit
Basen erläutert.
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Im ersten Fall liegt die starke Säure in der zu analysierenden Lösung vollständig
dissoziiert vor. In der Lösung ist also eine der Stoffmenge der Säure entsprechende
Stoffmenge H+-Ionen vorhanden.
Die pH-Änderung im Laufe der Titration wird verursacht durch das Verschwinden von
H+-Ionen nach folgender Reaktion:
H+ + OH-
H2O
Um den pH-Wert zu einem beliebigen Zeitpunkt zu berechnen, ist es notwendig, die
H+-Ionen-Konzentration an diesem zu bestimmen. Da die zugegebenen OH --Teilchen
im Verhältnis 1:1 (s.o.) mit den H+-Teilchen reagieren, kann man aus der Stoffmenge
der zugegebenen OH--Teilchen auf die Anzahl der neutralisierten H+-Teilchen
rückschließen. Da die Konzentration und das Volumen der zugegebenen Maßlösung
bekannt sind, kann man diese Stoffmenge leicht mit Hilfe der Formel 1.2 [n=cV]
ausrechnen. Nun weiß man, wie viele H+-Teilchen neutralisiert wurden.
Aus dem Anfangs-pH lässt sich wie oben beschrieben, die Anfangskonzentration und
damit nach Formel 1.2 die anfängliche Stoffmenge an H +-Ionen in der Analyselösung
bestimmen.
Von dieser Stoffmenge (also der anfänglichen Anzahl an H +-Ionen) wird die Anzahl
der neutralisierten H+-Teilchen abgezogen und man erhält die Anzahl an sich noch in
der Analyse befindlichen H+-Teilchen.
Diese Stoffmenge der H+-Teilchen kann mit Hilfe der Formel 1.2 und dem aktuellen
Gesamtvolumen der Analyse in eine H+- Konzentration umgerechnet werden. Aus
der Konzentration ergibt sich dann der pH-Wert (s.o.).
Nach diesem Schema kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Titration der pH-Wert
berechnet werden.
Im zweiten Fall liegt die schwache Säure nur zu einem geringen Teil dissoziiert vor.
Die H+-Ionen-Konzentration entspricht also nicht der Anfangskonzentration der
Säure.
Bei Titration mit OH--Ionen werden von diesen ebenfalls H+-Ionen der Essigsäure
neutralisiert:
HAc + OH-
H2O + Ac-
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15
Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Aber das dabei entstehende Acetat-Ion reagiert wie oben erwähnt basisch, d.h. es ist
in der Lage, Protonen vom Wasser aufzunehmen und dadurch wieder OH --Ionen zu
erzeugen. Das Gleichgewicht der Gesamtreaktion liegt nicht – wie bei starken
Säuren – ganz auf der rechten Seite, wir müssen also die Rückreaktion
berücksichtigen.
Die Schwierigkeit ist es nun, die Konzentration der den pH-Wert bestimmenden H+Ionen in der zu analysierenden Lösung
zu berechnen. Hierzu betrachten wir
zunächst das Dissoziationsgleichgewicht der Essigsäure:
H3O+ + Ac-
HAc + H2O
Wie bereits erwähnt, kann die Gleichgewichtslage durch das MWG beschrieben
werden:
CH3COO-   H3O+ 
KS = 
CH3COOHnicht dissoziiert
Um das unbequeme Rechen mit negativen Zehnerpotenzen zu vermeiden, ist man
übereingekommen, die Gleichung zu logarithmieren.
Man erhält dann:
CH3COO- 
lgKS = lg H3O  + lg
CH3COOHnicht dissoziiert
+
Mit folgenden Definitionen:
-lgKS = pKS und -lg  H +  = pH
Die Gleichung vereinfacht sich dann zu:
pKS = pH - lg
CH3COO- 
CH3COOHnicht dissoziiert
oder
CH3COO- 
pH = pKS + lg
CH3COOHnicht dissoziiert
Die Gleichung heißt Henderson-Hasselbalch-Gleichung und wird zur Berechung von
pH-Werten und pK-Werten schwacher Säuren bei Mischung mit Basen und bei
Puffern (siehe Kurstag 3) verwendet. Der pH wird ausschließlich vom Verhältnis
Acetat zu Essigsäure bestimmt.
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Wendet man die Henderson-Hasselbalch-Formel bei Titrationen an, kann man mit ihr
jeden beliebigen pH-Wert nach dem Anfangswert (nur reine Säure) und vor dem
Äquivalenzpunkt (wenn nur noch die korrespondierende Base vorliegt) berechnen.
Verwendet man in beiden Fällen der Titration relativ zur Analyse hoch konzentrierte
Maßlösungen, so kann die Volumenzunahme durch Zugabe der Maßlösung
vernachlässigt werden.
Bsp.: Mischung 50ml einer 0,2M Essigsäure mit 50ml einer 0,02M NaOH-Lösung
Um den pH-Wert zu berechnen, benötigt man die Konzentration an entstandenen
Acetat-Ionen. Diese lässt sich aus der Anfangskonzentration der Essigsäure und der
zugegebenen NaOH-Lösung berechnen.
Die Anfangskonzentrationen vor der Reaktion (!) sind – da das Volumen durch die
Mischung der Lösungen verdoppelt wurde – nur noch halb so groß wie die
Konzentrationen der Ausgangslösungen:
c(EssigsäureAnfang) = 0,1M
c(NaOHAnfang) = 0,01M
Jedes zugegebene NaOH-Teilchen erzeugt ein Acetat-Ion, folglich muss die
Konzentration an Acetat nach der Reaktion gleich der Anfangskonzentration der
NaOH-Teilchen sein: c(Acetat) = c(NaOHAnfang) = 0,01M
Da die Acetat-Teilchen aus den Essigsäure-Molekülen entstehen, muss deren
Konzentration nach der Reaktion um die Konzentration der Acetat-Teilchen
abgenommen haben:
C(Essigsäurenicht dissoziiert) = c(EssigsäureAnfang) - c(Acetat) = 0,09M
Mit dem bekannten pKS-Wert kann man den pH-Wert berechnen:
CH3COO- 
0,01M
pH = pKS + lg
= 4,74 + lg
= 4,74 - lg9  3,4
0,09M
CH3COOHnicht dissoziiert
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Beispiele für Titrationskurven starker und schwacher Säuren
1.) Titration von 100 ml 0,1M HCl mit 1M NaOH:
zugegebene
noch vorhandene
pH
ml 1M NaOH
Konzentration an HCl [M]
0
0,1
1
5
0,05
1,3
9
0,01
2
9,9
0,001
3
9,99
0,0001
4
0,1M HCl hat nach der Definition des pH-Wertes einen pH = 1.
Bei der Titration findet folgende Reaktion statt:
HCl + NaOH  NaCl + H2O
Versetzt man die 100 ml 0,1M HCl mit 5 ml 1M NaOH, so wird nach dieser
Reaktionsgleichung die Hälfte der HCl umgesetzt, die Lösung ist jetzt nur noch
0,05M an HCl bzw. H+-Ionen, entsprechend einem pH von 1,3.
Gibt man insgesamt 9 ml 1M NaOH zu, so ist die Lösung nur noch 0,01M an HCl
bzw. an H+-Ionen entsprechend einem pH von 2. Für die Zugabe von 9,9 ml ergibt
sich entsprechend ein pH von 3, für die Zugabe von 9,99 ml ein pH von 4.
Man erkennt, dass in der Nähe des Äquivalenzpunktes eine kleine Laugenmenge
eine große pH-Änderung hervorruft. Trägt man die Werte in ein Diagramm ein, so
erhält
man
die
Titrationskurve
einer
starken
einprotonigen
Säure.
Der
Äquivalenzpunkt liegt für starke Säuren exakt bei pH 7. Gibt man über den
Äquivalenzpunkt hinaus weiter 1M NaOH zu, so wird der pH ausschließlich durch die
Zunahme der OH--Ionen bestimmt
Charakteristisch für diese Titrationskurven ist der sehr flache Anstieg am Anfang und
der steile Anstieg in der Nähe des Äquivalenzpunktes. Der Äquivalenzpunkt für
starke Säuren liegt immer im Neutralen also bei pH=7.
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
2.) Titrationskurve von 100 ml 0,1M Essigsäure mit 1M NaOH
Als Indikatoren für diese Titration sind alle Verbindungen geeignet, die ihren
Farbumschlag im pH-Bereich von 4-10 haben. In das Diagramm (bei Titration von
mehrprotonigen Säuren) eingezeichnet ist der Umschlagsbereich von Methylorange.
Die Änderung des pH-Wertes während der Titration muss hier mit Hilfe der
Henderson-Hasselbalch-Gleichung berechnet werden:
[CH3COO- ]
pH = pK S + lg
[CH3COOH]nicht dissoziiert
Zugegebene
ml noch vorhandene
pH
1M NaOH
Konzentration an HAc [M]
0
0,1
2,87
1
0,09
3,79
2
0,08
4,15
5
0,05
4,74
9
0,01
5,69
9,9
0,001
6,74
9,99
0,0001
7,74
Charakteristisch ist ein kurzer steiler Anstieg zu Beginn der Titration, da noch keine
Acetat-Ionen vorhanden sind. Darauf folgt um den pKs-Wert ein Bereich, in dem die
Kurve nahezu horizontal verläuft. Dieser Bereich beruht auf der hier auftretenden
Pufferwirkung (siehe Kurstag 3). Nahe dem Äquivalenzpunkt folgt der, schon von
starken Säuren bekannte, sprunghafte Anstieg. Der Äquivalenzpunkt schwacher
Säuren liegt im Alkalischen.
Aus einer experimentell aufgenommenen Titrationskurve einer unbekannten
schwachen Säure lässt sich sehr einfach der pK-Wert bestimmen, indem man den
pH-Wert bei Halbneutralisation bestimmt. An diesem Punkt ist pH = pK (siehe oben).
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
3.) Titration von mehrprotonigen schwachen Säuren
Bei der Titration einer mehrprotonigen schwachen Säure mit Natronlauge werden die
H+-Ionen in der Regel schrittweise abgegeben.
Bei
der Titration z.B. der Phosphorsäure H3PO4 erhält man etwa folgende
Titrationskurve:
H3PO4 hat dann entsprechend 3 Äquivalenzpunkte, 3 pK-Werte und auch 3
Pufferbereiche (siehe Kurstag 3).
Wirkungsweise der Farbindikatoren
Die bei der maßanalytischen Bestimmung von Säuren und Basen verwendeten
Indikatoren sind organische, teilweise sehr kompliziert aufgebaute, schwache Säuren
bzw. Basen, deren undissoziierte Form eine andere Farbe besitzt als die dissoziierte
Form.
rot
HA
gelb
H+ + A-
Methylorange
Ihre Wirkungsweise, d.h. die Ursache des Farbumschlags soll am Beispiel des pNitrophenols erläutert werden:
p-Nitrophenol
ist
wie
alle
Phenole
eine
schwache
Säure
mit
einer
Dissoziationskonstante von ungefähr 10-7. Die undissoziierte Form ist praktisch
farblos, die dissoziierte Form tiefgelb. Der Umschlag erfolgt um den Neutralpunkt:
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20
Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Mit Hilfe eines einzelnen Indikators lässt sich lediglich feststellen, ob der pH-Wert
einer Lösung unterhalb oder oberhalb seines Umschlagsbereichs liegt. Verwendet
man Indikatoren, um bei Titrationen den Äquivalenzpunkt zu ermitteln, ist darauf zu
achten,
dass der Umschlagspunkt
des Indikators mit dem
pH-Wert des
Äquivalenzpunktes übereinstimmt.
Verwendet man dagegen ein Gemisch verschiedener Indikatoren mit abgestuften
Umschlagsbereichen, so erhält man für jeden pH-Wert eine charakteristische
Mischfarbe (Indikatorpapier).
Säure-Base-Wirkung von Salzen
Säure und Basen gibt es nicht nur in Lösungen, sondern es existieren auch saure
bzw. basische Salze (Kristalle). Diese enthalten dann mindestens ein Ion, das beim
Lösen des Salzes in Wasser mit diesem sauer oder basisch reagiert und damit in der
Lösung OH-- bzw. H+-Ionen erzeugt.
Allgemein gilt:
Salze aus schwacher Säure und starker Base reagieren alkalisch (CH 3COO-Na+),
Salze aus starker Säure und schwacher Base reagieren sauer (NH 4Cl). Salze aus
starker Säure und starker Base reagieren neutral (NaCl). Salze aus schwacher
Säure und schwacher Base reagieren in etwa neutral (NH 4+CH3COO-). Da das NH4+Ion fast genauso stark sauer wirkt wie das CH3COO--Ion basisch, gleichen sich beide
in ihrer Wirkung in etwa aus.
Beispiele:
1.) Natriumacetat in Wasser gelöst.
2.) Ammoniumchlorid in Wasser gelöst:
Eine wässrige Lösung von NH4Cl reagiert schwach sauer. Das NH4+-Ion gibt
als schwache Säure H+-Ionen an das Wasser ab:
NH4+ + H2O
H3O+ + NH3
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
1. Aktuelle und potentielle Acidität
In einer 0,1M Essigsäure beträgt die H+ -Ionen Konzentration nur 1,34 ∙ 10-3 M, es
sind also nur 1,34 % der gelösten Essigsäuremoleküle in H+ und CH3COOdissoziiert. Wenn man diese 0,1M Essigsäure mit NaOH titriert, könnte man zunächst
annehmen, dass nur diese 1,34% H+-Ionen bei der Titration erfasst werden.
Tatsächlich wird jedoch die gesamte Menge an Essigsäure erfasst, weil die aus dem
Dissoziationsgleichgewicht entfernten H+-Ionen sofort durch Dissoziation neuer
Essigsäuremoleküle nachgeliefert werden.
1 mol Essigsäure liefert bei der Titration mit NaOH auch 1 mol H +-Ionen. Diese sich
aus der Konzentration der Säure ergebende Menge an H +-Ionen bezeichnet man als
potentielle Acidität. Diejenige Menge an H+-Ionen, die sich in einer wässrigen
Essigsäurelösung befindet, bezeichnet man als aktuelle Acidität. Für starke Säuren
sind aktuelle und potentielle Acidität identisch.
Beispiel:
0,1M HCl
potentielle Acidität → 0,1 mol/l
aktuelle Acidität
0,1 N Essigsäure
→ 0,1 mol/l
potentielle Acidität → 0,1 mol/l
aktuelle Acidität
→ 1,34 ∙ 10-3 mol/l
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22
Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Neue Geräte und Arbeitsweisen
pH-Messung mit der Glaselektrode am pH-Meter
Exakte pH-Wert-Messungen werden heute am einfachsten mit
einer Glaselektrode und einem pH-Meter durchgeführt. Das
Prinzip dieser Messung ist relativ kompliziert und kann hier
nur angedeutet werden.
Die Glaselektrode besteht aus einem Glasrohr, an dessen
unterem
Ende
einen
sehr
dünnwandige
Glaskugel
angeschmolzen ist. Die Elektrode ist gefüllt mit einer Lösung
eines Salzes (KCl). In diese Lösung taucht eine Pt-Elektrode
zur Messung der Potenzialdifferenz ein. Taucht man diese
Elektrode in eine Lösung ein, dann bildet sich an der sehr
dünnwandigen Glasmembran ein Membranpotenzial aus. Dieses Membranpotenzial
ist abhängig von der H+-Ionenkonzentration der Lösung, in die sie eintaucht. Durch
Messung dieses Potenzials und entsprechender Eichung lässt sich so der pH-Wert
einer Lösung sehr gut und einfach messen.
Beim Arbeiten mit der Glaselektrode müssen einige Dinge beachtet werden:
1. Die Glaskugel der Elektrode darf nie austrocknen, sondern muss zwischen den
Messungen immer in der mit KCl-Lösung gefüllten Schutzkappe aufbewahrt
werden.
2. Vor und nach jeder Messung muss die Glaskugel der Elektrode immer gut mit
destilliertem Wasser gespült werden.
3. Während den Messungen ist darauf zu achten, dass die Glaskugel ohne
Kontakt zur Gefäßwand ständig von der Analysenlösung bedeckt ist. Des
Weiteren ist darauf zu achten, dass der Rührfisch während der Messung nicht
gegen die Elektrode schlägt.
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Vorfragen
1. Wann entspricht bei der Titration einer schwachen Säure der pH-Wert dem
pKS-Wert?
2. Warum liegt der Äquivalenzpunkt bei der Titration einer starken Säure bei 7?
Wo liegt er bei einer schwachen Säure und warum?
3. Wie lautet das Prinzip von Le Chatelier? Wie kann man es auf Säure-BaseReaktionen übertragen, wie auf Titrationen?
Übungsaufgaben
1. Berechnen Sie den pH-Wert von 0.2M HCl und 0.1M H2SO4 und vergleichen
Sie die Ergebnisse.
2. Im Gastrointestinal-Trakt herrschen in den unterschiedlichen Abschnitten
unterschiedliche pH-Werte. Warum?
Berechnen Sie zu den angegebenen Konzentrationen die zugehörigen pHWerte:
OH--Konzentration [M]
Mundregion
Speiseröhre
Magen
Duodenum
1,59 ∙ 10-7

10-7
Nahrung

Darm
H+-Konzentration [M]
0,01
2,51 ∙ 10-6
10-6
3. Warum ist bei folgender Tabelle der pKS2-Wert jeweils höher als der pKS1Wert?
Name
pKS1
pKS2
pKS3
Fumarsäure
3,02
4,39
-
Oxalsäure
1,42
4,29
-
Zitronensäure
3,06
4,74
5,39
4. Sie geben 10ml einer 2M H2SO4 zu 290ml Wasser. Wie groß ist der pH-Wert?
5. Was für einen pH-Wert hat eine Mischung aus 2M Essigsäure und 5M
Natriumacetat-Lösung?
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Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
Durchführung
1. Aufgabe
Aufnahme der Titrationskurve einer 0,2M Essigsäure im Vergleich zu einer 0,2M HCl
(Versuch wird 2x pro Tisch durchgeführt)
In einem 150ml Becherglas stellt man ca. 60 ml 0,2M Essigsäure (hergestellt aus 2M
Essigsäure aus dem Regal) her und titriert diese Lösung unter Rühren auf dem
Magnetrührer mit der ausstehenden 0,4M Natronlauge.
Dabei wird der pH-Wert im Anfangs- und Endbereich (hier ändert sich der pH-Wert
relativ stark) nach der Zugabe von jeweils 1 ml 0,4M NaOH, im Mittelbereich nach
der Zugabe von jeweils 2 ml NaOH mit Hilfe einer Glaselektrode gemessen und
notiert.
Die Messung wird beendet, wenn der pH-Wert ca. 13 erreicht hat. (Warum?)
Die gemessenen pH-Werte werden nun in ein Koordinatensystem eingetragen
(Ordinate: pH-Wert; Abszisse: zugegebenes Volumen (ml) 0,4M NaOH). Die
erhaltenen Punkte werden durch eine Kurve verbunden: Man erhält so die
Titrationskurve der Essigsäure, die für schwache Säuren charakteristisch ist. Aus der
Kurve liest man den Äquivalenzpunkt ab.
Anschließend nimmt man analog die Tirationskurve einer 0,2M HCl (hergestellt aus
2M HCl vom Regal) mit 0,4M NaOH auf und trägt die gemessenen pH-Werte in das
gleiche Diagramm ein.
Der Versuch wird pro Tisch nur 2x durchgeführt.
Geben Sie an, wo der Pufferbereich abgelesen werden kann. Welchen Indikator
würde man für eine Titration mit Natronlauge nehmen?
2. Aufgabe: Neuer Versuch. Falls Sie damit Probleme haben, bitte an Assistenten
wenden.
In diesem Versuch werden die Salze
Formel
Natriumacetat,
____________
Natriumhydrogenphosphat
____________
Natriumdihydrogenphosphat,
____________
Natriumcarbonat
____________
Ammoniumsulfat
____________
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25
Kurstag 2: Maßanalyse 2.Teil
in Wasser gelöst und der pH-Wert mit Hilfe eines pH-Papiers geprüft. Falls das pHMeter frei ist, können die Werte mit Hilfe der Glaselektrode bestimmt werden.
Na-Acetat
pKs
4.8
Na-hydrogen-
Na-dihydrogen-
phosphat
phosphat
pK1:2.0
pK1:2.0
pk2: 7.2
pk2: 7.2
pK3: 12.0
pK3: 12.0
Na-carbonat
Ammoniumsulfat
10.4
9.2
pKB
pHgem
pHber.
Formeln für die Berechnung (Lösungen werden als 1 M angenommen.
für basisches Salz: pH = 14-1/2(pKB-log [Base])
für saures Salz:
pH = ½(pKs)-log [Säure]).
Vorgehensweise: Eine Spatelspitze des Salzes wird in ca. 1ml Wasser (fast
vollständig) gelöst (evt. schütteln) und danach der pH-Wert gemessen.
Entsorgung
Die verwendeten Lösungen sind in den verwendeten Mengen nicht umweltbelastend
und können dem Abwasser beigegeben werden.
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