Universität Hohenheim Fakultät V – Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Institut für Sozialwissenschaften Lehrstuhl Wirtschaftspsychologie Prof. Dr. Heinz Schuler Handout zum Wirtschaftspsychologie-Seminar im SS 2003 „PERSONALENTWICKLUNG“ Leitung: Dipl.-Psychologe Benedikt Hell THEMA: Überblick und Wiederholung Lerntheorien Marcus Peschl Panoramastr. 18 71576 Burgstetten Matrikelnummer: 0276609 Tel.: 0177-3192184 [email protected] Überblick und Wiederholung Lerntheorien 2 INHALSTVERZEICHNIS 1. Überblick und Klassifizierung der Lerntheorien .......................................................... 3 2. Behavioristisch orientierte Lerntheorien ........................................................................ 3 2.1 Klassische Konditionierung: Erlernen von Signalen ................................................... 3 2.2 Operante Konditionierung: Lernen anhand von Konsequenzen.................................. 6 3. Kognitionspsychologisch orientierte Lerntheorien........................................................ 9 3.1 Beobachtungslernen/Sozial-kognitive Lerntheorie ..................................................... 9 3.2 Konstruktivistische Lerntheorie .................................................................................. 10 4. Fazit .................................................................................................................................... 11 5. Literatur ............................................................................................................................ 12 Überblick und Wiederholung Lerntheorien 3 1. Überblick und Klassifizierung der Lerntheorien Im Rahmen der Lerntheorien können in einer recht grob gehaltenen Klassifizierung zum einen Lerntheorien der Behavioristischen Denkschule wie das klassische und operante Konditionieren, zum anderen solche aufgeführt werden, die den kognitionspsychologischen Vorstellungen im weiteren Sinn zuzurechnen sind. Als Vertreter der letztgenannten Kategorie soll auf das Beobachtungslernen und die konstruktivistischen Ansätze eingegangen werden. 2. Behavioristisch orientierte Lerntheorien Nach den Vorstellungen J. B. Watsons, Begründer des Behaviorismus, ist nur das beobachtbare, „äußere“ Verhalten (behavior = Verhalten) relevant. Der Organismus wird als „black box“ betrachtet und demzufolge Introspektion als Erkenntnismethode abgelehnt. Behavioristisch geprägte Lerntheorien stellen auf die äußeren Bedingungen des Lernens (Reize oder Konsequenzen) ab. 2.1 Klassische Konditionierung: Erlernen von Signalen Bei der klassischen Konditionierung erfolgt das Lernen durch Stimulusgestaltung. Das Paradigma des von I. Pawlow erstmals beobachteten Prinzips des klassischen Konditionierens ist in Abb. 1 dargestellt. Vor der Konditionierung löst der unkonditionierte Stimulus (US) (auch: natürlicher (ungelernter) Reiz) wie bspw. Nahrung spontan die unkonditionierte Reaktion (UR) (auch: natürliche Reaktion) etwa Speichelfluss aus. Es handelt sich dabei um eine angeborene Reiz-Reaktions-Verbindung. Ein neutraler Stimulus (NS), bspw. ein Ton, führt nicht zu einem solchen Effekt (stattdessen erfolgt nur eine Orientierungsreaktion, etwa Spitzen der Ohren/Drehen des Kopfes). Im Rahmen der Konditionierung wird der neutrale Stimulus mehrmals zusammen mit dem unkonditionierten, natürlichen Stimulus vorgegeben. Durch eben jene Kopplung mit dem US wird der NS ein konditionierter Stimulus (CS). Dieser selbst führt nun zu einer konditionierten Reaktion (CR), die der unkonditionierten Reaktion (UR) ähnlich ist. Im Original-Experiment von I. Pawlow war vor der Konditionierung Speichelfluss bei Hunden lediglich durch Nahrung auszulösen. Ein vorgegebener Ton führte nur zu einer Orientierungsreaktion des Hundes; nach der Konditionierung führte auch die Darbietung eines ehemals neutralen Tongeräusches zum Speichelfluss, weil dieser Ton während der Konditionierung mehrmals mit der Futtergabe (Fleisch- Überblick und Wiederholung Lerntheorien 4 pulver) gekoppelt wurde. Später setzten diese Sekretionen sogar beim Hören der Schritte des Futtergebers ein. Vor Konditionierung Neutraler Reiz (Ton) NS Orientierungsreaktion US (Fleischpulver im Maul) UR (Speichelfluss) Konditionierung Neutraler Reiz (Ton) CS + US (Fleischpulver) CR (Speichelfluss) Nach Konditionierung CS (Ton) CR (Speichelfluss) Abbildung 1: Das Paradigma der klassischen Konditionierung (Zimbardo & Gerrig, 1999). Hinsichtlich des Erwerbs von konditionierten Reaktionen ist bei der klassischen Konditionierung die Kontiguität, also die zeitliche Nähe zwischen unkonditioniertem und konditioniertem Reiz entscheidend. Dabei werden folgende Zeitmuster unterschieden: Tritt der konditionierte Reiz vor (nach) dem unkonditionierten Reiz auf, spricht man von vorwärtsgerichteter (rückwärtsgerichteter/retrograder) Konditionierung. Beim gleichzeitigen Konditionieren treten beide Reize zur gleichen Zeit auf. Üblicherweise kommt die vorwärtsgerichtete Konditionierung zum Einsatz. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Verzögerte vorwärtsgerichtete Konditionierung (konditionierter Reiz dauert an, bis der unkonditionierte auftritt) oder aber es besteht ein zeitlichen Abstand zwischen Ende des konditionierten und dem Beginn des unkonditionierten Reizes. Die Ergebnisse sind bei der vorwärtsgerichteten Konditionierung am besten, darüber hinaus ist es vorteilhaft, wenn ein kurzes Intervall zwischen beiden Reizen liegt. Bei der gleichzeitigen Konditionierung ergeben sich mäßige, bei der rückwirkenden die schlechtesten Resultate. Bezüglich der Intensität wurde festgestellt, dass die Konditionierung umso schneller auftritt, je intensiver der neutrale Reiz (NS) ist, welcher zum CS wird, und je größer der Kontrast zu sonstigen Umwelteinflüssen ist. Überblick und Wiederholung Lerntheorien 5 Bei der Untersuchung von Konditionierungsprozessen interessiert nicht nur der Erwerb, sondern auch der weitere Verlauf konditionierter Reaktionen. Während der Konditionierung (CS + US = Kopplung) steigt die Reaktion (CR) auf den konditionierten Reiz CS an. Wird der CS nicht länger gekoppelt mit dem US dargeboten, so sinkt die CR im Zeitablauf auf die ursprüngliche Rate ab (Löschung/Extinktion). Das ohne weiteres Lernen, nach einer Erholungsphase beobachtbare Wiederauftreten der (scheinbar gelöschten) Reaktion bezeichnet man als spontane Erholung. Im weiteren Zeitablauf ist jedoch ein schnelles Nachlassen der CR zu beobachten, wenn es nicht wieder zur Kopplung von US und CS kommt. Allerdings gewinnt die konditionierte Reaktion bei erneuter Konditionierung schneller an Stärke als ursprünglich (Ersparnis i. S. eines schnelleren Wiederlernens). Die vollständige Löschung einer konditionierten Reaktion scheint schwieriger als deren Erwerb zu sein. Reizgeneralisierung liegt vor, wenn es zu einer Ausweitung der konditionierten Reaktion auf neue (ähnliche) Reize kommt, ohne dass diese in zeitlicher Kopplung mit dem ursprünglichen unkonditionierten Reiz aufgetreten sind. Je größer die Ähnlichkeit zwischen dem neuen und dem konditionierten Reiz ist, desto stärker die Reaktion. Allerdings ist eine zu große Ausweitung auch nicht wünschenswert. Es muss eine Grenze gezogen werden; tatsächlich erfolgt eine Reizdiskriminierung, d. h. auf Reize, die sich vom ursprünglichen konditionierten Reiz bezüglich bestimmter Dimensionen (z. B. Unterschiede in der Tonhöhe) unterscheiden, wird anders reagiert. Überreaktionen und übertriebene Selektivität sind Ausprägungen fehlerhafter „Grenzziehungen“. Durch die Konditionierung ist der konditionierte Reiz zu einem „Stellvertreter“ des unkonditionierten Reizes geworden; er löst die gleiche Reaktion aus. Gelingt es wiederum, dass ein neutraler Stimulus dadurch zum konditionierten Stimulus wird, dass er mit einem bereits erfolgreich etablierten Stimulus gekoppelt wird, nennt man diesen Prozess Konditionierung zweiter Ordnung (allgemein: Konditionierung höherer Ordnung). Beim Ausgangspunkt des Paradigmas der klassischen Konditionierung muss es sich also nicht mehr zwangsweise um einen natürlichen Reiz handeln, diese Funktion kann auch ein etablierter Stimulus übernehmen. So sind Verhaltensreaktionen durch Reize kontrollierbar, deren Wirksamkeit entweder naturgegeben oder lernbedingt ist (Erweiterung des Bereichs der klassischen Konditionierung). Im Rahmen der Gegenkonditionierung wird gegen bereits vorhandene Reiz- Reaktionsverbindungen vorgegangen. In diesem Zusammenhang sei auf zwei bekannt gewordene historische Experimente hingewiesen („Little Albert“ – konditionierte Furcht und „Kleiner Peter“ – Abbau von Angst). Überblick und Wiederholung Lerntheorien 6 2.2 Operante Konditionierung: Lernen anhand von Konsequenzen Bei der von B. F. Skinner v. a. bei Versuchen mit Ratten in der sog. Skinner-Box entdeckten operanten Konditionierung erfolgt das Lernen durch Konsequenzgestaltung. Es werden also die Konsequenzen eines zuvor gezeigten Verhaltens manipuliert, um zu ermitteln, welchen Effekt diese auf das nachfolgende Verhalten haben. Dabei wird jegliches Verhalten, das ein Organismus (freiwillig) zeigt, als Operant bezeichnet. Diese Lernart heißt operante Konditionierung, da unter best. Bedingungen (Konditionen), nämlich je nach Art der Konsequenzen, die Auftretenswahrscheinlichkeit dieser operanten Verhaltensweisen erhöht oder gesenkt wird. Sie wird auch instrumentelles Lernen genannt, weil das Verhalten das Instrument oder Mittel darstellt, welches die entsprechende Konsequenz hervorruft. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen klassischer und operanter Konditionierung. Bei ersterer wird eine Reaktion erst durch Reize ausgelöst; letztgenannte dagegen betrifft vom Organismus gewissermaßen freiwillig gezeigtes Verhalten. Skinner unterscheidet verschiedene Formen der Konsequenzgestaltung und des instrumentellen Lernens (s. Tab. 1 und 2). Verstärkung ist ein Reiz, der die Wahrscheinlichkeit des (erneuten) Auftretens einer Verhaltensweise erhöht (Aufbau eines Verhaltens). Dieser Verstärker kann positiv sein (wirksam durch seine Darbietung) oder negativ (wirksam durch seinen Entzug). In diesem Zusammenhang muss auf eine Besonderheit des Sprachgebrauchs hingewiesen werden: Der Begriff „positiv“ meint hier Auftreten oder Darbietung einer Konsequenz und „negativ“ bedeutet Verschwinden oder Entzug der Konsequenz; sie sind also nicht wertend. Die Bestrafung dagegen reduziert die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens eines Verhaltens (Abbau des Verhaltens). In Tab. 1 sind vier Konsequenzgestaltungsmöglichkeiten aufgeführt, bei denen angenehme und unangenehmen Reize zu einer Situation entweder hinzugefügt oder aus dieser entfernt werden. Anders ausgedrückt, bedeutet Verstärkung, dass auf das erwünschte Verhalten ein angenehmer Reiz folgt (pos. Verstärkung) oder ein unangenehmer Reiz entfernt wird (neg. Verstärkung). Die zwei Formen der Bestrafung beinhalten, dass nach unerwünschtem Verhalten ein angenehmer Reiz entzogen (neg. Bestrafung) oder ein unangenehmer Reiz präsentiert wird (pos. Bestrafung). Gegenüber der Bestrafung werden allerdings neben Einwänden moralischer Art auch solche angeführt, die an der Effektivität von Bestrafungen doch erhebliche Zweifel v. a. bzgl. einer längerfristigen Wirkung aufkommen lassen. Sollen unerwünschte Verhaltensweisen unterbunden werden, ist es sinnvoller, erwünschtes Verhalten zu ver- Überblick und Wiederholung Lerntheorien 7 stärken, statt unerwünschtes zu bestrafen. Geht es darum, unerwünschtes Verhalten umgehend zu unterbinden, ist die Bestrafung allerdings sehr wirksam. Tabelle 1: Vier Formen der Konsequenzgestaltung beim operanten Konditionieren (Edelmann, 1994). Darbietung Entzug Angenehmer Reiz Positive Verstärkung Negative Bestrafung Unangenehmer Reiz Positive Bestrafung Negative Verstärkung Tabelle 2: Verschiedene Formen des instrumentellen Lernens (Edelmann, 1994). Aufbau Abbau (1) Positive Verstärkung (3) Bestrafung (2) Negative Verstärkung (4) Löschung Bei allen Formen der Konsequenzgestaltung ist darauf zu achten, dass ein Zusammenhang zwischen dem gezeigten Verhalten und der nachfolgenden Konsequenz klar wird. Ist dies der Fall, spricht man von Kontingenz. Sie wird dadurch erreicht, dass die Konsequenz dem Verhalten unmittelbar und mit hoher Regelmäßigkeit folgt und es daraufhin zur Ausbildung von Wenn-Dann-Beziehungen kommt. Folgen dem Verhalten weder angenehme noch unangenehme Konsequenzen, tritt die sog. operante Löschung auf, die zum Abbau von Verhalten führt. Der Begriff der Verstärkerpläne stellt auf die Art und Weise ab, wie die Verstärkung „verabreicht“ wird. Man unterscheidet zunächst zwei grundsätzliche Kategorien: Kontinuierliche und intermittierende Verstärkung. Intermittierende Verstärkung (auch: gelegentliche oder partielle Verstärkung) liegt vor, wenn die Verstärkung von Verhalten nicht jedes Mal, sondern nur in einem Teil der „Durchgänge“ erfolgt. Sie ist das Gegenteil der kontinuierlichen Verstärkung (auch: Immerverstärkung). Beim Erlernen von (wünschenswertem) Verhalten führt die kontinuierliche Verstärkung zu einer raschen Aneignung aber auch zu einer raschen Löschung. Nach intermittierenden Programmen dauert die Löschung länger, dagegen weisen sie Nachteile beim erstmaligen Training auf. Beim Erlernen neuer Verhaltens- Überblick und Wiederholung Lerntheorien 8 weisen kommt also i. d. R. die Immerverstärkung zum Einsatz. Ist das Verhalten aufgebaut, erweist sich der Verzicht auf eine immer weitere kontinuierliche zugunsten der intermittierenden Verstärkung als vorteilhaft. Insbesondere eine gelegentliche Verstärkung, die keinem regelmäßigen Schema folgt, verhindert die Abschwächung bzw. Löschung des erworbenen Verhaltens sehr effektiv (Effektivität der intermittierenden Verstärkung). Intermittierende Verstärkerpläne können entweder als Quotenpläne (auf der Grundlage der Reaktionshäufigkeit) oder Intervallpläne (auf der Grundlage von Zeitintervallen) ausgestaltet werden. Beide Programme können entweder fixierte (regelmäßige/konstante) oder variable (unregelmäßige) Verstärkungsmuster aufweisen. Damit liegen im Rahmen der intermittierenden Verstärkung vier Möglichkeiten vor: Beim festen (variablen) Quotenplan erfolgt die Verstärkung nach einer bestimmten (durchschnittlichen) Anzahl gezeigter, wünschenswerter Verhaltensweisen. In festen (variablen) Intervallplänen erfolgt die Verstärkung des ersten, wünschenswerten Verhaltens nach einer bestimmten (durchschnittlichen) Zeitspanne. Untersuchungen zeigen, dass die Reaktion bei den Quotenplänen am schnellsten, beim variablen Intervallplan am langsamsten erfolgt. Shaping und Chaining beschreiben und erklären die Entstehung neuer Verhaltensweisen. Beim Shaping (Verhaltensformung) wird das Verhalten in vielen aufeinanderfolgenden, kleinen Schritten verändert. Mit jedem neuen Schritt nähert man sich der erwünschten Leistung weiter an, bis das Zielverhalten erreicht ist. Dabei wird am Anfang jedes auftretende Element einer erwünschten Leistung verstärkt. Sobald dieses Element dann regelmäßig gezeigt wird, kommt es im Anschluss nur noch bei Reaktionen zu einer Verstärkung, die dem Zielverhalten schon ähnlicher sind. Das Erlernen einer ganzen Verhaltenskette wird durch das Chaining (Kettenbildung) beschrieben. Dabei folgt jeder Reaktion innerhalb der Kette von Einzelreaktionen ein konditionierter Verstärker, bis auf die letzte Reaktion ein unkonditionierter oder primärer Verstärker folgt. Daher werden Reaktionsketten häufig vom Ende her gelernt. Dabei muss jedes Kettenglied ein konditionierter Verstärker des unmittelbar davor liegenden, und ein diskriminativer Reiz für das nachfolgende Kettenglied verkörpern. Diskriminative Reize (auch Hinweisreize) signalisieren, dass eine bestimmte Verstärkerkontingenz wirksam ist. Sie gehen zwar dem Verhalten voraus, lösen es aber nicht aus, sondern signalisieren nur die Art möglicher nachfolgender Konsequenzen. Primäre Verstärker sind angeboren. Deren verstärkende Eigenschaften sind biologisch determiniert. Konditionierte Verstärker sind gelernt. Shaping und Chaining sind wesentliche Bestandteile in Lernprogrammen von Überblick und Wiederholung Lerntheorien 9 Dompteuren, wenn es also darum geht, Tieren komplexe und ungewöhnliche Verhaltensweisen beizubringen. 3. Kognitionspsychologisch orientierte Lerntheorien Nach den Vorstellungen der Behavioristen sollte die Lernpsychologie allein auf beobachtbarem Verhalten basieren; doch in Wirklichkeit sind Denkprozesse (kognitive Prozesse) bei vielen Formen des Lernens bedeutsam. Im Rahmen kognitionspsychologischer Lerntheorien wird der Organismus nicht mehr als „black box“ betrachtet, nicht die äußeren Bedingungen des Lernens, sondern die innere Repräsentation der Umwelt steht im Mittelpunkt. Bewusst ablaufende Prozesse im Innern des Organismus (nicht beobachtbar) werden als relevant angesehen; Introspektion stellt eine geeignete Methode der Erkenntnis dar. Es wird also u. a. auf die Wahrnehmung, Informationsaufnahme und –verarbeitung, Erkenntnisstrukturen, Einsicht usw. abgestellt. Das Bewusstsein (die Kognition) spielt bei all diesen Prozessen eine zentrale Rolle. 3.1 Beobachtungslernen/Sozial-kognitive Lerntheorie Im Mittelpunkt der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura steht die Feststellung, dass ein Mensch auch dadurch lernt, dass er andere (sog. Modelle) beobachtet. Diese Form des Lernens wird deswegen auch als Beobachtungslernen, Imitationslernen oder als Lernen am Modell bezeichnet. Es geht um die Beschreibung und Erklärung des sozialen Lernens, wobei eine Fokussierung auf kognitive Komponenten (Prozesse der Informationsverarbeitung und -speicherung) erfolgt. Menschen lernen aufgrund von Informationen (Informationsquelle: beobachtete Erfahrungen anderer). Zwischen der Beobachtung bzw. Anregung des Verhaltens durch das Modell und der Ausführung eben jenes Verhaltens durch den Beobachter selbst, laufen kognitive Prozesse ab; nur so lassen sich die Vorgänge beim Beobachtungslernen nachvollziehen. Der Vorgang des Modell-Lernens läuft nach Bandura wie folgt ab: Im Rahmen der Aneignungsphase (Akquisition) vollziehen sich Aufmerksamkeitsprozesse und Gedächtnisprozesse. In der Ausführungsphase (Performanz) erfolgen motorische Reproduktionsprozesse sowie Verstärkungs- und Motivationsprozesse. Das eigentliche Lernen findet in der Aneignungsphase nach den Beobachtungen statt. Hier sind v. a. Integrationsprozesse relevant. Die kognitive Repräsentation des beobachteten Modellverhaltens (visuell und/oder verbal) und nicht das Modellverhalten selbst, steuert das in der Ausführungsphase evtl. offen gezeigte Verhalten. Die Verstärkungs- und Motivationspro- Überblick und Wiederholung Lerntheorien 10 zesse haben einen nicht unwesentlichen Anteil daran, ob und wenn ja bei welchen Gelegenheiten das Verhalten gezeigt wird. Dieser Einfluss der Verstärkung im Rahmen des Modell-Lernen soll nun näher betrachtet werden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die möglichen Konsequenzen der evtl. offen gezeigten Verhaltensweise bereits die Beobachtung an sich beeinflusst, indem die Aufmerksamkeit im Sinne einer selektiven Wahrnehmung nur bestimmtem Modellverhalten zuteil wird. Wird dabei Verstärkung (Bestrafung) antizipiert, hat dies eine motivierende (demotivierende) Funktion, für den Erwerb genauso wie für die Ausführung der modellierten Verhaltensweise. Man spricht auch von der sog. „stellvertretenden“ Verstärkung/Bestrafung. Ein Großteil unseres sozialen Lernens findet in Situationen statt, in denen der herkömmlichen Konditionierungstheorie zufolge kein Lernen vorhergesagt werden würde, weil der Lernende selbst (im Gegensatz zum Modell) ja keine aktive Reaktion gezeigt oder keinen Verstärker bekommen hat. Die Bedeutsamkeit der Verstärkung liegt Bandura zufolge darin, dass sie die Aufmerksamkeits- und Integrationsprozesse fördert: Verstärkung wird im Rahmen des Beobachtungslernens als förderlich, nicht aber als notwendig erachtet. Es bleibt noch anzumerken, dass Beobachtungslernen nicht auf Menschen beschränkt, sondern auch bei Tieren zu beobachten ist. 3.2 Konstruktivistische Lerntheorie In den letzten Jahren stehen v. a. im Rahmen der Pädagogischen Psychologie zunehmend konstruktivistische Ansätze des Lernens im Mittelpunkt der Diskussion. Die zentrale Annahme konstruktivistischer Lerntheorien lautet: Wissen ist eine Konstruktion von Menschen. Dem Lernenden kommt dabei die Rolle des aktiven Wissenskonstrukteurs zu. Wissen ist also kein „Schatz“, der vom Lehrenden einfach auf den Lernenden transformiert wird, sondern erfordert vom Lernenden aktive Aneignungs- bzw. Konstruktionsprozesse (Lernen als Konstruktion von Wissen). Damit knüpfen diese Ansätze an den Schwachstellen traditioneller Formen des Lehrens und Lernens (v. a. passiv-rezeptives, d. h. nur aufnehmendes Lernen) an; statt einer (passiven) instruktionistischen vertritt man eine aktivkonstruktivistische Sichtweise. Dadurch soll „träges Wissen“ beim Lernenden vermieden werden; durch das Denken in Zusammenhängen wird eine gewisse „geistige“ Flexibilität erreicht, die es erlaubt, gleichsam den Lerntransfer (Übertragung/Anwendung von Wissen auf neue Situationen) zu optimieren. Eine solche Transferfähigkeit setzt nicht nur „blankes Wissen“, sondern tieferes Verständnis beim Lernenden voraus. Mögen passiv-rezeptive Ansätze zur Vermittlung/Transformation von Basiswissen bzw. Grundlagen noch ausrei- Überblick und Wiederholung Lerntheorien 11 chen, wird ein tieferes Verständnis insbesondere komplexerer Sachverhalte aufbauend auf diesem Basiswissen nur durch aktiv-konstruktive Lernprozesse erreicht. Im Rahmen solcher Lernprozesse wird der Schwerpunkt auf eigene Konstruktionsleistungen der Lernenden und nicht auf eine erfolgreiche Vermittlung gelegt; Wissen soll von den Lernenden selbst erarbeitet und konstruiert werden. Sog. konstruktivistische Lernumgebungen sollten durch ein weitgehend selbstgesteuertes Lernen in möglichst authentischen Situationen gekennzeichnet sein. Dabei soll im Rahmen authentischer, vielfach auch komplexer und herausfordernder Problemstellungen oder Anwendungskontexten die Anwendung des Wissens unter multiplen Perspektiven und/oder in multiplen Kontexten erfolgen. Darüber hinaus soll die Kooperation und Kommunikation mit anderen Lernenden bzw. dem eher beratend wirkenden Lehrenden gefördert werden. Das Lernangebot sollte nicht starr, sondern flexibel, offen und adaptiv sein. Das Einsatzgebiet dieser aktiv-konstruktivistischen Ansätze liegt in der Erschließung und Erarbeitung komplexer Wissensgebiete, während die passiv-rezeptiven, instruktionistischen Ansätze für die Vermittlung von Grundlagen/Basiswissen eingesetzt werden können. 4. Fazit Im „Rollenverständnis“ des Menschen werden die Unterschiede der dargestellten Ansätze besonders deutlich: Im Rahmen des Behaviorismus erfolgt die Darstellung des Menschen als „Reaktionslern-Maschine“. In Banduras sozial-kognitiver Lerntheorie wird der Mensch als „Wissensaufnehmer“ und in der modernen konstruktivistischen Sichtweise gar als aktiver „Wissenskonstrukteur“ gesehen. Als Fazit kann festgehalten werden, dass eine einzige der aufgeführten Lerntheorien allein zur Beschreibung und Erklärung aller Lernvorgänge des Menschen oder anderer Organismen nicht ausreicht. Sie beschreiben und erklären jeweils unterschiedliche Formen und Inhalte des Lernens. Alle dargestellten Ansätze haben ihre Daseinsberechtigung; allerdings sind die verschiedenen Gültigkeits- bzw. Anwendungsbereiche zu beachten. Für die Personalentwicklung und deren Ausgestaltung haben aus der Fülle von Lerntheorien insbesondere die operante und die sozial-kognitive Lerntheorie bislang große Bedeutung erlangt. Überblick und Wiederholung Lerntheorien 12 5. Literatur Edelmann, W. (1994). Lernpsychologie (4. Aufl.). Weinheim: Beltz. Krapp, A. & Weidenmann, B. (1999). Entwicklungsförderliche Gestaltung von Lernprozessen – Beiträge der pädagogischen Psychologie. In Kh. Sonntag (Hrsg.), Personalentwicklung in Organisationen. Göttingen: Hogrefe. Lefrancois, G. R. (1994). Psychologie des Lernens (3. Aufl.). Berlin: Springer. Mietzel, G. (1998). Pädagogische Psychologie des Lernens und Lehrens (5. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. Sonntag, Kh. & Schaper, N. (2001). Wissensorientierte Verfahren der Personalentwicklung. In H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch der Personalpsychologie (S. 241-263). Göttingen: Hogrefe. Zimbardo, P. G. & Gerrig, R. J. (1999). Psychologie (7. Aufl.). Berlin: Springer.