Grüne Infrastruktur

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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
NAT/607
Grüne Infrastruktur
Brüssel, den 16. Oktober 2013
STELLUNGNAHME
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
zu der
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen
Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals
COM(2013) 249 final
_____________
Berichterstatter: Adalbert KIENLE
_____________
NAT/607 - CES4135-2013_00_00_TRA_AC (DE/EN) CR/js
Rue Belliard/Belliardstraat 99 — 1040 Bruxelles/Brussel — BELGIQUE/BELGIË
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DE
-1Die Europäische Kommission beschloss am 3. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals
COM(2013) 249 final.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung,
Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober an 2013 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom
16. Oktober) mit 134 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme.
*
*
*
1.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1
Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission zur Grünen Infrastruktur (GI) und ihre
Absicht, GI-Projekte durch ein Bündel von Maßnahmen zu fördern.
1.2
Der Ausschuss empfiehlt, die Erfahrungen bei der Umsetzung dieses Maßnahmenpaketes zu
nutzen, um es zu der in der Biodiversitätsstrategie 2020 angekündigten Strategie für GI
fortzuentwickeln.
1.3
Der EWSA unterstützt das Ziel, über Projekte zur GI ökologischen mit wirtschaftlichem und
sozialem Nutzen zu verbinden. Angestrebt wird eine Infrastruktur mit natürlichen,
naturnahen, genutzten oder urbanen Landschaftsstrukturen, die zur Erhaltung von
Biodiversität und anderer Umweltfaktorenbeiträgt und zugleich kostengünstige und
nachhaltige Leistungen für die Gesellschaft erbringt. Im Unterschied zu Natura 2000 handelt
es sich bei der Förderung von GI nicht um ein Rechtsinstrument; es ist nicht Ziel der GIInitiative, ein zusätzliches Naturschutz-Netzwerk über Natura 2000 hinaus zu schaffen.
1.4
Der EWSA stellt fest, dass die maßgebliche Verantwortung für GI Projekte bei den
Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Trägern der regionalen und lokalen Planung liegt. Der
EU kommt bei der Förderung von GI in erster Linie eine unterstützende Rolle zu.
Insbesondere ist das Konzept der GI in Politikbereiche wie Land- und Forstwirtschaft,
Naturschutz, Gewässer-, Meeres-, Fischerei-, Regional- und Kohäsionspolitik, Stadtplanung,
Klimapolitik, Verkehrs- und Energiepolitik, Katastrophenschutz und Landnutzung sowie in
die entsprechenden EU-Finanzierungsinstrumente unverzüglich wirkungsvoll zu integrieren.
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…/…
-21.5
Bei GI-Projekten von europaweiter Bedeutung muss die EU unmittelbar Verantwortung
übernehmen. Der EWSA unterstützt den Vorschlag, analog zu den Transeuropäischen
Netzwerken Verkehr, Energie und Telekommunikation – ein TEN-G zur Finanzierung grüner
Infrastruktur einzuführen, mit einer Liste kartografisch dargestellter GI-Projekte von
europaweiter Bedeutung.
1.6
Bei GI Projekten auf regionaler und lokaler Ebene sind Hauptakteure die Träger regionaler
und lokaler Planung, die Städte und Gemeinden, die Träger von Infrastrukturprojekten in
Bereichen wie Straßenbau, Bahn, Wasserbau und Hochwasserschutz, Land- und Forstwirte,
Unternehmen und Bauherren, zivilgesellschaftliche Umweltschutzorganisationen und
Gewerkschaften. Diese Akteure gilt es zu stärken. Denn der Erfolg von GI-Projekten hängt
entscheidend davon ab, dass sie von diesen Akteuren initiiert, akzeptiert und getragen werden.
1.7
Der EWSA hält es für unabdingbar, der frühzeitigen Beteiligung der Zivilgesellschaft in GIProjekte deutlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als dies in der Mitteilung der
Kommission der Fall ist. Partizipative Planungsprozesse mit frühzeitiger Beteiligung der
Bürger und zivilgesellschaftlichen Organisationen haben entscheidende Bedeutung.
1.8
Dabei ist zu beachten, dass GI-Projekte auch Konflikte zwischen den legitimen Interessen
verschiedener Beteiligter hervorrufen können und daher geeignete Mechanismen zur Lösung
von Konflikten, zum Interessenausgleich und zur Projektoptimierung vorgesehen werden
müssen. Richtig gehandhabt, könnte GI dazu beitragen, die traditionellen Konfliktlinien im
Naturschutz zwischen Schutz und Nutzung zu entschärfen oder zu überwinden. Der EWSA
betont, dass zur Mobilisierung der erforderlichen privaten Investitionen ausreichende Anreize
geschaffen werden müssen.
2.
Einleitung
2.1
Die Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt ist aufgrund des Eigenwertes
der Biodiversität sowie aufgrund der von ihr – als Naturkapital – erbrachten Dienstleistungen
von grundlegender Bedeutung für das menschliche Wohlergehen, den wirtschaftlichen
Wohlstand und humane Lebensbedingungen. In ihrer Biodiversitätsstrategie für das Jahr
20201 hat sich die Europäische Kommission daher das Ziel gesetzt, bis 2020 den Verlust an
biologischer Vielfalt und die Verschlechterung der Ökosystemleistungen in der EU
aufzuhalten und sie weitest möglich wiederherzustellen. Insbesondere sollen durch eine
europäische GI-Strategie grüne Infrastrukturen gefördert werden.
1
COM(2011) 0244 final.
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…/…
-32.2
Die von der Kommission am 6. Mai 2013 angenommene Mitteilung "Grüne Infrastruktur (GI) –
Aufwertung des europäischen Naturkapitals" umfasst folgende Schwerpunkte:




Förderung von GI in wesentlichen Politikbereichen wie Land- und Forstwirtschaft,
Naturschutz, Gewässer-, Meeres-, Fischerei-, Regional- und Kohäsionspolitik,
Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, Verkehrs- und Energiepolitik,
Katastrophenschutz und Landnutzung durch die Veröffentlichung von Leitlinien zur
Integration des GI-Konzeptes in die Durchführung dieser Politiken im Zeitraum 2014 bis
2020;
Verbesserung der Forschung zu GI, der Daten- und Wissensgrundlage und Förderung
innovativer Technologien;
Verbesserung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln für grüne Infrastrukturprojekte - bis
2014 Errichtung einer speziellen Fazilität der EU zur Unterstützung grüner
Infrastrukturprojekte gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank;
Förderung grüner Infrastrukturprojekte auf EU-Ebene – bis Ende 2015 Prüfung der
Entwicklung eines Netzes von Projekten grüner Infrastruktur mit EU-weiter Bedeutung
im Rahmen einer TEN-G Initiative durch die Kommission.
2.3
In seiner Stellungnahme zur Biodiversitätsstrategie vom 26. Oktober 20112 hatte der EWSA
die Biodiversitätsstrategie im Grundsatz begrüßt, aber das Fehlen einer Analyse der Ursachen
für die Verfehlung der Biodiversitätsziele kritisiert. Insbesondere der mangelnde politische
Wille in den Mitgliedstaaten verhindere deren effektive Umsetzung.
3.
Allgemeine Bemerkungen
3.1
Eine anschauliche Definition von GI wird von David Rose in "Green Infrastructure. A
Landscape Approach" verwendet: "Als Grüne Infrastruktur werden Elemente bezeichnet, die
die natürliche mit der baulichen Umwelt verbinden und Städte lebenswerter machen, wie z.B.
Parks, Fußwege, begrünte Dächer, begrünte Straßen und der städtische Baumbestand. Auf der
regionalen Ebene umfasst die grüne Infrastruktur das Netz aus natürlichen Gebieten,
Grünflächen, grünen Wegen, (forst- und landwirtschaftlichen) Nutzflächen und weiteren
Elementen, die allesamt einen vielfältigen Nutzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden
der Menschen und der Ökosysteme erbringen, (…)".
3.2
Beispiele für GI sind:

2
Die Schaffung oder Erhaltung natürlicher Überschwemmungsgebiete: Während ein Deich
allein Überschwemmungen vorbeugt, filtern Überschwemmungsgebiete darüber hinaus
das Wasser, stabilisieren den Grundwasserspiegel, bieten Erholungsmöglichkeiten,
speichern CO2, liefern Nutzholz und tragen zur Vernetzung natürlicher Lebensräume bei.
Stellungnahme des EWSA "Eine Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020". ABI. C 24 vom 28.1.2012 S. 111-116.
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…/…
-4
Wälder, die eine gute Mischung von Art, Alter und Struktur aufweisen, absorbieren große
Mengen Wasser und schützen den Boden, vermeiden Überschwemmungen und
Erdrutsche bzw. verringern deren Folgen.

GI als integraler Bestandteil der Entwicklung von Siedlungsräumen: Richtig gestaltete
Parks, Alleen, Wanderwege, begrünte Dächer und Wände stellen eine kosteneffiziente
Verbesserung des Stadtklimas dar und steigern generell die städtische Lebensqualität.
Überdies tragen sie zur biologischen Vielfalt und Bekämpfung des Klimawandels bei.
3.3
82% der Flächen in der EU befinden sich außerhalb des Natura-2000-Netzes. Damit liegt es
auf der Hand, dass die Erhaltung und Wiederherstellung von biologischer Vielfalt durch
Förderung grüner Infrastruktur auch außerhalb von Natura 2000 sowohl für die
Funktionsfähigkeit des Schutzgebietsnetzes als auch für die Bereitstellung von
Ökosystemleistungen insgesamt unentbehrlich ist. Im Unterschied zu Natura 2000 handelt es
sich bei der Förderung von GI nicht um ein Rechtsinstrument. Sie kann daher nicht die
Umsetzung von Natura 2000 ersetzen, sondern ergänzt sie um eine weitere Komponente. Auf
der anderen Seite ist es nicht Ziel der GI-Initiative, ein zusätzliches Naturschutz-Netzwerk
über Natura 2000 hinaus zu schaffen. Der EWSA plädiert dafür, die GI-Initiative
insbesondere auch dazu zu nutzen, den kooperativen Natur- bzw. Umweltschutz zu fördern
und in allen Mitgliedstaaten deutlich voranzubringen.
3.4
Der EWSA unterstreicht die Dringlichkeit einer frühzeitigen und aktiven Beteiligung der
Zivilgesellschaft an GI-Projekten, wie sie auch in dem Aarhus-Übereinkommen zur
Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten vorgesehen ist. Zahlreiche Beispiele
belegen, wie sehr der Erfolg von Projekten von der Zustimmung oder Ablehnung der
Zivilgesellschaft abhängt. Deshalb sollte der Bottom-up-Ansatz sowie der Aufbau von
Partnerschaften mit Beteiligten der Kommunen, Trägern von Infrastrukturprojekten, der
Wirtschaft und Gewerkschaften, der Land- und Forstwirtschaft, der Wasserwirtschaft und des
Küstenschutzes sowie von Umwelt-NGO in der Strategie der Europäischen Kommission sehr
viel deutlicher zum Ausdruck kommen.
3.5
Der EWSA stellt mit Bedauern fest, dass es sich bei der Mitteilung der Kommission zur GI
nicht um die in der Strategie zur Biodiversität 2020 angekündigte Europäische Strategie zur
GI handelt. Der EWSA begrüßt gleichwohl die in der Mitteilung angekündigten Aktionen als
Schritte in die richtige Richtung. Die Erfahrungen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen
sollten genutzt werden, um diese zu einer Strategie für GI fortzuentwickeln.
3.6
Der EWSA hält es für notwendig, noch mehr als in der Mitteilung geschehen Schwerpunkte
bei der Umsetzung der GI zu setzen. Wie in der Biodiversitätsstrategie fehlt auch in der
Mitteilung eine klare Analyse der Ursachen, warum sich grüne Infrastruktur nicht in
ausreichendem Maße durchsetzt. Einem Mangel an politischem Willen in einzelnen
Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Konzepte wird mit den vorgesehenen technischen
Leitlinien und der Verbesserung der Informations- und Wissensgrundlage allein nicht
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-5beizukommen sein. Eine wirksame GI-Strategie setzt nach Meinung des EWSA ein
stringentes Monitoring, eine kritische Analyse der Maßnahmen in den Mitgliedstaaten sowie
erforderlichenfalls gezielte Folgemaßnahmen zur Unterstützung von Mitgliedstaaten oder
Regionen mit deutlichen Defiziten voraus.
4.
Besondere Bemerkungen
4.1
Rolle der EU bei der Förderung von GI
4.1.1
Die maßgebliche Verantwortung für GI Projekte liegt bei den Mitgliedstaaten, insbesondere
bei den Trägern der regionalen und lokalen Planung. Der EU kommt hier in erster Linie eine
unterstützende Rolle zu durch die öffentliche Verbreitung des Konzepts der GI sowie, wie in
der Mitteilung der Kommission vorgesehen, durch die Bereitstellung geeigneter und gut
zugänglicher Informations- und Wissensgrundlagen. Darüber hinaus haben die EUFinanzierungsinstrumente erheblichen Einfluss auf die regionale und lokale Planung, weshalb
die Integration des GI Konzeptes in diese Finanzierungsinstrumente hohe Priorität haben
muss.
4.1.2
Bei bestimmten GI-Projekten von europaweiter Bedeutung muss die EU unmittelbar
Verantwortung
übernehmen.
Solche
Projekte
beruhen
typischerweise
auf
grenzüberschreitenden Landschaftseinheiten wie Gebirgszügen, Flüssen oder Waldgebieten.
Als gelungenes Beispiel wird in der Mitteilung das europäische Grüne Band erwähnt.
Besonderes Augenmerk sollte auch grenzüberschreitenden Flusstälern als Basis einer
europäischen GI gewidmet werden. Gerade bei Flüssen wie der Donau oder Elbe, die in
diesem Jahr erneut ernste Hochwasserschäden zu beklagen hatten, kann über GI Konzepte
eine Verbesserung des Hochwasserschutzes mit der Erhaltung sensibler, für die Biodiversität
europaweit bedeutsamer Gewässerzonen sowie der wirtschaftlichen und touristischen
Entwicklung verbunden werden.
4.1.3
Der EWSA befürwortet die Förderung eines strategisch geplanten europäischen Netzwerks
von GI-Projekten europaweiter Bedeutung mit einer Liste kartographisch dargestellter
Projekte. Diesem Vorhaben muss im Rahmen einer TEN-G Initiative ein ähnlicher
Stellenwert wie den europäischen Infrastrukturinitiativen in den Bereichen Verkehr, Energie
und Telekommunikation eingeräumt werden.
4.2
Verbreitung des Konzepts der GI
Eine wesentliche Ursache für die unzureichende Verbreitung und Förderung von GI sieht der
EWSA in dem mangelnden Wissen um das Konzept der GI und seine praktischen Vorteile,
einschließlich möglicher Kostenvorteile. Richtigerweise setzt sich die Kommission daher zum
Ziel, wichtige Interessenträger stärker für GI zu sensibilisieren, den Informationsaustausch zu
bewährten Praktiken zu fördern und die Wissensgrundlage zur GI zu verbessern. Hierfür
bieten insbesondere die sozialen Medien eine gute Plattform. Der EWSA hält den Gebrauch
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-6einer anschaulichen und für die Öffentlichkeit verständlichen Definition von GI für eine
wesentliche Voraussetzung dieser Öffentlichkeitsarbeit. Die von der Kommission verwendete
Definition erfüllt diese Anforderung nicht3.
4.3
Berücksichtigung der spezifischen Situation in den jeweiligen Mitgliedstaaten
4.3.1
Die Situation in Bezug auf die Verfügbarkeit naturbelassener, naturnaher oder urbaner
Flächen ist in den einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen sehr unterschiedlich. Während in
einigen dichtbesiedelten Regionen und Städten die Flächennutzung mit "grauer Infrastruktur"
extrem hoch ist, verfügen andere Regionen über große naturbelassene Flächen. Bei
europäischen Maßnahmen zur Förderung von GI muss differenziert werden zwischen solchen
Regionen, in denen es um die Schaffung neuer GI geht, und anderen Gebieten, wo der
Schwerpunkt eher bei der Erhaltung und Pflege der Landschaften liegt.
4.4
Integration in Schlüsselpolitikbereiche und deren Finanzierungsinstrumente
4.4.1
Richtigerweise wird der effektiven Integration von GI-Aspekten in eine große Brandbreite
von Politikbereichen in der Mitteilung oberste Priorität eingeräumt.
4.4.2
Der EWSA begrüßt die Erarbeitung technischer Leitlinien mit Grundsätzen und
Rahmenbedingungen für die Einbeziehung von GI-Aspekten in die Regional- und
Kohäsionspolitik, die Klima- und Umweltpolitik, die Gesundheits- und Verbraucherpolitik
sowie
die
Gemeinsame
Agrarpolitik,
einschließlich
der
dazugehörigen
Finanzierungsmechanismen. Diese sollten rasch veröffentlicht werden, damit die
Mitgliedstaaten, die schon jetzt an den operationellen Plänen arbeiten, die Leitlinien für den
Programmplanungszeitraum 2014-2020 nutzen können.
4.4.3
GI ist nicht nur auf öffentliche, sondern auch auf private Investitionen angewiesen. Der
EWSA betont, dass private Investitionen in GI ausreichender Anreize bedürfen. Der EWSA
begrüßt das Vorhaben der Errichtung einer speziellen EU-Finanzierungsfazilität gemeinsam
mit der EIB.
4.5
Effektive Beteiligung der Zivilgesellschaft in der regionalen und lokalen Planung
4.5.1
Die Notwendigkeit der Integration von GI in die regionale Raumplanung und lokale Planung
wird in der Mitteilung zwar erkannt, der EWSA vermisst aber diesbezüglich konkrete
Maßnahmen im Aktionsplan. Gerade die Raum-, Landschafts- und Bauleitplanung vor Ort hat
erhebliche Auswirkungen auf die Umsetzung der GI, kann aber aufgrund des
Subsidiaritätsprinzips nur begrenzt von der europäischen Ebene beeinflusst werden.
3
COM(2013) 249 final, S. 3.
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-74.5.2
Der EWSA fordert, besonders die frühzeitige Beteiligung der regionalen und lokalen
zivilgesellschaftlichen Akteure sicherzustellen, ohne die Projekte zur GI nicht zu realisieren
sein bzw. mangels Akzeptanz scheitern werden. Erforderlich sind partizipative
Planungsprozesse, die diesen Akteuren eine aktive und gestaltende Rolle geben. Dabei sollte
beachtet werden, dass es auch bei der Entscheidung über GI nicht nur Win-winKonstellationen gibt, sondern einzelne Beteiligte gegebenenfalls auch Nachteile in Kauf
nehmen müssen (z.B. wenn die Erhaltung von GI an Fluss- oder Seeufern Bauverbote zur
Folge
hat).
Zielkonflikte
aus
konkurrierenden
Nutzungsansprüchen
(z.B.
Nahrungsmittelerzeugung, Siedlungs- und Infrastruktur, Biotopverbund, Biodiversität)
müssen klar angesprochen und Lösungswege aufgezeigt werden.
4.6
GI in urbanen Gebieten
4.6.1
Der EWSA sieht ein enormes Potenzial für GI-Maßnahmen in den städtischen Räumen. Dort
bringen sie gesundheitliche Vorteile, verbessern das Stadtklima, schaffen Arbeitsplätze und
erhöhen die Attraktivität der Städte. Gerade in den Städten kommt es darauf an, das
Verständnis für GI-Lösungen – angefangen in den Schulen – zu verbessern und die aktive
Mitarbeit der Zivilgesellschaft zu verstärken. Das derzeit große Interesse an urbanem
Gartenbau und urbaner Landwirtschaft sieht der EWSA als starkes Zeichen für die
Bereitschaft vieler Bürger, selbst zu intakten Ökosystemen beizutragen und neue Formen von
Gemeinschaft und Gemeinsinn zu erproben.
4.7
Integration in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
4.7.1
Art und Umfang der Integration von GI hängen hier wesentlich von den Ergebnissen der
Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und des mehrjährigen Finanzrahmens der EU für 20142020 (MFR) ab. Für beide Bereiche sind politische Übereinkommen erzielt worden. Der
EWSA hat sich wiederholt für eine multifunktionale Landwirtschaft sowie für
funktionsorientierte Direktzahlungen eingesetzt. Bei der jetzt anstehenden Agrarreform wurde
im Sinne einer stärkeren Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft u.a. die Gewährung
der Direktzahlungen an die Erfüllung höherer Umweltstandards und an die Ausweisung
ökologischer Vorrangflächen gebunden. Der EWSA wird die Beschlüsse zur GAP-Reform
eingehend prüfen und mit seinen Positionen abgleichen.
4.7.2
Der EWSA erwartet, dass im Rahmen des Europäischen Fonds für die ländliche Entwicklung
und insbesondere bei den Agrarumweltmaßnahmen weitere Leistungen im Sinne einer
ökologischen Konnektivität erbracht werden. Wiederholt hat der EWSA darauf verwiesen,
dass bei einem Großteil der Land- und Forstwirte eine positive Affinität zum Natur- und
Biotopschutz besteht. Viele Modellprojekte belegen eindrucksvoll, dass in einem
partnerschaftlichen Miteinander Positives bewirkt werden kann. Der EWSA regt an, dass
sowohl extensiv als auch intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen, die
ressourcenschonend bewirtschaftet werden, in GI-Projekte einbezogen werden. Freiwillige,
produktionsintegrierte Maßnahmen sollten hier bevorzugt werden. Auch gilt es, die
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-8Potenziale von GI für die ländliche Entwicklung in sozialer und demografischer Hinsicht zu
erschließen.
4.8
Verbindung GI zu anderen Politikbereichen
4.8.1
Integriertes Management von Gewässern und Küsten sollte die Potenziale der GI
möglichst effektiv nutzen4.
4.8.2
Die Verschlechterung der Ökosysteme in der EU ist vor allem eine Folge des zunehmenden
Flächenverbrauchs, der Flächenfragmentierung und intensiveren Flächennutzung. GI kann
dieser Entwicklung begegnen. Sie sollte durch verstärkte Maßnahmen in der europäischen
Bodenschutzpolitik zur Reduktion des Flächenverbrauchs, einschließlich legislativer
Schritte, unterstützt werden5.
4.8.3
GI fungiert insbesondere durch den Schutz natürlicher Böden als CO2-Senke. Angesichts des
generellen Ziels der Klimapoltik, die europäische Wirtschaft in Richtung einer
kohlenstoffarmen und bio-basierten Wirtschaft zu entwickeln, werden gut funktionierende
Ökosysteme umso wichtiger. Der vielfältige Nutzen von GI sollte in den Strategien der
Mitgliedstaaten zur Anpassung an den Klimawandel besonders berücksichtigt werden.
Brüssel, den 16. Oktober 2013
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschusses
Henri MALOSSE
_____________
4
5
EWSA Stellungnahme zur "maritimen Raumplanung und zum integrierten Küstenzonenmanagement" (noch nicht im Amtsblatt
veröffentlicht).
EWSA Stellungnahme zum "7. Umweltaktionsprogramm" (Punkt 4.2.2) ABI. C 161 vom 6.6.2013, S. 77-81.
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