Fallbesprechung_12_-_03_Loesungsskizze

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Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2015/2016
Kurt
Lösungsskizze FB 12: „Eine Grundschuld auf Reisen“
Frage 1: Wie ist die Rechtslage, wenn bisher weder auf die
Forderung noch auf die Grundschuld gezahlt worden ist?
I. Rechtslage zwischen X und E
Anspruch X gegen E auf Darlehensrückzahlung gem. §§ 488 Abs. 1
S. 2, 398 BGB?
1. Wirksamer Abtretungsvertrag gem. § 398 BGB zwischen X und B?
a) Formbedürftigkeit:
 P.: § 1154 BGB hier auf die Forderung anwendbar?
 (-), da nach § 1192 Abs. 1 Hs. 2 BGB nicht auf die
Forderungsübertragung bei der Grundschuld anwendbar.
 Arg.: kein akzessorisches Sicherungsmittel, Forderung kann
unabhängig von der Grundschuld übertragen werden.
b) Vertraglicher Abtretungsausschluss, § 399 Alt. 2 BGB?
 ausdrücklich: (-)
 konkludent?
 Zu ermitteln durch Auslegung der Sicherungsabrede:
 Vor Fälligkeit des Darlehens:
 Nach h.M. Auslegung der Sicherungsabrede:
stillschweigendes Abtretungsverbot gewollt.
 Arg.: Sicherungscharakter, keine Trennung von
Forderung und Sicherheit.
 Nach Fälligkeit des Darlehens:
 Kein Abtretungsverbot
 Argument
- Grundschuld ist kein akzessorisches Recht (§ 1192
Abs. 1 BGB); „DER“ Unterschied zur Hypothek.
- Parteiwille: Grundschuld und keine Hypothek bestellt.
c) Zwischenergebnis:
X ist nach § 398 BGB neue Gläubigerin der Darlehensforderung.
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2. Durchsetzbarkeit:
a) Einrede der E aus § 273 Abs. 1 BGB bzw. § 320 BGB?
 B kann keine doppelte Befriedigung verlangen.
 Daher lt. BGH: Im Fall einer Sicherungsgrundschuld Anspruch
des Forderungsschuldners aus der Sicherungsabrede auf
Rückübertragung oder Aufhebung der Grundschuld Zug um Zug
gegen Rückzahlung der Darlehensvaluta.
 Daher aus Sicherungsabrede: Einrede/Zurückbehaltungsrecht
der E - ursprünglich gegenüber B - nach § 273 Abs. 1 BGB bzw.
§ 320 BGB (+)
b) Einredegegner?
 Sicherungsabrede wurde zwischen E und B geschlossen.
 Aber: § 404 BGB:
(= Durchbrechung der Relativität der Schuldverhältnisse)
 Einrede E gegen X damit (+), bei § 404 BGB irrelevant, ob
Einwendung / Einrede bereits erhoben oder nur dem Grunde
nach gegeben ist.
 X ist nur Forderungsinhaberin, sie kann Grundschuld
dauerhaft nicht zurückgeben: damit dauerhafte Einrede
gegenüber Forderung.
3. Ergebnis:
X hat gegen E keinen durchsetzbaren Anspruch auf Rückzahlung des
Darlehens aus § 488 Abs. 1 S. 2, 398 BGB.
II. Rechtslage zwischen B und X
Anspruch X gegen B auf Schadensersatz aus §§ 311a Abs. 2, 437
Nr. 3, 435 S. 1, 364 Abs. 1, 365 BGB?
1. Voraussetzungen des § 365 BGB:
 Forderung an Erfüllungs statt geleistet, § 364 BGB.
 Rechtsmangel der Forderung, § 435 BGB.
(Prüfungsreihenfolge beliebig, Gutachten)
a) Rechtsmangel, § 435 BGB:
 Dauerhafte Einrede E gegen X = Rechtsmangel gem. § 435 S. 1
BGB.
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b) Leistung an Erfüllungs statt, § 364 Abs. 1 BGB?
 Abtretung zur Erfüllung des Kaufvertrages zwischen B und X: (+)
 Auslegung: an Erfüllungs statt gem. § 364 Abs. 1 BGB oder
lediglich erfüllungshalber gem. § 364 Abs. 2 BGB?
 Wirkung bei Leistung an Erfüllungs statt:
Kaufpreisforderung erlischt mit Abtretung
 Wirkung bei Leistung erfüllungshalber:
Kaufpreisforderung erlischt erst mit Befriedigung des
Gläubigers (aus der abgetretenen Forderung)
 Analoge Anwendung des § 364 Abs. 2 BGB auf Fall der
Forderungsabtretung?
 Ja, da vergleichbare Interessenlage.
 In beiden Fällen erhält X als Gläubigerin eine
Forderung (tatsächlicher Wertzuwachs bei X hängt
jeweils von Leistungsfähigkeit des
Forderungsschuldners ab).
 Daher: wegen § 364 Abs. 2 BGB analog hier kein Fall der
Leistung an Erfüllungs statt; damit § 365 BGB hier nicht
anwendbar (Anwendbarkeit nur bei § 364 Abs.1 BGB, vgl.
Wortlaut).
2. Ergebnis:
X hat gegen B keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 311a Abs. 2, 437
Nr. 3, 435, 364 Abs. 1, 365 (die Forderung der X gegen B besteht aber
wegen § 364 Abs. 2 nach wie vor).
III. Rechtslage zwischen Y und E
Anspruch Y gegen E auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus
§§ 1147,1191, 1192 Abs. 1 BGB?
1. Wirksame Übertragung der Grundschuld (+):
 Keine Akzessorität (§ 1192 Abs. 1 BGB): Grundschuld ist eigens
abzutreten (vgl. §§ 398, 413 BGB):
 Übertragung Briefgrundschuld: §§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1 BGB:
Schriftliche Abtretungserklärung des Berechtigten und
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Übergabe des Grundschuldbriefs.
 Buchgrundschuld: §§ 873, 1154 Abs. 3, 1192 Abs. 1 BGB.
a) Einigung zwischen B und Y: (+)
b) Form laut Sachverhalt: (+)
c) Berechtigung der B: (+)
2. Fälligkeit der Grundschuld (+)
3. Durchsetzbarkeit der Grundschuld?
 Kann E Einreden aus dem Verhältnis E-B auch der neuen Gläubigerin
Y entgegenhalten?
 Wegen §§ 1157 S. 1, 1192 Abs. 1 i.V.m. der Sicherungsabrede kann
der Eigentümer dem Grundschuldgläubiger folgende eigentümerbezogenen Einreden entgegenhalten:
- § 821 BGB: bei unwirksamer Sicherungsabrede.
- Einrede des Nicht(mehr)bestehens der gesicherten Forderung =
„Wegfall des Sicherungszwecks“:
Aus Sicherungsabrede besteht für den Fall des Wegfalls der
Forderung schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch bzgl.
Grundschuld, der als Einrede geltend gemacht werden kann.
 Zum Fall: Einrede E gegen B aus der Sicherungsabrede (die E
wegen §§ 1157 S. 1, 1192 Abs. 1 BGB auch Y entgegenhalten
könnte)?
- Sicherungsabrede wirksam, daher Einrede aus § 821 BGB: (-)
- Forderung besteht ebenfalls noch (unabhängig von Person des
Gläubigers, da Grundschuld gerade nicht akzessorisch), damit
kein Rückübertragungsanspruch der E, den jene Y einredeweise
entgegenhalten könnte.
- Nach Sinn und Zweck der Sicherungsabrede („keine doppelte
Inanspruchnahme der E als Schuldnerin“) hier keine Berufung
auf Einrede des Wegfalls des Sicherungszwecks für E gegenüber
Y möglich.
- Also keine Einreden der E gegen Y vorhanden.
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3. Ergebnis:
Y hat gegen E einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung, die
E aber gem. §§ 1142 Abs. 1, 1192 Abs. 1 BGB durch Zahlung an Y
abwenden kann.
Frage 2: Wie ist die Rechtslage, wenn E vor Abtretung der
Forderung und der Grundschuld an B gezahlt hat?
I. Rechtslage zwischen X und E
Anspruch X gegen E auf Rückzahlung des Darlehens aus §§ 488
Abs. 1 S. 2, § 398 BGB?
1. Wirksamer Abtretungsvertrag, 398 BGB:
a) Einigung: (+)
b) Formbedürftigkeit: formfrei
c) Berechtigung der B: (-)
 Zunächst Berechtigung (+), da B Gläubigerin der Forderung.
 Erlöschen der Forderung durch Zahlung der E, § 362 Abs. 1
BGB?
 P.: Wollte E auf Forderung oder auf Grundschuld zahlen?
 Grundsätzlich nach Willen des Leistenden, § 366 BGB
analog.
 Im Zweifel nach Interessenlage:
E
hat
–
da
sie
Forderungsschuldnerin
und
Grundstückseigentümerin in einer Person ist – ein Interesse
daran, dass der Gläubiger nach Zahlung weder aus der
Grundschuld noch aus der Forderung gegen sie vorgehen
kann.
Daher Zahlung sowohl auf Forderung als auch auf GS
anzunehmen.
 Daher Forderung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen
 B war also zum Zeitpunkt der Abtretung nicht mehr
Forderungsinhaberin und damit Nichtberechtigte (gutgläubiger
Forderungserwerb hier nicht möglich).
2. Ergebnis:
X hat gegen E keinen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens aus
§§ 488 Abs. 1 S. 2, § 398 BGB.
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II. Rechtslage zwischen Y und E
Anspruch Y gegen E auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus
§§ 1147, 1191, 1192 Abs. 1 BGB
1. Wirksame Übertragung der Grundschuld von B auf Y, §§ 1192,
1154, 398, 413 BGB?
a) Einigung: (+)
b) Form: (+)
c) Berechtigung der B?
aa) Zunächst Grundschuld zugunsten der B wirksam bestellt.
bb) Auswirkungen der Zahlung durch E?
 Fremdgrundschuld der B wird zur Eigentümergrundschuld
der E.
 H.M.: §§ 1142, 1143 Abs. 1 BGB analog anzuwenden.
 Damit war B bei Abtretung der Grundschuld an Y
Nichtberechtigte.
cc) Gutgläubiger Erwerb der Grundschuld durch Y gem. §§ 892,
891 Abs. 1 BGB?
 Möglich, da B nach wie vor als Berechtigte im Grundbuch
eingetragen ist.
 Voraussetzungen variieren, je nachdem ob Buch- oder
Briefgrundschuld.
 Keine Kenntnis der Y, kein Widerspruch im Grundbuch, also
hat Y gutgläubig Grundschuld am Grundstück der E
erworben.
2. Fälligkeit der Grundschuld: (+)
3. Durchsetzbarkeit der Grundschuld?
 Eigentümerbezogene Einreden der E gegen B aus Sicherungsabrede
könnten gem. §§ 1157 S. 1, 1192 Abs. 1 BGB auch der neuen
Gläubigerin Y entgegengehalten werden.
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 Einrede des Wegfalls des Sicherungszwecks im Zeitpunkt der
Abtretung der Grundschuld durch B an Y?
 Grundschuld soll nach der Sicherungsabrede den Zweck
„Sicherung einer Forderung“ erfüllen.
 Durch die Zahlung der E auf die Forderung und die Grundschuld ist
die Forderung erloschen.
 Damit ist gegen die Grundschuld die Einrede des Wegfalls des
Sicherungszwecks der Grundschuld (zu sichernde Forderung
existiert nicht mehr) entstanden.
 Wegen § 1192 Abs. 1a BGB kann E diese Einrede auch Y
entgegenhalten (vgl. Wortlaut § 1192 Abs. 1a S. 1 Alt. 2 BGB).
 Ein gutgläubig einredefreier Erwerb der Grundschuld durch Y (grds.
denkbar wg. § 1157 S. 2 BGB) scheitert an § 1192 Abs. 1a S. 1 Hs. 2
BGB, der den Eigentümer vor dem Verlust seiner Einreden durch
Übertragung der Grundschuld schützen soll und § 1157 S. 2 BGB im
Fall der Sicherungsgrundschuld für nicht anwendbar erklärt.
4. Ergebnis:
Y hat damit gegen E aus §§ 1191, 1192 Abs. 1, 1147 BGB zwar einen
Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung. E kann aber diesem
Anspruch die Einrede des Wegfalls des Sicherungszwecks
entgegenhalten. Der Anspruch ist damit nicht durchsetzbar.
III. Rechtslage zwischen E und B
1. Schadensersatzansprüche der E gegen B?
 Denkbar wären Ansprüche aus:
 §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB (Unmöglichkeit der
Rückübertragung der Grundschuld von B an E bzw. Unmöglichkeit
der Zustimmung zur Grundbuchberichtigung durch B gegenüber E).
 §§ 989,990 BGB analog („Quasi-EBV“ bzgl. Grundschuld bei
Abtretung durch B).
 Allerdings ist kein Vermögensschaden ersichtlich, da E durch ihre
Einrede des Wegfalls des Sicherungszwecks gegen
Zwangsvollstreckung gegenüber Y geschützt ist.
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2. Anspruch der E gegen B aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB?
a) Voraussetzungen:
 B = Nichtberechtigte: (+)
 Verfügung über Grundschuld (Übertragung auf Y): (+)
 Verfügung E gegenüber wirksam: gutgläubiger Erwerb (+)
b) Zwischenergebnis:
Anspruch der E gegen B auf Herausgabe des Verfügungserlöses aus
der Abtretung der Grundschuld an Y nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB (+).
c) Billigkeit:
Dieses Ergebnis muss nach § 242 BGB jedoch „wertungsmäßig“
korrigiert werden, da E über die Einrede des Wegfalls des
Sicherungszwecks i.V.m. § 1192 Abs. 1a S. 1 Hs. 2 BGB vor
Inanspruchnahme aus der Grundschuld geschützt ist; könnte sie
zusätzlich aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB kondizieren, wäre das eine
unbillige und nicht gerechtfertigte Bereicherung der E.
d) Ergebnis:
E hat gegen B keinen Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB.
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