1 Sebastian Schindler, HS Lektürekurs – Alexis de Tocqueville, Gruppe 2 Arbeitspapier zur Sitzung am 04. Januar 2011 Für Tocqueville ist die "Tyrannei der Mehrheit" das größte Problem der Demokratie. Wie definiert er diese und wie ist seine Begründung für dieses "Phänomen"? Quelle: Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika 1. Buch, II. Teil, Kapitel 7, 284-301 (Q1) Tocquevilles Definition für die „Tyrannei der Mehrheit“: - - Mehrheit, das demokratische Volk der Vereinigten Staaten, fordert von gesetzgebenden Versammlungen die Fügung nach allgemeinen und kurzfristigen Wünschen (Q1, S. 284) „… es kommt sehr häufig vor, daß die Wähler bei der Wahl der Repräsentanten diesem eine Richtlinie vorschreiben und ihm eine bestimme Anzahl Verpflichtungen auferlegen, von denen er nicht abweichen darf.“ (Q1, S. 285) Wahl in öffentliches Amt nur mit verbindlichen Verpflichtungen und Zusicherungen seitens der Wähler möglich politisches Agieren des Repräsentanten unabhängig von Vorstellungen und Wünschen des Wählerklientels unmöglich Macht der Mehrheit unterbindet und übergeht mögliche konträre Meinungen (Q1, S. 286) Gefahr des Verlustes der Pluralität an öffentlichen Meinungen oder Forderungen Tyrannei der Mehrheit äußert sich auch in Unbeständigkeit der Gesetzgebung und (öffentlichen) Verwaltung (Q1, S. 287f) sehr kurze Lebensdauer amerikanischer Gesetze gesetzgebende Gewalt orientiert sich an kurzlebigen Wünschen der Mehrheit, „… sobald sie [,die Mehrheit,] jedoch ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtet, hört alle Anstrengung auf …“ (Q1, S. 288) Mehrheit unterwirft sich aber auch nicht in jedem Falle den gegebenen Gesetzen; sie beansprucht zu jedem Zeitpunkt „… auch das Vorrecht auf Ungehorsam gegen das Gesetz [.]“ (Q1, S. 291f, Anmerkung des Autors) Tyrannei äußert sich durch Ausübung mit Hilfe des Gesetzes und ist in der Regel entgegen dem besten der Regierten geartet (Q1, S. 292f) Macht der Mehrheit legt sich auch auf die öffentliche Meinungen und Gedanken der Menschen nieder: Meinungen und Gedanken unterwerfen sich allg. Mehrheit, schließen sich an (Q1, S. 294) Mehrheit hat noch mehr Macht als unumschränkter Herrscher, da sie alle Kräfte der Gesellschaft in sich vereint! „… die Mehrheit (…) besitzt sowohl eine materielle wie eine sittliche Macht, die auf den Wollen ebensosehr wie auf das Handeln einwirkt, und die die Tat und zugleich den Wunsch zu handeln hemmt.“ (Q1, S. 294) innerer Ausschluss von Menschen, die von der Mehrheit abweichen (Q1, S. 295) Mangel an Geistesfreiheit aufgrund Allmacht und allmächtiger Kontrolle durch Macht der Mehrheit (Q1, S. 296) Sprachrohr der Pluralität und der differenzierten Meinungen fehlt 2 Tocquevilles Begründung für das Phänomen der „Tyrannei der Mehrheit“: - - Mehrheit strebt nach Anerkennung, auch in der Hinsicht, dass sie genauso wie eine geringe Zahl auserwählter, fähiger Personen in der Lage ist, die öffentlichen Geschicke zu leiten (Q1, S. 285) Grundgedanke 1: Willen der Mehrheit ist dem eines Einzelnen / einer elitären Führungsriege vorzuziehen und sittlich wertvoller „Die sittliche Herrschaft der Mehrheit stützt sich fernen auf den Grundsatz, daß die Interessen der großen Zahl denen der kleinen Zahl vorgehen.“ (Q1, S. 286) Grundgedanke 2: in Bezug auf die Regierung hat die Mehrheit das Recht alles (!!!) zu tun! Q1, S. 289) Allmacht der Mehrheit birgt Keim zur Tyrannei und muss vermieden werden! in der Alten Welt existierende Interessengegensätze, resultierend aus unterschiedlichen sozialen Klassen und gesellschaftlichen Ständen, entfallen in Amerika (Q1, S. 286) somit weniger unterschiedliche Vorstellungen; Mehrheit drängt als große (mehr oder weniger einheitliche) Masse auf Mitbestimmung und Interessenverwirklichung in der Politik; unterschiedliche Artikulation der Interessen durch verschiedene Parteien entfällt Recht der Mehrheit wird akzeptiert und berücksichtigt „Da die Mehrheit die einzige Macht darstellt, der zu gefallen wichtig ist …“ (Q1, S. 288) Mangel an unabhängiger, übergeordneter Instanz zur Klärung von Ungerechtigkeiten in Amerika, da Mehrheit die öffentlichen Meinung, die gesetzgebende Versammlung, die ausführende Gewalt und sogar die Judikative bildet (Q1, S. 291) „Despotismus der Mehrheit“ als Auswuchs der Macht der Mehrheit! (Q1, S. 291. Anmerkung des Autors) Gewaltenteilung wird durch Allmacht der Mehrheit gefährdet und in gewisser Weise ausgeschalten Gegenspiel zur Macht der Mehrheit fehlt in Amerika (beispielsweise aristokratischer Stand in Gesellschaft) (Q1, S. 286, S. 294) Zur Wirkung der Tyrannei der Mehrheit in den Vereinigten Staaten: - „… es ist die ständig wachsende Wirksamkeit des Mehrheitsdespotismus in den Vereinigten Staaten, der man vor allem die geringe Zahl bedeutender Männer zuschreiben muss, die heute die politische Bühne betreten.“ (Q1, S. 196f) Despotismus der Mehrheit bringt zwangsläufig Männer hervor, die sich Glanz des Volkes nur leihen, „mannhafte Unabhängigkeit“ geht vielen amerikanischen Politikern ab Herrschaft der Mehrheit duldet gewisser Maßen nur einen vorgeschriebenen Weg, Wahrung der Rechte als Bürger auch nur dann möglich, wenn man sich Mehrheit beugt und anschließt (Q1, S. 297f) kaum echte Vaterlandsliebe bei Regierenden (Q1, S. 298) „… der Despotismus verdirbt den, der sich ihm unterwirft, weit mehr als den, der ihn aufzwingt.“ (Q1, S. 298) Gefahr des Untergangs der Freiheit durch Allmacht der Mehrheit (Q1, S. 300) Allmacht der Mehrheit könnte Minderheiten zum Ergreifen von Gewalt zwingen Anarchie als Folge des Despotismus der Mehrheit