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ARBEITSGEMEINSCHAFT ÖFFENTLICHES RECHT I
VORLESUNG ÖFFENTLICHES RECHT I
Bruno Binder, Carsten Roth, Gudrun Trauner
WS 2011/12
FRAGEN UND TEXTE zu den KAPITELN 4 bis 6
LÖSUNG
4
GEWALTENTEILIGER RECHTSSTAAT
1)
„Rechtsnormen“ können generell, individuell, abstrakt, konkret sein.
X
2)
Nach ihrem Adressatenkreis werden „abstrakte“ und „konkrete“ Rechtsnormen unterschieden.
X
Falsch. Nach ihrem Adressatenkreis werden generelle und individuelle Rechtsnormen unterschieden. Abstrakt und konkret beziehen sich auf den Inhalt der Rechtsnormen.
3)
Eine „generelle“ Rechtsnorm gilt grundsätzlich für alle.
NEIN
GEWALTENTEILUNG; GESETZGEBUNG – VOLLZIEHUNG [Lehrbuch Rz 91-106]
JA
1. AUFGABE: KREUZEN SIE AN !
X
4)
Eine „individuelle“ Rechtsnorm hat immer eine Regelung zum Inhalt, die sich auf einen
bestimmten Sachverhalt bezieht.
Falsch. Eine individuelle Rechtsnorm bezieht sich auf eine namentlich bezeichnete Person. Ob sich die
Rechtsnorm auf einen konkreten Sachverhalt (konkrete Rechtsnorm) oder auf einen abstrakten Sachverhalt bezieht (abstrakte Rechtsnorm) hängt mit der Frage, wer Adressat der Rechtsnorm ist, nicht zusammen.
X
5)
Die gesetzliche Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen ist keine „generelle“
Rechtsnorm, weil sie nur für Autolenker gilt.
Falsch. Generell bedeutet, dass sich die Rechtsnorm grundsätzlich an alle und an namentlich nicht bekannte Personen wendet. Dass die Rechtsnorm von ihren Voraussetzungen her nur auf eine Gruppe von
namentlich nicht bekannten Personen angewendet werden kann – hier die Autolenker – ändert nichts
daran, dass eine generelle Rechtsnorm vorliegt.
X
6)
Das Finanzamt fordert von einem Unternehmer eine Steuernachzahlung in der Höhe von
€ 10.000,--. Diese Rechtsnorm ist generell-abstrakt.
X
Falsch. Die Rechtsnorm ist individuell-konkret, weil sie sich an eine bestimmte Person richtet und auf die
wirklichen konkreten Einkommensverhältnisse des Unternehmers abstellt.
7)
Die Studiengesetze verlangen, dass Studierende, die ein Studium an der Universität aufnehmen wollen, die Matura haben. Diese Rechtsnorm ist individuell-konkret.
X
Falsch. Die Rechtsnorm ist generell, weil sie sich an die Allgemeinheit, an namentlich nicht bekannte Personen wendet. Sie ist abstrakt, weil sie ein allgemeines Bild beinhaltet und nicht auf die konkreten Umstände eines bestimmten Studierenden abstellt.
8)
Die Behörde nimmt einem Autofahrer den Führerschein ab. Diese Rechtsnorm ist individuell-konkret.
X
9)
Die „Gewaltenteilung“ teilt die Staatsgewalt in eine Gesetzgebung und in eine Vollziehung, die Vollziehung in die Verwaltung und in die Gerichtsbarkeit.
10)
X
Gesetzgebung und Verwaltung zusammen nennt man „Vollziehung“.
X
Falsch. Nicht Gesetzgebung und Verwaltung zusammen, sondern Verwaltung und Gerichtsbarkeit zusammen nennt man Vollziehung.
11)
Die Gewaltenteilung ist materielles Verfassungsrecht, weil sie im Sinne des Konstitutionalismus zum typischen Inhalt der Verfassung zählt. Die Gewaltenteilung ist auch formelles
Verfassungsrecht, weil sie im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) festgeschrieben ist.
X
12)
Ziel der „Gewaltenteilung“ ist es, die Staatsgewalt auf mehrere Staats(teil)gewalten aufzuteilen, weil eine spezialisierte Staats(teil)gewalt effizienter handeln kann als der Gesamtstaat.
X
Falsch. Ziel der Gewaltenteilung ist nicht, dass die einzelnen Staats(teil)gewalten effizienter handeln,
sondern dass durch Aufteilung der Staatsgewalt auf verschiedene Staats(teil)gewalten das Gewaltpotenzial des Staats vermindert wird, und dass die Staats(teil)gewalten einander kontrollieren.
13)
Der „Konstitutionalismus“ rang dem Monarchen ein Parlament ab. Damit war die Staatsgewalt zwischen dem Monarchen und dem Parlament geteilt. Dem Parlament war die Gesetzgebung (= Legislative), dem Monarchen die Vollziehung (= Exekutive) zugedacht.
X
1
4
GEWALTENTEILIGER RECHTSSTAAT
14)
Die „Vollziehung“ umfasst – nach dem formellen Verständnis des B-VG von Gewaltenteilung – im Bereich der Rechtserzeugung die Umsetzung der Gesetze durch generelle Verordnungen der Verwaltungsbehörden, durch individuelle Bescheide der Verwaltungsbehörden
sowie durch individuelle Urteile und Beschlüsse der Gerichte.
X
15)
Das B-VG weicht in seinem Begriffsverständnis vom idealtypischen Begriffsverständnis
der Gesetzgebung und der Vollziehung ab. Die „Verwaltung“ darf zB auch generelle Rechtsnormen (Verordnungen) erlassen.
X
16)
Ein „Gesetz im materiellen Sinn“ ist – unabhängig von seinem Inhalt – jede Rechtsnorm
eines Parlaments, die als „Gesetz“ beschlossen und kundgemacht wird. Ein „Gesetz im formellen Sinn“ ist jede generelle Rechtsnorm des Staats, unabhängig davon, ob sie von einem
Parlament oder einer Verwaltungsbehörde erlassen wird.
X
Falsch. Ein Gesetz im materiellen Sinn ist jede staatliche Rechtsnorm, die sich an die Allgemeinheit wendet (generelle Rechtsnorm). Ist die Rechtsnorm eines Parlaments ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gemeint, liegt ein Gesetz im formellen Sinn vor. Ein Gesetz im formellen Sinn sind nur die vom Parlament
erlassenen Gesetze, unabhängig ob sie sich an die Allgemeinheit oder an Einzelne wenden.
17)
Ein „Gesetz im formellen Sinn“ muss nicht immer generell-abstrakt sein. Es kann nach
dem B-VG auch ein individuell-konkretes Einzelfallgesetz sein, etwa eine „Legalenteignung“.
X
18)
Generell-abstrakte Rechtsnormen sind „Gesetze im materiellen Sinn“. Die Rechtsnormen,
die das Parlament in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren als „Gesetz“ beschließt und
kundmacht, bezeichnen wir als „Gesetze im formellen Sinn“.
X
19)
Das B-VG erlaubt nicht nur dem Parlament, sondern auch der Vollziehung, generelle
Rechtsnormen zu erlassen, und nennt solche generellen Rechtsnormen der Verwaltung „Bescheide“.
X
20)
An der Spitze der Vollziehung steht die „Regierung“.
NEIN
REGIERUNG; BINDUNG DER VOLLZIEHUNG AN DIE WEISUNGEN DER REGIERUNG
[Lehrbuch Rz 107-113]
JA
Falsch. Generelle Rechtsnormen der Verwaltung heißen Verordnungen. Bescheide sind individuelle
Rechtsnormen der Verwaltung.
X
21)
Die „Regierung“ als oberstes Organ der Vollziehung kann vom Parlament für alles, was in
der Vollziehung geschieht, politisch verantwortlich gemacht werden.
X
22)
Die „parlamentarische Demokratie“ geht davon aus, dass der politische Wille des Volks im
vom Volk gewählten Parlament und in den Gesetzen des Parlaments festgelegt und formuliert wird. Die Vollziehung wird (von Ausnahmen abgesehen) nicht vom Volk gewählt. Die
Spitze der Vollziehung (Regierung) wird jedenfalls nicht vom Volk gewählt; sie ist aber dem
Parlament (Volksvertretung) politisch verantwortlich.
X
23)
Die „politische Verantwortung“ der Regierung bedeutet die Möglichkeit zur Abberufung
der Regierung bei Vorliegen eines gesetzwidrigen Verhaltens der Regierung bzw eines Regierungsmitglieds.
X
Falsch. Die politische Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament hängt nicht von der Frage
eines gesetzwidrigen Verhaltens ab. Das Parlament kann der Regierung politisch (ohne Angabe von Gründen) das Vertrauen entziehen und die Regierung abberufen (Misstrauensvotum, Art 74 B-VG).
24)
Wegen der „politischen Verantwortung“ der Regierung gegenüber dem Parlament müssen
die Mitglieder der Regierung berechtigt sein, grundsätzlich alle Organe der Vollziehung zu
leiten, zu beaufsichtigen und ihnen Weisungen zu erteilen.
X
25)
Die Bundesregierung ist eine „Konzentrationsregierung“ oder „Proporzregierung“. Die
Anzahl der den politischen Parteien zuzurechnenden Bundesminister und Staatssekretäre
muss dem Verhältnis der Abgeordneten im Nationalrat entsprechen.
X
Falsch. Die Bundesregierung muss sich auf die Mehrheit im Nationalrat stützen können, damit sie nicht
durch Misstrauensvotum abberufen wird (Art 74 B-VG). In den Ländern ist meist eine Konzentrationsoder Proporzregierung vorgesehen (in Salzburg, der Steiermark, in Tirol und Vorarlberg allerdings eine
Mehrheitsregierung).
26)
Die „Mehrheitsregierung“ ist eine Regierung, in der die im Parlament vertretenen Parteien
im Verhältnis ihrer Mandatsstärke auch an der Regierung teilnehmen.
Falsch. Die Mehrheitsregierung ist eine Regierung, die sich – egal wie sie zusammen gesetzt ist – auf das
politische Vertrauen der Parlamentsmehrheit stützt. Eine Regierung, deren Mitglieder im Verhältnis der
Mandatsstärke der im Parlament vertretenen Parteien an der Regierung teilnehmen, ist eine Konzentrations- oder Proporzregierung.
X
27)
Die Abgeordneten des Parlaments, welche die Regierung politisch nicht stützen, bezeichnet man als „Opposition“.
2
X
JA
VERWALTUNG – GERICHTSBARKEIT [Lehrbuch Rz 114-116]
VERWALTUNG IM FORMELL-ORGANISATORISCHEN SINN [Lehrbuch Rz 117-125]
NEIN
4
GEWALTENTEILIGER RECHTSSTAAT
28)
Von „Kabinettsjustiz“ spricht man, wenn die Regierung missliebige Personen durch die
Gerichte, insbesondere durch die Strafjustiz, verfolgen will.
X
29)
Gegen die „Kabinettsjustiz“ richtet sich die Unabhängigkeit der Justiz; genau genommen
– nach dem B-VG – die Unabhängigkeit der Richter.
X
30)
Die Unabhängigkeit der Richter besteht in den „richterlichen Privilegien“, das sind die
Weisungsfreiheit, die Unabsetzbarkeit und die Unversetzbarkeit der Richter.
X
31)
In der Gerichtsbarkeit sind auch „Laienrichter“ (Geschworene, Schöffen, fachkundige Beisitzer) tätig, die als demokratisches Element in der Gerichtsbarkeit gelten können.
X
Falsch. Nach der Vorstellung der Demokratie vertreten gewählte Personen das Volk. Geschworene, Schöffen und fachkundige Beisitzer werden nicht vom Volk gewählt, ihre Vorkehrung in der Rechtsordnung
versteht sich nicht als Element der Demokratie.
32)
In der „parlamentarischen Demokratie“ wählt das Volk die Abgeordneten zum Parlament
und die Richter.
X
Falsch. Das Volk wählt in der parlamentarischen Demokratie die Abgeordneten zum Parlament; die Vollziehungsorgane wählt es nicht. Das gilt grundsätzlich für die Verwaltungsorgane, in jedem Fall für die
Richter.
33)
In der „parlamentarischen Demokratie“ werden Verwaltungsorgane grundsätzlich nicht
unmittelbar vom Volk gewählt.
X
34)
In der „parlamentarischen Demokratie“ werden die obersten Verwaltungsorgane, die Regierungen, unmittelbar vom Volk gewählt.
X
Falsch. In der parlamentarischen Demokratie wählt grundsätzlich das Parlament die Regierung, jedenfalls
aber ist die Regierung vom Parlament politisch abhängig.
35)
Das B-VG teilt die Staatsgewalt in eine „Gesetzgebung im formellen Sinn“, in eine „Verwaltung im formell-organisatorischen Sinn“ und in eine „Gerichtsbarkeit im formellorganisatorischen Sinn“.
X
36)
Formell lassen sich „Verwaltung“ und „Gerichtsbarkeit“ vor allem organisatorisch unterscheiden. Die Verwaltung ist organisatorisch weisungsfrei, die Richter sind organisatorisch
weisungsgebunden.
X
Falsch. Verwaltung und Gerichtsbarkeit sind formell nach der Organisation zu unterscheiden. Jedoch ist
die Verwaltung weisungsgebunden, die Rechtsprechung weisungsfrei.
37)
„Verwaltung im formellen Sinn“ ist alles, was Verwaltungsorgane tun, ohne Rücksicht auf
Inhalt und Ziel ihres Handelns.
X
38)
„Verwaltung“ ist im „formell-organisatorischen Sinn“ weisungsgebendes und weisungsgebundenes staatliches Vollziehungshandeln.
39)
X
Unter „Daseinsvorsorge“ verstehen wir das Gewaltmonopol des Staats.
X
Falsch. Daseinsvorsorge beschreibt die Aufgaben und Inhalte der Verwaltungstätigkeit. Die Verwaltung
sorgt für das Wohlergehen aller, für das Allgemeinwohl und sichert so das Dasein der Menschen.
40)
Vollziehungshandeln, das der Daseinsvorsorge dient, ist „Verwaltung im materiellen Sinn“.
41)
Aufgabe der Vollziehung ist es, „Daseinsvorsorge“ zu betreiben.
X
Falsch. Die Vollziehung setzt (idealtypisch) das generell-abstrakte Recht der Gesetzgebung individuellkonkret durch. Die Verwaltung betreibt dabei Daseinsvorsorge, die Gerichtsbarkeit betreibt Streitschlichtung und Streitentscheidung.
X
42)
„Verwaltung im formellen Sinn“ fragt nach den Aufgaben und Inhalten des Verwaltungshandelns und beantwortet die Frage mit der Daseinsvorsorge (Straßen und Wege, öffentliche
Sicherheit, Schulen, Sozialleistungen ua).
JA
BUDGETHOHEIT DES PARLAMENTS [Lehrbuch Rz 134-138]
RECHTSSTAAT – GESETZESSTAAT – GESETZMÄßIGKEITSGEBOT [Lehrbuch Rz 139-148];
RECHTSSCHUTZSTAAT [Lehrbuch Rz 158-161]
NEIN
X
Falsch. Wird Verwaltung nach Aufgaben und Inhalten (Daseinsvorsorge) beschrieben, sprechen wir von
Verwaltung im materiellen Sinn. Für die Verwaltung im formellen Sinn ist – ohne Rücksicht auf Aufgabe
und Inhalt ihres Handelns – bedeutend, dass ein Verwaltungsorgan handelt.
43)
Die Budgethoheit des Parlaments bedeutet, dass alle Gesetze des Parlaments auf ihre
Budgetrelevanz geprüft werden müssen.
X
Falsch. Die Budgethoheit des Parlaments bedeutet, dass das Parlament zuständig ist, die Ein- und Ausgaben des Staats (= Budget) festzulegen.
44)
Der „Rechtsstaat“ ist ein Gesetzesstaat. Das Handeln der Vollziehungsorgane ist in allgemein kundgemachten Gesetzen festgeschrieben.
X
3
4
GEWALTENTEILIGER RECHTSSTAAT
45)
„Polizeistaat“ ist der begriffliche Gegensatz zum Rechtsstaat. Im vorkonstitutionellen Polizeistaat, der insbesondere keine Gewaltenteilung kennt, liegt die gesamte Staatsgewalt undifferenziert und uneingeschränkt in der Hand eines Machthabers.
46)
X
Im „Rechtsstaat“ ist die Gesetzgebung vorhersehbar und berechenbar.
X
Falsch. Im Rechtsstaat ist anhand der Gesetze das Handeln der Vollziehung vorhersehbar und berechenbar, nicht die Gesetzgebung.
47)
Die Vollziehung ist dem Parlament unterworfen.
X
48)
Die Vollziehung ist an die Gesetze gebunden (= „Gesetzmäßigkeitsgebot“). Das ergibt
sich sowohl aus dem rechtsstaatlichen Prinzip als auch aus dem demokratischen Prinzip der
Bundesverfassung.
X
49)
„Verfassungsautonomie“ bedeutet, dass das Parlament als demokratisch legitimierter
Gesetzgeber in Verfassungsgesetzen grundsätzlich alles frei regeln darf.
X
50)
„Gesetzgebungsautonomie“ bedeutet, dass das Parlament nicht nur in Verfassungsgesetzen, sondern auch in einfachen Gesetzen alles frei regeln darf.
X
Falsch. Der autonome Gesetzgeber darf nur soweit frei regeln, als er den formellen Verfassungsgesetzen
nicht widerspricht.
51)
„Gesetzesvorbehalt“ und „Gesetzesvorrang“ sind Synonyme.
Falsch. Beim Gesetzesvorrang darf die Verwaltung frei handeln, solange sie nicht einem Gesetz widerspricht. Beim Gesetzesvorbehalt darf die Verwaltung nur handeln, soweit der Gesetzgeber ihr dafür eine
gesetzliche Grundlage gegeben hat.
X
52)
Bei „Gesetzesvorbehalt“ darf die Vollziehung frei handeln, solange das Parlament kein
Gesetz erlassen hat.
X
Falsch. Beim Gesetzesvorrang darf die Vollziehung frei handeln, solange das Parlament kein Gesetz erlassen hat.
53)
Die gesamte staatliche Vollziehung (Verwaltung und Gerichtsbarkeit) ist aus Gründen des
Rechtsstaats und der Demokratie strikt an die (parlamentarischen) Gesetze gebunden (=
„Gesetzmäßigkeitsgebot“).
X
54)
Wir nennen das Gesetzmäßigkeitsgebot auch „Legalitätsprinzip“. Das Gesetzmäßigkeitsgebot ist in Art 18 Abs 1 B-VG verankert und lautet: „Die gesamte staatliche Gerichtsbarkeit
darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden“.
X
Falsch. Art 18 Abs 1 B-VG nennt die Gerichtsbarkeit nicht, sondern lautet: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden“.
55)
Das „Gesetzmäßigkeitsgebot“ des Art 18 Abs 1 B-VG hat zwei Adressaten: Erstens die
Gesetzgebung, sie muss die Gesetze so formulieren, dass die Verwaltung eine gesicherte
Grundlage für ihr Vollziehungshandeln hat. Zweitens die Verwaltung, sie darf das – und nur
das – tun, was in den Gesetzen vorherbestimmt ist.
X
56)
Unter „formalgesetzlicher Delegation“ versteht man, dass die Verwaltung in bestimmten
Fällen anstelle des Gesetzgebers Gesetze erlassen darf.
TRENNUNG VON STAAT UND GESELLSCHAFT [Lehrbuch Rz 149-152, 155-157]
JA
57)
X
Dem Rechtsstaat liegt der Grundsatz der „Trennung von Staat und Gesellschaft“ zugrunde.
NEIN
X
Falsch. Unter formalgesetzlicher Delegation versteht man eine zu allgemein gehaltene Formulierung des
Gesetzgebers, die der Verwaltung keine hinreichende Grundlage für die Umsetzung des Gesetzes gibt. Die
formalgesetzliche Delegation ist verfassungswidrig.
58)
Die Gesellschaft ist – im Rahmen der Gesetze – frei. In der Gesellschaft herrscht „Privatautonomie“.
X
59)
Weil die „Gesellschaft“ frei ist, gilt das Gewaltverbot des Staats bei privatrechtlichen Verträgen nicht. Jeder kann sein Recht aus Verträgen selbst gewaltsam durchsetzen.
Falsch. Das Gewaltverbot gilt für die Gesellschaft uneingeschränkt. Die Menschen können in der freien
Gesellschaft im Rahmen der Privatautonomie Verträge abschließen und damit verbindliches Recht schaffen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit körperlicher Gewalt bleibt in jedem Fall dem Staat (staatliche
Vollstreckungsorgane, Exekutor) vorbehalten.
X
60)
Den Umstand, dass die Menschen in der freien Gesellschaft nicht an die staatlichen Gesetze gebunden sind, nennen wir „Privatautonomie“.
Falsch. Die staatlichen Gesetze sind für die Gesellschaft gemacht und gelten immer und für jedermann.
Die Privatautonomie gibt den Menschen in der Gesellschaft nur die Möglichkeit, auf der Grundlage der
vom Staat geschaffenen Privatrechtsordnung im Rahmen der Gesetze selbst durch Verträge verbindliches
Recht zu schaffen.
X
61)
Die Organisation und das typische Handeln des Staats sind Gegenstand des „öffentlichen
Rechts“.
4
X
GEWALTENTEILIGER RECHTSSTAAT
4
2. AUFGABE: KORRIGIEREN SIE DEN TEXT !
A: Aufgabe für Anfänger (4 Fehler)
Lösung
Die Staatsgewalt ist aufgrund der Gewaltenteilung in vier1) Staatsteilgewalten gegliedert: In die Gesetzgebung, in die Vollziehung,1) in die Verwaltung und in die Gerichtsbarkeit. Die Regierung steht an der
Spitze der Vollziehung. Sie wird vom Volk gewählt2) und ist für ihr Handeln dem Parlament verantwortlich. Damit die Regierung auch tatsächlich verantwortlich sein kann, ist die Verwaltung – mit Ausnahmen –
weisungsgebunden organisiert. Weil die Gerichtsbarkeit auch Teil der Vollziehung ist, gilt die Weisungsbindung auch für die Richter3). Die Regierung ist insbesondere mächtig, weil sie im Staat die Budgethoheit4) hat. Sie allein entscheidet, wofür das Geld des Staats ausgegeben wird. Die Regierung kann eine
Mehrheitsregierung oder eine Konzentrationsregierung (Proporzregierung) sein. Eine Mehrheitsregierung
wird auch von der Opposition unterstützt.
1)
Falsch: Die Staatsgewalt ist nicht in vier, sondern in drei Staatsteilgewalten geteilt; Vollziehung ist keine vierte Staatsteilgewalt; Verwaltung und Gerichtsbarkeit bilden zusammen die Vollziehung [Lehrbuch
Rz 91]. 2) Falsch: Die Regierung wir nicht vom Volk, sondern idR vom Parlament gewählt. Für die Bundesregierung weicht das B-VG allerdings von diesem Konzept ab und überträgt die Aufgabe der Bestellung
der Bundesregierung dem Bundespräsidenten [Lehrbuch Rz 109, 757]. 3) Falsch: Die Richter sind in ihrer
rechtsprechenden Tätigkeit weisungsfrei [Lehrbuch Rz 120]. 4) Falsch: Die Budgethoheit hat nicht die
Regierung, sondern das Parlament; die Regierung ist dennoch mächtig, weil sie über das Geld im Staat
verfügt (Lehrbuch Rz 135, 136].
B: Aufgabe für Fortgeschrittene (14 Fehler)
Lösung
(1) Österreich ist ein gewaltenteiliger Rechtsstaat. Die Gewaltenteilung hat das Ziel, die Staatsgewalt in
einzelne Staats(teil)gewalten aufzuteilen, das Gewaltpotenzial des Staats so zu reduzieren und eine
wechselseitige Kontrolle der Staatsteilgewalten zu erreichen. Die Gewaltenteilung unterteilt die Staatsgewalt in eine Gesetzgebung, in eine Verwaltung und in eine Gerichtsbarkeit.
(2) Die Gewaltenteilung ist kein Verfassungsgrundsatz, sie ergibt sich aus den Regelungen der einfachgesetzlichen Rechtsordnung.1) Gewaltenteilung ist ein altes Organisationsprinzip des Staats, schon die
absolute Monarchie war gewaltenteilig organisiert.2)
(3) Im Sinne der Gewaltenteilung ist die Staatsorganisation in eine Gesetzgebung der Parlamente und in
eine den Parlamenten politisch verantwortliche Vollziehung geteilt. Gesetzgebung3) und Gerichtsbarkeit
zusammen nennt man „Vollziehung“. Im Rahmen der Vollziehung ist die Rechtsprechung der Richter unabhängig und der politischen Verantwortung entzogen.
(4) An der Spitze der Vollziehung steht eine vom Parlament gewählte oder dem Parlament zumindest
politisch verantwortliche Regierung, deren Aufgabe es ist, den Willen des Parlaments in der Vollziehung
durchzusetzen. Die Regierungen (Bundesregierung und Landesregierungen) sind ihrem jeweiligen Parlament für ihr eigenes Tun, aber auch für alle Vorgänge in der Vollziehung politisch verantwortlich. Wegen
dieser politischen Verantwortung ist die Unterwerfung der gesamten Vollziehung unter die Leitung der
Vollziehungsspitze unerlässlich. Deshalb erlaubt die Bundesverfassung auch keine weisungsfreien Bereiche in der Vollziehungsorganisation.4)
(5) Die politische Spitze der Vollziehung, die Regierung, leitet sowohl die Verwaltungsorganisation als
auch die Gerichtsorganisation, sie ist für beide Organisationen dem Parlament politisch verantwortlich.
Die Richter sind aber weisungsfrei gestellt und mit den richterlichen Privilegien der Unversetzbarkeit und
der Unabsetzbarkeit vor politischen Einflussnahmen und Pressionen geschützt.
(6) Österreich ist nicht nur gewaltenteilig organisiert, auf der Grundlage der Gewaltenteilung ist Österreich auch ein Rechtsstaat. Der Rechtsstaat verlangt die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des Vollziehungshandelns anhand von generellen, allgemein kundgemachten Gesetzen. Es muss für jedermann
anhand der Verfassung vorhersehbar und berechenbar sein, welche Regelungen das Parlament inhaltlich
in seinen Gesetzen erlässt.5)
(7) Das Gesetzmäßigkeitsgebot ist im gewaltenteiligen Rechtsstaat ein wichtiger Grundsatz der Verfassungsordnung. Das Gesetzmäßigkeitsgebot ist in Art 18 Abs 1 B-VG geregelt. Es gilt – weil Art 18 Abs 1
B-VG von „Vollziehung“6) spricht – für die Verwaltung, nicht für die Gerichtsbarkeit.7) Gesetzmäßigkeitsgebot bedeutet, dass die Gesetze des Parlaments gegenüber den Anordnungen der Vollziehung „Gesetzesvorrang“8) haben. Anstelle von „Gesetzesvorrang“ verwendet man auch den Begriff „Gesetzesvorbehalt“.9)
(8) Die Tätigkeit der Verwaltung können wir inhaltlich mit „Daseinsvorsorge“, die Tätigkeit der Gerichte
mit „Streitentscheidung“ beschreiben.
(9) Im idealtypischen Sinn des Konstitutionalismus ist „Gesetzgebung“ der Erlass generell-abstrakter
Rechtsnormen, die in der parlamentarischen Demokratie dem vom Volk gewählten Parlament vorbehalten ist. „Vollziehung“ hingegen ist der Erlass individuell-konkreter Rechtsnormen auf der Grundlage der
Gesetze. Das B-VG orientiert sich an dieser Vorstellung, übernimmt sie aber nicht präzise. So erlaubt es
das B-VG den Parlamenten, in Gesetzesform auch individuell-konkrete Rechtsnormen, etwa sogenannte
„Einzelfallgesetze“, zu erlassen. Der Verwaltung gestattet die Verfassung, auch generelle Rechtsnormen,
die „Verordnungen“, zu erlassen (Art 18 Abs 110) B-VG). Weil das B-VG von der idealtypischen Vorstel5
4
GEWALTENTEILIGER RECHTSSTAAT
lung der Gewaltenteilung abweicht, unterscheiden wir Gesetze „im materiellen Sinn“ und Gesetze „im
formellen Sinn“. Gesetze im materiellen11) Sinn sind alle vom Parlament beschlossenen Rechtsnormen
ohne Rücksicht ihren Inhalt. Gesetze im formellen12) Sinn sind alle Rechtsnormen mit generellabstraktem Inhalt ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Parlament oder von der Vollziehung erlassen
werden. Verordnungen sind Gesetze im formellen Sinn13).
(10) Weil sich das B-VG nicht präzise an die idealtypische Vorstellung der Gewaltenteilung hält, unterscheidet es auch innerhalb der „Gesetzgebung“14) die „Verwaltung“ und die „Gerichtsbarkeit“ nicht nach
materiellen, sondern nach formellen Gesichtspunkten. „Verwaltung im materiellen Sinn“ wäre die Sorge
der Vollziehung für das Wohl der Allgemeinheit (= Daseinsvorsorge), „Gerichtsbarkeit im materiellen
Sinn“ die Streitentscheidung. Das B-VG sieht ohne Rücksicht auf den Inhalt alles als Verwaltung, was
Verwaltungsorgane tun. Und alles als Gerichtsbarkeit, was Richter tun. Typisch für die Stellung der Verwaltungsorgane ist ihre Weisungsbindung, typisch für die Stellung der Richter sind ihre richterlichen
Privilegien der Weisungsfreiheit, der Unabsetzbarkeit und der Unversetzbarkeit. Daher versteht das B-VG
unter Verwaltung das staatliche Handeln weisungsgebundener (oder weisungsgebender) Vollziehungsorgane, unter Gerichtsbarkeit das staatliche Handeln von mit den richterlichen Privilegien ausgestatteten
Vollziehungsorganen. Das B-VG geht so von einem formell-organisatorischen Verwaltungsbegriff aus.
1)
Falsch: Die Gewaltenteilung ist in der Verfassung verankert, das ergibt sich aus den einzelnen im B-VG vorgesehenen Regelungen zur Gesetzgebung und zur Vollziehung; Art 94 B-VG sieht ausdrücklich die Gewaltentrennung zwischen
2)
Falsch: Die Gewaltenteilung ist das Ziel des KonstitutionalisGerichtsbarkeit und Verwaltung vor [Lehrbuch Rz 117].
mus. In der absoluten Monarchie war alle Staatsgewalt beim absoluten Herrscher zentriert. Der Staat war ein Polizei3)
staat, kein Rechtsstaat [Lehrbuch 32, 91].
Falsch: Nicht Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit nennt man zusammen
4)
Vollziehung, sondern Verwaltung und Gerichtsbarkeit zusammen [Lehrbuch Rz 91].
Falsch: Die politische Spitze der
Vollziehung, die Regierung, leitet sowohl die Verwaltungsorganisation als auch die Gerichtsorganisation, ist grundsätzlich für beide Organisationen weisungsberechtigt und dem Parlament politisch verantwortlich. Die einzelnen Richter
sind aber von Verfassung wegen in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit weisungsfrei gestellt [Lehrbuch Rz 113, 120].
Auch bestimmte Bereiche der Verwaltung sind von Verfassungs wegen weisungsfrei (zB die Selbstverwaltung im Staat
[die Gemeinden], die Landesschulräte, die Unabhängigen Verwaltungssenate) oder dürfen durch den einfachen Gesetz5)
Falsch: Der Rechtsstaat verlangt die Vorhergeber weisungsfrei gestellt werden (Art 20 B-VG) [Lehrbuch Rz 805].
sehbarkeit und die Berechenbarkeit des Vollziehungshandelns am Maßstab der Gesetze. Der Gesetzgeber selbst ist frei,
6)
er verfügt über Gesetzgebungsautonomie [Lehrbuch Rz 139, 147].
Falsch: Art 18 Abs 1 B-VG spricht von Verwal7)
Falsch: Auch wenn Art 18 Abs 1 B-VG nur von Verwaltung spricht,
tung, nicht von Vollziehung [Lehrbuch Rz 145].
gilt das Gesetzmäßigkeitsgebot aus Rechtsstaats- und Demokratiegründen für die gesamte Vollziehung, also sowohl für
8)
die Verwaltung als auch für die Gerichtsbarkeit [Lehrbuch Rz 145].
Falsch: Unter Gesetzesvorrang verstehen wir,
dass die Vollziehung frei Anordnungen treffen darf, solange sie einem Gesetz nicht widerspricht. Der auf dem Gesetzmäßigkeitsgebot (Art 18 Abs 1 B-VG) beruhende Rechtsstaat unterwirft die Vollziehung der Gesetzgebung total. Die
Vollziehung steht nicht unter dem Gebot des Gesetzesvorrangs, sondern unter dem Gesetzesvorbehalt. Sie darf nur
9)
handeln, wenn ihr Handeln durch den Gesetzgeber hinreichend determiniert ist [Lehrbuch Rz 143, 145].
Falsch:
Gesetzesvorrang und Gesetzesvorbehalt bezeichnen einen wesentlichen Unterschied. Beim Gesetzesvorrang ist die
Vollziehung frei zu handeln, solange sie einem Gesetz nicht widerspricht. Beim Gesetzesvorbehalt darf sie nur handeln,
10)
wenn und soweit der Gesetzgeber dafür eine entsprechende Grundlage geschaffen hat [Lehrbuch Rz 143, 144].
Falsch: Nicht in Art 18 Abs 1, sondern in Art 18 Abs 2 B-VG erlaubt die Verfassung der Verwaltung, generelle Rechts11)
normen (Verordnungen) zu erlassen.
Falsch: Wenn der Begriff Gesetz nicht danach fragt, ob die Rechtsnorm einen
generell-abstrakten Inhalt hat, sondern nur berücksichtigt, ob die Rechtsnorm vom Parlament beschlossen wurde,
sprechen wir gerade nicht von einem Gesetz im materiellen Sinn, sondern von einem Gesetz im formellen Sinn [Lehr12)
buch Rz 106].
Falsch: Gesetze im formellen Sinn sind alle vom Parlament beschlossenen Rechtsnormen ohne Rücksicht auf ihren Inhalt. Der Begriff Gesetz im materiellen Sinn hingegen fragt nur nach dem generell-abstrakten Inhalt
einer Rechtsnorm und nicht danach, wer die Rechtsnorm (Parlament oder Vollziehung) erlassen hat [Lehrbuch Rz 99].
13)
Falsch: Verordnungen werden von Verwaltungsbehörden erlassen und sind daher Verwaltungsrechtsnormen. Weil
Verordnungen aber einen generellen Adressatenkreis haben, gelten sie als Gesetze im materiellen Sinn, auch wenn sie
14)
nicht von einem Parlament erlassen sind [Lehrbuch Rz 99, 103, 1148].
Falsch: Verwaltung und Gerichtsbarkeit sind
gewaltenteilig nicht innerhalb der Gesetzgebung, sondern innerhalb der Vollziehung zu unterscheiden [Lehrbuch
Rz 120-122].
5
STAAT UND POLITIK
NEIN
ANTIMONARCHISMUS [Lehrbuch Rz 166-167, 169-172]
JA
1. AUFGABE: KREUZEN SIE AN !
1)
Das B-VG richtet Österreich als Republik, nicht als Monarchie ein. Das B-VG ist darüber
hinaus „antimonarchistisch“, weil es besondere gegen die Monarchie und ihre Grundlagen
gerichtete Verfassungsgesetze kennt.
X
2)
Österreich ist seit 1945 nicht nur Republik, die Verfassung sieht darüber hinaus scharfe
gegen den früheren Monarchen, seine Familien und den sie umgebenden Adel gerichtete
Gesetze vor.
Falsch. Österreich ist nicht erst seit 1945, sondern seit 1918 Republik. Seit damals ist die Verfassungsordnung auch antimonarchistisch.
6
X
5
STAAT UND POLITIK
3)
Die Verfassung der Republik Österreich beruft sich – anders als die untergegangene österreichische Monarchie – als Rechtfertigung für die Staatsgewalt auf das „Gottesgnadentum“.
X
NEIN
LAIZISMUS [Lehrbuch Rz 166-167, 173-174, 176, 179-180]
JA
Falsch. Der Monarch beruft sich als Rechtfertigung für seine Macht auf das Gottesgnadentum, nicht jedoch
die Verfassung der Republik Österreich.
4)
Der „Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche“ besagt, dass Staat und Kirche zwei
getrennte Bereiche sind, insbesondere die Kirche keinen Einfluss auf den Staat und seine
Willensbildung hat. Die politische Forderung nach der Trennung von Staat und Kirche nennt
man „Laizismus“.
X
5)
Die gesetzlich anerkannten „Kirchen und Religionsgesellschaften“ verfügen auf der
Grundlage des Art 15 StGG 1867 über eine eigene Rechtsordnung. Sie sind dem Staatsrecht
nicht unterworfen.
X
Falsch. Die Kirchen und Religionsgesellschaften haben zwar nach Art 15 StGG 1867 eine eigene interne
Ordnung, sie sind aber – wie Art 15 StGG 1867 ausdrücklich sagt – den allgemeinen Gesetzen des Staats
unterworfen. Die innere Ordnung der Kirchen und Religionsgesellschaften ist keine Rechtsordnung im
Sinne des positivistischen Staatsrechts.
6)
„Kirchenrecht“ ist das Recht des Staats, das sich mit den Kirchen und Religionsgesellschaften befasst.
X
Falsch. Kirchenrecht ist die innere Ordnung einer Kirche nach Art 15 StGG 1867. Die innere Ordnung der
gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ist nicht Teil des staatlichen Rechts.
7)
Ein „Konkordat“ ist der völkerrechtliche Vertrag des Staats mit dem „Vatikan“ über Fragen der katholischen Kirche.
X
8)
NEIN
ANTIFASCHISMUS [Lehrbuch Rz 166-167, 181-187]
X
JA
„Kirchen“ sind Religionsgemeinschaften christlichen Glaubens, „Religionsgesellschaften“
Gemeinschaften anderer Religionen.
9)
Das im Verfassungsrang stehende „Verbotsgesetz 1947“ untersagt jede politische Betätigung für die NSDAP oder ihre Ziele. Das Verbotsgesetz 1947 ist die verfassungsgesetzliche
Grundlage der antifaschistischen Haltung der österreichischen Verfassungsordnung.
X
10)
Jede extremistische politische Betätigung gilt als „faschistisch“, die nach dem Verbotsgesetz 1947 und nach dem Staatsvertrag Wien 1955 verfassungsgesetzlich verboten ist.
X
Falsch. Das Verbotsgesetz 1947 und der Staatsvertrag von Wien 1955 verstehen unter Faschismus totalitäre Regime nationalsozialistischer Prägung.
11)
Totalitäre Regime, die mit der Ideologie des „Nationalsozialismus“ nicht in Zusammenhang stehen, sind vom Verbotsgesetz 1947 und vom Staatsvertrag von Wien 1955 nicht
erfasst.
X
12)
Kennzeichen des „Faschismus“ sind Militarismus, Chauvinismus, Rassismus und Imperialismus.
X
X
NEUTRALITÄT [Lehrbuch Rz 166-167, 188-199]
NEIN
Der österreichische Ständestaat 1934 bis 1938/45 wird von manchen als „Austrofaschismus“ bezeichnet.
JA
13)
14)
Österreich ist „immerwährend neutral“. Die Neutralität ist im Neutralitätsgesetz 1955, das
ein Bundesverfassungsgesetz ist, und im Staatsvertrag von Wien 1955 verankert.
X
Falsch. Die Neutralität ist im Neutralitätsgesetz 1955, nicht aber im Staatsvertrag von Wien 1955 verankert.
15)
Österreich darf nach dem „Neutralitätsgesetz 1955“ keinem Militärbündnis beitreten. Ein
Beitritt zur NATO wäre dennoch möglich, weil die Mitgliedschaft in der NATO ohnedies nur
demokratischen Staaten vorbehalten ist.
X
Falsch. Die NATO ist ein Militärbündnis, der Beitritt zur NATO ist durch das Neutralitätsgesetz 1955 verboten. Ob die NATO-Mitgliedstaaten Demokratien sind, ist nicht von Bedeutung.
16)
Österreich ist völkerrechtlich verpflichtet, das „Neutralitätsgesetz 1955“ und die Neutralitätspolitik beizubehalten.
Falsch. Die Neutralität ist im Neutralitätsgesetz 1955, nicht aber in völkerrechtlichen Grundlagen verankert. Damit besteht auch keine völkerrechtliche Verpflichtung, die Neutralität beizubehalten. Österreich
entscheidet souverän und völkerrechtlich ungebunden über die Frage, ob es das Neutralitätsgesetz 1955
beibehalten, abändern oder aufheben will.
X
7
5
STAAT UND POLITIK
17)
Die „Neutralität“ verpflichtet Österreich, sein Staatsgebiet und seine Souveränität mit
allen zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht zu erhalten und zu verteidigen.
X
X
ATOMWAFFEN- UND ATOMENERGIEFREIHEIT [Lehrbuch Rz 166-167, 200]
19)
NEIN
Die Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Sicherheitspolitik der Europäischen Union ist unbeschadet der österreichischen „Neutralität“ durch die besondere Bestimmung des
Art 23j B-VG verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
JA
18)
Österreich ist gemäß Art 2 B-VG atomwaffen- und atomenergiefrei.
X
Falsch. Die Atomwaffen- und Atomenergiefreiheit hat ihre Grundlage im BVG für ein atomfreies Österreich, nicht in Art 2 B-VG.
20)
Österreich ist wegen des Verfassungsgrundsatzes der Atomwaffen- und Atomenergiefreiheit nicht Mitglied der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM).
X
Falsch. Österreich ist Mitglied der Europäischen Atomgemeinschaft; eine Mitgliedschaft in der EURATOM
verpflichtet nicht zur Nutzung von Kernenergie.
21)
Auch Atomstromimporte und Atomreaktoren, die keine Kraftwerke zur Energiegewinnung,
sondern nur wissenschaftlichen Zwecken dienen, sind verboten.
JA
SOZIALSTAAT [Lehrbuch Rz 166-168, 201-207]
NEIN
X
Falsch. Aus der Atomwaffen- und Atomenergiefreiheit lässt sich kein Verbot von Atomstromimporten ableiten. Und bloß wissenschaftlichen Zwecken dienende Atomreaktoren dürfen in Österreich betrieben werden.
22)
Österreich ist ein „Sozialstaat“. Die Bundesverfassung richtet Österreich nicht ausdrücklich als Sozialstaat ein, doch lässt sich die Sozialstaatlichkeit mittelbar, insbesondere mit der
Staatlichkeit und mit der egalitären Demokratie, begründen.
X
23)
Der „Sozialstaat“ verpflichtet die Staatsorgane, insbesondere die Parlamente, nach einer
sozial gerechten Ordnung der Gesellschaft zu streben.
X
24)
Statt „Sozialstaat“ kann man auch „Wohlfahrtsstaat“ sagen. Dem Sozialstaat geht es –
ebenso wie dem Wohlfahrtsstaat – ausschließlich um die Sicherung der Versorgung der Menschen mit lebensnotwendigen Gütern und Leistungen.
JA
GLEICHSTELLUNG VON FRAU UND MANN [Lehrbuch Rz 166-168, 216-217]
NEIN
X
Falsch. Der Sozialstaat verlangt die Versorgung der Menschen mit lebensnotwendigen Gütern und Leistungen. Der Wohlfahrtsstaat will darüber hinaus staatliche Maßnahmen zur Sicherung eines hohen Lebensstandards aller.
25)
Die Gleichstellung von Frau und Mann ist durch den Gleichheitssatz (Art 7 Abs 1 B-VG)
verfassungsgesetzlich bestimmt. Art 7 Abs 1 B-VG gewährleistet, dass Frau und Mann tatsächlich in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Familie die gleiche Stellung einnehmen.
Falsch. Die Gleichheit in den Rechten und Pflichten von Frau und Mann ist zwar durch den Gleichheitssatz
des Art 7 Abs 1 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistet; trotz dieser Gleichheit in den Rechten bestehen aber große tatsächliche Unterschiede in der Stellung von Frau und Mann in Wirtschaft, Gesellschaft,
Politik und Familie. Diese tatsächlichen Unterschiede versucht Art 7 Abs 2 B-VG (nicht Abs 1 !), durch das
Staatsziel der Gleichstellung von Frau und Mann auszugleichen.
X
26)
Die Gleichstellung von Frau und Mann schließt begrifflich auch die Gleichberechtigung von
Frau und Mann ein.
X
X
Sowohl „Ja“ als auch „Nein“ werden als korrekt gewertet.
27)
Der Staat ist verpflichtet, insbesondere durch Förderungen, auf die tatsächliche Gleichstellung und auf die Beseitigung tatsächlicher Ungleichheiten in der Stellung von Frau und
Mann hinzuwirken (Art 12 B-VG).
X
28)
Volksgruppen sind in Österreich lebende Österreicher und Österreicherinnen mit einem
eigenständigen kulturellen Hintergrund.
8
X
NEIN
ACHTUNG DER AUTOCHTHONEN VOLKSGRUPPEN [Lehrbuch Rz 166-168, 219-221]
JA
Falsch. Das Staatsziel der Gleichstellung von Frau und Mann ist in Art 7 Abs 2 B-VG verankert, nicht in
Art 12 B-VG.
5
STAAT UND POLITIK
29)
Insbesondere haben auch in Österreich lebende Türkinnen und Türken, die österreichische Staatsbürger geworden sind, einen eigenständigen kulturellen Hintergrund und stehen
nach Art 8 Abs 2 B-VG unter dem Schutz der Verfassung.
Art 8 Abs 2 B-VG statuiert ausdrücklich das Staatsziel der Achtung (nur !) der autochthonen Volksgruppen, das sind ethnische Minderheiten mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die historisch in Österreich
angesiedelt sind (autochthon = einheimisch, eingeboren, ursprünglich). Das trifft auf die kroatische, die
slowenische, die ungarische, die tschechische, die slowakische Volksgruppe und die Volksgruppe der Roma zu.
NEIN
JA
UMFASSENDER UMWELTSCHUTZ [Lehrbuch Rz 166-168, 222]
X
30)
Der Umweltschutz im Sinne des BVG Umweltschutz fordert erstens Maßnahmen zur Reinhaltung der „Luft“, zweitens Maßnahmen zur Reinhaltung des „Wassers“, drittens Maßnahmen zur Reinhaltung des „Bodens“ und viertens Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen
durch „Lärm“.
X
31)
Der Grundsatz des umfassenden Umweltschutzes ist zwar in der Bundesverfassung geregelt, aber bloß ein Staatsziel. Niemand ist daher aus dem BVG Umweltschutz unmittelbar
verpflichtet oder kann irgendwelche Rechte geltend machen.
X
32)
Das Staatsziel umfassender Umweltschutz verpflichtet alle Staatsorgane, den Umweltschutz bei ihrem Handeln zu beachten.
X
2. AUFGABE: KORRIGIEREN SIE DEN TEXT !
A: Aufgabe für Anfänger (3 Fehler)
Lösung
In Österreich gelten der Antimonarchismus, der Laizismus, der Antifaschismus, die Neutralität, die
Atomwaffen- und Atomenergiefreiheit und das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht1) als staatspolitische
Grundsätze. Konkrete Staatsziele gibt die Verfassung im Zusammenhang mit dem Sozialstaat, der
Gleichstellung von Frau und Mann, der Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen, der Achtung der autochthonen Volksgruppen, des umfassenden Umweltschutzes und der umfassenden Landesverteidigung vor.
Besondere Bedeutung hat der Sozialstaat. Der Staat sorgt nicht nur mit der Staatsgewalt für eine geordnete gewaltfreie Gesellschaft, er unterstützt sein Anliegen auch durch Einrichtung einer sozial gerechten
Ordnung. Der Sozialstaat ist in Art 1 B-VG verankert.2) Er lässt sich auch insbesondere mit der egalitären
Demokratie, der Menschenwürde und dem Gesetzmäßigkeitsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG3) begründen.
1)
Falsch: Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist kein staatspolitischer Grundsatz, sondern ein Staatsziel [Lehrbuch Rz 226]. 2) Falsch: Der Sozialstaat ist im B-VG nicht ausdrücklich verankert [Lehrbuch Rz 204]. 3) Falsch: Der
Sozialstaat lässt sich tatsächlich insbesondere mit der egalitären Demokratie und der Menschenwürde begründen, nicht
aber mit dem Gesetzmäßigkeitsgebot nach Art 18 Abs 1 B VG [Lehrbuch Rz 205-207].
B: Aufgabe für Fortgeschrittene (14 Fehler)
Lösung
(1) Die österreichische Verfassungsordnung kennt im positivistischen Sinn grundsätzlich keine ideologischen Vorgaben für den Staat und für das Handeln seiner Staatsorgane. Diese Zurückhaltung kennt Ausnahmen, insbesondere:
1. Die Verfassung richtet Österreich nicht nur als Republik ein, sie ist auch antimonarchistisch. Das
bedeutet, dass Österreich mit anderen Staaten, die Monarchien sind, keine Bündnisse eingehen soll.1)
2. Die Verfassung ist weiters antifaschistisch. Sie verbietet die NSDAP und andere politische Betätigungen im Sinne der NSDAP, weiters aber auch jede radikale politische Ideologie.2) Daher sind in Österreich
nicht nur die NSDAP und vergleichbare politische Gruppierungen verboten, sondern auch die Kommunistische Partei3).
3. Die Bundesverfassung erklärt weiters Österreich im Verfassungs-Überleitungsgesetz (V-ÜG) 19454) als
„immerwährend neutralen Staat“. Die immerwährende Neutralität Österreichs ist im Neutralitätsgesetz
1955 verankert. Das Neutralitätsgesetz 1955 ist ein Bundesverfassungsgesetz. Als neutraler Staat darf
sich Österreich nicht an militärischen Konflikten anderer Staaten beteiligen, in solchen Konflikten keinen
militärischen Beistand leisten und keine Außenpolitik betreiben, die eine der Konfliktparteien begünstigt.
Konkret darf Österreich keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet nicht zulassen. Eine Verfassungspflicht, das Staatsgebiet und
die Souveränität Österreichs gegen fremde Mächte zu verteidigen, besteht aufgrund der Neutralität
nicht.5)
4. Die Verfassung regelt das Verhältnis des Staats zu den Kirchen und Religionsgesellschaften. Sie geht
vom Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche aus und kann als gemäßigt laizistischer Staat gelten.
9
5
STAAT UND POLITIK
Besondere Beziehungen bestehen zur katholischen Kirche auf der Grundlage des Konkordats. Das Konkordat ist ein Bundesverfassungsgesetz6), das die Beziehungen des Staats zur katholischen Kirche regelt.
(2) Die Verfassung kennt auch Verfassungsziele, die sie den Staatsorganen für ihr Handeln vorgibt, insbesondere:
1. Österreich ist ein Sozialstaat. Das bedeutet, dass die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) besondere
gesetzliche Privilegien hat.7) Darüber hinaus sollen die Parlamente Österreich als Wohlfahrtsstaat8) einrichten.
2. Aufgrund des Art 7 Abs 1 B-VG sind in Österreich von Verfassungs wegen Frau und Mann gleichgestellt.
3. Die Bundesverfassung schützt die autochthonen Volksgruppen in Österreich. Das sind die kroatische,
die slowenische, die ungarische, die tschechische, die slowakische und die Volksgruppe der Roma.
4. Durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz verpflichtet die Verfassung die Staatsorgane bei ihrem
Handeln zum umfassenden Umweltschutz. Unter Umweltschutz versteht die Verfassung, die Reinhaltung
der Luft, des Wassers und des Bodens, die Vermeidung von Störungen durch Lärm und die Förderung
des Tourismus9).
5. Art 9a Abs 1 B-VG verpflichtet Österreich zur umfassenden Landesverteidigung, für die ausschließlich10) das Bundesheer berufen ist. Aufgrund der umfassenden Landesverteidigung besteht in Österreich
für alle Männer und Frauen11) die allgemeine Wehrpflicht.
6. Hohe Staatsschulden sind für die Stabilität des Staats gefährlich. Art 1412) Abs 2 B-VG verlangt daher
insbesondere von den zuständigen Parlamenten nachhaltig geordnete Haushalte. Die Verfassung nennt
auch Zahlen.13) Gemäß Art 14 Abs 3 B-VG14) ist das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gefährdet, wenn
die Staatsschulden 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen.
1)
Falsch: Der Antimonarchismus trifft verfassungsgesetzliche Vorkehrungen gegen monarchistische Bestrebungen der
Restauration, gegen vormals regierende Häuser und Familien sowie gegen den Adel in Österreich. Die Kompetenz zum
Abschluss von Staatsverträgen mit anderen Staaten, die Monarchien sind, wird dadurch nicht beschränkt [Lehrbuch
2)
Rz 169, 172].
Falsch: Der Faschismus als Rechtsbegriff im österreichischen Verfassungsrecht (Verbotsgesetz 1947
und Staatsvertrag von Wien 1955) nimmt Bezug auf den deutschen Nationalsozialismus der Jahre 1933 bis 1945, er
lässt sich wegen seines historischen Bezugs zum Nationalsozialismus nicht auf andere radikale politische Ideologien
3)
ausdehnen [Lehrbuch Rz 184, 187].
Falsch: Politologisch gibt es zwar Versuche, den Kommunismus als LinksFaschismus zu charakterisieren. Der Rechtsbegriff des Verbotsgesetzes 1947 und des Staatsvertrags von Wien 1955
lässt sich wegen seines historischen Bezugs zum Nationalsozialismus darauf jedenfalls nicht ausdehnen [Lehrbuch
4)
Rz 187].
Falsch: Österreich verpflichtet sich nicht im Verfassungs-Überleitungsgesetz 1945, sondern im Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs (= Neutralitätsgesetz 1955) zur Neutralität
5)
[Lehrbuch Rz 188].
Falsch: Nach Art I Abs 1 Neutralitätsgesetz 1955 hat Österreich seine Neutralität „mit allen ihm
zu Gebote stehenden Mitteln aufrechtzuerhalten und zu verteidigen“. Daraus wird abgeleitet, dass Österreich insbeson6)
dere sein Staatsgebiet und seine Souveränität verteidigen muss [Lehrbuch Rz 192].
Falsch: Das Konkordat 1933/34
ist kein Bundesverfassungsgesetz, sondern ein Staatsvertrag Österreichs mit dem Staat Vatikan (Heiliger Stuhl) [Lehr7)
buch Rz 179].
Falsch: Sozialstaat bedeutet keine gesetzlichen Privilegien für eine bestimmte politische Partei, sondern dass der Staat nach einer sozial gerechten Gesellschaft trachtet, insbesondere jeden mit den lebensnotwendigen
Gütern und Leistungen versorgen will [Lehrbuch Rz 202]. 8) Falsch: Der Wohlfahrtsstaat, der über den Sozialstaat
hinaus Maßnahmen verlangt, die jedem ein Leben in Wohlstand ermöglichen, ist kein Staatsziel der geltenden Verfas9)
sung [Lehrbuch Rz 203].
Falsch: Zum Staatsziel des umfassenden Umweltschutzes zählen zwar die Reinhaltung der
Luft, des Wassers und des Bodens sowie die Vermeidung von störendem Lärm, nicht aber die Förderung des Tourismus
10)
[Lehrbuch Rz 222].
Falsch: Dem Bundesheer obliegt nur die militärische Landesverteidigung; nicht auch die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung, die ebenfalls Bestandteile der umfassenden Landesverteidi11)
gung (Art 9a Abs 2 B-VG) sind [Lehrbuch Rz 224].
Falsch: Allgemeine Wehrpflicht besteht nach Art 9a Abs 3 B-VG
12)
nur für männliche österreichische Staatsbürger, nicht auch für Frauen [Lehrbuch Rz 225, 343, 893].
Falsch: Das
B-VG gibt das Staatsziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Art 13 Abs 2 B-VG vor, nicht in Art 14 Abs 2
13)
[Lehrbuch Rz 226].
Falsch: Die Verfassung gibt in Art 13 Abs 2 B-VG zwar das Staatsziel des gesamtwirtschaftlichen
14)
Gleichgewichts vor, sie nennt dabei aber keine Zahlen [Lehrbuch Rz 226].
Falsch: Das gesamtwirtschaftliche
Gleichgewicht ist in Art 13 Abs 2 B-VG, das sogenannte Gender Budgeting in Art 13 Abs 3 B-VG verankert (nicht in
Art 14 Abs 3 B-VG), wobei jedoch keine Zahlen genannt werden. Dass die Staatsschulden 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen sollen, ergibt sich aus den Konvergenzkriterien des Unionsrechts [Lehrbuch Rz 217,
226, 638].
10
6
BUNDESSTAAT
NEIN
BUNDESSTAAT; BUNDESRECHT – LANDESRECHT [Lehrbuch Rz 227-240]
JA
1. AUFGABE: KREUZEN SIE AN !
1)
Wir sprechen von „Bundesstaat“ (= Föderation), Staatenbund (= Konföderation) und
Staatenverbund (= EU).
2)
X
Besteht ein Einheitsstaat aus Teil- oder Gliedstaaten, nennen wir ihn „Bundesstaat“.
X
Falsch. Der begriffliche Gegensatz zum Einheitsstaat ist der Bundesstaat, der aus Teil- oder Gliedstaaten
besteht. Ein Einheitsstaat, der aus Teil- oder Gliedstaaten bestünde, ist ein begrifflicher Widerspruch.
3)
Österreich ist ein „Bundesstaat“, wir können auch sagen ein „Staatenbund“.
Falsch. Österreich ist ein Bundesstaat, der Zusammenschluss mehrerer Staaten auf verfassungsgesetzlicher Grundlage. Ein Staatenbund hingegen ist der Zusammenschluss mehrerer Staaten auf völkerrechtlicher Grundlage. Die Begriffe Bundesstaat und Staatenbund schließen einander aus.
X
4)
Es gibt eine Gesetzgebung des Bundes und eine Gesetzgebung des Landes. Die Bundesgesetzgebung besorgt der Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat, die Landesgesetzgebung der Landtag gemeinsam mit dem Landesrat.
X
Falsch. Der Nationalrat und der Bundesrat gemeinsam üben die Bundesgesetzgebung aus. Der Landtag
allein übt die Landesgesetzgebung aus. Ein Landesrat ist ein Mitglied der Landesregierung – ein Minister
auf Landesebene –, ein Verwaltungsorgan. Mit der Gesetzgebung hat der Landesrat nichts zu tun.
5)
Es gibt eine Gerichtsbarkeit des Bundes und eine Gerichtsbarkeit des Landes. Die Gerichtsbarkeit des Landes nehmen die Landesgerichte wahr.
X
Falsch. Die gesamte Gerichtsbarkeit ist dem Bund ausschließlich vorbehalten (Art 82 Abs 1 B-VG). Es gibt
keine Gerichtsbarkeit des Landes. Die Landesgerichte sind Bundesgerichte, die in einem bestimmten Gerichtsbezirk des Landes tätig sind.
6)
NEIN
KOMPETENZVERTEILUNG, VERTEILUNG NACH SACHMATERIEN, … [Lehrbuch Rz 241259, 264-270, 272-275]
X
JA
Im Bundesstaat Österreich gibt es Verfassungsgesetze des Bundes („Bundesverfassungsgesetze“), einfache Bundesgesetze, Verfassungsgesetze des Landes („Landesverfassungsgesetze“) und einfache Landesgesetze.
7)
Die „Kompetenzverteilung“ ist die Aufteilung der Staatsteilgewalten zwischen dem Bund
und den Ländern. Nach dem B-VG werden die Zuständigkeiten zur Gesetzgebung und zur
Verwaltung zwischen Bund und Land aufgeteilt, die Gerichtsbarkeit ist zur Gänze dem Bund
vorbehalten.
X
8)
Das B-VG räumt in Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG dem Bund die „Kompetenzkompetenz“ ein;
dieser kann sohin durch einfaches Bundesgesetz oder durch Bundesverfassungsgesetz Zuständigkeiten der Länder an sich ziehen.
Falsch. Der Bundesverfassungsgesetzgeber (Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG: Bundesverfassung) bestimmt die
Verteilung der Zuständigkeiten zur Gesetzgebung und Vollziehung zwischen Bund und Ländern. Grundsätzlich (Ausnahmen bestehen im Abgabenwesen und bei Bedarfskompetenzen) kann daher nur der Bundesverfassungsgesetzgeber, nicht auch der einfache Bundesgesetzgeber Zuständigkeiten der Länder an
sich ziehen.
X
9)
Die Bundesverfassung verteilt die Kompetenzen zwischen Bund und Land nach dem
Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“.
X
Falsch. Die Bundesverfassung verteilt die Kompetenzen zwischen Bund und Land nach Sachmaterien, und
zwar nach der sogenannten Enumerationsmethode.
10)
Art 15 Abs 1 B-VG sieht eine Generalklausel zugunsten des Landes vor. Die Zuständigkeiten des Bundes sind insbesondere in den Art 10, 11 und 12 B-VG einzeln aufgezählt. Wir
nennen diese Methode der Kompetenzverteilung „Enumerationsmethode“.
X
11)
Art 10 B-VG teilt die Materie „Straßenpolizei“ in Gesetzgebung dem Bund, in Vollziehung
dem Land zu. Deshalb wurde die Straßenverkehrsordnung 1960 vom Bundesgesetzgeber
erlassen.
X
Falsch. Straßenpolizei ist eine Materie des Art 11 B-VG, nicht des Art 10 B-VG (Art 10 B-VG ordnet die
Materien in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund zu).
12)
In den Angelegenheiten des Art 12 Abs 1 B-VG kommt dem Bund die Kompetenz zur
„Grundsatzgesetzgebung“ und zur Vollziehung zu, den Ländern die Kompetenz zur „Ausführungsgesetzgebung“.
Falsch. In den Angelegenheiten des Art 12 Abs 1 B-VG kommt dem Bund nur die Kompetenz zur
Grundsatzgesetzgebung, den Ländern hingegen die Kompetenz zur Ausführungsgesetzgebung und zur
Vollziehung zu.
X
11
6
BUNDESSTAAT
13)
„(Bundes)Grundsatzgesetze“ binden nicht nur die Landtage, sie begründen auch Rechte
und Pflichten für einzelne Personen.
X
Falsch. Die Grundsatzgesetze des Bundes stellen allgemeine Regelungen von grundsätzlicher Bedeutung
auf und binden nur die Landesgesetzgeber. Sie bilden keine selbständige Rechtsgrundlage für die Vollziehung der Länder und begründen auch keine Rechte und Pflichten für Einzelne.
14)
(Bundes)Grundsatzgesetze können für die Erlassung der „Ausführungsgesetze“ eine Frist
festlegen. Wird diese Frist von einem Land nicht eingehalten, geht die Zuständigkeit zur Erlassung des Ausführungsgesetzes für dieses Land auf den Bund über.
X
15)
Die Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Abgabenwesens ist im „Finanz-Verfassungsgesetz 1948“ geregelt, auf das Art 13 B-VG verweist.
X
16)
Die Kompetenzverteilung des B-VG folgt dem Grundsatz der „Kompetenztrennung“. Deshalb kann es „konkurrierende“ Zuständigkeiten zwischen Bund und Land geben.
X
Falsch. Die Kompetenztrennung besagt gerade, dass für eine Materie entweder der Bund oder das Land
zuständig ist. Konkurrierende Zuständigkeiten sind dadurch ausgeschlossen.
17)
In den kompetenzrechtlich verteilten „Sachmaterien“ des B-VG sind auch „Annexmaterien“ enthalten, wie etwa die Verwaltungspolizei.
X
18)
Eine „Annexmaterie“ (oder „Adhäsionsmaterie“) ist eine Gesetzgebungskompetenz des
Bundes, die einen Bedarf nach einheitlichen Regelungen voraussetzt und den einfachen Bundesgesetzgeber ermächtigt, Zuständigkeiten aus der Kompetenzverteilung an sich zu ziehen
und einheitliche Regelungen – auch im Kompetenzbereich der Länder – zu erlassen.
X
Falsch. Das ist die Definition der Bedarfskompetenz des Bundes. Eine Annexmaterie hingegen ist eine in
einer Sachmaterie der Kompetenzverteilung eingeschlossene Nebenmaterie, die in dem die Sachmaterie
beschreibenden Sachbegriff nicht ausdrücklich genannt ist.
19)
Der zur Regelung der Sachmaterie „Gewerbe“ zuständige Bundesgesetzgeber (Art 10 Abs 1
Z 8 B-VG) darf auch Enteignungsmaßnahmen im Interesse der Sachmaterie „Gewerbe“ normieren, weil die „Enteignung“ eine Adhäsionsmaterie ist.
X
20)
Da die Festlegung von Verwaltungsstraftatbeständen eine Annexmaterie ist, darf der zur
Regelung des „Staatsbürgerschaftswesens“ zuständige Landesgesetzgeber etwa auch einen
Straftatbestand für die Verweigerung der Abgabe eines unrichtig beurkundeten Staatsbürgerschaftsnachweises festlegen.
X
Falsch. Richtig ist, dass die Festlegung von Verwaltungsstraftatbeständen eine Annexmaterie ist, der zur
Regelung des Regelung des Staatsbürgerschaftswesens zuständige Gesetzgeber darf daher auch Verwaltungsstraftatbestände normieren. Zur Regelung des Staatsbürgerschaftswesens ist allerdings nicht der
Landesgesetzgeber, sondern nach Art 11 Abs 1 Z 1 B-VG der Bundesgesetzgeber zuständig.
21)
Das B-VG kennt auch „Bedarfskompetenzen“. Bund und Länder können in allen Materien
nach Bedarf Kompetenzen des anderen Staats an sich ziehen.
21)
Falsch. Aufgrund einer Bedarfskompetenz kann zwar ein Staat die Kompetenzen des anderen Staates
an sich ziehen, jedoch nur in eng beschriebenen Bereichen, welche die Bundesverfassung festlegt. Eine
Bedarfskompetenz des Bundes ist etwa Art 11 Abs 2 B-VG für die Verwaltungsverfahrensgesetze, so für
das AVG, das VStG und das VVG.
X
22)
Im Hinblick auf die „Bedarfskompetenz“ des Art 11 Abs 2 B-VG dürfen der Materiengesetzgeber des Bundes und die Materiengesetzgeber des Landes keine vom AVG abweichenden Verfahrensregeln erlassen.
X
Falsch. Art 11 Abs 2 zweiter Halbsatz B-VG lässt abweichende Verfahrensregeln in den Materiengesetzen
des Bundes und des Landes zu, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Abweichende
Regelungen sind häufig, etwa die verpflichtende mündliche Bauverhandlung im Baurecht nach Landesbauordnungen.
23)
Das Land ist nach der Kompetenzverteilung des B-VG von der Regelung des „Zivilrechtswesens“ gänzlich ausgeschlossen (Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG).
X
Falsch. Das Zivilrechtswesen ist nach Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG Bundessache. Art 15 Abs 9 B-VG erlaubt aber
den Ländern, von der Bundesgesetzgebung für das Landesgebiet abweichende Regelungen auf dem Gebiet
des Zivilrechts zu treffen, wenn diese Bestimmungen zur Regelung des Gegenstands erforderlich sind.
24)
Konkurrierende Kompetenzen in der Kompetenzverteilung der Art 10 bis 15 B-VG sind
zwar ausgeschlossen, nach der „Gesichtspunktetheorie“ kann es dennoch zu Überschneidungen in der Gesetzgebung kommen. Wenn nämlich ein und dieselbe Regelung je auf zwei verschiedene Sachmaterien zu stützen ist, bleiben beide Gesetzgeber zur Regelung zuständig.
X
25)
Der Grundsatz der Kompetenztrennung schließt nicht aus, dass Bund und Land bei ihrer
Gesetzgebung die Aufgaben und Zuständigkeiten des jeweils anderen Staats mitzuberücksichtigen haben (= „Berücksichtigungsgebot“).
X
26)
Eine „Querschnittsmaterie“ ist eine komplexe Materie, die in keinem (einzelnen) Kompetenztatbestand allein, sondern in Teilen in jeweils verschiedenen Kompetenztatbeständen
(des Bundes und des Landes) Deckung findet.
12
X
6
BUNDESSTAAT
X
AUSLEGUNG DER KOMPETENZBEGRIFFE [Lehrbuch Rz 282-287]
NEIN
„Umweltschutz“ ist eine „Querschnittsmaterie“. Umweltschutz kommt als Begriff in den
Sachmaterien der Kompetenzverteilung (Art 10 bis 15 B-VG) nicht vor, der Umweltschutz
fällt begrifflich unter mehrere Materien, die teils in Bundeskompetenz, teils in Landeskompetenz stehen.
JA
27)
28)
Der Verfassungsgerichtshof legt alle Bestimmungen des B-VG nach der „Versteinerungstheorie“ aus.
X
Falsch. Der VfGH wendet die Versteinerungstheorie nur bei den Kompetenztatbeständen der Art 10 bis 15
B-VG an. Die Versteinerungstheorie ist eine Auslegungsmethode des VfGH zu den Kompetenztatbeständen.
29)
„Versteinerungszeitpunkt“ bei der Auslegung der Kompetenztatbestände ist der 1. Oktober 1925, das ist jener Zeitpunkt, an dem die Kompetenzordnung der Art 10 bis 15 B-VG
erstmals in Kraft trat.
X
30)
Der Verfassungsgerichtshof zieht die Versteinerungstheorie zur Auslegung heran, wenn
ein Begriff in den Kompetenztatbeständen der Art 10 bis 15 B-VG unklar ist. So wird etwa
der Begriff „Gewerbe“ in Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG nach der Versteinerungstheorie ausgelegt.
X
31)
Will man den Begriff „Gewerbe“ in Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG nach der Versteinerungstheorie
auslegen, so muss man zur Auslegung die zum 01.10.1925 geltenden einfachen Bundes- und
Landesgesetze heranziehen.
X
32)
Neue Sachverhalte, die es 1925 noch gar nicht gab, sodass die Versteinerungstheorie zu
keinem Ergebnis führt, werden kompetenzrechtlich nach der „intrasystematischen Weiterentwicklung“ zugeordnet.
X
2. AUFGABE: BEANTWORTEN SIE FOLGENDE FRAGEN !
1. In welchem Artikel des B-VG ist verankert, dass Österreich eine Republik ist ?
Art 1 B-VG
2. Welches Gesetz legt fest, wie der Staat Geld von seinen Bürgern aufbringen darf ? Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG 1948)
3. In welchem Artikel des B-VG ist das Gesetzmäßigkeitsgebot verankert ? Art 18 Abs 1 B-VG
4. Welches Gesetz bestimmt, dass Österreich „immerwährend neutral“ ist ? Neutralitätsgesetz 1955
(= Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs)
5. Welches Gesetz verbietet die Herstellung von Atomwaffen in Österreich ? BVG atomfreies Österreich (= Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich)
6. In welchem Artikel des B-VG ist die umfassende Landesverteidigung verankert? Art 9a Abs 1 B-VG
3. AUFGABE: KORRIGIEREN SIE DEN TEXT !
A: Aufgabe für Anfänger (5 Fehler)
Lösung
1)
Gemäß Art 12 Abs 1 B-VG ist Österreich ein Bundesstaat. Auf dem Staatsgebiet bestehen 10 Staaten:
neun Bundesländer und der Bund. Der Bund, nicht aber2) die Länder sind gewaltenteilig organisiert. Es
gibt ein Bundesparlament und neun Landesparlamente, eine Bundesverwaltung und Landesverwaltungen
sowie eine Gerichtsbarkeit des Bundes und des Landes3). Österreich hat allerdings eine einheitliche
Staatsbürgerschaft (Art 6 Abs 1 B-VG). Jeder österreichische Staatsbürger ist automatisch auch Landesbürger aller Bundesländer4) (Art 6 Abs 2 B-VG). Im Bundesstaat Österreich sind die Kompetenzen nach
Sachmaterien zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Die Länder sind nach einer Generalklausel nach
Art 15 Abs 1 B-VG grundsätzlich für alles zuständig, der Bund hingegen für die einzeln aufgezählten
Sachmaterien (Enumerationsmethode). Die Aufteilung der Zuständigkeiten erfolgt getrennt für die Gesetzgebung und für die Vollziehung. Dabei kennt das B-VG vier Kategorien der Aufteilung: Gesetzgebung
Bund – Vollziehung Bund (Art 10 Abs 1 B-VG); Gesetzgebung Bund – Vollziehung Land (Art 10 Abs 1
B-VG); Grundsatzgesetzgebung Bund – Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung Land (Art 12 Abs 1
B-VG); Gesetzgebung Land – Vollziehung Bund5) (Art 15 Abs 1 B-VG). Die Zuständigkeiten von Bund in
Ländern im Abgabenwesen (öffentliche Abgaben = Steuern und Gebühren) sind nicht im B-VG, sondern
im Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG 1948) geregelt.
13
6
BUNDESSTAAT
1)
Falsch: Österreich ist nicht nach Art 12 Abs 1 B-VG, sondern nach Art 2 Abs 1 B-VG ein Bundesstaat [Lehrbuch
Rz 230]. 2) Falsch: Im Bundesstaat Österreich ist nicht nur der Bund, sondern sind auch die Länder gewaltenteilig organisiert: Es gibt eine Landesgesetzgebung und eine Landesverwaltung [Lehrbuch Rz 232, 233]. 3) Falsch: Die
Staatsteilgewalt Gerichtsbarkeit ist nicht geteilt, das B-VG (Art 82) behält sie zur Gänze dem Bund vor [Lehrbuch
Rz 234]. 4) Falsch: Jene österreichischen Staatsbürger, die in einem Bundesland ihren Hauptwohnsitz haben, sind Landesbürger dieses Bundeslandes, nicht aller neun Bundesländer [Lehrbuch Rz 237]. 5) Falsch: Art 15 Abs 1 B-VG weist
in einer Generalklausel alle Angelegenheiten, die nicht in den Kompetenztatbeständen ausdrücklich aufgezählt und dem
Bund zugeordnet sind, in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern zu. Auch die Vollziehung ist daher nach Art 15
Abs 1 B-VG Landessache, nicht Bundessache [Lehrbuch Rz 258].
B: Aufgabe für Fortgeschrittene (15 Fehler)
Lösung
(1) Staaten können sich zusammenschließen. Soweit das auf verfassungsgesetzlicher Grundlage erfolgt,
sprechen wir von „Bundesstaat“ oder „Konföderation“1). Erfolgt der Zusammenschluss auf völkerrechtlicher
Grundlage, sprechen wir von „Staatenbund“ oder „Föderation“2). Österreich mit seinen zehn Staaten ist
als Bundesstaat auf verfassungsgesetzlicher Grundlage eingerichtet.
(2) Im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz ist die föderale Stellung der Länder in Österreich
stark3). Dies auch deswegen, weil die Länder in der Polizei über eigene bewaffnete Wachkörper verfügen.4)
(3) Das B-VG verteilt die Kompetenzen zwischen Bund und Land nicht nach dem Grundsatz „Bundesrecht
bricht Landesrecht“, sondern nach Sachmaterien. Diese Art der Kompetenzverteilung bringt die Gleichrangigkeit von Bund und Land als Staaten zum Ausdruck. Im Wesentlichen ist die Kompetenzverteilung
im B-VG geregelt, es gibt jedoch auch außerhalb des B-VG Kompetenzbestimmungen, so im FinanzVerfassungsgesetz 19185) für das Abgabenwesen.
(4) In jedem Punkt des österreichischen Staatsgebiets herrschen wegen des Bundesstaats zwei Staatsgewalten. Die Staatsgewalt des Bundes und die Staatsgewalt des jeweiligen Landes. Ein Bundesstaat
kann nur funktionieren, wenn die Staatsgewalt zwischen den Staaten aufgeteilt ist. Die Aufteilung der
Staatsgewalt zwischen dem Bund und den Ländern nennt man „Konsultationsmechanismus“6).
(5) Die Kompetenzverteilung ist in den Art 10 bis 15 StGG 18677) geregelt, und zwar nach der „Enumerationsmethode“. Eine Generalklausel (Art 108) B-VG) gibt grundsätzlich alle staatlichen Kompetenzen
den Ländern, soweit einzelne Sachmaterien nicht ausdrücklich aufgezählt (Art 11 bis 159) B-VG) und dem
Bund zugeordnet sind.
(6) In der Kompetenzverteilung sind die Kompetenzen nach Sachmaterien getrennt. Konkurrierende Zuständigkeiten kennt das B-VG grundsätzlich nicht, auch wenn es im Sinne der „Gesichtspunktetheorie“ zu
Parallelzuständigkeiten des Bundes und der Länder kommen kann. Ein „Berücksichtigungsgebot“ sichert,
dass weder der Bund noch die Länder mit Regelungen auf der Grundlage ihrer Zuständigkeiten die Regelungskompetenzen des jeweils anderen Staats unterlaufen. In den begrifflich umschriebenen Sachmaterien sind auch sogenannte „Annexmaterien“ enthalten, wie etwa Verwaltungsstraftatbestände und verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen.
(7) Nicht nur, aber besonders im Verwaltungsverfahrensrecht haben die „Bedarfskompetenzen“ Bedeutung. Nach Art 1210) Abs 2 B-VG darf der Bund im Verwaltungsverfahren, im allgemeinen Verwaltungsstrafrecht, im Verwaltungsstrafverfahren und in der Verwaltungsvollstreckung zur Vereinheitlichung der
Regelungen Länderkompetenzen an sich ziehen und durch eigene Bundesverfassungsgesetze11) einheitlich
für Bund und Länder regeln. Der Bund machte von der Bedarfskompetenz mit dem Einführungsgesetz zu
den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 (EGVG), dem Allgemeinen Verwaltungsgesetz12) (AVG), dem
Verwaltungsstrafverfahrensgesetz13) (VStG) und dem Verwaltungsverfahrensgesetz14) (VVG) Gebrauch.
(8) Die Raumordnung, der Umweltschutz, die Wirtschaftslenkung, die umfassende Landesverteidigung,
die Katastrophenbekämpfung sind als Begriffe in der Kompetenzverteilung des B-VG nicht genannt. Sie
sind sogenannte „Querschnittsmaterien“, weil sie in keinem einzelnen Kompetenztatbestand (allein) Deckung finden, sondern jeweils in Teilbereichen verschiedenen Kompetenztatbeständen (des Bundes und/
oder des Landes) zugeordnet werden.
(9) Die Sachmaterien der Kompetenzverteilung des B-VG sind mit einfachen Begriffen beschrieben. Die
Reichweite dieser Begriffe ist nicht immer klar und daher auslegungsbedürftig. Der Verfassungsgerichtshof wendet auf die Auslegung der Kompetenztatbestände insbesondere die „Verkleinerungstheorie“15),
den Grundsatz der „intrasystematischen Weiterentwicklung“ und die „föderalistische Auslegung“ an.
1)
Falsch: Wir nennen den Bundesstaat auch Föderation, Konföderation heißt der Staatenbund [Lehrbuch Rz 228].
Falsch: Wir nennen den Staatenbund auch Konföderation, Föderation heißt der Bundesstaat [Lehrbuch Rz 228, 229].
3)
Falsch: Der Bundesstaat ist in Österreich im Vergleich mit Deutschland und der Schweiz schwach ausgebildet. Die
stärkste föderale Gliederung hat die Schweiz. Auch Deutschland hat eine starke föderale Gliederung [Lehrbuch Rz 281].
4)
Falsch: Besonders in dem Umstand, dass nur der Bund über staatliche bewaffnete Formationen (Bundespolizei, Bundesheer) verfügt, nicht aber die Länder, zeigt sich die Überlegenheit der Staatsmacht des Bundes gegenüber den Län5)
Falsch: Das Finanz-Verfassungsgesetz (F-VG) enthält in Übereinstimmung mit Art 13
dern [Lehrbuch Rz 893, 910].
B-VG die Grundsätze für die Aufteilung der Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenzen auf dem Gebiet des Abgaben6)
wesens, allerdings stammt das F-VG aus dem Jahr 1948 und nicht aus 1918 [Lehrbuch Rz 134].
Falsch: Die Aufteilung der Staatsgewalt zwischen dem Bund und den Ländern nennt man Kompetenzverteilung, nicht Konsultationsme7)
chanismus. [Lehrbuch Rz 242].
Falsch: Die Kompetenzverteilung ist in Art 10 bis 15 B-VG, nicht im StGG 1867 gere2)
14
BUNDESSTAAT
6
8)
gelt [Lehrbuch Rz 251].
Falsch: Die Generalklausel zugunsten der Länder ist in Art 15 Abs 1 B-VG, nicht in Art 10
9)
B-VG geregelt [Lehrbuch Rz 258]. Falsch: Die Bundesmaterien sind in den Art 10 bis 12 B-VG enumerativ aufgezählt,
10)
nicht in den Art 11 bis 15 B-VG [Lehrbuch Rz 252-257].
Falsch: Die Bedarfskompetenz des Bundes im Zusammenhang mit dem Verwaltungsverfahren, dem allgemeinen Verwaltungsstrafrecht, dem Verwaltungsstrafverfahren und der
11)
Verwaltungsvollstreckung ist in Art 11 Abs 2 B-VG geregelt, nicht in Art 12 Abs 2 B-VG [Lehrbuch Rz 267].
Falsch:
Art 11 Abs 2 B-VG erlaubt es dem Bund, durch den Erlass einfacher Gesetze die Kompetenzen der Länder im Verwaltungsverfahren, im allgemeinen Verwaltungsstrafrecht, im Verwaltungsstrafverfahren und in der Verwaltungsvollstre12)
ckung zur Vereinheitlichung an sich zu ziehen [Lehrbuch Rz 267].
Falsch: AVG ist die Abkürzung für Allgemeines
13)
Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, nicht für Allgemeines Verwaltungsgesetz [Lehrbuch Rz 268].
Falsch: VStG ist
14)
die Abkürzung für Verwaltungsstrafgesetz 1991, nicht für Verwaltungsstrafverfahrensgesetz [Lehrbuch Rz 268].
Falsch: VVG ist die Abkürzung für Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, nicht für Verwaltungsverfahrensgesetz
15)
Falsch: Verkleinerungstheorie ist ein Unsinn. Die bevorzugte Auslegungsmethode des VfGH zu
[Lehrbuch Rz 268].
den Kompetenztatbeständen ist die Versteinerungstheorie. Der VfGH legt unklare Begriffe in den Kompetenztatbeständen nach der im Versteinerungszeitpunkt, das ist idR der 01.10.1925, geltenden einfach-gesetzlichen Rechtslage aus.
Am 01.10.1925 traten die Kompetenztatbestände des B-VG erstmals in Kraft, der historische Begriffsstand ist insoweit
versteinert [Lehrbuch Rz 283].
15
6
BUNDESSTAAT
3. AUFGABE: ORDNEN SIE ZU !
KOMPETENZTATBESTAND
LAND
X
Forstrecht
Art 10 Abs 1 Z 10
X
X
Straßenpolizei
Art 11 Abs 1 Z 4
X
Denkmalschutz
Art 10 Abs 1 Z 13
X
Art 15 Abs 1
Jugendfürsorge
Art 12 Abs 1 Z 1
Bundesverfassung
Art 10 Abs 1 Z 1
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Art 115 Abs 2
Art 10 Abs 1 Z 1
X
X
Kraftfahrwesen
Art 10 Abs 1 Z 9
X
X
Umweltschutz
X
X
Verfassungsgerichtsbarkeit
X
X
Tierschutz
Art 11 Abs 1 Z 8
X
Bergwesen
Art 10 Abs 1 Z 10
X
Armenwesen
Art 12 Abs 1 Z 1
Urheberrecht
Art 10 Abs 1 Z 6
Heil- und Pflegeanstalten
Art 12 Abs 1 Z 1
örtliche Sicherheitspolizei
Art 15 Abs 1
[vgl Art 10 Abs 1 Z 7]
Bodenreform
Art 12 Abs 1 Z 3
allgemeine Sicherheitspolizei
Art 10 Abs 1 Z 7
Grundstücksverkehr für Ausländer
Art 15 Abs 1
[vgl Art 10 Abs 1 Z 6]
16
X
X
Fischereiwesen
Gemeinderecht
X
X
Art 15 Abs 1
Raumordnung
Vollziehung
X
Ausführungsgesetzgebung
Art 10 Abs 1 Z 18
Grundsatzgesetzgebung
X
Art 12 Abs 1 Z 5
Wahlen zum Europäischen
Parlament
Baurecht
Gesetzgebung
Vollziehung
Ausführungsgesetzgebung
Grundsatzgesetzgebung
Elektrizitätswesen
BUND
Gesetzgebung
Art ? Abs ? Z ? B-VG
Querschnittsmaterie
SACHMATERIE
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
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