ARBEITSGEMEINSCHAFT ÖFFENTLICHES RECHT I Binder [148.042] Renner/Stadlbauer [148.041] 1. KLAUSUR [B] 10.11.2016 Trauner [140.075] WS 2016/17 NAME: ______________________________________ VORNAME Punkte [50] ___ ZUNAME [in Blockbuchstaben !] Zutreffendes bitte ankreuzen ! AG Bruno Binder 148.042 [Cyber] AG Bettina Renner/Sandra Stadlbauer 148.041 [präsent] 1. Kreuzen Sie an ! NEIN JA AG Gudrun Trauner 140.075 [präsent] 1) Für die demokratische Willensbildung des Staats sind „politische Parteien“ wichtig. Dass es politische Parteien in Österreich gibt, folgt aus Art 1 B-VG. An anderen Stellen in den Verfassungsgesetzen sind die „politischen Parteien“ nicht erwähnt. 2) Unter einer „Wahlpartei“ versteht man eine auf Dauer angelegte organisierte Verbindung von Menschen, die durch gemeinsame Tätigkeit auf eine umfassende Beeinflussung der staatlichen Willensbildung abzielt. 3) Eine „politische Partei“ bekommt keine Gelder aus öffentlichen (staatlichen) Mitteln. 4) Der Verfassungsgerichtshof kann eine „politische Partei“, deren politische Ziele mit der Verfassung nicht übereinstimmen, auf Antrag des Parlaments verbieten. Die Bundesverfassung selbst verbietet im Verbotsgesetz 1947 politische Parteien mit dem Ziel der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei). 5) Statt „parlamentarische Demokratie“ sagen wir auch „repräsentative Demokratie“ oder „direkte Demokratie“. 6) In der parlamentarischen Demokratie schließt die Verfassung das Volk von den Sachentscheidungen aus. Das Volk wählt in regelmäßigen Abständen Vertreter in ein Parlament, die dann als „Volksvertreter“ die Sachentscheidungen für das Volk treffen. 7) Österreich ist eine „plebiszitäre Demokratie“, weil die Bundesverfassung die Möglichkeit von Volksabstimmungen vorsieht. 8) Im Sinne des „allgemeinen Wahlrechts“ erreichen alle österreichischen StaatsbürgerInnen, die spätestens am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, das aktive und das passive Wahlrecht zum Nationalrat. 9) „Gleiches Wahlrecht“ bedeutet, dass jede/r StaatsbürgerIn – etwa bei der Wahl zum Nationalrat – eine Stimme abgeben darf. Niemand darf von der Wahl ausgeschlossen werden. 10) „Geheimes Wahlrecht“ bedeutet, dass jeder Wähler seine Stimme so abgeben darf und muss, dass sie für die Wahlbehörde und für die Öffentlichkeit nicht erkennbar ist. 11) Das geheime Wahlrecht richtet sich historisch gegen die „Zensuswahl“. 12) Wir bezeichnen die Verhältniswahl auch als „Persönlichkeitswahlrecht“, weil die einzelnen Abgeordneten gewählt werden. Wir bezeichnen die Verhältniswahl auch als „Mehrheitswahlrecht“, weil die Mehrheit bei der Wahl über die Zusammensetzung des Parlaments entscheidet. 13) Dass die Kandidaten für die Parlamente nicht allein unter ihrem Namen, sondern auf „Listen“ kandidieren, ist Folge des Verhältniswahlrechts. 14) Das B-VG ordnet die Geltung des „Verhältniswahlrechts“ für die Wahlen zum Europäischen Parlament, zum Nationalrat, zu den Landtagen, zu den Gemeinderäten und für die Wahl des Bundespräsidenten an. 15) Der Wähler wählt bei den Wahlen zum Nationalrat eine Liste, auf der mehrere Personen kandidieren. Einer – auf der Liste aufscheinenden – Person kann er zudem eine „Vorzugsstimme“ geben. Diese Vorzugsstimme wirkt sich allerdings bei der Verteilung der Mandate auf die Kandidaten der Liste keinesfalls aus. [5] ____ (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I [WS 2016/17] 1. Klausur [B]/Seite 1 NEIN JA 2. Kreuzen Sie an ! 1) Im Bundesstaat Österreich gibt es Verfassungsgesetze des Bundes („Bundesverfassungsgesetze“), einfache Bundesgesetze, Verfassungsgesetze des Landes („Landesverfassungsgesetze“) und einfache Landesgesetze. 2) Grundlage sowohl für das Bundesrecht als auch für das Landesrecht ist die Bundesverfassung, sie bildet die höchste Stufe im „Stufenbau der Rechtsordnung“. 3) Es gibt verfassungswidriges Verfassungsrecht. Wenn ein Landesverfassungsgesetz dem Bundesverfassungsgesetz widerspricht, ist das Landesverfassungsgesetz bundesverfassungsgesetzwidrig. 4) Ein einfaches Bundesgesetz kann bundesverfassungswidrig sein, ein einfaches Landesgesetz kann nur landesverfassungswidrig, nicht bundesverfassungswidrig sein. 5) Weil wir im Bundesstaat ein Bundesverfassungsrecht und ein Landesverfassungsrecht haben, kennen wir eine „Verfassungsautonomie des Bundes“ und eine „Verfassungsautonomie der Länder“. Sowohl die Bundesverfassung als auch die Landesverfassung kann ohne Einschränkung alles regeln. 6) Ein Landesverfassungsgesetz, das der Bundesverfassung widerspricht, ist bundesverfassungswidrig und absolut nichtig. 7) Im Sinne der „Gesetzgebungsautonomie“ darf das Bundesparlament als demokratisch legitimierter Gesetzgeber in einfachen Bundesgesetzen alles frei regeln, soweit die Regelungen nicht den Bundesverfassungsgesetzen widersprechen (= Widerspruchsfreiheit). 8) Besteht ein Einheitsstaat aus Teil- oder Gliedstaaten, nennen wir ihn „Bundesstaat“. 9) Es gibt eine Gesetzgebung des Bundes und eine Gesetzgebung des Landes. Die Bundesgesetzgebung besorgt der Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat, die Landesgesetzgebung der Landtag gemeinsam mit dem Landesrat. [3] ____ § 2 Gesetz zum Schutze des Hausrechtes. 2) Art 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). 3) Adelsaufhebungsgesetz. 4) § 1 Zivildienstgesetz 1986 (ZDG). 5) Art 8 Abs 1 B-VG. 6) Art 2 BVG Kinderrechte. 7) § 3b Verbotsgesetz 1947. 8) § 21 Nationalrats-Wahlordnung 1992 (NRWO). 9) Art 7 Abs 3 B-VG. 10) Art 12 Staatsgrundgesetz 1867 (StGG 1867). 11) Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye 1919. 12) Art 16 Oö Landes-Verfassungsgesetz (Oö L-VG). materiell 1) formell 3. Kreuzen Sie an ! Formelles und/oder materielles Verfassungsrecht ? [6] ____ (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I [WS 2016/17] 1. Klausur [B]/Seite 2 NEIN JA 4. Kreuzen Sie an ! 1) Das B-VG richtet Österreich als Republik, nicht als Monarchie ein. Das B-VG ist darüber hinaus „antimonarchistisch“, weil es besondere gegen die Monarchie und ihre Grundlagen gerichtete Verfassungsgesetze kennt. 2) Österreich ist ein „Sozialstaat“. Die Bundesverfassung richtet Österreich nicht ausdrücklich als Sozialstaat ein, doch lässt sich die Sozialstaatlichkeit mittelbar, insbesondere mit der Staatlichkeit und mit der egalitären Demokratie, begründen. 3) Statt „Sozialstaat“ kann man auch „Wohlfahrtsstaat“ sagen. Dem Sozialstaat geht es – ebenso wie dem Wohlfahrtsstaat – ausschließlich um die Sicherung der Versorgung der Menschen mit lebensnotwendigen Gütern und Leistungen. 4) Der „Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche“ besagt, dass Staat und Kirche zwei getrennte Bereiche sind, insbesondere die Kirche keinen Einfluss auf den Staat und seine Willensbildung hat. Die politische Forderung nach der Trennung von Staat und Kirche nennt man „Laizismus“. 5) Die gesetzlich anerkannten „Kirchen und Religionsgesellschaften“ verfügen über eine eigene Rechtsordnung. Sie sind dem Staatsrecht nicht unterworfen. 6) Die „Gleichstellung von Frau und Mann“ ist durch den Gleichheitssatz (Art 7 Abs 1 B-VG) verfassungsgesetzlich bestimmt. Art 7 Abs 1 B-VG gewährleistet, dass Frau und Mann tatsächlich in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Familie die gleiche Stellung einnehmen. 7) Unter „positiver Diskriminierung“ verstehen wir (regelmäßig) Frauen bevorzugende Maßnahmen der staatlichen Organe zur Herstellung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann. 8) Jede extremistische politische Betätigung gilt als „faschistisch“ und ist nach dem Verbotsgesetz 1947 und nach dem Staatsvertrag Wien 1955 verfassungsgesetzlich verboten. 9) Totalitäre Regime, die mit der Ideologie des „Nationalsozialismus“ nicht in Zusammenhang stehen, sind vom Verbotsgesetz 1947 und vom Staatsvertrag von Wien 1955 nicht erfasst. 10) Die „Neutralität“ verpflichtet Österreich, sein Staatsgebiet und seine Souveränität mit allen zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht zu erhalten und zu verteidigen. 11) Die Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Sicherheitspolitik der Europäischen Union ist unbeschadet der österreichischen „Neutralität“ durch die besondere Bestimmung des Art 23j B-VG verfassungsrechtlich gerechtfertigt. 12) Der Grundsatz des „umfassenden Umweltschutzes“ ist zwar in der Bundesverfassung geregelt, aber bloß ein Staatsziel. Ein Rechtsunterworfener ist daher aus dem BVG Staatsziele weder unmittelbar verpflichtet noch kann er irgendwelche Rechte geltend machen. [4] ____ (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I [WS 2016/17] 1. Klausur [B]/Seite 3 5. Ordnen Sie zu ! SACHMATERIE KOMPETENZTATBESTAND LAND Vollziehung Ausführungsgesetzgebung Grundsatzgesetzgebung Gesetzgebung Vollziehung Ausführungsgesetzgebung Grundsatzgesetzgebung Gesetzgebung Art ? Abs ? Z ? B-VG BUND Jagdwesen Wahlen zum Nationalrat Natürliche Heilvorkommen Zivildienst Grundstücksverkehr mit bebauten Grundstücken Assanierung Wasserrecht Bodenreform Natur- und Landschaftsschutz Volkswohnungswesen [5] ___ 6. Streichen Sie falsche Textpassagen durch ! Österreich war bis 1867 eine „absolute Monarchie“. Der Monarch berief sich auf das Gottesgnadentum und brauchte seine Macht nicht zu rechtfertigen oder mit jemandem zu teilen. Der Konstitutionalismus wandte sich gegen die „konstitutionelle Monarchie“. Mit der Dezemberverfassung erhielt Österreich eine Verfassung, jedoch kein Parlament und keine Grundrechte. Die konstitutionelle Monarchie endete 1918. 1918 entstand die demokratische Republik revolutionär. 1920 erging die ursprüngliche Fassung des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG). Als demokratische Republik hatte Österreich bis 1934 Bestand. 1938 erfolgte der Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische „Deutsche Reich“. Nach dem Zweiten Weltkrieg erging 1945 das Verfassungs-Überleitungsgesetz, das als Verfassung die demokratische Republik wiederherstellte, und das die Grundlage der heute in Österreich geltenden Verfassung ist. 1945 ist Österreich wieder – wie 1918 – revolutionär entstanden. Revolutionär deswegen, weil die neue Verfassungsordnung Folge der Kriegs-wirren war. Das Verfassungs-Überleitungsgesetz (V-ÜG) 1945 entstand nicht nach den Regeln der zuvor geltenden Verfassungsordnung. Im Sinne der Okkupationstheorie wäre die zuvor geltende Verfassungsordnung die „Ständische Verfassung 1934“ gewesen; im Sinne der Annexionstheorie die Verfassung des Deutschen Reiches. Für die Gesetze in Österreich gilt der Stufenbau der Rechtsordnung. Es gibt Verfassungsgesetze und einfache Gesetze. Wäre die Gesetzgebung eines Staats nicht in einem zweirangigem Gesetzesrecht organisiert, bildeten alle seine Gesetze die Verfassung des Staats im materiellen Sinn. [4] ____ (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I [WS 2016/17] 1. Klausur [B]/Seite 4 7. Streichen Sie falsche Textpassagen durch ! Ein Bundesstaat kann nur funktionieren, wenn die Staatsgewalt zwischen den Staaten aufgeteilt ist. Die Aufteilung der Staatsgewalt zwischen dem Bund und den Ländern nennt man „Konsultationsmechanismus“. Das B-VG verteilt die Kompetenzen zwischen Bund und Land nach Sachmaterien. Diese Art der Kompetenzverteilung bringt die Gleichrangigkeit von Bund und Land als Staaten zum Ausdruck. Im Wesentlichen ist die Kompetenzverteilung im B-VG geregelt, es gibt jedoch auch außerhalb des B-VG Kompetenzbestimmungen, so etwa im Finanz-Verfassungsgesetz 1918 für das Abgabenwesen. Die Kompetenzverteilung ist in den Art 10 bis 15 B-VG geregelt, und zwar nach der „Enumerationsmethode“. Eine Generalklausel (Art 10 B-VG) gibt grundsätzlich alle staatlichen Kompetenzen den Ländern, soweit einzelne Sachmaterien nicht ausdrücklich aufgezählt (Art 11 bis 15 B-VG) und dem Bund zugeordnet sind. In den begrifflich umschriebenen Sachmaterien sind auch sogenannte „Annexmaterien“ enthalten, wie etwa Verwaltungsstraftatbestände und verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen. Nicht nur, aber besonders im Verwaltungsverfahrensrecht haben die „Bedarfskompetenzen“ Bedeutung. Nach Art 12 Abs 2 B-VG darf der Bund im Verwaltungsverfahren, in den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts, im Verwaltungsstrafverfahren und in der Verwaltungsvollstreckung zur Vereinheitlichung der Regelungen Länderkompetenzen an sich ziehen und durch eigene Bundesverfassungsgesetze einheitlich für Bund und Länder regeln. Die Sachmaterien der Kompetenzverteilung des B-VG sind mit einfachen Begriffen beschrieben. Die Reichweite dieser Begriffe ist nicht immer klar und daher auslegungsbedürftig. Der Verfassungsgerichtshof wendet auf die Auslegung der Kompetenztatbestände insbesondere die „Versteinerungstheorie“ an. [6] ____ 8. Streichen Sie falsche Textpassagen durch ! Die Verfassung, die den Staat und die Staatsgewalt verrechtlicht, legt für jede Staatsteilgewalt die Typen möglicher Rechtsnormen verbindlich und abschließend fest. Der Verfassung liegt so ein geschlossenes Rechtsquellensystem zugrunde. Außerhalb der verfassungsgesetzlich festgelegten Rechtssatzformen kommt eine verbindliche Rechtsnorm grundsätzlich nicht zustande. Der einfache Gesetzgeber darf über den Katalog der verfassungsgesetzlich vorgegebenen Rechtssatzformen hinaus jedenfalls zusätzliche Rechtssatzformen vorsehen. Der Stufenbau der Rechtsordnung teilt die Rechtsnormen in höherrangiges und in niederrangiges Recht ein. Der Stufenbau der Rechtsordnung erklärt erstens warum eine Rechtsnorm gilt, und zweitens welche Rechtsnorm vorgeht, wenn sich Rechtsnormen widersprechen. Eine Rechtsnorm kommt verbindlich zustande, wenn sie gemäß den Vorgaben des höherrangigen Rechts erzeugt wurde. Das höherrangige Recht bedingt das niederrangige Recht, das niederrangige Recht ist im höherrangigen Recht bedingt (Lehre von der bedingenden und der bedingten Norm). Bescheide und Urteile gelten, weil sie auf der Grundlage von Verordnungen, einfachen Gesetzen und Verfassungsgesetzen ergangen sind. Die Verordnungen gelten, weil sie als Grundlage einfache Gesetze und Verfassungsgesetze haben. Die einfachen Gesetze gelten, weil die Verfassungsgesetze ihre Geltung anordnen. Die Verfassungsgesetze gelten, weil ihre Geltung vernünftig (= Grundnorm) ist. Im Falle der Kollision zweier Rechtsnormen geht die im Stufenbau der Rechtsordnung höherrangige Rechtsnorm der niederrangigen Rechtsnorm vor. Dabei entscheidet die Rechtsordnung, ob die Kollision nach „Vorrang“ oder „Vorbehalt“ zu beurteilen ist. Vorrang bedeutet Widerspruchsfreiheit. Die niederrangige Rechtsnorm darf alles regeln, solange sie nicht einer höherrangigen Rechtsnorm widerspricht. So darf das Parlament in seinen Gesetzen alles frei regeln („Gesetzgebungsautonomie“), solange das Gesetz nicht einer Verfassungsbestimmung widerspricht. Vorbehalt bedeutet, dass die niederrangige Rechtsnorm nicht frei, sondern nur aufgrund einer ihr Handeln determinierenden höherrangigen Rechtsnorm erlassen werden darf. Ein solches Vorbehaltsverhältnis besteht aufgrund des Legalitätsprinzips (Gesetzmäßigkeitsgebot) zwischen dem Gesetz und den Rechtsnormen der Vollziehung (Verordnung, Bescheid, Urteil). Die Verwaltungsbehörden haben daher entsprechend der Gesetzgebungsautonomie des Parlaments eine Verordnungsautonomie. [3] ____ (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I [WS 2016/17] 1. Klausur [B]/Seite 5 9. Streichen Sie falsche Textpassagen durch ! Österreich ist ein gewaltenteiliger Rechtsstaat. Die Gewaltenteilung hat das Ziel, die Staatsgewalt in einzelne Staats(teil)gewalten aufzuteilen, das Gewaltpotenzial des Staats so zu reduzieren und eine wechselseitige Kontrolle der Staatsteilgewalten zu erreichen. Die Gewaltenteilung unterteilt die Staatsgewalt in eine Gesetzgebung, in eine Verwaltung und in eine Gerichtsbarkeit. Die Gewaltenteilung ist kein Verfassungsgrundsatz, sie ergibt sich aus den Regelungen der einfachgesetzlichen Rechtsordnung. Gewaltenteilung ist ein altes Organisationsprinzip des Staats, schon die absolute Monarchie war gewaltenteilig organisiert. Im Sinne der Gewaltenteilung ist die Staatsorganisation in eine Gesetzgebung der Parlamente und in eine den Parlamenten politisch verantwortliche Vollziehung geteilt. Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit zusammen nennt man „Vollziehung“. Im Rahmen der Vollziehung ist die Rechtsprechung der Richter unabhängig und der politischen Verantwortung entzogen. An der Spitze der Vollziehung steht eine vom Parlament gewählte oder dem Parlament zumindest politisch verantwortliche Regierung, deren Aufgabe es ist, den Willen des Parlaments in der Vollziehung durchzusetzen. Die Regierungen (Bundesregierung und Landesregierungen) sind ihrem jeweiligen Parlament für ihr eigenes Tun, aber auch für alle Vorgänge in der Vollziehung politisch verantwortlich. Wegen dieser politischen Verantwortung ist die Unterwerfung der gesamten Vollziehung unter die Leitung der Vollziehungsspitze unerlässlich. Deshalb erlaubt die Bundesverfassung auch keine weisungsfreien Bereiche in der Vollziehungsorganisation. Die politische Spitze der Vollziehung, die Regierung, leitet sowohl die Verwaltungsorganisation als auch die Gerichtsorganisation, sie ist für beide Organisationen dem Parlament politisch verantwortlich. Die Richter sind in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit aber weisungsfrei gestellt und mit den richterlichen Privilegien der Unversetzbarkeit und der Unabsetzbarkeit vor politischen Einflussnahmen und Pressionen geschützt. Österreich ist nicht nur gewaltenteilig organisiert, auf der Grundlage der Gewaltenteilung ist Österreich auch ein Rechtsstaat. Der Rechtsstaat verlangt die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des Vollziehungshandelns anhand von generellen, allgemein kundgemachten Gesetzen. Es muss für jedermann anhand der Verfassung vorhersehbar und berechenbar sein, welche Regelungen das Parlament inhaltlich in seinen Gesetzen erlässt. Die Tätigkeit der Verwaltung können wir inhaltlich mit „Daseinsvorsorge“, die Tätigkeit der Gerichte mit „Streitentscheidung“ beschreiben. Im idealtypischen Sinn des Konstitutionalismus ist „Gesetzgebung“ der Erlass generell-abstrakter Rechtsnormen, die in der parlamentarischen Demokratie dem vom Volk gewählten Parlament vorbehalten ist. „Vollziehung“ hingegen ist der Erlass individuell-konkreter Rechtsnormen auf der Grundlage der Gesetze. Das B-VG orientiert sich an dieser Vorstellung, übernimmt sie aber nicht präzise. So erlaubt das B-VG den Parlamenten, in Gesetzesform auch individuell-konkrete Rechtsnormen, sogenannte „Einzelfallgesetze“, zu erlassen. Der Verwaltung gestattet die Bundesverfassung, auch generelle Rechtsnormen, die „Verordnungen“, zu erlassen (Art 18 Abs 1 B-VG). Weil das B-VG von der idealtypischen Vorstellung der Gewaltenteilung abweicht, unterscheiden wir Gesetze „im materiellen Sinn“ und Gesetze „im formellen Sinn“. Gesetze im materiellen Sinn sind alle vom Parlament beschlossenen Rechtsnormen ohne Rücksicht auf ihren Inhalt. Gesetze im formellen Sinn sind alle Rechtsnormen mit generell-abstraktem Inhalt ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Parlament oder von der Vollziehung erlassen werden. [8] ____ (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I [WS 2016/17] 1. Klausur [B]/Seite 6 10. Was versteht man unter „Demokratie“ ? Erläutern Sie die zwei grundlegenden Demokratie-Modelle ! Welches Demokratiemodell liegt dem B-VG zugrunde ? ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ [3] ____ 11. Was versteht man unter Gesetzesvorrang ? ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ [1] ____ 12. Was verstehen wir unter „Fehlerkalkül“ ? ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ [2] ____ (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I [WS 2016/17] 1. Klausur [B]/Seite 7