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MuenchnerSkript LehrenUndLernen

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SoSe
2015
Münchner Skript zum EWS-StEx
Funk ▪ Bär ▪ Doll ▪ Forbrig ▪ Klampke ▪ Meier ▪ Schmidt ▪ Zehetner
PÄDAGOGISCHE
PSYCHOLOGIE
DES LERNENS UND
LEHRENS
0. INHALT
0. Inhalt ................................................................................................................................. 4
1. Grundbegriffe .................................................................................................................... 4
1.1. Psychologie ................................................................................................................ 4
1.2. Lernen aus verschiedenen Perspektiven .................................................................... 4
1.3. Die drei Hauptströmungen im Überblick ..................................................................... 6
2. Behavioristische Lerntheorien ........................................................................................... 7
2.1. Assoziatives Lernen ................................................................................................... 7
2.2. Klassisches Konditionieren......................................................................................... 8
2.3. Operantes Konditionieren ......................................................................................... 16
2.4. Erlernte Hilflosigkeit .................................................................................................. 28
3. Sozial-kognitive Lerntheorie ............................................................................................ 31
3.1. Das Bobo-Doll Experiment (Bandura, 1965)............................................................. 31
3.2. Phasen des Beobachtungslernens ........................................................................... 32
3.3. Wirkungen des Beobachtungslernens ...................................................................... 34
3.4. Modellernen und Mediengewalt ................................................................................ 35
4. Theorien des kognitiven Lernens .................................................................................... 37
4.1. Das Gedächtnis & Wissen: Überblick ....................................................................... 37
4.2. Gedächtnismodelle ................................................................................................... 40
4.3. Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens ........................................ 46
4.4. Speicherung Prozeduralen Wissens & die ACT-Theorie .......................................... 54
4.5. Wissenserwerb/ Aufbau von Wissen ........................................................................ 56
4.6. Konzeptuelle Veränderungen ................................................................................... 58
4.7. Vergessenstheorien ................................................................................................. 60
4.8. Schlussfolgerungen für den Unterricht ..................................................................... 61
5. Konstruktivistische Lerntheorien ..................................................................................... 64
5.1. Formen des Konstruktivismus .................................................................................. 64
5.2. Wissenserwerb gemäß konstruktivistischer Theorien ............................................... 64
5.3. Implikationen für den Unterricht ................................................................................ 65
6. Selbstgesteuertes Lernen ............................................................................................... 66
6.1. Steuerung des eigenen Lernens .............................................................................. 66
6.2. Theorien des Selbstgesteuerten Lernens ................................................................. 67
6.3. Förderung von Selbstreguliertem Lernen ................................................................. 69
7. Problemlösung, Transfer & Expertensettings .................................................................. 73
7.1. Problemlösen ........................................................................................................... 73
7.2. Ergebnisse der Experten-Novizen-Forschung .......................................................... 77
7.3. Transfer .................................................................................................................... 78
8. Gedächtnis- und Lernhilfen, Lernstrategien .................................................................... 80
8.1. Unterscheidung von Lernstrategien .......................................................................... 80
8.2. Beispiele für Lernstrategien ...................................................................................... 82
8.3. Metakognition ........................................................................................................... 85
8.4. Förderung im Unterricht............................................................................................ 86
8.5. Gute und schlechte Strategienutzer ......................................................................... 87
8.6. Empirie zu Metakognition und Lernstrategien........................................................... 87
9. Unterrichtsqualität ........................................................................................................... 88
9.1. Unterrichtsmodelle und Forschungsrichtungen ........................................................ 88
9.2. Die Qualitätsmerkmale nach Helmke ....................................................................... 89
9.3. Lehrermerkmale ....................................................................................................... 93
9.4. Aptitude-Treatment-Interaction (ATI) ........................................................................ 95
9.5. Exkurs: Hausaufgaben und ihre Relevanz für Lernen .............................................. 95
10. Lehrstrategien ............................................................................................................... 97
10.1. Darstellende Methoden .......................................................................................... 97
10.2. Problemorientiert-entdeckendes Lernen ................................................................. 99
10.3. Kooperatives Lernen ............................................................................................ 104
Anhang ............................................................................................................................. 106
A1 Exkurs: Umgang mit ADHS ...................................................................................... 106
A2 Überblick über die Hattie-Studie 2009...................................................................... 106
4
1.1 Psychologie
1. GRUNDBEGRIFFE
1.1. Psychologie
Definition (Pongratz, 1967): Psychologie ist die Erfahrungswissenschaft vom Erleben
und Verhalten des Menschen.
Psychologie ist eine empirische Wissenschaft:

Erkenntnisgewinn durch Untersuchungen, Befragungen, Experimente, Tests etc.

Beschreibung psychotischer Sachverhalte, wie Motivation, Kognition (Vorgänge,
um Kenntnis von seiner Umwelt zu erlangen = Denken, Wahrnehmung,
Gedächtnis und Sprache ), Lernen, Wahrnehmung, etc.
Definition (Fischer, 1917): Der Gegenstand der pädagogischen Psychologie ist
Erziehung, die Erforschung von Erziehung aus der Perspektive und mit den Mitteln der
Psychologie.
1.2. Lernen aus verschiedenen Perspektiven
Eine Definition, die alle Aspekte des Lernens umfasst, ist nicht bekannt.
Definition (Edelmann, 2000) Lernen lässt sich kennzeichnen als
 jede Verhaltensänderung, die durch Übung oder Beobachtung entstanden ist (Erwerb
motorischer und sprachlicher Fertigkeiten).
 Informationsaufnahme und -Verarbeitung (Wissenserwerb).
 Vorgänge, bei denen die Person Ziele und Mittel zur Erreichung der Ziele willentlich
und verantwortlich auswählt (zielgerichtetes Denken).
Definition (Zimbardo, 2008): Lernen ist ein Prozess, der in einer relativ konsistenten
Änderung des Verhaltens oder im Verhaltenspotentials resultiert und auf Erfahrung
aufbaut. […] Lernen ist nicht direkt zu beobachten, es muss aus der Leistung, also
dessen Ausdruck im beobachtbaren Verhalten, erschlossen werden.
Lernen kann somit als relativ überdauernde Verhaltensveränderung aufgrund von
Erfahrungen betrachtet werden, welche sich das Individuum meist durch eigenständige
häufig wiederholte Aktivitäten erarbeitet hat.
Lehren und Lernen stehen in unmittelbarem Zusammenhang. Man kann keinen der
beiden Prozesse einzeln für sich behandeln!
Verschiedenen Arten des Wissenserwerbs
 Intentionelles Lernen: absichtlich, zielgerichtet

Inzidentielles Lernen: beiläufig, häufig effektiver, unbewusst, manchmal
unerwünscht!
 Lernen aus traditionell behavioristischer Sicht
Definition: (Skinner, 1953) [Lernen aus behavioristischer Sicht] Lernen ist eine
dauerhafte Veränderung beobachtbaren Verhaltens als Ergebnis von Erfahrungen
1.2 Lernen aus verschiedenen Perspektiven

Beschränkung auf beobachtbare Dinge und Verzicht auf Interpretation und
Inanspruchnahme innerer Prozesse → Traditioneller Behaviorismus

Auslöser einer Verhaltensweise/ Reaktion ist ein Reiz/ Stimulus
→ Lernender ist reaktiv bzw. passiv, d.h. „unter der Kontrolle der Umwelt“

Unterricht: viel Drill und mechanische Übungen mit dem Ziel, die Anzahl der
richtigen Reaktionen/Verhaltensweisen zu erhöhen.
 Übergang zu kognitiven Theorie: Sozial-kognitive Lerntheorie
 Begründer: Alfred Bandura
 Grundlage bildet das Bobo-Doll-Experiment, das beweist, dass Verhalten auch an
Modellen (also in sozialen Kontexten) erlernt wird
 Unter anderem Fokus auf Aufmerksamkeits-Prozess
→ Übergang zur Betrachtung psychologischer Prozesse im „Inneren“
 Kognitive Wende: Lernen als Wissenserwerb (Kognitivismus)
Definition (Lukesch, 1998) [aus kognitiv-behavioristischer Sicht]: Lernen im Sinne
des Wissenserwerbs ist ein bereichsspezifischer, komplexer und mehrstufiger
Prozess, der die Teilprozesse des Verstehens, Speicherns und Abrufens einschließt
und unter der Voraussetzung, dass die drei genannten Prozesse erfolgreich
verlaufen auch zum Gebrauch (Transfer) des erworbenen Wissens führen kann.

„kognitiver Behaviorismus“: Psychologen erkannten in den 50- und 60er Jahren
die Ähnlichkeit zwischen Rechnern und Lernen als Informationsverarbeitung

Lernen: relativ überdauernde Veränderungen des Wissens als Folge von
Erfahrungen

Wissen ist objektiv und unabhängig vom individuell Lernenden

Zunehmende Aktivität des Lernenden, mehr Selbstkontrolle, Beobachtung und
Kontrolle eigener kognitiver Prozesse
→ komplexere Lernformen
Lernen ist der Prozess, durch den deklaratives und prozedurales Wissen über die
Welt sowohl aufgrund externer Anregungen wie auch durch die Eigenaktivität des
Lernens entsteht oder verändert wird. Wissenselemente sind im Gedächtnis
gespeicherte und wieder abrufbare Informationen. Lernen ohne die Fähigkeit der
gedächtnismäßigen Speicherung ist unmöglich!
 Lernen aus konstruktivistischer Sicht
 Wissen wird von jedem Schüler selbst aufgebaut
 Lernen von kritischem Denken, Lösung komplexer Probleme, Entwicklung von
Strategien, Fähigkeit und Motivation, das ganze Leben lang selbstständig zu
lernen (Lin 1996),
 Wissen existiert nicht außerhalb des Lernenden ( Konstruktion /Interpretation
nötig)
5
1.3 Die drei Hauptströmungen im Überblick
LERNEN ALS
INFORMATIONSVERARBEITUNG
LERNEN AUS
KONSTRUKTIVISTISCHER SICHT
Skinner
Anderson
Piaget / Wygotski
WISSEN
Bestimmter Fundus
wird erworben;
Anreize von außen
Bestimmter Fundus wird
erworben; Anreize von
außen;
Art des Lernens durch
Vorwissen bestimmt
Wissen wird individuell oder
sozial konstruiert
Grundlage:
Voraussetzungen des
Lerners oder der
Umgebung
LERNEN
Erwerb von Wissen,
Tatsachen durch
mechanischen Üben
Erwerb von Fakten,
Strategien und
Fertigkeiten
aktive oder kooperative
Konstruktion
Transmission
Anleitung von Schülern zu
vollständigem Wissen
Herausforderung zu
vollständigem Wissen / KoKonstruktion mit Schülern
LEHRERROLLE
Manager, führt
Aufsicht und korrigiert
Vermittlung und
Vorführung effektiver
Strategien und Korrektur
Erleichterung und Anleitung
mit Rücksicht auf
individuelle Vorstellungen
und Anhören der
entstandenen
Konzeptionen
Nicht einbezogen
Nicht nötig, können
Verarbeitung beeinflussen
Teil des Lernprozesses
(bzw. regen Denken an)
Passive Aufnahme
und Befolger von
Anweisungen
Aktiver Verarbeiter,
Strategienutzer und
Organisator von
Informationen
Aktiver Denker, Erklärer,
Deuter, Frager und soziale
Teilnahme
LEHRE
LERNEN ALS
VERHALTENSÄNDERUNG
PEERS
1.3. Die drei Hauptströmungen im Überblick
LERNER
-ROLLE
6
Nach Woolfolk, 2008 (adaptiert)
2.1 Assoziatives Lernen
2. BEHAVIORISTISCHE LERNTHEORIEN
Definition (Zimbardo, 2008): Behaviorismus ist ein wissenschaftlicher Ansatz, der das
Feld der Psychologie auf messbares, beobachtbares Verhalten reduziert. Aus
behavioristischer Perspektive interessiert damit nur objektiv bestimmbares Verhalten und
dessen Beziehungen zu Umweltstimuli.
Als Begründer des Behaviorismus gilt Watson (1878-1958):
"… a purely objective experimental branch of natural science" (Watson, 1913)
„Bewusstseinszustände sind nicht objektiv verifizierbar, und aus diesem Grund
können daraus nie wissenschaftliche Daten werden“ (Watson, 1913)
→ Blackbox: Mensch hat keinen freien Willen; bestimmter Reiz führt zu Verhalten
→ Ansatz, der auf beobachtbarem Verhalten beruht
Der Behaviorismus ist eine Richtung der objektiven Psychologie: Die Lehre vom
Verhalten, von Handlungen und Reaktionen. Behaviorismus konzentriert sich alleine auf
nach außen erkennbare Verhaltensweisen/ Handlungen/ Reaktionen und ignoriert dabei
nach innen gerichteten Reaktionen.
Einfluss behavioristischer Lernforschung auf den Unterricht:
 Hauptaufgabe der Lehrer sind Veränderungen von beobachtbarem Verhalten
→ Konzentration auf verhaltensorientierte Lehrziele

Beachtung des unterschiedlichen Zeitbedarfs der Schülern

Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Beteiligung im Unterricht
→ Ziel aus behavioristischer Sicht: möglichst hohes Maß an Aktivität 

Angemessene Verhaltenskonsequenzen einhalten (Lehrerlob/ Tadel) 
Behavioristische
Lerntheorien
Klassisches
Konditionieren
Pawlow
Operantes
Konditionieren
Skinner
2.1. Assoziatives Lernen
„Lernen lässt sich durch Bildung von Assoziationen erklären. Der Menschliche Geist
verknüpft Ereignisse, die in enger zeitlicher Abfolge auftreten.“ (Aristoteles)
Assoziatives Lernen: Jede Reaktion (Response, R), die mit einem Reiz (Stimulus, S)
wiederholt in Kontiguität stand, wird auch in Zukunft durch diesen Reiz ausgelöst.
7
8
2.2 Klassisches Konditionieren
Kontiguität meint direkte zeitliche Nachbarschaft (Grundlage für S-R-Theorien von
Thorndike, Hull, Guthrie)
→ zwei Reize werden assoziiert, wenn sie oft zusammen vorkommen
→ kommt später nur eines der beiden Ereignisse vor (Reiz oder Stimulus), wird das
andere auch erinnert (Reaktion)
Klassisches und operantes Konditionieren sind zwei spezielle Formen des
assoziativen Lernens.
2.2. Klassisches Konditionieren
Vertreter: Iwan Petrovic Pawlow (1849-1936)
Klassisches Konditionieren ist eine Art des Lernens, bei der Verhalten (konditionierte
Reaktion, CR) durch einen Stimulus (konditionierter Stimulus, CS) hervorgerufen wird,
welcher seine Wirkung durch die Assoziation mit einem biologisch bedeutsamen
Stimulus (unkonditionierter Stimulus, UCS) erlangte.
 NS: Neutraler Stimulus
Reiz, der keine bestimmte Reaktion hervorruft (außer evtl. Aufmerksamkeit)
 UCS: Unkonditionierter Stimulus
Reiz, der auf natürlichem Weg eine bestimmte Reaktion hervorruft
 UCR: Unkonditionierte Reaktion (Response)
Nicht gelernte, biologisch vorgeformte Reaktion, durch einen US
hervorgerufen
 CS: Konditionierter Stimulus
Ursprünglich neutraler Reiz, der durch kontingentes Auftreten mit einem US
die (annähernd) gleiche Reaktion hervorruft wie US
 CR: Konditionierte Reaktion (Response)
Reaktion, durch einen CS hervorgerufen (CR ≠ UR)
2.2.1. Klassisches Konditionieren - Überblick
Die Natur gibt uns eine Assoziation UCS - UCR vor, klassisches Konditionieren
produziert hingegen eine Assoziation CS - CR. Das funktioniert folgendermaßen:
Ein NS wird wiederholt mit dem UCS gepaart. Nach einigen Wiederholungen folgt der
UCR (jetzt CR) vorhersagbar dem NS (jetzt CS).
Vor der Konditionierung
Nach der Konditionierung
UCS → UCR
UCS → UCR
NS → keine Reaktion
CS →CR
Motivation und Einsicht spielen beim klassischen Konditionieren keine Rolle.
Beim klassischen Konditionieren wird keine neue Reaktion gelernt, es entsteht
lediglich eine neue Reiz-Reaktions-Verbindung!
2.2 Klassisches Konditionieren
2.2.2. Der Pawlowsche Hund
Nach dem Experiment des Physiologen Iwan
Pawlow (1849-1936) lässt sich das oben
beschriebene
Prinzip
des
klassischen
Konditionierens bei einem Hund zeigen.
 Phasen des Klassischen Konditionierens
1.Kontrollphase (vor dem Versuch) / Vor-Konditionierungsphase:
Futter (UCS)
Glockenton (NS)
→
→
Speichelfluss (UCR)
kein Speichelfluss
2.Erwerbsphase (während des Versuchs) / Konditionierungsphase:
Paarung von NS und UCS
→
UCR
3.Nachkonditionierungsphase:
Glockenton (CS) →
Speichelfluss (CR)
Nach der Konditionierung setzte der Speichelfluss schon beim Glockenton ein.
 Nach Verbindung des UCS mit dem NS folgt tatsächlich eine konditionierte Reaktion
(CR) auf den Glockenton (dann CS).
Beim klassischen Konditionieren ist das Timing entscheidend. CS und UCS müssen
zeitlich eng beieinander liegen (Kontiguität: zeitlich-räumliches gemeinsames Auftreten
der Reize), damit der Organismus sie als zeitlich verbunden wahrnimmt (  Grundlage
des Lernprozesses).
Beispiel: Das Verteilen von Redbull-Proben bei Surf-, Skateboard-, MTB-, Freeride-Turnieren schafft
eine Verbindung zwischen der Produktmarke und den abenteuerlichen Erlebnissen
2.2.3. Die Phasen des Konditionierens genauer betrachtet
 Phase 1: Kontrolle und Voraussetzungen
UCS → UCR (folgt auf UCS wirklich UCR?)
NS → wirklich neutrale Reaktion?
9
10
2.2 Klassisches Konditionieren
 Phase 2: Konditionierung
NS + UCS → UC
CS → CR
 Phase 3: Extinktion
CR wird schwächer, wenn CS alleine auftritt (ohne UCS)
schwieriger als Konditionierung
Ängste sehr löschungswiderstandsfähig (meist nur mit Gegenkonditionierung)
 Phase 4: Spontanerholung (= Remission)
gelöschte Reaktion tritt nach Ruhephase wieder schwach auf, wenn CS alleine
dargeboten wurde
 Phase 5: Ersparnis
bei erneutem Konditionieren nach erfolgreicher Löschung gewinnt CR schneller an
Stärke als ursprünglich
Einflussfaktoren auf die klassische Konditionierung:
Unabhängige Variablen
Abhängige Variablen
Anzahl der Durchgänge
Stärke der Reaktion
Intensität und Qualität des/der Reize
Zeitdauer der Darbietung CS und CR
Zeitlicher Abstand zwischen CS und UCS
Verlauf des Konditionierungsprozesses
Resistenz gegenüber Lösungen
Weitere Einflüsse auf das klassische Konditionieren in der Erwerbsphase:
 Kontingenz (Vorhersagbarkeit des Auftretens des UCS auf den CS)
Nach Versuchen von Rescorla (1988) reicht die Kontiguität alleine nicht aus.
 Der CS (Ton) muss zudem zuverlässig das Auftreten des UCS (Futter)
voraussagen (Kontingenz), damit klassisches Konditionieren stattfindet.
 Informativität (deutliches Abheben des CS von der restlichen Umgebung)
Nach Versuchen von Kamin (1969) mit Ratten erfolgt eine Konditionierung dann am
schnellsten, wenn der CS sich deutlich von anderen in der Umgebung vorhandenen
Reizen hervorhebt.
Fazit:
Klassisches Konditionieren ist komplexer als Pawlow angenommen hatte: Ein NS wird
nur dann ein effektiver CS, wenn er kontingent und informativ ist.
2.2.4. Weitere Konditionierungsprozesse
 Reizgeneralisierung
= die automatische Erweiterung konditionierten Verhaltens auf ähnliche Stimuli, die
niemals mit dem unkonditionierten Stimulus gepaart wurden.
2.2 Klassisches Konditionieren

Je ähnlicher der Reiz dem ursprünglichen CS ist, desto stärker die Reaktion (
Generalisierungsgradient)

Generalisierung ist in der Natur eine Art Sicherheitspolster: neue aber
vergleichbare Ereignisse bekommen dieselbe Bedeutung → gleiche Reaktion
Beispiel: Ein Raubtier gibt einen anderen, aber ähnlichen Laut von sich → das Beutetier
erkennt die Gefahr und reagiert entsprechend!
 Reizdiskrimination
Ein Konditionierungsprozess, bei dem der Organismus lernt, unterschiedlich auf
Reize zu reagieren, die sich von dem CS entlang einer Dimension (z.B. Unterschiede
in Farbton oder Tonhöhe) unterscheiden.
Beispiel: Eine Maus läuft nur vor der grauen Katze, nicht aber vor der
braunen Katze weg.
Diskrimination: Nur auf exakt diesen CS wird eine CR ausgelöst
Schärfung der Diskriminationsfähigkeit durch Diskriminationstraining:
Schaffung von Erfahrungen, bei denen nur einer dieser Töne mit dem UCS auftritt,
während die anderen wiederholt ohne den UCS dargeboten werden.
 Konditionierung höherer Ordnung
CS wird mit einem neuen NS verknüpft, um auf den NS eine CR auszubilden.
Durch Konditionierung hat der CS einiges von der Macht des biologisch bedeutsamen
UCS übernommen (da er nun die Reaktion CR auslösen kann)  CS ist in gewissem
Sinne zum Stellvertreter des US geworden.
Glockenton (CS)

Speichelfluss (CR)
Nun können konditionierte Reize eingesetzt werden, um einen weiteren Reiz zur
Auslösung der gleichen Reaktion zu konditionierten.
Hinzufügen eines NS (Licht):
Glockenton (CS) + Licht (NS) 
Speichelfluss (CR)
Licht (CS1)  Speichelfluss (CR)
11
12
2.2 Klassisches Konditionieren
 Assoziative Konditionierung
Späterer CS1 und CS2 werden nur vor dem Aufbau einer Konditionierung miteinander
gekoppelt.
(↔ Konditionierung höherer Ordnung: Zuerst wird Konditionierung aufgebaut, dann
Stimuli miteinander gekoppelt)
Beträchtliche Erweiterung des Bereichs der klassischen Konditionierung:
 Nicht mehr daran gebunden, dass ein biologisch relevanter Reiz auftritt

Verhaltensreaktionen sind durch ein unbegrenztes Repertoire von Reizen
kontrollierbar

Konditionieren umfasst nicht nur die Entwicklung einer Verhaltensreaktion,
sondern auch Assoziationen zwischen Reizereignissen, die als Signale von Lust
und Schmerz neu bewertet werden.
Wichtiger Prozess für das Verständnis vieler Arten komplexen menschlichen
Verhaltens!

2.2.5. Anwendungsbereiche des Klassischen Konditionierens
Viele unserer Einstellungen und Emotionen sind durch Konditionierungsprozesse, die
außerhalb unseres Bewusstseins stattfinden oder stattgefunden haben, entstanden.
 Konditionierte Furcht
Versuch nach Watson & Rayner (1920): „Der kleine Albert“ (11 Monate alt)
Ziel: Nachweis, dass viele Furchtreaktionen als eine Paarung aus einem NS mit etwas
natürlich Furchtauslösendem verstanden werden können.
Frage: Ob bzw. welche angeborenen Reiz-Reaktionsverbindungen beim Kleinkind auf
dem emotionalen Gebiet vorhanden sind und ob diese im Entwicklungsverlauf durch
Lernvorgänge auf Basis konditionierter Reflexe erweitert werden.
Methode: Kopplung der bestehenden Reiz-Reaktionsverbindung (Gongschlag - Angst)
mit einem neutralen Stimulus (Ratte):
Ergebnis: Nach wiederholter Kopplung zeigte Albert auf den Reiz "Ratte" die
konditionierte Reaktion Angst.
2.2 Klassisches Konditionieren
Vor dem Versuch (Kontrollphase):
Lautes Geräusch (UCS)
Ratte (NS)
Weinen (UCR)
Freude/ Interesse (OR*)
*Orientierungsreaktion
Erwerbsphase:
Lautes Geräusch (UCS) + Ratte (NS)
Weinen (UCR)
Nach mehrfachen Wiederholungen:
Ratte (CS)
Weinen (CR)
Es kann sogar zur Reizgeneralisierung kommen:
Grauer Bart ähnelt dem CS
Weinendes Kind
Konditionierte Furchtreaktionen könne über Jahre hinweg anhalten, auch wenn der
ursprüngliche furchteinflößende UCS nie wieder Auftritt. → Kann folglich nur sehr
schwer wieder gelöscht werden.
Ist intensive Angst beteiligt, dann kann es sogar nach nur einmaliger Koppelung des NS
mit UCS zur Konditionierung kommen (z.B. Autounfall bei Regen  Panik bei Regen im
Auto).
Behandlungstechniken für Patienten mit Angst- und Furchtstörungen:
 Gegenkonditionierung nach Jones (1924): Der kleine Peter
Peter (3 J.) hat Angst vor Kaninchen; Behandlung: Gegenkonditionierung mit
Süßigkeiten
 Gebäck (UCS) angeboten  angenehme Reaktion (UCR)
 gleichzeitig Kaninchen (CS)  Furcht (CR), aber nur in Ecke des Raumes
 Folgende Tage: immer wenn Peter Gebäck aß, Kaninchen etwas näher zu ihm
 Freude an Keksen ersetzte Angst vor Kaninchen
 Systematische Desensibilisierung nach Wolpe (1958)
Ausgangspunkt: Bestimmte Reaktionen sind unvereinbar  Mensch kann sich nicht
im Zustand der Entspannung befinden und zugleich Furchterlebnisse empfinden.
13
14
2.2 Klassisches Konditionieren
Methode: Menschen durch geeignete Übungen zur völligen Entspannung bringen und
in diesem Zustand mit dem furchtauslösenden Reiz konfrontieren  Überwindung der
Furcht
a) Erstellung einer Angsthierarchie von der am wenigsten bis zur am stärksten
furchteinflößenden Situation
b) Erlernen einer Entspannungstechnik
c) Durcharbeiten der Angsthierarchie auf rein mentaler Ebene; dabei Einsatz von
Entspannungstechniken (wenn Angstgefühl einsetzt)
d) Durcharbeiten der Angsthierarchie auf realer Ebene
 Schulangst
Klassenzimmer bietet viele Möglichkeiten für Schüler, Assoziationen zwischen
bestimmten Ereignissen und emotionalen Reaktionen entstehen zu lassen:
1)
2)
3)
4)
Lehrer
Unterrichtsfach
Unterrichtsmaterialien
Schule als Institution
Diese NS erlebt der Schüler häufig mit
Maßnahmen wie Lob und Tadel, die bei
ihm Stolz, Freude oder Unzufriedenheit
auslösen → bei mehrfacher Wiederholung
werden NS zu CS
Erklärung für Schulangst:

Angst vor Lehrperson (Klassisches Konditionieren)
Nachdem durch klassisches
Konditionieren Angst vor dem
Lehrer entstanden ist, kann sich
diese Angst durch weitere
Konditionierung auf Schulfächer
und andere Lehrer übertragen.
2.2 Klassisches Konditionieren

Übertragung der Schulangst auf Fächer (= Konditionierung höherer Ordnung)

Übertragung der Schulangst auf andere Lehrer/-innen (Generalisierung)
 Prüfungsangst
Prüfungsangst: sich mit Schwierigkeiten zu beschäftigen bevor man diese hat.
Zwei-Komponenten-Theorie der Prüfungsangst
Worry (Sorgengedanken)
Kognitiv:
Fähigkeiten für die Bewältigung der
Prüfung als nicht ausreichend betrachtet
Leistungshinderlich: Teil des
Abreitsgedächtnisses für
Sorgengedanken verbraucht
Emotionality (Aufgeregtheit)
Subjektiv wahrgenommene und
interpretierte physiologische Reaktionen,
wie z.B. erhöhter Herzschlag
Verhalten: wenig effiziente Prüfungsvorbereitung
Vermeidung, Fluchtverhalten (Aufschieben von Lernverhalten)
15
16
2.3 Operantes Konditionieren
 Prävention von und Maßnahmen gegen Schulangst
Maßnahmen im Unterricht:
 Lehrer sollte das Klassenzimmer stets mit positiven Gefühlen verbinden
 Positives Klassenklima
 Schüler dürfen Misserfolge nicht auf Schule allgemein, sondern nur auf konkrete
Aufgabenstellungen beziehen
Behandlungstechnik bei Schul-/ Prüfungsangst:(analog: system. Desensibilisierung)
1. Hierarchie von Angstauslösern aufschreiben: schwächste als 1.
2. Schüler soll sich völlig entspannen, und dann jeden Punkt durchgehen/vorstellen,
bis er keine Angst mehr hat
3. Pausen mit Entspannungsübungen zwischen jeder Stufe
2.3. Operantes Konditionieren
Operantes (instrumentelles) Konditionieren = Lernen durch Konsequenzen von
Verhalten.
Operantes Konditionieren ist eine Lernform, bei der die Auftretenswahrscheinlichkeit
eines Wirkverhaltens unter bestimmten Zuständen ab- bzw. zunimmt. (Verhalten steht in
Verbindung mit Ereignissen, die ihm nachfolgen.)
Operant: jedes Verhalten, das von einem Organismus gezeigt wird und anhand seiner
beobachtbaren Effekte auf die Umwelt des Organismus beschrieben werden kann.
(wörtlich: Operant = die Umwelt beeinflussend)
→ Instrumentelle Konditionierung: Eine Aktivität ist ein Mittel /Instrument zur
Erreichung einer bestimmten Konsequenz
2.3.1. Operantes Konditionieren - Überblick
 Versuch nach Thorndike (1898): Instrumentelles Konditionieren
Beobachtung von Katzen, die versuchten, sich aus der sogenannten „Puzzlebox“ zu
befreien.
 Hungrige Katze wurde in einen Käfig gesperrt, vor dem Futter stand
 Durch einen Tritt auf eine Taste konnte das Versuchstier die Tür öffnen und somit
an das Futter gelangen
 Katze zeigte zuerst spontane Verhaltensweisen, um sich zu befreien (z.B.
Kratzen an den Gitterstäben)
→ trial & error (Lernen durch Versuch und Irrtum)

Zufälliger Tritt auf die Taste → Tür öffnet sich → Katze gelangt an das Futter

Unmittelbar vorausgehendes (zufälliges) Verhalten wird verstärkt
→ law of effect (Effektgesetz, Thorndike 1898): Die Kraft eines Stimulus, eine
Reaktion hervorzurufen, wird verstärkt, wenn der Reaktion eine Belohnung folgt,
und geschwächt, wenn keine Belohnung folgt
 Konsequenzen als entscheidende Determinante des Verhaltens
2.3 Operantes Konditionieren
17
Law of Effect (Effektgesetz)
Reaktion (Verhalten) → befriedigende Konsequenz
Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Reaktion steigt.
Reaktion → nicht befriedigende Konsequenz
Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Reaktion sinkt.
Ergebnis: Lernen ist keine Assoziation zwischen zwei Reizen, sondern zwischen Reizen
(Stimuli) und einer Reaktion (R), gelernt wird durch eine S-R-Verbindung.
Verhaltensweise wird so zum Instrument, eine angenehme Konsequenz herbeizuführen
und eine unangenehme zu vermeiden  Instrumentelles Konditionieren
 Versuch nach Skinner (1909-1990): Skinner Box
Der Lernpsychologe Burrhus Frederic Skinner setzte sich mit den Arbeiten
Thorndikes auseinander. Seine grundlegende Frage war jedoch nicht wie bei
Thorndike, unter welchen Bedingungen sich das Verhalten verändern lässt, sondern
wie sich das Verhalten durch vorausgegangene Reize unter Kontrolle bringen lassen
kann.
Skinner-Box (1930) ist ein Beispiel für operantes Konditionieren:
 Futterpille für die Ratte nach Drücken des Hebels  keinen Einfluss jedoch auf
den Zeitpunkt des Drückens
 Zusätzliche vorausgehende Reizbedingung (= diskriminativer Reiz, z.B.
Lichtquelle)
 Ratte erhält nur Futter (S+) wenn die Lichtquelle (S) eingeschaltet ist

Tier lernt somit den Hebel nur zu drücken, wenn das Licht angeschaltet ist
Lernen durch Konsequenzen; Das Verhalten (R) ist durch
vorangehenden Reiz kontrollierbar
18
2.3 Operantes Konditionieren
Schema:
Vorausgehender
Reiz
S
(Licht an)
→
Verhalten
R
(Hebel
drücken)
→
Nachfolgendes ReizErlebnis
S+
(Futter)
Diskriminativer Reiz: Die Reize, die einer Situation vorangehen, erlangen durch
Assoziation mit Verstärkung oder Bestrafung die Funktion, das Verhalten festzulegen.
 Organismen lernen, dass ihr Verhalten bei manchen Reizgegebenheiten, nicht
jedoch bei anderen eine bestimmte Wirkung (Verstärkung/Bestrafung) hat.
Beispiele:
 Andere Reaktion bei roter als bei grüner Ampel

Kind soll bim Unterricht ruhig sitzen, darf aber in den Pausen laut und rege sein
Unter Laborbedingungen kann bei Vorliegen diskriminativer Reize durch die
Manipulation der Verhaltenskonsequenzen das Verhalten eines Organismus weitgehend
kontrolliert werden.
Beispiel: Tauben können Körner nach dem Picken auf eine Scheibe nur gegeben werden, wenn
grünes Licht scheint, und nicht bei rotem.  grünes Licht = diskriminativer Hinweisreiz
Ein Reiz, der Verstärkung signalisiert, wird als positiver diskriminativer Reiz (𝑆 𝐷 )
bezeichnet. Der Reiz, der keine Verstärkung signalisiert, wird als negativer
diskriminativer Reiz (𝑆 𝛿 ) bezeichnet
Beispiel: Taube  Grünes Licht = 𝑆 𝐷 , rotes Licht = 𝑆 𝛿
Generalisierung: Die Verhaltensweise, die ein Organismus als Reaktion auf
diskriminatorische Reize zeigt, wird auf andere Reize, die dem diskriminativen Reiz
ähneln, generalisiert.
2.3.2. Grundprinzipien des Operanten Konditionierens
Voraussetzungen für operantes Konditionieren - also dafür, dass man eine Reaktion
über einen diskriminativen Reiz und der Konsequenz auf die Reaktion kontrollieren kann
– sind, wie beim klassischen Konditionieren:

Kontiguität (zeitliche und räumliche Nachbarschaft S-R-S+)
Beispiel: betätigen des Hebels bei Licht  zuverlässige Gabe von Futter

Kontingenz (Zuverlässige Beziehung zwischen Reaktion und Konsequenz)

Informativität (Abheben des diskriminativen Reizes vom Rest der Umwelt)
2.3.3. Reaktions-Konsequenz-Konstellation
 Prinzip der Verstärkung & Bestrafung
Verstärkung Gabe eines Verstärkers in der Folge einer Reaktion
→ Auftretenswahrscheinlichkeit der Reaktion wird erhöht
2.3 Operantes Konditionieren
z.B. soziale Belohnung (Lob), konkrete Belohnung (Preis), Befreiungsbelohnung
(keine Hausaufgaben)
Bestrafung
Bestrafungsreiz in der Folge einer Reaktion
→ Auftretenswahrscheinlichkeit der Reaktion wird gesenkt
z.B. Verlust von Privilegien, Strafarbeit
Darbietung/positiv
Angenehme
Konsequenz
z.B. Zuneigung,
Fernsehen
Unangenehme
Konsequenz
z.B. Ohrfeige,
Verweis
Keine
Konsequenz
Entzug/negativ
Positive Verstärkung
Bestrafung Typ 2
Darbietung eines angenehmen
Reizes
z.B. Futter, Lob, Geld
Entzug eines angenehmen
Reizes
z.B. Fernsehverbot
Bestrafung Typ 1
Negative Verstärkung
Darbietung eines unangenehmen
Reizes
z.B. Bußgeld
Entzug eines negativen Reizes
z.B. Hausaufgaben weg
Löschung
Löschung
Achtung: „positiv“ (hier: hinzugeben) bzw. „negativ“ (hier: wegnehmen) sind in diesem
Zusammenhang nicht wertend! Ein Reiz ist dann aversiv, wenn Organismen auf diesen
mit Flucht bzw. Vermeidung reagieren!
Positive und negative Verstärker haben dieselbe Wirkung, beide erhöhen die
Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer operanten Verhaltensweise!
Bestrafungen sind allerdings häufig nicht effektiv:
 Bedingungen des instrumentellen Lernens müssten alle Beachtung finden

Das Verhalten wird meist nur unterdrückt, tritt dann wieder auf, wenn die
Strafandrohung ausbleibt.
Bei übermäßigem Einsatz von aversiven Reizen im Klassenzimmer können
unerwünschte Nebeneffekte auftreten, die das Lernen behindern, wie beispielsweise
Angst oder Aggressivität:
Strafreize sind nur wirksam, wenn…
 …die unerwünschte Verhaltensweise nicht besonders stabil etabliert ist und keine
besonders starke Motivation zu ihrer Ausführung besteht
 …der Strafreiz möglichst sofort, möglichst stark und mindestens am Anfang
immer dargeboten wird

…ein alternatives Verhalten angeboten werden kann, das dann positiv verstärkt
wird
Ausnahme: Informative Strafstimuli bei intellektuellen Tätigkeiten (Kritik,
Korrekturen) können sehr wirksam sein, wenn sie in einer sonst unterstützenden
und wertschätzenden Atmosphäre geschehen.
19
20
2.3 Operantes Konditionieren
 Diskriminative Reize in der Schule
Man will die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion nicht für alle Umstände ändern
(Generalisierung), vielmehr will man sie nur in einem bestimmten Kontext ändern.
Schule: Jede Frage/Aufforderung im Unterricht, die eine Antwort nach sich zieht,
besitzt die Funktion eines diskriminativen Reizes. (wenn alle Schüler dieser
Aufforderung nachkommen)
Gründe für das Ignorieren einer Frage durch die Klasse
 Lehrer hat nicht immer eine „differentielle Verstärkung“ durchgeführt.
Differentielle Verstärkung: Nur dann Verstärkung geben, wenn auch wirklich
auf den positiven diskriminativen Reiz reagiert wurde, nicht wenn Verhalten
zufällig passiert ist!


Experiment nach Tuckmann (1992): Hefte sollen auf Tisch gelegt werden
o Schüler tut es  Lob
o Schüler schwätzt, legt aber Heft dennoch auf den Tisch  nicht
verstärken!
o Diskriminativer Reiz hebt sich nicht ausreichend von anderen Reizen ab.
Für Unterscheidungslernen können diskriminative Hilfsreize (prompts) eingesetzt
werden
o Beispiel: Lehrerfrage nicht klar
 Frage: Ist Wort „singen“ ein Verb?  Keine Antwort.
 Hilfsreiz: Beschreibt das Wort eine Tätigkeit?  Richtige Antwort
( Verstärkung)
 richtig  Verstärkung: „richtig, singen ist ein Verb“
o Hilfsreize sollten so schnell wie möglich wieder ausgeblendet werden
(fading)
Ziel: Gewünschte Reaktion direkt auf den diskriminativen Reiz
(Wort singen reicht, um es als Verb zu identifizieren)
Allgemeine Möglichkeiten der Verstärkung
 Arten von Verstärkern:
 PRIMÄRE VERSTÄRKER
o Biologisch begründete Verstärker wie Nahrung und Wasser
o Problem der Sättigung

SEKUNDÄRE (KONDITIONIERTE) VERSTÄRKER
o Wirkung durch assoziative Paarung mit Primärverstärkern (Geld, Noten)
o Menschliches Verhalten wird meist von konditionierten Verstärkern
beeinflusst, v.a. von materiellen und sozialen
o Konditionierte Verstärker sind leichter zu verwenden als primäre
(transportabel, leicht zu verteilen)
o Setzen bestimmte Lerngeschichte voraus!

Schule: Verwendung vieler konditionierter Verstärker (Noten, Lob…)
2.3 Operantes Konditionieren
Premack-Prinzip (David Premack, 1965): Eine bevorzugte Verhaltensweise (welche
häufig & gerne ausgeführt wird) kann ein effektiver Verstärker sein für Verhaltensweisen
mit geringer Häufigkeit!
Bsp.: Erst Mathehausaufgaben, danach Nintendo spielen
 Verstärkungspläne
 Kontinuierliche Verstärkungsprogramme:
o Verhalten wird immer (Verhaltensaufbau) oder nie (Extinktion) verstärkt.
o schneller Auf- bzw. Abbau

Intermittierende Verstärkungsprogramme
o Zu lernendes Verhalten wird nicht jedes Mal verstärkt.  Hohe
Löschungsresistenz
 Je nach zeitlicher oder anzahlbedingter Verstärkung unterscheidet man
verschiedene Verstärkungspläne
Optimaler Einsatz von Verstärkern
Beginnen mit kontinuierlicher Verstärkung (rascher Aufbau von Verhalten) dann
intermittierende Verstärkung (hohes Niveau der Häufigkeit, hohe Löschungsresistenz)
Effekt nach Bittermann (1975): Reaktionen, die unter intermittierender Verstärkung
erworben wurden, sind löschungsresistenter als bei kontinuierlicher Verstärkung.
Beispiel: Wenn Schüler sich häufig meldet  nicht jedes Mal aufrufen, sondern partiell verstärken
[Grund: fehlender Anreiz, wenn Schüler ohnehin weiß, dass er dran kommt]
Quotenplan
Intervallplan
Verstärkung nach gewisser Anzahl von
Reaktionen
Verstärkung nach bestimmtem Zeitintervall
(unabhängig von Reaktion)
Fixierter
Quotenplan
Variabler
Quotenplan
Fixierter
Intervallplan
Verstärker für die
Verstärker wird nach
Reaktion wird nach einer variablen Zahl Verstärker wird für
die erste Reaktion
einer festen Anzahl von Reaktionen
nach einem be(durchschnittl. Anz.
von Reaktionen
stimmten Zeitgegeben (z.B. jede festgelegt) gegeben.
intervall gegeben.
5.).
Hohe Auftretenswahrscheinlichkeit
von Reaktionen,
wegen unmittelbarer
Korrelation
Reaktion-Verstärker
Beispiele:
Taube kann so viel
Futter erhalten wie sie
will, sie muss nur oft
Höchste Reaktionsrate und größter
Löschungswiderstand
Beispiele:
Glücksspiel
Variabler
Intervallplan
Verstärker für die
erste Reaktion wird
nach einer variablen
Zeitspanne (Mittelwert fest) gegeben.
Direkt nach
Verstärkung nur
wenige Reaktionen,
wenn Zeit der
Belohnung näher
rückt, steigt die
Reaktionsrate
Mäßige, aber sehr
stabile Verhaltensrate. Löschung
langsamer als unter
fixierten
Intervallplänen.
Beispiel:
Vokabeltest immer am
letzten Tag der Woche
Beispiel:
Schüler müssen
jederzeit damit
rechnen, einen
21
22
2.3 Operantes Konditionieren
genug picken (z. B. 5x)
Schüler, der mit
Arbeitsauftrag fertig ist,
darf mit Hausaufgabe
beginnen
Lehrer ruft Schüler auf,
der sich mehrmals
vergeblich gemeldet
hat.
Vokabeltest zu
schreiben, oder
aufgerufen zu werden.
Gefahr: Schüler
bereiten sich nur für
diesen Tag vor
Gefahr: Prüfungsangst
2.3.4. Shaping und Chaining
Shaping:
Verhaltensformung
Veränderung des Verhaltens in aufeinander folgenden kleinen Schritten, wobei jeder
eine weitere Annäherung an die erwünschte Leistung bedeutet.
Zunächst Verstärkung jedes Elements der erwünschten Leistung, nach regelmäßigem
Auftreten eines Elements: nur noch Verstärkung von zielnäheren Reaktionen
Chaining:
Kettenbildung
Operantes Verfahren, bei dem jeder Reaktion innerhalb einer Kette von Einzelreaktionen
ein konditionierter Verstärker folgt, bis auf die letzte Reaktion ein unkonditionierter oder
primärer Verstärker folgt.
Jedes Glied der Kette ist ein diskriminativer Reiz für die nächste Reaktion und ein
konditionierter Verstärker der unmittelbar vorausgehenden.
2.3.5. Möglichkeiten zum Verhaltensauf- und abbau in der Schule
 Überblick über positive/negative Verstärkung/Bestrafung:
Positive
Verstärkung
Darbietung eines
angenehmen Reizes
Negative Verstärkung
Entzug neg. Reiz
Bestrafung Typ 1
Darbietung eines
unangenehmen
Reizes
Bestrafung Typ 2
Entzug eines
angenehmen
Reizes
Soziale
Verstärker
Materieller
Verstärker
Aktivitäten als
Verstärker
Lob, Zuwendung,
Freundlichkeit
Gutpunkte, Token,
Striche
Rumtoben,
Wandertag
Kein Tadel
Keine
Hausaufgabe,
keine Strafaufgabe
Kein Nachsitzen
Tadel
Hausaufgabe,
Strafaufgabe
Hausaufgabe,
Nachsitzen
Keine
Anerkennung,
Soz. Ausschluss
Gutpunkte, Token
wegnehmen, neg.
Striche
Rumtoben,
Wandertag
streichen
2.3 Operantes Konditionieren
A) VERHALTENSAUFBAU
durch individuell angepassten Einsatz von negativen und positiven Verstärkern!

Soziale Verstärker: Menschen mit pos. sozialer Beziehung
→ Lob, Zuwendung; Interesse zeigen, Freundlichkeit, gemeinsame Zeit
verbringen

Materielle Verstärker
→ Gabe von Süßigkeiten, Geld, Weglassen von Hausaufgaben…

Token-Economy:
o Gutpunkte, Striche etc. werden als systematische, symbolische Verstärker
eingesetzt  diese können in reale Verstärker (= Bonbons, Aktivitäten…)
eingetauscht werden
o Bedingungen nach O’Leary & Drabman (1971):
Verständliche Erklärung, strikte Regeleinhaltung, Einsichtigkeit der
Regeln, einfache Möglichkeit der Verteilung, Punktestand leicht
überprüfbar, keine Störung des Unterrichts durch Token-Vergabe
o Vorteile nach Selg (1977): Universeller Verstärkereinsatz, kaum
Sättigung, leicht anwendbar, keine Unterrichtsunterbrechung, kurze Zeit
zw. Verhalten & Verstärkung, breiter Bereich des Umtausches
Kritik am Tokensystem: Langfristige Folgen unbekannt, keine
Vorbereitung auf reales Leben, Reduktion auf materielle Aspekte, nur mit
Mitarbeit der Eltern möglich, gesteigertes Konkurrenzerhalten
 nur vorübergehend einsetzen, gleichzeitig soz. Verstärker aufbauen,
Hinführung zur
Selbstkontrolle Einsatzmöglichkeiten: Lese- &
Rechtschreibtraining, Reduktion hyperaktiven Verhaltens, IntelligenzTraining (v.a. bei Kindern!)

Aktivitäten als positive Verstärker:
→ Spielen, Toben lassen, Nachsitzen, Hausarrest wegnehmen (vgl. PremackPrinzip)

Kontingenzverstärker (Kontingenz-Vertrag):
o Übereinkommen zwischen zwei Vertragsparteien (schriftlich) mit dem
Inhalt „ Wenn A bestimmtes Verhalten zeigt, bekommt er bestimmte Dinge
etc.“
o Bedingungen (Hommeet al., 1971): Kleine Vertragsschritte, belohnende
Kontingenz
nach erwünschtem Verhalten, Klarheit des Vertrags,
Fairness, Akzeptanz und Respekt beider Seiten, Änderungen müssen
möglich sein
o Vorteile: zielt auf positive Verhaltensweisen, höhere Verbundenheit (da
selbst ausgehandelt)
o Nachteil: „Bezahlung“ von Verhalten durch Verhalten  Tauschcharakter
23
24
2.3 Operantes Konditionieren
o Kontingenzverträge sind empfehlenswert bei sehr aversiven Interaktionen
(z.B. Familienstreit)
B) VERHALTENSABBAU
Sollten nicht alleine eingesetzt werden (sonst: negative Verhaltensbilanz), sondern mit
gleichzeitigen Aufbau alternativen Verhaltens verbunden werden
 Positive Bestrafung: Darbietung aversiver Reize
 wenig sinnvoll, muss aber manchmal eingesetzt werden (andere Methoden
wirkungslos, Überschreitung vereinbarter Verhaltensregeln)
 Grundregeln:
o milde Strafe gleich anfangs (sofortige Verhaltensunterdrückung) und in
angemessener Stärke, bei guter Lehrer-Schüler-Beziehung eher möglich
(Drohung genügt)
o Begründung der Strafe und Erklärung des erwünschten Verhaltens
o Variation der aversiven Reize (sonst: Gewöhnung)
o Kein Zielverhalten (z.B. Hausaufgaben) als aversiven Reiz einsetzen

Problematik der Bestrafung im Unterricht: (gilt auch für negative Bestrafung)
Zitat Skinner (1989): „Ein Lehrer, der straft, bringt Schülern bei, dass Bestrafung ein
Weg ist, Probleme zu lösen. Das eigentliche Ziel, eine unerwünschte Verhaltensweise auszulöschen, erreicht er dabei nicht. Stattdessen nimmt der Lehrer einige
Nebeneffekte in Kauf, die seine Arbeit auf längere Sicht eher erschweren als
erleichtern.“

Unerwünschte Nebeneffekte:
o Auslösen von Gegenaggression (Förderung von Gewaltbereitschaft),
o Angst,
Verärgerung,
Verletzung
des
Selbstbildes,
ernsthafte
Körperschäden
 Gefahr des klassischen Konditionierens: Negative Erfahrungen werden
mit der Schule assoziiert
o Bestrafung ist mit Aufmerksamkeitszuwendung verbunden (kann zu
Verstärker werden)
o O’Leary (1970): Schüler nur leise bzw. alleine tadeln  wirkungsvoller als
vor der ganzen Klasse
o Bestrafung kann auch dann verstärkend wirken, wenn die Strafe nicht
konsequent jedes Mal eintritt (Bandura, 1977, 1986)
Bsp.: Zu schnelles Fahren im Straßenverkehr wird mit einer Geldbuße geahndet!
Gelegentlich folgt dieser Verhaltensweise keine Bestrafung  Verhaltensweise tritt
häufiger auf
o Oft erfährt der Bestrafte nicht, welches Alternativerhalten erwünscht wäre
(Skinner, 1953)
o Interesse an schulischer Arbeit kann sich nicht dadurch entwickeln, dass
Desinteresse bestraft wird (Skinner)
2.3 Operantes Konditionieren

Bestrafung beeinflusst die Beziehung zwischen Strafendem und Bestraftem
ungünstig
Bsp.: Lehrer schimpft Schüler immer wieder  aversive Gefühle Gefühle werden auf
Lehrer/ Schule übertragen  Schüler will diese Gefühle vermeiden  Schüler geht nicht mehr
in den Unterricht/ verweigert Mitarbeit
Wichtig: Nach Bestrafung sollte auch wieder verstärkt werden!
 Negative Bestrafung: Entzug positiver Konsequenzen
 Response-cost-Verfahren (Privilegienentzug)
o Entzug erworbener Tokens nach festem Regelwerk
o Vorteil: Wirksamkeit, keine starken emotionalen Nebenwirkungen

Time-out-Verfahren (sozialer Ausschluss)
o Person wird kontingent auf das Störverhalten aus einer sozial
verstärkenden Situation herausgenommen und verbleibt in einem
verstärkungsarmen Raum 5-15 Minuten → in der Schule nur bei
Extremfällen möglich
o Problematik: Herausnahme des Schülers aus dem „langweiligen“ Unterricht kann verstärkend wirken und ist nur bei starken Störungen vertretbar

Operante Löschung
o Verminderung der Auftretenswahrscheinlichkeit durch Extinktion/Löschung
( auf zuvor verstärkte operante Verhaltensweise folgt keine Konsequenz
mehr)
o Bei Beginn des Extinktionsprozesses kann eine vorübergehende
Erhöhung des Verhaltens stattfinden (Ausbleiben des Verstärkers 
Frustration)
o Tempo der Löschung hängt von der Lernvorgeschichte ab (kontinuierliche
Verstärkung ist weniger löschresistent als partielle Verstärkung)
o Löschung alleine reicht nicht aus um ungewünschtes Verhalten
abzubauen
o Anwendung in der Schule: Auffälligen Schüler ignorieren (Ermahnung ist
oft eher Verstärkung)
o Vorteile: effektive Reduktion, langanhaltende Wirkung, vollständiger
Abbau, Verzicht auf aversive Kontrolle (Abbau anstelle von Unterdrückung
unerwünschten Verhaltens!)
o Probleme: Identifikation der bisherigen Verstärker, konsequentes
Ausbleiben des Verstärkers nötig, Schulklassenproblem (Ignorieren nicht
immer möglich  Mitschüler reagieren auch auf das Störverhalten)
o Vorsicht: Löschung sollte nicht bei aggressivem Verhalten oder
Selbstgefährdung eingesetzt werden!
o Dauer der Extinktion:
 Verhalten, das zuvor kontinuierlich verstärkt wurde, wird sehr
schnell abnehmen
25
26
2.3 Operantes Konditionieren
Beispiel: Defekter Automat: Normalerweise Geld gegen Ware (immer)! Wenn
nichts rauskommt schmeiße ich auch nichts mehr so schnell hinein!

Verhalten mit partieller Verstärkung wird langsamer abnehmen
Beispiel: Spielautomat defekt und zahlt keine Gewinne mehr aus! Spieler wird
dennoch länger weiterspielen!
o Schulbezug: Ermahnungen im Unterricht können unbeabsichtigter Weise
als
Verstärkung wirken! Besser wäre eine Nichtbeachtung seitens
des Lehrers
Kombination mit Verstärkung von erwünschtem Verhalten sinnvoll!

Verstärkung inkompatiblen Verhaltens
o Förderung erwünschten Verhaltens  Unvereinbarkeit mit dem
unerwünschten Verhalten  nimmt daher zwangsweise ab
o Vorteile: positive Kontrollmethode, gut kombinierbar, langanhaltende
Reduktion / häufig völliger Abbau, konstruktive Methode, keine
schädigende/ belastende Wirkung
o Nachteil: Bei längerem Vorhandensein des unerwünschten Verhaltens
keine kurzfristigen Erfolge

Stimuluskontrolle
o Verhalten ist durch Hinweisreize steuerbar
o Reduzierung des Verhaltens durch Vermeidung von Reizen, die zu
störendem Verhalten geführt haben (Lehrermonolog etc.)
o Schaffung von Reizen, die zu erwünschtem Verhalten führen
o Vorteil: relativ einfach einsetzbar, keine negativen Nebenwirkungen

Negative Praxis/ Sättigung: (aus der verhaltenstherap.-klinischen Praxis)
o „Ausleben“ der störenden Verhaltensweise, bis sie nicht mehr verstärkend
wirkt
o Wiederholung  Ermüdung/ reaktive Hemmung  Beendigung
(Erleichterung!)
o Anwendung: Schüler stört durch Tierlaute  in separatem Raum 10 min
Tierlaute von sich geben lassen  Beendigung des Verhaltens
(Blackham & Silberman, 1975)

Verzögerung des Handlungsablaufs:
o Komplizierung und Hinauszögern des Handlungsablaufs (= Gegenteil von
Unterbrechung der Verhaltenskette)
2.3 Operantes Konditionieren
2.3.6. Einflüsse behavioristisch orientierter Lernforschung für die
Unterrichtsarbeit
 Konzentration auf beobachtbares Schülerverhalten
Lernen ist eine relativ dauerhafte Verhaltensänderung als Ergebnis von Erfahrungen.
Forderung
nach operationalisierten Lernzielen als Grundlage von
Verhaltensbeobachtungen
Ralph & Tyler (1934): Curriculum und Unterricht (1973): Zur Beschreibung von
Lernzielen solle man eindeutige Begriffe (Operatoren) wie Auswählen, Unterscheiden
oder Aufzählen verwenden. Ziel hierbei ist es, sich verstärkt dem Schülerverhalten
zuzuwenden und benennbare Zielkriterien zu nennen.
 Unterschiedlicher Zeitbedarf zum Erlernen
Bloom (1976) & Carrol (1963): Schülererfolge sind nicht von der Leistungsfähigkeit
abhängig, sondern lediglich der Zeitbedarf, um Lernziele zu erreichen, ist bei einigen
Schülern unterschiedlich! Somit ist nicht der Ausprägungsgrad der Leistungsfähigkeit
entscheidend, sondern die Schnelligkeit des Lernens!
→ Individuelle Förderung der einzelnen Schüler bzgl. Zeit und Verwendung kleiner
Schritte, sodass jeder Schüler in der Lage ist, ein Lernziel erreichen zu können.
Manifestiert ist dies
(Masterylearning)
in
Blooms
Konzept
des
zielgerichteten
Unterrichts
Problem im Schulalltag:
Woher soll man die Zeit nehmen, die die schwächeren Schüler benötigen?
 Unterscheidung zwischen passiver und aktiver Beteiligung
Unterscheidung der Schüler nach:
1. Leistungsniveau
2. Schnelligkeit des Lernfortschritts
3. Umfang aktiver Beteiligung
Schüler mit besseren Leistungen beteiligen sich intensiver am Unterricht als
leistungsschwächere. Dabei kann die Aktivität des Schülers von Fach zu Fach
unterschiedlich sein.
Aktive Beteiligung = sichtbares „Tun“
Passive Beteiligung = Keine Reaktion ohne Aufforderung durch Lehrkraft
Wichtig: Aufgaben stellen, die Erfolge garantieren  positive Konsequenz
27
28
2.4 Erlernte Hilflosigkeit
2.3.7. Vergleich von Klassischem und Operantem Konditionieren
Klassisches
Konditionieren
Operantes
Konditionieren
Beide sind Mittel zur Verhaltensänderung
Kernpunkt:
Reflexe (unkontrollierbare physiologische
Reaktionen, z.B. Speichelfluss) und
Reaktionen, die nach der Konditionierung
auch durch einen zuvor neutralen
Stimulus ausgelöst werden.
Kernpunkt:
Konsequenzen bzw. Verstärker (z.B.
Belohnung, Bestrafung), die nach der
Konditionierung eine Reaktion
wahrscheinlicher machen
Ausgangspunkt des Lernens bildet also
eine physiologische Reaktion, die durch
einen bestimmten, festgelegten Reiz
ausgelöst wird.
Ausgangspunkt des Lernens bildet also
eine beliebige Reaktion, die ohne
inhaltlich zwingenden Bezug zu
vorangehenden Reizen ausgelöst wird.
Prinzip: Kontiguität plus
Signalfunktion
Prinzip: Kontingenzen
Reiz – Reaktion: UCS – UCR 
CS - CR
Dreifachkontingenz:
Reiz – Reaktion – Konsequenz
Handlung von spezifischem Reiz
ausgelöst (z.B. Futtersuche)
Handlung nicht von spezifischem Reiz
ausgelöst
Der Lernprozess zielt auf den Reiz
ab
Lernprozess zielt auf die Reaktion bzw.
das Zielverhalten ab
Reaktion durch US bzw. CS
hervorgerufen (elicit)
Reaktion vom Organismus selbst
hervorgebracht (emit)
Zentral für das Lernen sind die dem
Verhalten vorausgehenden
Bedingungen.
Zentral für das Lernen sind die auf
ein Verhalten folgenden
Bedingungen.
2.4. Erlernte Hilflosigkeit
Erlernte Hilflosigkeit (Seligmann, 1979): Menschen, die die Überzeugung entwickeln,
dass sie Ereignisse und Ergebnisse ihrer Bemühungen in Leistungssituationen nicht
mehr kontrollieren können, befinden sich im Zustand der erlernten Hilflosigkeit.
Experiment von Seligmann & Maier (1967) mit Hunden:
Hierbei handelt es sich um eine Verknüpfung von Ideen des klassischen und operanten
Konditionierens!
Vortraining: Hunde werden in 2 Gruppen aufgeteilt und in Käfigen mit elektri-fizierbarem
Bodengitter fixiert. Beide Gruppen werden klassisch konditioniert:
Ton (NS) + Schock (UCS)  UCR (Furcht)
Ton (CS) Furcht (CR)
2.4 Erlernte Hilflosigkeit
Gruppe 1:
Kann dem Schock (US) weder
entgehen, noch ihn beenden
→ Lernen, dass Schock (US)
unvermeidbar & unkontrollierbar ist
29
Gruppe 2:
Kann Schock mit Hilfe einer Platte, die
neben Kopf angebracht ist, beenden.
→ Schock ist zwar auch unvermeidbar,
aber kontrollierbar.
Erlernte Hilflosigkeit: [nach Vortraining] Beide Gruppen befinden sich in einem Käfig, in
dem eine Hälfte unter Strom gesetzt werden kann, die andere nicht. Beide Hälften sind
voneinander durch eine (für die Hunde schulterhohe) Barriere getrennt. Die erste
Käfighälfte wird unter Strom gesetzt, nachdem kurz zuvor der aus dem Vortraining
bekannte Ton erklang. Die Hunde können dem Schock entgehen, indem sie über die
Barriere springen (Fluchtverhalten beim Erklingen des CS (Ton))
Gruppe 1:
Findet den Ausweg nicht und verhält sich
untätig; auch nach mehreren Durchgängen
lernen
2/3
dieser
Gruppe
das
Fluchtverhalten nicht!
→ Erlernte Hilflosigkeit
Gruppe 2:
Zeigt zunächst trial & error, springt
dann über die Barriere (law of effect:
Sprung
erfolgt
in
zukünftigen
Versuchsdurchgängen
immer
schneller).
Operantes Konditionieren
SD (Ton)  CR (Sprung)  C (Beendigung der Furcht)
Folgen erlernter Hilflosigkeit (Aloy & Seligmann, 1979)
 Passivität (vermindertes Auftreten von willentlichen Reaktionen)
= Motivationales Defizit

Eingeschränkte Möglichkeit, zu erkennen, dass man zukünftige Ereignisse
kontrollieren kann
= Kognitives Defizit

Apathie, Hilflosigkeit, Depression, sobald man überzeugt ist, das negative
Ereignis nicht mehr kontrollieren zu können
= Emotionales Defizit
30
2.4 Erlernte Hilflosigkeit
Erlernte Hilflosigkeit in der Schule
 Motivation ist aufgrund der Hoffnungslosigkeit nicht mehr möglich

Besonders gefährdet: Schüler, die Scheitern internal, stabil
kontrollierbar attribuieren (misserfolgsorientiert)

Wahrnehmungsverzerrung (nicht ohne weiteres zu beseitigen!)

Idee: Nur noch Vermittlung von Erfolgen (werden aber nicht mehr
wahrgenommen, Fehleinschätzungen!)
Hohe Anstrengung, um solche Schüler wieder aus dem Brunnen der Hilflosigkeit
zu holen!

sowie un-
Maßnahmen gegen erlernte Hilflosigkeit: „Re-Attribuierungstraining“
Schüler sollen dabei lernen, dass ihre Misserfolge nicht auf mangelnde Fähigkeiten,
sondern auf mangelnde Anstrengung zurückzuführen ist. Denn Anstrengung wird im
Gegensatz zur Fähigkeit als kontrollierbar wahrgenommen.
 Empirie um Erleben von Kontrolle: Altersheim-Studie von Langer (1993)
 Zwei Stockerwerke eines Altersheims wurden zufällig ausgewählz
o A: durften Blumen gießen und Essen selbst entscheiden
o B: gleiche Routine wie bisher
 Ergebnis: A zeigen besseres Wohbefinden und subjektiv besseren körperl.
Zustand bis hin zur reduzierten Sterberate
3.1 Das Bobo-Doll Experiment (Bandura, 1965)
3. SOZIAL-KOGNITIVE LERNTHEORIE
Übergang von behavioristischen zu kognitiven Lerntheorien
Vertreter: Albert Bandura (*1925)
Empirische Basis: Bobo-Doll Experiment (Bandura, 1965)
Prinzip: Lernen durch Beobachtung des Verhaltens anderer
 Unterschied zu behavioristischen Lerntheorien
Bandura (1986): „Lernen ist eine informationsverarbeitende Aktivität, durch die
Informationen über Verhaltensweisen und
Umweltereignisse in symbolische Repräsentationen, die als Wegweiser für Handlungen dienen, umgewandelt werden.“
Skinner (1953): Hält es zwar für
möglich, dass kognitive Prozesse
Verhaltensänderungen begleiten, er
schließt jedoch aus, dass sie auf solche
Einfluss nehmen können.
 Grundlagen der sozial-kognitiven Theorie
 Im Gehirn existieren Nervenzellen (Spiegelneuronen), die bei Betrachtung von
Vorgängen ebenso reagieren, wie wenn dieser Vorgang selbst ausgeführt würde
(Rizzolatti et al. 2000, 2006)
 REZIPROKER DETERMINISMUS: Wechselwirkung zwischen Verhalten, der Umgebung
und Faktoren der Person, die sich alle drei wechselseitig beeinflussen
→ nicht ausschließlich die Umwelt bestimmt, wann und was gelernt wird, sondern
das Verhalten schafft teilweise die Umwelt und die resultierende Umwelt
beeinflusst ihrerseits das Verhalten (Bandura, 1977)
Beispiel: Aggressive Kinder erwarten auch bei anderen aggressive Verhaltensweisen und verhalten sich
dementsprechend

Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Verhaltensweise wird nur dann erhöht,
wenn man meint oder sogar weiß, dass man dafür eine Verstärkung erhält
→ Erwartungen über wahrscheinliche zukünftige Konsequenzen
Definition (Tausch & Tausch, 1971): „Unter Beobachtungslernen (Modelllernen) ist zu
verstehen, dass sich das Verhalten eines Individuums auf Grund der Wahrnehmung von
Verhaltensweisen anderer Personen (sogenannter Modelle) oder auf Grund verbaler
Darstellung über das Verhalten anderer Personen ändert, und zwar in Richtung größerer
Ähnlichkeit mit der beobachteten oder auf Grund verbaler Übermittlung vorgestellten
Verhalten.“
3.1. Das Bobo-Doll Experiment (Bandura, 1965)
Fragestellung: Führt das Beobachten von Verhaltensweisen in einem Film zur
Veränderung der eigenen Verhaltensweise?
Methode: 33 Jungen, 33 Mädchen (3-5 Jahre) der Stanford University Nursery School.
Kinder sehen in einem Film, wie eine erwachsene Person eine lebensgroße
Plastikpuppe mit verschiedenen Verhaltensweisen verletzt (Schlag auf die Nase,
Holzhammer, durch den Raum Stoßen, mit Gummibällen abwerfen). Dazu werden
jeweils charakteristische Laute verwendet (z.B. „Sokerooo“ beim Holzhammer)
→ Verhaltensweisen sind für Kinder in jedem Fall völlig neu
31
32
3.2 Phasen des Beobachtungslernens
Varianten des Films: verschiedene Konsequenzen für Modell:
(1) Positive Konsequenz
(2) Bestrafung
(3) Keine Konsequenz
Kinder werden anschließend in einen Spielraum gebracht, in dem sich auch die
Utensilien aus dem Film befanden. Die Kinder wurden zunächst allein gelassen und das
Verhalten dokumentiert, später wurden Süßigkeiten für jede Nachahmung versprochen.
Ergebnis: Die Reproduktion der Verhaltensweisen hängt zunächst vom Geschlecht und
davon ab, ob das Modell bestraft oder belohnt wurde. Mit dem Anreiz kann jedoch über
alle Gruppen hinweg ein großer Anteil das Verhalten zeigen.
Die Kinder haben durch Beobachtung von aggressivem Verhalten in einem Film also die
Kompetenz erworben, selbst aggressives Verhalten zu zeigen. Direkte externe
Verstärkung und stellvertretende Verstärkung erhöhten die Bereitschaft zur
Performanz.
 Bandura schloss daraus, dass die Kinder das Modell-Verhalten gleichermaßen
erlernt, aber je nach Folgen unterschiedliche reproduziert haben.
 Einfluss der Medienart auf das Modelllernen (Bandura, 1965)
Gesamtzahl der Gelernten
Handlungen
Imitierte Handlungen
kein Modell
kein Modell
Nichtaggrissives Modell
Nichtaggrissives Modell
Comicmodel
Comicmodel
Filmmodell
Filmmodell
Lebendes Modell
Lebendes Modell
3.2. Phasen des Beobachtungslernens
Von was ist es abhängig, ob und wann ein Beobachter Verhalten anderer imitiert?
Dieser Verarbeitungsprozess wird nach Bandura (1969) in zwei Phasen und vier Schritte
unterteilt:
Aufmerksamkeit
Gedächtnisprozesse
Aneignungs-/ Lernphase
(Akquisition)
Reproduktion
Motivation
Äußerungs- / Ausführungs-/
Verhaltensphase
(Performanz)
3.2 Phasen des Beobachtungslernens
Je nachdem, wie diese Prozesse verlaufen, wird nur die Kompetenz zu bestimmtem
Verhalten erworben, die Nachbildungsleistung auf Verhaltensebene ausgeprägt oder es
findet gar kein Lernprozess statt.
1. Aufmerksamkeit
Prozess, der aus dem gesamten Reizangebot der Umwelt eine Auswahl für die
weitere Verarbeitung vornimmt. Diese Selektion wird durch mehrere Faktoren
bestimmt, z.B.:
 EIGENSCHAFTEN DES BEOBACHTERS: Motivation, Fähigkeit der Wahrnehmung,
Fähigkeit zum Nachvollzug der Handlungen

MODELLEIGENSCHAFTEN: Respektiert und statushoch, mächtig und attraktiv, eher
erfolgreich als wiederholt bestraft

VERHÄLTNIS ZWISCHEN MODELL
Sympathieempfinden etc.
UND
BEOBACHTER: Ähnlichkeit mit dem Beobachter,
Maximale Aufmerksamkeit entsteht, wenn Modell kompetent, freundlich und mächtig
ist (meist Lehrer) und wenn Beobachter emotional erregt, engagiert, abhängig ist und
Zweifel über angemessenes Verhalten hat.
Drei Arten von Modellen:
a) NATÜRLICHE MODELLE, mit denen ein Lernender unmittelbar in Kontakt steht
(Eltern, Lehrer, Mitschüler)
b) SYMBOLISCHE MODELLE, die als Cartoons oder Zeichentrickfiguren bestimmte
Verhaltensweisen abbilden, die Lernende beobachten und evtl. nachahmen
c) Eine SPRACHLICH FORMULIERTE ERLÄUTERUNG oder Anweisung, die Schritt für
Schritt angibt, welcher Weg zu einem bestimmten Ziel führt (Plakat zum
Rechenweg)
2. Gedächtnis/Behalten
Vor der Nachahmung des beobachteten Verhaltens muss es ins Gedächtnis
transferiert und dort in bildlicher und/oder sprachlicher Form gespeichert werden.
Um das erlernte Verhalten zu behalten, ist Wiederholen erforderlich (auf Vorstellungsebene oder durch körperliche Nachahmung), Bewegungsabläufe sollten automatisiert
werden.
3. Reproduktion
Theoretisch sollte nun die Reproduktion des Verhaltens möglich sein. Jedoch wird
man häufig durch Selbstbeobachtung oder objektive Rückmeldung (Feedback) auf
Fehler aufmerksam. Daher sollte keine negative Reaktion auf falsche Ausführungen
erfolgen, sondern eine „informative Rückmeldung“.
4. Motivation
Ob ein beobachtbares Verhalten nachgeahmt wird, hängt von der Motivation des
Lernenden in einer gegebenen sozialen Situation ab.
33
34
3.3 Wirkungen des Beobachtungslernens
3 Formen der Verstärkung (Bandura)
Direkte Verstärkung
Beobachter ahmt
Verhalten nach und
bekommt dafür direkten
Verstärker
Stellvertretende
Verstärkung
Beobachtung von
Verhalten, das belohnt
wurde (Verstärkung)
Selbstverstärkung
Beobachter verstärkt sich
selbst.
Ziel pädagogischer Einwirkung: Selbststeuerung
des Lernenden
3.3. Wirkungen des Beobachtungslernens
 Entwicklung allgemeiner Vorstellungen
Bsp: Bobo-Doll-Studie: Kinder zeigen auch eigene, kreative aggressive Verhaltensweisen
→ Entwicklung einer allgemeinen Einstellung zu Aggressivität
→ Nachahmungseffekt unerwünschter oder krimineller Handlungen
 Neuerwerb von Verhaltensweisen (sog. Modellierender Effekt)
 Modell führt für den Beobachter neue Verhaltensweisen vor; diese werden vom
Beobachter mehr oder minder identisch reproduziert
 Es findet jedoch keine reine Imitation, sondern eine kognitive
Auseinandersetzung statt. Modellieren geht also über das Kopieren von
Verhaltensweisen hinaus. Durch Modellieren kann die Wahrscheinlichkeit ihres
Auftretens erhöht oder gesenkt werden (Erwerb von Schemata/Verhaltensstile)
 Beispiele: Essen von Austern, Lernen des Zehnerübergangs von älteren Schülern

Erlernen kognitiver Strategien
o Modell kann genutzt werden, um bestimmte Vorgehensweisen bei der
Lösung von Aufgaben zu demonstrieren.
o Schulbezug: Lehrer (Modell) gibt den Lernenden nicht nur Erklärungen,
sondern verbalisiert zusätzlich seine Gedanken und nennt Gründe für
seine eigene Vorgehensweise.
 Effekte von Beobachtung
 HEMMUNGSEFFEKT
Reduktion der Häufigkeit früher erworbener Verhaltensweisen, abhängig von der
Beobachtung aversiver Verhaltensfolgen einer Handlung (Bestrafung etc.)

ENTHEMMUNGSEFFEKT
Beim Beobachten werden vorher gehemmte Verhaltensweisen häufiger oder
treten wieder auf, nachdem ein Modell beobachtet wurde, das vorher verbotene
oder bedrohliche Handlungen ohne negative Folgen ausführt und/ oder damit
sogar Erfolg hat.
3.4 Modellernen und Mediengewalt

AUSLÖSEEFFEKTE
Modelle können Verhalten auslösen, das der Beobachter schon voll und ganz
beherrscht (z.B. Schüler lesen sich in Pause nochmal Hefteintrag durch →
Mitschüler lässt von seiner ursprünglichen Tätigkeit ab und lernt auch)

INTENSIVIERUNG DER REAKTIONSBEREITSCHAFT
Wenn ein Modell durch sein Verhalten Beobachtern die Möglichkeit aufzeigt,
dieses Verhalten ebenfalls zu zeigen; Verhaltensweisen sind sozial akzeptiert
(z.B. Lehrer schmeißt Müll in Papierkorb → sozial erwünschtes Verhalten wird
von den Schülern übernommen)

NULLWIRKUNG
Verhaltensweise bereits bekannt → keine Lernwirkung
3.4. Modellernen und Mediengewalt
Untersuchungen über Fernsehgewohnheiten und Aggressivität zeigen keine vollständig
eindeutige Tendenz:
„Während die Mehrzahl der Untersuchungen eine kausale Beziehung zwischen
Gewalt im Fernsehen und aggressivem Verhalten nachweist, bleiben die zahlenmäßig weit geringeren - Verfechter der Gegenposition bei ihrer Auffassung,
dass keine Wirkungen nachgewiesen werden können.“ (Television and Behavior, 1982)
 Verschiedene Thesen zur Wirkung medialer Gewalt:
1. Habitualisierungshypothese:
5. Lerntheoretische Überlegungen:
ständiger Konsum  Abnahme der
Lernen beim beobachten medialer
Sensibilität in der Realität 
Gewaltdarstellungen
und
Aggression als normales
Anwendung einzelner Elemente in
Alltagsverhalten angesehen
der Realität
2. Erregungshypothese: realitätsnahe
Gewaltdarstellung  emotionale
Erregung  aggressives Verhalten
je nach Umgebungsbedingungen
3. Stimulationshypothese:
Förderung der Bereitschaft zur
Gewaltanwendung bei Frustration

in
kritischen
Situationen
Gewaltdarstellungen als Auslöser
4. Suggestionshypothese: direkte
Nachahmung der Gewaltdarstellung
in der Realität
6. Medienspezifische
Katharsishypothese:
angeborene Aggression verringert,
wenn beobachtete Gewaltakte an
fiktiven Modellen in der Fantasie
nachvollzogen werden  Miterleben
von Gewalt  Reinigung von
Aggression
7. Rechtfertigungshypothese:
nachträglich als Rechtfertigung für
Gewaltanwendung
8. Hypothese der Wirkungslosigkeit:
keine Auswirkungen
Heute widerlegt: Hypothese der Wirkungslosigkeit und Katharsishypothese!
35
36
3.4 Modellernen und Mediengewalt
Eine Gewaltstimulation tritt unter anderem dann ein, wenn an Gewaltkonsum
schrittweise herangeführt wird und das Anschauen von Gewaltfilmen subtil, z.B. durch
Zustimmung in der Peergroup, belohnt wird. Wenn keine solchen Vorbedingungen
vorliegen, können Gewaltfilme auch Angst auslösen.
Die stellvertretende Verstärkung eines Modellverhaltens bezüglich Gewalt hat eine
besondere und weitreichende Wirkung.
 Abbau des Aggressionsverhaltens der Schüler durch den Lehrer
 vorsichtig und wohlüberlegt bestimmte Fernsehsendungen empfehlen
 Modell für nichtaggressives Verhalten sein
 ehrliche Diskussionen im Unterricht, um Voraussetzung für Verarbeitung und
Kontrolle von Aggression, Feindseligkeit, etc. zu schaffen
 Dem sozialen und emotionalen Klima, in dem der Schüler aufwächst,
Aufmerksamkeit schenken
4.1 Das Gedächtnis & Wissen: Überblick
4. THEORIEN DES KOGNITIVEN LERNENS
Definition: Eine kognitive Sicht des Lernens begreift Lernen als aktiven geistigen
Prozess des Erwerbs, Behaltens, Abrufens und Anwendens von Wissen.
 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den behavioristischen Lerntheorien
Behaviorismus
Kognitivismus
Lerninhalt
neue
Verhaltensweisen
Assoziationen
Auffassung
des Lernprozesses
Dem
Lerner
werden
unbeschriebenes
Blatt)
Assoziationen beigebracht
Auffassung
des Lerners
Passiv; Lernen wird durch Umwelt Aktiv: Lerner wählt
induziert
Entscheidungen
Methodik
Tierlabors unter experimentellen
Bedingungen
Ziel:
Entdeckung
universeller
Verhaltensweisen
und Wissen, das
ermöglicht
neues
Verhalten
(als Der Lerner erweitert selbst sein
neue Wissen über die Welt
aus,
trifft
Untersuchung
verschiedenster
Lernsituationen
Ziel:
Bestimmung
von
individuellen und EntwicklungsDifferenzen
Verstärkung ist beiden wichtig:
… zur Festigung des Verhaltens
…als Rückmeldung
Folge von Lernen
über
die
Nach: Woofolk, 2008
 Kritik an Informations-Verarbeitungs-Theorien
 Wissen wird nicht nur „eingefüllt“ in den Schüler
 Unangemessener Vergleich des menschlichen Gehirns mit einem Computer
(dieser wird von einer externer Kraft entwickelt, Sylvester 1995)
 Wegen der Dekontextualisierung darf man keine allzu großen Erwartungen an die
Transferleistung oder Anwendung auf andere Situationen stellen (Ertmer &
Newby 1993)
4.1. Das Gedächtnis & Wissen: Überblick
4.1.1. Definition und Eigenschaften
Definition (nach Zimbardo, 2008) Gedächtnis bezeichnet die Fähigkeit, Informationen
aufzunehmen, zu speichern und bei Bedarf wieder abzurufen.
Das Gedächtnis ist somit kein passiver Informationsspeicher, sondern ist abhängig von
der Aktivität des Lerners bei der Aneignung. Die höchste Aufnahmeschnelligkeit ist im
Schulalter zu finden.
Die Qualität des Gedächtnisses und die Fähigkeit sich zu erinnern, ist abhängig von
 Anzahl der Wiederholungen

Zeitabstand zwischen Lernen und Abruf
37
38
4.1 Das Gedächtnis & Wissen: Überblick

Konzentration & Aufmerksamkeit (z.B. Ermüdungsgrad)

Äußeren und inneren Umständen - Interesse am Lernstoff:
o individuelles Interesse: überdauernde Person-Objekt-Beziehung,
dispositionales Merkmal des Lerners
o situationales Interesse:motivationaler Zustand, der aus den
Anreizbedingungen einer Lernsituation entsteht
o aktualisiertes Interesse: bestehendes individuelles Interesse durch
Merkmale der Lernumgebung wieder aktualisiert
Individuelle Einstellung zum Lernstoff

Übertragung der Informationen ins Gedächtnis:
 Automatische Verarbeitung (z.B. Mittagessen vom Vortag)

Anstrengungsbedingte Verarbeitung (z.B. Vokabeln)
In den meisten Fällen erfordert das Einspeichern oder Abrufen von Informationen eine
Mischung aus implizitem und explizitem Gedächtnis.
4.1.2. Gedächtnisprozesse
Modellvorstellung: Das menschliche Gedächtnis kann mit einer Bibliothek verglichen
werden. Ziel der Literaturbeschaffung ist das Bereitstellen (Speicherung) in Bibliotheksregalen, welche dann bei Bedarf ausgeliehen werden können (Abruf).
Drei mentale Prozesse sind also nötig, um Wissen zu einem späteren Zeitpunkt nutzen
zu können, unabhängig von der Form des Gedächtnisses:
Information  Enkodierung (Einprägung)  Speicherung  Abruf bei Bedarf
 Enkodierung
Prozess , der die mentale Repräsentation im Gedächtnis aufbaut.
 ENKODIERUNGSSPEZIFITÄT: Abruf verbessert, wenn Hinweisreize bei Enkodierung
mit denen bei Abruf übereinstimmen
 SERIELLER POSITIONSEFFEKT:
o Primacy-Effekt: verbesserte Erinnerungsleistung für Items am Anfang einer Liste
o Recency-Effekt: verbesserte Erinnerungsleistung für Items am Ende einer Liste
 KONTEXTUELLE UNTERSCHEIDBARKEIT: Serieller Positionseffekt kann durch Kontext
und Unterscheidbarkeit der abzurufenden Erfahrung verändert werden.
 Speicherung
Behalten enkodierter Informationen über eine Zeitspanne hinweg.
 Abruf
Wiedergewinnung gespeicherter Information zu einem späteren Zeitpunkt.
Möglichkeiten beim Abruf:
 ABRUF (RECALL): Suche, bei der die Informationen reproduziert werden sollen
 WIEDERERKENNEN: Suche, bei der die Reize als zuvor gesehen beurteilt werden
sollen
4.1 Das Gedächtnis & Wissen: Überblick

HINWEISREIZE beim Abruf: Intern oder extern generierte Reize, die den Abruf
erleichtern
Hinweisreize sind sowohl beim recall wie auch beim Wiedererkennen erforderlich. Die
Leistung beim Wiedererkennen ist hingegen in der Regel höher als beim Abruf (Beispiel:
Multiple-Choice Test).
Allgemein:
Das Gedächtnis funktioniert am besten, wenn Enkodierungs- und Abrufprozesse gut
zusammenpassen.
 Theorie der Verarbeitungstiefe (levels of processing, Craick & Lockhart, 1972):
Bei größerer Tiefe ist eine Einprägung im Gedächtnis wahrscheinlicher.

Oft muss man implizite Gedächtnisinhalte abrufen, die man explizit enkodiert hat.
Implizite Inhalte sind stabil, wenn Enkodieren und Abruf sehr gut übereinstimmen
(= transferadäquate Verarbeitung).
Die drei Gedächtnisprozesse vollziehen sich, so wird angenommen, in einem
Gedächtnissystem.
→ Es gibt verschiedene Theorien über Aufbau des Gedächtnisses:
4.1.3. Wissensformen nach Paris & Cunningham, 1996
Wissensformen
im LZG
Deklaratives
Wissen
Prozedurales
Wissen
Konditionales
Wissen
 Deklaratives Wissen
 Wissen, das in Worten oder anderen Symbolen gespeichert werden kann;
„Wissen, dass…“
 Im semantischen Gedächtnis (allgemeine Fakten) oder episodischen Gedächtnis
abgespeichert (persönliche Erfahrungen)
 Speicherungsform: bildhafte Vorstellungen oder Propositionen
 Prozedurales Wissen
 „Wissen, wie“ etwas auszuführen ist (z.B. einen Bruch dividieren)
 Kann nur durch Handlungen überprüft werden (sonst: deklaratives Wissen)
 Speicherungsformen: Wenn-Dann-Regeln
 Konditionales Wissen
 „Wissen, wann und warum“: Wissen über die korrekte Anwendung von
Prozeduren und Regeln
39
40
4.2 Gedächtnismodelle
4.2. Gedächtnismodelle
4.2.1. „Drei-Komponenten-Modell“ von Atkinson & Shiffrin (1965)
Das sensorische Register

Rezeptoren in den Sinnesorganen wandeln Umweltreize in Signale um, welche
eine Weiterleitung durch das Nervensystem ermöglichen
o Vergleich von wahrgenommenen Reizen mit Informationen aus dem LZG
o Diese Interpretation kann in das Kurzzeitgedächtnis übertragen werden
o Bsp.: orangene Frucht  Apfelsine, aber nur da im LZG Aussehen der
Apfelsine gespeichert ist.

Informationen in diesem System werden nur für sehr kurze Zeit gespeichert
(Matlin, 2005):
o Ikonisches Gedächtnis (visuelle Informationen, Wahrnehmung von
Bewegung): ca. 1 sec
o Echoisches Gedächtnis (akustische Informationen): ca. 2-4 sec
Untersuchung zur Kapazität des ikonischen Gedächtnisses (Sperling, 1960)
o Buchstabenmix mit 3 Zeilen und 4 Spalten wurde für 50ms gezeigt
o Werden Personen danach gefragt, alle wiederzugeben, scheitern die
meistens
o Wird allerding per Ton signalisiert, welche Reihe sie wiedergeben sollten,
sind die Probanden dazu in der Lage
o Verstrich außerdem nach der Darstellung ca. 1 sec, so konnten sie
Probanden genauso wenig erinnern wie im ersten Szenario
o Erklärung: nur Artikulationsdauer verhindert teilweise die Wiedergabe, d.h.
Speicherung ist kürzer als es dauert, alle Buchstaben zu sagen

Das Sensorische Register ist im Vergleich zum Kurzzeitgedächtnis sehr groß → Prozess
der Datenverringerung im sensorischen Register durch Kontrollprozesse:
4.2 Gedächtnismodelle

Aufmerksamkeit1:
Verschiedene Sinnesorgane werden von sehr vielen Informationen „bombardiert“
→ diese geht aber verloren, wenn ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt wird
Probleme:
o Schüler haben anfangs Schwierigkeiten, aus zwei verschiedenen Quellen
gleichzeitig Informationen zu verarbeiten
o Bei der Diagnostik aktueller Aufmerksamkeitszuwendungen; Schüler
haben stets ihre Augen auf den Lehrer gerichtet, ohne ihm die volle
Aufmerksamkeit zu schenken
 Bedeutungszuschreibung:
Mit Hilfe der im LZG gespeicherten Information wird dem Inhalt im sensorischen
Register Bedeutung zugeschrieben
z.B.: Die Reizgegebenheit 7 gewinnt für Hannes an Bedeutung, da er über das
Wissen verfügt, dass die Zahl 7 zu den Primzahlen gehört
 Schulbezug
Im Unterricht: Abwechslungsreicher Unterricht zur Förderung aufmerksamer
Zuwendung
 Lernende auffordern, genau zuzuhören oder besonders acht zu geben
 Angemessener Einsatz von Medien wie Overheadfolien, Wandbilder,
mitgebrachten Gegenständen,…
 In gewissen Abständen im Klassenzimmer umher bewegen
 Stimme gezielt variieren (lauter, leiser, schneller, langsamer)
 Schüler müssen lernen, ablenkende Reize zu ignorieren
 Erhöhung der Kapazität durch Automatisierung grundlegender Dinge
Das Arbeitsgedächtnis
Arbeitsgedächtnis ist die neuere Bezeichnung für Kurzzeitgedächtnis nach A. Baddeley
(2000, 2007)
Neue Bezeichnung:
Arbeitsgedächtnis Gedächtnissystem, welches die übertragene Information aus dem
sensorischen Register so lange zwischenspeichert, bis diese mit
Hilfe des bereits vorhandenen Wissens aufgearbeitet worden ist
(Baddeley; 2000, 2007)
Kurzzeitgedächtnis Komponente des Arbeitsgedächtnisses, welche Informationen in
diesem System nur passiv zwischenlagert
1

Begrenzte Speicherkapazität: 7±2 Informationseinheiten (Miller, 1956)

Eng begrenzte Speicherdauer: Informationen können nur ca. 20 bis 30 sec im
Arbeitsgedächtnis gespeichert werden (Peterson & Peterson, 1959)

Bewahrung von Informationen im Arbeitsgedächtnis durch:
Siehe auch: Anhang (A1 Exkurs: Umgang mit ADHS)
41
42
4.2 Gedächtnismodelle
o Aufmerksamkeitszuwendung
Wenn man nicht darauf achtet, dass Inhalte des Arbeitsgedächtnisses „in
Bewegung bleiben“, gehen sie verloren
z.B.: Wenn ich mir eine Telefonnummer für einen Rückruf merken will, darf
ich nicht gestört werden, sonst ist diese Information weg
o Erhaltende Wiederholung
Die Information wird so lange „geistig“ oder leise wiederholt, bis sie
benötigt wird [vgl. phonologische Schleife bei Baddeley]
z.B. Ich sage die Telefonnummer so lange vor mich hin, bis ich endlich
jemanden erreiche.
o Aufarbeitende Wiederholung
Dabei wird die Bedeutung neuer Informationen erschlossen, indem ich
versuche, die Inhalte mit dem Wissen aus dem Langzeitgedächtnis
aufzuarbeiten und zu verbinden
→ spontane Aufarbeitung wächst bei Kindern mit dem Alter (Pressley &
Levin, 1977)
Theorie von Baddeley & Hitch (1974, 2000, 2007)
Arbeitsgedächtnis umfasst sowohl eine kurzzeitige Speicherung (Kurzzeitgedächtnis) als
auch die Möglichkeit zur aktiven Verarbeitung von Informationen.
Die zentrale Exekutive: Diese Komponente überwacht und koordiniert die anderen
Sub-Systeme; besitzt selbst keine Speicherkapazität
Räumlich-visueller Notizblock: Dieses Sub-System speichert visuelle Informationen,
die sprachliche Zusammenhänge veranschaulichen
Phonologische Schleife: Dieses Sub-System speichert akustische und sprachbasierte
Informationen für ca. 2 sec, falls diese nicht aufgrund von Wiederholungen (z.B. zu sich
selbst sprechen) erhalten bleiben
z.B.: Einem Schüler gelingt es häufig im Unterricht, Mitteilungen des Lehrers zu
wiederholen, obwohl er gerade nicht aufgepasst hatte
4.2 Gedächtnismodelle
Episodischer Puffer: Sub-System, welches mit dem episodischen Langzeitgedächtnis
in engem Kontakt steht und persönliche Ereignisse aus der phonologischen Schleife und
dem räumlich-visuellen Notizblock abspeichert. → „Kommunikation“ der Systeme
Beispiel2: „Wie viele Fenster hat deine Wohnung/ dein Haus?“
Im Großteil der Fälle geht man die Wohnung im Geiste ab (visuell-räumlicher Notizblock)
und verwendet dabei die Anschauung welche im episodischen Puffer zwischen
gespeichert wird, um im Kopf durchzuzählen (phonologische Schleife). Ausgedacht und
koordiniert hat diese Strategie die zentrale Exekutive.
Empirische Befunde zur Existenz der Phonologischen Schleife
 PHONOLOGISCHER ÄHNLICHKEITSEFFEKT: Die Tendenz, dass Fehler der Probanden
phonologisch ähnlich zum korrekten Item sind und die Tatsache, dass
phonologisch ähnliche Items schwieriger zu erinnern sind (Baddeley, 1966).

IRRELEVANTER SPRACHEFFEKT: Präsentation von irrelevanter, zu ignorierender
gesprochener Sprache beeinträchtigt das KZG für visuell präsentierte Ziffern. Der
Effekt ist unabhängig davon ob die irrelevante Sprache Englisch, deutsch oder
arabisch ist; irrelevante nichtsprachliche Stimuli erzeugen ihn aber nicht (Salamé
& Baddeley, 1982, 1989). Annahme daher: nur sprachliches Material (keine
Geräusche) kann in den phonologischen Speicher gelangen.

Der EFFEKT DER W ORTLÄNGE auf die Gedächtnisspanne: Lange Worte → kürzere
Gedächtnisspanne (Baddeley et al., 1975). Dieser Effekt liegt vermutlich am
rehearsal (innerer Wiederholung), das für längere Worte länger dauert, so dass
die Gedächtnisspur vorher präsentierter Wörter leichter zerfällt.
ARTIKULATORISCHE SUPPRESSION eliminiert den phonologischen Ähnlichkeitseffekt
bei visueller Präsentation. Das heißt: Probanden müssen ein Wort stets
wiederholen (= Suppression) und sich parallel angezeigt Wörter merken.
Ergebnis: sind immer ähnlich schlecht, egal wie lang die zu merkenden Worte
sind. Interpretation: Material kann nicht in den phonologischen Speicher
transferiert werden. (Baddeley et al. 1975)

Empirie zum Ereignisspeicher
Mit der Zeit entdeckte Baddeley Effekte, die sich mit dem Drei-Komponenten-Modell
nicht mehr erklären lassen. Normalerweise kann man sich ca. 5 Wörter merken, wenn
die Wörter aber einen Zusammenhang haben (z. B. einen Satz bilden, sog. Chunking),
kann man sich ca. 16 Wörter merken. Der ursprüngliche Gedanke, dass daran das
Langzeitgedächtnis beteiligt ist, musste verworfen werden, da sich Menschen mit
geschädigten Kurzzeitgedächtnis und funktionierendem Langzeitgedächtnis nur ca. 5
Wörter merken können. Das Langzeitgedächtnis ist also offensichtlich nicht beteiligt. Zur
Erklärung hat Baddeley im Jahr 2000 den episodischen Puffer zu seinem Modell
hinzugefügt. Es handelt sich dabei um ein multimodales Speichersystem mit begrenzter
Kapazität, es kann sowohl visuelle als auch phonologische Informationen in Form von
„Episoden“ speichern.
2
Tatsächlich stammt dieses Beispiel von Baddeley selbst.
43


 Speicherung von
Faktenwissen
(Schulwissen,
Gesetzmäßigkeiten
,…)
z.B.: Pflanzennamen
 Speicherung von
persönlichen
Erinnerungen und
Erfahrungen
z.B.: Was habe ich
zum
Frühstück
gegessen
Das Langzeitgedächtnis speichert sämtliche Informationen, die über längere Zeit
zu Verfügung stehen
Gedächtnisinhalte werden als Grundlage für logische Schlüsse genutzt
z.B.: Schalten beim
Autofahren
 Speicherung von
Verhaltensroutinen,
Fertigkeiten,
unausgesprochene
n Regeln
Prozedurales
Gedächtnis
Lernen erfolgt nach
dem Prinzip des
klassischen
Konditionieren
Prozeduren werden
durch Üben bis hin
zur
Automatisierung
gelernt
„Wenn… Dann…“ - Abfolge
z.B.: das Geräusch
des Rasenmähers
wird mit Sommer
verbunden
 Speicherung
von konditionierten,
(emotionalen)
Reaktionen
Klassisches
Konditionieren
z.B.: Ge… wird
häufiger mit
Gedächtnis
beendet wenn man
gerade das Skript
gelesen hat
 unbewusste
Aktivierung von
Begriffen und
Konzepten im
Langzeitgedächtnis
Priming
Implizites Gedächtnis
(nicht-deklarativ, unbewusst)
 Wissen, das wir nicht bewusst abrufen, das aber unser
Verhalten und unsere Gedanken beeinflusst
Beispiel: Dividieren von Brüchen
Deklaratives Wissen = ich kenne die Regel „mit dem Kehrbruch
multiplizieren“
Prozedurales Wissen = ich kann die Regel anwenden
Direkter und abrupter Lernvorgang
Bildhafte und symbolische Abspeicherung
in Netzwerken
Semantisches
Gedächtnis
Episodisches
Gedächtnis
Explizites Gedächtnis
(deklarativ, bewusst)
 Langzeiterinnerungen, die bewusst und
absichtlich abgerufen werden können
Gedächtnis (nach Woolfolk, 2008)
44
4.2 Gedächtnismodelle
Das Langzeitgedächtnis
4.2 Gedächtnismodelle


Die im Langzeitgedächtnis gespeicherte Information wird nicht gelöscht; sondern
bei seltener Nutzung gehen die zur Enkodierung nützlichen Pfade verloren (diese
können aber bei geeigneter Aktivierung durch Hinweise wieder benutzt werden)
Total-Time-Hypothese: Wieviel gelernt wird, hängt direkt von der Menge der Zeit
ab, die mit dem Lernvorgang verbracht wird
4.2.2. Theorie der Verarbeitungstiefe nach Craik und Lockhart (1972)
Annahme
Der Verarbeitungsprozess in der Aneignungsphase ist entscheidend für die spätere
Erinnerungsleistung
 Oberflächliche Verarbeitung: Registrierung von sensorischen/ physikalischen
Aspekten ohne genaueres Eingehen auf die Bedeutung der Information
→ Entstandene Gedächtnisspur ist nur von sehr kurzer Dauer
 (Mittlere Verarbeitung: Verarbeitung z.B. nur auf phonologischer Ebene)

Tiefere Verarbeitung: Bedeutung der Information wird mit semantischem
Hintergrundwissen (Vorwissen) verknüpft und so in dem bestehenden kognitiven
Netzwerk verankert
→ Gedächtnisspuren werden dauerhaft
Empirische Befunde
 Hyde & Jenkins, 1973
3 Gruppen von Probanden sollten das gleiche Wortmaterial auf unterschiedliche
Weise lernen
 Gruppe 1: Wörter nach Angenehmheit einstufen
 Gruppe 2: Beurteilung, ob in den Wörtern bestimmte Buchstaben enthalten sind
 Gruppe 3: Entscheidung, ob das Wort in syntaktische Satzgruppen passt
Ergebnis: Erinnerungstest: Gruppe 1 erinnert deutlich mehr als die anderen Gruppen
Erklärung: Für das Fällen eines Angenehmheitsurteils muss der Anwendungskontext
eines Wortes überdacht werden → führt zur Aktivierung semantischer
Wissensstrukturen und zu einem reichhaltigem Aufbau von Assoziationen zwischen
dem Wort und der vorhandenen Wissensstruktur
 Drei-Ebenen-Experiment von Craik & Tulving, 1975
 Versuchspersonen mussten sich 60 Worte ansehen, zu denen jeweils eine Frage
gestellt wurde
o OBERFLÄCHLICHE Verarbeitung (z.B. Ist Begriff in Großbuchstaben
geschrieben?)
o MITTLERE Verarbeitung (z.B. Reimt sich das Wort auf…)?
→ phonologische Ebene
o TIEFERE Verarbeitung (z.B. Kann das Wort ausgetauscht werden durch…?)
 Ergebnis: tiefer verarbeitete Worte wurden deutlich besser erinnert.
45
46
4.3 Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens
 Craik und Tulving (1975): semantische Verarbeitung ist unterschiedlich tief
Probanden mussten entscheiden, ob unterschiedlich komplexe Satzanfänge mit den
präsentierten Zielwörtern sinnvoll zu vervollständigen sind
Ergebnis: Zielwörter für komplexere Sätze wurden besser erinnert
Erklärung: Verarbeitung der komplexeren Sätze führte aufgrund von tieferen, mehr
aktivierten Assoziationen zu stabileren Gedächtnisspuren
Probleme


Die Theorie macht keine Aussage darüber, wann eine Verarbeitung als „tief“ zu
bezeichnen ist.
Es gibt Personen mit Gehirnschäden, die zwar noch Aufgaben mit dem KZG
ausführen können, jedoch keinen Zugriff mehr auf ihr LZG haben (Baddeley,
1974)
→ spricht für Dreispeichermodell
4.3. Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens
4.3.1. Begriffe und der Begriffserwerb
Definition (Ferrari & Elik, 2003): Begriffe sind Kategorien, in der sich Gegenstände,
Vorstellungen und Ereignisse anordnen lassen, die gewisse Gemeinsamkeiten
aufweisen. Das Kategorisieren ermöglicht dem Menschen eine schnellere Verarbeitung.
Man spricht von Begriffen als der „kleinsten Einheit des Denkens.“
Bsp.: Die Farbe Rot zeigt sich in den verschiedensten Farbtönen! Aber meist spricht man nur
von Rot!

Dewey (1933): Ein Begriff lässt sich am besten als eine Kategorie verstehen, die
als ein kognitives Werkzeug in jeweils bestimmten alltäglichen Situationen
verwendet werden kann. → Man muss auch wissen, wie man es verwendet!

Begriffe repräsentieren Klassen von Objekten („Autos“), Aktivitäten („lesen“),
Eigenschaften („groß“), Abstraktionen („Liebe“), Beziehungen („klüger als“)

Hohe Ähnlichkeit zu Schemata: Begriffe beinhalten definitorische Merkmale,
positive und negative Beispiele, Vorgehensweisen zur Klassifizierung,
Beziehungen
zu
anderen
Begriffen,
affektive
Assoziationen
und
Anwendungsregeln (Tessmer et al. 1990)
4.3 Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens
Merkmale des Begriffswissens (nach Hoffmann)
 Hierarchische Struktur - Allgemeinere Begriffe umfassen spezifischere Begriffe:
Pflanze
Blume
Rose
Baum
Tulpe
Laubbaum
Nadelbaum
 Kreuzklassifikation - Gleiches Objekt kann verschiedenen Begriffen zugeordnet
sein:
Herz 
Liebe
Herzchirurgie
 Typikalität - Einige Objekte sind charakteristische Vertreter eines Begriffs:
z.B. Rose als klassischer Vertreter von Blumen
Einordnung von Beobachtetem in Kategorien
 Kategorisierung nach einer festgelegten Anzahl relevanter Merkmale
– nach der (klassischen) Studie von Clark Hull (1920) –
Ein Begriff wird gesehen als Bezeichnung für eine Kategorie, die nach bestimmten
Regeln, Objekte/ Ereignisse einordnet.
→ Erlernen eines Begriffs = Lernen von relevanten Merkmalen
Methode im Unterricht: Bildung und Prüfung von Hypothesen (nach Bruner, 1956)
1. Jede Kategorisierung durch das Vorhandensein einer kleinen Anzahl von
relevanten Merkmalen definiert Bsp.: relevantes Merkmal = Dreieckig
2. Ein Objekt/ Ereignis ist nur dann Beispiel für eine Kategorie, wenn es Träger des
relevanten Merkmals ist
3. Innerhalb einer bestimmten Abstraktionsebene sind einzelne Kategorien klar
voneinander trennbar (→ nie zwei Kategorien gleichzeitig) und können nur auf
einer höheren Ebene zusammengefasst werden
4. Relevante Merkmale nicht nach ihrer Bedeutung unterscheidbar, sondern alle sind
gleich wichtig! Bsp.: Rechtwinklig und Dreieck sind als Merkmal gleich wichtig!
Anwendbarkeit auf den Unterricht ist begrenzt: effektivere Lernleistung von Begriffen
durch exakte Definitionen von Lehrern
47
48
4.3 Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens
 Prototypenansatz (Rosch, 1978) (vgl. Typikalität)
Begriffe sind meist eher unscharf zu definieren (sog. Fuzzy-concept Theorie, engl.
schwammig).
Bsp: alltägliche Gebrauchsgegenstände sind nicht immer über eine bestimmte Anzahl
von Merkmalen definierbar, z.B. kann eine Tasse verschiedenste Formen haben und
nur schwer von „Becher“ zu unterscheiden sein
Definition Ein Prototyp ist eine Art Mittelwert aller bisher gesehenen Beispiele und
damit ein Muster-Beispiel, das den Begriff am besten darstellt. Dieser entsteht aus
Erfahrungen und ändert sich ständig.
Vogel
Penguin
Amsel
Typisch ist ein Beispiel, wenn es möglichst nahe am Prototypen ist und wenig
Abweichungen hat. Daher konzentriert man sich auf charakteristische (d.h. typische)
Merkmale, nicht auf die relevanten. Z.B würde man Vögel durch die Fähigkeit zum
Fliegen charakterisieren (!), obwohl es Vögel gibt, die nicht fliegen können (Pinguine)
und auch flugfähige Tiere gibt, die keine Vögel sind (Fledermaus).
Kritik an Prototypentheorie: Lässt situative Bedingungen unberücksichtigt (was ist in
best. Umfeld typisch und was nicht?), bei abstrakten Begriffen (Gerechtigkeit) nicht
anwendbar
Prototyp Vogel
fliegt
Federn
Eier
Pinguin
Schnabel
Schnabel
Eier
→ Pinguin ist damit kein typischer Vogel, wird aber als solcher erkannt
 Kategorisierung nach zahlreichen Musterbeispielen
Theorie einiger Psychologen (z.B. Medin, 2000): Menschen speichern nicht nur einen
Prototypen, sondern mehrere
Förderung des Begriffslernens im Unterricht
 Frühe Protoypenbildung
 Kinder leiten Begriff von Beispielen ab, die als Prototypen gespeichert werden
 Kennenlernen eines neuen Objektes: wird mit dem bereits vorhandenem
Prototypen verglichen und nach Ähnlichkeitsausdruck entscheiden, ob es einer
gespeicherten Kategorie zugeordnet werden kann [vgl. Piaget’s Akkomodation
und Akkumulation]
4.3 Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens

Dies ist kognitiv einfacher handzuhaben und flexibler als eine Definition von
Begriffen über feste Merkmale (z.B. auch wenn ein Hund nicht bellt, gehört er
eindeutig in diese Kategorie, Bsp. von Lindsay & Norman 1977)
Es ist nicht sinnvoll, wenn eine Klassifikation nur nach relevanten Merkmalen oder
nur nach Prototypen vorgenommen wird. Lehrer sollten somit stets mit klassischen
Beispielen beginnen und dann Merkmale herausarbeiten.
 Herausarbeiten von Netzwerk-Strukturen
z.B. durch Concept Maps, in denen Schüler gelernte Dinge in Verbindung bringen
 Regeln zum Umgang mit Begriffen (nach Ditsch, 1978)
 Regelmäßige Wiederholung bekannter Begriffe
 In der Lernphase: Beschränkung auf einen prototypischen Anwendungsbereich
Später: Übertragung auf andere Themenfelder
4.3.2. Propositionen
Auf Grundlage von Lernerfahrungen entstehen zwischen den verschiedenen Begriffen
Assoziationen, sogenannte Propositionen.
Definition (Schunk, 2004): Eine Proposition ist die kleinste Bedeutungseinheit, die ein
Urteil darüber zulässt, ob sie wahr oder falsch ist.

Besteht aus mind. 1 Argument (Begriff) und 1 Relation (Verb oder Adjektiv)
Bello
gibt
Susi
den Knochen.
= Argument
= Relation
= Argument
= Argument

Ermöglicht Reduktion von komplexen Informationen

Behaltensleistung ist nicht von der Länge der Sätze abhängig, sondern von der
Anzahl der Propositionen (Kintsch, 1998)
 Erwerb neuer Propositionen nach Gagné et al. (1993)
Was passiert, wenn dem vorhandenen Netzwerk neue Informationen hinzugefügt
werden sollen?
1. Darstellung einer neuen Informationseinheit durch den Lehrer
2. Der Lernende muss die Aussage des Lehrers zunächst in eine Proposition
übersetzen
49
50
4.3 Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens
3. Begriffe dieser Proposition aktivieren die Erinnerung an bereits gespeicherte
Zusammenhänge  mehrere bereits bekannte und eine neue Proposition sind im
Arbeitsspeicher aktiv
4. Ausgehend von den neuen Begriffen sowie den bereits bekannten Propositionen
findet eine Aktivierungsausweitung statt, die eine neue Proposition aktiviert
5. Schlussfolgerndes Denken hat eine neue Proposition entstehen lassen. Sie ist als
Ergebnis aufarbeitender Prozesse zustande gekommen.
Elaborative Proposition
Begriffe, die nicht mit Bekanntem in Verbindung gebracht werden können,
gehen verloren!
Problem: Mit Propositionen lassen sich keine größeren Wissenskomplexe speichern!
4.3.3. Das Schema als komplexe Wissenseinheit des Gedächtnisses
Definition (Koriat, 2000) Ein Schema ist eine verallgemeinerte geordnete
Wissensstruktur, die aus vorausgegangenen Erfahrungen mit einem Ereignis, einem
Objekt oder einer Person entstanden sind.
Beispiel: Das Schema Buch umfasst alle Erfahrungen, Merkmale die man im Laufe
seines Lebens gesammelt mit Büchern und Lesen von Büchern gesammelt hat.
Schemata fassen thematisch zusammenhängende Informationen (z.B. Begriffe /
Propositionen) zu begrifflichen Teilsystemen eines Netzwerks zusammen. Sie reduzieren
die Komplexität der Umweltereignisse durch Bildung überschaubarer Einheiten
(Schulschemata, Alltagsschemata) und erlauben Schlussfolgerungen.
 Eigenschaften von Schemata
 KONTEXTSPEZIFISCH (Erfahrungs- und Kulturbedingt)
z.B.: Kinder haben aus alltäglicher Erfahrung ein Schema zur Form der Erde
gewonnen, das sich nicht in Einklang mit den Ergebnissen physikalischer
Erkenntnisse bringen lässt
 EMOTIONSBESETZT (Claxton, 1990)
z.B.: einige Menschen verbinden das Unterrichtsfach Mathematik mit negativen
Erfahrungen, weil die Auseinandersetzung mit dort gestellten Aufgaben bei ihnen
unangenehme Gefühle ausgelöst hat
 Schemata enthalten auch MENTALE MODELLE
Definition Mentale Modelle (→ Bildhafte Vorstellung) sind umfassende, ganzheitliche
Wissensstruktur mit verschiedenen Arten von Wissen mit unterschiedlichen Formaten
(andere Modelle fließen mit ein).
z.B.: physikalische Gegebenheiten wie „Warum springt der Ball?“
Definition Skripts sind Schemata, die typische Abfolgen von Ereignissen in einer
alltäglichen Situation repräsentieren (auch Ereignis-Schemata genannt).
Beispiel: Das Wissen, wie man sich beim Betreten eines Restaurants verhält.
4.3 Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens
 Arten von Skripts
 SITUATIONAL (bestimmte soziale Situation; z.B. Restaurantbesuch)
 PERSONAL (Erwartungshaltung; z.B. wie läuft eine Freundschaft ab)
 INSTRUMENTELL (gewisses Ziel; z.B. Schulweg)
 Empirie zur Bedeutung von Schemata: Liam Brewer, James Treyens (1981)
Studenten wurden gebeten, in einem Arbeitszimmer eines Professors Platz zu
nehmen. Nach 35 sec wurden sie in einen zweiten Raum gebracht und sollten völlig
unerwartet aufzählen, was sich in dem Arbeitszimmer befand.
Ergebnis:
Studenten erinnerten sich an alles, was typischerweise in einem Arbeitszimmer zu
finden ist. Aber es waren auch untypische Objekte im Arbeitszimmer, die nur von
wenigen erinnert wurden (z.B. ein Totenschädel). Viele reproduzierten außerdem
typische Objekte, die sich gar nicht in dem Zimmer befanden (z.B. Bücher).
Erklärung:
Während der Erinnerungsphase erfolgt eine Aufarbeitung der gespeicherten
Informationen; dabei wurden…
… Einzelheiten, die sinnlos vorkommen (nicht in das Schema passen), vergessen
… Einzelheiten, die logisch sind (in das Schema passen), einfach hinzugefügt
 Vor- und Nachteile von Schemata
Vorteile
 Schemata ersparen es dem Lernenden, für jeden neuen Reiz einen Speicherplatz
zur Verfügung zu stellen → Unterstützung von Gedächtnisleistung
 Schemata strukturieren unübersichtliche Mengen an Informationen
 Schemata erhalten „freie Plätze“, sodass wichtige Informationen einfach
hinzugefügt werden können
Z.B.: Schema „Büro“ kann man „dienstlich“ oder „häuslich“ hinzufügen
 Viele Ereignisse lassen sich verlässlich vorhersagen
Nachteile
 Beobachtungen/ Nacherzählungen können aufgrund von Schemata verfälscht
werden (meist werden nur schema-konforme Reize wahrgenommen)
4.3.4. Wissensspeicherung in bildhaften Darstellungen
Neben den Präpostionen besteht noch ein weiteres Konzept zur Speicherung von
Wissensbeständen.
 Vorstellungsbilder (images)
Theorie, dass Informationen oder Gegenstände bildartig im Gedächtnis abgespeichert
werden (nach Anderson, 1995)
Empirische Begründung (Mendell, 1971)
Vergleiche das Fenster-in-der-Wohnung-Zählen-Beispiel: wäre diese Information im
LZG als Proposition abgespeichert, so wäre die Abrufzeit unabhängig von der Größe
51
52
4.3 Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens
der Wohnung etc. Dies ist allerdings tatsächlich nicht der Fall (d.h. je mehr Fenster,
desto länger zählt man)
Umstrittenes Konzept
Manche Psychologen verneinen diese Speicherung und gehen davon aus, dass nur
das Arbeitsgedächtnis die Propositionen in solche Bilder „umrechnet“.
 Dual-Encoding-Theory (Paivio, 1986)
Experiment von Shepard (1967):
600 Kärtchen mit Wörtern, Sätzen oder Abbildungen wurden Probanden vorgelegt.
Die Versuchspersonen bekamen immer 2 Karten vorgelegt (eine neue und eine aus
dem Stapel). Sie sollten die Karte benennen, die aus dem Stapel war.
Ergebnis: Bilder wurden zu 100%, Sätze zu 89% und Wörter zu 88% wiedererkannt.
Prinzip der dualen Kodierung („Bild-Überlegenheitskonzept“, Paivio, 1986): Neues
Wissen in Form von Bilder wird deshalb besser behalten, weil es auf zwei
verschiedene Arten abgespeichert werden kann: im verbalen (symbolischsprachlichen) und im imaginalen (anschaulich-bildhaften) System. Sprachliches
Material dagegen wird nur semantisch codiert und gespeichert.
visuelle
Vorstellun
gsbilder
verbale
Einheiten
Repräsentation im
LZG
Die Wahrscheinlichkeit, sich an eine der beiden Codierungen zu erinnern, ist damit
höher.
4.3.5. Die Propositionale Vernetzungs-Theorie von John Anderson (2000)
Diese Theorie stellt eine Zusammenführung der bisher diskutierten Konzepte der
Begriffe, Präpositionen und Schemata dar.
Informationen im deklarativen Gedächtnis werden mithilfe von unzähligen Propositionen
abgespeichert, die miteinander in Beziehung stehen (Beispiel: das propositionale
Netzwerk des Satzes „Peter wirft den neuen Ball“ )
4.3 Netzwerktheorien der Speicherung deklarativen Wissens




Wissensnetzwerke bestehen aus…
… kleinen Knoten = Propositionen, mentale Vorstellungen, Schemata
… großen Knoten = Schemata aus mehreren Wissenseinheiten
… Kanten = Propositionen
Beim Erinnern einer Information werden die im Netzwerk repräsentierten
Bedeutungen in vertraute Sätze/ Phrasen oder Bilder übersetzt (man aktiviert
einen Knoten)
Aufgrund der propositionalen Vernetzung kann die Erinnerung einer
Informationseinheit auch die Erinnerung anderer Informationen aktivieren
→ Aktivierungsausbreitung (Collins & Loftus, 1975)
Wie schnell und wie viel uns zu einem Begriff/ Reiz einfällt, hängt von der
Assoziationsstärke (höher bei häufiger erfolgreicher Verwendung der
Wissenseinheit) der Knoten und der Anzahl der Verknüpfungen ab
z.B.: Bei dem Wort „Vogel“ denken wir zuerst an Amseln, Rotkehlchen,… und
später erst an Pinguine
 Jaqueline Sachs (1967)
Probanden hörten eine Geschichte und am Ende wurde getestet, ob sie Sätze (aus
der Mitte und vom Ende) wiedererkennen.
Ergebnis:
 Sätze am Ende können getreu wiedergegeben werden

Bei Sätzen aus der Mitte konnte nur deren Bedeutung wiedergegeben werden
Bedeutung
 Ein Satz ist unmittelbar nach seiner Darbietung im Gedächtnis gespeichert; nach
etwas Zeit, kann aber nur noch die Bedeutung der Aussage wiederholt werden
 Propositionale Netzwerke speichern nur die Bedeutung und nicht die
wörtliche Formulierung
53
54
4.4 Speicherung Prozeduralen Wissens & die ACT-Theorie
4.4. Speicherung Prozeduralen Wissens & die ACT-Theorie
4.4.1. Einführung
Definition Prozedurales Wissens ist das Wissen über Fertigkeiten, Operationen und
Prozeduren („Wissen, wie“)
Prozedurales Wissen:
 wird in der Regel aus deklarativem Wissen gewonnen

wird durch Übung verbessert und automatisiert! (z.B. Sprechen, Fahrradfahren…)

ist ohne große Anstrengung abrufbar

ist oft schwieriger zu beschreiben als anzuwenden (z.B. Schuhebinden…)

kann auch nach Jahren (wenn gut geübt) wieder schnell erworben werden

wird unterschieden nach psychomotorischen Fertigkeiten (Autofahren) und
kognitiven Fertigkeiten (Bruchrechnen)
4.4.2. ACT-Theorie (Anderson,1983)
ACT steht für Adaptive Control of Thoughts. Es handelt sich dabei um eine komplette
Theorie der menschlichen Informationsverarbeitung (Wahrnehmung, Sprache,
Problemlösen etc.), die wir aber nur in Ausschnitten behandeln.
 Wissensstruktur für Fertigkeiten
Fertigkeiten lassen sich mit Hilfe von „Handlungsvollzugsregeln“ beschreiben, die aus
einer Reihe aufeinander bezogener Produktionsregeln bestehen.
Bedingungsteil:
Handlungsregel:
WENN
DANN
eine oder mehrere
Voraussetzungen
eine oder mehrere
Handlungen
Bsp.: WENN Auto im 1. Gang und schneller als 20 km/h und es hat Schalthebel, Kupplung etc.
DANN drücke Kupplung, ziehe Schalhebel in 2. Gang, etc.
 Unterscheidung von drei Gedächtnissystemen in der ACT-Theorie
 DEKLARATIVES GEDÄCHTNIS: Speicherung von Wissen in Form von Netzwerken aus
Propositionen (Wissen in abstrahierender Weise, also nach Sinngehalt),
Reihenfolgen (Wissen über die Reihenfolge selbst, nicht voll ausformuliert) und
räumlichen Bildern.

PROZEDURALES GEDÄCHTNIS: Hier sind Prozeduren (Fertigkeiten) als WENNDANN-Verknüpfung (Produktion) gespeichert. Es finden sich auch unbewusste
Selektionsmechanismen.

ARBEITSGEDÄCHTNIS (AG):Hier sind alle Informationen, die dem Bewusstsein im
Moment zugänglich sind, aktiviert (z.B. Sinneseindrücke, die gerade enkodiert
werden).
4.4 Speicherung Prozeduralen Wissens & die ACT-Theorie
DEKLARATIVES
GEDÄCHTNIS
PROZEDURALES
GEDÄCHTNIS
Direkt und abrupt (kognitive
Einheiten
im
Arbeitsgedächtnis werden zu
Spuren in
LZG)
Indirekt und über allmähliche Schwächung
bzw. Stärkung neuer Prozeduren (z. B.
Umlernen auf Schreibmaschine).
Prozeduren können erst nach langem Üben
erworben werden, es wird solange geübt, bis
Fertigkeit automatisiert ist (z. B. Sprechen)
Auf vielfältige Weise möglich
Die Richtung ist hier vorgegeben:
WENN  DANN
Wenn Information im Arbeits-gedächtnis dem
Bedingungsteil (WENN) genügt, so wird
Handlungs-wissen
(Aktionsteil,
DANN)
abgerufen.
Abruf
Lernvorgang
 Prozess des Wissenserwerbs im deklarativen ↔ prozeduralen Gedächtnis
 Stufenmodell zum Fertigkeitserwerb nach Fitts und Posner (1967)
Kognitive Stufe
Erwerb deklarativen
Wissens über die Fertigkeit
Assoziative Stufe
Überführung deklarativen in
prozedurales Wissen
Autonome Stufe
Verbesserung der Fertigkeit
Stufe 1: (Kognitive Stufe) Beschreibung der Prozedur
Lerner erwirbt Wissen über den genauen Ablauf der Fertigkeit und deren Ausführung
(= Produktionsregel)  Regel ist dann als Wissen in deklarativer Form im Gedächtnis
präsent.
Beispiel: Autofahren: Der erste Gang ist vorne links.
Stufe 2: (Assoziative Stufe): Ausbildung einer Prozedur für die Ausführung
Bei weiterer Übung wird eine spezielle Prozedur für die Fertigkeitsausführung
ausgebildet, indem das deklarative Wissen (d.h. die Regel für die Fertigkeit, z.B.
Position der Gänge) in eine prozedurale Form überführt wird (Vorgang der
Wissenskompilierung).
 Man braucht sich die Regel nicht mehr ständig vergegenwärtigen (Entlastung
des AG)

Handlungsausführung wird immer flüssiger

deklaratives Wissen bleibt verfügbar, aber prozedurales Wissen bestimmt
Handlungsausführung („friedliche Koexistenz“)

Beispiel: Lernen, Kupplung kommen mit Gas geben zu kombinieren, um ruckfrei anzufahren
Stufe 3: (Autonome Stufe): Automatisierung der Fertigkeit
 schnellere und sichere Ausführung

Vorsagen der Regel verschwindet (keine kognitive Steuerung mehr!) 
unbewusst
55
56
4.5 Wissenserwerb/ Aufbau von Wissen

Deklaratives Wissen tritt vollständig zurück (z.T. keine Verbalisierung mehr
möglich)

Beispiel: Position der Gänge nur durch direkte Ausführung, unbewusstes Handeln
Zusätzliche Vorgänge bei der Wissensoptimierung:
 Generalisation: Erweiterung der Anwendungsbedingungen einer Produktion auf
weitere Fälle
o Bsp.: WENN Mantel mir gehört, DANN sage ich „mein Mantel“ - WENN
Ball mir gehört, DANN sage ich „mein Ball“
o Generalisierung: WENN Objekt mir gehört, DANN sage ich „mein Objekt“

Diskrimination: Anwendung von Produktionen wird durch Zusatzbedingungen
spezifiziert und somit auf geeignete Umstände beschränkt!
o Bsp. von oben: übermäßig allgemein, „Objekt“ an bestimmte Werte
gebunden  gesonderte Regel: WENN Objekt mir gehört und Objekt
weiblich ist, DANN sage ich „meine Objekt“)

Verstärkung: Falsche Regeln werden eliminiert, erfolgreich angewandte
bekräftigt
 Besonderheiten beim Erlernen von Fertigkeiten
 Reeminiszenseffekt: Leistungssteigerung ohne Lernen!  Ist man dabei, eine
Fertigkeit zu lernen, so beherrscht man diese nach einer Pause besser als
vorher! (Irion, 1949)
 Auch Fertigkeitserwerb ohne vorhergehendes deklaratives Regelwissen und ohne
Erinnerung an die Lernepisode (z.B. Lautbildung bei Kleinkindern; Kontrolle des
Muskelapparats, etc.)
4.5. Wissenserwerb/ Aufbau von Wissen
Informationen aus dem sensorischen Register müssen erst intensiv aufbereitet werden,
wenn sie in das Langzeitgedächtnis übertragen werden sollen. Dies kann nur unter
gewissen Umständen stattfinden:
4.5.1. Allgemeine Aspekte
 Elaboration
Verknüpfung neuer Wissensinhalte (Begriffe, Propositionen, Schemata etc.) mit
bereits bestehendem, d.h. im Gedächtnis repräsentiertem, Wissen!
 Dadurch wird neuer Informationen mehr Sinn verliehen.
Elaborative Prozesse:
 Notwendige Elaboration: Vorwissen muss notwendigerweise aktiviert werden
(ohne Vorwissen  Verständnisschwierigkeiten).
Bsp.: „Vitamin C fördert die Bildung weißer Blutkörperchen“
 Lerner muss Infomationen, die darin enthalten sind, aktivieren (Was ist Vitamin C?)
4.5 Wissenserwerb/ Aufbau von Wissen

Fakultative
Elaboration:
Anregung
zu
Gedanken/
Assoziationen/
Schlussfolgerungen, die nicht unbedingt zum Verstehen erforderlich sind, aber
eine vielfältige Verknüpfung der Informationen mit der eigenen Wissensstruktur
bewirken.
Elaboration ist auch wichtig für das Behalten von Wissen über Sachverhalte.
Enkodieren eines Sachverhaltes durch Zufügen vieler Propositionen zum Netzwerk
 bessere Erinnerung  Rekonstruktion kann auf mehr Anhaltspunkte zurückgreifen
(Anderson & Reder, 1979).
 Organisation:
Eine gute Organisation ist vor allem beim Lernen komplexer und weit ausholender
Informationen sehr wichtig.
Organisationsprozesse:
 Ordnen der Lerninhalte nach thematischen Kategorien (Clustering)
Bsp.: Wortliste lernen  einordnen in Kategorien

Reduktion der Lerninhalte auf das Wesentliche

Überführen des Wissens in übliche Darstellungsformen
Erwerb komplexer Texte:
Aufbau von semantischen Strukturen durch wiederholte Anwendung von
Makrooperationen: Weglassen, Selektion, Generalisation, Konstruktion, Rückgriff auf
bereits Bekanntes
Lernen mit Vergleichen ist sinnvoll, da neue Informationen besser vorstellbar sind und
eine strukturierende Funktion aufweisen. Durch Vorstellungen werden neue
Informationen aktiv assimiliert  neue Information in der „Bibliothek“ des Lerners
 Kontext
Aspekte wie die Umwelt oder Emotionen bei Lernprozessen werden mit den
Informationen gespeichert. Abrufen wird erleichtert, wenn der Kontext beim Abruf der
gleiche ist wie beim Speichern (sog. Enkodierungsspezifität).
Bsp.: Werden Vokabeln unter Wasser gelernt, so werden diese dort auch besser erinnert als an
Land.
4.5.2. Bedeutung des Vorwissens
Unterschiede im Vorwissen wirken sich auf die Informationsaufnahme und die
Informationsverarbeitung von Informationen aus. Ausbubel (1978) sagt sogar, dass
Vorwissen der wichtigste Faktor bei Lernprozessen ist.
Empirische Befunde:
 Klassische Studie von Bartlett zur Konstruktionshypothese (1932)

Probanden wurde eine Geschichte aus fremdem Kulturkreis erzählt

Diese sollten sie erneut wiedergeben

Eintreten von drei Effekten
o Nivellierung: Vereinfachung von Zusammenhängen
57
58
4.6 Konzeptuelle Veränderungen
o Akzentuierung: Hervorheben bestimmter Details
o Assimilation: Veränderung zur besseren Passung mit eigenem Vorwissen

Besonders die letzten beiden deuten auf eine Schema-Anwendung hin, die die
Aufnahme beeinträchtigt hat

Deutlich: auch negative Folgen von Vorwissen (Wahrnehmungsverzerrung)
 Pressley und Brewester (1990)
 Fünft- und Sechtsklässler hatten gelernt, Landschaftsbilder zu den zugehörigen
Orten zuzuordnen
 Danach: sollten Details aus den Bildern lernen
 Ergebnis: Nur wenn Schüler aufgefordert wurden, ihr Vorwissen einzusetzen,
zeigten sich deutliche Vorteile gegenüber einer Kontrollgruppe
 Vgl. Brewer und Treyens (bei Schemata)
4.6. Konzeptuelle Veränderungen
Schüler halten oft sehr lange an Vorwissen fest, auch wenn Lehrer wiederholt dazu
widersprüchliche Erfahrungen darstellt
Beispiel aus NatWi-Unterricht der 5. Klasse (nach Anderson & Smith, 1984)
Falsches Vorwissen: „Damit ich einen Baum sehen kann, muss die Sonne ihn
anleuchten.“
Richtige Aussage: „Einen Baum sehe ich, wenn Lichtstahlen auf ihn treffen und von ihm
reflektiert werden.
→ Ende der Unterrichtssequenz waren dennoch nur 20% von der ursprünglichen
Aussage abgewichen
Roth (1990): Wenn man Schülern erklärt, ihre Vorstellungen seien falsch, und ihnen
sagt, sie müssten durch bessere ersetzt werden, führt dies nicht zur aktiven
Wissenskonstruktion
 Gründe für das Festhalten an altem Wissen
 Schüler „lernen“, dass es in der Schule reicht, auf bestimmte Fragen die richtigen
Antworten zu geben, nicht die Problematik zu verstehen, was eine Änderung
eigener Vorstellung nötig machen würde
 Confirmation bias: Menschen suchen stets tendenziell nach Befunden, die eigene
Vermutungen stützen; während andere einfach ignoriert werden
 Übereinstimmung eigenen Vorwissens mit Alltagserfahrungen über eine langen
Zeitraum hinweg (das Vorwissen gibt einem damit auch Sicherheit) – die oft sehr
abstrakten Gegenbegründungen dagegen erscheinen als Ersatz wenig attraktiv
 Trotz widersprüchlicher Informationen verhindern Schüler konzeptuelle
Veränderungen: sie leugnen dann die Realität oder beschäftigen sich nur
oberflächlich mit den neuen Aussagen
4.6 Konzeptuelle Veränderungen
Umgang mit neuen Informationen nach Appleton (1993)
 Tatsächliche oder vermeintliche Übereinstimmung mit bestehenden
Vorstellungen [Assimilation]:
Ein kognitiver Konflikt → zurecht oder zu Unrecht wird Vorwissen bestätigt



Anlass für Maßnahmen zur Veränderung eigener Vorstellungen:
Kognitiver Konflikt wegen fehlender Passung neuer Informationen; Beseitigung
durch Akkomodation, d.h. durch Anpassung der eigenen Vorstellungen
Neue Information wird nur oberflächlich gespeichert
Diskrepanz wird wahrgenommen, ohne eigenes Wissen zu ändern; stattdessen
wird Info nur oberflächlich gespeichert und steht in anderen Kontexten nicht zur
Verfügung
→ Gelerntes wird in schulischen Kontexten abgerufen, aber das eigenen Konzept
bleibt gleich!
Lernsituation wird ohne irgendwelche Abspeicherung oder Veränderung
verlassen
 Förderung konzeptueller Veränderungen
Zunächst ist eine Diagnostik unzureichenden Wissens und dazu offene,
fehlertolerante Unterrichts-Atmosphäre nötig. Danach folgt die Vorführung eines
Experiments oder Zusammenhangs, der Fehlkonzepten widerspricht. Damit sich die
Schüler weiter mit der Problematik auseinandersetzen, sollten Strategien angewandt
werden:


Voraussetzung für konzeptuelle Veränderungen (Posner, 1982)
o Unzufriedenheit mit bisherigen Vorstellungen [Vertrauen, dass eigene
Vorstellung richtig ist, muss beseitigt werden; radikale Veränderung
eigener Vorstellungen als einziger Ausweg]
o Existenz einer plausiblen Alternative
o Erkennen des Unvereinbarkeit zwischen Vorwissen und neuer Information
o Akzeptanz der alternativen Konzeption
o Bewährung der alternativen Konzeption: muss der alten Vorstellung
eindeutig überlegen sein
Gedankliche Konfrontation (Champagne, 1985)
o Vorhersage der Schüler über Experimentausgang
o Erklärung der Vorhersage
o Demonstration des Experiments durch Lehrer und Erklärung
o Diskussion zwischen Lehrer und Schülern

Einfluss von Mitschülern
o Überprüfungen eigener (nicht fremder!) Vorstellung im Gespräch
o Ziel: Entdeckung eigener Wissenslücken bzw. Unzulänglichkeiten und
explizite, also geordnete Darstellung eigener Theorien
o Prozess schließt ein, Beispiele für eigene Theorie zu finden und
Einwänden zuvorzukommen (→ Perspektivenwechsel)

Hoher Zeitaufwand zur Konstruktion und Durchführung solcher Lernsituationen
59
4.7 Vergessenstheorien
4.7. Vergessenstheorien
Sowohl im Arbeits- als auch im Langzeitgedächtnis findet Vergessen statt. Folgende
Theorien zur Erklärung sind vorherrschend. Teilweise wird auch die Meinung vertreten,
dass Informationen im Langzeitgedächtnis nie vergessen werden und durch geeignete
Hinweisreize stets abgerufen werden können.
 Vergessenskurve nach Ebbinghaus (1885) und Baddeley (1986)
Ebbinghaus (1885) gilt als Begründer der experimentellen Gedächtnispsychologie.
Er ging von einem einzigen undifferenzierten Gedächtnisspeicher aus und
untersuchte das reine Maß an Gedächtnis.
Sein Maß der Kapazität war der Ersparnisgrad: er lernte eine Liste völlig unsinniger
Wörter und Sätze auswendig, bis er sie perfekt beherrschte und zählte die
Durchgänge. Anschließend lernte er die Liste nach ein paar Tagen wieder. Falls er
weniger Versuche benötigte, war eine Ersparnis eingetreten.
Vergessenskurve
58%
44%
21%
31 Tage
25%
6 Tage
28%
2 Tage
33%
1 Tag
9 Stunden
1 Stunde
36%
20min
100%
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
sofort
60
Vergessenskurve: Prozent der behaltenen Inhalte nach bestimmten Zeiträumen
 Theorie des Spurenverfalls
Wissen (d.h. die Verbindung von Nervenzellen, daher Spuren) verschwindet mit der
Zeit
Biologische Begründung: Nervenverbindungen werden schwächer und können
irgendwann nicht mehr reaktiviert werden; manchen sterben gänzlich ab.
Problem: Oftmals können solche Informationen durch richtige Hinweise/ Umgebung
etc. doch wieder abgerufen werden
→ Theorie ist fragwürdig
 Interferenztheorie
Interferenz tritt auf, wenn sich neuere und frühere Lerninhalte hochgradig ähneln.
z. B. Schüler muss im Unterricht wiederholt auf ähnliche Fragen unterschiedliche
Antworten geben
4.8 Schlussfolgerungen für den Unterricht
Bei der Interferenztheorie
unterschieden
wird
zwischen
2
verschiedenen
Möglichkeiten
1. „proaktive Hemmung“ = Interferenz (Störung)
Erlernen von Liste 1
Erlernen von Liste 2
Gedächtnisverlust bei
Wiedergabe der Liste 2
Ein unmittelbar vorhergegangener Lernprozess beeinträchtigt das Lernen folgender
Inhalte.
2. „retroaktive Hemmung“
Erlernen von Liste 1
Erlernen von Liste 2
Gedächtnisverlust bei
Wiedergabe der Liste 1
Interferenzen sind besonders bei hohem Umfang des Lernstoffs sowie fehlender
Verarbeitungstiefe (Verarbeitung führt zu besserer Ordnung und besserem
Behalten) bedeutsam.
 Fehlen geeigneter Abrufreize
Vergessen als misslungener Abrufversuch von Inhalten
Vergessen bzw. Beeinträchtigung des Behaltens bedeutet nicht gleichzeitig, dass die
entsprechenden Gedächtnisinhalte ausgelöscht worden sind.
Ashcraft (2002): Aus dem Langzeitgedächtnis geht nichts verloren, was diesem
einmal übergeben worden ist
→ Vergessen ist Misslingen des Abrufs von Inhalten aus diesem Speicher.
Vergleich mit Bibliothek: man findet das Buch nicht, obwohl es da ist (steht thematisch falsch).
4.8. Schlussfolgerungen für den Unterricht
Die Qualität der Unterrichtsarbeit beeinflusst, wie schnell schulisches Wissen im Verlauf
weiterer Lebensjahre wieder vergessen wird.
4.8.1. Lehrer- und Lernerrollen
 Aufgabe des Lehrers in kognitiven Theorien
1. Vermittlung von objektivem Wissen (ähnlich einer Datenweitergabe von USB-Stick
auf PC),
61
62
4.8 Schlussfolgerungen für den Unterricht
2. Vermittlung zerlegbarer und dekontextualisierter (abstrakt, kein sinnvoller Kontext)
Wissenselemente,
3. Überprüfung des Gelernten nach dem Grad der Übereinstimmung von Input und
Output (je größer die Übereinstimmung, desto größer die Annäherung an das
Lernziel)
 Aufgabe des Schülers
Aufnahme, Behalten, Speicherung und Abruf des
(„Schwammmethode“: aufsaugen, sammeln, herauspressen)
vermittelten
Wissens
4.8.2. Hinweise für den Unterricht
 Anknüpfen an Vorwissen
 Diagnostik: Inwiefern verfügen Schüler bereits über Wissen, an das angeknüpft
werden kann?
 Wiederholung nötiger Informationen (Reaktivieren von Wissen)
→ Einstieg als besonders wichtiges Unterrichtselement
 Aufmerksamkeit
 Der Lehrende muss dafür sorgen, dass der Lernende seine Aufmerksamkeit auf
die Inhalte richtet (z.B.: Entwicklung von Fragen bei den Schülern)
 Motivierender Einstieg
 Vielseitige Auseinandersetzung mit dem Stoff
 Verwendung von Beispielen, graphische Darstellungen
 Wiedergabe in eigenen Worten, Erklären von Zusammenhängen
 Einsatz des erworbenen Wissens auch außerhalb der Schule
 Präinstruktionale Maßnahmen (= dem Unterricht vorangestellt):
Ziel: Überbrückung von Lücken zwischen Vorwissen und zu erlernendem Wissen
Vortests: Aufgabe besteht darin, dem Lerner wesentliche Aspekte des zu
erarbeitenden Stoffes zukommen zu lassen, ohne diese ausdrücklich zu benennen
 Strukturierungs- und Selektionsprozess
 Advanced Organizer (Ausubel, 1960): geistige Stütze
Strukturierungshilfe, die beim Lernenden relevantes Vorwissen aktivieren und so eine
Brücke zwischen vorhandenem und neuem Wissen herstellen soll  bessere
Einordnung
 Einsatz von Techniken
 Aufarbeitungsstrategien: Markieren, Mind-Maps etc.
 Mnemotechniken für schwer zu merkende Fakten
4.8 Schlussfolgerungen für den Unterricht
 Materialien im Unterricht geordnet darbieten
Ausubel (1963): Lernmaterial kann nur potentiell sinnvoll sein; Verständnis kann bei
Schüler nur durch aktives Interpretieren seiner Erfahrungen enstehen  Aufgabe
des Lehrers ist es, die Erfahrungen mitzugestalten.
Die Klarheit der Lehrerdarstellung durch Anwendung von Beispielen, Abbildungen,
die Ordnung des Lernmaterials nach logischen Gesichtspunkten und die
Strukturierung des Lernstoffes sind Kennzeichen geordneten Unterrichts!
Einsatz von Tabellen, Hierarchien, Mindmaps etc.
Ziel:
durch
zeitlich
aufeinanderfolgende
zusammenhängende Wissensstrukturen aufbauen.
Informationen
beim
Lesen
4.8.3. Empirische Befunde

Die Absicht, neues Lernmaterial gut im Gedächtnis zu verankern, tritt erst in der
frühen Adoleszenz auf (Flavell et al., 2002)

Aufarbeitungsprozesse werden gefördert, indem Schüler auf bereits verfügbaren
Erfahrungen und Wissen aufbauen (Sigmund Tobias, 1982)

Intensivere Verarbeitung fördert die spätere Erinnerungsleistung → beste
Behaltensleistung, nachdem Begriffe semantisch verarbeitet wurden (→ Theorie
der Verarbeitungstiefe)
Langsames und sorgfältiges Lesen eines Textes = oberflächliche Verarbeitung;
erst wenn der gelesene Inhalt in eigenen Worten wiedergegeben werden soll wird
die Behaltensleistung gefördert (Glover et al., 1981) → PQ4R-Verfahren


Bilder werden besser als akustische Reize behalten, da sie sich in bildhafter und
sprachlicher Form enkodieren lassen (→ Shepard, 1967)

Problem: keine wirklichkeitsgetreue Wiedergabe bildhafter Vorstellungen, da das
Gedächtnis nur Merkmale speichert, welche zur Identifikation und zur
Unterscheidung wichtig sind (Nicherson & Adams, 1979; Jones, 1990)
z.B.: täglicher Gebrauch des 10-Euro-Scheins, aber wo genau steht die 10 auf dem Schein?



„Selbstbezugseffekte“ fördern die Lernmotivation und die Gedächtnisleistung
(Klein & Kihstrom, 1986; Rogers et al., 1999)
Wiederholte Misserfolge führen dazu, dass Kinder keine Anstrengung mehr in die
Verarbeitung investieren (Appleton, 1997)
Zur Strukturierung: Vergleich von Erinnerungsleistung Studierender bei Begriffen
angeordnet nach Zufallsprinzip und bei angeordneten Begriffen → mit Anordnung:
dreimal mehr Begriffe reproduziert (Bower, 1969)
63
64
5.1 Formen des Konstruktivismus
5. KONSTRUKTIVISTISCHE LERNTHEORIEN
Definition (Woolfolk, 2008): Der Konstruktivismus ist ein Lernauffassung, nach der
Lernen nicht nur als das Empfangen und Verarbeiten von Informationen gesehen wird.
Lernen ist vielmehr die aktive und individuelle Konstruktion von Wissen.
Aufgrund der Entwicklungen und Fortschritte der Menschheit und der damit verbundenen
Probleme (Umweltverschmutzung, Epidemien, globale Erwärmung) scheint die
Erziehung von „passiven“ Lernern nicht mehr auszureichen, was zur Entstehung dieser
neuartigen Theorien führte.
 Kernannahmen
 Wissen wird individuell aufgebaut, nicht mechanisch abgebildet
 Lerner: sucht aktiv und zielgerichtet nach Informationen, interpretiert diese und
leitet neue Konzepte ab
 Betonung von selbstgesteuertem Lernen und Selbstkontrolle
5.1. Formen des Konstruktivismus
Hauptanliegen: Konstruktion individuellen Wissens, Überzeugungen, des Selbstkonzepts
mit Fokus auf das Innenleben der Menschen
 Kognitiver Konstruktivismus in Anlehnung an Piaget
 Beschäftigt sich damit, wie Logik und universales Wissen entsteht, das nicht
direkt durch Umweltfaktoren beeinflusst wird
 Wissen ist subjektiv, da selbst aufgebaut und kein wirklichkeitstreues Bild
 Piaget: Umwelt ist wichtig, kann aber nicht zu einer Änderung im Denken führen
 Unterscheidung zwischen
A) RADIKALEM KONSTRUKTIVISMUS
kein eindeutiges Wissen von dieser Welt, jeder konstruiert sich seine eigene
Wirklichkeit, Lernen selbst initiiert und selbst überwacht - Lehrer überflüssig?
B) GEMÄßIGTEM KONSTRUKTIVISMUS
Mitglieder einer Lerngemeinschaft können sich beim Aufbau von Wissen
gegenseitig beeinflussen, Lernen auch extern initiiert und motiviert
 Diese Form wird in der pädagogischen Psychologie näher betrachtet.
 Sozialer Konstruktivismus in Anlehnung an Wygostski
 Lernen ist geprägt durch soziale Interaktion und kulturelle Hilfsmittel
 Lerner eignen sich Wissen durch Teilnahme an Aktivitäten mit anderen an
→ Lernen in sozialen und kulturellen Kontexten
5.2. Wissenserwerb gemäß konstruktivistischer Theorien
Es existieren drei mögliche Erklärungen für den Wissenserwerb
1. Die Realität leitet die direkte Wissenskonstruktion an
Lerner re-konstruieren die äußere Wirklichkeit in Form von Repräsentationen. Je
mehr eine Person lernt, desto detaillierter wird diese Darstellung
Bsp.: Informationsverarbeitungs-Theorien
5.3 Implikationen für den Unterricht
2. Interne Prozesse steuern die Konstruktion
Beispiele dafür wären Akkomodation und Assimilation von Schemeta nach Piaget;
dabei wird neues Wissen aus Altem abstrahiert
3. Externe und interne Faktoren steuern die Wissenskonstruktion
Beispiel: Wygotskis Theorie, nach der kognitive Entwicklung durch kulturelle
Teilhabe stattfindet
5.3. Implikationen für den Unterricht
Aufgabe des Schülers:
Ähnlich zu kognitiven Behaviorismus, aber mit Fokus auf selbstständiges Finden und
Anwendung von Wissen (Aktiv statt passiv)
Aufgabe des Lehrers:
1. SCHAFFUNG VON UMGEBUNGEN, durch die den Lernenden geholfen wird, diese Wege
selbst zu gehen.
Beispiel: Konstruktivismus: Lehrer unterrichtet, stellt Ziegelsteine bereit, reicht sie den Schülern,
damit diese dann ihr Haus (= Wissen) selbst bauen können
Informationsverarbeitungstheorien: Lehrer unterrichtet, setzt selbst Ziegelstein auf Ziegelstein
und errichtet das Haus
2. AUFMERKSAMKEIT DER SCHÜLER auf ihr z. T. unzulängliches Verständnis und ihre
falschen Überzeugungen richten
3. SCHAFFUNG VON MOTIVIERENDEN UNTERRICHTSSITUATIONEN für eine soziale Abstimmung
über die subjektiven Wissenskonstruktionen der Schüler (durch Kommunikation,
gegenseitiges Fragenstellen, Wissen vergleichen, überprüfen, abstimmen) 
gemeinsame Erarbeitung eines tieferen Verständnisses
Konkrete Hinweise
 Lernen sollte in komplexe und realistische Umgebungen eingebettet sein
 Keine Behandlung von einfachen Schritt-für-Schritt-Aufgaben, sondern komplexer
Probleme
 Soziale Verhandlungen als Teil des Lernens
 Erörterung und Verteidigung der eigenen Position
 Zusammenarbeit mit anderen und Respekt vor anderen Standpunkten
 Einsatz vielfältiger Ansätze und Benutzung multipler Repräsentationen
 Bei zu engen Beispielen verfügen Lerner nur über eine, zu eingeschränkte
Sichtweise von Konzepten
 Selbstaufmerksamkeit seitens des Lehrers und Bewusstsein, dass Wissen
konstruiert ist
 Schüler sollten darüber aufgeklärt werden, dass sie eine zentrale Rolle bei der
Konstruktion von Wissen spielen
65
66
6.1 Steuerung des eigenen Lernens
6. SELBSTGESTEUERTES LERNEN
6.1. Steuerung des eigenen Lernens
Aus sozial-kognitiver und vor allem konstruktivistischer Perspektive ist nötig, den Lerner
in sein eigenes Lernen einzubinden und ihm Verantwortung zu übertragen.
„Selbststeuerung ist eine notwendige, sinnvolle und zielführende Form der individuellen
Anpassung, die Lerner selbst vornehmen können (und sollen).“ (Hasselhorn & Gold,
2013) – Begründungen:
 Solche Lerner nehmen sich auch außerhalb des Unterrichts die benötigte Zeit,
um zusätzlich zu üben

Nach den klassischen Bildungsinstitutionen sind wir darauf angewiesen,
selbstständig zu lernen
6.1.1. Definitionen
Definition (Zeidner, Boekarts & Pintrich, 2000): Selbststeuerung des Lernens ist ein
aktiver, konstruktiver Prozess, bei dem sich Lernende eigenständig Ziele setzen sowie
ihre Kognitionen, ihre Motivation und ihr Verhalten während des Lernens stetig
überwachen, regulieren und kontrollieren.
Definition (Weinert, 1982): Lernformen werden als selbstgesteuert bezeichnet, bei
denen "der Handelnde die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und
woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann".
Ebenen, auf die sich selbstreguliertes Lernen stets bezieht (Hasselhorn & Gold, 2013)
Kognitionen
Metakognition
Motivation
Emotion
Selbstreguliertes Lernen ist nicht eine allgemeine geistige Fähigkeit oder eine
akademische Fertigkeit, sondern ein transaktionaler, selbstdirektiver Prozess, bei dem
Lernende ihre geistigen Fähigkeiten nutzen, um aufgabenbezogene akademische
Fertigkeiten zu entwickeln und elaboriertes/ anschlussfähiges Wissen aufzubauen.
Selbstreguliert Lernende als Meister des eigenen Lernprozesses
Selbstreguliert lernende Schüler gestalten, kontrollieren und beeinflussen ihren Denkund Lernprozess, ihre Gefühle und ihr Verhalten, um ihre Lernziele zu erreichen.
 Sie setzen sich anspruchsvolle Ziele und konkretisieren diese in
Handlungsplänen. Zudem sind sie überzeugt, dass Ziele erreichbar sind.

Sie wenden ihre umfangreichen Kenntnisse über Lernstrategien an.

Sie beobachten, vergleichen und korrigieren Lernprozesse.

Sie nutzen effektive Umwelt- (wann? Wo?) und Sozialbedingungen (mit wem?)
→ selbstreguliert lernende Schüler weisen günstigere Lernprozesse auf, erzielen
bessere Leistungen und sind motivierter (Zimmermann & Schunk, 2001)
Voraussetzungen selbstgesteuerten Lernens:
 Freiheit im Treffen von Entscheidungen (Zimmermann, 1994, 1998)

Übernahme von Verantwortung (Deci & Ryan, 1991)
6.2 Theorien des Selbstgesteuerten Lernens
Lehrer müssen bereit sein, sich von der strikten Kontrolle des Schülerverhaltens zu
lösen und allenfalls beratend, in zurückhaltender Weise auch lenkend auf Lernende
einwirken,
sich
selbständig
und
selbstverantwortlich
mit
Aufgaben
auseinanderzusetzen
6.2. Theorien des Selbstgesteuerten Lernens
6.2.1. Phasen der Selbststeuerung (nach Zimmermann, 2008)
Vorausschauphase
[prä-aktional]
SelbstreflexionsPhase
[postaktional]



Performanzphase
[aktional]
Vorausschauphase
o MOTIVATIONALE ÜBERZEUGUNGEN (Wirksamkeitserwartungen,
Wissensbestände, Interesse, Emotionen etc.)
o AUFGABENANALYSE: Zielsetzung und strategische Planungen
aktuelle
Performanzphase: Ausführung der geplanten Strategien
o SELBSTKONTROLLE: Selbstinstruktion [Strategien vorsagen], Fokussierung
der Aufmerksamkeit, Strategieanwendung
o SELBSTBEOBACHTUNG:
metakognitives
Monitoring,
Self-recording
[Registrierung und Protokollierung eigener Leistungen]
Selbstreflexionsphase
o SELBSTBEURTEILUNG: Evaluation und Kausalattributionen
o SELBSTREAKTION: Zufriedenheit mit Leistung, Beibehaltung des Vorgehens
(defensiv) oder Motifikation der Arbeitsweise (adaptiv)
Im Gegensatz zu Prozessmodellen, die den Ablauf von selbstreguliertem Lernen
schildern, beschreiben Komponentenmodelle, welche Wissensbestände zum
selbstregulierten Lernen nötig sind.
67
68
6.2 Theorien des Selbstgesteuerten Lernens
6.2.2. Drei-Schichten-Modell des selbstregulierten Lernens
(Boekaerts, 1999)



Innere Schicht: Regulation der Informationsverarbeitung (kognitiv):
konzeptuelles und prozedurales Wissen; Wissen über aufgabenspezifische
kognitive Strategien (einschließlich ihrer Anwendungsbedingungen)
Mittlere Schicht: Regulation des Lernprozesses (metakognitiv): Kontrolle der
eingesetzten Strategien, Einsatz metakognitiven Wissen und metakognitiver
Strategien
Äußere Schicht: Regulation des Selbst (motivational und volitional): dienen
der Initiierung (Selbstmotivierung) und Aufrechterhaltung (Willenskontrolle) von
Lernaktivitäten; adaptive Bewertungen eigener Lernergebnisse
6.2.3. Entwicklung der Selbststeuerung (Deci & Ryan, 2000)
1. Stadium der äußerlichen Regulation: Tätigkeiten werden nur ausgeführt, weil nach
einem erfolgreichen Abschluss lobende Anerkennung erwartet wird (v.a. jüngere
Schüler).
2. Introjizierte Regulation: Aufgaben werden ausgeführt, da sonst ein schlechtes
Gewissen bestehen würde; Instanzen in der Person übernehmen eine gewisse Kontrolle,
aber die Veranlassung erfolgt immer noch von außen, denn man folgt, um andere
zufrieden zu stellen (Pintrich & Schunk 2002); Werte werden unkritisch übernommen.
3. Identifizierte Regulation: Auseinandersetzung mit einem Arbeitsgebiet, dass für
einen persönlich wichtig ist; Schüler verfolgt sein eigenes Ziel, aber erfüllt immer noch
Anforderungen, die andere ihm gesetzt haben
4. Integrierte Regulation: Schüler setzt sich selbst Leistungsziele, die er um ihrer selbst
willen anstrebt; viele Menschen erreichen dieses letzte Stadium nie; diejenigen, die sich
integriert zu steuern vermögen, fühlen sich ferner liegenden Zielen verpflichtet und
haben gute Aussichten, erfolgreich im Leben zu sein (Pintrich & Schunk 2002)
6.3 Förderung von Selbstreguliertem Lernen
6.3. Förderung von Selbstreguliertem Lernen
6.3.1. Allgemeine Hinweise
 Förderung der Selbstwirksamkeitserwartung
Selbstwirksamkeitserwartungen betreffen die subjektive Einschätzung eines
Menschen über die zur Bewältigung einer bestimmten Aufgabenart erforderlichen
Voraussetzungen (Fähigkeiten, Fertigkeiten…) zu verfügen.
Selbstwirksamkeit ist aufgabenspezifisch und abhängig von:
 welchen besonderen Aufgabensituationen er sich zuwendet

welchen Anstrengungsgrad er einbringt

wie ausdauernd er sich bei Schwierigkeiten bemüht

wie gut es ihm geling, Angstgefühle zu kontrollieren
Ob sich ein Mensch als wirksam erlebt, wird dadurch bestimmt, ob er meint, dass
sich sein Potenzial nach erfolgreicher Lösung der Aufgabe verändert hat.
Bsp.: Erst wenn sich beim Schüler der Eindruck einstellt, dass sich sein zurückliegendes Wissen
durch die Bearbeitung von Matheaufgaben erweitert und sich das mathematische Können
verbessert hat, ist mit dem Urteil zu rechnen, die eigene Wirksamkeit gesteigert zu haben.
Einflussfaktoren:
1. Bisherige Erfolgsgeschichte
2. Stellvertretende Erfahrungen (Erfolg von Bezugspersonen)
3. Ermunterndes Zureden(erhöht die Bereitschaft härter zu arbeiten)
4. Physiologischer Ergebniszustand (Erregung bei Prüfungen soll kein Anlass zu
Sorge sein und nicht auf mangelnde Vorbereitung zurückführen )
 Setzen von herausfordernden Zielen
Bestimmung von Lernzielen ist eine wichtige Aktivität beim selbstgesteuerten Lernen.
Während leichte Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit, als leistungsförderlich gilt (weniger Frustration, mehr Mut und Audauer), ist eine deutliche
Überschätzung mit Nachteilen verbunden (illusionärer Optimismus ist mit Frust
verbunden).
Merkregel: Ziele müssen SMART sein, also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch
und terminiert (Doran, 1981).
Ziele sollten dabei nicht zu weit in der Zukunft liegen und vom Schwierigkeitsgrad her
anspruchsvoll, aber dennoch erreichbar sein.
 Steigerung der Selbstwirksamkeit
 Kontrolle eigener Leistungsergebnisse durch Selbstbeobachtung
Selbstbeobachtung: wichtiger Bestandteil selbstgesteuerten Lernens
Schüler erhält wichtige Informationen über das eigene Verhalten, Stärken und
Schwächen. Lernende, die ihr Verhalten in hohem Maße selbst steuern, achten
ständig darauf, welche Fortschritte ihnen auf dem Weg zum Ziel gelingen und sie
69
70
6.3 Förderung von Selbstreguliertem Lernen
wissen, wann sie ihre Lernstrategie verändern sollten (Zimmermann & Risemberg,
1997)
Bsp.: Rauchen kann durch Anlegen einer Strichliste abgewöhnt werden  Wirkung der
Selbstbeobachtung nicht unterschätzen; Studierende, die die Zeiten des Selbststudiums
vermerkten, hatten bessere Zensuren nachzuweisen
 Bewertung eigenen Verhaltens
Zu Beginn der Schulzeit ist häufig eine sehr optimistische Selbsteinschätzung der
Kinder der Fall, wobei diese Selbsteinschätzung im Laufe der Schulzeit immer
realistischer wird. Die realistische Einschätzung der Schüler wird v.a. durch öffentliche
Leistungsrückmeldungen der Lehrkräfte verstärkt.
Schüler können lernen, ihre eigenen Leistungen selbst zu beurteilen, wenn der Lehrer
mit ihnen die Kriterien dafür erarbeitet (Stiggins 2005)
Selbstbeurteilung setzt Gütemaßstäbe voraus:
a) Absolut (vorher gesetztes Ziel erreicht oder nicht erreicht)
b) Sozial-bezogen (Einzelleistung wird mit anderen Verglichen)
c) Individual-bezogen (Vergleich der Einzelleistung heute & früher)
→ Experiment von Bandura & Kupers 1964: Eltern oder Lehrer, die bei der
Beurteilung von Leistungen sowohl im Handeln als auch in Worten Nachsicht
zeigen, müssen damit rechnen, dass sich auch ihre Kinder bzw. Schüler mit
mittelmäßigen Leistungen zufrieden geben (Jones & Evans 1980)
 Bestimmung eigener Verhaltenskonsequenzen
Selbstverstärkung:
Liegt vor, wenn man eine uneingeschränkte Kontrolle über verfügbare Verstärker
besitzt, die man sich nach Erreichen eines Ziels verabreichen kann.
Menschen, die sich für ihr eigenes Verhalten belohnen, erreichen höhere
Leistungsniveaus als jene, die dieselben Aktivitäten nach Anweisung ohne
Verstärkung ausführen, die nicht kontingent (=unregelmäßig) belohnt werden oder die
ihr eigenes Verhalten zwar überwachen und sich Ziele setzen, sich aber für das
Erreichte nicht belohnen (Bandura, 1978)
Bei ungünstiger Bewertung sind auch negative Konsequenzen möglich… (z.B.
attraktive Tätigkeiten versagen)
6.3.2. Konkretes im Unterricht
 Auswahl geeigneter Lehrmethoden
 Vor allem entdeckende und problemorientierte Lehrformen geeignet (Marschner,
2011)
 Effektives selbstgesteuertes Lernen vor allem bei komplexen, sinnvollen
Aufgaben, die über längeren Zeitraum bearbeitet werden (Zimmermann, 2002)
 Prinzipien der Unterrichtsgestaltung nach Paris & Paris, 2011
 Anleitung zur Selbstbeobachtung und Selbstverstärkung
6.3 Förderung von Selbstreguliertem Lernen

Modellieren und Erklären von Maßnahmen der Selbstregulation

Übertragen der Verantwortung von Lernzeit und Anstrengung

Kontinuierliches Feedback zu Fortschritten
 Hausaufgaben-Trainings (Perels, 2007 für Mathematik)
 Vermittlung von mathematischen Problemlösestrategien und deren Einsatz
 Beachtung aller drei Phasen im Zimmermann-Modell
 Einbezug der Eltern (Otto, 2007)
 Trainingsprogramm für Eltern bei der Hausaufgabenunterstützung
 Idee: Eltern als Modelle für das selbstregulierte Lernen
 Wirksamkeit von Trainingsmethoden
 Hattie, 2009: mittlere Effektstärke der Einbettung von kognitiven und
metakognitiven Strategien; vor allem bei expliziter Einführung der Strategien
 Hattie, 1996: effektiver Erwerb von Strategien vor allem bei kontextgebundener
Einführung
Strategieprogramm zur Förderung selbstgesteuerten Lernen
(Meichenbaum, 1977):
1. Kognitive Modellierung:
Der Lehrende löst eine Aufgabe und
kommentiert dabei laut sein eigenes
Vorgehen.
4. Reduzierte offene Selbststeuerung:
Der Lernende flüstert sich die
Instruktion bei der Aufgabenlösung
selbst zu.
2. Offene Fremdsteuerung:
Der Lernende löst die gleiche Aufgabe
mit Instruktion durch den Lehrenden.
5. Verdeckte Selbststeuerung:
Der Lernende löst die Aufgabe und
kontrolliert seinen Lösungsprozess
durch inneres Sprechen.
3. Offene Selbststeuerung:
Der Lernende löst die Aufgabe und
spricht dabei die Instruktion laut zu
sich selbst.
 Etwas Empirie
Förderung von SRL im Unterricht (Studie von Perry et al. 2002)
Vorgehen: 16 Grundschullehrer mit 6 Klassen
2 Phasen:
 Baseline-Phase (6 Monate, welche Lehrformen werden bereits eingesetzt?,
Fragebogen zur Motivation und zu Lernstrategien)
 Interventionsphase (15 Monate, Entwicklung von Konzepten, die SRL fördern,
durch die Lehrer gemeinsam: von Forschern moderierte Diskussionen)
71
72
6.3 Förderung von Selbstreguliertem Lernen

Beobachtungsphase
Auswirkungen)
(erneute
Unterrichtsbesuche
und
Evaluation
der
Ergebnis
 Breiteres Spektrum an Lernstrategien bei Schülern

Besseres Verständnis von Lernstrategien: können sie anderen erklären

Bessere Selbstwirksamkeitseinschätzung
Aufgaben, post: 26%)

Verbesserte Fehlerkultur: 22% glauben post, Lehrer habe negative Emotionen bei
Fehlern (prä: 47%)
(prä:
50%
bevorzugen
leichte
7.1 Problemlösen
7. PROBLEMLÖSUNG, TRANSFER & EXPERTENSETTINGS
7.1. Problemlösen
Ein Individuum steht dann einem Problem gegenüber, wenn es sich in einem inneren
und äußeren Zustand befindet, den es aus irgendwelchen Gründen nicht erstrebenswert
empfindet, aber im Moment nicht weiß, wie er die unerwünschte Ausgangslage in den
wünschenswerten Endzustande überführt.(Lukesch).
Die 3 Kennzeichen einer Problemsituation:
 unerwünschter Anfangszustand (IST)

Barriere (verschlungene Wege, mehrere Maßnahmen)

erwünschter Endzustand (SOLL)
Zur Erreichung des erwünschten Endzustands sind Teilziele nötig, die eine Annäherung
an das Hauptziel ermöglichen. Dieses Verhalten ist kognitiv bestimmt und erfordert die
Anwendung von Regeln und Strategien.
Dies ist auch der Unterschied zur Aufgabenbewältigung: Die Maßnahmen müssen
selbst gefunden werden.
Arten von Problemen (Simon, 1978)
Klar definierte Probleme
well-defined
Unklar definierte Probleme
ill-defined
Klares Ziel benannt
Ziele eher unbestimmt
Für die Lösung relevante Informationen
liegen vor
Hohe Unsicherheit über mögliche
Lösungswege
Nur eindeutige Lösungskriterien
Keine eindeutigen Lösungskriterien
z.B. Puzzle, Matheaufgabe
z.B. Frage zur Familie, Beruf, Freizeit
Meistens in der Schule
Im „wahren“ Leben zu finden
Problem:
Schüler werden nicht ausreichend auf das Leben vorbereitet, da sie im Unterricht nur mit
klar definierten Problemen, nicht aber mit den im Alltag überwiegenden unklar definierten
Problemen konfrontiert werden.
73
74
7.1 Problemlösen
Arten der Problemlösung
 VERSUCH UND IRRTUM (THORNDIKE): Eine hungrige Katze wird in einem Käfig
gesperrt und muss sich aus diesem befreien, um zum Futter zu gelangen.
→ Äußerliche Lösung, da nur ausprobiert wird

EINSICHT (KÖHLER, 1917): Schimpansen sitzen in einem Käfig und erhalten zwei
Stöckchen, um zum außen liegenden Futter zu gelangen. Nach einiger Zeit
erkennen die Schimpansen, dass sie die beiden Stöckchen zusammenstecken (=
verlängern) müssen.3
→ Innerliche Lösung, da über die Situation nachgedacht wird
Kritik: Es muss davon ausgegangen werden, dass auch die Schimpansen zuvor eine
Fehler-Irrtum-Phase durchliefen. Die beiden Arten scheinen also eher aufeinander
aufzubauen.
7.1.1. Allgemeine Strategien: Der IDEAL-Problemlöser (Bransford &
Stein, 1984)
Bransford und Stein versuchten, eine allgemeine Strategie zur Lösung von Problemen
zu finden. Sie entwickelten das IDEAL-Modell, wobei der Name auf die
Anfangsbuchstaben der fünf Phasen zurückzuführen ist.
1. Identifikation eines Problems

Oftmals ist es schwieriger, das Problem zu finden, als eine Lösung dafür
Bsp.: Wer schon mal Dr. House gesehen hat, weiß, wovon hier die Rede ist.

Schülern fehlt die Erfahrung mit schwer zu entdeckenden, unklar definierten
Problemen (z.B. wird das Problem zu schnell erkannt, „Es ist Lupus!“)
→ Notwendigkeit, Probleme zu schaffen, die erst als solche identifiziert werden
müssen
2. Definition der Ziele und Repräsentation des Problems

Aufmerksamkeit auf relevante Informationen konzentrieren, irrelevante ignorieren


Verstehen der Formulierung und Beschreibung in eigenen Worten
Zusammentragen der Informationen und Verständnis eines ganzen Problem
[sonst: voreilige Anwendung bestimmter, ungeeigneter Schemata]

Transformation oder Übersetzung des Problems in eigene sprachliche oder oft
auch graphische Darstellung
3. Explorieren möglicher Strategien

3
Algorithmische Strategien der Lösungssuche
Hierbei handelt es sich um festgelegte Anweisungen, die schrittweise zur Lösung
führen (z.B. Backrezept). Alle möglichen Wege zum Ziel werden berücksichtigt.
Köhler wird für dieses Experiment auch kritisiert. Die Affen hatten wohl zuvor genügend Zeit, im Urwald auch
durch Trial und Error auf diese Lösung zu kommen.
7.1 Problemlösen
Probleme:
o Diese Strategie wird schnell zu aufwändig (z.B. gibt es bei der Aufgabe,
EDRISHCLAM in die richtige Reihenfolge zu bringen, über drei Millionen
Möglichkeiten).
o Schüler wenden Algorithmen oft unsystematisch an und können oft den
Lösungsweg nicht rekonstruieren

Heuristische Strategien der Lösungssuche
Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Suchstrategien für Lösungen, wobei
Faustregeln oder intelligente Abkürzungen genutzt werden. Der Zeitaufwand ist
gering.
Bsp.: EDRISHCLAM wird in im Deutschen übliche Buchstabenfolgen eingeteilt. Schnell kommt man zur
Lösung MARSCHLIED.
Beispiele für wichtige heuristische Strategien
o ZIEL-MITTEL-ANALYSE: Einteilung des Problems in eine kleinschrittige
Unterziele, die schrittweise abgearbeitet werden; dadurch wird der
Abstand zum SOLL-Zustand schrittweise verkleinert
BSP: Schreiben einer Hausarbeit (Themenwahl, Recherche…)
o RÜCKWÄRTS-ARBEITEN: Ausgehend vom Ziel werden Lösungsschritte
abgleitet
o ANALOGIE-DENKEN: Lösungen für ähnliche Probleme werden verglichen
[dabei: auch zu starke Einschränkung möglich; es muss auf tatsächliche
Genauigkeiten geachtet werden]
Problem: Heuristiken können den richtigen Weg zur Lösung nicht garantieren.
4. Antizipieren von Ergebnissen und Vorgehensweisen

Entscheidung für einen geeigneten Lösungsweg

Gleichzeitige Vorhersage der Ergebnisse (z.B. Überschlag)
5. Lernen aus der Rückschau

Ist das Ergebnis sinnvoll?

Kontrollstrategien v.a. in der Mathematik
 Förderung von Problemlösen im Unterricht
 Förderung des Verstehens einer Problemsituation ist Voraussetzung
 Motivierung durch Diskrepanzen: Schaffung von Situationen, die bei den Schülern
auf den ersten Blick für Verwirrung sorgen. (Bsp.: Cola-Dose geht im Wasser
unter, Cola Light schwimmt → Dichtekonzept)
 Schaffung von Problemsituationen in einem natürlichen Kontext: Situationen, mit
denen sich Schüler in ihrem Leben wirklich auseinandersetzen müssen (Bsp.:
Zurechtfinden im Wald/ fremder Stadt bei Klassenfahrten mit Karten).
 Virtuelle Lernumgebungen (Woodbury, 1991): Woodbury entwickelte ein
Computer-Programm, in dem den Schülern Probleme der Hauptfigur Jasper
präsentiert werden. Beispielsweise befindet sich Jasper mit seinem Boot auf
75
76
7.1 Problemlösen
einem See und sein Benzin wird knapp. Die Schüler sollen nun den kürzesten
Weg zum Ufer finden.

Das Jasper-Lernprogramm zeigte positive Auswirkungen auf die Leistungen der
Schüler, auch in anderen Schulfächern und bei Alltagsproblemen.

Überprüfung des sprachlichen Verständnisses (z.B. Lerner muss Aufgaben
sprachlich verstehen). Hierzu gehört auch, dass Kinder in Mathematik ein
korrektes Zahlenverständnis entwickeln (Teilmengen-Mengen-Prinzip,…).
Konkretisierung von Textaufgaben (z.B. graphisch darstellen)
Darstellung vollständiger Beispiele (Sweller, 1985): Es ist ratsam, den Schülern
erst vollständig ausgearbeitete Beispiele zu präsentieren. Dadurch wird das
Arbeitsgedächtnis nicht überlastet und es bleibt mehr Zeit für Übungsaufgaben,
da die dann schon schneller bearbeitet werden können. Wichtig hierbei ist, dass
die Schüler die ausgearbeiteten Beispiele selbst nachvollziehen und nicht in eine
passive Rolle rutschen.
Achtung: Bei der Wirkung ausgearbeiteter Beispiele liegen intraindividuelle
Unterschiede vor. Deshalb sollte der Lehrer den Fokus auch auf Metastrategien
legen.
Verbessern der Qualität von Verständnisfragen (Suchman): Fragen sind die
Voraussetzung für die Gewinnung einer tieferen Verständnisses. Suchman hat
dazu
ein
Erkundungstraining
entwickelt:
Er
präsentierte
Schülern
Problemstellungen. Zur Lösung durften die Schüler ihren Lehrern Fragen stellen,
die mit ja oder nein beantwortet werden können. (-> Lehrer bleibt im Hintergrund,
Schüler muss sich konkrete Fragen überlegen) Hierbei setzt sich der Schüler
kritisch mit der Fragestellung auseinander und kann so tieferes Verständnis
erlangen.




Allgemein: An alltägliches Vorwissen und Interessen der Schüler anknüpfen Automatisierungs- und Übungsphasen anschließen. Nur Anregungen, keine
Lösung geben!
 Behinderung des Problemlösens
 Funktionale Gebundenheit: Unfähigkeit, Werkzeuge und Gegenstände auf
unkonventionelle Art & Weise einzusetzen.
 Rigidität: Die Tendenz, auf die übliche Weise zu reagieren.
 Überzeugungsperseveranz: Die Tendenz, an Überzeugungen auch bei widersprechenden Informationen festzuhalten.
 Tendenz zur Bestätigung: Suche nach Informationen, die unsere Entscheidungen
und Überzeugungen bestätigen, während widersprechende Informationen
ignoriert werden.
 Falsche Heuristiken
o Verfügbarkeitsheuristik: Leicht abrufbare Ereignisse werden für häufig
gehalten.
o Repräsentativitätsheuristik: Je ähnlicher ein Ereignis einem Prototyp ist,
desto häufiger ist es.
7.2 Ergebnisse der Experten-Novizen-Forschung
7.2. Ergebnisse der Experten-Novizen-Forschung
Experten sind Personen mit sehr hohem Kenntnisstand auf einem bestimmten Gebiet,
während sich Novizen in dieses Gebiert erst einarbeiten.
Experiment nach de Groot (1965):
 Schachspieler sollten sich nur kurz (2-15 sec) gezeigte Positionen merken4
Ergebnis:
 Schachmeister erinnern die Anordnungen deutlich schneller und mit weniger
Fehlern
 Der Vorteil verschwindet, wenn es sich um sinnfreie Stellungen handelt.
7.2.1. Voraussetzungen, um Experte zu werden



Hoher Übungsaufwand: Problemlösekompetenz entsteht nicht durch
theoretischen Nachvollzug oder Lernen allgemeiner Prinzipien, sondern durch
viele Erfahrungen in dem betreffenden Bereich
Meist werden international anerkannte Leistungen erst nach min. 10 Jahren
Arbeit erbracht (Ericsson, 1990)
Insbesondere ist aber auch die Qualität der Übung entscheidend
7.2.2. Merkmale von Experten im Vergleich zu Novizen
Experten unterscheiden sich nicht nur in der Quantität ihres Wissens, sondern vor allem
auch in der Qualität, also der Strukturierung des Wissens (Bransford, 2000)
 Umfangreiches Grundlagenwissen
 Hochgradig vernetztes Wissen in einem Fachgebiet, das schnell aus dem LZG
abgerufen werden kann
 Sämtliche Formen: deklaratives, prozedurales und konditionelles Wissen
 Schnelle Problemerkennung
 Relevante Informationen werden aufgrund vorhandener Schemata schnell
erkannt
 Aktivierung der Schemata, die tatsächlich zur Lösung führen
 Novizen: eher oberflächliche Einordnung von Aufgaben, die oft wenig nützlich ist
 Hoher Zeitaufwand bei Erarbeitung neuer Probleme
 Experten untersuchen neuartige Probleme erst sehr genau, während Novizen oft
voreilige Schlüsse ziehen
 Dafür laufen der anschließende Lösungsprozess und die Strategiewahl sehr
schnell ab
 Insgesamt also Zeitvorteil der Experten
4
Ein analoges Experiment zur Entwicklung von Kindern stammt von Chi, 1978. Vgl. Skript zur EntPsy.
77
78
7.3 Transfer
 Automatisierung kognitiver Prozesse
 Das prozedurales Wissen von Experten ist stark automatisiert
→ Entlastung des Arbeitsgedächtnisses
 Zudem: sog. „opportunistisches Denken“, das heißt, Experten reagieren schnell
auf die Bedingungen und brauchen wenig Zeit zur Anpassung
Nachteil: Automatisierung führt zu Routine  Unkonzentriertheit, Flexibilität oft
eingeschränkt [z.B. Wissenschaftliche Entdeckungen meinst in jungen Jahren]
 Bessere Kontrolle der Metakognitionen
 häufiger Kommentare zu den eigenen Denkprozessen
 gute Einschätzung der Aufgabenschwierigkeit und des Zeitaufwands
 Zugleich: Unterschätzung der Zeit, die Novizen benötigen
7.3. Transfer
Definition (Greeno et al., 1996 oder Gentile, 2000) Transfer ist die Übertragung von
Gelerntem auf neue Lernsituationen.
z. B. Ingenieurstudent wendet eine mathematische Formel an, um ein praktisches Problem zu lösen
Schüler sind nicht ohne weiteres in der Lage, Gelerntes auf praktische Situationen
anzuwenden (Cox, 1997) → der Unterricht muss darauf gestaltet sein
7.3.1. Kennzeichen des Transfers und einige seiner Bedingungen:
Unterscheidung zwischen positivem und negativem Transfer nach Mayer und Wittrock,
1996:
Positiver Transfer (Lernübertragung hat wünschenswerte Wirkung):
 Schüler kann früher Gelerntes anwenden, um späteres Lernen oder
Problemlösen zu erleichtern

Aber: Lernen ist stets situativ gebunden → pos. Transfer schwierig
o Hirschfeld und Gelman, 1994: Wissensinhalte, die in einem Kontext
entstanden sind können kaum außerhalb dieses Kontexts angewandt
werden
o Anderson et al., 2000: Lesen und Grundlagen der Mathematik werden
sehr wohl in außerschulische Situation übertragen
o Perkins, 1995: Lernstrategien werden fächerübergreifend angewandt
Negativer Transfer (Lernübertragung hat unerwünschte Wirkung) z. B.
muttersprachliche Aussprache von Wörtern beim Erlernen einer Fremdsprache
(Littlewood, 1984)
 Automatischem und bewusstem Transfer nach Salomon und Perkins, 1989:
Automatischer Transfer
 spontaner automatischer Transfer, ohne jegliche Notwendigkeit des
Nachdenkens
 hochgradig geübte Fertigkeit in vielfältigen Situationen
 Kommt bei deklarativem Wissen zum Einsatz
7.3 Transfer
Bewusster Transfer
 explizit bewusste Formulierung einer Abstraktion (Analyse: welche Strategie,
welche Vorgehensweise etc.)
 Rückgriff auf konditionales Wissen

Vorwärts gerichteter Transfer: Strategie beinhaltet die Absicht, sie in der Zukunft
anzuwenden. Voraussetzung: Kenntnis von zukünftiger Situation z. B.
Lehramtsstudent lernt Unterrichtseinstiege in der Uni

Rückwärts gerichteter Transfer:
gegenwärtige Situation zu lösen
Erinnerungen
an frühere Situation,
um
 Träges Wissen (Whitehead, 1929)
Grundsätzliche Kenntnis, wie man Probleme lösen kann, aber keine Kenntnis, wie
man Wissen spontan anwendet.  kein Transfer (oder Transfer erst nach Anregung)
Unter schulischen Bedingungen entsteht häufig träges Wissen, da die Schulschemata
meist unabhängig von den Alltagsschemata sind (Claxton, 1990)
7.3.2. Förderung von Transfer im Unterricht
Ziel ist es, dem Entstehen von trägem Wissen entgegenzuwirken! Daraus ergeben sich
gewisse Empfehlungen für den Unterricht:
Förderung tieferer Verarbeitung unterrichtlicher Inhalte
 Vernetzung mit anderen Wissensinhalten
 nicht zu viel in kurzer Zeit, weniger ist mehr

umso länger sich Schüler mit einem Themengebiet beschäftigen, desto größer
die Wahrscheinlichkeit für Transfer (Schmidt und Bjork, 1992)
Systematisches Entkontextualisieren des Lernens:
Lernen in verschiedenen Kontexten begünstigt Schaffung von "Allgemeinheit", die als
Konstante erhalten bleibt (Perkins und Salomon, 1989)
Nach Singley & Anderson (1989): Verbindungen lösen, die zwischen einem bestimmten
Wissensinhalt und irrelevanten Aspekten der Lernsituation bestehen.
Problemorientierter und anwendungsbezogener Unterricht:
theoretische Darstellungen müssen mit Anwendungsbezug aufgearbeitet werden;
Lernender muss wissen, wann und wo Wissen anwendbar ist.
Anerkennung und Akzeptierung der Lernziele:
Lernen muss bekannt sein, welches Ziel das Lernen unter künstlichen Bedingungen in
der Schule hat → eigenen Nutzen aufzeigen (Savery und Duffy, 1996)
Hierbei orientierten sich die Behavioristen an einem passiven Menschenbild, dessen
informationsverarbeitende Prozesse von außen kontrolliert werden. Erst durch einen
aktiven Lerner, welcher neue Informationen auf eine besondere Art und Weise
verarbeitet, kommt es zur Erforschung kognitiver Prozesse.
79
80
8.1 Unterscheidung von Lernstrategien
8. GEDÄCHTNIS- UND LERNHILFEN, LERNSTRATEGIEN
Definition (Seidel & Krapp, 2014) „Als Lernstrategien bezeichnet man mental
repräsentierte,
situationsübergreifende Schemata
oder
Handlungspläne
zur
Steuerung
des
eigenen
Lernverhaltens,
die
sich
aus einzelnen
Handlungssequenzen zusammensetzen und situationsspezifisch abrufbar sind“
In Abgrenzung dazu sind Lerntechniken konkrete Methoden, um bestimmte Ziele zu
erreichen. Lernstrategien dagegen sind Vorstellungen in Form von „Generalplänen“, um
Lernprozesse zu steuern.
Bedeutung von Lernstrategien:
 Verbesserung von Aufnehmen, Verstehen, Behalten und Erinnern
 Lernstrategien als prozedurales Wissen zur Erreichung von Lernzielen


Lernstrategien als kognitive oder verhaltensbezogene Lernaktivität, die zu
besseren Lernaktivitäten beitragen kann
Lernstrategien als „Plan für eine Handlungskonsequenz, die auf Erreichung eines
Lernziels gerichtet ist.“ (Klauer, 1996)
Erwerb von Lernstrategien:
 einfache Behaltensstrategien schon ab GS, komplexe ab 15 Jahren



zunächst keine spontane Anwendung, keine eigene Produktion, auch nach
Anweisung (Mediationsdefizit)
nur mit Hilfe sind Schüler in der Lage, Strategien einzusetzen (Produktionsdefizit)
spontane Anwendung, aber kein Nutzen (Nutzungsdefizit)
→ Kinder müssen von Nutzen der Strategie überzeugt sein
8.1. Unterscheidung von Lernstrategien
Nach Seidel & Krapp, 2014; oder Wild/ Schiefele, 1994
Lernstrategien
Kognitive Lernstrategien
- Organisation
- Zusammenhänge - Elaboration
- Wiederholen
- Kritisches Prüfen
Metakognitive Lernstrategien
- Planung
- Selbstüberwachung
- Regulation
Ressourcenbezogene Lernstrategien
Interne Ressourcen
- Anstrengung
- Aufmerksamkeit
- Zeitmanagement
Externe Ressourcen
- Lernumgebung
- Lernen mit Kollegen
- Literatur
8.1 Unterscheidung von Lernstrategien
 Bemerkung: in einer anderen, klassischen Schematik nach Ballstaedt werden
Kognitive Strategien als Primärstrategien, metakognitive als Kontrollstrategien und
ressourcenbezogene als Stützstrategien bezeichnet.
 Kognitive Strategien
 Organisation
o Informationsreduzierende Vorgehensweisen
o Auswahl/ Zusammenfassen von Information  sinnstiftende Gliederung
o Gliederung anfertigen, Diagramm/MindMaps erstellen
o
o Beispiel: Giraffe, Otto, Kamel, Rettich, Oswald, Melone  Merke einfacher: Giraffe,
Kamel, Otto, Oswald, Rettich, Melone)

Elaborationsstrategien (= Wissen richtig verknüpfen) erzeugen tieferes
Verständnis
o Herausarbeitung von Sinnstrukturen in zu lernender Information
o Anreicherung der Information durch Herstellung von Assoziationen
o Konstruktion (Stoff mit eigenen Worten wiedergeben)
o Integration (Stoff mit gespeichertem Wissen vernetzen)
o Transfer (Übertragung auf andere Kontexte)
o
o Beispiel: Eselsbrücken, mentale Bilder, Mnemotechniken, Fragen selbst überlegen

Wiederholungsstrategien (= Wissen auswendig lernen) dienen vorrangig dem
Auswendiglernen unabhängiger Fakten
o Gelerntes im Arbeitsspeicher behalten
o Unterstützung des Übergang ins LZG und Speicherung
o Lautes/ stilles Wiederholen; schreiben/ unterstreichen wichtiger Passagen
o

Beispiel: Definitionen mehrfach aufsagen.
Kritisches Prüfen
 Metakognitive Strategien: Lernprozesse steuern/ kontrollieren
 Planung: Vorbereitung der Lernhandlung
o Das Setzen von Lernzielen, Auswahl von Lernstrategien
o Unterscheidung nach Klauer, 2000

Planungsziele (primäre Ziele): Text durcharbeiten

Effizienzziele (sekundäre Ziele): 3 Stunden zu lernen und gute Benotung

Selbstüberwachung: Kontrollieren des Lernprozesses
o Kontrollfragen
o Feststellung von Ist-Soll-Diskrepanzen
o Korrektur der eigenen Aufgabenbearbeitung (kritisches Begleiten)
o Vorhersagen (welches Ergebnis, wenn ich so weiter arbeite?)
o Überprüfung, ob Gelesenes verstanden wurde
o
Beispiel: Lernstrategien zielführend?
81
82
8.2 Beispiele für Lernstrategien

Regulation
o Anpassung des eigenen Lernens an Anforderungen
o Beispiel: langsameres Lesen bei schwierigen Texten

(Bewertung)  nicht bei Wild & Schiefele, aber bei vielen anderen Modellen
o nach Beendigung einer Aufgabe
o gesetzte Ziele vs. Erreichte Ziele
o Lernprozess wie geplant abgelaufen?
o Strategien sinnvollgewählt?
 Ressourcenbezogene Strategien:
 Interne Ressourcen (unterstützen das Lernen; schirmen störende Einflüsse ab)
o Motivationale Maßnahmen  Selbstmotivation
o Kontrolle von Aufmerksamkeit und Anstrengung
o Sinnvolle Zeitplanung

Externe Ressourcen
o Optimale Nutzung institutioneller Ressourcen (z.B. Bibliothek)
o Soziale Ressourcen (z.B. Arbeitsgruppe, Lerngruppe, Tutorien)
o Gestaltung einer geeigneten Lernumgebung
8.2. Beispiele für Lernstrategien
8.2.1. Allgemeine Lernstrategien


HIERARCHISCHES ZUSAMMENFASSEN, REKONSTRUKTION DURCH LERNER: Gliederung
des Stoffes, Kategorien bilden, Struktur in die Fülle von Informationen bringen.
o Beispiele: Text in Unterabschnitte gliedern, Überschriften bilden, immer
wieder zusammenfassen
VORWEGNAHME ZENTRALER AUSSAGEN durch vorausgehende Übersicht: Erstellung
von Übersichten und MindMaps, die zentrale Aussagen enthalten.
o Nach Hartley& Davies (1976) führen vorausgehende Übersichten in
neues Material ein und machen mit der zentralen Aussage vertraut
(Zusammenfassungen der nachfolgenden Lerneinheit in Prosaform, Fotos,
Bilder…)  sehr wirkungsvoll!

SELBSTREZITATIONSTECHNIK: Fragen an sich selbst stellen, Inhalte für sich selbst
laut zusammenfassen.
o Beispiele:
Bei
Lernen
von
Texten,
Definitionen,
Vokabeln,
Rechtschreibung, etc.
8.2 Beispiele für Lernstrategien

PQ4R-METHODE (ROBINSON, 1972)
o Preview (Überblick), Question (fragen), Read (lesen), Reflect
(überlegen), Recite (wiedergeben), Review (überprüfen)
o Zentrales Merkmal der PQ4R-Methode: Fragen formulieren und
beantworten, Text in einem Rückblick mit den Fragen im Kopf nochmals
durchgehen
o Annahme: Fragen führen zu einer tieferen und elaborativeren Verarbeitung
des Textmaterials
→ eine Rückschau auf den Text mit Fragen im Kopf, erbringt einen Gewinn
allgemeinerer Art

GEZIELTES UNTERSTREICHEN, MARKIEREN VON TEXTTEILEN: Überblick, Absatz kurz
lesen, unterstreichen, Wiederholung, Einprägen des Unterstrichenen
o zentrale Aussagen herausschreiben, Unwichtiges weglassen
o nur mit Suchauftrag sinnvoll, z.B. nur eine Aussage pro Absatz (Snowman,
1986)
o sinnbezogenes Verarbeiten mit fortlaufenden Entscheidungen (Anderson
& Armbruster, 1984)
o Ziel: Unterscheidung bedeutsamer und unwichtiger Textteile

ERSTELLEN EIGENER TEXTE (wirksam nach King, 1994)

ANFERTIGEN VON NOTIZEN
o kein mechanisches Mitschreiben, Formulierung in eigenen Worten, nur
das wesentliche (Peverley et al., 2003)
o Lehrer können dazu anregen, indem sie das wichtige hervorheben und
Zeit geben, Schlüsselbegriffe geben etc.
o Abrufreiz z. B. am Rand "Stichwort des Absatzes"

GRAPHISCHE METHODE: Anfertigen von MindMaps.
o Wissen wird in Form von Begriffen und Reaktionen zwischen Begriffen
abgebildet. Begriffe als Knoten, Relationen als Pfeile.
o Reduktion: nur wesentliche Infos herausarbeiten (Aufbau einer
Makrostruktur)
o Systematische Zusammenfassen verbaler Infos und graphische
Darstellung der Info in einer Art Landkarte (MAP / Mapping)
o Organisation des Wissens in semantischen Netzwerken
o Sehr effizient, wegen Visualisierung, aktiver Auseinandersetzung mit
Informationen, Reduktion der Komplexität des Inhalts auf wesentliche
Aspekte, Verbesserung der Rückmeldung über eigenes Wissen
(vollständig?  Anregung metakognitiver Prozesse) und der Verknüpfung
der Begriffe.
83
84
8.2 Beispiele für Lernstrategien

VORANGESTELLTE EINORDNUNGSHILFEN: Darstellung des Kontextes, in den sich das
Lernmaterial einordnen lässt
o Nach Mayer (1979, 1984) aktiviert eine gute Einordnungshilfe geeignete
Schemata, die dem Lernenden helfen, neue Informationen zu assimilieren.
(Analogien!)
8.2.2. Sonderfall: Mnemotechniken
Definition (Woolfolk, 2008) Mnemotechniken (mneme, griech.: Gedächtnis,
Erinnerung) sind systematische Ansätze zur Verbesserung der Behaltensleistungen.
Wenn Informationen für sich genommen keine Bedeutung haben, bauen
mnemotechnische Verfahren diese durch Verknüpfung neuer zu lernender Wörter und
Bilder mit vorhandenen, gelernten, auf.
Nach Untersuchungen von Atkinson (1975) ist die Anwendung von Mnemotechniken in
der Schule und in der Uni sinnvoll.
 BILDORIENTIERTE STRATEGIEN
Erst Kinder ab 8 Jahren sind in der Lage, Sachverhalte in bildhafte Vorstellungen
umzuwandeln
LOCI-METHODE (mnemonische Technik): Zu lernende Items werden im Kopf an
bestimmten Orten (z.B. Stellen in der eigenen Wohnung) abgelegt; beim Erinnern
„geht“ man dann geistig diese Orte ab
→ kann man anwenden, wenn Material nicht sinnvoll erscheint oder man es in einer
bestimmten (willkürlich erscheinenden) Reihenfolge wiedergeben muss.
Die Wirksamkeit beruht nach Adams (1976) auf 2 Prinzipien
o Erzwingen von Organisation einer unorganisierten Liste
o Herstellung von Verbindungen zwischen Orten und Items
verwendbar zum Lernen von Listen (z.B. Einkaufsliste), nicht aber zum tieferen
Verständnis von Texten und Sachverhalten
 SPRACHORIENTIERTE STRATEGIEN
SCHLÜSSELWORT-METHODE (Levin et al., 2000): sinnvoll beim Vokabellernen!
Drei-Schritte nach Levin et al.
 Rekodieren: neues Wort wird mit einem bekannten, konkreten Wort
(„Schlüsselwort) verbunden [window = Wind]
 Verbinden: des Schlüsselwortes mit der Vokabel durch einen Satz [„Durch das
Window pfeift der Wind.“]

Abrufen: der Bedeutung duch Erinnern des Satzes

vor allem beim Vokabellernen einsetzbar: Reproduktion mit Bild


Wirksamkeit: beste Ergebnisse bei Kombination mit der Kontextmethode
Probleme:
o Assoziationen werden meist zu etwas Falschem gebildet
8.3 Metakognition
o Vor allem bei Jüngeren: Schwierigkeit, eigene Verbindungen zu finden (→
erst ab 8 Jahren sinnvoll)

RHYTHMUS UND REIM:
Bei jüngeren Kindern wirkungsvoll (besser als Bilder)
o Reim aus den zu merkenden Zusammenhängen oder Wörtern bilden.
o gut für einfache Merkaufgaben
o Äußere Strukturen erleichtern die Rekonstruktion → Bildung von
Eselsbrücken!
Beispiele: „Sieben, fünf, drei - Rom schlüpft aus dem Ei“, „Trenne nie st - denn es tut
den beiden weh“

MERKWÖRTER/ AKRONYME: Aus Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildetes
Merkwort
Beispiel: EDEKA: Anfangsbuchstaben der fettlöslichen Vitamine

AKROSTICHA/ KETTENMNEMONIK: Merksätze, bei denen der Anfangsbuchstabe
jedes Wortes den zu merkenden Inhalt bezeichnet
Beispiele: Dur-Tonarten: Geh Du Alter Esel Hole Fische, Reihenfolge der Planeten: Mein
Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten.

NARRATIVE VERKNÜPFUNG/ KONTEXTMETHODE: Zu lernende Wörter in Geschichten
einkleiden → Verknüpfung
o Reihenfolge der Infos wird beibehalten
o Beispiele: Festlegung des Tagesplans, Einkaufsliste
8.3. Metakognition
Definition (nach Flavell, 1979) Metakognition ist Kognition über Kognition. Sie bildet
einen speziellen Teil des Weltwissens eines Menschen, der sich auf seine Kognitionen
und Anwendung des Wissens bezieht.
Metakognition setzt sich zusammen aus (Schunk, 2004):
 deklaratives Wissen: Wissen über Prozesse, die Lernen und Behalten betreffen;
Kenntnis eigener Fertigkeiten und Ressourcen als Voraussetzung zu Bewältigung
von Aufgaben

prozedurales Wissen: Kenntnis darüber, wie man Strategien nutzt

konditionales Wissen: wann und warum sind bestimmte Strategien anzuwenden?
8.3.1. Wissen über eigene Aufmerksamkeitsprozesse
 Aspekte der Aufmerksamkeit nach Flavell, 2002
1) Zunehmende Kontrolle der Aufmerksamkeit mit fortschreitendem Alter
Verbesserung der Aufmerksamkeitsspanne (= Konzentrationsfähigkeit) durch
Ignorieren ablenkender Reize
85
86
8.4 Förderung im Unterricht
2) Verbesserung der Einschätzung von Anforderungsmerkmalen einer Aufgaben
3) Verbesserung der Unterscheidung zwischen mehr oder weniger wichtigen
Reizmerkmalen der Umgebung mit zunehmenden Alter
Z.B. veränderte Stimme oder bestimmte Gesten des Lehrers
8.3.2. Wissen über eigene Gedächtnisprozesse
 Entwicklung
 Jüngere Kinder: über-optimistische Einschätzung des eigenen Gedächtnisses: ein
Drittel der Fünfjährigen denken, dass sie nie etwas vergessen (Kreutzer, 1975)
 realistischere Einschätzung mit zunehmendem Alter und Einsetzen von
Lernstrategien (Flavell, 1970)
 Zunehmende Kenntnis und Nutzung von Strategien als Ergebnis schulischer
Erfahrungen
 Bereits bei Grundschülern Tendenzen, Begriffe zu sortieren, aber kein spontaner
Gebrauch dieser Strategie (Bjorklund, 1994)
 Geschichtenentwickeln (für Wortreihen) erst ab Sekundarstufe I (Siegler &
Wagner Alibali 2005)
 Entwicklung von Lernstrategien abhängig von Dauer des Schulbesuches, nicht
vom Alter (Sharp et al., 1978)
 Lernstrategien im Unterricht
 Vermittlung von Gedächtnisstrategien durch den Lehrer
 Selten Vermittlung von Lernstrategien → Eigenerarbeitung nur sehr langsam und
unzureichend
 Aber: nicht jeder Strategie ist jedem Schüler (in jedem Alter) vermittelbar!
 Fehlende Nutzung von Gedächtnisstrategien - Gründe
 Schüler denken einfach nicht daran (kleiner Hinweis hilft)
 Vom Nutzen der Strategie nicht überzeugt (Aufgabe des Lehrers: Vorkehrungen
treffen, dass der Schüler Vorteile selbst erkennt und akzeptiert)
8.4. Förderung im Unterricht
 Vermittlung von Lernstrategien
 Vermittlung einer kleinen Anzahl von Strategien für spezifische Aufgaben
 Vorgehen:
o Explizite Beschreibung und ausführliche Begründung
o Demonstration der Strategie sowie Verbalisierung des Denkprozesses
o Angabe, wann wo und wie sich die Strategie einsetzen lässt
 Genügend Zeit zum Einüben von Strategien
 Rücksichtnahme auf Voraussetzungen der Schüler und Individualisierung
8.5 Gute und schlechte Strategienutzer
8.5. Gute und schlechte Strategienutzer
Erfolgreiche Lerner nutzen zahlreiche, sowohl spezifische als auch generelle
Lernstrategien aus, die sie flexibel und reflexiv einsetzen können.
Gute Strategienutzer (nach Pressley, 1986)
 Überzeugung der Kontrollierbarkeit der Lernvorgangs



Wertschätzung systematischen Vorgehens und Überzeugung vom Nutzen von
Lernstrategien
Gerichtetheit der motivationalen Dynamik (inhaltlich)
Bewusste Kontrolle der Aufrechterhaltung der Motivation (bei schwacher
Intention)
Schlechte Strategienutzer
 Inaktive Lerner  Produktions- und Anwendungsdefizit

Überwachen ihr Lernen seltener, Bemerken deshalb Fehler seltener


Vermeiden Anstrengung, auf Strategien zurückzugreifen
Kennen weniger Strategien, die ihnen in Problemfällen weiterhelfen könnten
Lehrer sollte Schüler auf Vorteile von Lernstrategien aufmerksam machen,
bei konkreten Aufgaben darauf hinweisen!
8.6. Empirie zu Metakognition und Lernstrategien
 Schiefele, Wild und Winteler (1995)
 Korrelation zwischen Studienleistung und Einsatz von Elaborationsstrategien
𝑟 = .21
 Dansereau (1998)
 Studenten nahmen an Training zum kognitiven Strukturieren von Texten teil
 Danach Aufgabe: Fachtext ohne Notizen lesen
 Ergebnis: Studenten mit Training erinnerten doppelt so viel wie Kontrollgruppe
 Metaanalyse von Schneider (1985)
 27 Studien über Metakognition und Leistung
 Ergebnis: mittlerer Koeffizient von 𝑟 = .41
87
88
9.1 Unterrichtsmodelle und Forschungsrichtungen
9. UNTERRICHTSQUALITÄT
9.1. Unterrichtsmodelle und Forschungsrichtungen
„Guter Unterricht ist Unterricht, in dem mehr gelernt als gelehrt wird.“ (Weinert, 1998)
 Ein Allgemeines Angebots-Nutzen-Modell des Unterrichts (Helmke, 2012)
Das Modell betont einerseits die professionellen Kompetenzen des Lehrers für die
Qualität des Angebots. Dieses entstehende Angebot muss die Schüler zugleich zur
seiner Nutzung anregen. Je stärker diese Anregung ist, desto besser der Unterricht.
Weitere Kontextfaktoren werden ebenso berücksichtigt.
 Paradigmen der Unterrichtsforschung
 Frühzeit der Unterrichtsforschung: Interesse für Lehrerpersönlichkeit, d.h.
Voraussetzungen für guten Unterricht waren schwer erlernbare persönliche
Eigenschaften des Lehrers
 Heute: anstatt einzelner isolierter Unterrichtsvariablen (variablenorientierter
Ansatz), wird eher das Zusammenwirken einzelner Variablen und
Merkmalsverknüpfungen innerhalb der Person des Lehrers (dies erfordert
kognitive und motivationale Mediationsprozesse der Schüler)
→ „Mediationsparadigma“ (Doyle 1977)
9.2 Die Qualitätsmerkmale nach Helmke
 2 Perspektiven der Unterrichtsqualität
 Prozessorientiert: Untersuchung der eigentlichen Durchführung /Inszenierung
des Unterrichts gemeint (alles, was man während des Unterrichts registrieren
bzw. evaluieren kann).
→ i. A. von Didaktik bestimmt, starke normativ-präskriptive Komponente, wenig
empirisch orientiert

Produktorientiert: Erforschung der Wirkung von Unterricht
→ von Pädagogischen Psychologie bestimmt

Trend: zunehmende Konzentration des Interesses auf nachweisliche Ergebnisse
„Output-Orientierung“
 Methoden für die Bewertung von Unterrichtsqualität
 Fragebogen, Interviews, Audio- & Videoaufnahmen, Rating
 besonders aussichtsreich: Studien, die verschiedene Perspektiven (Lehrer,
Schüler, Eltern) der Erfassung von Unterricht filmen und miteinander kombinieren
9.2. Die Qualitätsmerkmale nach Helmke
Nach Helmke (2006) gelten folgende Punkte als unterrichtsrelevante
Qualitätsbereiche und sollen im Folgenden skizziert werden:
1. Klassenführung
6. Lernförderliches Klima
2. Klarheit und Strukturiertheit
7. Schülerorientierung
3. Konsolidierung und Sicherung
8. Kompetenzorientierung
4. Aktivierung
9. Umgang mit Heterogenität
5. Motivierung
10. Angebotsvariation
9.2.1. Klassenführung
Definition (Kunter & Voss, 2011) Unter Klassenführung (oder Classroom
Management) versteht man die Koordination des sozialen Geschehens im
Klassenzimmer mit dem Ziel, Lernzeit optimal zu nutzen und Zeitverluste durch nicht
lernbezogene Aktivitäten zu vermeiden.
Klassenführung wird in der Schule als zentrale Grundlage für Unterricht und Erziehung
angesehen, weil sie einen nötigen Rahmen für Unterricht schafft und ein hohes Maß an
aktiver Lernzeit ermöglicht.
Erfolgreiche Klassenführung zeichnet sich weniger durch den Umgang mit
Disziplinstörungen, sondern eher durch wirksame Vorbeugung durch Verabredung klarer
& konsistent eingehaltener Regeln, Rituale und lernpsychologischer Prinzipien aus.
(Wellenreuther 2004)
Effektive Klassenführung zielt durch darauf ab, disziplinarische Probleme präventiv zu
unterbinden bzw. ihnen angemessen entgegenzutreten
 Prinzipien guter Klassenführung nach Kounin, 2006
1. ALLGEGENWÄRTIGKEIT. Zumindest Eindruck erwecken, dass man über jedes
Geschehen in der Klasse Bescheid weiß. Aspekte sind Präsenz, also die sofortige
89
90
9.2 Die Qualitätsmerkmale nach Helmke
Reaktion auf Störungen und auffälliges Verhalten, sowie die Überlappung, d.h. die
Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun [also erklären und zugleich die ganze
Klasse im Blick haben]
2. REIBUNGSLOSER UNTERRICHTSABLAUF. Der Unterrichtsfluss bleibt auch beim Wechsel
zwischen verschiedenen Methoden erhalten und Verzögerungen werden
vermieden. Aspekte sind Schwung, also keine Abschweifungen, sowie die
Geschmeidigkeit, also logische Zusammenhänge und Übergänge.
3. AUFRECHTERHALTUNG DES GRUPPENFOKUS. Ziel des Unterrichts ist es, möglichst
viele Schüler zu aktivieren: dies geschieht durch Aufmerksamkeit der ganzen
Klasse (z.B. jederzeit die Chance, aufgerufen zu werden) sowie stete
Leistungsverantwortlichkeit (z.B. durch Kontrolle von Hausaufgaben)
4. ÜBERDRUSSVERMEIDUNG. Vermeidung von Langeweile durch Abwechslung in
Methoden und Inhalten.
Weinstein (2003) betont zudem die Notwendigkeit von Routinen, z.B. für Anfang und
Ende der Stunde sowie für Verwaltungsaufgaben.
 Empirie
 Seidel & Sharvelson, 2007: positive Effekte der Klassenführung auf kognitive
sowie affektiv-motivationale Kriterien
 Aber: Auf die Leistungen wirkt sich die Unterstützungen von Lernen stärker aus
 Wang et al., 1993: stärkstes Merkmal für Leistungsfortschritt einer Schulklasse
Effiziente Klassenführung und guter Unterricht beeinflussen sich nach Helmke (2007)
gegenseitig: Motivierender Unterricht hat aktive Schüler zur Folge, die sich im
Unterrichtsgesehen mehr engagieren und somit die aktive Lernzeit gesteigert wird.
9.2.2. Klarheit und Strukturiertheit
Hierbei handelt es sich um die Stimmigkeit von Zielen, Inhalten und Methoden;
Angemessenheit des methodischen Grundrhythmus, sowie Regel- und Rollenklarheit (
Überschneidungen mit Aspekten der Klassenführung).
Klarheit ist bezogen auf auf Akustik, Sprache (Prägnanz), Inhalt (Kohärenz) und
Fachlichkeit (Korrektheit)
Strukturiertheit
meint alle Merkmale des Informationsangebots
psychologische Sicht) und Planung/ Sequenzierung des Unterrichts.
(gedächtnis-
Die Lernleistung der Schüler kann durch mangelnde Klarheit (z.B. falsche Grammatik,
Unsicherheitsausdrücke, Sprechverzögerungen, langatmige Darstellungen) verringert
werden. Dies ist von enormer Wichtigkeit, denn Lehrpersonen dienen häufig als Modelle.
Die Strukturierung dient dem Ziel, Unterrichtsstoff so zu vermitteln, sodass eine gut
organisierte Wissensbasis entsteht. Um dieses Ziel zu erreichen, werden häufig
funktional unterschiedliche Phasen miteinander verknüpft.
9.2 Die Qualitätsmerkmale nach Helmke
9.2.3. Konsolidierung und Sicherung
Der Prozess des Lernens ist durch Wiederholung und Übung charakterisiert.
Unterschieden werden kann hier zwischen:

MECHANISCHES ÜBEN: Auswendiglernen von Daten

ELABORIERTES ÜBEN: Strategien sind notwendig, um den Transfer bewältigen zu
können
 REPETITIVES ÜBEN: Aufgaben gleicher Art immer nach demselben Schema lösen
→ Grundlage für die Beherrschung grundlegender Fertigkeiten (Lesen, Rechnen
und dies auch in komplizierteren Zusammenhängen verstehen zu können)
Guter Unterricht muss grundlegenden lernErkenntnissen Rechnung tragen:
 Häufigkeit des Übens muss ausreichend sein
und
gedächtnispsychologischen

Das ungeliebte Üben muss durch geeignete Übungsformen motivierend wirken

Variation von Übungsaufgaben, sodass keine Langeweile aufkommt
9.2.4. Aktivierung
Das Konzept der Aktivierung umfasst 4 Aspekte:
 KOGNITIVE AKTIVIERUNG: Aktivierung im Sinne des SRL
→ Tiefe Verarbeitung durch anspruchsvolle Lernstrategien

SOZIALE AKTIVIERUNG: Formen kooperativen Lernens

AKTIVE TEILHABE: Schüler sollen an Planung/ Gestaltung des Unterrichts
teilnehmen
KÖRPERLICHE AKTIVIERUNG: Kontrast zu passiv-sitzender Lernhaltung

9.2.5. Motivierung
Motive sind die Motoren des Handelns. Während es sich bei „Motiven“ um gewachsene,
dispositionelle Verhaltenstendenzen (traits) handelt, handelt es sich bei „Motivation“ um
einen bestimmten Zustand in einer konkreten Situation (state).
Für Lernprozesse ist ein gewisser Grad an Motivierung über den kompletten Zeitraum
unabdingbar. Ziel hierbei ist es, dass der Lehrer in der Lage ist die motivationale
Fremdsteuerung (durch den Lehrer selbst) durch die motivationale Selbststeuerung (SuS
sollen in der Lage sein ihre eigenen Lernsituationen selber motivierend zu gestalten)
ersetzt werden.
Motive sind hierbei unterschiedlich stark ausgeprägt und beziehen sich auf
unterschiedliche Gegenstandsbereiche:
 Leistungsmotiv: sich selber zu übertreffen

Machtmotiv: an Einfluss zu gewinnen

Anschlussmotiv: neue Kontakte zu finden
91
92
9.2 Die Qualitätsmerkmale nach Helmke
Es werden 2 Motivationsarten unterschieden:
 Intrinsische Motivation
Wunsch/ Absicht, eine best. Handlung durchzuführen, weil die Handlung selbst
als interessant, spannend, herausfordernd etc. erscheint.
 Extrinsische Motivation
Wunsch/ Absicht, eine best. Handlung durchzuführen, um damit positive Folgen
herbeizuführen oder negative Folgen zu vermeiden.
9.2.6. Lernförderliches Klima
Lernumgebungen schaffen, die das Lernen der Schüler erleichtern, begünstigen oder
positiv beeinflussen. Die Schaffung vieler Erfolgssituationen stellt den Kern eines
lernförderlichen Klimas dar.
Bei Fehlern der Schüler ist es stets sinnvoll, den Schülern alternative Strategien zur
Bewältigung der missglückten Aufgabe zu geben. Vor allem, wenn die Schüler in der
Lage sind, ihre eigenen Fehler zu berichtigen, hat dies positive Auswirkungen auf das
Lernklima.
Eine angenehme Atmosphäre im Klassenraum (z.B. auch Lachen im Unterricht), d.h. ein
Mittelweg aus Ernsthaftigkeit und entspannter Atmosphäre, wirkt sich positiv auf das
Klassenklima und somit auf die Unterrichtsqualität aus.
9.2.7. Schülerorientierung
Die Wertschätzung des Schülers als Person hat enormen Einfluss auf den affektiven
Aspekt des Wohlbefindens.
Ein schülerorientierter Unterricht ist dadurch gekennzeichnet, dass die SuS die
Lehrperson auch als Ansprechpartner in nicht-fachlichen Fragen erleben und sie als
Schülerperson respektiert, interessiert und fair/ gerecht wahrnimmt.
Schüler wollen als gleichwertiger Teil des Unterrichtsgeschehens angesehen werden
und aktiv in den Unterricht eingebunden werden.
9.2.8. Kompetenzorientierung
Definition (Weinberg, 2004) Kompetenz umfasst, was ein Mensch wirklich kann und
weiß, das heißt alle Fähigkeiten, Wissensbestände und Denkmethoden, die ein Mensch
in seinem Leben erwirbt und zur Verfügung hat. Damit impliziert der Begriff auch ein
individuelles Vermögen, Befähigung und Potenzial
Ein wesentliches Ziel von Unterricht ist der Erwerb von Kompetenzen, wie sie in
Bildungsstandards beschrieben sind. Hierbei wird das Hauptaugenmerk nicht auf die
Inhalte gelegt – nicht nur Durchnehmen, sondern etwas können.
 Schüleraktivität
9.3 Lehrermerkmale
9.2.9. Umgang mit Heterogenität
PISA und IGLU zeigen auf, dass Länder mit einer hohen Heterogenität (wie es in
Deutschland der Fall ist) scheinbar schlechter abschneiden als vorwiegend homogen
geprägte Länder.
Eine Differenzierung und Individualisierung in diesen Ländern scheint im Unterricht
unumgänglich zu sein. Ziel muss es nämlich sein, neues Wissen erwerben zu können
ohne dabei über- oder unterfordert zu werden.
Aufgrund der enormen Heterogenität sind folgende 4 Lernermerkmale zu betrachten:
1. Vorwissen:
Häufig unterschiedliches Vorwissen erschwert die Situation alle SuS auf ein gleiches
Niveau zu bringen, ohne sie dabei zu unter- bzw. zu überfordern. Derselbe Unterricht
für alle SuS mit unterschiedlichem Vorwissen hat unterschiedliche Auswirkungen.
(ATI-Forschung)
2. Migrationshintergrund:
Kinder, deren Eltern ursprünglich im Ausland geboren wurden, haben meist
Leistungsrückstände im Vergleich zu ihren Altersgenossen. Die kulturelle Diversität
kann somit in Bezug auf die sprachlichen Fähigkeiten einen negativen Einfluss haben.
3. Entwicklungsstand:
Unterricht muss altersgerecht sein, d.h. der Lehrer muss an die kindlichen bzw.
jugendlichen Vorstellungen anknüpfen.
4. Lernstile:
Eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Lerntypen ist unerlässlich (z.B.
auditiv, haptisch, visueller und intellektueller Lerntyp)
9.2.10. Angebotsvariation
Hiermit ist eine große Varianz an allen verfügbaren Inszenierungstechniken gemeint, wie
beispielsweise bezogen auf Sozialformen, Medien, Aufgabentypen etc. Dadurch wird
Interesse, Neugier, Spannung und Aufmerksamkeit gefördert und der Unterrichtsstoff
dadurch besser enkodiert und im LZG vernetzt.
Methodenvielfalt & Individualisierung: Einsatz verschiedener Methoden, um
verschiedenen Schülern gerecht zu werden
Optimale Zahl der verwendeten Methoden liegt bei 3-4, darunter eher schlechte
Ergebnisse (Helmke & Jäger, 1987)
9.3. Lehrermerkmale
9.3.1. Lehrerpersönlichkeit
Nach Weinert (1998) gibt es bestimmte Eigenschaften, die ein Lehrer „mehr oder minder
mitbringen muss“. Dazu zählt er:
 Sensibilität gegenüber Schülern

Freude an der Arbeit mit Jugendlichen

Frustrations- und Misserfolgstoleranz
93
94
9.3 Lehrermerkmale
9.3.2. Schlüsselkompetenzen von Lehrkräften
Ein zentrales Modell von Baumert und Kunter (2011) gliedert Lehrerkompetenzen in vier
Bereiche:
Schlüsselkompetenzen
Professionswissen
Überzeugungen
Motivation
Selbstregulation
 Professionswissen
Definition (ebd.) Als Professionswissen oder Lehrerexpertise bezeichnet man
berufsbezogenes Wissen und Können von Lehrern.
Man unterscheidet folgende Wissensarten

FACHWISSEN: Kenntnis des eigenen Unterrichtsstoffes

FACHDIDAKTISCHES W ISSEN: Wissen über Aufgabentypen und –schwierigkeit, über
häufige Fehlkonzeptionen, über mögliche Erklärungsansätze sowie curriculares
Wissen über Lehrpläne und Kompetenzen

PÄDAGOGISCH-PSYCHOLOGISCHES
Lernprozesse

ORGANISATIONSWISSEN

BERATUNGSWISSEN

Baumert & Kunter: didaktisches Wissen sagt Unterrichtserfolg besser voraus als
Fachliches Wissen

Zugleich: Fachliche Mängel schränken Anwendung didaktischer Methoden ein
W ISSEN:
Wissen
über
Diagnostik
und
 Überzeugungen und Werthaltungen
 Einstellungen zum eigenen Fach (epistemologische Überzeugungen)
 Subjektive Theorien zum Lernen
o Analyse der PISA-Studie durch Baumert: negativer Zusammenhang
zwischen Erfolg in Mathematik und transmissiven Überzeugungen (→
darstellende Methoden)
o Positiver Zusammenhang von Konstruktivistischen Methoden zu
Lernerfolg; sowie zu Schüleraktivierung und Unterstützung beim Lernen
 Motivationale Orientierung und Selbstregulation
 Individuelle Motivation für die Berufswahl („Warum werde ich Leerer?“)
 Selbstwirksamkeit zum Unterricht („Ich kann schwache Schüler erreichen.“)
 Emotionaler Umgang mit Belastungen („Ich bin nicht für alles verantwortlich.“)
9.4 Aptitude-Treatment-Interaction (ATI)

Baumert (2011): bei der Berufswahl ist für die Unterrichtsqualität das Interesse für
die pädagogische Tätigkeit wichtiger als Interesse am Fach

Problematisch für die Selbstregulation sind vor allem die Tendenz zur
Überarbeitung sowie eine schnelle Resignation (Schaarschmidt, 2005)
9.4. Aptitude-Treatment-Interaction (ATI)
Grundannahme: individuelle Lernvoraussetzungen (Aptitudes) und die verwendeten
Unterrichtsmethoden (Treatment) stehen in einer wechselseitigen Beziehung
(Interaction) zueinander.
Für den optimalen Lerneffekt sollten die Lehrmethoden auf die Voraussetzungen der
Lernenden abgestimmt sein. Beispielsweise lernen Schüler bei ungünstigen
Lernvoraussetzungen (z.B. hohes Angstpotential, niedriges Intelligenzniveau) besser bei
lehrerzentriertem, hochstrukturiertem Unterricht.
9.5. Exkurs: Hausaufgaben und ihre Relevanz für Lernen
Definition (Trautwein & Köller, 2003) Hausaufgaben sind Aufgaben, die von den
Schülern außerhalb der Schule bearbeitet werden .
Status von Hausaufgaben
 fester Bestandteil der Schule

Nahtstelle Elternhaus und Schule

Abgrenzung zu Vorbereitung auf Klassenarbeiten und Referatsvorbereitung

Durcchnittlich täglich 30-180 Min. (Wagner und Spiel, 2002)
Funktionen
 didaktisch-methodische Funktion (Vorbereitung und Unterstützung Lernprozess)

erzieherische Funktion (selbstgesteuertes Lernen)
Diskussion des Status
 Pro Hausaufgaben
o mehr Lernzeit: Schulleistungsmodell von Walberg: Quantität des Lernzeit
als einer der wichtigsten Faktoren
o Beispiel: Haag, 1991
o Vorbereitende Hausaufgaben können nützlich sein, um das Interesse am
Unterricht zu erhöhen
o Hausaufgaben und selbstgesteuertes Lernen --> Optimierung
Selbststeuerungsvariablen
 Contra Hausaufgaben
o verstärkte Hausaufgabenbelastung zu einer Verschärfung der
Leistungsunterschiede zwischen den Schülern (Helmke, 1988, S. 65).
o Kritiker z. B. Becker & Kohler, 1988
95
96
9.5 Exkurs: Hausaufgaben und ihre Relevanz für Lernen
Empirische Befunde

Angloamerikanischer Raum: Cooper 1989 Metaanalyse mittlere Effektstärke d =
.21 (höhere Klassenstufen profitieren mehr als jüngere)

Trautwein, Köller und Baumert, 2001 = positiver Leistungseffekt
o Beginn und am Ende der 7. Klasse, Erfassung Mathematikleistung bei ca.
2000 Schülern
o Zusammenhang investierte Zeit negativer Zusammenhang
o Einfluss Schulform, bessere Leistung am Gymnasium
o regelmäßige Vergabe von Hausaufgaben positive Entwicklung auf
Leistung

Hattie Studie (2009) d= 0,29 → leicht pos. Effekt

aber oft methodische Probleme
Hausaufgabenzeit und Lernzeit)
der
Studien
(keine
klare
Abgrenzung
10.1 Darstellende Methoden
10. LEHRSTRATEGIEN
Bei Lehrstrategien (auch Lehrmethoden oder Unterrichtsmethoden genannt) handelt es
sich um verschiedene, theoretisch fundierte Formen der Wissensvermittlung. Generell
kann zwischen kognitiven und konstruktiven Methoden unterschieden werden. Wir folgen
der Unterscheidung der Lehrmethoden nach Hasselhorn & Gold, 2013. Diese
bezeichnen die dem Kognitivismus entsprechenden Lehrformen als darstellende
Methoden, die konstruktiven als problemorientierte Methoden und behandeln zusätzlich
das Kooperative Lernen als wichtige Unterrichtsform.
Lehrstrategien
Darstellende
Methoden
problemorientierte
Methoden
Kooperatives Lernen
10.1. Darstellende Methoden
Wichtigstes Merkmal dieser Methoden: hohe Anleitungs- und Steuerungskomponente
Beispiele: Frontalunterricht, Unterrichtsvortrag [z.B. Vorlesung], gelenktes Unterrichtsgespräch
10.1.1. Die direkte Instruktion
Aus empirischen Untersuchungen gewonnene Merkmale effektiven Unterrichts. Zwei
wichtige Säulen sind die sichtbare Lenkung durch den Lehrer und die hohe
Außensteuerung des Lernens. Wissen wird dabei als fertiges Produkt präsentiert.
Leitbild: Wissensvermittlung als Transmission von Lernstoff zu Lernendem
Merkmale dieser Lerhrform nach Hasselhorn & Gold, 2013
1. Lernziele werden ausdrücklich formuliert
2. Rückblick auf und Wiederholung von altem Stoff: z.B. durch Hausaufgaben oder
Abfragen, auch explizit („Was haben wir letzte Stunde gemacht?“)
→ Reaktivierung von Vorwissen, kritisiert als „Überlernen“
3. Neuer Stoff wird darbietend vermittelt: inhaltlicher Kern, zunächst wird das Thema
benannt und eine Vorausschau gegeben. Sodann kleinschrittige und
enthusiastische Präsentation des Stoffes; Erläuterung abstrakter Begriffe an
konkreten Beispielen
97
98
10.1 Darstellende Methoden
4. Anleitung zum gemeinsamen Üben und anschließende Rückmeldungen: zur
Überprüfung, wie erfolgreich Vermittlung war; Aufdeckung von Fehlkonzepten
5. Kontinuierliche Lernüberwachung mit stetiger Fehlerkorrektur und Feedback:
Lehrerfragen als Strukturierung des Unterrichts und Ermittlung von Wissen der
Schüler; Fragen auf verschiedenem Niveau (Reproduktion, Transfer etc.)
Reaktionen auf Schülerantworten: kurze Reaktion auf richtige Antworten
(„Richtig!“), ausführlicher bei zögerlichen Antworten („Stimmt, weil…“), falsche
Antworten werden immer korrigiert!
Lehrerfragen müssen stets beantwortet werden
6. Selbstständiges Üben: zunächst unter Aufsicht, selbstständig erst bei
Hausaufgaben nach ausreichendem Verständnis; Ziel: Festigung und
Automatisierung
7. Regelmäßige Überprüfung des Lernfortschritts: Zusammenfassung der Inhalte
und Leistungstests
Umgang mit Übungen: Charakterisierung von Rosenshine & Stevens, 1986
„Die Hauptkomponenten systematischen Unterrichtens beinhalten das Vorgehen in
kleinen Schritten mit Übungsphasen nach jedem Schritt, das Anleiten der Schüler
während der anfänglichen Übungen und das Ermöglichen eines großen Ausmaßes
erfolgreichen Übens für alle Schüler. [….] Die effektivsten Lehrer verwirklichen die
meisten dieser Aspekte fast jeden Tag.“
 Zur Wirksamkeit der direkten Instruktion
 Korrelative Analysen: durch Leistungstests werden starke und schwache Klassen
ermitteln, in denen dann die Lehrmethoden untersucht werden
 Ergebnis: direkte Instruktion ist sehr effektiv (z.B. Walberg, 1986), insbesondere
wenn die Präsentation gut strukturiert ist, wenig Unterrichtszeit für Disziplin und
Orga verloren geht und je stärker der Unterricht Aufgabenorientiert ist
 Interventionsstudien: vergleichbaren Gruppen werden die gleichen Inhalte mit
verschiedenen Methoden vermittelt
 Ergebnisse (Good & Grouws, 1979): bestätigen obige Erkenntnisse, zudem sind
Prinzipien leicht erlernbar
 Kritik: eher geeignet für Wissensvermittlung, weniger für Transfer oder affektive
und soziale Lernziele
 In Deutschland sehr weit verbreitet!
10.1.2. Theorie des bedeutungsvollen Lernens
Diese Lehrform geht auf David Ausubel (1968) zurück. Er zieht das rezeptive (i.e.
Präsentation fertiger Strukturen) dem entdeckenden Lernen vor.
Wesentliche Leitideen
 Ziel des Unterrichts:
Wissensstruktur
Aufbau
einer
neuen,
hierarchisch
gegliederten
10.2 Problemorientiert-entdeckendes Lernen

Neues Wissens muss an vorhandene, gesicherte Konzepte anknüpfen oder in
diese eingeordnet werden („inklusive Ideen“)
 Advance Organizer
 Die vorhandenen Ideen im Vorwissen müssen anfangs aktiviert werden
 Methode: eine vorangestellte Strukturierungshilfe, sog. Advance Organizers
 Ziel: Rückgriff auf bereits sicher gefestigte Konzepte
 Richtlinien für den effektiven Einsatz nach Derry (1984)
o Herstellung einer Beziehung zwischen Neuem und Bekannten
o Erzeugen von Aufmerksamkeit
o Konkrete Formulierung
 Progressive Differenzierung und sequenzielle Organisation
 Zunächst werden Allgemeine Regeln präsentiert
 Diese werden dann zunehmend präzisiert und ausdifferenziert
 Gleichzeitig: Ausarbeitung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten der
verschiedenen Ideen zur Kohärenzbildung
 Beispiel: die „Regel-Beispiel-Regel-Technik“:
o Erlernen einer Regel, dann Erläuterung mit Beispielen (deduktiv)
o Anhand der Beispiele kann dann eine neue Regel erarbeitet werden
(induktiv)
o Inhalt werden also der Reihenfolge (bzw. einer kausalen Folge) nach
präsentiert
 Maßnahmen zur Festigung und Konsolidierung
 Ziel: Verhinderung des Vergessens des Stoffes
 Methoden: Wiederholung, Übung und Rückmeldung
10.2. Problemorientiert-entdeckendes Lernen
Alternative Bezeichnungen: „Offener“ Unterricht, konstruktivistische Methoden
Kritik an den traditionellen Formen: Lernen wird stets in einem bestimmten Kontext
erworben, ist also situiert. Das bedeutet allerdings auch schlechte Übertragbarkeit.
Sinnvolles Lernen stellt die Inhalte also stets in bestimmte, und auch verschiedene
Anwendungskontexte, um die Entstehung trägen Wissens zu vermeiden (Collins, 1989).
10.2.1. Überblick und Allgemeines
Zielvorstellung dieser Methoden: hohe individuelle Lernförderung durch Anregung zum
selbstständigen und selbsttätigen Lernen. Dinge, die selbst „entdeckt“ wurden, werden
besser behalten
Definition (Zumbach, 2003) Problemorientiertes Lernen ist eine Unterrichtsform, die
unterschiedliche Merkmale in sich vereint: Komplexe und authentische Problemstellungen werden in Kleingruppenarbeit unter tutorieller Betreuung gelöst.
99
100
10.2 Problemorientiert-entdeckendes Lernen
 Wichtige Ziele und Merkmale
 Vermittlung von heuristischen Fähigkeiten des Problemlösens zusätzlich zum
Lerninhalt (Bruner, 1981)
 Entwicklung von selbstgesteuertem Lernen sowie Zusammenarbeit in sozialen
Gruppen
 Grundidee nach Bruner (1973): Präsentation geeigneter, angemessener
Probleme und Begleitung der Schüler bei der Lösung (= gelenktes
Entdeckenlassen)
→ selbstständige, induktive Regelerschließung und -überprüfung
 Weckung von Neugier und Motivation durch kognitive Konflikte
 Wissens wird nicht als Produkt präsentiert, sondern vom Lerner aktiv konstruiert
 Üblicher Ablauf
1. KONFRONTATIONSPHASE: Präsentation eines neuartigen Problems
2. ENTDECKUNGSPHASE: aktive und eigenständige Erarbeitung einer Problemlösung
3. AUFLÖSUNGSPHASE: Darstellung, Erprobung und Diskussion der Lösungen
10.2.2. Der Sokratische Dialog (Collins, 1987)
Denken der Schüler wird durch gezielte Fragen in eine bestimmte Richtung gelenkt.
Mögliche Strategien hierzu sind
(1) Positive und negative Beispiele
auswählen: zunächst völlig typische
oder atypische, dann auch Grenzfälle
(6) Hypothesen testen lassen: statt
unmittelbarer Rückmeldung über
deren Richtigkeit
(2) Beispielmerkmale systematisch
variieren
(7) Alternative Vorhersagen
untersuchen lassen
(3) Gegenbeispiele wählen als Reaktion
auf falsche Hypothesen des
Lernenden
(8) Kleine Fallen aufstellen:
Konfrontation mit inhaltlich falschen
Hypothesen zur Überprüfung
möglicher Fehlkonzepte)
(4) Hypothetische Situationen
vorgeben: bei schwer realisierbarem
Fall
(5) Hypothesen aufstellen lassen:
konkrete Vorhersagen über einen
Sacherhalt (→ tiefere Verarbeitung)
(9) Widersprüche aufzeigen:
Konsequentes und systematisches
Nachfragen zur Wissensüberprüfung
(10) Zu eigenständigem Denken
anregen: keine direkte Beantwortung
von Fragen
Nach Schnotz, 2009
10.2.3. Grundformen nach Neber (1999)
 Lernen durch Problemlösen
 Herbeiführen kognitiver Konflikte
 Notwendigkeit der Lenkung: unterstützende Hilfe, Lösungsstrategien modellieren,
direkte Erklärungen anbieten
10.2 Problemorientiert-entdeckendes Lernen
 Lernen durch Beispiele
 Z.B. Fallbasiertes Lernen bei Medizinern, auch unter Vorgabe der vollständigen
Lösung
 Umgang mit Lösungen: Selbsterklärungen
o Ausgearbeitete Lösungen sind bei oberflächlichem Nachvollzug wenig
wirksam
o Notwendigkeit, Elaborationsstrategien anzuwenden
o Qualität von Selbsterklärungen muss (v.a. bei lernschwachen) gefördert
werden
 Eher Kompromiss zwischen entdeckenden und darbietenden Methoden
 Lernen durch Explorieren und Experimentieren (v.a. für Physik)
 Ablauf: Frage formulieren, Hypothesen aufstellen und prüfen [auch mit
Simulationen], Übertragbarkeit der Gesetzmäßigkeit
 Begleitende Verbalisierung der Gedanken als metakognitive Kontrolle
 Verschiedene Stufen der Lenkung
o Struktuiertes Explorieren: Frage und Vorgehenshinweise gegeben
o Gelenktes Explorieren: Frage, aber kein Vorgehen angegeben
o Authentisches Explorieren: auch Frage muss erschlossen werden
10.2.4. Drei Beispiele
Cognitive Apprenticeship
Als Mischform zwischen darstellenden, problemorientierten und kooperativen Methoden
anzusehen.
Ansatz: Schüler werden als Novizen, Lehrer als Experten gesehen. Die klassische
„Handwerkerausbildung“ oder „Meisterlehre“ (≈ apprenticeship) soll auf kognitives,
schulisches Lernen anhand praxisorientierter Probleme übertragen werden.
Merkmale
 Gelenkte Beobachtung, minimale Anleitung und konstruktive Unterstützung

Experte zieht sich zunehmend aus Lernprozess zurück

Idee: individualisierte Meisterlehre als natürlichste Form des Lernens
 Vorgehen nach Collins et al. (1989)
1. Modellieren. Vorführung einer neuen Fertigkeit unter Offenlegung der
Lernstrategien und mentalen Prozesse
2. Angeleitetes Üben (Coaching). Ausführung der Aufgabe unter Hilfestellung.
3. Lernhilfen und –steuerung. Aufbau eines Lerngerüsts (Scaffolding), z.B.
Übernahme von schwierigen Aufgaben durch Lehrer; späterer Abbau der Lernhilfen
(sog. Fading)
4. Artikulation. Denkprozesse werden verbalisiert. Ziel: metakognitives Wissen und
eigene Entscheidungsfähigkeit
5. Exploration. Anregung, neue Probleme selbst zu explorieren.
101
102
10.2 Problemorientiert-entdeckendes Lernen
 Empirie
 Entsprechende Programme sind oft sehr wirksam (Brown, 1997)
 Erklärung: vereinen erwiesene Vorteile der direkten Instruktion mit aktivierendem
und sozialem Lernen
Wechselseitiges Lehren (Reciprocal Teaching, Palinscar & Brown, 1984)
Eine konkrete Anwendung des cognitve apprenticeship.

Grundidee: Schüler nehmen wechselseitig Lehrer-Rolle (Fragen
Abschnitte zusammenfasse) und Schüler-Rolle (Antworten) ein

Basierend auf der Theorie Wygotskys, ursprünglich für den Lese-Unterricht der
siebten Klasse entwickelt (zeitl v.a. auf schwächere Schüler ab)

Einstieg: Einüben Grundlegender Strategien (i.d.R. durch Lernen am Modell)
o Texte selbstständig zusammenfassen
o Fragen formulieren
o Vorhersagen zum Text machen
o Erlärung des Gelesenen

Zur Wirksamkeit: Hattie (2009): Effektstärke von 𝑑 = 0.74

Begründung der Effizienz: Verknüpfung von strategischem und metastrategischen
Elementen; Verbindung von Modelllernen, Einüben und Selbsttätigkeit
stellen,
Methode der Verstehensanker (Anchored Instruction)

Besonderes Merkmal: Einsatz von Medien als „Anker“ (Aufhänger) für die Inhalte

Ablauf
o Darbietung von „spannenden“ Abenteuergeschichten als Filme
o Einbettung des zu lernenden Wissens in diese Filme
→ Verankerung der Lerninhalte, um Neugier zu wecken
o Zusätzliche Unterstützung durch den Lehrer teilweise erforderlich
Beispiel: Adventures of Jasper Woodbury-Serie (Vanderbilt-Uni Nashville, 80er)
o Verschiedene mathematische Inhaltsbereiche der Sekundarstufe
o Serienheld Jasper und Freund Larry müssen ein mathematisches Problem
erkennen, in Operatoren formulieren, eine Strategie vorschlagen und das
Problem lösen
o Kinder müssen während der Videos den Protagonisten helfen

 Gestaltungsprinzipien solcher Video-Lernumgebungen
1. VIDEOBASIERTES FORMAT: Verpackung komplexer Probleme in authentische
Handlungen.
2. NARRATIVE STRUKTUR: Erzählung spannender Geschichten, zugleich und
Verbindung mit bekannten Charakteren
3. GENERATIVE PROBLEMLÖSUNG: offenes Ende; das Problem muss von den Schülern
gelöst werden (es gibt jedoch eine Beispiellösung)
10.2 Problemorientiert-entdeckendes Lernen
4. SELBSTSTÄNDIGES LERNEN. Schüler müssen die relevanten Informationen
selbstständig finden.
5. AUTHENTISCHE PROBLEME: Probleme sind lebensnah, d.h. auch überflüssige und
teils widersprüchliche Informationen vorhanden
6. TRANSFER: Verschiedene Lerngeschichten zu einem Inhalt verfügbar; dadurch
erhöte Flexbilität der Lehrkraft
Empirische Prüfung
 Hickey et al. 2001: Vergleich von 19 fünften Klassen an verschiedenen Schulen
(auch verschiedene Sozialschichten etc.)
o Unterschiede in der Problemlösekompetenz, nicht aber unbedingt beim
fachlichen Wissen
o V.a. wirksam in Verbindung mit einer insgesamt eher reformorientierten
Ausrichtung der Schule
o Insgesamt eher geringe Effektstärken
o Problem: Filme wurden von Lehrern oft als Unterhaltung eingesetzt,
Schüler mussten keine Fragen etc. selbst stellen
→ mangelhafte praktische Umsetzung!
10.2.5. Probleme und Chancen der konstruktivistischen Methoden
PRO
CONTRA
- Tiefere Verarbeitung der Inhalte
- Förderung von eigenständigem Denken
und Metakognition
- Fähigkeit der Problemlösung und des
Transfers
- Nicht
allgemein
einsetzbar
(Überforderung des Lernenden)
- Wissensstrukturen
als
kulturelle
Leistung, die einzelner nicht einfach
nachmachen kann
- Deutlich
ineffizienter
als
direkte
Instruktion (insbes. für lernschwache
Schüler)
- Vernachlässigung der Vermittlung von
Wissen zugunsten der Vermittlung von
Fähigkeiten
- Problemlösestrategien
Hilfestellung erworben
besser
durch
 Empirische Studien
 Allgemein: Wirksamkeit konnte nicht wirklich bestätigt werden (Mayer, 2004)
 Loyens und Rikers (2011): größere Effekte bei stärkerer Strukturierung
→ Bedarf einiger Lenkung seitens der Lehrkraft (Guided Discovery)
103
104
10.3 Kooperatives Lernen
10.3. Kooperatives Lernen
Hier arbeiten Schüler in Kleingruppen zusammen, um sich beim Wissenserwerb zu
unterstützen. Die Lehrperson tritt in den Hintergrund, Lernen ist aktiv, selbstständig und
sozial.
 Merkmale und Eigenschaften
 Gruppen können Aufgaben nur gemeinsam lösen („positive Interdependenz“
zwischen Einzel- und Gruppenleistung)
 Ziel: höhere Motivation wegen Vermeidung von Konkurrenzdenken
 5 Basismerkmale
1. POSITIVE INTERDEPENDENZ: Abhängigkeit der Lernenden voneinander
→ Unmöglichkeit, Aufgabe alleine zu lösen, als Voraussetzung
2. INDIVIDUELLE VERANTWORTLICHKEIT: Einzelbeiträge sind nach wie vor erkennbar
[Vermeidung des Trittbrett-Fahrer-Effekts und Sicherung eines gleichen
Lernerfolgs]
3. FÖRDERLICHE INTERAKTIONEN: Gruppenmitglieder müssen kommmunizieren (keine
schiere Arbeitsteilung) und zusammenkommen
4. KOOPERATIVE ARBEITSTECHNIKEN: Fähigkeit zur Kommunikation und zur Gestaltung
eines förderlichen Klimas sowie zur Bewältigung von Konflikten
5. REFLEXIVE PROZESSE: Austausch über positive und negative Gruppenprozesse
 Perspektiven des kooperativen Lernens
 Entwicklungsperspektive:
o Verbindung von Piaget und Wygotski
o Entwicklung in der Zone der proximalen Entwicklung kann besonders gut
durch heterogene Gruppen verwirklicht werden
o Größere Wahrscheinlichkeit von adaptiv-unterstützenden Lehraktivitäten
durch geringeres Autoritäts- und Wissensgefälle
 Perspektive der kognitiven Elaboration
o Integration von neuem Wissen ist einfacher, je größer Anknüpfungspunkte
sind
o Tiefere Verarbeitung in Umgebungen, die zum Hinterfragen, Kritisieren
und Verteidigen eigener Positionen anregen
o Voraussetzung: geeignete Strukturierung der Lernsituation
 Motivationale Perspektive:
o Gruppenbelohnungen als extrinsische Motivation
o Anreiz zur Kooperation durch Notwendigkeit der Kooperation
o Optimal: Verknüpfung von individuellen mit Gruppenbelohnungen
 Perspektive der sozialen Kohäsion
o Zusammenhalt der Gruppen aus eigenem Antrieb (intrinsische Motivation)
o Strikte Ablehnung von Belohnungen

Beispiele für Kooperative Arrangements: Gruppenpuzzle, Skriptkooperation
10.3 Kooperatives Lernen
 Etwas Empirie
 Hattie (2009): Effektstärke von 𝑑 = 0.54 (= mittlere Stärke)
 Rohrbeck et al. (2003): v.a. schwächere Schüler profitieren
 Rohrbeck et al. (2006): positive Auswirkungen auf soziale Kompetenzen,
kooperativem
Verhalten
und
Fähigkeitsselbstkonzept
105
106
A1 Exkurs: Umgang mit ADHS
ANHANG
A1 Exkurs: Umgang mit ADHS
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) = Kinder mit einer ungewöhnlich hoher Aktivität
und einer gleichzeitig sehr geringen Aufmerksamkeitsspanne
 Schwierigkeiten, kognitive Funktionen zu kontrollieren und Verhalten zu steuern

Kennzeichen:
Hyperaktivität,
Impulsivität,
Unaufmerksamkeit, störendes Sozialverhalten

Empirische Befunde:
o Zu sehr hohem Prozentsatz erblich (Astrid Neuy-Bartmann, 2005)
o Erstmals mit 2-3 Jahren; ohne Behandlung noch im Erwachsenenalter
(Schäfer & Ruther, 2005)

Empfehlungen für den Umgang mit ADHS-Kindern:
o Regelmäßige körperliche Aktivität
o Anweisungshilfen durch den Lehrer (klare und kurze Anweisungen)
o Regelmäßige & häufige Aufgabenkontrolle
o Wesentliches stets aufschreiben
o Vermittlung und Einüben von Strategien zur Kontrolle der eigenen
Aufmerksamkeit
o Individueller Stundenplan & Arbeitsbedingungen anpassen (z.B.:
Sitzordnung, die wichtigsten Fächer zuerst,…)
mangelnde
Affektkontrolle,
A2 Überblick über die Hattie-Studie 2009
Empirische Befunde der Forschungssynthese von John Hattie (2009)
 Ergebnisse aus über 50.000 Studien mit 83. Mio. Schülerinnen und Schüler
aufgearbeitet.
 Meta-Analyse zur Zusammenfassung vieler Studien zu erfolgreichem Lernen

Mittelung der Effektstärken: Wie stark wirkt (im Mittel) eine Einflussgröße A auf
das Ergebnis B? Interpretation der Effektstärke

Kritik an der Studie
o Auch fragwürdige Studien enthalten
o Material teilweise veraltet (aus den 70er und 80er Jahren)
o Basis: i.d.R. Anglo-Amerikanischer Raum

6 untersuchte Kategorien
A2 Überblick über die Hattie-Studie 2009
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A2 Überblick über die Hattie-Studie 2009
A2 Überblick über die Hattie-Studie 2009
Quelle: http://www.studienseminarkoblenz.de//medien/seiteneinsteiger/seiteneinsteiger2011_2/12%20Expertiseforschung
%20-%20Hattie-Studie/Handout%20Hattie-Studie.pdf
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